Sieben Jahre in Süd-Afrika. Erster Band.

By Emil Holub

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Title: Sieben Jahre in Süd-Afrika. Erster Band.
       Erlebnisse, Forschungen und Jagden auf meinen Reisen von
       den Diamantenfeldern zum Zambesi (1872-1879).

Author: Emil Holub

Release Date: May 7, 2005 [EBook #15787]

Language: German


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Sieben Jahre in Süd-Afrika.

Erster Band.

[Illustration: Emil Holub.]

Sieben Jahre in Süd-Afrika.

Erlebnisse, Forschungen und Jagden auf meinen Reisen von den
_Diamantenfeldern_ zum _Zambesi_ (1872-1879).

Von

_Dr. Emil Holub._

Wien, 1881.

Alfred Hölder,
k. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler
Rothenthurmstraße 15.

       *       *       *       *       *

Mit 235 Original-Holzschnitten und vier Karten.

       *       *       *       *       *

Erster Band.




Seiner

_Apostolischen Majestät_

dem Kaiser und Könige

_Franz Josef I._

in tiefster Ehrfurcht gewidmet

vom

Verfasser.




Vorwort.

Mein Scherflein zu dem großen Werke der Erschließung und Durchforschung
Afrika's beitragen zu können, war mein seit früher Jugend gehegter und
stets genährter Wunsch. Als ich während meiner Studienjahre bei der
Lectüre der Reisewerke über den dunklen Erdtheil so selten den Namen
österreichischer Reisenden begegnete, traten die Umrisse meines
Reiseplanes immer schärfer hervor und als ich im Jahre 1872 an der
Schwelle der Verwirklichung meines sehnlichsten Wunsches stand, war mein
Entschluß gefaßt. Süd-Afrika war das Feld, auf dem ich der Wissenschaft
und meinem Vaterlande ersprießliche Dienste zu leisten hoffen durfte.

Wie wechselvoll auch die Schicksale waren, welche mich während meines
siebenjährigen Aufenthaltes in Süd-Afrika trafen, ich behielt unverwandt
die mir selbstgestellte Aufgabe im Auge und was die beschränkte Kraft
und die Mittel eines Einzelnen vermochten, habe ich zu leisten redlich
mich bemüht. Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen einer Reihe
hochherziger Männer gelang es mir, manches Hinderniß glücklich zu
besiegen, meine Sammlungen durch manches werthvolle Object zu
vervollständigen.

Zum dritten Male aus dem Innern Süd-Afrika's in die Diamantenfelder
zurückgekehrt, wurde ich wiederholt von meinen südafrikanischen Freunden
um die Veröffentlichung meiner Reise-Erlebnisse ersucht. Da ich mich
jedoch mit aller Kraft der Ausübung meiner ärztlichen Praxis zuwenden
mußte, um die Mittel für meine Rückkehr nach Europa zu gewinnen, war es
mir nicht möglich, die Bearbeitung meines Materials für das Erscheinen
in Buchform in Angriff zu nehmen. Ich mußte mich vielmehr darauf
beschränken, in mehreren südafrikanischen Zeitungen fragmentarische
Mittheilungen über die bereisten Gegenden zu veröffentlichen.

Nach Europa zurückgekehrt, wurde ich schon in London um die Publication
meiner Arbeiten angegangen und so war es meine Absicht--nachdem ich die
Heimat wiedergesehen--meine Gesammt-Erfahrungen, sowohl die
Reise-Erlebnisse als auch die wissenschaftlichen Resultate (letztere
unter Beihilfe von Fachmännern) herauszugeben, wobei mir die Form des
Werkes über die Novara-Reise als Richtschnur vorschwebte.

Um jedoch diesen Plan selbst in beschränkterem Umfange durchzuführen,
hätte es eines mindestens dreijährigen Aufenthaltes in Europa bedurft,
während ich mich aus mehrfachen Gründen veranlaßt sehe, noch im Laufe
dieses Jahres nach Afrika zurückzukehren und meine Forschungen
fortzusetzen. Dies bewog mich, den Wünschen zahlreicher Freunde
nachzugeben, die wichtigeren Erlebnisse während meines siebenjährigen
Aufenthaltes in Süd-Afrika in diesem Buche dem Leser vorzuführen und
dabei nur hie und da wissenschaftliche Gebiete zu berühren, während die
specielle Bearbeitung des in diese gehörigen reichen Materials im
Vereine mit hervorragenden Fachmännern erfolgen soll.

Ich kann es nicht unterlassen, _meinem geschätzten Verleger_ an dieser
Stelle für die eben so reiche und würdige Ausstattung meines Buches und
die dafür gebrachten Opfer meinen wärmsten Dank zu zollen. Auch halte
ich es für meine Pflicht, meinem lieben Freunde Dr. _Chavanne_ für seine
Mitwirkung, sowie Herrn _Ronniger_ für die meinem Werke gewidmete
Sorgfalt auf das Herzlichste zu danken.

An den Wunsch, daß mein Werk dazu beitragen möge, das Interesse für die
Erforschung und Erschließung des »schwarzen Continents« in Europa zu
mehren, knüpfe ich die Hoffnung, daß es mir gegönnt sein werde, nach
Jahren dem Leser weitere Schilderungen aus Süd-Afrika, wie auch Neues
über diesen »Continent der Zukunft« zu bieten.

Wien, Pavillon des Amateurs, September 1880.

Emil Holub.




Inhalt.


I. Auf der Fahrt nach dem Cap.--Die Capstadt.--Port Elizabeth

II. Meine Reise nach den Diamantenfeldern

III. Die Diamantenfelder.

Leben und Freuden in meiner ärztlichen Praxis.--Ein nächtlicher
Ueberfall.--Dutoitspan und Kimberley.--Diggerverfahren.--Panorama der
Kopje.--Morgenmarkt.--Meine erste Pavianjagd.--Vorbereitungen zur ersten
Reise.

_Meine erste Reise in das Innere von Süd-Afrika._

IV. Von Dutoitspan nach Lekatlong.

Meine Reisebegleiter.--Schwierigkeit der Beschaffung geeigneter
Zugthiere.--Aufbruch aus den Diamantenfeldern.--Trostloser Zustand der
Wege.--Südafrikanischer Vorspann.--Old de boers-Farm.--Bismarcks
Retreat.--Der Vaal-River und sein Thal.--Ein Besuch in Korannadorfe
bei Pniel.--Bauart der Korannahütten.--Sociale Zustände
unter den Koranna's.--Vorschläge und Mittel zur Besserung
derselben.--Freimaurerthum unter den Koranna's.--Ein gefährlicher
Nachtmarsch zum Vaal-River.--Klipdrift.--Racenunterschiede zwischen
Koranna's und Betschuana's.--Das Innere der Korannahütten.--Die
River-Diggings am Vaal.--Die Fauna des Vaal-Thales.--Eine
Krankenordination in Klipdrift.--Gong-Gong, Waldeks-Plant und der
Fly-Dyamond.--Eine desolate Straße.--Die Holitzer Schlucht.--Die Cobra
capella und ihre Gefährlichkeit.--Ringhalsschlangen.--Im Schlamme des
Harts-River versunken.--Ankunft in Lekatlong.

V. Von Lekatlong nach Wonderfontein.

Batlapinenleben.--Webervögel und ihre
Nester.--Zuckerrohr-Pflanzungen.--Spitzkopf.--Mitzima's Dorf.--Schlauheit
der Batlapinen-Weiber.--Termitenbauten.--Reisende Batlapinen.--In
Lebensgefahr.--Springbockfontein.--Transvaal-Emigranten.--Gassibone und
seine Residenz.--Tauschhandel.--Wanderheuschrecken.--Ein seltsamer
Labetrunk.--Am Vaal-River.--Wasser- und Land-Leguane.--Christiana, die
westlichste Transvaal-Stadt.--Einfache Rechtspflege.--Landschaftlicher
Contrast der beiden Vaalufer.--Bloemhof.--Ein gefährlicher Nachtmarsch
bei Gewittersturm.--Waidmanns Eldorado.--Königskraniche.--Gnu
und Bläßbock.--Romberg's Farm.--Von schwarzen Gnu's
überrascht.--Hühnervögel.--Klerksdorp.--Potschefstroom.--Das
Moi-Riverthal.--Geognostische Entdeckungen.--Wonderfontein und seine
Grotten.

VI. u. VII. Rückreise nach Dutoitspan.

Wolmaran's Farm.--Ein junger Boer.--Tabakbau im Moi-Riverthale.--Ueppige
Vegetation.--Optische Täuschung.--Transportkosten und
Schwierigkeiten.--Gestörte Mahlzeit.--Ein Hinterhalt.--Farm
Rennicke.--Eine Vogel-Colonie.--Gildenhuis.--Eine Löwenjagd an den
Maqwasi-Höhen.--Gekränkte Hottentotten-Ehre.--Auswanderer nach den
Leydenburger Goldfeldern.--Hallwater Farm und Saltpan. (Vermeintliche
Ruinen von Monopotapa.)--Batlapinen-Gerichte.--Eine unliebsame
Entdeckung.--Hebron.--Ostersonntag im Vaal-River.--Ankunft in
Dutoitspan.

_Zweite Reise in das Innere von Süd-Afrika._

Nach Musemanjana--Moschaneng--Molopolole--Schoschong--und Rückkehr über
Linokana nach den Diamantenfeldern.

VIII. Von Dutoitspan nach Musemanjana.

Vorbereitungen und Ausrüstung zur Reise.--Meine diesmaligen
Reisegefährten.--Aufbruch von Dutoitspan.--Klipdrift.--Platberg in
Gefahr.--Diamantenfund.--Afrikanische Wegmauth.--Hebron.--Wassermangel.
--Ein Grasbrand auf der Hochebene.--Hartebeest-Antilopen.--Ein theuerer
Labetrunk.--Gassibone's Kraal.--Nigers Abenteuer mit einer Cobra.--Taung.
--Ein holländischer Schmied.--Reverend Brown und die Missionsstation
in Taung.--Maruma.--Monkey's Freuden und Leiden.--Eine dornenvolle
Jagd.--Billige Diamanten.--Von Pavianen genarrt.--Unser Empfang in
Musemanjana.

IX. Von Musemanjana nach Moschaneng.

Aufbruch nach Moschaneng.--Quaggaflats.--Hyänenjagd bei
Mondschein.--Makalahari-Reiter.--Konana.--Barolongenstolz.--Acht
Löwen.--Eine Begegnung mit Löwen am Setlagole.--Thierleben auf der
Hochebene.--Gnujagd bei Nacht.--Boly verirrt sich.--Zebrajagd.
Skeletthügel.--Eine abenteuerliche Gansjagd.--Südafrikanischer
Frühling.--Am Ufer des Molapo.--Molema's Town.--Rev. Webb und die
Mission daselbst.--Chef Molema.--Kranken-Ordination.--Siedelsperlinge.
--Huß-Höhe.--Ankunft vor Moschaneng.--Hohe Gäste.

XI. Von Moschaneng nach Molopolole.

König Montsua und das Christenthum.--Die Wesleyan-Mission in
Moschaneng.--Besuch am Wagen.--Meine ärztliche Praxis in
Moschaneng.--Merkwürdige Termitenbauten.--Ein Intermezzo bei unserer
Abreise.--Das Banquaketse-Hochland.--Anzeichen tropischer
Vegetation.--Hyänenhunde.--Pittoreske Landschaftsscenerien an den
Naprstek-Höhen.--Beleuchtungseffecte auf der Hochebene.--Ruinen von
Mosilili's Stadt.--Klippdachsjagd.--Grasbäume.--Ein Thari.--Molopolole.

XI. Von Molopolole nach Schoschong.

Malerische Lage der Stadt.--Rev. Price und Williams.--Die
Kotla.--Ausflug in die Molopolole-Schlucht.--Ein Festtag für
Molopolole.--Missionärs-Laufbahn in Süd-Afrika.--Empfang bei
Seschele.--Die Bakwena's.--Geschichte des Bakwena-Reiches.--Königin
Ma-sebele und Kronprinz Sebele.--Religiöse Vorstellung
derselben.--Raka's, Linjaka's und Moloi.--Heilmethode und Heilmittel
derselben.--Beschwörung Khama's.--Regenmacher.--Aufbruch
von Molopolole.--Ein dornenvoller Marsch.--Eingeborne
Postboten.--Wassernoth.--In Lebensgefahr.--Barwa's und
Masarwa's.--Abergläubische Gebräuche dieses Sclavenstammes der
Betschuana.--Ihre Jagdlist.--Neujahrsfeier in der Wildniß.--Im
Bakwena-Lande verirrt.--Von Masarwa's gerettet.--Ein merkwürdiger
Fund.--Begegnung mit Leoparden.--Ein besorgter Vater.--Einzug in
Schoschong.

XII. Von Schoschong zurück nach den Central-Diggings.

Lage und Bedeutung Schoschongs.--Unser Empfang daselbst.--Rev. Mackenzie
und die Mission der London Missionary Society.--Geschichte der
Bamangwato's und ihres Reiches.--Sekhomo und Khama.--Sekhomo's
Rath.--Sitten und Gebräuche der Betschuana (Schluß).----Die Circumcision
und Boguera.--Die Kotla in Schoschong.--Die Breiprobe.--Aufbruch von
Schoschong.--Das Fasanhuhn.--Khama's Salzsee.--Elephantenspuren.--Die
Buffadder.--Die Dornfelder im Limpopothale.--Ein Löwe und die
Hundemeute.--Ein seltener Anblick.--Zu Tode erkrankt.--Tschune-Tschune.
--Die Dwarsberge und der Schweinfurth-Paß.--Brackfontein.--Eine
sonderbare Elephantenjagd.--Linokana.--Rev. Jensen und die Hermannsburger
Mission.--Die Baharutse und ihr Ackerbau.--Zeerust und der
Marico-District.--Das Hooge Veldt.--Potschefstroom.--Die Elephantenjäger
David Jakob und Viljeon.--Die Quarzitwälle am Klip-Port.--Trennung von
meinen Gefährten.--Ankunft in Dutoitspan.

XIII. Dritter Aufenthalt in dem Diamantenfeldern

      *       *       *       *       *




Inhalt des Anhangs.


 1) Museum in Capstadt und botanische Gärten Süd-Afrika's
 2) Der Hafen Port Elizabeth, Ausfuhr und Zoll-Einnahmen
 3) Grahamstown
 4 und 5) Cradock
 6) Colesberg
 7) Jagersfontein
 8) Anlage eines kleinen Thiergartens
 9) Salzpfanne an der Hallwaterfarm. Vermeintliche Ruinen von Monopotapa
10) Heilung einer Kehlkopfwunde
11) Gassibone und sein Gebiet
12) Die Batlapinen und die Boers
13) Mankuruana's Reich
14) Diebstähle in den Diamantenfeldern
15) Ethnographische Verhältnisse zwischen dem Harts- und Vaal-River
16) Konana
17) Carossen
18) Aerztliche Praxis in Moschaneng
19) Der Caracal
20) Ruinen von Mosilili's Stadt

       *       *       *       *       *




Karten.


_Uebersichtskarte_ von Dr. Holub's Reisen in Süd-Afrika.

       *       *       *       *       *




Verzeichniss der Illustrationen.


     Porträt des Verfassers (Titelbild)
  1. Ansicht von Funchal
  2. Capstadt
  3. Schlucht am Abhange des Tafelberges
  4. Elephantengruppe, Nachts am Zondags-River
  5. Termitenhaufen
  6. Euphorbiaceen-Bäume
  7. Springbockjagd bei Colesberg
  8. Antilopenfalle
  9. Gegend bei Cradock
 10. Fahrt in die Diamantenfelder
 11. Hotel am Riet-River
 12. Nächtlicher Ueberfall
 13. Platz in Dutoitspan
 14. Die Kimberley-Kopje im Jahre 1871
 15. Fördermaschinen in den Diamantengruben
 16. Kimberley
 17. Kaffer, Schafe hütend
 18. Trunk aus einer Sumpflache
 19. Pavianjagd
 20. Die Kimberley-Kopje im Jahre 1872
 21. Vorspann in Süd-Afrika
 22. Korannagehöfte im Hart-Riverthale
 23. Koranna
 24. Inneres einer Korannahütte
 25. Kranken-Ordination in Klipdrift
 26. Batlapinenknaben den Kiri werfend
 27. Batlapine
 28. Nest des Hammerkopf (Scopus Umbretta)
 29. Mamba auf der Lauer
 30. Im Schlamme des Harts-River versunken
 31. Ackerbau bei den Batlapinen
 32. Tauschhandel am Wagen
 33. Nest des Webervogels
 34. Reisende Batlapinen
 35. Unfall im Hart-Riverthale
 36. Mein Gesandter bei König Gassibone
 37. Batlapinen bei der Arbeit
 38. Gefährlicher Nachtmarsch
 39. Lager am Bamboesspruit
 40. Rückkehr von der Gnujagd
 41. Von schwarzen Gnu's überrascht
 42. Nachtlager
 43. Felsentrichter
 44. Grotte von Wonderfontein
 45. Junger Boer
 46. Jagd auf Zibethyänen am Klipspruit
 47. Verlassener Jagdplatz
 48. Eine Vogel-Colonie
 49. Löwenjagd in den Maqwasibergen
 50. Hallwater-Farm
 51. Koranna
 52. Von der Arbeit heimkehrende Batlapinen
 53. Ostersonntag im Vaal-River
 54. Aus den Diamantenfeldern heimkehrende Basuto's begegnen dahinwandernden
 55. Schlußvignette
 56. Titelbild zur zweiten Reise in das Innere von Süd-Afrika
 57. Ein Broddieb
 58. Platbergs Befreiung aus dem Schlamme des Vaal
 59. Grasbrand auf der Hochebene
 60. Hartebeest-Gazellen
 61. Kopf der Hartebeest-Gazelle (Antilope caama)
 62. Ersehnter Labetrunk
 63. Niger und Cobra
 64. Bei Taung um Branntwein bestürmt
 65. In Dornen gefangen
 66. Billige Diamanten
 67. Von Pavianen überrascht
 68. Erschreckte Paviane
 69. Musemanjana
 70. Empfang in Musemanjana
 71. Barolongmädchen Heuschrecken sammelnd
 72. Hyänenjagd
 73. Von acht Löwen überrascht
 74. Jochom-Makalahari einen Bläßbock jagend
 75. Erzählender Barolonge
 76. Der Betschuana findet seinen zerfleischten Bruder
 77. Wild auf den Quaggaflats
 78. Gnujagd bei Nacht
 79. Verlassener Jagdplatz der Barolongen
 80. Barolongen Zebra's jagend
 81. Pürsch auf egyptische Wildgänse
 82. Feldapotheke
 83. Die Ueberbringer der Arznei
 84. Nest des Siedelsperlings
 85. Auffangen von Regenwasser
 86. Wald am Fuße der Malau-Höhen
 87. Königliche Besucher
 88. Barolongfrauen aus Moschaneng
 89. Klippdachsjagd
 90. Naprstek-Höhen
 91. Wolfshyänen eine Viehheerde überfallend
 92. Afrikanischer Luchs
 93. Termitenhügel
 94. Bei König Seschele
 95. Regenbeschwörer
 96. Die Beschwörung Khama's
 97. Pit, der Griqua, entdeckt Leopardenspuren
 98. Eingeborne Postboten
 99. Scene aus dem Leben der Masarwa's
100. Flüchtender Leguan
101. Trocknen von Giraffenhäuten
102. Masarwa's am Feuer
103. Anschleichende Masarwa's
104. Neujahrstafel im Urwalde
105. Verirrt
106. Von Masarwa's gestörtes Löwenmahl
107. Trinkende Masarwa's
108. Begegnung mit einem Leoparden
109. Bamangwatoknabe
110. Frauenschürzen der Bamangwato's
111. Bamangwatohütten in Schoschong
112. Kotla in Schoschong
113. Bamangwatohaus
114. Sekhomo und sein Rath
115. Flucht auf die Berge
116. Korngefäße der Bamangwato's
117. Staatskleid eines Bamangwato
118. Züchtigung der Knaben
119. Bamangwatomädchen zur Boguera bekleidet
120. Khama's Salzsee
121. Löwe von Hunden umringt
122. Elephant und Boer
123. Buysport, Felsenthor im Bushveldt
124. Baharutse Wasser schöpfend
125. Scene aus dem Leben der Baharutse
126. Südafrikanische Trappe
127. Tschukuru, Häuptling der Baharutse
128. Missionshaus in Molopolole
129. Koles-Kopje im Jahre 1875

       *       *       *       *       *




Errata.
[Anmerkung des Bearbeiters: Die Errata wurden in diesem Text korrigiert.]


Seite 12 Zeile 1 von oben   lies  16 statt 6.
"     14 "     2 "   "      "     Salt-River statt Liesbeekfluß.
"     18, 20, 21, und 28    "     Bakensfluß statt Bakerfluß.
"     48, Zeile 5 von oben  "     Steinhäuschen statt Holzhäuschen.
"     52, 56, und 73        "     Jagersfontein statt Sagersfontein.
"     69 Zeile 5 von unten  "     flea statt flie.
"     71 "     4 "   "      "     Botlaros statt Botlaris.
"     74 "    16 "   "      "     Diggers statt Diggings.
"     83 "     2 "   "      "     buyers statt keepers.
"     89 und 92             "     Krichofarm statt Krikofarm.
"    113 Zeile 7 von oben   "     Nomansland statt Normannsland.
"    134 "    14 "   unten  "     3 statt 83.
"    136 "    14 "   oben   "     Alluvial Periode statt Kreideperiode.
"    136 und 137 Zeile 2 von unten lies Cobra statt Mamba
"    138 Zeile 8 und Seite 139 Zeile 14 von oben lies Cobra statt Mamba.
"    142 "    12 "  17 von oben lies Harts-River statt Vaal-River.
"    144 lies: Im Schlamme des Harts-River statt Vaal-River.
"    149 Zeile 1 von unten lies   Fingo's statt Betschuana's.
"    141 "     5 "   oben  "      Kafirkorn statt Kaffee, Korn.
"    151 "     2 "   unten "      12-25 Ctm. statt 12-15 Ctm.
"    173 "     2 "   "     "      Schalenüberreste statt Schneckenüberreste.
"    188 "     3 "   "     "      Waggonhoutbaumes statt Waggonboutbaumes.
"    199 "    11 "   "     "      Bluebusches statt Bluebustes.
"    200 "     3 "   "     "      Jadgspruit statt Sagospruit.
"    231 "     3 "   oben  "      banje statt lantsch.
"    235 "    13 "   unten "      dreiseitig statt vierseitig.
"    334 "     7 "   oben  "      (Tukans) statt (Zulies).
"    460 "     6 "   "     "      unbedeutend statt ziemlich.
"    465 "     7 "   "     "      ersteren statt letzteren.
"    469 "     6 "   "     "      Banquaketse statt Bakwena.
"    521 "    16 "   unten "      Geologie statt Geschichte.
"    521 "     4 "   "     "      1/10 Gramm statt ½ Gramm.
"    521 "     3 "   "     "      Tinctura Aconiti Napellus statt Aconiti a
                                  Napellus.
"    523 "    13 "   "     "      dieser Reiche statt dieses Reiches.

       *       *       *       *       *




I.

Auf der Fahrt nach dem Cap.--Die Capstadt.--Port Elizabeth.


Neues frisches Leben durchrieselt unser ganzes Sein, alle körperliche
und geistige Lethargie ist mit einem Zauberschlage regster Beweglichkeit
gewichen, wenn nach mehrwöchentlicher Seefahrt, von Southampton nach
Süd-Afrika, und mag sie auch noch so glatt und angenehm verlaufen, der
Capitän des Schiffes uns die frohe Botschaft von der Nähe des erwarteten
Landes in wenigen trockenen Worten verkündet. Nicht ein, nein, zahllose
Male stürmen wir aus dem comfortablen und luxuriös eingerichteten Salon
der ersten Cajüte des imposanten Dampfers[1] auf das Deck, unsere Wangen
sind geröthet, in unserem Auge scheint sich die Spannkraft des ganzen
Nervensystems zu polarisiren, und mit fieberhafter Ungeduld spähen wir
an den fernen Horizont, denn jeden Augenblick kann der Marsgast aus dem
Mastkorbe das Erlösungswort »Land« auf das Deck herabrufen. Schon
glauben wir den Gipfel eines hohen Berges über der Scheidelinie zwischen
Ocean und dem unendlichen Luftmeere auftauchen zu sehen--doch nein--es
ist die Mastspitze eines uns entgegen segelnden Fahrzeuges. Eine
Täuschung, die durch die hochgespannte Erwartung doppelt bitter
erscheint. Endlich ist es unläugbare Wahrheit, am südsüdöstlichen
Horizonte zeichnet sich auf einer hellen, leichten Bank von Federwolken
ein bläulicher, flacher Streifen ab, der von Minute zu Minute immer
höher aus den Tiefen des Oceans aufsteigt. Es ist die Krone einer
imposanten Felsenburg, jener steinerne Herold Afrika's der in der
Entdeckungsgeschichte unseres Erdballs einen ewig denkwürdigen
Wendepunkt bildet--der Tafelberg.

    1: Die Ueberfahrtsdauer von Southampton über Madeira nach der
    Capstadt mit den Dampfern der beiden Concurrenz-Gesellschaften
    »Union Steam Ship Company« und »Donald Currie & Cie.« ist in den
    letzten Jahren bis auf 20 und 18 Tage abgekürzt worden.

Dieses Gefühl der Sehnsucht nach festem Boden, es steigert sich aber bis
zur peinlichsten Ungeduld, wenn das Schiff auf seiner langen Fahrt mit
all' den Launen und Tücken des Ocean's zu kämpfen hat; wenn der Neuling
zur See, anstatt alle jene originellen, wunderbaren Phänomene des
Meeres, die prächtige unvergleichliche Erscheinung des Sonnen-Auf- und
Untergangs, das Spiel in der Färbung des Himmels und Wassers, das
possirliche Treiben der Delphine und fliegenden Fische zu bewundern,
einem Gefangenen gleich in der engen Cajüte Schutz vor Sturm und Wetter
suchen muß; wenn an Stelle der scheidenden Sonne, welche den weiten Plan
mit leuchtenden Bändern flüssigen Feuers durchsetzt--ein Bild, das sich
dem für Natur-Erscheinungen empfindlichen Gemüthe mit unauslöschlichen
Zügen einprägt--die Windsbraut, dunkle regengeschwängerte Wolkenmassen
in rasender Eile dahinjagt, wenn das Meer, anstatt in leicht
gekräuselten, kosenden Wellen am Bug des Schiffes sich brechend, sich in
seinem ganzen majestätischen Zorne zeigt, im Kampfe mit dem Erbfeinde
die Wogen aufthürmt zu mächtiger Höhe und diese donnernd
zusammenbrechen, daß fast dem Sturme davor bangt, wenn das mächtige
Fahrzeug in allen Spanten und Fugen ächzt und stöhnt.

So aber zeigte sich mir der Ocean: Von sechsunddreißig an Bord des
»Briton« auf der Fahrt von Southampton über Madeira nach der Capstadt
verlebten Tagen--26. Mai bis 1. Juli 1872--hatten wir mehr denn dreißig
Tage stürmisches Wetter, volle vier Wochen litt ich an einer heftigen
Dysenterie, welche meine Kräfte derart herabgebracht hatte, daß ich kaum
mehr zu hoffen wagte, das Gestade Süd-Afrika's lebend zu erreichen. Bei
einem solchen Körper- und dem damit verbundenen Seelenzustande werden es
die geehrten Leser wohl leicht begreiflich finden, daß ich vor Begierde
brannte, festen Boden unter mir zu fühlen, war doch dieser Boden mein
heiß ersehntes Ziel, die Stätte, an der ich in jahrelanger Thätigkeit
der Wissenschaft meine Kräfte zu widmen gedachte. Obwohl todtmüde,
fühlte ich neue Kraft in meine Glieder dringen, als der Ruf »Land« in
der zweiten Cajüte bekannt wurde, unverwandt prüfte ich den Horizont und
wich nicht früher vom Platze, bis nicht der Tafelberg und seine beiden
Genossen, der Löwenkopf zur Rechten und der Teufelsberg zur Linken,
sowie die sich nach Süden dieser Gruppe anschließenden zwölf Apostel in
ihrer ganzen Massenhaftigkeit mir vor Augen lagen.

[Illustration: Ansicht von Funchal.]

Bevor wir das Deck des »Briton« verlassen und den Fuß auf afrikanische
Erde setzen, sei es mir gestattet, mit einigen Worten eines Erlebnisses
an Bord desselben zu gedenken, das mir einen Vorgeschmack all' der
Gefahren und Mühsale bot, die meiner auf meinen Reisen in Süd-Afrika
harrten. Wir befanden uns am 20. Juni 1872 auf der Höhe von St. Helena,
schon mehr als drei Wochen hindurch verfolgte uns ein so schlechtes
Wetter, daß es schwer hielt, sich auf Verdeck zu erhalten. Durch die
erwähnte Krankheit war ich sehr herabgekommen und je schwächer ich
wurde, um so gedrückter schien mir die Atmosphäre in dem beengten Raum
der zweiten Cajüte zu sein (meine Mittel erlaubten es mir nicht, einen
Platz in der ersten Cajüte zu miethen). Als sich nun am genannten Morgen
auffallende Athembeschwerden einstellten, nahm ich mir vor, mich mit
Anwendung aller Kräfte (der Schiffsarzt lag am Delirium tremens
darnieder und war mir somit ohne Nutzen) auf Verdeck zu schleppen, um
die frische Luft einzuathmen. Mit unsäglicher Mühe erreichte ich das
Vorderdeck (Vordercastell), mehrmals von dem Gischt der hoch
aufschäumenden an den Bug des Schiffes unter Donnergetöse sich
brechenden Wogen durchnäßt; die Erleichterung, welche die Luft der
frischen Brise meiner Brust bot, war aber so verlockend, daß ich es
nicht scheute, mich weiteren solchen Sturzbädern auszusetzen.

Nach wenigen Minuten sah ich jedoch ein, daß hier nicht meines Bleibens
war; von einer überschlagenden Sturzwelle auf's Neue überrascht und ganz
durchnäßt erhob ich mich und über den Bug in die aufgeregte See
blickend, überlegte ich eben, ob es wohl nicht gerathener schien, in die
Cajüte zurückzukehren; in diesem Momente begegnete mein Auge aber schon
einer Riesenwoge, die sich mauerartig vor dem Schiffe aufthürmte. Bevor
ich mich noch bergen hätte können, hatte sich das Schiff in die Woge
gebohrt, und während der Schiffsrumpf bei dieser Sturzwelle bis in's
Innerste erbebte, begruben die überstürzenden Wassermassen für einen
Augenblick das ganze Vorderdeck; in diesem kritischen Momente griffen
meine Finger instinctiv in den gitterartig durchbrochenen Boden des
Vordercastells und suchten dort Halt zu gewinnen, allein wie ein Span
von der Kraft des niederstürzenden Wassers gehoben, wurde ich über Bord
geschleudert. Da ich jedoch im Falle an die untere Querstange anschlug,
wurde die Wucht desselben geschwächt, und statt hinaus in's Meer
geworfen zu werden, fiel ich senkrecht an der Schiffswand herunter; das
Symbol der Hoffnung, der mächtige Schiffsanker, wurde meine Rettung. Ich
blieb zwischen einem seiner Arme und der Schiffswand hängen und konnte
von dem herbeieilenden Hochbootsmann aus meiner immer noch sehr
gefährlichen Situation befreit werden.

Und nun zurück zum Tafelberge, der Hochwarte des Caplandes. Auf wenigen
anderen Punkten des Küstenumfanges der einzelnen Continente ist die
Bergform so bezeichnend für die Gestalt des ganzen Binnenlandes als
hier. Am Fuße der drei zusammenhängenden Berge, des Tafel-, Teufel- und
Löwenberges, dem Scheine nach an der gebogensten Stelle, einem der
sichersten Plätzchen der Welt, gleichsam im Schutze dieser drei
mächtigen Riesen lag mein erstes Reiseziel, breitet sich die Metropole
Süd-Afrika's, die bevölkertste Stadt südlich des Zambesi, und die
zweitbedeutendste Handelsstadt der englischen Colonien in Afrika aus.
Obwohl ihr die Anmuth der Lage des sich an einer Berglehne
terrassenförmig aufbauenden Hauptortes von Madeira, Funchal, den wir auf
unserer Fahrt bewundern konnten, abgeht, bietet sie doch dem Fremden ein
recht anziehendes Gesammtbild. Unwillkürlich bemächtigt sich des
Fremdlings ein behagliches Gefühl der Sicherheit, wenn er, langsam dem
Strande der Tafelbai folgend, sich der Capstadt nähert. Diese
weißgetünchten, aus dem Grün der Straßenalleen und Gärten
hervorgrüßenden Gebäude, hie und da von schlanken Thürmchen überragt,
scheinen dem Fremdling Ruhe und Frieden nach den Stürmen des Meeres,
ebenso wie nach jenen des Lebens zu bieten! Ein Ort des Friedens scheint
es wie dazu erkoren. Allein wie so oft im Leben das dem Anscheine nach
zweckmäßig Erscheinende sich oft bei näherer Untersuchung als das
Gegentheil erweist, so ist auch dieser so geschützt erscheinende Ort,
die Stadt wie die Bucht, zu manchen Jahreszeiten den heftigsten, rasch
sich wiederholenden Stürmen ausgesetzt, welche die Stadt in eine
Staubwolke hüllen; selbst bei ruhigem Wetter steigen durch den regen
Verkehr aufgewirbelt dichte Staubmassen in die Höhe, daß man kaum auf
hundert Schritte vor sich hinsehen kann, so daß alle halbwegs
Vermögenden nur des Tags und ihrer Geschäfte halber sich in der Capstadt
aufhalten, ihre Wohnungen jedoch außerhalb derselben in den am Fuße des
Löwen- und Teufelsberges erbauten Ortschaften gewählt haben.

Dieser Uebelstand, an dem die Capstadt leidet, dürfte wohl noch geraume
Zeit ihr anhaften bleiben, da einerseits eine Abhilfe gegen die aus der
Simonsbai hereinbrechenden Südoststürme nicht durchführbar ist,
andererseits aber die Pflasterung der Straßen der Capstadt bisher noch
nicht versucht wurde. Gegen die Tücken des Oceans, von deren
erbarmungsloser Herrschaft die am Strande der Tafelbai zerstreuten
Wracktheile stumme Zeugen sind, hat man sich besonders in den letzten
sieben Jahren unter der Verwaltung des Gouverneurs Sir Bartle Frère
durch die Anlage großer Hafen- und Schutzbauten zu wahren gewußt.

Doch kehren wir zu meiner Ankunft zurück. Vorsichtig wurde unser Schiff
in den damals (im Jahre 1872) noch ziemlich beengten Hafen mit Tauen
hineinbugsirt. Am Ufer harrte eine dichte Menschenmenge, denn blos
zweimal in einem Monate besuchte damals ein Postdampfer die Küste
Süd-Afrika's--kein Wunder, daß ein von der am Fuße des Löwenkopfes
erbauten Signalstation signalisirter Sendbote aus dem Mutterlande stets
ein freudig erwartetes Ereigniß war (gegenwärtig gehen die Postdampfer
wöchentlich nach der Colonie ab). Jene, die ihre Verwandten erwarteten,
sowie Postbeamte mit einem Troß von Bedienten, um sofort die Post in
Empfang zu nehmen, nebst einer großen Anzahl von Farbigen: Malayen,
Hottentotten, Kaffern u.s.w., und zahlreiche Vertreter aus allen diesen
Racen zusammengewürfelter Bastardtypen, die als Handlanger dem
Ankommenden ihre Dienste anbieten, hatten sich am Hafendamme eingefunden
und bildeten in ungezwungener Weise ein dichtes Spalier. Noch einige
Minuten und der Dampfer hatte beigelegt; obwohl wir nur zwei Tage in
Capstadt verbleiben sollten, um am dritten unsere Fahrt nach Port
Elizabeth fortzusetzen, so eilte doch ein Jeder an's Land, um in dieser
kurzen Zeit so gut als möglich die Capstadt kennen zu lernen. Der Hafen
ist nach der Landseite von einer Mauer umgeben, innerhalb welcher ich in
dunkelgraue Tuchkittel gehüllte und von bewaffneten Aufsehern überwachte
Sträflinge die schweren Arbeiten, »hard labour«, zu denen sie
verurtheilt waren, verrichten sah. Die schweren Ketten an den Füßen der
meisten unter ihnen, schienen wohl unternommener Fluchtversuche wegen
eine Verschärfung der Strafe zu sein.

Nach einigen hundert am Strande zurückgelegten Schritten stoßen wir am
Eingange in die Capstadt auf den Fischmarkt, dessen Eigenart schon aus
beträchtlicher Entfernung penetrante Dünste verrathen und die es wohl
gerathen hätten, den Fischmarkt in größerer Entfernung vor der Stadt
anzulegen. Eine artenreiche Zahl von Seefischen wird hier mit Ausnahme
des Sonntags von den malayischen Fischern täglich aufgestapelt, von
Hummern wahre Berge, deren ganze Masse auch stets willige Abnehmer
finden. Wer sein Geruchsorgan gegen die Ausdünstung des Marktes
unempfindlich zu machen wüßte, hätte hier ein dankbares Feld für Studien
nach jeder, insbesondere aber ethnographischer Richtung. Die seit
Decennien eingewanderten Malayen sind ihrer mitgebrachten Tracht und
ihren Gebräuchen treu geblieben. Sie kamen als Fischer, Maurer,
Schneider und sind es auch geblieben, selbst zu gediegenen Rosselenkern
haben sie sich in der neuen Heimat gebildet. Mit rothen Tuchlappen, die
älteren mit riesengroßen, kegelförmigen aus Stroh, Schilf und
Bambusgeflecht erzeugten Hüten gegen die Sonnenstrahlen geschützt und
meist in weitbauschige Leinenhosen und -Hemden gehüllt, sehen wir die
dunkelbraunen Gestalten der Männer in ihren Booten mit dem Ausleeren
ihrer Fangbeute in Körbchen eifrig beschäftigt. Der Gesichtstypus ist
flach, wenig ansprechend, doch das Auge verräth die tropische Heimat,
namentlich ist es bei den Frauen groß und schön. Die Frauen, den Männern
behilflich und lachend bald in der eigenen, bald in der holländischen
Sprache den Beutezug besprechend, tragen grellfarbige Kopftücher und
ebenfalls bauschige weiße Hemden und eine große Zahl von Röcken, deren
Umfang an die Crinolinen-Mode erinnert. Zwischen den eifrig
beschäftigten Männern und Frauen tummelt sich ihre schwarzköpfige
Nachkommenschaft; die Mädchen, niedlichen Puppen gleich, in weißes
Linnen, die Knaben in kurzen Jäckchen und Hosen gekleidet. Kaum halb
erwachsen, sind sie schon bemüht, in ihrer Weise und nach besten Kräften
die Eltern zu unterstützen und größere Fische nach dem Markte zu
schleifen.

[Illustration: Capstadt.]

Wir verlassen den Fischmarkt und begeben uns durch eine der vielen
parallel die Stadt durchkreuzenden Straßen nach dem durch Pinien
umsäumten Paradeplatz. Im Innern der Stadt werden wir weniger von der
Bauart der Häuser, von denen noch viele den alten holländischen Styl
zeigen, als vielmehr von dem Treiben in den Straßen gefesselt, in denen
die Eingebornen, welche hier jedoch als Mischrace überwiegen, das meiste
Interesse des Fremden erregen. Sie sind als Lastträger, als Kutscher und
Diener an jeder Ecke, in jedem Geschäfte und Hause vertreten. Malayen,
Kaffern und Mischlinge liegen friedlich an derselben Ecke und suchen, wo
sich ihnen ein »Job« (eine Arbeit) darbietet, das Höchste
herauszuschlagen. Hat sich im Verlaufe meines siebenjährigen
Aufenthaltes Manches im Aeußern der Stadt zum Vortheil geändert und ist
auch für die Hebung der allgemeinen Bildung viel gethan worden, diese
Schichte der Bevölkerung ist sich gleich geblieben in ihrer Rohheit,
gewonnen haben ihre Mitglieder nur an Verschmitztheit und
Unverschämtheit in ihren Forderungen. Malayen und jene der Mischlinge,
die durch Vermögensverhältnisse oder in Bildungsanstalten eine bessere
Erziehung erwerben konnten, machen einigermaßen eine Ausnahme.

Die Mischlinge zeigen die mannigfachsten Nüancen der Hautfarbe, von
einem leichten Stiche in's dunkle bis zu dunkelbraun; die schwarzen
Gesichter gehören Kaffern und Eingebornen, die von der Ost- und
Westküste und von St. Helena eingewandert sind.

Capstadt ist der Sitz der höchsten englischen Behörde für Süd-Afrika,
des _Commissioner for the Possessions and Dependencies in South Africa_,
des ihm zur Seite stehenden Ministeriums, sowie des aus dem Ober- und
Unterhause bestehenden Parlaments, ferner der Sitz eines anglikanischen
katholischen Bischofs, die Stadt zählt sechzehn Kirchen (Bethäuser mit
eingerechnet) und unter den Bewohnern, deren Mehrzahl Farbige sind,
finden sich Bekenner aller erdenklichen Confessionen. Unter den Weißen
überwiegt das holländische Element über die übrigen Vertreter
europäischer Nationen, deren Rechte durch Consuln gewahrt werden; es
sind dies meist Kaufleute, welche die Consulargeschäfte nebenbei
besorgen. Nur Frankreich und Portugal sind durch _Consuls de carrière_
vertreten.

An der Spitze der jetzigen Regierung steht ein Mann, der sich das
vollkommene Vertrauen der Colonisten erworben und zu den edelsten und
einsichtsvollsten Gouverneuren gehört, die England je mit der Verwaltung
seiner südafrikanischen Colonien betraut hatte. Viele der von Sir Bartle
Frère eingeführten Neuerungen werden sich namentlich in der Zukunft
ersprießlich erweisen.

Von den öffentlichen Gebäuden können wir namentlich die Stadthalle, die
Kirchen, das Gouvernements-Gebäude, das _Sailors Home_, die
Militärgebäude, die Eisenbahnstation erwähnen; vor Allem aber verdient
das Museumsgebäude mit dem Monumente Sir Grey's und mit dem angrenzenden
botanischen Garten, von den, die Stadt nach der Seeseite hin schützenden
Befestigungen, namentlich das terrassenförmig angelegte, steinerne
Castell, in dem der Chef der Militärbehörde der Capstadt residirt, und
welches gegenwärtig dem Zulukönig Ketschwaio zum provisorischen
Aufenthalte angewiesen worden ist, erwähnt zu werden.

Eine detaillirte Beschreibung der größten Stadt Süd-Afrika's würde zu
weit führen und ich will mich nur auf einige wenige Objecte beschränken,
und damit von der Metropole scheiden (siehe Anhang 1). Von den
Bildungsanstalten der Hauptstadt ist namentlich das _South African
College_ zu nennen, an dem Männer vortragen, die bereits als Gelehrte
europäischen Ruf erlangt haben. Von den wissenschaftlichen
Gesellschaften nimmt die _Philosophical Society_ den ersten Rang in
Süd-Afrika ein. Sie hat Originalforschungen auf dem Gebiete aller
Wissenschaften zum Zwecke. Der gegenwärtige Präsident der Gesellschaft
ist der wohlbekannte Astronom Prof. Gill.

Und nun wollen wir einen Blick auf die Umgebung der Capstadt werfen,
deren Scenerie, sowohl dem von der See als auch aus dem inneren
Hochlande Kommenden den freundlichsten Eindruck macht und der Hauptstadt
einen besonderen Reiz verleiht. Nähern wir uns der Stadt von der hohen
See, so fallen uns schon aus großer Entfernung zahlreiche weiße
Pünktchen auf, welche sich am Fuße des langgestreckten Löwenkopfes längs
der See hinziehen, sie entpuppen sich in der Nähe als Villen, die aus
den im prächtigsten Grün strotzenden Gärten hervorlugen und sich am Fuße
der hier mit einem Grasteppich bedeckten Hügel, dort schroff abfallenden
Felsenhöhe ungemein reizend und malerisch ausnehmen. Ein Tusculum der
wohlhabenden Bewohner der Capstadt, besonders der Handelsherren,
verbindet eine Pferdebahn, welche von 6 Uhr Morgens bis 10 Uhr Nachts in
Betrieb gesetzt ist, diese Vorstadt mit der Metropole. Der von der Stadt
entfernteste, nach der hohen See zu liegende Theil dieser Vorstadt wird
Sea-Point, der näherliegende, mit ihr zusammenhängende Green-Point
genannt. Da, wo sie sich vereinigen, finden sich die Friedhöfe, von
denen jener der Europäer den stillen Cypressengärten Madeira's gleicht,
während die höher am Bergabhange liegenden Friedhöfe der Eingebornen,
namentlich die Begräbnißstelle der mohamedanischen Malayen mit ihren
zahlreichen mit Inschriften versehenen Grabsteinen für den Ethnographen
großes Interesse bieten. Neben den auf dunklen Schiefertafeln
eingegrabenen Inschriften sind diese Gräber blos mit aus Papier
geschnitzten und von Zeit zu Zeit erneuerten Blumen geschmückt.

Gewährt schon der Fuß des Löwenkopfes mit den schönen Villen einen
reizenden Anblick, so gilt dies in erhöhtem Grade von dem untersten
Hange des Teufelsberges. Hier reiht sich auf Meilen hin Dorf an Dorf,
Garten an Garten, die einzelnen nett und sauber gehaltenen Gehöfte oft
durch dichte Nadel- oder Eichengehölze von einander getrennt und
überschattet. Von hundert zu hundert Schritt taucht hier immer ein neues
anziehendes Bild auf, das zuweilen ausnehmend schön genannt werden kann,
wie z.B. die über diesem Punkte sich erhebende Partie des Teufelsberges
hier als eine interessante Felsenformation, dort als Gehölze oder
blühende Erikawiesen den Hintergrund bildet. Eine über 100 Meilen
landeinwärts führende Eisenbahn verbindet diese Vorstädte mit der Stadt.
Züge gehen in der Regel stündlich ab. Ein besonderes Interesse bietet
die dritte Station dar, sie führt der königlichen Sternwarte wegen, die
etwas abseits gegen den Salt-River zu auf einer zu einem Lustgarten
umgewandelten Sanddüne erbaut ist, den Namen »Observatory Road«. Unter
der Leitung Prof. Gill's stehend, hat die Sternwarte durch Herschel
junior's epochemachende Arbeiten Weltruf errungen. Auch der gegenwärtige
Leiter und seine Gemahlin sind in den englischen Kreisen wohl bekannt,
sie namentlich durch das von ihr veröffentlichte Werk: _»Sechs Monate
auf der Insel Ascension«_, welche Zeit sie auf dieser öden vulkanischen
Insel in Gemeinschaft mit ihrem Mann zubrachte, mit astronomischen, dem
Durchgange des Mars gewidmeten Beobachtungen beschäftigt.

Der bedeutendste und anziehendste der drei die Capstadt so bezeichnenden
und mit der Stadt selbst berühmt gewordenen Berge ist der schon mehrmals
erwähnte 1082 Meter hohe Tafelberg (Table-mountain).

Mehr als ein Drittel der ganzen Höhe des Massivs nimmt der theils mit
angebauten Wiesen, theils mit Gras, Buschwerk und mannigfaltigen
Haidekräutern bewachsene Riesensockel ein, aus dem fast perpendiculär
die mächtige, zerklüftete, doch oben vollkommen abgeflachte Kuppe
aufsteigt. Stunden vergehen, bevor man auf die mit Felsenblöcken
bedeckte Hochfläche, die dem Berge den Namen gab, gelangt, und oben
angekommen, erheischt es die größte Vorsicht, um nicht irre zu gehen! Es
ist daher angezeigt, sich der Führung eines Bewohners der Capstadt
anzuvertrauen, an solchen bereitwilligen Führern fehlt es aber nicht,
denn die Bewohner der meisten Städte Süd-Afrika's zeichnen sich durch
ihre Freundlichkeit, ihre Gastfreundschaft und ihr biederes
Entgegenkommen aus. Namentlich ist für jene, welche schöne
Felsen-Scenerien bewundern wollen, das Besteigen des Tafelberges von
hohem Interesse; allein der Genuß, den diese hie und da durch die
natürlichen, oft so grotesken Felsenformen und eine reiche tropische
Vegetation fesselnden und die Mühe des Besteigens so reichlich
entlohnenden Bergeslehnen bieten, wird noch von der schönen Aussicht
überboten, die den Besucher erwartet, wenn er müde von dem
beschwerlichen Aufstieg an der flachen Kuppe angelangt, den Blick rund
herum über den Horizont schweifen läßt. Vor uns dehnt sich scheinbar
endlos nach Westen und Norden der Spiegel des Oceans aus, die tief in
das Land einschneidende Tafelbai verräth uns jetzt noch das durch
Jahrtausende thätige Bestreben des Meeres, den schmalen Felsenriegel,
der die Tafelbai von der Kalk- und Simonsbai im Süden trennt, zu
durchbrechen. In der Tafelbai selbst aber erblicken wir die flache,
durch einen Leuchtthurm und Häusercomplexe gekennzeichnete Robbeninsel,
auf der sich gegenwärtig ein Asyl für Irrsinnige und ein Staatsgefängniß
für angesehene politische, den dunklen Racen angehörige Sträflinge
befindet.

Unter uns der im farbenreichen Grün strotzende Fuß des Tafelberges und
zwischen ihm und der Bai, in der zahllose, theils im sicheren Hafen,
theils außerhalb auf der freien Rhede liegende Schiffe von regem Handel
zeugen--die hellschimmernden Gebäude der Stadt, durch die sich
kreuzenden geraden Straßen als ein Complex von Rechtecken hervortretend,
deren Monotonie hie und da oasenförmig durch das Grün der Gärten und
Alleen angenehm unterbrochen erscheint. Dort drüben am Abhange des
Löwenberges die stillen Ruheorte der Malayen und der Farbigen überhaupt,
weiter nach dem Green point-Leuchtthurm zu, die mit hohen Cypressen
bewachsenen Friedhöfe der Bleichgesichter. Doch lassen wir das Bild des
Vergehens und wenden wir unsere Blicke zur Rechten und zur Linken, wo
sich die beiden Genossen des Tafelberges erheben. Da wo der Löwenkopf
sein steiles Haupt erhebt, verbrüdert er sich mit einem der zwölf
Apostel, die an ihrem steilen Fuße von den Wogen des Oceans bespült,
stolz ihre zackigen spitzen Höhen in den blauen Aether erheben. Schweift
der Blick zur Rechten und hat er sich an allen die Phantasie erregenden
Formen, an den Felsenschluchten, Klüften, Felsenmauern, Terrassen und
Riesenblöcken des Teufelsberges gesättigt, so blickt das Auge weiter
hinaus auf eine mit Gebüschen, Wäldern und Haidekräutern bewachsene
Ebene, auf grüne, glänzenden Teppichen gleichende Wiesen und angebaute
Fluren, in denen sich Villen und Farmhäuser anmuthig bemerkbar machen,
und die der Wohlhabenheit und Emsigkeit der Ansiedler das beste Zeugniß
geben. So bietet die Umgebung der Metropole Süd-Afrika's, mögen wir sie
von dem ehrwürdigen Haupte des Tafelberges, oder von den beiden anderen
Höhen betrachten, mögen wir ihr von der See aus, von dem schaukelnden
Boote unsere Aufmerksamkeit widmen, uns immer ein anziehendes,
wechselndes Bild! Vom letzteren Standpunkte aus betrachtet, wird das
Bild ungleich interessanter, indem eine scharf nach oben abgegrenzte
Wolkenschichte in der Regel die obere Hälfte der beiden höheren Berge so
verhüllt, daß das spitze Haupt des einen und das flache des andern über
die Wolkenbank hinausragen und dadurch einen effectvollen Anblick
gewähren.

[Illustration: Schlucht am Abhange des Tafelberges.]

Nach zweitägigem Aufenthalte in der Capstadt verließ der »Briton« die
Tafelbai und wandte den Kurs um das Cap der Guten Hoffnung nach Osten,
nach der Algoabai, um in der zweitgrößten Stadt der Colonie, dem
wichtigsten Handelsorte Süd-Afrika's, woselbst die Mehrzahl seiner
Passagiere an's Land zu gehen beabsichtigte, zu landen.

Die Fahrt längs der steilen bergigen Küste ist eine gefährliche und
manches Schiff, selbst in jüngster Zeit, fand an den verborgenen
Felsenriffen, welche die Küste säumen, sein Verderben.

»Ich versichere Sie,« äußerte sich einer der Stewarts[1] an Bord des
»Briton«, »unter fünf Shillingen werden Sie nicht an das Land
gelangen.«--Fünf Shillinge für eine Bootfahrt von etwa 1000 Schritt
Länge? Unmöglich! So tönte es als Antwort in allen möglichen Sprachen
zurück. Die Forderung schien unvergleichlich hoch. Eine halbe Stunde
später und wir zögerten nicht, für dieselbe Leistung das Zweifache, d.h.
zehn Shillinge zu geben, denn unter diesem Preise wollte keiner der
Bootsleute einen Passagier an's Land bringen. Für mich war dieser an und
für sich geringe Betrag eine harte Contribution, betrug ja mein ganzes
Vermögen in diesem Momente nur 3½ £ St. und damit stand ich erst an der
Schwelle des Landes, dessen Erforschung meine Aufgabe war!

    1: Kellner.

Algoabai ist gleich den übrigen Buchten der Küste Süd-Afrika's eine
weite, jedoch offene und deshalb den Stürmen ausgesetzte Bucht; die eine
Seitenbucht der Simonsbai bildende Kalkbai ausgenommen, hat die ganze
Südküste der Cap-Colonie keinen sicheren Hafen aufzuweisen, gewiß ein
nicht zu unterschätzender Uebelstand, ein Hinderniß für die Entwicklung
des Imports und Exports, denn abgesehen von der umständlichen und
zeitraubenden Lösch-Manipulation der Ladung zwischen den zumeist in 500
bis 700 Schritten Entfernung von der Küste ankernden Schiffen und
dieser, werden Fracht und Transport durch diesen Uebelstand ungewöhnlich
vertheuert, andererseits nöthigten die Gefahren der offenen Rhede zu
kostspieligen experimentalen Hafenbauten, deren Ausführung bedeutende
Summen verschlingen, die sonst der Colonie zu Gute kommen würden.

Ein Gang entlang dem Strande der Algoabai, entrollt uns ein neues Bild
des zürnenden Oceans, und beweist uns die Richtigkeit der zweiten
Benennung des Cap der guten Hoffnung als Cap der Stürme. Hier aus der
kahlen Düne, dort über den nackten zerrissenen Felsen, ragt ein Wrack
empor, ob sein Rumpf auch eisengepanzert war, die Wuth des Sturmes und
die Klippen des Strandes, sie kannten keinen Unterschied. Zerschellt
liegt es neben dem einfachen Holzbaue an der öden, unwirthlichen Küste.

Jene--und weil meist zur Nachtszeit sich abspielend--um so furchtbareren
trüben Episoden, wo wüthende Südoststürme schäumende Riesenwellen nach
dem Ufer der Algoa-Bai schleuderten und ein Fahrzeug nach dem andern,
oft bis neun in wenigen Stunden, an den Felsen zerschmetterten oder auf
die Sandbänke warfen--sind in der Geschichte des neuen Hafenortes der
zweitgrößten Stadt Süd-Afrika's ebenso wichtige und ereignißvolle als
höchst traurige Gedächtnißtage geworden. Doch zurück zu meiner Ankunft
im Weichbilde der Stadt![1]

    1: Siehe Anhang 1.

Auf einem etwa 200 Fuß hohen, felsigen Abhange erbaut, dehnt sich Port
Elizabeth über eine Fläche von zwei englischen Meilen Länge und ¼ bis 1
Meile Breite aus; entbehrt die Lage der circa 20.000 Einwohner zählenden
Stadt auch landschaftlicher Schönheit, so ist ihre Bedeutung als
Handelsstadt ein Ersatz hiefür, indem sie für ganz Süd-Afrika südlich
des Zambesi die Rolle einer Handels-Metropole übernommen hat.

Namentlich wird die östliche Provinz der Cap-Colonie, der
Oranje-Freistaat, die Diamantfelder, theilweise auch der Transvaal-Staat
und das Innere Süd-Afrika's von diesem Hafenort aus versehen. Die
Handelsinteressen werden von einer Gewerbekammer gewahrt, welche die
bedeutendsten Kaufleute der Stadt zu ihren Mitgliedern zählt. Längs dem
Abhange, an der 1½ englische Meilen langen Main-(Haupt-)straße von der
sich wieder kleinere Straßen nach dem Meeresufer abzweigen und andere
diesen unteren mit dem oberen Stadttheil auf der flachen Höhe
verbinden--meist in eleganten und in großem Maßstabe aufgeführten
Geschäftslocalen haben die bedeutendsten Handelshäuser Port Elizabeths
ihre aus allen Welttheilen herrührenden Waaren aufgespeichert. Die
Handelsherren selbst haben es sich oben am »Hill«, auf der Höhe, in
luxuriös eingerichteten Wohnungen bequem gemacht, wo man eine Aug und
Herz erfreuende Fernsicht auf's Meer und die frische Luft der Algoabai
genießt. Hier haben sie in einem Clubhause eine elegante Ressource
eingerichtet, wo sie sich namentlich an Mittwochen zu einem
gemeinschaftlichen Diner einzufinden pflegen.

Ein kleiner schlammiger Fluß scheidet die Stadt in einen südlichen
kleineren und einen größeren nördlichen Theil, ersterer wird meist von
malayischen Fischern bewohnt. Nicht weit von dem Bakensfluß, am
südlichen Ende der oberwähnten Mainstraße findet sich der Marktplatz,
von dem prächtigsten Rathhause Süd-Afrika's an seiner südlichen Seite
begrenzt. Sein Centrum ist von einer Granitpyramide geziert und man
gelangt zu ihm unmittelbar von dem in's Meer auslaufenden Pier,[1] so
daß er den Fremden, der sich durch die etwas monotone Ansicht der Stadt
vom Meere aus, nicht viel verspricht, mit seinen schönen Gebäuden und
den einer europäischen Großstadt ähnlichen, luxuriös ausgestatteten
Verkaufslocalen auf das Angenehmste überrascht. Zwischen dem Meere und
diesem Marktplatz, wie auch bis zur Mündung des Bakensflusses, ziehen
sich riesige Speicher, in denen die Wolle zur Ausfuhr aufgestapelt und
die eingeführten Güter, bevor sie in die Stadt gebracht werden,
lagern.--Der Anblick der Stadt von der See aus wird in seiner
Einfachheit einigermaßen durch die zahlreichen schönen Kirchen etwas
gehoben. Oben am Hill findet sich auch ein sehr gut eingerichtetes
Hospital und etwa eine halbe Meile davon landeinwärts, sowie unmittelbar
unter den Höhen am nördlichen Ende der Stadt je ein botanischer Garten.
In der Stadthalle finden wir eine sehr gute Bibliothek und ein leider
vollkommen verwahrlostes Museum, auf das ich noch später zurückkommen
werde.

    1: Ich nenne Pier, die in's Meer auslaufenden, bei Hafenbauten
    errichteten Holzbrücken.

Nachdem ich gelandet, suchte ich ein Hotel auf, doch nicht mit der
Unbefangenheit des wohlausgerüsteten Reisenden, denn meine Barschaft
war, nachdem ich die zu entrichtende Waffensteuer (1 £ St. für meinen
Gewehrlauf, zehn Shillinge für meinen Revolver) geleistet, bis auf zehn
Shillinge zusammengeschmolzen und selbst diese dankte ich nur dem
Umstande, daß die meinen Hinterlader enthaltende Kiste nicht mit auf dem
»Briton« verschifft worden war. Ein deutscher Kaufmann, Hermann
Michaelis, an den ich einen Empfehlungsbrief hatte, wies mich an den
österreichischen Consul, Herrn Adler, und diesem Manne habe ich es zu
danken, daß mir Port Elizabeth zu einem angenehmen Aufenthaltsorte
wurde. Ich kann es nur herzlich wünschen, daß die Vertreter
Oesterreich-Ungarns, auch in anderen Weltgegenden solch' regen Eifer für
das Wohl der ihrem Schutze Empfohlenen an den Tag legen, in so
energischer und unermüdlicher Weise die Interessen ihres Staates wahren
möchten, als ich es in Port Elizabeth gefunden. Sowohl Herr Adler, der
damalige Consul, als auch seine beiden Nachfolger, die Herren Allerberg
und Mosenthal, der gegenwärtig Oesterreichs Interessen vertritt,
bewiesen sich mir als solche.

Herr Adler führte mich bei den Honoratioren der Stadt ein und bald hatte
ich die Freude und Genugtuung, einige Patienten meiner Obsorge
anvertraut zu sehen. Um jedoch die freien Stunden wo möglichst zu
benutzen, machte ich täglich Ausflüge in die Umgegend, die ich in
Folgendem zu schildern versuchen will. Schon nach vierzehntägigem
Aufenthalte in Port Elizabeth wurde mir von einem der Großhändler der
Stadt der Antrag gestellt, mich gegen ein Jahreshonorar von 600 £ St. in
der Stadt als Arzt niederzulassen. So ehrenvoll der Antrag für mich auch
war, und so sehr seine Annahme mich von allen Lebenssorgen befreit
hätte, ich konnte ihn aus noch näher anzuführenden Gründen nicht
annehmen.

Zu meinen Ausflügen erkor ich mir einerseits das südliche Meeresufer,
eine breite, theils mit dichtem tropischen Gebüsch bewachsene, theils
meilenweit mit Sanddünen bedeckte Landzunge, die an ihrer äußersten
Spitze ein Leuchthaus trägt (7 Meilen von Port Elizabeth entfernt),
anderseits das nördliche Meeresufer nach der Mündung des Zwartkop-River
zu, sowie auch das Thal des Baker-River, das mir viel des Interessanten
darbot.--Zu diesen Gängen wählte ich mir in der Regel (nach beendeten
ärztlichen Visiten) den Morgen und kehrte am Nachmittag heim. Mit allen
Hilfsgeräthen eines Sammlers ausgerüstet, verließ ich dann das Hotel und
eilte an den Wollspeichern vorüber nach der über den Bakensfluß
führenden Brücke zu. Auch an diesen großen Wolllagerplätzen konnte ich
nie vorübergehen, ohne nicht ein halbes Stündchen das Treiben an der
sich zwischen dem Meer und den Gebäuden etwa 250 Schritt breit
erstreckenden Düne zu verfolgen. Diese bietet dem Besucher einen, Port
Elizabeth charakterisirenden und gewiß sehr anziehenden Anblick dar. Auf
einer etwa 500 Schritt langen und 250 Schritt breiten, sandigen Fläche
finden wir alle möglichen Schiffsartikel aufgestapelt. Da liegen an's
Land gezogene Kähne und an ihnen gelehnt, schmauchen zahlreiche
Theerjacken ihr Thonpfeifchen--so gemüthlich und phlegmatisch--für alle
Welt vergessen, wie es die »getreuesten« ihres Schlages an den Ufern
Alt-Englands zu thun pflegen! Förmliche Barrikaden von Fässern, Kisten,
Eisendrahtrollen etc., riesige Anker und Ketten sowie verschiedene
Schiffsreste sind über die Fläche zerstreut aufgethürmt. Ein reges Leben
herrscht in diesem Labyrinthe von Kisten, Fässern und Rollen, ein stetes
Auf- und Abladen, hier in die großen Waaren-Lagerhäuser, dort
unmittelbar auf die großen, ochsenbespannten Capwägen, deren
Bestimmungsort viele hundert englische Meilen landeinwärts liegt. Das
Amt der Custom-Officers (Zollbeamten) ist denn auch hier kein leichtes,
ihre Thätigkeit eine angestrengte.

Einen anziehenden Anblick bietet auf der Düne, das Landen der Kutter,
welche die Waaren von den Schiffen bringen, das Ausladen derselben durch
hunderte von schwarzen, nackten Hünengestalten. Die Seefahrzeuge, deren
oft mehr denn 30 in der Bucht liegen (die Dampfschiffe etwa der Mündung
des Baker-River gegenüber) können nicht bis zum Ufer gelangen, die
riesigen Stein- und Pallissadenbrücken (Piers), die man in's Meer
hinausgebaut, um das Anlegen der Schiffe zu ermöglichen, erweisen sich
nutzlos, da sie einesteils nicht den hinreichenden Schutz bieten, theils
zur Versandung führten, so daß noch immer jene überseeischen Fahrzeuge
weit auf offener Rhede ankern müssen. Namentlich von der Höhe aus
gesehen, bieten die Fahrzeuge wie sie sich auf der dunklen Fluth hin-
und herwiegen, einen interessanten Anblick, oft kann man die mit vollen
Segeln auslaufenden Segelschiffe, die großen oceanischen Dampfer aus-
und einlaufen sehen, ein Anblick, der den Beobachter unwillkürlich mehr
denn als Viertelstunden zu bannen vermag. Von den Schiffen werden die
Waaren in unbeholfen aussehende, einmastige Kutter geladen und in den
letzteren nach der sandigen Uferstelle, den Lagerhäusern gegenüber,
gebracht. In einem »Nu« ist der Kutter von einem Schwarm Schwarzer
umringt, die an ihm emporkletternd sich die Waaren reichen; es währt
nicht lange und die Ladung ist gelöscht, d.h. in die Lagerhäuser
getragen. Den geräuschvollen, allein so manch' Anziehendes darbietenden
Ort verlassend, überschreiten wir die Bakerbrücke, um, die Ansiedlung
der Malayen durchschreitend, das freie Meeresufer zu gewinnen. An der
Mündung des genannten Flusses hatte man solch' einen Pier (Brücke)
angelegt, was eine Versandung des vermeintlichen Hafens, den das kleine
Flüßchen nicht auszuwaschen die Kraft und nöthige Strömung besaß, nach
sich zog.

Das südliche Seeufer ist ein einziges bis zum Leuchthause reichendes
terrassenförmig in die Tiefe absteigendes Felsenriff, hie und da
mitunter durch Anbau verschiedener Seethierchen, namentlich
Korallenthierchen incrustirt. Kürzere und längere Stellen sind mit Sand,
doch blos am Ufer selbst, bedeckt, ohne daß der Sand tief in's Meer
reichen würde, wie es nördlich von der Stadt gegen den Zwartkop-River
der Fall ist. Was ich nun in der Ebbezeit in den künstlich von den
Seethieren gebildeten Grotten an solchen auffischen, fangen und an vom
Südoststurme ausgeworfenen Korallen und Algen habhaft werden konnte, das
habe ich damals treu heimgeschlepppt. Auf meiner Rückreise aus dem
Innern, während meines letzten Besuches der Stadt, konnte ich allerdings
mit größerem Erfolge und im weiteren Umfange diese Sammlungen betreiben.
Von meiner kleinen schwarzen Dienerin Bella und 4-5 gemieteten Schwarzen
gefolgt, arbeitete ich mehrere Stunden hindurch an der Küste und kehrte
mit reicher Beute zur Stadt zurück. Viel Vergnügen machte uns der Fang
der Nautilus-Männchen, die in den Grotten zurückgeblieben waren. Mit
einem aus Eisendraht verfertigten Haken stöberten wir in den noch mit
Seewasser gefüllten Felsenlöchern umher; war einer jener Cephalopoden
daselbst zurückgeblieben, so fuhr er sofort wild nach dem metallenen
Eindringling, der es uns ermöglichte, ihn von dem Felsen, an dem er sich
oft sehr fest geklammert, loszulösen. Fiel er dabei an eine trockene
Stelle, so bewegte er sich rasch, indem er die Fangarme anzog, nach der
Seeseite zu; fiel er auf loses Gestein, so hoben wir ihn in der Regel
mit fünf bis zehn oft faustgroßen Steinen auf. Die größten dieser Thiere
hatten eine Länge von 5 Zoll und bis 24 Zoll lange Fangarme; sie werden
häufig von den Malayen aufgesucht und genossen, und sind unter dem Namen
der Katfische bekannt. Oft trafen wir an einzelnen Stellen junge Männer
und Frauen, welche mit Hämmern große Schnecken, Napfschnecken und
Austern losschlugen, um selbe in der Stadt zu verkaufen, doch begegneten
wir auch weißen Knaben, welche in, unseren Schmetterlingsnetzen
ähnlichen Säckchen, kleine Palämons fingen, die in Port Elizabeth von
Vielen als Delicatesse angesehen werden. Taucher und Möven beleben die
seichteren Partien, erstere fliegen niedrig und spät auf, so daß mein
Hund Spot mehrere erbeutete.

Ich erwähnte, daß dieses Ufer eine Art breite Landzunge bildet, welche
etwa zur Hälfte eine einzige öde Sanddüne ist, während die andere
Hälfte, meist an der Seite von Port Elizabeth und der Theil nach dem
Leuchthause zu mit Ausnahme der äußersten Spitze, mit einer üppig
wuchernden Vegetation bewachsen ist; und doch hat diese nur in dem
Dünensande festen Fuß gefaßt, gewiß staunenswerth, um so mehr, als der
Forscher auf dieser Strecke wenigstens 1000 Pflanzenarten finden dürfte.
Vor Allen ist die fleischig-blättrige Mittagsblume in sehr vielen Arten
vorhanden, deren eine hie und da mit schönen, citronenfarbigen,
handgroßen Blüthen frisch aus dem dunklen Grün ihrer in Büscheln
stehenden, fingerförmigen, dreikantigen Blätter hervorleuchtet. Einige
Schritte vor uns, am Fuße eines dichten Gebüsches prangt eine zweite und
dritte Art, die eine mit kleinen orangefarbenen, die zweite mit
dunkelrothen Blüthen und während wir uns zu ihnen hinbeugen, überrascht
das Auge aus einem niederen Binsendickicht zur Rechten ein dichtes Lager
von einer dunkelblättrigen Art mit prachtvollen, Doppelthaler großen,
hellrothen Blüthen. Wir haben uns noch nicht entschieden, welche wir
zuerst in unsere Büchse aufnehmen sollen, als bei dem nächsten Tritte
das Ausgleiten des Fußes zur Vorsicht mahnt, und als wir nach der
Ursache unseres Falles forschen, finden wir, daß ihn ein zierliches
Mittagsblümchen verschuldete, das theilweise von dem Rasen gedeckt, mit
seinen weißen Blüthenscheiben friedlich da unten vegetirte. In der
Betrachtung dieses Blüthenflors übersieht das Auge fast die Menge von
Zwergbüschen, die vielen Binsen- und Euphorbia-Arten.

Der Entstehungsweise entsprechend, bildet diese sandige Unterlage für
Meilen hin kleine, seichte, wiesenbedeckte Parallelthälchen und
bebuschte Erhebungen, die letzteren etwa 30-50 Fuß über der
Meeresfläche, die Thälchen 10-20 Fuß tief, 100-900 Schritte lang.
Namentlich reich an Vegetation ist das westliche Ufer, d.h. jenes vom
Leuchthaus nach Westen zu, an dem auch mehrere Farmhäuser liegen und
unzählige Quellen zu dem hier eine einzige, zerrissene Felsenklippe
bildenden Meeresufer hinabrieseln. Die Sümpfe sind hier mit zahlreichen,
den Moorboden liebenden Gewächsen überwuchert, farbenprächtige Blumen
und mehrere Schilfrohrarten säumen die offenen Tümpel ein; diese Sümpfe
bedecken die Abhänge zum Meere, während die niedrigen, oben abgeflachten
Höhen in seichten doch breiten Thälern hier mit unzähligen, oft kaum
wahrnehmbaren, dort bis vier Fuß hohen buschartigen Erica-Arten
überreich bedeckt sind; einem Botaniker geht das Herz über, wenn er so
in diesen Schätzen nach Muße schwelgen kann. Diese Erica-Arten zeigen
nicht allein mannigfache Blüthenformen, sondern auch alle möglichen
Farben in den zarten Blüthen; weiß und grau meist die hohen
strauchförmigen, gelblich bis ockerfärbig die kleineren, doch auch roth
in allen Nüancen und violett bis zu noch dunkleren Tönen.

Der südwestliche Theil der Cap-Colonie ist durch seine Erica-Flora
charakterisirt, die in einem jedoch nicht tief in's Land reichenden
Gürtel den südlichsten Vegetations-Typus von Afrika bildet; die Umgegend
von Capstadt und Port Elizabeth weisen die meisten Arten auf.--Außer den
schon genannten findet der Forscher zu allen Jahreszeiten gewisse
Liliaceen in der Blüthe, namentlich schönfarbige--feuer- und
carminrothe--auch schlanke Schwertblumen sind ziemlich häufig
anzutreffen, ihr schönes Roth mahnt an jenes der Aloëspecies, die wir so
häufig an den Abhängen der Zuurberge etc. vorfinden. Von Cryptogamen
sind namentlich Moose auf den überwucherten Dünen zu finden. Wenn man
durch dieses Blumeneden schreitet, wähnt man, daß außer den Insecten und
einigen wenigen Singvögeln kein lebendes Wesen diese Strecken bewohne.
Und doch sind sie von so manchem Thiere bewohnt, von Thieren jedoch, die
in den undurchsichtigen, wenn auch niederen Gebüschen vor den Menschen
Schutz suchen, und nur Nachts sich aus denselben wagen. Es ist eine
zierliche, kaum einen halben Meter Höhe erreichende Gazellenart, dann
Hasen und Springhasen, graue Wildkatzen, Genettkatzen, Mäusehunde etc.,
die Nachts ihr Wesen in den Büschen und den wiesigen Niederungen
treiben. Der Leuchtthurmwächter fängt so manche in Eisen, mit denen er
seinen Miniaturgarten, den er sich in einem Thälchen angelegt, umgab.

[Illustration: Elephantengruppe, Nachts am Zondags-River.]

Ja, das Leben in diesem Leuchtthurme an der Sanddüne, von drei Seiten
vom tobenden Meere umspült, zeigte mir eine der reinsten Idyllen, die
ich je beobachtet. Doch ich muß befürchten, daß es mir hier an Raum
gebricht, ihm eine längere Schilderung, die er verdienen würde, zu
widmen. Der Wächter fühlt sich in seiner Oede vollkommen glücklich.
Monatlich einmal geht er nach der Stadt, um seinen Gehalt zu beziehen,
während wöchentlich ein zweirädriger Karren ihm seine Bedürfnisse von
der Stadt zuführt. Er lebt mit seiner Familie und einem Gehilfen in
einem steinernen Gebäude unter dem Leuchtthurm und hat jedes Schiff, das
von der hohen See in die Algoabai einlaufen will, oder das die Bucht in
sichtbarer Ferne passirt, nach der Stadt zu signalisiren. »Ich habe
einen Tag den Dienst, den anderen mein Gehilfe, damit ich jedoch etwas
im Gärtchen arbeiten kann, habe ich meiner Tochter telegraphiren
gelernt, die mir nun im Dienste recht behilflich ist,« erklärte er mir.
Ich kann es mir nicht versagen, hier eines Erlebnisses des
Leuchtthurm-Castellans zu erwähnen, das er mir erzählte.

»Während einer stürmischen, dunklen Nacht verirrte sich der Capitän
einer »Barke«, sah unser Licht für das von Port Elizabeth an (er hatte
unzureichende Seekarten zu Gebote und war noch nicht in diesen Gewässern
bekannt) und steuert auf uns los; als wir das Schiff erspäht hatten,
sahen wir auch, daß dasselbe glücklich in einem durch Klippen
gefährdeten Kanal Anker geworfen hatte. Ich telegraphirte nach Port
Elizabeth, gegen den Morgen kam die »Tug« (Schleppdampfer), die es
glücklich aus seiner unbequemen Lage herausbugsirte; etwa 20 Minuten
nachher trat die Fluth ein, eine Verspätung um diese Zeit und das Schiff
wäre rettungslos an den Felsen zerschellt worden.« Die Wachsamkeit des
Wächters fand auch ihren Dank.

Lohnend waren meine Ausflüge an die Ufer der beschriebenen Landzunge
während meines letzten Besuches von Port Elizabeth, ich erbeutete
namentlich Seefische, Krabben, Cephalopoden, Würmer, Schnecken,
Patellen, Seeraupen, Seehasen, Muscheln, Korallen, Schwämme etc., Algen
und mehrere Arten Haifischeier.

Außer diesen Ausflügen nach dem südlichen Ufer der Bucht unternahm ich
welche in entgegengesetzter Richtung nach dem nördlichen, gegen die
Mündung des Zwartkop-Flusses. Das Ufer ist hier meist sandig, bis tief
in's Meer hinein, noch die glücklichste Stelle, an der ein Schiff, wenn
ihm der Südoststurm die Ankerketten bricht, stranden kann. Das Meer gab
mir auf diesen Ausflügen namentlich interessante Muschelarten, an der
Mündung des Flusses schwärmen Haifische und der Fluß selbst liefert dem
Forscher zahlreiche Seefische, während seine Ufer, namentlich das linke,
reichhaltige Petrefacten aus der Kreideperiode und im Alluvialboden
Ueberreste von jetzt noch in der See lebenden muschelartigen Thieren und
interessante schraubenförmige Gypsformationen zeigt. Hier finden wir
(das Ufer ist flacher als das südliche) auch riesige Lagunen sich in's
Land hinein erstrecken, die dem Ornithologen so manch' schönen
Regenpfeifer, Strandläufer und Hammerkopf versprechen. Wir finden hier
viele neue Species von Blumen, namentlich Aloë, Wucherblumen, Ranunculus
und eine fleischige, nur hier anzutreffende Winde.

Ich kehrte gewöhnlich landeinwärts nach der Stadt zurück, die zwischen
dem Fluß und der Stadt liegende Salzpfanne (kleiner salzhaltiger und
zeitweilig im Jahre mit Wasser gefüllter, etwa 500 Schritt langer und
200 Schritt breiter See) berührend. Hier fand ich wieder neue Blumen,
einige interessante Käfer und Schmetterlinge. Diese »Saltpan« liegt auf
einer Grasebene, die nach Westen von dem Abhange, an dem die Stadt
erbaut ist, begrenzt wird. Auch diese Ebene weist andere meist niedrige
Pflanzen auf, ebenso der steinige Abhang, der überdieß in den
Frühlingsmonaten August und September, an Schlangen, Eidechsen,
Scorpionen, Spinnen und Insecten eine sehr reiche Ausbeute liefert; ich
fing an diesem Abhange allein 34 Schlangen. Um diese Zeit (in den
genannten Monaten) beginnt die Winterkälte nachzulassen, die Reptilien
und Käfer verlassen ihre Löcher und Schlupfwinkel, die Morgen und Nächte
sind jedoch noch so kalt, daß sie sich unter die größeren Steine
zurückziehen. Hier liegen sie so ein bis zwei Wochen in einem
halberstarrten Zustande, der es ermöglicht, die Thiere, ohne sie stark
zu schädigen, zu bemeistern und der Spiritusflasche einzuverleiben.

Auch die landeinwärts unternommenen Ausflüge, welche mich gewöhnlich
durch das Thal des Bakensflusses führten, ermangelten nicht ihres
besonderen Reizes. Schroffe Felsenwände, riesige terrassenförmig sich
aufthürmende Blöcke charakterisiren das Thal an seinem Unterlaufe,
hochgrasige, blumenreiche Triften die Abhänge seiner mittleren Partien,
Alles deutet darauf hin, daß wir uns in der Nähe des Meeres befinden,
die über das Thal zerstreuten Niederlassungen und Gehöfte, die üppig
wuchernde Vegetation von tropischen Büschen, Schlingpflanzen und Farren,
die jede feuchte Stelle verräth und besonders an den Ruinen verlassener
Wohngebäude lustig emporrankt. Einige hundert Schritte von der in einer
Thalbucht erbauten Dampf-Wollwäscherei fand ich unter dem Gesteine ein
Vipernpärchen eingerollt; da sie neben einander in einer wohl von einer
großen Spinne herrührenden Vertiefung lagen, erfaßte ich mit der Zange
zuerst die eine und beförderte sie rasch in meine mit den
verschiedensten Kriech- und Kerbthieren zum größten Theile gefüllte
Sammelflasche; ohne Schwierigkeit gelang es mir auch, das ahnungslos des
Männchens beraubte Weibchen zu fangen, so daß das Pärchen nun wieder
vereint war. Meine Excursion fortsetzend, hielt ich die Schlangen nach
mehreren Minuten für hinreichend betäubt, um die Flasche öffnen zu
können und um neue Funde rasch in Sicherheit zu bringen. Das offene
Gefäß in der einen Hand, sammelte ich eifrig weiter, als mich plötzlich
ein eigentümliches Rieseln an meiner Hand aufschreckte; ein Blick zeigte
mir, was geschehen,--unwillkürlich ließ ich die Flasche mit ihrem ganzen
Inhalt fallen, der Fluchtversuch der Schlangen mißlang jedoch, denn
nachdem ich meine Fassung wieder erlangt, fing ich die Ausreißer wieder
ein, diesmal mit aller Vorsicht die Flasche verschließend.

[Illustration: Termitenhaufen.]

Eines Tages lud mich Herr Michaelis ein, mit ihm zu einem Freunde auf
die Hochebene zu fahren, um »Bienen auszunehmen«; es war ein kleiner,
etwa einen halben Tag in Anspruch nehmender Ausflug, der mir viel Freude
machte. Wir fuhren in einem zweirädrigen gedeckten Karren hinauf auf den
»Hill« und dann östlich auf die sich nach Nordost ausbreitende Ebene
hinaus. Mit niedrigem Grase bewachsen ist dieses Hochplateau von
Tausenden von meist halbkugelförmigen, einen Meter im Durchmesser
haltenden und ½ bis 2/3 Meter hohen, rothbraunen Termitenhaufen bedeckt.
Die noch bewohnten haben eine glatte, die verlassenen, deren es einige
gab, eine rauhe, durchlöcherte Oberfläche. Ein Termitenbau wird nur dann
verlassen, wenn seine Königin umkommt. Diese verlassenen waren eben die
Stellen, wo meine Freunde nach dem Honig fahnden wollten. Während man in
dem waldigen Innern Afrika's den Honigvogel als Führer zu den Nestern
der wilden Bienen benützt, war es in unserem Falle in Port Elizabeth ein
halbnackter, mit einer rothen, wollenen Zipfelmütze bedeckter Fingo,
der, neben dem Karren einherlaufend, die verlassenen Termitenhaufen mit
Kenneraugen prüfte. Es währte auch nicht lange, so winkte er uns zum
Stillstande, er hatte gefunden, was wir suchten; aus einem der
zahlreichen verlassenen Termitenhaufen sah man Bienen ein- und
ausfliegen. Rasch war das Gefährt versorgt und bald hatten die
Rauchwolken eines Feuerbrandes die Bienen in ihrem Baue betäubt. Nun
ging's an's Wegräumen des Termitenbaues, in dessen früherer Höhle wir
mehrere parallel zu einander befestigte Honigkuchen fanden, die theils
von duftendem Honig, theils von junger Brut strotzten; ich konnte es mir
nicht versagen, den ganzen Bau mit einigen Strichen in meinem Notizbuche
zu verewigen. Die Zerstörung des Erdhaufens brachte auch zwei
Scapsteeker (Schlangen) in meine Gewalt, die meiner stetig anwachsenden
Sammlung einverleibt wurden. Mit solchen und ähnlichen Ausflügen waren
vier Wochen meines Aufenthaltes in Port Elizabeth rasch verflossen, und
nun hieß es, an den Aufbruch in das Innere denken.

Ich habe bereits im Vorhergehenden eines Antrags gedacht, der mir von
Seite eines Großhändlers in Port Elizabeth gemacht wurde, so verlockend
er war, ging ich darauf nicht ein, da mir einestheils von einem
Kaufmanne aus Fauresmith im Oranje-Freistaat weit günstigere
Verhältnisse in Aussicht gestellt waren, und andererseits mir Alles
daran lag, dem Ziele näher zu kommen, und verläßliche Nachrichten über
das Innere erlangen zu können, dazu aber war Fauresmith, mehr denn 60
geographische Meilen nördlich von Port Elizabeth gelegen, geeigneter als
dieses selbst.

Herr Michaelis setzte mich nicht nur durch ein freundlich gewährtes
Darlehen in den Stand, nach Fauresmith zu reisen, sondern erbot sich
selbst, mich zu begleiten. Nur ungern schied ich von Port Elizabeth und
allen während meines kurzen Aufenthaltes hier gewonnenen Freunden, deren
herzliches Entgegenkommen ich nicht genug rühmen kann.




II.

Meine Reise nach den Diamantenfeldern.


So verließ ich denn in den ersten Tagen des August 1872 Port Elizabeth,
um über Grahamstown, Cradock, Colesberg und Philipolis, Fauresmith zu
erreichen.

Von vier kleinen Pferden gezogen, legten wir die 86 englische Meilen
betragende Strecke nach Grahamstown, der drittgrößten Stadt der
Cap-Colonie, in einem zweirädrigen Karren in 11 Stunden zurück.

Diese Strecke ist in Bezug auf die Schönheit der Scenerie und der
Vegetation gewiß die anziehendste. Heute gelangt man nach jenem Orte
mittelst Bahn, auch diese führt durch reizende Partien, wenn ich ihnen
auch jene, die man früher per Achse passirte, vorziehe. Der größte Theil
des Weges führt längs den Abhängen der Zuur-Berge, welche bebuscht und
bewaldet mit ihren Schluchten und Thälern, mit den eingeschlossenen
Lagunen und den begrenzenden Bergwiesen, dem Künstler wie Naturliebhaber
viel des interessantesten Stoffes bieten. Ich möchte sagen, daß wir auf
dieser Strecke den mannigfachen Typen größerer Landstriche aller
Welttheile begegnen. Weite Ebenen, zum Theil mit hohem Grase bedeckt,
erinnern uns lebhaft an eine Pußta, nur daß die bekannten, unbeholfenen
Ziehbrunnen fehlen; kurzbegraste Flächen rufen uns ein Bild der Steppe
in's Gedächtniß, während einige wenige mit spärlichem Graswuchs
bewachsene Sandflächen an die Wüste mahnen. Mancher hochbegraste Abhang
gewährt mit den hunderten ihn bedeckenden riesigen und armleuchterartig
geformten Euphorbien ein fesselndes Bild, doch den anziehendsten Anblick
bieten die bebuschten und mit Niederwald bedeckten Partien.

Die Gebüsche stehen bald gruppenweise, auf Wiesenpartien dichte Knäuel
bildend, ein Vegetationsbild, das namentlich weiter im Innern
Süd-Afrika's ganze Landstriche charakterisirt; doch bei weitem der
größte Theil der Strecke Port Elizabeth-Grahamstown ist von einem
sozusagen undurchdringlichen Gebüsche bedeckt, das theils von
eigentlichen Büschen, theils von Zwergbäumchen gebildet wird. Manche
derselben scheinen wahre Riesen an Alter zu sein, während andere wieder
von gewissen Insectenarten befallen, in kurzer Zeit absterben und
unaufhaltsam der Fäulniß unterliegen.

Oft führte uns der Weg an Abhängen vorüber, deren weißberindete Bäumchen
mit Schüssel- und Baumflechten über und über bedeckt, einen
eigenthümlichen Anblick darboten und an niederschlagreiche Gegenden
mahnten; besonderen Reiz und eine anmuthende Erinnerung an die Wälder
des Nordens gewährte das massenhafte Auftreten einer Bartflechte
(Usnea), welche mit ihren grau-grünen, fußlangen und dichten Zotten,
einer Draperie gleich, die Queräste der Bäume schmückt und ihnen einen
ehrwürdigen Anblick verleiht. An anderen Stellen wieder überschaut das
Auge auf Meilen hin mit Zwergbüschen bedeckte Abhänge, aus denen uns
sofort mehrere Arten der rothblüthigen Aloë, riesige baumartige,
zahlreiche strauchartige und krautartige Wolfsmilcharten, mit ihren
wundervollen, meist cactusförmig gebildeten Formen auffallen
und das Herz eines Botanikers hoch entzücken. Zahlreiche
Solanum-(Nachtschatten-)Species, bald niedrig, bald strauchartig an den
Bäumchen emporrankend, mit gelben, weißen, violetten und blauen Blüthen
beladen, gestalten mit anderen üppigwuchernden Schlinggewächsen
einzelne, durch hochstämmigere Bäumchen ausgezeichnete Partien zu einem
förmlich undurchdringlichen Dickicht, während vor Allem die Menge von
Gras und Binsen, Erica- und Ranunculusarten unser Staunen erregt.

[Illustration: Euphorbiaceen-Bäume.]

Den kaleidoskopartig wechselnden Landschaftsbildern entspricht auch die
Vegetation; kahle, niedrige, oder aber mit Hochgras bestandene Flächen,
Busch- und Miniaturhaine, marschige Stellen, Sümpfe, Bergabhänge und
Ebenen zeigen uns immer wieder neue Liliaceen, Papilionaceen und
Mimosen.

Hie und da finden wir eine Farm in der Mitte einiger Acker bebauten
Landes, an der Wegseite ein aus galvanisirtem Eisen oder aus Backsteinen
erbautes Hotel; Hotel heißt es immer, ob es den Namen eines solchen
verdient oder blos aus zwei Zimmern und einem Krämerladen besteht.

Nicht minder artenreich als die Flora ist die Fauna auf dieser Strecke.
Wir finden hier ein mannigfaltigeres Thierleben, als selbst im ganzen
Raume der nächsten zehn Breitengrade nach Norden, also gegen das Innere
Süd-Afrika's. Auf den kahleren, grasarmen Ebenen tummeln sich
Scharrthierchen und Erdeichhörnchen; beide Thiere leben in
gemeinschaftlichen Bauen, und solche Stellen sind dann etwas erhaben und
zeigen bis zwanzig Ein- und Ausgangslöcher, so breit, daß man bequem
eine Faust einführen könnte. Wo die Erdeichhörnchen hausen, da finden
sich auch zahlreiche große Spitzmäuse vor. (Die Gewohnheiten dieser
Thiere will ich hier nicht beschreiben, aber späterhin bei der
Schilderung meiner drei Reisen in's Innere Afrika's, wo einzelne der
eben noch zu nennenden Thiergattungen bestimmte Landstriche bewohnen,
ihrer dann ausführlicher gedenken.) Die hochbegrasten Gegenden zeigen
uns zahlreiche Bauten von Maulwürfen, des Schabrakenschakal, des
Mäusehundes (das afrikanische Stinkthier), von Springhasen und
Stachelschweinen, Blindmäusen, dem interessanten Erdferkel und
kurzschwänzigen Schuppenthier. An den Moorstellen beobachten wir
Fischottern, eine Wieselart und mehrere Rattenarten. Die felsigen
Abhänge weisen zahlreiche Pavianheerden, Rohrrüßler, schwarzgefleckte
Genetta's, Tharikatzen, Karakal's, Springmäuse, eine besondere
Kaninchenart, röthliche Roibockgazellen und zahlreiche Klippschliefer
auf. An hochbegrasten Strecken, wo sich, wie schon erwähnt, stellenweise
gruppenförmig dichte Gebüsche vorfinden, finden wir nebst den schon
bisher erwähnten Zahnarmen (Edentata), Deuker und Steinbockgazellen.
Dichte, niedere, meilenweite Flächen bedeckende Gebüschstrecken
beherbergen die gestreifte und gefleckte Hyäne, sowie den Strandwolf
(Hyëna brunea) und unter zahlreichen Nagethieren eine riesige Wühlmaus;
ferner zwei Arten von Gazellen, darunter namentlich den schönen
Buschbock. Hochstehende, die weiten Abhänge bekleidende Büsche, sowie
der Niederwald dienen Pavianen und Meerkatzen, grauen Wildkatzen und
Füchsen und dem Leoparden, der Kudu-Antilope, dem Buschsark und
Blacksark, dem Büffel und dem Elephanten (der größten von den drei
afrikanischen Varietäten) sowie einem auf Bäumen lebenden Hyrax (einer
besonderen Art) zum Aufenthaltsorte.

Die Leoparden sind in diesen Gegenden gefährlicher als in den
menschenleeren Gegenden des Innern, wo sie weniger an den Knall des
Feuerrohres gewohnt sind. Da sie als Feinde, namentlich wenn verwundet,
sehr gefährlich werden, tödtet man sie in diesen bewaldeten Gegenden
meist mit Gift, oder fängt sie in Eisen. Die Elephanten sind durch ein
Gesetz vor den Nachstellungen geschützt, so daß wir in der Cap-Colonie
noch einige wilde Heerden[1] (je zu etwa 20-30 Stück) zählten, während
sie im Oranje-Freistaat, den Transvaal- und in den südlichen
Betschuanaländern schon vollkommen ausgerottet sind. Weil sie jedoch
nicht gejagt werden, sind diese Thiere recht übermüthig geworden, was
uns sofort auffällt, wenn wir sie mit ihren Brüdern im nördlichen
Süd-Afrika und in Central-Afrika vergleichen. Dort bringt ein Schuß
(wenn er auch in einer Entfernung von 2-3 englischen Meilen abgefeuert
wurde) eine Elephantenheerde sofort zur schleunigen Flucht und die
Thiere legen dann meistens 20-30 englische Meilen zurück, bevor sie sich
eine Rast gönnen; daß dort ein Elephant ungereizt den Menschen angreifen
würde, gehört zu den größten Seltenheiten, trotzdem in den letzten
zwanzig Jahren allein von den Europäern mehr denn 7500 Elephanten erlegt
wurden. Hingegen muß man in den Gegenden zwischen Grahamstown und Port
Elizabeth, wo sich die Elephanten aufhalten, vorsichtig sein, um nicht
den hin- und herwandernden Kolossen zu begegnen. Bevor ich auf der
Heimreise Port Elizabeth erreichte, ereignete sich eben ein trauriger
Fall in dem Niederwalde am Zondags-River, der theilweise die genannten
Waldpartien durchfließt. Ein farbiger Diener war von seinem Herrn
ausgeschickt worden, um einige Ochsen zu suchen, welche sich verirrt
haben mochten; da der Mann nicht wieder heimkehrte, forschte man nach
ihm, fand aber blos seinen verstümmelten Körper. An den Spuren ringsum
konnte man sehen, daß ihn eine vorbeipassirende Elephantenheerde
ausgewittert, sich von ihrem Pfade ab auf ihn gestürzt und ihn zertreten
hatte. Nur mit Erlaubniß des Gouvernements ist man berechtigt, eines der
Riesenthiere zu erlegen.

    1: Siehe Seite 25.

Von den Vögeln die mannigfachen Species zu erwähnen, würde zu weit
führen. Ein etwa sechsmonatlicher Aufenthalt würde hier dem Ornithologen
eine reichhaltige Sammlung verschaffen. Ich will nur bemerken, daß dem
Jagdliebhaber mehrere Trappenarten, Perlhühner, Reb-, Hasel- und
Steppenhühner, Schnepfen und Regenpfeifer, Wildenten und Wildgänse,
sowie Taucher und Schlangenhalsvögel täglich seine und seines Dieners
Jagdtasche füllen können. Bewundern wir auf der Jagd oder auf einem
Ausfluge in dieser Gegend die, die verschiedenen Strecken
charakterisirende Pflanzenwelt, so sind es namentlich die Vögel und
Insecten, welche den schönen, oft wundervollen Pflanzenformen doppelten
Reiz verleihen. Da sind es langschwänzige Kolibris und Honigsucher,
welche bald in den prächtigen kelchförmigen Schwertblüthen, bald in den
weithin schimmernden carminrothen Aehrenblüthen der Aloëarten nach
Insecten haschen. Dort wiederum winken uns die hellglänzenden
dunkelgrünen Blätter eines Zwergstrauches, wir fühlen nicht den
leisesten Windhauch, der sie bewegen würde--und immer nicken die zarten
Aestchen wie mit Befriedigung einander zu. Doch siehe da, ein ganzer
Schwarm kleiner, gelblich-grünlicher, unserem Goldhähnchen nicht
unähnlicher Singvögel tummelt sich emsig in der Krone des Strauches
umher, um Käferchen von der Innenseite der Blätter aufzupicken.

Von der Spitze des Waggonbaumes halten Falken und zahlreiche schön
gefiederte Würger ihre Rundschau--ein jeder hat ein kleines Reich um
seinen hohen Wohnsitz eigen--und hat jener eine Blindschleiche oder ein
Mäuschen, dieser einen summenden Käfer erspäht, stürzt er sich auf die
arglose Beute herab und da schnellt sich immer wieder das Aestchen, auf
dem er saß und mit ihm die nächsten Zweige, rasch empor, scheinbar froh,
von der Bürde befreit zu sein. Die reichblättrigen Mimosen, mit
hellglänzenden Insecten bedeckt, locken gar manchen Vogel an, doch auch
die schilfigen Partien sind nicht weniger reich an befiederten Bewohnern
der Lüfte. Rohrsänger, gelbe und feuerrothe Finken und Webervögel halten
die schlanken Rohrstengel in fortwährender Bewegung, während die kleinen
Thälchen von ihrem Gezwitscher wiederhallen.

Von den Reptilien finden wir den Wasserleguan (riesige Eidechsen) in
jedem fließenden Gewässer; von Schildkröten eine reiche Auswahl auf dem
Lande und eine Art in stehendem und fließendem Wasser, von Schlangen
sehr viele und sehr giftige Species, namentlich Bussadern, Cobras,
Hornvipern, Korallenschlangen etc. etc. und von Wasserschlangen schöne
harmlose grüne Species, doch auch sehr giftige Seeschlangen, die
manchmal vom Meere aus die Flüsse heraufzuschwimmen pflegen.

Spät in der Nacht desselben Tages, an dem ich Port Elizabeth verließ,
gelangten wir nach Grahamstown, und verließen es schon zeitlich am
nächsten Morgen. Wir stiegen in einem Hotel ab; die gewöhnlichen
Logispreise waren und sind geblieben 2 Shillings und 6 Pence für ein
Bett und ebensoviel für ein jedes Mahl.

Grahamstown liegt malerisch an den Abhängen einiger Sandsteinhöhen, dem
Quellgebiete des Kowie-Rivers, es hat seinen eigenen doch offenen Hafen
an der Mündung dieses Flusses, Port Alfred genannt.[1] Ich bemerkte
schon, daß wir hier den besten der botanischen Gärten in Süd-Afrika
antreffen, indem außer afrikanischen Pflanzen meist Bäume aus
Australien, Acacien und Eucalyptusarten, sowie Kasuarinen, ferner
Gewächse aus Mauritius, Madagascar und Süd-Amerika mit dem besten
Erfolge gepflegt werden. Von einheimischen Gewächsen sah ich namentlich
schöne Exemplare des wundervoll geformten »Elephantenfußes« und mehrere
Encephalartos-Arten sehr gut gedeihen. In dem geräumigen Glashause fand
ich unter andern Prachtformen riesige Exemplare südafrikanischer
Farrenbäume.

    1: Siehe Anhang 3.

Nach zwei Tagen angenehmer Fahrt in einer bequemen amerikanischen
Kalesche hatten wir die 25 geographische Meilen lange Strecke zwischen
Grahamstown (The Town of the Settlers) und Cradock zurückgelegt. Die
durchreiste Strecke war zu Beginn schluchten- und waldreich, wie jene
zwischen Grahamstown und Port Elizabeth, hierauf ein Hochplateau, das
mit zahlreichen isolirten Tafel- und Spitzbergen besäet, von Bergkämmen
und Höhenzügen im fernen Nordost und Nordwest begrenzt war. Die ersteren
erhoben sich 200 bis 500 Fuß über das sie umgebende Flachland und sind
meist mit niederem Gebüsch, namentlich dem Nahrung spendenden Speckbaume
bewachsen. Die Thäler zeigen Dornenbäume und Sträucher, die Warte-bichi,
den Heckenstich und andere Mimosenarten im Ueberfluß, welche
Thalbewaldung weiter nach Norden über Cradock hinaus abnimmt und erst
wieder gegen den Vaalfluß und von da nach Norden zu, häufiger auftritt.
Auf dieser Strecke nach Cradock beobachtete ich auch zuerst jene großen
Ebenen, die zur feuchten Jahreszeit ein unabsehbarer hellgrüner (wenn
von Gras), dunkelgrüner (wenn von dem Kapbusche gebildet) Teppich, zur
Zeit der Dürre ein einförmiger brauner oder röthlicher Wüstenstrich
sind, wie wir sie in der westlichen Cap-Colonie, dem Freistaate, im
westlichen Griqua-Lande, der Transvaal-Colonie und dem Batlapinenlande
vorfinden, und welche den Zwergtrappen, den Spring- und Blaßbockgazellen
sowie dem schwarzen Gnu zum Aufenthaltsorte dienen. Da wo diese Thiere
wenig gejagt werden, finden sie sich noch zu Tausenden. Auf meiner Reise
nach Cradock beobachtete ich nur die erstgenannten, doch die
zierlichsten unter den größeren Gazellen. Sie nehmen auf den Ebenen nach
Norden zu ab, und ich beobachtete sie nicht über das Salzseebecken im
centralen Süd-Afrika hinaufreichend, während sie längs der Westküste bis
zu den portugiesischen Besitzungen ausschwärmen.

Die Springbockgazelle (A. Euchore) gehört unstreitig zu den schönsten
Gazellenarten, die wir kennen. Sie besitzt außer allen Vorzügen einer
Gazelle eine seltene Sprungkraft in ihren stählernen Muskeln und ihr
edles zierliches Köpfchen schmückt ein so schönes, lyraförmig
geschwungenes Hörnerpaar, daß man ihr wohl den Vorzug unter den
mittelgroßen ihrer Familie einräumen muß. Dieses ungewöhnlich reizende
Thier hat so graziöse Bewegungen, namentlich wenn es spielt, oder
aufgescheucht die Flucht ergreift, daß man in Verlegenheit geräth, selbe
zu beschreiben. Selbst wenn sie gejagt wird und in Angst dahinfliegt,
scheint sie es darauf angelegt zu haben, durch ihre Coquetterie des
Jägers Mordlust zu beschwichtigen. Leider findet sie für ihre Schönheit
abgestumpfte Nimrode in mehr als hinreichender Zahl und dies namentlich
unter den holländischen Farmern und den Eingebornen, welche dafür
sorgen, daß sie täglich seltener wird. Ihre Sprünge ähneln dem
Ausschnellen einer Uhrfeder. Sie läßt namentlich gewöhnliche Jagdhunde,
mit Ausnahme der Windspiele, ziemlich nahe kommen; sie schaut die
anrennenden, laut kläffenden Köter so gleichgültig an, wie wenn sie
geduldig erwarten würde, bis sie zu ihr gekommen und ihr Alles gesagt,
was sie zu sagen hätten. Plötzlich, wenn nach ihrer Berechnung die Zeit
zur Flucht gekommen, schnellt sie sich wie eine losgelassene Uhrfeder in
die Höhe, um etwa 6-8 Fuß weiter die Erde mit ihren zarten, spitzen
Klauen zu berühren, allein kaum daß dies geschehen, so ist sie schon
wieder über derselben, und so macht sie fünf bis zehn Sprünge sehr rasch
hintereinander und dem Emporschnellen eines auf harten Boden
auffallenden Gummiballes nicht unähnlich; es scheint, als ob sie die
Erde gar nicht berühren würde, kaum senkt sich der Körper zur Erde, hat
er sich auch schon wieder emporgeschnellt. So in einem überraschend
kurzen Zeitraume von dem Verfolger weit entfernt bewegt sie sich
plötzlich eine Minute langsam im Schritte vorwärts, wiederum dem Hunde
Zeit gönnend sich zu nähern, dann wiederholen sich die Sprünge, und so
neckt das Thier seine Verfolger mehrmals, bis es endlich, gleichsam des
Spielens müde geworden, in weiten, großen Sätzen, in wilder Flucht
davonjagt, bis es sich vollkommen sicher glaubt, und man sie in einigen
Augenblicken in der weitesten Entfernung auf der Ebene als winzigen,
weißlichen, beweglichen Punkt wahrnimmt, welcher dem Jäger die Richtung
angibt, in der das schnellfüßige Thier seinen Lauf, oder besser gesagt,
seinen Flug genommen. Allein selbst seine fabelhafte Schnelligkeit
rettet es nicht vor dem Tode. Die Entdeckung der Diamantenfelder hat
Tausenden dieser Thiere, wie auch ihren Verwandten, dem Bläßbock und dem
schwarzen Gnu, Verderben gebracht. Die holländischen Farmer als Besitzer
der Striche, auf welchen die edlen Thiere weiden, und als vortreffliche
Schützen, sind ihre ärgsten Feinde. Sie kamen periodisch auf die
Diamantenfelder und immer mit reicher Beute versehen. Ich hatte während
meines dortigen Aufenthaltes beobachtet, daß in den Wintermonaten von
Mai bis September ganze Wagenladungen mit solchen erlegten Thieren zu
Markte gebracht wurden; doch auch sonst ist dies Wildpret nicht selten
zu haben. Namentlich sind es der öffentliche Auctionsmarkt, der jeden
Morgen in Kimberley und Dutoitspan abgehalten wird, wo sie an den
Meistbietenden überlassen werden. Da liegen sie vor uns, der Köpfe und
Füße beraubt, oft zu Dutzenden nebeneinander in langen Reihen! Der Preis
wechselt je nach der Jahreszeit und der Größe des Thieres zwischen 3-7
Shillinge.

Nicht uninteressant ist die Jagdweise dieser Thiere. Man jagt sie zu
Pferde, erlegt sie auf dem Anstande und hetzt sie mit Windhunden zu
Tode. Die gewöhnlichste ist jene zu Pferde. Der Jäger setzt im stärksten
Galopp den Thieren nach; die auf jenen begrasten Ebenen geborenen und an
die Löcher der vielen Erdthiere sowie die niedrigen Termitenhaufen
gewöhnten Pferde eilen im schnellen Laufe in der ihnen angegebenen
Richtung dahin, so daß sie dem Jäger wenig Mühe verursachen, ihm
vielmehr gestatten, seine ganze Aufmerksamkeit den fliehenden Gazellen
zuzuwenden. Etwa zweihundert bis hundert Schritte nach einem 1½-2
Meilen (engl.) langem Ritte den Thieren nahe gekommen, bringt oft schon
ein leichter Druck mit den Knieen das im wilden Galopp dahinjagende
Pferd zum plötzlichen Stillstand, der Jäger springt ab, legt an und
schießt. Es sind namentlich holländische Bauern, welche in dieser
Jagdweise Unglaubliches leisten. Ich habe Fälle beobachtet, wo der Jäger
mit seinem Hinterlader zwei fliehende Gazellen mit einem Schusse
erlegte, auch Fälle, wo die ersten beiden Schüsse fehl gingen oder sonst
etwas dem Jäger seinen zweiten Schuß so spät abzufeuern erlaubte, daß
die Gazellen erst nachdem sie 600 bis 800 Schritt weit abgekommen waren,
stehen blieben. Während sie dann nach dem Jäger zurückblickten kniete
dieser nieder, wies sich umwendend mit den Worten: »det rechte kantsche
bock, Mynheer« auf eines der Thiere und streckte eben das bezeichnete
mit der Kugel seines Carabiners nieder.

Die zweite Art, die Springböcke zu jagen, ist jene auf dem Anstande. In
der Nähe der Wassertümpel, zu welchen die Gazellen trinken kommen, oder
auch an den Lachen in einem bis auf diese ausgetrockneten Flußbette,
gräbt man muldenförmige Gruben, in der Tiefe von 1½-3 Fuß und 3 Fuß im
Durchmesser haltend. In diese Grube kauert sich der Jäger und schießt
die zur Tränke kommenden Thiere nieder. Diese Jagdweise ist
namentlich in trockenen Wintern sehr üblich, wo es nur wenige
Wasserstellen gibt, an denen die armen Thiere ihren Durst stillen
können. Die südlichsten der Betschuanen, die Batlapinen und Barolongen,
lieben eine ähnliche Jagdweise, welche jedoch mehr eine Treibjagd
genannt werden muß. Sie thun dies auch, weil sie als schlechte Schützen
sonst dem Wilde nicht gefährlich werden könnten. Mehrere Männer legen
sich in das etwa 2 Fuß hohe Gras, welches die Ebenen zwischen dem
Hart-River und dem Molapo bedeckt, oder hinter die Termitenhügel platt
auf die Erde, und da sie in der Regel nur gewöhnliche Musketen (_Pavion
boute_) besitzen und somit der Erfolg von _einem_ Schusse abhängt,
700-900 Schritte windabwärts von einer grasenden Springbockheerde, und
zwar jeder Schütze etwa 50, wenn es nur wenige sind, etwa 200 Schritte
von einander entfernt. Hier warten sie oft stundenlang, bis ihre
zahlreichen Genossen im weiten Bogen die Heerde umgangen, und sie
halbmondförmig einschließend, nach den Schützen zu gedrängt haben. Sind
es nur wenige Eingeborne, die sich auf eine solche Jagd begaben, so
warten sie ruhig einen ganzen Tag im Grase liegend, bis sich das
grasende Wild ihnen allmälich genähert. Ich beobachtete Fälle, wo sechs
Schützen auf ein Thier anlegten, sechs Donnerbüchsen (denn ihre Musketen
sind wahre Donnerbüchsen) ließen die Erde erzittern und als sich der
Rauch verzog, da schauten hoch aufgerichtet ebensoviel dunkle Gestalten
verwundert, eine flüchtige Springbockgais schnellfüßig das Weite
suchend--alle Schüsse waren fehl gegangen.

[Illustration: Springbockjagd bei Colesberg.]

Mir selbst geschah etwas Aehnliches. Auf dem Anstande stundenlang in
einer kurzgrasigen Ebene, nahe an einem Salzsee drei Springbockgazellen
erwartend, sah ich endlich die schönen Thiere einige 20 Schritte vor
mir, allein mir schien's ein Verbrechen, ihnen ein Leid anzuthun; nur
der Gedanke, daß wir Nahrung brauchten, brachte mich dahin, von meinem
_Snider-rifle_ Gebrauch zu machen; allein die Hand zitterte--ich konnte
mich nicht des Gedankens erwehren, daß ich einen Mord begehe, möglich,
daß man in größerer Entfernung hartherziger ist--und so legte ich die
Hand an den Drücker und die Thiere, erschreckt durch den plötzlichen
Knall, flogen in weiten Sätzen von dannen. Livingstone erwähnt in seinen
südafrikanischen Reiseberichten, bei Gelegenheit als er die Jagd auf
Gazellen bei den Betschuanen beschreibt, der sogenannten Hopofalle. Ich
sah sie nicht mehr im Gebrauch, sie ist auch heutzutage nicht mehr gut
möglich. Zu seiner Zeit war das Wild in jenen Gegenden weniger scheu und
in größeren Massen vorhanden.

[Illustration: Antilopenfalle.]

Die dritte Jagdweise auf den Springbock ist die von den Engländern
eingeführte und besteht darin, daß man das Thier, ohne sich des
Feuergewehrs zu bedienen, mit Windhunden zu Tode hetzt. Die
Jagdgesellschaft jagt den Thieren mit verhängten Zügeln auf guten,
allein weniger an das Terrain gewöhnten Pferden nach, bis es entweder
den Hunden gelingt die Gazellen einzuholen, oder die letzteren einen
solchen Vorsprung gewinnen, daß die Verfolger, müde geworden, die
Verfolgung aufgeben müssen.

Auch in Cradock[1] währte unser Aufenthalt nur einen Tag.--Cradock liegt
am linken Ufer des Fish-River, eines Flusses, der oft monatelang bis auf
einzelne Tümpel versiegt. Treten jedoch starke Regengüsse ein, so
genügen einige Stunden, um das Flußbett mit chokoladfärbigen
Wasserfluthen zu füllen, die mit tausendfachen Trümmern bedeckt,
Verderben und Entsetzen auf beiden Ufern verbreiten. Kommt man zur Zeit
der Dürre zu einer der großen Brücken, von denen auch eine bei Cradock
das Flußbett überspannt, so konnte man leicht versucht sein, die
Zweckmäßigkeit derselben zu bezweifeln, wir erfahren aber, daß selbst
diese große Brücke im Jahre 1874 von dem tückischen Gewässer zertrümmert
wurde, und der neue Brückenträger um mehr als 6 Fuß höher gelegt wurde
als der frühere. Die solide und schwere Eisen-Construction war von den
Pfeilern gehoben und weggespült, die Pfeiler gleichfalls arg mitgenommen
worden.[2]

    1: Siehe Anhang 4.

    2: Siehe Anhang 5.

[Illustration: Gegend bei Cradock.]

Am zweiten Tage nachdem wir Cradock verlassen, langten wir in der Stadt
Colesberg an, da wir aber mit Windeseile vorwärts ritten, fand ich kaum
mehr die Muße, die Physiognomie der Landschaft in's Auge zu fassen. Auf
meiner sieben Jahre später erfolgten Heimreise, auf der ich mit einem
Ochsengespann der Dürre wegen langsam reisen mußte, hatte ich
Gelegenheit, die Strecke theilweise geologisch zu durchforschen und
dabei einige recht interessante vom Wege abseits liegende Partien kennen
zu lernen. Gegen Colesberg zu nehmen die isolirten, tafelförmigen
Erhebungen allmälich an Zahl und Höhe ab, dagegen geht das Land nach
Norden zu in ein Hochplateau über. Eine der schönsten Partien ist
New-Port, ein Paß, an dem sich die Wasserscheide der nach dem Süden
fließenden Gewässer und der Nebenflüsse des Oranje-River befindet. Die
Höhen im Colesberg- und Cradockdistrict beherbergen viele Pavianheerden,
mehrere kleine Gazellenarten, kleinere katzenartige Raubthiere, sowie
Leoparden, und bei Cradock auf den flachen Häuptern einiger Tafelberge
finden sich noch mehr denn 50 der eigentlichen Quaggas, ich glaube die
einzige Art, die wir noch in Süd-Afrika antreffen. Mit Freuden
beobachtete ich, daß sie von einigen der Farmer geschont werden; vor
etwa zehn Jahren waren sie schon bis auf 15 Stück herabgeschmolzen.[1]

    1: Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, jenen einsichtsvollen
    holländischen Farmern von Seite zoologischer Gesellschaften und der
    Thierschutzvereine einige Anerkennung zukommen zu lassen, damit sie
    nicht nur bei ihrem vernünftigen Entschlusse verharren, sondern auch
    ihre Freunde in der Umgegend die Thiere schonen und ihre
    Berufsgefährten in den anderen civilisirten Theilen Süd-Afrika's
    bezüglich anderer auch schon stark abnehmender, unschädlicher
    Vierfüßler ein Gleiches beobachten mögen. Und wenn es auch nur
    einfache Belobungsdecrete wären, sie würden eine gute Wirkung nicht
    verfehlen.

Der Cradocker-, Colesberger- und der benachbarte District von
Graaf-reynet sind ausgezeichnet durch Lager fossiler Ueberreste,
namentlich Dicynodonlager und der dieser Periode angehörenden fossilen
Flora.

Colesberg selbst ist durch einen gleichnamigen Berg ausgezeichnet, an
dem wir die Schichtung der einzelnen Gesteine, welche den District
charakterisiren, vor uns aufgethürmt sehen. Die Stadt ist etwas kleiner
als Cradock und liegt in einem ziemlich engen Felsenthale. Die Höhen,
die sie umschließen, sind meist nur mit Gras und so kleinen Zwergbüschen
bedeckt, daß sie dem Beschauer fast von aller Vegetation entblößt
erscheinen. Die meist kahlen Blocke, welche sie bedecken, werden zur
Sommerszeit gewöhnlich so ausgeglüht, daß sie die zwischen ihnen
liegende Stadt zu einem förmlichen Backofen, und den Aufenthalt daselbst
nicht besonders angenehm machen.[1]

    1: Siehe Anhang 6.

Auf meiner Weiterreise von Colesberg nach Norden zu, gelangten wir nach
zweistündigem Ritte zu dem Oranjeflusse, welcher die Grenze zwischen dem
Oranje-Freistaat und der Cap-Colonie bildet. Wir übersetzten den an
Wassergehalt der Elbe gleichkommenden Strom in einer Fähre, welche die
Communication der beiden Ufer vermittelte und noch vermittelt; doch
steht schon heute einige hundert Schritte stromaufwärts eine
Eisenbrücke, und drei andere erleichtern den Verkehr zwischen beiden
Staaten stromauf- und abwärts. Der erste Tag, den ich in der Republik
verlebte, wollte mir nicht recht gefallen, und ich erinnere mich noch
heute lebhaft aller jener kleinen Zwischenfälle, die ich auf der Strecke
vom Oranjefluß bis Fauresmith erlebte. Der Weg zum Flusse bis Philipolis
wurde in etwa zwei Stunden zurückgelegt. Hier mußten wir der
Passagierkutsche Valet sagen und hatten den Rest des Weges nach
Fauresmith in einem Postkarren zurückzulegen. Philipolis bot einen
äußerst traurigen Anblick. Die Winterdürre hatte das Gras im Thale
ringsum, sowie an den umliegenden Höhen verbrannt, so daß die ganze
Gegend braun und kahl erschien; ebenso traurig war das Bild einiger
sechzig viereckiger, flachgedeckter, in der Mehrzahl nicht
eingefriedeter Häuser; nur an einer mit einigen seichten Wasserlachen
bedeckten Schlucht, dem Rinnsale eines jetzt ausgetrockneten Bächleins,
standen einige Bäume, deren fahles Laub den traurigen Anblick des
Städtchens nicht zu heben vermochte. Die Oede desselben wurde noch durch
die Stille des Ortes verschärft, kaum daß das Auge einem lebenden Wesen
begegnete, denn die Mehrzahl der Häuser war unbewohnt.

Da wir hier einige Stunden auf den Postkarren warten mußten, nahm ich
mit meinem Freunde, Herrn Michaelis, in dem Postgebäude Zuflucht. Es war
zugleich der Sitz der politischen Behörde und des Polizei-Commissariats
des Districts Philipolis. Denken wir uns ein kleines, etwa 14 Meter
langes und 6 Meter breites Steinhäuschen, durch eine dünne Bretterwand
in einen dem öffentlichen Dienste gewidmeten und Privatraum getheilt,
von welchem letzterer nicht nur die Kanzlei der politischen Behörde (des
Landdrostes), sondern zugleich das Amtslocale des Sheriffs (der
Polizeibehörde) und des Postmeisters bildet. Ein mit einem Tuche
behangener Tisch auf einem Podium, ein Stuhl dahinter, zwei Holzbänke
und ein mit Latten abgesonderter, etwa einen Quadratmeter umfassender
Raum vor demselben das ganze Meublement des ersterwähnten Raumes
bildend, läßt uns dessen Bestimmung als Gerichts-, Sitzungs- und
Wahlversammlungs-Saal des Districts errathen. Die Schilderung des
Posthauses dürfte die geehrten Leser auch mit der Natur der Postkarren
vertraut machen.[1]

    1: Der Postdienst ist in Süd-Afrika zumeist an Privatleute vergeben,
    welche gegen eine fixe Subvention die Verbindung zwischen den
    einzelnen Städten (ein- bis dreimal die Woche) herzustellen sich
    verpflichten.

[Illustration: Fahrt in die Diamantenfelder.]

In dichter bewohnten Gegenden, wo der Posthalter auf Passagiere rechnen
kann, sind diese Karren gedeckt und mit Polstersitzen versehen, wo er
jedoch auf diesen Nebenverdienst verzichten muß, sind dieselben sehr
primitiver Natur; ein roher, viereckiger, gelbangestrichener und auf
zwei hohen Rädern ruhender Holzkasten. Die Wohlthat eines solchen
Vehikels mußten wir nun durch drei Stunden rascher Fahrt genießen.
Selbst auf einer glatten, asphaltirten Chaussee, bei herrlichem Wetter
einer Folterstrafe zu vergleichen, war unsere Fahrt mit einem solchen
Vehikel bei dem damaligen Zustande der Straße ein waghalsiges Beginnen.
Wir kamen in Verlegenheit, für den Weg von Philipolis nach Fauresmith
selbst in Mexico und anderen durch den erbärmlichen Zustand der Straßen
bekannten Ländern eine Analogie zu finden. Dazu beliebte es dem Kutscher
die Schnelligkeit seiner Pferde im günstigsten Lichte zu zeigen.

Es bedurfte des Aufwandes aller Kraft und Balancirkunst, um bei dieser
tollen Fahrt über einen von hunderten von Rinnsalen und Felsadern
durchsetzten, mit Blöcken und Wasserlöchern überreich bedeckten Weg (oft
ist derselbe das natürliche Rinnsal des abfließenden Wassers einer
größeren Fläche des Hochlandes) nicht vom harten Sitze herabgeschleudert
zu werden und bei dem durch die Fahrt verursachten Getöse nicht
unbemerkt in Verlust zu gerathen. Fälle, wo Kutscher und Passagiere
lebensgefährliche Verletzungen davontragen, sind nicht selten.[1]

    1: So geschah es, daß vor wenigen Jahren in der Nähe von Cradock ein
    Postbote mit vier Pferden ertrank und in einer Schlucht zwischen
    Cradock und Grahamstown ein Anderer umwarf, wobei die meisten seiner
    Passagiere umkamen. In beiden Fällen hatten Regenfluthen und der
    schlechte Weg das Unheil verschuldet. Leider wird diesem Uebelstande
    noch für lange Zeit in vielen Theilen der südafrikanischen Colonie
    nicht abgeholfen werden, da man trotz der großen Opfer, die man
    schon gebracht, noch nicht so viel Capital verwenden konnte, um die
    langen Strecken gegen die Einflüsse der plötzlichen Regengüsse zu
    schützen. Es ist jedoch zu hoffen, daß der Eingeborne in Süd-Afrika
    sich mehr an die Arbeit gewöhnt, als es jetzt der Fall ist, und daß,
    wenn dann ausgiebige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, alle diese
    Arbeiten auch viel leichter und mit geringeren Kosten ausgeführt
    werden können.

Unsere Lage war noch dadurch erschwert, daß wir auch noch unser Gepäck
ängstlich behüten mußten; da saßen wir drei auf einer ungefähr einen
Meter langen und einen halben Meter breiten Fläche. Ein eisiger Wind
wehte uns entgegen, so daß unsere Hände bald erstarrten. Zudem ging es
langsam bergan und doch mußten die armen Thiere zum scharfen Trabe
angehalten werden. Zum Ueberflusse fing es, als wenn sich Alles gegen
uns verschworen hätte--eine Seltenheit in jenen Gegenden--zu schneien
an. Wir hatten etwa zwei Drittel der Strecke in diesem eisigen
Schneegestöber zurückgelegt, weiter, das fühlte ich, konnte diese
Marterfahrt nicht ausgedehnt werden, denn Mensch und Thier waren der
Erschöpfung nahe.

Lieblichste Musik däuchte uns in dieser Lage das Gebell eines Hundes,
denn er bedeutete die Nähe einer Wohnstätte und Ruhe. Die elendeste
Kaffernhütte wäre uns willkommen gewesen und mein Begleiter schwur, ein
£ St. für ein Nachtlager, wenn auch nur in einer geräumigen Hundehütte,
bieten zu wollen.

Wir waren auf das Freudigste überrascht, anstatt einer dürftigen Hütte
die erleuchteten Fenster eines Farmhauses zu entdecken. Wir fanden eine
überaus freundliche Aufnahme und, als wenn sich auch der Himmel mit uns
aussöhnen wollte, ließ, bevor wir noch die Pferde ausgespannt hatten,
das Gestöber etwas nach. Bald saßen wir am gastlichen Tische des
holländischen Farmers und hatten alle ausgestandene Pein vergessen, so
vollständig, daß ich, als wir nach einer Weile vor die Thüre tretend, um
nach dem Wetter zu sehen, kreischende Vogelstimmen hörten, mich
entschloß, mein Jagdglück zu versuchen. Der Himmel hatte sich etwas
aufgeklärt und ließ das Licht des Mondes matt durchscheinen. Nach
Südosten hing es noch dunkel; es war die Richtung des abziehenden
Unwetters. Mir war schon, während wir bei Tische saßen, das hundertfache
Vogelgeschrei aufgefallen und auf meine Anfrage antwortete mir mein
freundlicher Wirth, daß es von »Det grote springhan Vogl« herrühre. Die
Holländer nennen nämlich den grauen, südafrikanischen Kranich (C.
Stanleyi), von welchem ich ein Exemplar dem Prager Stadtpark widmete, ob
seines großen Nutzens, den er durch das Vertilgen der Wanderheuschrecken
bringt, den großen Heuschreckenvogel; zum Unterschiede von einer anderen
Art, welche sie den kleinen Heuschreckenvogel nennen, der in großen
Schwärmen diesen Insecten folgt, während die südafrikanischen Kraniche
ihre ständigen Quartiere nicht verlassen.

Langsam schlich ich mich an, allein ich machte die Erfahrung, daß diese
Thiere sehr wachsam sind, denn die ganze Gesellschaft erhob sich
kreischend in die Lüfte; da ich nicht in den ganzen Schwarm feuern
wollte, zog ich mich wieder zurück. Später machte ich die Beobachtung,
daß diese Vögel, so wie die Kronenkraniche (_Balearia regulorum_), auch
Reiher und mehrere Storcharten, zur Nachtzeit stehende Gewässer
aufsuchen und hier übernachten. Dieser Aufenthalt schützt sie vor den
Nachstellungen der Hyänen, Schakale, Füchse, dem Hyänenhund (_Canis
pictus_) und verschiedenen Katzenarten. Man findet oft große Heerden
vermiedener Abarten dieser Stelzenvögel in den genannten Gewässern
versammelt, bei Anbruch der Dunkelheit stellen sie sich in langen Zügen
ein und erst bei Sonnenaufgang verlassen sie das schützende Versteck.
Was mir besonders bei meinen häufigen nächtlichen Jagdausflügen zu den
Salzseen und in der Nähe ähnlicher doch süßwasserhaltiger Gewässer in
Süd-Afrika auffiel, war, daß sich die Vogelschaaren in den Gewässern
nicht außer aller Gefahr hielten. Sie haben Wachen ausgestellt, welche
sie von Zeit zu Zeit ablösen. Diese Wachen erheben etwa viertel- und
halbstündlich ein kurzes Geschnatter, etwas ähnliches beobachtete ich
auch im Transvaalstaate bei den gewöhnlichen und schwarzen Störchen, bei
den grauen Fischreihern am Molapoflusse, bei den kleinen weißen
Reiherarten in den Sümpfen des Limpopothales, bei dem Riesenreiher im
Sibananie-Walde und den Purpurreihern und Sporngänsen im Zambesithale.

Nach einer beschwerlichen Fahrt von mehreren Stunden erreichten wir,
nachdem wir die gastliche Farm verlassen, die Stadt Fauresmith. Sie
zeigte den Charakter aller Städte des Freistaates; obschon sie kaum 80
Häuser zählte, dehnte sie sich doch über eine beträchtliche Fläche aus;
die reinlich getünchten Häuser mit ihren flachen Dächern, aus den sie
theilweise umgebenden Gärten hervorlugend, gewährten uns einen
freundlichen Anblick. Fauresmith ist der Sitz eines Landdrosten und im
Allgemeinen eine der bedeutenden Städte der Republik. Der gleichnamige
District, dessen einzige Stadt eben Fauresmith ist und der zu den
reichsten des ganzen Freistaates zählt, verdient weiters noch durch
seine Pferdezucht und den nahe der Stadt gelegenen Diamanten-Fundort
»Jagersfontein«, in dem der Abbau etwas rationell betrieben wird,
besondere Erwähnung.[1]

    1: Siehe Anhang 7.

Fauresmith, sowie die meisten südafrikanischen Städte, bieten viermal
des Jahres, wenn die holländischen Farmer zur Andachtsübung und
Erfüllung ihrer religiösen Pflichten (hauptsächlich um das heilige
Abend- und Nachtmahl, wie es hier genannt wird, zu empfangen) und auch
zur Besorgung ihrer En gros-Einkäufe und Abrechnung mit ihren
Geschäftsfreunden nach der Stadt kommen, ein ungewöhnlich belebtes Bild,
das zur gewohnten Stille und Einsamkeit einen grellen Contrast bildet.
Eine Unzahl der bekannten südafrikanischen Riesenwägen durchzieht dann
die Straßen und campirt theils in denselben, theils außerhalb der Stadt.
Im Gefolge der Wagen fanden wir immer einige Reiter, theils
Farmerssöhne, theils farbige Diener. Die bemittelteren der Farmer
besitzen ihre eigenen Häuser in der Stadt und wo es die künstliche
Bewässerung erlaubt auch ein Gärtchen dazu; die weniger wohlhabenden
miethen sich von den letzteren für die Zeit ihres Aufenthaltes ein bis
zwei Zimmer, oder wohnen--was jedoch nur die Aermsten thun--außerhalb
der Stadt für die kurze Dauer ihres Besuches in ihren großen Wägen.
Diese Besuche der holländischen Farmer sind für die dortigen
Geschäftsleute heiß ersehnte Tage und erinnern in mancher Hinsicht an
die europäischen Messen. Auch der Arzt findet in dieser Zeit eine
vermehrte Beschäftigung, da die Farmer sehr oft bei allen nicht
besonders gefährlichen Krankheiten mit ihrer Consultation bis zum
Besuche der Stadt warten. Unter der nicht besonders zahlreichen
Bevölkerung dieser Städte bilden die Prediger, der Landdrost, der Arzt,
die Kaufleute und der Notar die Crême der Gesellschaft.

Ich erwähnte bereits, daß ich meine Reise nach Fauresmith mit den
schönsten Hoffnungen und in gehobener Stimmung antrat. War ich doch hier
dem ersehnten »Innern« viel näher als in Port Elizabeth, konnte ich doch
über den Umfang und die Details meiner nöthigen Ausrüstung belehrt
werden, endlich sollte ich hier die Gelegenheit finden, mir die
Geldmittel zu meinen geplanten Reisen in das Innere zu verschaffen. Dies
Alles war mir von dem Fauresmither Geschäftsmann so leicht, in solch'
schönen Farben geschildert worden, daß ich es ja glauben mußte, und ich
vertraute um so zuversichtlicher, als ich mich so alleinstehend, so
fremd und weil mittellos, so verlassen in dem mir fremden Welttheile
fühlte. Ein Ertrinkender faßt mit ganzer Kraft und Zuversicht nach dem
schwächsten Zweige, der ihm erreichbar ist, von ihm erhofft er seine
Rettung; wäre er am Ufer, er würde allerdings solche Hoffnungen thöricht
schelten.

Enttäuschung ist wohl einer jener so oft im Leben wiederkehrenden, wenig
angenehmen Momente, die den Menschen zum Sammeln aller seiner Kräfte und
Fähigkeiten zwingen, wenn er nicht muthlos verzagen will. Dieser
ungebetene Gast sprach aber bei mir so oft vor, daß er mich heute nicht
mehr überraschen würde. Wir haben ihn gewiß alle ohne Ausnahme kennen
gelernt, vielleicht bin ich jedoch häufiger mit ihm zusammengekommen,
als Andere. Kannte ich ihn doch schon aus meiner frühen Jugend, aus den
Anfängen meiner »Forschungsreisen« im Mittelgebirge und im Egerthale,
aus meinen Universitätsstudien in Prag, aus dem Beginne und aus der
Entwickelung meines Unternehmens.

Alle Hoffnungen, die ich auf den Aufenthalt in Fauresmith gesetzt hatte,
zerrannen in wenigen Tagen; ich hatte wahrgenommen, daß ich auch dem,
der mich zur Reise hierher bewogen, zur Last fiel; er kam mit seinem
älteren Freunde, einem in Fauresmith wohnenden Arzte, meinethalben in
Collision, schließlich siegten seine älteren Sympathien über die mir
zugedachte Gewogenheit, doch gab er mir den wohlmeinenden Rath, die
Diamantenfelder aufzusuchen, in welchen ich, wie er sich ausdrückte, am
rechten Platze und der rechte Mann wäre. Mir blieb nichts übrig, als
diesem »wohlmeinenden« Rathe zu folgen und so brach ich wieder auf. Ich
hatte kaum die nöthigsten Kleider auf dem Leibe, meine Fußbekleidung war
in Brüche gegangen und da meine Mittel nicht hinreichten, mir neue
Kleider zu kaufen, mußte ich versuchen, sie creditirt zu erhalten. Dies
gelang mir, und so zog ich weiter, mein Stolz verbot es mir, den Mann,
der in Port Elizabeth den guten Willen gezeigt hatte, mir zu helfen, an
sein Versprechen zu erinnern. Wie von Port Elizabeth nach Fauresmith, so
war auch von Fauresmith nach den Diamantenfeldern Herr Hermann Michaelis
mein guter Helfer. Für jene Strecke hatte er mir das nöthige Geld
vorgestreckt, auf dieser nahm er mich als seinen Gast mit, da er eben
auch nach den Diamantenfeldern gehen und sie besichtigen wollte. Wir
fanden nun noch einen Reisegefährten in Herrn Rabinsvitz, dem
Oberrabbiner für Süd-Afrika, der mir ein sehr freundliches
Entgegenkommen bewies. So schied ich denn von Fauresmith, ohne Groll und
muthig der Zukunft entgegenblickend. Dem Kaufherrn in Fauresmith sei
hier für die gewährte Gastfreundschaft mein Dank ausgesprochen.

Die Gegend zwischen Fauresmith und den Diamantenfeldern ist recht
eintönig. Nur die Strecke längs des Riet-River und im Thale des
Modder-River, welches wir zu durchkreuzen hatten, bot eine etwas
anziehendere Scenerie dar. Hier zeigte sich mir auch eine günstige
Jagdgelegenheit, und ich benützte die wenigen freien Minuten während
einer Ruhepause, nach eingenommenen Mahle, die nächste Umgebung zu
durchstöbern. Der Riet-River floß in einem tiefen Bette als ein dünner
Faden nach Nordwest, um sich mit dem Modder- (Sumpf-, Schlamm-) River zu
verbinden. Wie in den meisten Flüssen Süd-Afrika's zur Trockenzeit
(Winter) hatten sich auch hier mehrere die ganze Breite des Flußbettes
einnehmende, bis drei Meter tiefe, fischreiche Tümpel gebildet.

Der großen Mannigfaltigkeit von Landschaftstypen entspricht auch eine
große Mannigfaltigkeit von Thierformen, namentlich Vierfüßlern, und
selbst in den zur Trockenzeit wüstenartig erscheinenden Gegenden bietet
sich dem Zoologen wie dem Jäger ein reiches Arbeitsfeld. Diese
Mannigfaltigkeit ist besonders bei den niederen Thierformen ausgeprägt,
und ich fand schon in der Cap-Colonie viele Schmetterlings- und
Käferarten oft auf kleine, durch zwei parallel laufende Flüsse begrenzte
Striche beschränkt.

Mit einzelnen interessanten Arten von Federwild wurde ich eben jetzt in
dem mit Trauerweiden (_Salix babylonica_) dicht bewachsenen
Riet-Riverthale näher bekannt. Mein Jagdglück versuchend, war ich
thalaufwärts vorgedrungen und wollte mich eben durch ein dichtes Gebüsch
drängen, um eine bessere Rundschau über die Tümpel im Flußbette zu
gewinnen, als ein wohl hundertstimmiges Geschrei und ein leises Rascheln
in den überhängenden Zweigen mir die befiederte Gesellschaft verrieth.
Zurücktretend, scheuchte ich die Thierchen vollends auf, welche mit
lautem Gezwitscher in ein nahegelegenes Dorngebüsch einfielen. Es waren
die zierlichen, beschopften und durch lange schmale Schwänzchen
ausgezeichneten Wiriwa (Colius leucotis), von denen ich später noch zwei
weitere Arten kennen lernte. Eines der Thiere hatte auf dem höchsten
Zweige Posto gefaßt, wohl um den fremden Ruhestörer im Auge zu behalten,
die übrigen hatten sich in das Innere des Busches zurückgezogen, so daß
sie meinen Blicken vollends entzogen waren. Es sind sehr muntere Thiere,
doch schwer in Gefangenschaft zu erhalten, die einzig lebenden fand ich
in Grahamstown, wo sie ein Vogelliebhaber mit Finkenarten in einem
großen Käfig gefangen hielt und sie mit Orangen ernährte.

Das Gros der Vogelwelt im Riet-Riverthale bildeten die Vertreter zweier
Arten von Turteltauben, der eigentlichen südafrikanischen,
bläulichgrauen Turtur und der Lachtaube, welchen wir bis zum Zambesi und
darüber hinaus begegnen, Vögel, die jeder Thierfreund, wenn er sie in
der Nähe beobachten kann, liebgewinnt. Ich hatte mir mehrere derselben,
die ich im Fluge leicht angeschossen, jahrelang erhalten, und mir damit
manche vergnügte Stunde verschafft. Schon um 3 Uhr Morgens ließen sich
die Männchen mit ihrem Girren und dann mit ihrem Silbergelächter hören;
und als sie so ihren Morgengruß den neben ihnen sitzenden Täubchen
gespendet, da antworteten diese, allein so leise und zart, daß es wie
aus der Ferne, doch äußerst melodisch und lieblich herüberklang. Leider
fielen sie der Nachlässigkeit eines meiner schwarzen Diener zum
Opfer.[1]

    1: Siehe Anhang 8.

Auf der Ebene an den beiden Flußufern fand ich als das gewöhnlichste
Wild Süd-Afrika's eine Zwergtrappenart, den Knurhahn, dessen Geschrei
uns vom ersten bis zum letzten Tage, so lange wir in der Karroo im
Freistaate[1] und Transvaalstaate reisen, begleitet und selbst einem
minder geübten Schützen täglich gute Mahlzeiten sichert. Bemerkt diese
Trappe den Jäger, so bewegt sie ihren Kopf neugierig nach allen Seiten,
duckt sich plötzlich nieder und hebt sich mit lautem, kreischendem,
weithin hörbarem Geschrei in die Lüfte, setzt ihren unbeholfenen Flug
etwa bis 200 Meter fort, um langsam mit eingezogenen Flügeln und
herunterhängenden Beinen sich wieder niederzulassen. Ihr Obergefieder
ist schön braun melirt, das Gesicht, mit Ausnahme je eines weißen
Streifens an den Wangen, Kehle und Unterleib schwarz, die Füße gelb. Ihr
Verbreitungsbezirk endigt in den waldbedeckten, nördlicheren Gebieten
Süd-Afrika's; gleich den vorhergehenden Repräsentanten der Vogelwelt ist
auch sie nur sehr schwer in der Gefangenschaft zu erhalten.

    1: Es ist damit stets der Oranje-Freistaat gemeint.

[Illustration: Hotel am Riet-River.]

Unser Weg führte uns nun weiter im Thale des Riet-Rivers über
Coffeefontein, nächst Jagersfontein bei Fauresmith, die zweite
Diamanten-Fundgrube des Freistaates, woselbst kleine aber schöne und
weiße Brillanten gefunden werden. Spät am Abend des ersten Tages unserer
Reise gelangten wir zu der Furth des genannten Flusses, die wir
benützten, und übernachteten in einem am jenseitigen Ufer stehenden
Hotel.

Der pompöse Ausdruck Hotel wird bei den geehrten Lesern leicht
irrthümliche Vorstellungen erwecken. Die folgende Skizze wird am besten
diesem Irrthume vorbeugen. Denken wir uns zwei mit Segeltuch überspannte
Bretterhäuschen, die zugleich als Wohnstätte und als Geschäftslocal
dienen, einige auf der Erde ausgebreitete Ziegen- und Schaffelle und wir
haben ein Bild der äußeren und inneren Ausstattung des sogenannten
Hotels. Ein ungemüthlicher Aufenthalt fürwahr, besonders da ein heftiger
Wind, durch die Fugen eindringend, die in Fetzen herabhängenden Reste
einer Stofftapete, deren Aussehen kaum mehr ihre Provenienz errathen
ließ, in schwingende Bewegung versetzte und uns mit einem dichten
Staubregen bedeckte; dazu eine empfindliche Kälte während der Nacht, die
mich in Versuchung führte, die Tapetenlappen vollständig abzureißen und
sie als Decke zu benützen.

An Schlaf war in dieser angenehmen Situation nicht zu denken, und so
erhob ich mich zeitlich des Morgens, nahm ein Gewehr und schlich mich
in's Freie, die Richtung nach dem nahen Flusse einschlagend. Kaum
angelangt, hörte ich stromaufwärts das mir schon bekannte,
weithintönende Geschrei der Kraniche; ein Zug kam den Fluß abwärts
geflogen. Es war mir leid, auf eines der Thiere anzuschlagen, allein die
Aussicht, einen schönen Balg zu gewinnen, den ich vielleicht in den mir
Tags zuvor als nahe bezeichneten Diamantenfeldern präpariren konnte,
besiegte alle Bedenken. Als die Schaar mir beinahe über dem Kopfe
hinflog, sandte ich eine Schrotladung hinauf, die Thiere wichen rechts
und links aus dem Zuge, nur einer schien mir zu schwanken, senkte sich,
und im nächsten Augenblick fiel er an einer seichten Stelle todt in den
Fluß herab. Da war auch schon der kalte Morgen vergessen, rasch
entledigte ich mich der Stiefel und watete in den Fluß, um mir meine
Beute zu holen.

Von einem Rudel heißhungriger Köter begleitet, die der Schuß aus dem
Hotel und den nahen Hütten der Koranna's herbeigelockt, kehrte ich, die
Jagdbeute hochhaltend, zum Hotel zurück. Nach beendetem
Morgenimbiß--einigen auf Kohlen gerösteten Fleischstücken und
Zwieback--brachen wir auf, froh, diesem wenig einladenden Hotel den
Rücken gekehrt zu haben. Nachmittags hatten wir das Städtchen Jakobsdaal
erreicht, das mit seinen 25 ärmlichen, über eine von der Hitze
ausgetrockneten Ebene zerstreuten Häuschen ein trostloses Bild bot.
Schon am folgenden Morgen verließen wir auch dieses letzte der
Freistaat-Städtchen und erreichten nach mehrstündiger Fahrt die
Central-Diamantenfelder. Je näher wir denselben kamen, desto trauriger
wurde die Gegend, die Büsche schwanden zusehends, blos hie und da war an
den niedrigen Höhen zu beiden Seiten des Weges etwas trockenes Gras zu
erspähen. Ich muß eingestehen, daß mir der Tag, an dem ich die
Diamantenfelder erblickte, unvergeßlich bleiben wird. Wir fuhren mit
unserem vierspännigen Karren rasch die Höhen von Scholze's Farm herab;
mein Gefährte wies auf eine, etwa zwei Stunden vor uns liegende kahle,
nur im Osten in der Entfernung von bläulichem Gebirge begrenzte Ebene
und bedeutete mir, daß sich unter dem auf ihr ruhenden, uns sichtbaren
Dunstkreise meine neue Heimat befinde. Ein kalter Wind strich von den
Höhen nach der Ebene hin und ließ uns in dem luftigen, hohen Karren,
trotzdem, daß wir uns in unsere Mäntel gehüllt hatten, den
südafrikanischen Winter recht unangenehm empfinden. So weit der Himmel
reichte, hingen an ihm dichte, graue Wolken, welche die ohnehin
trostlose und wenig anmuthende Landschaft noch trauriger erscheinen
ließen. Unser Wagen rollte schnell nach dem gepriesenen Eldorado von
Tausenden aus aller Herren Länder, welche der Reiz eines reich
entlohnenden Erwerbszweiges angezogen. Je näher wir kamen, desto mehr
sank mein Muth, einen so deprimirenden Eindruck übte die trostlose
Gegend auf mich. Der graue Dunstkreis, den wir früher von der Höhe
erblickt, war endlich erreicht und Gesicht und Geruch des Besuchers
konnten ihn nur zu leicht analysiren. Es waren dies dichte Staubwolken,
die der Westwind aus dem röthlich-gelben Sande, der den Boden auf der
Ebene bedeckt, aufwirbelte, und der sich mit den losen Theilchen der
überall zwischen den primitiven Wohnungen und um die Diamantengruben
angehäuften kalkhaltigen Erdmassen mischend, die Atmosphäre erfüllten,
so daß es keiner besonders erregten Phantasie bedurfte, um sich in das
Wüthen eines Sandsturmes in der Sahara zu versetzen. Der Zeltstadt nahe
gekommen, jagte uns der Sturmwind eine so dichte Staubwolke entgegen,
daß wir uns vorsichtshalber, da wir auf 30 Schritt nicht sehen konnten,
nur langsam vorwärts bewegen mußten. Bald waren Gesicht und Kleider grau
incrustirt, kein Wunder, daß wir uns--wie alle Neulinge--in dieser
Atmosphäre, bevor wir das Geschäftslocale des Fauresmither Kaufmannes
(er hatte in einem der Fundorte eine Geschäftsfiliale), das noch etwa
1000 Schritt im »Camp« entfernt lag, erreicht hatten, sehr unwohl
fühlten; selbst die Pferde schnaubten und schienen dem reichsten
Minendistrict der Erde keinen Geschmack abgewinnen zu können. Die aus
dem eisen- und kalkhaltigen Sande bestehende Wolkenmasse schien die
beiden Ortschaften in den Diamantenfeldern Bultfontein und Dutoitspan
förmlich zu bedecken und erfüllte bis zu einigen hundert Fuß Höhe die
Luft, alles in ein undurchdringliches Dunkel hüllend. Hie und da
erblickte ich, rechts und links von uns--so weit es eben die
staubgeschwängerte Atmosphäre erlaubte, einfache runde und längliche
Zelte, Zelthäuser und aus geripptem Eisenblech errichtete, doch
geschlossene Verkaufslocale. Die Zeltstangen bogen sich unter der Gewalt
des Sturmwindes, der so heftig an den Stricken zerrte, daß man jeden
Augenblick befürchten mußte, die luftigen Behausungen im Sturmwinde
verschwinden zu sehen. Von den Dächern der eisernen Häuschen halb
losgelöste Blechplatten kreischten mit dem heulenden Sturme um die Wette
und vervollständigten den entmuthigenden Anblick. Gewiß ein seltsamer
Willkommengruß für den Ankömmling! Hie und da hatten sich die Pflöcke,
mit denen die Zelte zur Erde gehalten werden, losgelöst oder die Oesen
hatten sich ausgerissen und das halbe Zelt flatterte wie eine Fahne
lustig im Winde, hie und da lugten einige dunkle Körper aus dem
Hintergrunde des flatternden Zelthäuschens hervor, die sich bei näherer
Besichtigung als auf der Erde liegende, schlafende oder ausruhende
halbnackte Gestalten der in den Diamanten-Fundorten arbeitenden
Eingebornen entpuppten.




III.

Die Diamantenfelder.

Leiden und Freuden in meiner ärztlichen Praxis.--Ein nächtlicher
Ueberfall.--Dutoitspan und Kimberley.--Diggerverfahren.--Panorama der
Kopje.--Morgenmarkt.--Meine erste Pavianjagd.--Vorbereitungen zur ersten
Reise.


Es war nicht allein die trostlose Gegend, der höchst unfreundliche
Anblick der Städte (Diamanten-Fundorte) und das rauhe stürmische Wetter,
welches täglich in den verschiedensten, aber immer gleich unangenehmen
Variationen uns seine Wuth fühlen ließ, was mich so niedergeschlagen
machte. Meine Verhältnisse waren auch trostlose. Im Vertrauen auf die
Versprechungen des Kaufmannes in Fauresmith hatte ich es versäumt, mir
von Herrn Adler in Port Elizabeth Empfehlungsbriefe für die
Diamantenfelder zu erbitten und meine Baarschaft war auf fünf Shillinge
reducirt, ein Betrag, kaum hinreichend, um die Kosten einer Mahlzeit zu
decken. Ich sollte hier entweder »diggen«, d.h. nach Diamanten graben,
oder unter der aus aller Herren Ländern zusammengewürfelten, theilweise
mehr als zweifelhaften Gesellschaft ärztliche Praxis ausüben, um meine
Existenz fristen, sowie um mir die Mittel zur Weiterreise verschaffen zu
können. Meine Lage war um so schlimmer, als ich weder der englischen,
noch der holländischen Sprache mächtig war, die wenigen Redephrasen, die
ich mir früher aneignen konnte, reichten kaum hin, um mich nothdürftig
über die allereinfachsten Dinge zu verständigen, geschweige denn mit
einem Kranken zu verkehren. Die Wahl zwischen dem »Diggen« und
»Prakticiren« war bald entschieden, zu dem ersteren brauchte ich ein
Capital--das ich nicht besaß--zum letzteren blos eine mitleidige Seele,
welche mir auf einige Wochen ein Zelthäuschen und einige Möbelstücke
lieh. Der Zufall war mir hold.

Ich hatte nämlich einen Brief in der Tasche, der mir als
Empfehlungsbrief dienen, zugleich aber auch dem Adressaten mehr als ein
solcher sein sollte. Dieser war nämlich kränklich und wollte, da er in
den Diamantenfeldern keine Besserung erreichen konnte, nach Europa
reisen, um hier von den Aerzten Heilung seiner Krankheit zu suchen.
Glücklicherweise war dieser Mann der deutschen Sprache mächtig, und als
ich ihm meinen Empfehlungsbrief übergab, aus welchem er entnahm, daß er
einen Arzt vor sich habe, wollte er es noch mit mir versuchen, ehe er
die beabsichtigte Fahrt nach Europa antrat, ein Entschluß, der
angesichts der hohen Kosten einer solchen Reise dem praktisch angelegten
und sparsamen Mann nicht schwer fiel. Es gelang mir denn auch, denselben
in acht Tagen so weit herzustellen, daß er seine Reise definitiv aufgab,
und sich meiner Behandlung vollends anvertraute. In dem Maße aber als
mein Patient praktisch war, fehlte mir diese Tugend, ich unterließ es,
meine Forderungen zu fixiren, und nahm mit Dank gleichsam als
Abschlagszahlung für meine Dienste das an, was er mir bot. Er stellte
mir nämlich ein altes, morsches Zelthäuschen zur Verfügung, lieh mir
großmüthig 5 £ St., eine Gefälligkeit, um welche er von dem Kaufmanne in
Fauresmith ersucht worden war, und einige der nothwendigsten, allein
nichts weniger als comfortablen Möbelstücke. In meiner Lage sah ich
jedoch all' dieses als eine sehr große Gefälligkeit an, und hatte meine
herzliche Freude, den »Herrn Gönner« unter meinen Augen genesen zu
sehen.

Dieses etwa 3½ Meter breite, ungefähr 3 Meter lange und 2 Meter hohe
Zelthäuschen bestand aus Fichtenlatten, die mit einfacher Segelleinwand
überzogen waren. Die Leinwand war durch Staub und Regen so morsch
geworden, daß sie weder vor Wind noch vor den eindringenden Staubmassen
schützte, die Latten knarrten bei jedem Windstoß und wäre nicht ein
hölzernes Waarenhaus zur Seite gestanden, das dem Zelthause einigen
Schutz verlieh, ich glaube die heftigen Südwinde, welche ihm oft eine
völlig windschiefe Form gaben, hätten diese Ruine schon längst von der
Erde gefegt. Auch der Zugang war recht bequem. Die Hütte stand nämlich
knapp an der nach Kimberley (dem Hauptorte der Diamanten-Fundstätten)
führenden Straße, und es kostete immer einen beherzten Sprung über den
Straßengraben, wenn man den Eingang erreichen wollte. Die Thüre stellte
ein beweglicher, mit Segeltuch überzogener Holzrahmen dar; um halbwegs
sicher zu sein, stemmte ich Nachts von Innen eine Eisenstange vor, die
ich in meinem »Grund und Boden«, den natürlichen Parquetten meines
luftigen Palastes, gefunden. Statt des Fensters war eine bewegliche
Leinwandklappe angebracht, welche bei dem geringsten Windstoße auf- und
zuflog. Ein grüner Tuchlappen theilte den Innenraum in zwei Gemächer.

Das erste Gemach war mein Consultations-, mein Arbeitszimmer und die
Apotheke; sein Meublement bestand aus einem alten, unangestrichenen
Tische, zwei gleichen Stühlen und zwei Kisten, von welchen die eine zur
Aufbewahrung meiner Medicamente, die zweite als Bücherschrank diente;
war der Krankenbesuch zahlreich, und dies geschah, wenn eine ganze
holländische Farmerfamilie mir in's Haus fiel, so stellten diese Kisten
so etwas wie Fauteuils im Ordinationszimmer meiner etwas comfortabler
eingerichteten europäischen Collegen vor. Die zweite und etwas kleinere
Hälfte meines Zelthauses war meine Küche, meine Speisekammer und
Schlafzimmer, sowie das für die Arbeiten meines Dieners bestimmte
Local--Arbeiten, die ich mir vorderhand, bevor sich noch ergiebigere
Einnahmen eingestellt hatten, nolens volens selbst verrichten mußte.
Eine ähnliche splendide Ausstattung hatte mein Lager, auf welchem ich
mich ohnehin meistens schlaflos vor Kälte zitternd, zusammenkauerte. Das
eleganteste europäische Möbelstück war noch mein von der Reise arg
hergenommenes Kofferchen.

Um die zu einer Reise in's Innere nöthigen Mittel möglichst bald zu
erwerben und den Verpflichtungen, unter denen namentlich die Holitzer
Sparcasse mit 300 fl., Herr Hermann Michaelis mit 16 £ St. etc.
figurirten, gerecht zu werden, nahm ich mir vor, mich auf das Möglichste
einzuschränken und so lebte ich auf Monate hin--als ich auch später eine
Wohnung nehmen mußte, in der größten Einfachheit und Zurückgezogenheit;
da mich die Theuerung in den Diamantenfeldern sehr erschreckte und mir
der geringe Werth des Geldes--denn damals herrschten noch gute Zeiten in
jenen Districten--auffiel, besorgte ich mir selbst die Küche. Sobald es
dunkel geworden war und die Straßen menschenleer erschienen, besorgte
ich meine Einkäufe und versah mich mit dem nöthigen Wasservorrath für
den nächsten Tag, theilweise zur Herstellung der Arzneien, größtentheils
aber, um allen gewöhnlichen Ansprüchen--und diese waren, wie sich leicht
denken läßt, ziemlich mannigfaltige--zu genügen; mußte ich doch das Amt
der Waschfrau und Köchin versehen--daß ich mein eigener Leibschneider
war, brauche ich nicht weiter hervorzuheben.

Ich will die geehrten Leser nicht weiter in die Details meiner
Wirthschaft einführen, sondern nur bemerken, daß ich all' dies sehr
geheim halten mußte, da das Bekanntwerden dieser Details mir in meinem
Ansehen als Arzt sehr geschadet hätte. Mit der Zeit hatte ich nach und
nach eine ganz respectable Praxis erworben, deren Ertrag mich schon zu
Beginn des Monats October 1872 (ich war am 26. August in den
Diamantenfeldern angelangt) in den Stand setzte, meine Verpflichtungen
in der Heimat zu tilgen.

Allmälich konnte ich mich auch aus meiner Zurückgezogenheit hervorwagen,
mir eine kräftigere Kost gönnen, wenn auch meine Wohnung noch für lange
hin ein Zelthäuschen verblieb, was wohl etwas unbequem war und manches
Ungemach im Gefolge hatte, allein mir in meinem »öffentlichen« Auftreten
zu jener Zeit keinen Abbruch that. Meine Praxis war mir dadurch
bedeutend erleichtert worden, daß viele Deutsche, die von dem neu
angekommenen, deutschsprechenden Arzte hörten, zu mir pilgerten. Damit
war auch beiden Parteien geholfen, ich hatte aber noch den Vortheil,
meine Kenntnisse in der holländischen Sprache in überraschend kurzer
Zeit zu erweitern.

Zu der Zeit meines ersten Besuches waren die Diamanten-Fundorte noch
nicht von allen den unreinen Elementen so gesäubert, wie es gegenwärtig
der Fall ist; viele Abenteurer hatten sich da eingefunden und da die
Engländer in dem erst kürzlich zuvor erworbenen Lande noch nicht alle
Reformen durchzuführen Gelegenheit gehabt hatten, war die Sicherheit des
Eigenthums und selbst des Lebens noch ziemlich problematisch. Den
Uebelthätern konnte man aber um so weniger beikommen, als die meisten
nach vollbrachter That das Weite suchten und in einer halben Stunde, von
den Central-Diamantenfeldern (Dutoitspan, wo ich mich niedergelassen,
bildet den östlichen Theil derselben) aus, den Oranje-Freistaat
erreichten, wo sie vollständig geborgen waren, da die Regierung des
Freistaates den Engländern noch immer ob der Annexion von
West-Griqua-Land (d.h. eben der Diamantenfelder) grollte und sich
deshalb auch nicht bemüssigt hielt, der englischen Polizei hilfreich die
Hand zu bieten. Seitdem aber England die Ansprüche des Freistaates auf
diese Provinz mit 90.000 £ entschädigte, haben sich diese Verhältnis
selbstverständlich zum Besseren verändert. Unter jenen Abenteurern gab
es viele, die sich darin getäuscht sahen, ohne jede Anstrengung in dem
Diamanten-Eldorado Reichthümer zu erwerben, und da sie schwere Arbeit
scheuten, bildete sich aus ihnen eine lichtscheue Bande, die auch unter
der schwarzen Bevölkerung Rekruten und Helfershelfer fand. Gelang es nun
auch, einen oder den anderen dieser Wegelagerer dingfest zu machen, so
bot die nichts weniger als solide Bauart der Gefängnisse keine
Sicherheit gegen Fluchtversuche; die Loslösung einer oder mehrerer
Platten der Blechbedachung war keine schwierige Leistung, auf dem Camp
gab es genug frei grasende Pferde, nichts leichter daher, als eine
Flucht, die nach einem viertelstündigen scharfen Ritte in ein
schützendes Asyl führte.

[Illustration: Nächtlicher Ueberfall.]

Wie sehr Vorsicht im Umgange mit den Bewohnern der Diamantenfelder am
Platze war, erfuhr ich leider selbst an einem im nahen (zwei englische
Meilen entfernten) Kimberley wohnenden Landsmann, in dem ich einen
Freund zu finden glaubte. Gleich vielen seiner Genossen hatte auch er
gehofft, hier in kurzer Zeit Schätze zu sammeln, und war Digger
geworden. So freundlich er sich mir aber im Verkehr zeigte, so
hinterlistig und ehrlos manövrirte er hinter meinem Rücken und trieb
länger denn zwei Jahre dieses Doppelspiel, bis mir Briefe aus der Heimat
die Augen öffneten.

Es mag vielleicht unglaublich erscheinen, aber thatsächlich war Neid die
Triebfeder seines ganzen Benehmens; er, der sich dazu ausersehen wähnte,
Afrika als Vertreter Oesterreichs zu erforschen, suchte mich, seinen
Nebenbuhler, zu verdächtigen.

Mit den Leistungen der vorerwähnten Strauchritterbande sollte ich früher
als mir lieb war, bekanntwerden. Von einem Besuche in Kimberley eines
Abends heimgekehrt, bemerkte ich, als ich eben mein primitives Lager
aufsuchen wollte, daß die Zeltwand in der hinteren rechten Ecke gerade
oberhalb der Stelle, wo mein Bettgestell stand, von oben bis unten
zerschnitten war. Ich hielt sofort unter meinen Mobilien und Schätzen
gründliche Nachschau, überzeugte mich aber, daß alles auf seinem Platze
stand, woraus ich schloß, daß der freundliche Besucher, welcher in
meiner Abwesenheit durch die Zeltwand hindurch bei mir vorsprechen
wollte, an der Ausführung seines Vorhabens durch irgend einen Zufall
gehindert worden war. Ich muß gestehen, daß ich diese Nacht nicht zu den
angenehmsten zählen konnte, da ich sie im Dunkeln mit dem Revolver in
der Hand durchwachen mußte. Bei reiflichem Nachdenken über den mir
zugedachten Besuch hielt ich es für das Beste, meine Visiten nach
Kimberley vorläufig einzustellen, um abzuwarten, ob sich derselbe nicht
vielleicht wiederholen würde. Ich sollte darüber nicht lange im Zweifel
bleiben; schon in der nächsten Nacht wurde ich darüber belehrt. Um den
nächtlichen Besucher an meiner Wachsamkeit irre zu führen, hatte ich
absichtlich den am Zelthäuschen verursachten Schaden nicht ausgebessert.
Ich löschte rechtzeitig mein Lieht aus, warf mich mit meinem
sechsläufigen Freunde auf meine Lagerstätte und wartete der Dinge, die
da kommen sollten. Es ist begreiflich, daß ich jedem, auch dem
unbedeutendsten und leisesten Geräusche in der Nähe meiner luftigen
Residenz meine volle Aufmerksamkeit schenkte. Als es in den Straßen
stille geworden war, glaubte ich Jemanden sich meinem Zelte von
rückwärts nähern zu hören, geräuschloser, als es ein Vorübergehender
thun würde, und was mir auffiel, nach der Stelle zu, wo Nachts zuvor der
Einbruch versucht worden war; ich erhob mich so sachte als möglich von
meinem Lager, und da der Lehmboden meine Tritte dämpfte, war es mir
möglich, dem von außen das Zelt Umgehenden Schritt für Schritt zu
folgen, bis wir beide an der Thüre angelangt waren. Bald vernahm ich den
Versuch, die Thüre aufzudrücken, ein Augenblick genügte, um die
vorgeschobene Eisenstange geräuschlos zu beseitigen und so dem
Ankommenden den Versuch, die Thüre zu öffnen, zu erleichtern. Im
nächsten Augenblicke riß ich die Thüre auf und der Eindringling, der
sich gegen dieselbe gestemmt, wäre fast in das Zelt hineingetaumelt. Den
Strolch bei der Kehle fassen und ihm den Revolver an die Brust zu
setzen, war das Werk eines Augenblickes. Nun sah ich bei dem schwachen
Schimmer des halb von Wolken bedeckten Mondes, daß ich einen halbnackten
Kaffer, der so schwarz wie ein Bewohner der Hölle war, gefaßt hatte. Der
Eindringling war durch das plötzliche Nachgeben der Thüre und durch den
Zusammenstoß, jedoch noch mehr durch die unsanfte Berührung seiner Kehle
und den Anblick der Waffe derart verwirrt, daß er an keinen Widerstand
dachte, kaum einige Worte, wahrscheinlich eine Entschuldigung, lallen
konnte, und dann flehentlich bat, ihn freizulassen. Wir waren in dieser
Weise über den Straßengraben in die Mitte der für ihn glücklicherweise
menschenleeren Straße gekommen, ein Allarm hätte wohl den Kerl um sein
süßes, schwarzes Dasein gebracht; ich schüttelte ihn weidlich durch,
ließ meinen Revolver noch etwas vor seinen Augen verheißungsvoll blitzen
und warf ihn dann in den Straßengraben zurück, aus dem er sich
blizschnell aufraffte und eiligst die Flucht ergriff. Als ich am
folgenden Tage meinen Patienten von dem nächtlichen Besuche erzählte,
bedauerten sie allgemein, daß ich den Strolch nicht niedergeschossen
hatte. Mein energisches und kluges Abwehren dieses Einbruchversuches
hatte den gewünschten Erfolg, ich wurde später nicht weiter belästigt,
und habe wiederholt die Erfahrung gemacht, daß dieses Diebsgelichter es
scheut, einen mißglückten Versuch zu wiederholen.

Daß mein Heim nichts weniger als einbruchsicher war, ist damit wohl zur
Evidenz erwiesen, daß es dem Regen und Winde freies Spiel ließ, habe ich
bereits erwähnt; ich sollte aber noch erfahren, daß der ganze Bau sich
der Elementargewalt des Windes gegenüber mehr als nachgiebig bewies.
Bevor noch die Katastrophe mit meinem Zelte eintrat, die ich in
Folgendem schildern will, sei es mir erlaubt, einer Episode aus meiner
Praxis zu erwähnen. Eben mit einem Patienten beschäftigt, sah ich einen
Fremden in meinen Ordinationssalon eintreten, und gedachte ihn zu
ersuchen, noch einige Augenblicke sich auf der Straße zu gedulden, als
ich an seiner Stimme einen meiner ersten Kunden erkannte. Es war ein
Deutscher, Namens Oppermann, ein Mann, den ich an einer Lungenentzündung
behandelt, und der durch einige Tage in Lebensgefahr geschwebt hatte.
Während wir unter der gegenwärtigen Behandlung gewöhnliche, meist durch
Verkühlung verursachte Fälle der Pneumonie (Lungenentzündung) in den
gemäßigten Strichen des europäischen Continentes meist in kurzer Zeit
gebessert und auch bald geheilt sehen, gehörten die Pneumonien in den
Diamantenfeldern, namentlich als noch die Zelthäuschen und die Zelte
überwogen und die Erkrankten gegen die Unbill des Wetters nicht den
geringsten Schutz fanden, zu den gefährlichsten Krankheiten. Auch diesen
meinen Klienten hatten dessen Freunde aufgegeben und erklärten mir, so
oft ich ihn besuchte, daß alle meine Mühe vergebens sei, der Mann müsse
doch sterben. Ich that dennoch mein Möglichstes, ihn gegen den
eindringenden Staub und die Kälte zu schützen, denn daß mein Erfolg in
diesem Falle für mich und die Zukunft meiner ärztlichen Praxis von
größter Tragweite sein mußte, ist wohl selbstverständlich.

Zu einem Ausgange in die freie Luft hätte ich den Mann noch nicht fähig
gehalten und war daher überrascht und erstaunt, ihn bei mir zu sehen.
Ohne auf meine Widerrede zu achten, bestand er, der hier in den
Diamantenfeldern Schiffbruch an seiner ganzen Habe gelitten, darauf,
mich für meine Mühewaltung zu entschädigen, und schloß seine Ansprache
mit den Worten: »Nun, Doctor, nur noch einige Worte: Sie wissen wohl
selbst, daß Sie mir das Leben gerettet haben, und da ich Ihnen wirklich
mit dem kleinen Geldbetrage nie meine Dankbarkeit hinreichend darthun
kann, erlaube ich mir, mich Ihnen zur Verfügung zu stellen, wenn Sie
mich als Begleiter auf Ihren Reisen brauchen könnten; ich werde gewiß
Alles thun, um mir Ihre Zufriedenheit zu erringen.« So hatte ich meinen
ersten Begleiter auf meine Reisen in das Innere gewonnen.

Und nun zum seligen Ende meines Zelthäuschens. Von einem Krankenbesuche
zurückkehrend, war ich nicht wenig erstaunt, trotz alles Suchens mein
afrikanisches Heim nicht mehr wiederzufinden; verblüfft blieb ich
stehen, sah mich nach allen Seiten um, die Staffage war dieselbe
geblieben wie immer, von einem Zelte aber keine Spur; während ich jedoch
noch darüber nachgrübelte, was da vorgefallen sein mochte, trat einer
meiner nächsten Nachbarn, ein Kaufmann, an mich heran und sagte
lächelnd: »Sie suchen wohl Ihr Haus, der Wind hat es weggeblasen; sehen
Sie, dort liegt es.« Und damit wies er auf einen etwa 150 Schritte
weiter liegenden Haufen von Leinwandstücken, zwischen denen einige
meiner Karten lustig im Winde flatterten. Ehe ich mich noch recht
besinnen konnte, führte mich der Kaufmann zu den Ruinen und dann in sein
Verkaufslocale und zeigte mir in einer Kiste die Ueberreste meiner Habe,
die er freundlichst gerettet hatte. Mir blieb keine lange Zeit zum
Nachdenken übrig, nachdem ich noch Manches aus den Trümmern gerettet,
was dem Kaufmann vielleicht überflüssiger Ballast scheinen mochte,
beeilte ich mich, da der Abend bereits angebrochen war, ein neues Zelt
zu suchen. Nach langem Suchen und Fragen war ich so glücklich, dem
Magistratsgebäude gerade gegenüber ein kleines Zelthäuschen vermiethet
zu erhalten. Dasselbe war von gleicher Beschaffenheit wie das eben vom
Wirbelwinde dagegen nicht so sehr vom Wind und Regen mitgenommen, auch
befand es sich in der Reihe der übrigen Segeltuch- und Eisenhäuschen,
welche die Hauptstraße von Dutoitspan bildeten, und war dadurch vor der
Wuth des Sturmwindes etwas geschützt. Als Miethe mußte ich monatlich 3½
£. St. bezahlen, und da der Besitzer desselben die Wissenschaft der
Hauseigenthümer gründlich studirt hatte, wurde mir diese Miethe im Laufe
eines Jahres auf 5 £. St. erhöht.

Ich hatte mich bald davon überzeugt, daß ich mit meiner neuen
Acquisition aus dem Regen in die Traufe gekommen war. Während der heißen
Jahreszeit mußte ich stets im Innern meines Hauses den Schirm
aufgespannt erhalten, um mich der durchdringenden Sonnengluth zu
erwehren, bei Regenwetter war ohne Schirm noch weit weniger zu bestehen,
denn das Wasser rann in feinen Fäden herab, dazu war der Raum so
beschränkt, daß ich namentlich bei meinen Kochversuchen in die ärgsten
Verlegenheiten gerieth.

Die Situation wurde aber eine in hohem Grade komische, wenn mich meine
Patienten consultirten, denn dann wurde ihnen das Vergnügen zu Theil,
den Schirm über uns beide emporzuhalten; glücklicherweise nahmen es
dieselben nicht so genau, waren an die rauhe Witterung und das rauhe
Leben in den Diamantenfeldern gewöhnt und so konnte ich auf
Entschuldigung der vielfachen Gebrechen meines Empfangssalons rechnen.
Eine der unangenehmsten Seiten meiner, sowie aller der Wohnungen mit
ungedielten Fußböden war, daß sie von allem möglichen Ungeziefer
strotzten. Mir wurde dieses in meiner neuen Wohnung zu einer wahren
Tortur und erst als ich sie nach etwa zehn Monaten mit einer anderen
vertauscht hatte, welche von dem Straßengetümmel abseits lag, fühlte
ich, was ich in der Mainstraße ausgestanden und war um eine Centnerlast
erleichtert.

Das ganze Arsenal von Vertilgungsmitteln, das mir zu Gebote stand,
Pulver, Carbolsäure, brachte nicht die mindeste Besserung zu Stande;
ergötzlich waren oft die Scenen, die sich unwillkürlich bei dieser
Sachlage während meiner ärztlichen Ordinationsstunden abspielten. Da
eines Tages wurde ich mitten in der Berathung mit den Worten
unterbrochen: »Please pardon, my Doctor, but you have a large flea
sitting on your left cheek.« Ja, mein aufmerksamer Patient ging noch so
weit, daß er, über diese Landplage der Diamantenfelder losziehend, den
Unverschämten von meiner Wange entfernte. Doch damit waren die
nächtlichen Ruhestörungen nicht erschöpft, es gehörte nicht zu den
außerordentlichsten Seltenheiten, des Morgens sich von einigen Kröten
angestaunt zu sehen, oder gar durch ein eigenthümliches Rascheln am
Boden aus dem Schlafe gerissen zu werden, und mit dem Licht in der Hand
im tiefen Negligé sich plötzlich entsetzt einer Cobra capella gegenüber
zu finden, die hochaufgerichtet, mit breit aufgeblähtem Halse den
Zelt-Insassen laut anzischte. Gewiß eine erfreuliche Bescheerung!

Werfen wir nun einen Blick in das Straßenleben der
Diamantenfelder-Städte. Es ist Mittag, die belebteste Stunde; von allen
Seiten strömen die durch den grauen Staub der Diamantengruben fast zur
Unkenntlichkeit entstellten Digger von der Arbeitsstätte nach ihren
Wohnungen, um hier für kurze Zeit Ruhe und Erholung zu suchen. Diese
Digger (Diamantengräber) sind--dies verräth ihr ganzes Benehmen und
Auftreten--theils selbstständige Besitzer kleiner Claims (Gruben),
welche die Arbeit in diesen selbst beaufsichtigen, oder Aufseher
(Overseer), welche im Dienste einer Gesellschaft oder eines reichen
Claimbesitzers stehen.

Ein Troß von Eingebornen aller Farben-Nuancen, bald schreiend und
lärmend oder sogar tanzend, bald stille wie eine gedrillte Truppe, folgt
den Diggern, ihren Herren; die verschiedenen Hautschattirungen
verschwinden für den flüchtigen Blick unter der monotonen grauen
Staubkruste, die alle gleichmäßig bedeckt, nur das äußere Costüm läßt
hie und da auf die innern Neigungen des Einzelnen schließen.

In das Gewühl der bunten Menge von Passanten mischt sich ein Troß von
Fuhrwerken aller Art, hier zwei- und mehrspännige, zweirädrige
Scotchkarren mit der diamantenhältigen Grubenerde beladen, dort die von
8-10 Ochsenpaaren gezogenen Ungeheuer von Capwägen--alle diese Vehikel,
zwischen welchen die leichten zweirädrigen Kaleschkarren mit
bewunderungswürdiger Geschicklichkeit sich durchwinden, bilden oft einen
dichten Knäuel, dessen Entwirrung kaum möglich scheint. In das Gejohle
der Grubenarbeiter mischen sich dann die gegenseitigen höflichen
Complimente der Fuhrleute in allen europäischen und südafrikanischen
Sprachen.

Dieses rege Leben erklärt sich aber nicht nur aus der Natur und dem
leitenden Motiv der Beschäftigung in den Diamantenfeldern, sondern auch
aus der Zahl der Beschäftigten. In den auf einer verhältnißmäßig
engbegrenzten Fläche sich ausbreitenden vier wichtigsten Fundorten
Kimberley, Old de Beers, Dutoitspan und Bultfontein finden außer den
häuslich und in Waarengeschäften bediensteten Eingebornen sechs- bis
zwanzigtausend Schwarze, Hottentotten, Griqua, Koranna, Betschuana und
Zulu lohnende und dauernde Beschäftigung.

Verlassen wir nun die Straßen der luftigen Zelt- und Eisenstadt und
folgen wir den nach den Gruben zurückkehrenden Diggern und ihrem
schwarzen Arbeiterheere, es erwartet uns ein für den ersten Augenblick
sinnverwirrender Anblick. Bevor wir uns jedoch mit dem bunten,
aufregenden Treiben in den Diamanten-Fundstätten vertraut machen, sei es
mir erlaubt, in Kürze eine geographisch-historische Skizze der
Diamantenfelder zu entwerfen.

Die Diamantenfelder Süd-Afrika's liegen zum überwiegenden Theile in der
englischen Provinz Griqualand-West,[1] ein Landstrich, der mit der
Entdeckung seiner unterirdischen Schätze zum Zankapfel aller eingebornen
Fürsten wurde. Der Griquakönig Waterboer, die Batlapinenhäuptlinge
Jantje und Gassibone, sie alle stritten sieh um den Alleinbesitz,
obschon jeder von ihnen nur einen Theil des Gebietes sein Eigen nannte;
Waterboer besaß die Hauptmasse des Landes, zu beiden Seiten des unteren
Vaal- und Modder-Rivers, Jantje den nördlichen Theil an der
Hart-Rivermündung, Gassibone den nordöstlichen zwischen dem Vaal- und
Hart-River und die Koranna das Thal des Vaalflusses von Fourteen stream
bis zur Einmündung des Hart-Rivers.

    1: Die gegenwärtige Provinz Griqualand-West ist in drei Districte
    getheilt; einen nördlichen, am mittleren Vaal und am unteren
    Hart-River, das frühere Gebiet der westlichen Koranna's und jenes
    des Batlapinenfürsten Jantje in sich begreifend und »the Division of
    Barkly« (zu Ehren des früheren Gouverneurs der Cap-Colonie Sir Henry
    Barkly) genannt, einen mittleren District am linken Vaalufer
    zwischen dem südwestlichen und dem obengenannten gelegen, »the
    Division of Kimberley« (zu Ehren des gewesenen englischen
    Colonial-Ministers) genannt und einen südwestlichen an der
    Vereinigung des Vaal- und Oranje-Rivers gelegen »the Division of
    Hay« (zu Ehren des Generals gleichen Namens). Dieser war Waterboer's
    Stammland. Sein Hauptort, in welchen die Hauptmacht der westlichen
    Griqua's concentrirt ist, hieß früher Griqua-Town, nun Hay; in der
    mittleren Provinz ist Kimberley (früher New-Rush genannt) und im
    nördlichen Districte ist Barkly, früher Klipdrift, am rechten
    Vaalufer, der Berliner Missionsstation Pniel gegenüberliegend, der
    Hauptort. Im Süden bildet der Oranjefluß die Grenze gegen die
    Cap-Colonie, im Osten verläuft die Grenze zwischen der Provinz und
    dem Oranje-Freistaat nach einer von Colonel Warren und einer
    Freistaat-Commission bestimmten Linie, welche in ihrer nördlichen
    Fortsetzung die Provinz von der Transvaalprovinz (dem früheren
    Gebiete Gassibone's) trennt, nach Westen ist die Grenze noch nicht
    festgestellt--tief in's Kalahari-Bushveldt greifend--und nach Norden
    zu wurde die früher gezogene Scheidelinie durch den Krieg mit den
    Botlaros bis zu den südlichsten Viehposten der westlichen Barolongen
    vorgeschoben. Früher wurde dieser Landstrich von der Cap-Colonie aus
    verwaltet, seit den letzten sieben Jahren hat die Provinz ihre
    eigene Regierung, einen Gouverneur, dem ein »executive Council« zur
    Seite steht.

[Illustration: Platz in Dutoitspan.]

Die Auffindung der ersten »Kieselsteine«, wie die Diamanten anfänglich
von den Boers spöttisch genannt wurden, erregte in ihnen allen die
Ländergier und als später die Annexion der Diamantenfelder durch die
Engländer eine erbitterte Streitfrage zwischen diesen und der Regierung
des Oranje-Freistaates hervorrief, hielten sich beide Theile als die
allein berechtigten Besitzer kraft der ihnen von den vorerwähnten
Eingebornenfürsten eingeräumten Concessionen.

Wie überall mußte auch hier nach kurzem Besitze der schwächere Theil,
der Oranje-Freistaat, aus dem Felde weichen; er erklärte sich dennoch
für den allein rechtmäßigen Besitzer, und alle Versuche Englands,
zwischen der neuen Provinz und der Republik, die, civilisirten
Grenzstaaten zum gemeinschaftlichen Wohle gereichenden Gesetze anerkannt
zu sehen, blieben fruchtlos, bis das mächtige England, ob als
»großmüthiger« Nachbar oder dem »Gerechtigkeitsgefühl« folgend, jedweden
Anspruch des Freistaates auf den Landstrich Griqualand-West mit 90.000 £
St. ablöste, und sich nebenbei verpflichtete, weitere 15.000 £ St. zum
Ausbau einer Bahn beizusteuern, welche den Anschluß des Freistaates an
eine der Eisenbahnen in der östlichen Cap-Colonie herstellen sollte.

Die gesammten Diamantenfelder, sowie die Diamanten-Fundorte im engeren
Sinne des Wortes lassen sich in drei Districte eintheilen. Die ältesten
sind die am Vaalflusse, von dem Transvaal-Städtchen Bloemhof bis zur
Vereinigung des Hart- und Vaalflusses sich erstreckenden »River (Fluß)
Diggings«; ihnen folgen die in der Division Kimberley im engsten
Umkreise um diese Stadt gelegenen »Dry-Diggings« (so genannt, weil man
früher hier die Diamanten ohne die Erde zu waschen durch Sieben und
Sortiren der diamanthaltigen Erde auf trockenem Wege gewann) und endlich
die außerhalb der englischen Colonie Griqualand-West im
Oranje-Freistaate gelegenen Fundorte bei Sagers- und Coffeefontein als
dritten District.

Die Niederlassungen der »River-Diggings« wuchsen--wie es leicht
begreiflich und wie wir es ähnlich in Californien beobachten können--wie
aus der Erde empor. Das der Missionsstation Pniel gegenüberliegende
Klipdrift, welches sich ungemein rasch entwickelte, wurde der Hauptort
dieser Diamanten-Fundorte, ja zu ihrem Centralpunkte; seit den letzten
neun Jahren hat Kimberley (das früher New-Rush hieß) ihm diesen Vorrang
abgerungen.

Im Thale des Vaalflusses, wo vor der Entdeckung der »wasserhellen
Steinchen« nur der eitle und müßige Koranna sein Dasein zu verträumen
gewohnt war, reihten sich schon ein Jahr nach dem Bekanntwerden der
Entdeckung ganze Colonnen von luftigen Zelten aneinander. Ganz
Süd-Afrika schien wie vom Fieber befallen, Jung und Alt, Gesunde und
Kranke, Lords und Diener, Landleute und Städter, entlaufene Matrosen und
Soldaten, Boers mit ihren ganzen Familien wanderten nach dem gepriesenen
und gelobten Lande. In überraschend kurzer Zeit verwandelten sich diese
Zeltlager in Städte von drei- bis fünftausend Einwohnern, denn nach
Bekanntwerden der aufregenden Nachrichten aus Süd-Afrika, namentlich
seitdem der »Stern von Süd-Afrika«, ein 83½ Karat schwerer,
wasserheller Diamant gefunden war, brachte jeder Dampfer aus Europa
hunderte und wieder hunderte von Glücksjägern aus aller Herren Länder.

So entstanden neben Klipdrift die Städte Hebron, River-Town, Gong-Gong,
Blue-Jacket, New-Kierks-Rush, Delpoortshope, Waldecks-Plant und andere.
Doch ihr Wachsthum, ihre Blüthezeit, war ebenso schnell verflossen, als
es begonnen, denn kaum war die Nachricht von der Entdeckung der
Diamanten auf der Ebene der Farm Dutoitspan unter den River-Diggers am
Vaalflusse verbreitet, und die Fama ließ die Diamanten hier in Massen
auf der Erdoberfläche zu Tage treten, als Alles diese Orte verließ und
nach den viel reicheren Dry-Diggings eilte.

Groß war die Zahl derer, die, durch das Glück begünstigt, sich in kurzer
Frist Vermögen erwarben, groß aber auch die Zahl jener, welche es ebenso
schnell entschwinden sahen und weitaus die Mehrzahl verkamen hier, denn
die Fundstätten waren sehr bald Lasterhöhlen jeglicher Art.

Im Vaalflusse werden die Diamanten in dem _angeschwemmten_ Geröll
(Partien im Flußbette wie im Thale oder im Geröll an den höheren
Thalpartien) gefunden. Dieses Geröll besteht aus Grünsteinblöcken,
welche schöne mandelartige Chalcedons und Achate, bald bis faustgroß und
milchquarzartig, bald rosa- oder carminroth und zahlreich und klein,
bald bläuliche und gelbliche, kleine und größere einschließen, und
welches Gestein als »Vaalgestein« namentlich die Strecken von Bloemhof
bis Hebron bedeckt, ferner aus Bruchstücken der die Gegend von Hebron
bis zur Hart-River-Mündung, doch auch die meisten Höhen in der östlichen
Cap-Colonie, dem Oranje-Freistaat und Griqualand-West charakterisirenden
Trap-Dykes, aus ausgewaschenen mannigfarbigen größeren und kleineren
Achatstücken, Milchquarz- und Thonschieferfragmenten, titaneisenhaltigem
Sand und zahlreichen, früher für Rubin und Granaten gehaltenen Pyropen
(letztere in kleinen, Hirse- bis Maiskorn großen Stückchen vorhanden),
auch Bruchstücke des die Gegend zu beiden Seiten des Vaalflusses, doch
nicht im unmittelbaren Thale, bedeckenden Kalkgesteins, in dem ich
jedoch keine Fossilien nachweisen konnte.

Die Diamantengräber holten das diamantenhaltige Gerölle aus den ihnen
von der Behörde oder nach Uebereinkunft abgesteckten Gruben »Claims«,
fuhren bis zum Flusse herab, um es durch Sieben von den gröberen
Steinstücken zu befreien, und dann in einfachen, 2-4 Fuß lange, 1-1½
Fuß breite Wiegen »Craddles« zu waschen, worauf dann im feinen und von
dem Lehmgrund befreiten Rückstand nach den Brillanten gesucht wurde. Man
fand kleine Steine, selten einen größeren, doch die meisten waren
schöne, weiße und reine, sogenannte Glassteine, so daß man seither
die schönsten und werthvollsten der in den beiden anderen
Diamanten-Districten vorgefundenen Brillanten als »wahre
River-(Fluß-)Stones« bezeichnet.

Von den genannten Städten und Städtchen der River-Diggings hat sich nur
Klipdrift als der Sitz der Obrigkeit und kleine unbedeutende
Handelsstation--das jedoch als solche Hoffnung hat, wieder zu
gewinnen--als nennenswerth erhalten, mehrere massive, zur Zeit seiner
Blüthe aufgeführte Gebäude weisen noch auf seine frühere Bedeutung hin.

Der zweite und bis jetzt der wichtigste Diamanten-District ist der von
mir »The Central-Diggings« oder früher die Dry-Diggings benannte; es ist
Kimberley mit seiner Umgebung aus vier Fundorten in zwei Gruppen
bestehend, die nordwestliche Gruppe, die Kimberley und das damit an
seiner Ostseite zusammenhängende Old de Beers, und die östliche, welche
Dutoitspan und das sich südlich und westlich daran schließende
Bultfontein in sich begreift. Die letztere Gruppe liegt von Kimberley
zwei, von Old de Beers etwas über eine englische Meile, und Kimberley
selbst circa 22 englische Meilen von dem oberwähnten Klipdrift in
südöstlicher Richtung entfernt. Der wichtigste der vier genannten
Diamanten-Fundorte ist Kimberley; hier werden die meisten Diamanten in
allen Qualitäten, sowie reiner Krystallbildung gefunden, Dutoitspan ist
durch seine zahlreichen großen, hell und bis in's weingelbe spielenden
gelblichen und Bultfontein durch seine kleinen, aber schönen den
Riverstones ebenbürtigen Brillanten bekannt.

Diese vier, die Central-Diggings bildenden Niederlassungen stellen aus
Segelleinwand, aus Brettern, aus galvanisirtem Eisenblech, auch (in der
Minderzahl) aus gebrannten und ungebrannten Backsteinen und einige
wenige aus Trapdykes (Gebirgsformation) errichtete Städte dar, in deren
Mitte sich Krater und muldenförmige Vertiefungen befinden--die
jeweiligen Diamantengruben. Diese Niederlassungen liegen auf einer schon
von Osten und Süden in einer Entfernung von etwa neun englischen Meilen
von Höhenzügen begrenzten und durch eine unmerkliche Bodenerhöhung in
zwei Abschnitte gesonderten Ebene. Diese steinige Erhebung »the rise«
scheidet auch die beiden oberwähnten Gruppen von einander.

Die Diamantengruben haben 45-200 Fuß Tiefe, 200-760 Schritte im
Durchmesser; sie heißen »Diggings« oder »Kopjes« und jede ist in eine
Anzahl Quadrate oder Parallelogramme, 10 Fuß breit und 30 Fuß lang, oder
30 Fuß lang und 30 Fuß breit (dies war die ursprüngliche übliche Größe
derselben) in »Claims« eingeteilt. Ein Digger (Gräber) kann einen oder
mehr, bis zu 20 solcher Claims besitzen, allein er muß sie bearbeiten
und monatlich eine gewisse, in der Regel 20 fl. übersteigende Grund- und
Wassersteuer (für das Herauspumpen des Wassers) an die Regierung und den
Mining-Board (ein Ausschuß von Diamantengräbern, der über die Interessen
derselben wacht) entrichten; in Dutoitspan und Bultfontein gesellt sich
hierzu noch die Abgabe an den Proprietär, d.h. die Eigenthümer der
Farmen, während in der anderen Gruppe Kimberley und Old de Beers die
Regierung dieses Eigenthumsrecht von der Firma Ebden & Co. erstanden
hat.

Ich halte diese Gruben für Oeffnungen von Schlammkratern, glaube aber
nicht, daß diese vier Diggings sich von einem gemeinschaftlichen
Kraterkanale abzweigen, nur die in Old de Beers und Kimberley zu Tage
geförderten Steine zeigen eine gewisse Aehnlichkeit und geben der
Vermuthung Raum, daß diese beiden Diggings unterirdisch communicirende
Kraterbecken sind. Was die River-Diggings anbetrifft, so glaube ich, daß
irgendwo in der Nähe des Flußbettes oder vielleicht an seinem Rande,
doch oberhalb Bloemhof, sich eine oder mehrere Kratermündungen befanden.

[Illustration: Die Kimberley-Kopje im Jahre 1871.]

Die Jahre 1870 und 1871 waren die Glanzperiode der Diamanten-Diggings,
waren jene Zeit, wo es vorgekommen ist, daß sich zuweilen ein
übermüthiger Digger mit einer Fünfpfund-Note seine kurze thönerne
Tabakspfeife anzündete, und wo es einem ärztlichen Gehilfen möglich war,
1100 £ in sieben Monaten zu verdienen. Man kann nicht sagen, daß die
Ausbeute gegenwärtig geringer sei, allein die Steine sind seit 1871
stetig im Werthe gesunken, und so werden die Einnahmen die gleichen
geblieben sein; dagegen haben sich die Auslagen mehr denn verzehnfacht
und trotz des Sinkens der Preise hat sich der Werth der Gruben bedeutend
erhöht. Bei der Entdeckung der Kimberley-Kopje konnte man für 10 £ einen
Voll-Claim von 900 Quadrat-Fuß Fläche erlangen, freilich hatte man die
bloße Oberfläche der Kopje vor sich, gegenwärtig ist man bis 200 Fuß
tief gegangen und der Werth mancher der reicheren Gruben ist 12- bis
15.000 £ Sterling. Diese Thatsache beweist zur Genüge, daß sich die
Verhältnisse in den Diamantenfeldern nicht so verschlechtert haben, als
man es vielleicht erwartet hätte, weil, wie an ähnlichen stabilen
Goldgruben, das zügellose, gierige Rennen und Jagen nach plötzlichem
Reichthum einem besonnenen und erfolgreichen Streben nach Erwerb Raum
gemacht hat.

Man erkennt dies an Allem und überall. Die Regierungsorgane handhaben
mit Strenge und Unparteilichkeit die Gesetze, die socialen Verhältnisse
haben sich gebessert. Ein flüchtiger Blick auf die Wohnhäuser belehrt
uns darüber. An Stelle der windschiefen, jeden Augenblick dem
Zusammensturz nahen Bretterbuden und Hartebeest-Häuschen, nothdürftig
aus einigen mit Schilfrohr belegten, mit rother Thonerde und
eisenhaltigem Sand angeworfenen Pfählen bestehend, finden wir jetzt
solide Eisen- und Ziegelhäuser erbaut, deren innere Einrichtung den
verfeinerten Bedürfnissen ihrer Bewohner entspricht, während die
früheren Hausgeräthe des Diamantengräbers von ehemals sich kaum noch in
einer Rumpelkammer vorfinden oder höchstens als Curiosität auf den
»Morning Market« erscheinen dürften; die Zelte, die häufigste Behausung
des Diggers in früheren Jahren, werden jetzt zu 95 Percent nur noch von
den schwarzen, gemietheten Grubenarbeitern bewohnt.

Wie ich schon erwähnt, haben sich die Verhältnisse im Allgemeinen,
sowohl jene für die Sicherheit der Person und des Eigenthums, als auch
die gesellschaftlichen und endlich die Beziehungen zu anderen Staaten
bedeutend und wesentlich zum Vortheile der Colonisten gebessert. Es
besteht jetzt dort, wo früher ziemliche Willkür herrschte, wo man sich
nicht viel um behördliche Verfügungen und Anordnungen gekümmert und die
wenigen bestehenden respectirt hatte, eine feste, zielbewußte Regierung.
Ihre Aufgabe ist keine leichte; denn auf der kleinen Fläche, welche die
Central-Diggings bedecken, sind die verschiedensten Elemente, Vertreter
aller Eingebornenstämme Süd-Afrika's zusammengewürfelt. Die
gesellschaftlichen Verhältnisse gleichen jenen in einem civilisirten
Staate, trotzdem daß hier die Eingebornenfrage Schwierigkeiten bereitet,
die ein europäischer Staat nicht kennt und alle Industrie-Erzeugnisse,
deren sich die Civilisation nicht entschlagen kann, hunderte von Meilen
weit hergeschafft werden müssen.

Im Laufe der Jahre nahm der Betrieb des Diamantensuchens immer
complicirtere Formen an; in den Jahren 1870 und 1871 schafften die
Digger die Erde aus den in Parzellen getheilten Gruben mit Hilfe der als
Arbeiter verwendeten Eingebornen, meist Kaffern, Hottentotten und
Betschuanen heraus, ein oben am Rande der Grube in die Erde
eingelassener Pfahl, an welchen eine Holz- oder Eisenrolle befestigt
war, womit der diamantenhaltige Grund in Eimern mit den Händen
herausgezogen wurde, war der ganze Apparat und galt für Gruben mit
senkrechter Wand; da, wo sie mehr oder weniger geneigt, oder wo man etwa
100 Schritte weit her, über andere Arbeitende hin den Grund herausheben
mußte, schlug man unten in der Grube einen, oben drei Pfähle ein,
zwischen zweien bewegte sich ein Holzcylinder von 2-3 Fuß Durchmesser
oder ein großes Rad; ein oder zwei Eingeborne setzten dieses auf beiden
Seiten mit Drehkurbeln in Bewegung, so daß sich an demselben das Seil
»ab-« und von demselben »aufrollte«, und die mit Grund gefüllten oder
leer nach abwärts laufenden Eimer befördert wurden. Von dem dritten
Pfahle lief ein Hanfstrick, ein starker Eisendraht oder ein schwaches
Drahtseil zu dem in der Grube eingeschlagenen Pfahle und an diesem
bewegten sich zwei eiserne mit einer Rinne versehene Stäbchen, welche
ein mit einem Haken zur Aufnahme des Eimers versehenes Eisengestell
trugen. Später als die Gruben etwas tiefer wurden und namentlich die
Digger ihren Besitz auf mehrere Claims erweiternd, größere Mengen der
diamantenhaltigen Erde, und weil sie mit größeren Kosten arbeiteten,
auch in kürzerer Zeit herausholen wollten, wandte man zur Erleichterung
dieser Arbeit hölzerne Fördermaschinen an, welche mittelst Pferdekraft
in Bewegung gesetzt wurden. Von diesen sind gegenwärtig noch viele gang
und gäbe, allein die reichen Grubenbesitzer, sowie die in neuerer Zeit
gebildeten Gesellschaften haben bereits zu Dampfmaschinen ihre Zuflucht
genommen.

[Illustration: Fördermaschinen in den Diamantengruben.]

Am besten konnte man dies an der Kopje zu Kimberley bemerken. Da diese
den kleinsten Rauminhalt hat, allein, weil die reichste, die meisten
Diamantengräber zählt, war es diesen nicht möglich, ihre in der ersten
Zeit mit Handarbeit betriebenen Aufzüge nebeneinander aufzustellen.
Deshalb wurden riesige Gestelle aus schwedischen Fichtendielen
errichtet, diese in drei Stockwerke getheilt, und so drei Aufzüge
übereinander auf einer Fläche von etwa 2 Quadrat-Meter errichtet. Diese
Gestelle standen in Gruppen, von welchen jede 18-30 Diggern das
Heraufholen der Diamantenerde ermöglichte. Gegenwärtig ist der
dammartige Rand der Grube von großen durch Pferdekraft betriebenen
Fördermaschinen und aus England eingeführten Dampfmaschinen bedeckt;
auch ist es jetzt nicht mehr gestattet, den diamantenhaltigen Grund nahe
an der Ausholungsstelle zu sortiren, wie es früher geschah, und viele
Unannehmlichkeiten zur Folge hatte. Der Besitzer muß ihn auf seinen
Grund und Boden oder auf eine dazu außerhalb der Stadt gemietete Stelle
verführen, um ihn zu durchsuchen. Die letztere Prozedur ist gegenwärtig
auch viel schwierigerer Natur.

[Illustration: Kimberley.]

Früher wurde die diamantenhaltige Erde mit Hilfe verschiedener Siebe von
den gröbsten Bestandtheilen befreit, dann der feinere Rückstand auf
einen flachen Tisch ausgeschüttet und mit Hilfe eines Eisenblechstückes
oder eines kleinen Holzbrettchens sortirt. Bei einem solchen Verfahren
konnte man aber viele, namentlich kleine Steine übersehen, so daß der
früher schon durchsuchte Boden um die Kimberley-Kopje als
diamantenhaltig verkauft wurde und als solcher die Mühe des Käufers
reichlich lohnte. Man bedient sich (unbemittelte Diamantengräber durch
Handarbeit in Bewegung gesetzter, wohlhabendere mit Pferdekraft
getriebener, von den bedeutenderen Claimbesitzern auch mit Dampfkraft
bewegter) complicirter Waschmaschinen, in denen die diamantenhaltige
Erde von ihren lehmigen Bestandtheilen befreit, blos die körnerartigen
Steinchen zurückläßt, welcher Rückstand, nochmals in Wasserfässer
geworfen, die letzten ihm noch anhaftenden erdigen Bestandtheile
verliert, gewöhnlich allabendlich mit Sieben herausgeschöpft, etwas
durchgeschüttelt und dem Aufseher oder Claimbesitzer zur Ansicht auf
eine Tafel vorgelegt wird. Finden sich Diamanten in der Lage, so sinken
sie bekanntlich unter dem körnigen kleinen Gestein der diamantenhaltigen
Erde als die schwereren Körper bis an das dichte Drahtnetz des Siebes,
so daß sie beim Umstürzen des Inhaltes des letzteren obenauf zu liegen
kommen, und gleich in's Auge fallen.

Im selben Maße aber als das Betriebsverfahren und die hierbei
verwendeten Maschinen verbessert wurden, stiegen auch die Kosten
desselben. Zur Zeit erfordert das Diamantengraben schon eine ziemlich
ansehnliche Capitalsanlage, dadurch ist auch der Betrieb ein ruhiger und
geschäftsmäßiger, das Heer der Glücksjäger bedeutend gelichtet worden,
auch die Gesetze, welche das Diamantengraben behandeln und die Rechte
der Digger sowie jene der Diamantenhändler schützen, sind geregelter
geworden.

Unter der Bevölkerung der Diamantenfelder sind namentlich die
Diamantengräber, die Diamantenkäufer, »The Diamond-buyers oder
merchants« und die Kaufleute im allgemeinen stark, die Kanteenkeeper
(Besitzer von Localen, in denen blos Spirituosen verkauft werden)
zahlreich vertreten. Bei der großen Menge der schwarzen Diener und dem
Werthe des gesuchten Artikels ist es leicht erklärlich, daß
Veruntreuungen, namentlich von Seite der Eingebornen häufig vorkommen
und in raffinirtester Weise ausgeführt werden, zur Steuer derselben
wurden sowohl gegen die Verkäufer als auch Käufer verheimlichter und
veruntreuter Steine drakonische Gesetze erlassen. Nebstdem wurde ein
eigenes Detectiv-Korps errichtet, welches zur Säuberung der
Diamanten-Districte von den diese Gesetze noch umgehenden Elementen
beitragen soll. Die dagegen Handelnden werden mit Gefängnißstrafe
(verbunden mit hard labour, d.h. schwerer Arbeit auf öffentlichen Orten)
mit Geldstrafen bis zu 300 und 500 £ St. und in manchen Fällen mit
körperlichen Strafen (der neunschwänzigen Katze) belegt.

Der Anblick, der sich uns bietet, wenn wir eine der größeren
Diamantengruben von dem Kamme der ringsherum aufgetürmten Thonwälle aus
betrachten, ist ein so seltsamer, daß Worte kaum hinreichen, ihn
naturgetreu zu beschreiben. Die Kopje läßt sich zutreffend mit einem
großen Kraterkessel vergleichen, der vor der Abarbeitung bis zum Rande,
an dem wir stehen, mit vulcanischen Auswurfstoffen, hier der grünen, aus
zerfetztem Tuff begehenden, bröckligen, diamantenführenden Erde
ausgefüllt war, nunmehr aber tief ausgehöhlt ist. Die zu ungleicher
Tiefe abgebauten viereckigen Claims füllen nun diesen großen
Kraterkessel mit einer chaotischen Menge von Erdmassen, die hier als
Pfeiler, Thürme, Plateaus, dort als Schächte, Wälle, Gräben, Treppen
erscheinen, und es bedarf keiner erregten Phantasie, um in diesem
Labyrinth sich das Bild einer vor Jahrhunderten versunkenen, nunmehr
aber an das sonnige Tageslicht hervorgezauberten Stadt zu
vergegenwärtigen, namentlich aber in der Abenddämmerung oder gar wenn
des Vollmonds fahles Licht die Tiefen durchfluthet.

Die Illusion wird jedoch zerstört, wenn unser Auge das lebhaft
pulsirende Leben, die geräuschvollste, emsigste Thätigkeit am Grunde
dieses tiefen, dunklen Kessels erblickt, und sich uns der Vergleich mit
einem zerstörten Ameisenhaufen unwillkürlich aufdrängt. Die unabsehbare
Menge von Drahtseilen, die den Raum über dem dunklen Grunde wie mit
einem riesigen Spinngewebe überzieht, an denen, glänzenden Knoten
gleich, die zahllosen Fördereimer auf- und abrollen, verwirren die
Sinne, dazu vermag das Ohr des Fremden das Geräusch der zahlreichen
knarrenden Winden, das Summen der Drahtseile, das Getöse fallender
Massen, alles noch übertönt von dem Rufen, Singen und Schreien der
Arbeiter und von dem Klappern der das Wasser aus den Gruben entfernenden
Saugpumpen auf die Dauer nicht zu ertragen. Fast betäubt verlassen wir
diese, ein neues Weltwunder bergende Stätte.

Bevor ich diese in allgemeinen Zügen gehaltene Skizze der
Diamantenfelder beschließe, will ich noch einiger eigentümlicher
Scenerien des Straßenlebens in den Städten der Diamantenfelder gedenken.
Vor Allem sind es die täglich mit Ausnahme Sonntags auf dem Markte zu
Dutoitspan und Kimberley abgehaltenen _Morning-markets_ (öffentliche
Auctionen). Ein von der Regierung angestellter _Morning-master_
(Auctionär), der jedoch auch Privatauctionen abhalten kann, versieht
dieses, wenn auch die Lunge über die Zuträglichkeit anstrengende, dafür
aber sehr lucrative Amt. Dieser alltägliche Morgenmarkt bietet ein
höchst interessantes Schauspiel. Der ganze, von eisernen und leinenen
Häusern umgebene, ungepflasterte Marktplatz ist in den Morgenstunden von
6-8 Uhr mit einer fast unabsehbaren Masse der bekannten Ochsenwagen
förmlich bedeckt, die Mehl, Früchte, Gemüse, Kartoffeln, Mais, Schlacht-
und Federvieh aller Art, aber auch Brennholz, Fourage, Schilfrohr zur
Bedachung u.s.w. zuführen. Der Verkauf geschieht ausschließlich durch
Auction. Von dem Markterlös erhält der Staat 5 Percent, der Marktmeister
2 Percent. Die Preise der Waaren sind ungemein schwankend und hängen
ganz von der Größe der Zufuhr ab, der Preis eines Sackes Kartoffeln
schwankte auf dem Markte in Kimberley zwischen 15 Shillingen und 3 bis 4
£ St.

Außer diesen _Morning-markets_ werden noch an allen Orten und Ecken mit
Ausnahme der Feiertage, in dazu errichteten Hallen, sowie Abends in den
Cantinen öffentliche Versteigerungen von Privatsachen sowie anderer
sonst unverkäuflicher Geschäftsartikel abgehalten. Um die Kauflust
anzufachen, wird auf riesigen Plakaten nebst den zur Veräußerung
gelangenden Artikeln hervorgehoben, daß während der Versteigerung
liquors gratis an das kauflustige Publicum abgegeben werden.

Die Mehrzahl der Cantinen waren die ersten Jahre hindurch zumeist nur
wahre Lasterhöhlen und bildeten eine der traurigsten Schattenseiten der
Diamantenfelder; in letzterer Zeit macht sich indessen eine starke
Abnahme dieser Locale bemerkbar. Die hie und da in den Straßen oder am
Rande der Niederlassungen errichteten hohen Ziehbrunnen mit dem sie
umkreisenden bunten Gewirre sind eine andere Specialität. Das
Heraufziehen der Wasserkübel wird von Kaffern oder Pferden besorgt, das
Wasser aber verkauft. Hunderttausende von Gulden werden jährlich in den
Central-Diggings für dieses so notwendige, namentlich auf den
Sortirplätzen unentbehrliche Element verausgabt.[1]

    1: Zum Betriebe der Waschmaschinen und weil der diamantenhaltige
    Grund aus den Kimberley-Gruben erst längere Zeit der Atmosphäre
    ausgesetzt und mit Wasser benetzt werden muß, bevor er
    waschungsfähig ist. Gegenwärtig ist man darauf bedacht, die
    Grubenstädte aus dem etwa 15 Meilen entfernten Vaalflusse mit Wasser
    zu versorgen.

An Vergnügungen und Belustigungen fehlt es in den Diamantenfeldern
keineswegs, dem Freunde lärmender Schauspiele bieten sie sich im
Theater, auf Bällen u.s.w., wenn auch die Kosten solcher Vergnügungen
exorbitante sind; wer zurückgezogen bleiben will und hier nur die
Gelegenheit sucht, sein angelegtes Capital rasch zu verdoppeln oder
überhaupt Ersparnisse zu machen, findet in den zwischen Kimberley und
Old de Beers angelegten öffentlichen Gärten manche Zerstreuung. Wie
indeß in den californischen Goldgruben ist auch hier Alles, selbst die
luxuriösesten Dinge--allerdings zu fabelhaften Preisen--zu haben. Die
hohe Fracht von der Küste bis hierher vertheuert eben alle Artikel
europäischer Industrie in ungewöhnlichem Maße, besonders gilt dies von
Metallartikeln, Maschinenbestandtheilen, Holzarbeiten u.s.w.

Unter den Unannehmlichkeiten, welche der Aufenthalt in den
Diamantenfeldern mit sich bringt, sind die Unbilden des Wetters
hervorzuheben, namentlich die in der trockenen (Winters-) Jahreszeit
täglich daherbrausenden Staubstürme, welche eine den Athmungsorganen,
Augen und Ohren wenig zusagende, mit allem möglichen Unrath gemischte
Atmosphäre erzeugen, in die Häuser dringen und hier in kurzer Zeit Alles
verderben. An meisten jedoch leiden jene unter dieser Unbill des
Wetters, welche den Tag über unausgesetzt in den Diamantengruben
arbeiten, oder sich als Karrentreiber etc. in den Straßen bewegen
müssen.--Wird dann das Land im Sommer, während der Regenzeit, von
heftigen Regengüssen überfluthet, wo sich die am Südende von Dutoitspan
in einer 1/8 englischen Meile im Durchmesser haltenden Bodenvertiefung
befindliche große aber seichte Brackpfanne (einer der bekannten,
seichten, jährlich austrocknenden Salzseen) oft in einem Tage füllt, so
werden die Straßen so sehr aufgeweicht, daß es namentlich bei dem regen
Verkehr in Kimberley kaum für den Fußgänger möglich ist, sie zu
passiren. Die neue Munizipalität war jedoch bemüht, diesem Uebelstande
abzuhelfen, indem sie Abzugscanäle herstellen und die Straßen schottern
ließ.

Wir nehmen nun vorläufig von den Diamantenfeldern Abschied, ich werde
jedoch noch wiederholt Gelegenheit finden, manch' interessante Episoden
und Scenen aus dem socialen Leben daselbst zu schildern.

Ich will nun noch eines dreitägigen Jagdausfluges gedenken, den ich in
Gesellschaft von Pavianjägern zur Weihnachtszeit des Jahres 1872 von den
Diamantenfeldern aus nach den nahen Höhen im westlichen Theile des
Oranje-Freistaates unternahm.

Nachdem ich meine Patienten besucht und ihren Zustand derart gefunden
hatte, daß ich sie auf einige Tage verlassen durfte, brach ich am ersten
Weihnachtstage in den ersten Stunden des Nachmittags bei einer wahrhaft
tropischen Hitze von Dutoitspan auf, um mich mit der Thierwelt der den
Horizont im Osten begrenzenden Höhen im Oranje-Freistaat bekannt zu
machen. Welch' großer Contrast zwischen jetzt und einst! Unwillkürlich
stieg die Erinnerung an die in der Heimat verlebten Abende der
Weihnachtszeit vor meiner Seele auf; anstatt in der gemütlichen, warmen
Stube die Feier des Tages zu begehen, schritt ich jetzt unter
afrikanischer Sonnengluth dahin, ohne durch irgend etwas an die Weihe
des Tages gemahnt zu werden. In meiner Gesellschaft befanden sich ein
junger deutscher Kaufmann, der hier mehr als in der Heimat zu Ausflügen
Muße fand, ein junger Pole aus Posen, den sein Hang zum Abenteuerlichen
nach den Diamantenfeldern verschlagen hatte, und ein Fingo, der mit den
Reise-Utensilien beladen, die Wohlthat eines Dampfbades im Freien zu
genießen verurtheilt war. Ich und der junge Pole waren jagdgerecht
bewaffnet.

Wir zogen anfänglich über eine mit niedrigen, kaum 12-18 Zoll hohen
Zwergbüschen (Scapbusch) bewachsene Ebene, auf welcher nur hie und da
die tiefer liegenden Einsenkungen das saftige Grün eines Rasens, die
höheren mit Felsblöcken besäeten Partien hohes Gras zeigten, die weite
Fläche war von einem ungezählten Heere von Insecten bevölkert,
unter welchen uns verschiedene, schön gefärbte Species von
Heuschrecken--manche mit hervorgehenden stacheligen Schildern wie
gewappnet--in dichten Schaaren die Milkbüsche (Euphorbiacea) occupirend,
besonders auffielen.

Die 2-3 Zoll langen Thiere mit ihrem walzenförmigen Körper, hell bis
dunkelgrün gefärbten und roth umsäumten Flügeldecken saßen in großer
Menge träge an den Büschen und fielen bei der Berührung anscheinend todt
zur Erde nieder. Bei dem großen Heere ihrer Feinde aus der gefiederten
Welt (vom Adler bis zur Wildgans herab) fiel mir ihre Menge und
Verwegenheit, sich auf die exponirtesten Stellen der Büsche zu wagend
schon auf meiner Reise von Port Elizabeth nach den Diamantenfeldern auf,
hier wurde mir das Räthsel durch mein Geruchsorgan gelöst. Diese
Heuschrecken sondern nämlich einen äußerst penetranten und
übelriechenden Saft aus, von dessen »Parfüm« wir uns nur mit Mühe nach
längerem Reiben der Hände mit Sand befreien konnten. Außer diesen
Heuschrecken fanden wir mehrere Käferarten--einige Sandkäfer, zwei große
Laufkäfer und an den Büschen in schönen metallisch schillernden Farben
prunkende Blattkäfer. Die artenarme und von der Sonnengluth gedörrte
Vegetation erklärte uns den Mangel an Tagfaltern, deren Stelle
zahlreiche Mottenarten einnahmen.

Von Vierfüßlern beobachteten wir nur ein hellrothes Scharrthier
(Rhyzaena) und ein Erdeichhörnchen mit seinen Gesellschaftern, den
großen Spitzmäusen, am Rande ihrer unterirdischen Bauten hoch auf ihren
Hinterfüßen aufgerichtet und neugierig die Ankommenden anblickend. Das
Scharrthier leise knurrend, die Eichhörnchen mit einem schrillen Pfiff,
verschwanden bei unserer Annäherung.

Von Vögeln fiel uns der bekannte, kleine südafrikanische
dunkelgefiederte Steppenstaar auf, der sich auf die zahlreichen
Termitenhaufen schwingt oder die Spitzen vereinzelt stehender
Dornenbüsche aufsucht und neugierig den Fremden zu mustern scheint. Er
ist ein dreistes und munteres Thierchen, welches oft die verlassenen
Höhlen der Scharrthiere und Erdeichhörnchen bewohnt, und sich, wenn
verfolgt, namentlich aber wenn verwundet, dahin flüchtet.

[Illustration: Kaffer, Schafe hütend.]

Nach etwa 1½stündigem Marsche befanden wir uns am Rande einer jener
kleinen viereckigen »Pfannen«, welche den Charakter der größeren,
Süd-Afrika namentlich in seiner Längsachse charakterisirenden, seichten
Salzseen zeigten. Nahe dabei befand sich (die Salzpfanne war trocken)
eine kleine mit grünlichen. Wasser gefüllte Regenlache, deren Inhalt mit
einem Löffel »Brandy« gemischt, genießbar war. Wir trafen hier auch
einen Schafe hirtenden Kaffer, der, nachdem wir durch ein Stückchen
Tabak seine Zuneigung gewonnen, uns über die weiter nach Osten liegenden
Farmen belehrte; die sogenannte Krichofarm (auch _Kuudu-place_ genannt)
war die Stelle, die wir uns zu unserem Feldlager ausersehen hatten. Von
hier wollten wir dann unsere Ausflüge nach den Höhen unternehmen.

Gegen Abend erreichten wir die ersten von Süden nach Norden sich
erstreckenden Ausläufer der Freistaathöhen. Die Vegetation war hier
schon üppig, wir fanden zahlreiche Büsche und die von den
Diamantenfeldern als dunkle Punkte sichtbaren Stellen entpuppten sich
uns als Kameeldornbäume, deren breite niedere Kronen und große, flache,
graubewollte Samenschoten ihren Mimosen-Charakter verriethen. Seit der
Zeit sind schon die meisten der Axt zum Opfer gefallen und in den
Diggings zu Asche verwandelt worden. Was uns an diesen Bäumen, die bis
zu zwei Schuh stark, den knorrigen Stamm mit dunkelgrauer zerrissener
Rinde bedeckt, ein sehr hartes Holz liefern, auffiel, waren ihre bis
drei Zoll langen und oft an ihrer Basis fingerstarken, je paarweise
sitzenden, doch mit den Spitzen divergirenden Dornen und die an ihnen
hängenden Vogelnester, von denen wieder zwei besonders erwähnenswerth
waren. Es waren dies die Nester einer kleinen Kolonie von
Siedelsperlingen (_Philetaerus socius_). Die Bauart dieser Nester ist
eine höchst merkwürdige; haben diese Bienenfleiß entwickelnde Thierchen
ein geeignetes Stämmchen gefunden und den Bau ihrer Nester begonnen, so
verfertigen sie gemeinschaftlich das allen dienende Dach. Jedes Pärchen
baut sein eigenes Nest aus trockenem Gras und bedacht es, aber eines so
dicht neben dem andern, daß man nur ein einziges von einem großen, 2-5
Fuß Durchmesser und 1-3 Fuß Höhe haltenden Dache bedecktes Nest
erblickt, zu dem von unten unzählige kreisrunde Löcher führen. Oft
brechen die unter der Last dieser Nester sich biegenden Aeste, deren
Kronen über das kegelförmige und steil abschüssige Dach herausragen.
Obgleich die Eingänge zu diesen Nestern sich an der unteren Seite
befinden und man doch denken würde, daß die munteren Thierchen durch ihr
abschüssiges Dach nicht nur gegen Regenschauer, sondern auch gegen ihre
Feinde geschützt wären, ist dies doch nicht der Fall; ich beobachtete,
daß sich namentlich größere Schlangen, wie die Cobras, daran wagen, und
habe selbst einige Jahre später einen solchen Räuber an einem Baume auf
der Oliphantfontein-Farm erlegt, als er sich in einem Nestbau dieser
Siedelsperlinge verkrochen und Verderben unter seinen Bewohnern
angerichtet hatte. Die Vögel, welche die Schlange im Neste überraschte,
waren von ihr gebissen und die Leichen herausgeworfen, die Jungen und
die Eier verschluckt und die aufliegenden Eltern durch Fauchen
verscheucht, die Muthigeren durch Bisse getödtet worden. Da ich durch
einen Schuß nicht die vielleicht noch lebenden Jungen in den Nestern
tödten wollte und auch nur den Schwanz der Schlange sah, brachte ich sie
durch einen wohlgezielten Steinwurf zur Erde, um dann der davon Eilenden
mit einem Doppelschusse den Garaus zu machen.

Am Abend nachdem wir die Ausläufer der felsigen Höhen erreicht hatten,
befanden wir uns auf einer bis zu den gegenüberliegenden, etwa drei
englische Meilen entfernten Höhen reichenden Grasebene. Unter einer
nahen felsigen Erhebung standen zwei Zelttuchhäuschen, in denen ein
Eingeborner eine kleine Cantine hielt, ein Beweis, daß wir auf den von
den Diamantenfeldern nach dem Freistaate führenden Weg gestoßen waren.
Aus einer nahen umfriedeten und bebuschten Stelle schlug das Meckern
einiger Ziegen an unser Ohr.--Ein Geschenk von einigen österreichischen
Zigarren billiger Sorte zauberte auf das Gesicht des Cantinenwirthes ein
freundliches Lächeln und rief in seiner Seele eine wohl seltene
Anwandlung von Freigebigkeit wach, denn als Gegendienst bewirthete uns
der krausköpfige Schwarze mit Brandy, denselben vorsichtig in kleinen
Gläschen credenzend. Ein befriedigendes Schmunzeln, mit dem er wieder
in's Häuschen zurücktrat, überzeugte uns, daß er sich nicht zu viel
zugemuthet und sein Vorrath an Brandy durch die eben bewiesene
Gastfreundschaft nicht sehr gelitten hatte. Die Freigebigkeit unseres
Wirthes brachte auch das Gespräch etwas in Fluß und bald zeigte er sich
noch freigebiger, als er erfuhr, daß ein Farmer, den ich in den
Diamantenfeldern behandelt hatte, und den er kannte, auf der Krichofarm
wohne. Er glaubte wohl sich seinem Freunde erkenntlich zu zeigen, wenn
er dessen Arzt in seinem kleinen Heim bewirthete. Seinen uns
anstaunenden, im tiefen Negligé und barfuß erschienenen Kindern
bedeutete er, den Fremden eine Christmaßboox zu bieten. Wir alle
verstanden jedoch nicht, was er damit meine, bis die beiden größeren
Knaben, mit drei Tassen schwarzen, duftenden Kaffee's und einem Teller
Kuchen erschienen, eine Gabe, die von uns dankbar angenommen wurde. Nach
dem Kaffee lud uns unser Wirth ein, die Nacht in seinem Häuschen
zuzubringen, doch ich wollte noch desselben Tages an Ort und Stelle sein
und so dankten wir herzlich für die Christmaßboox und die Bewirthung und
setzten durch tiefen Flugsand watend, unsern Weg fort. Es war dunkel und
deshalb gewagt, quer durch das hier dicht bebuschte Thal zu schreiten,
das viele Schlangen zu beherbergen schien.

[Illustration: Trunk aus einer Sumpflache.]

Spät Abends langten wir bei der Krikofarm an, ich entschloß mich im
Freien zu übernachten, und da wir auch sehr durstig geworden waren,
folgten wir dem Schimmer eines kleines Wassers, der uns zu einem halb
ausgetrockneten Teich brachte, und wählten uns nahe an demselben eine
ebene Uferstelle zu unserem Nachtlager aus. Unser Nachtimbiß war bald
fertig, die tagsüber erlegten rothfüßigen Kibitze, sowie einige kleinere
Trappen (eine von den Boers Patluperken genannte Art) mundeten nicht
minder wie eine Tasse Thee, zu welcher wir das Wasser aus dem Teiche
genommen hatten; bei Tage hätte uns wohl nur der peinlichste Durst dazu
gebracht, dieses Wasser zum Munde zu führen, denn es schillerte im
Feuerschein in allen Farben des Regenbogens und wurde selbst von den
Rindern der Farm verschmäht.

Während wir um das Feuer sitzend die Erlebnisse des Tages besprachen,
wurden wir durch den Besuch dreier Korannas beehrt. Vom Feuer angelockt,
waren sie von dem etwa 100 Schritte entfernten Farmhause herangekommen
und mochten uns wohl für arbeitsuchende Basutos (ein im Westen vom
Oranje-Freistaat wohnender Eingebornenstamm) halten, die sich hier ein
Nachtlager ausgesucht. Sie wunderten sich nicht wenig Weiße hier
campiren zu sehen. Bald nachdem uns die neugierigen Besucher verlassen
und das Gekläffe der Farmhunde verstummt, herrschte in unserer Umgebung
tiefe Stille, nur durch das monotone Zirpen einer kleinen Grillenart
unterbrochen. Nach so vielen in der Staubatmosphäre von Dutoitspan
verlebten Tagen waren wir froh, hier in frischer, gesunder Luft zu
athmen, und waren bald in tiefen Schlaf versunken.

Zeitlich des Morgens durchstöberten wir die nächste Umgebung der Farm.
Dieselbe liegt in einem breiten Thale, in welches, nahe der Farm, einige
Querthäler münden, die von den isolirten Hügelketten gebildet sind.
Diese Höhen fallen ziemlich steil, oft sogar perpendiculär ab und zeigen
Riesenblöcke der Trapdykes. Es that unserem Auge wohl, an den Abhängen
dieser Hohen eine ziemlich reiche Vegetation zu finden, selbst die
flachen Kuppen waren mit kleinen, baumartigen Mimosen bewaldet. Außer
einer Menge gestreifter Mäuse fanden wir keine Säugethiere, dagegen eine
Menge Turteltauben, Kibitze, Wiedehopfe, langschwänzige, weiß und
schwarz gescheckte Würger, die gemeinen braunen Aasgeier oben auf den
Felsen hockend, die von ihrem Unrath so weiß getüncht waren, daß man
diese Stellen 15 englische Meilen weit erblicken konnte, ferner kleine
Rothfalken und schöne braune Gabelweihen, uns die günstigste Gelegenheit
bietend, unsere Jagdtasche zu füllen und den Mittagstisch mit manch'
leckerem Bissen zu versorgen. Auch unsere Spiritusflaschen füllten sich
mit Fröschen, Chamäleons, Eidechsen, riesigen Spinnen und zahlreichen
Insecten. Zu unserem Lagerplatz zurückgekehrt, trafen wir den Farmer.
Meine Frage, wie wohl den die Höhen bevölkernden Pavianen beizukommen
sei, ließ ihn sehr gesprächig werden.

»Hier,« meinte er, »hausen in der Nachbarschaft zwei Pavianheerden, eine
kleinere und scheuere geht in der Regel Vormittags in der nahen
Bergschlucht zur Tränke, die große Heerde wagt sich täglich an den
zweiten Teich in unserer Nähe.« Der Farmer klagte nun sein Leid über die
Frechheit dieser Affen; sie waren eine große Plage, denn kaum, daß sie
durch ihre auf den Felsen ausgestellten Wachen entdeckten, daß Feld und
Garten verlassen waren, so war die Heerde auch schon bald über den Zaun
eingebrochen und der Garten verwüstet, besonders schädlich aber wurden
sie den weidenden Schafen. Geschah es, daß der hütende Hirt auch nur für
kurze Zeit eingeschlafen, oder die Thiere aus einem anderen Grunde
unbewacht blieben, so konnte der Farmer gewiß sein, einige Lämmer mit
zerrissenem Körper zu finden. Die Paviane folgen den Thieren auf den
Höhen, während die Schafe im Thale weiden und stürzen, sobald sie selbe
unbeschützt sehen, auf sie herunter und reißen mit ihrem furchtbaren
Gebiß den Thieren den Bauch auf, um zu dem Milchinhalt des Magens zu
gelangen; haben sie diesen entleert, so lassen sie die zuckenden Körper
liegen, um dasselbe an anderen der blöde hin- und herrennenden Lämmer zu
versuchen. (Ich fand dies später oft bestätigt.) Nun begriffen wir wohl
des Farmers zufriedenes Schmunzeln, als er unser Vorhaben, einige der
Thiere zu erlegen, erfuhr. Des Farmers Redseligkeit bewog mich, ihn über
die weiteren Absichten bei dieser Jagd zu unterrichten, daß ich gerne
einige schöne Bälge zum Ausstopfen und einige Kopfskelette erlangen
wollte. Diese Mittheilung machte ihn stutzen. Etwas ähnliches hatte er
doch noch nicht vernommen »_Allmachtag_ (Allmächtiger) _wat will ye
dun_?«[1] und kopfschüttelnd ging er zu seiner Frau, um ihr das
»_wonderlijke_« Vorhaben des »albernen« Doctors mitzutheilen, der einen
»_Babuin_« todtschießen und das Fell, ja sogar das Kopfskelett nach
»_Duitsland_« schicken wollte.

    1: Das in der Regel von den Farmern gesprochene Holländisch in
    Süd-Afrika ist nicht das reine Holländisch, wie wir es in Europa
    hören, sondern ein Gemisch von vielen Sprachen, englisch,
    plattdeutsch, französisch etc., dagegen sprechen die gebildeten
    Holländer der Capstadt, in Bloemfontein und in der Nachbarschaft
    anderer Städte ein sehr reines Holländisch.

Viele der Freistaatfarmer sind einfache, gute, oft wahrhaft herzensgute
Leute, denen nur die nöthige Bildung fehlt, um sie als beständige
Gesellschafter zu wünschen. Ich habe nie dankbarere Patienten gekannt
als sie.

Gegen die Mittagsstunde verließen wir die Farm und brachen nach den
Felsenhöhen im Osten derselben auf, um noch zur Tränkezeit der kleinen
Heerde auf dem Platze zu sein. Wir passirten einige von Korannas und
Basutos, Dienern des Farmers bewohnte Hütten. Die Basutos kommen von
ihrem im Osten gelegenen Lande und verdingen sich mit ihren Frauen an
die Farmer, sie werden jährlich mit einer bestimmten Anzahl von Schafen,
ein oder zwei Kühen und Ochsen, hie und da auch noch mit einer Mähre
oder einem Fohlen bezahlt und bekommen nebstdem die nöthige Nahrung;
außerdem wird ihnen gestattet, sich nach einem fruchtbaren Stück Land
umzusehen, wo sie sich Korn (Sorghum-Art), Mais, Kürbisse, Tabak etc.
anbauen können. Auf meinen späteren Reisen beobachtete ich, daß
namentlich wohlhabende Farmer, wie Mynheer Wessels, auf dessem Gebiet
auch jene auf unserem Marsche berührte Cantine lag und dessen Farmen
einen Umfang von mehreren Meilen hatten, von welcher Fläche aber nur
etwa 1/36 angebaut war, mehrere kleine Basutodörfer ihr eigen nennen,
deren Bevölkerung sich in der obbeschriebenen Weise auf mehrere Jahre
verdingt. Es sind meist mittellose Leute aus dem dicht bevölkerten
Basutolande am Caledon-River, welche durch jahrelange Trockenheit um
alle ihre Ernte-Erwartungen gebracht, genöthigt waren, aus der Heimat
auszuwandern und günstigere Gebiete aufzusuchen.

An der Bauart der Hütten konnten wir sofort den ethnographischen
Unterschied zwischen beiden Stämmen deutlich wahrnehmen; während die
Hütten der Basuto's, aus Baumästen in cylindrischer Form (circa 3 Meter
im Durchmesser haltend) gebaut und von einem kegelförmigen Dache
bedeckt, das auf dünnen Pfählen ruhte und mit dürrem Grase überdeckt
war, hatten die Koranna's halbkugelförmige Hütten, welche aus dürren
Aesten erbaut und mit Matten lose überdeckt waren.

Wir hatten die Ehre, von einer der schwarzen Damen gemustert zu werden;
sie war vor den Zaun getreten und blos mit einem grauen kurzen Kaliko
(Unterrocke) bekleidet. Stirn, Wangen und die Brüste waren mit einem
bläulich-schwarzen Ocker mit Wellenstrichen bemalt; an einer der
Korannahütten stand ein europäisch gekleideter Mann, dem eben ein
ältliches Weib, ebenfalls in schmutzige europäische Fetzen gekleidet,
aus der Hütte einen mächtigen Feuerbrand brachte. Ich war neugierig, was
sie wohl damit thun wolle, und siehe, er blieb ohne eine Miene zu
verziehen, gleichgiltig vor sich hinstarrend stehen, die ältliche Frau
jedoch hob das brennende Holz, von dem eine wahre Rauchsäule
emporwirbelte, auf, legte die glühende Spitze desselben sachte an ihres
Mannes kurze Pfeife, der nun mit seiner Rechten nachzuhelfen sich
bemühte. Hervortretend fragte ich nach dem besten Aufgang auf die Höhe
und erhielt von dem braungelben Phlegmatiker eine artige, meinem
Ansuchen entsprechende Antwort. Eine halbe Stunde später erreichten wir
die Kuppe der Höhe, die eine mit Busch bewachsene, wellenförmige, mit
Steinblöcken besäete Ebene bildete. Nachdem wir sie in ihrer Länge von
Süden nach Norden durchschritten und uns der vom Farmer erwähnten
Schlucht genähert hatten, vernahmen wir von dem gegenüber liegenden
Abhange derselben, etwa 300 Schritte vor uns, ein heiseres,
mehrstimmiges Gebelle. Hinblickend sahen wir sieben, darunter vier
erwachsene Paviane mit Sprüngen die Höhe erreichen, auf der kleinen
Tafelebene noch einmal nach uns umsehen und dann wieder in einer weiter
rechts liegenden Schlucht verschwinden. Wir folgten ihnen rasch,
erkannten auch an den frischen Spuren am Boden der Schlucht, daß sie
erst vor kurzem die Tränkstelle verlassen haben mußten. Um nicht die
größere Heerde zu versäumen, folgten wir der Schlucht, die in unser Thal
mündete, füllten auch unsere Waidmannstaschen mit einigen Taubenpaaren,
die am Feuer geröstet, uns einen guten Imbiß lieferten.

[Illustration: Pavianjagd.]

Während wir beim Mahle saßen, ließen wir alle unwillkürlich die Blicke
auf die zu beiden Seiten und vor uns liegenden Abhänge schweifen, um
vielleicht einen der gesuchten Vierfüßer zu erspähen, allein vergebens.
Da erscholl plötzlich ein lautes Geschrei von der Farm her, welches sich
uns zu nähern schien, allein bald verstummte. Gegen diese hin standen
hohe Mimosenbäume, zwischen denen nur durch eine schmale Lichtung ein
Theil des Hauses sichtbar wurde, rechts von uns erhob sich der etwa 12
Fuß hohe steinerne Damm des Teiches, an dessen Ufer wir campirt hatten,
so daß uns von unserem Standpunkte aus der Blick über die Ursache des
Geschrei's nicht belehren konnte. Scherzweise warf ich hin, daß, während
wir uns hier gütlich thaten die Paviane wohl die Mittagszeit benützend,
dem Farmer einen Besuch abgestattet haben konnten. Ich hatte kaum
ausgesprochen, als ich aufbringend auf die etwa 250 Schritte von uns
entfernte Höhe zur Linken wies. »Seht, ist das nicht ein Affe?«--und
richtig ein Pavian, ein zweiter--eine ganze Heerde lief den Abhang
hinan, allein nicht sehr eilig und von Zeit zu Zeit auf einem Felsblock
hocken bleibend; am Fuße der Höhe erschienen schon die Leute, der Farmer
und die farbigen Diener mit Knütteln und Stocken bewaffnet und laut
schreiend. In einem Nu waren wir unter der Höhe, bogen etwas nach
rechts, wohin sich auch die Affen, den höheren Partien zustrebend, zu
wenden schienen und meine Gefährten zur Vorsicht mahnend, stiegen wir
empor. Ich schlug vor, in stille wie möglich uns aufwärts zu bewegen,
damit die Aufmerksamkeit der Thiere sich auf die übrigen, ungefähr 200
Schritte mehr zur Linken langsam emporklimmenden, laut schreienden
Verfolger richten möge.

Da der eine meiner Gefährten nur mit einem Schrotgewehr, der andere nur
mit einem Stock bewaffnet war, hieß ich beide, in meiner Nähe bleiben,
um ihnen, im Nothfalle beistehen zu können, denn ein erzürnter,
erwachsener Pavian ist als Feind gefährlicher als ein Leopard. Wir
hatten bereits den Abhang zur Hälfte erstiegen und noch immer war keiner
der Flüchtigen zum Schuß gekommen. Endlich erschien einer über mir, doch
hoch oben von Block zu Block springend, bald deckte ihn ein Busch, bald
ein Felsen, so daß kein Schuß mit Erfolg anzubringen war. Das Thier
verschwand als es die Höhe erreicht hatte und wir mußten, höher
klimmend, trachten, es noch auf der flachen Kuppe zu treffen, oder
vielleicht einen seiner Genossen zu erspähen. Meine Hoffnung wurde nicht
getäuscht, denn schon 40 Fuß höher entdeckte ich ein erwachsenes
Weibchen. Doch alle Mühe, zum Schuß zu kommen, war vergebens, einmal
stand der schwarze Diener des Farmers mir in der Schußlinie, und die
zweite günstige Gelegenheit verdarb mein Gefährte, der, als sich das
Weibchen uns bis auf fünf Schritte genähert hatte, mit lautem Schrei in
die Höhe sprang und damit das Thier in die Flucht jagte. Obwohl wir
athemlos die steile Höhe emporklommen, um das Thier nicht gänzlich aus
dem Auge zu verlieren, war es zu spät. Auf der Kuppe angelangt, war
nirgends mehr eine Spur von den Affen zu entdecken.

Wir stiegen herab, gewiß nicht in der rosigsten Laune und gaben nicht
allein jeden Gedanken auf, noch am selben Tage einen Pavian zu sehen,
sondern hatten auch nicht die geringste Ahnung, daß uns mit derselben
Heerde noch ein ähnliches Mißgeschick begegnen würde. Unten angelangt,
hörten wir nun von den Koranna's, daß die Paviane einen Versuch gemacht
hatten, in den Schafkraal (Umzäunung) zu gelangen, zu dem einige
blökende Lämmer die Affen hingezogen hatten. Sie wurden jedoch zeitig
bemerkt und damit sie ihren Raubzug nicht zu bald wiederholten, nicht
nur verscheucht, sondern auch verfolgt. Man versicherte uns jedoch, daß
sie gewiß noch einmal zur Tränke an den andern, uns schon früher
bezeichneten nahen Teich kommen würden; alle Müdigkeit war bei dieser
Nachricht vergessen und wir begaben uns sofort auf die bezeichnete
Stelle. Ein kleiner von Regenwasser gefüllter Teich lag im Thale, zur
Linken, etwa 300 Schritte entfernt zogen sich die Höhen hin, die wir
eben verlassen hatten, zur Rechten, ihnen gegenüber, in der Entfernung
einer Meile eine zweite Reihe von Höhen. Der Teich war an drei Seiten
eingedämmt, nach dem Hause zu war der Damm aus Steinen errichtet und lag
der freien Einflußstelle des Wassers gegenüber. Diese Stelle war sandig,
zur Linken bildete das trübe, gelbliche Wasser eine kleine Bucht, zur
Rechten fiel dem Beschauer ein dichtes, niederes von der schon erwähnten
strauchartigen Euphorbia gebildetes Gebüsch auf. An der Sandseite des
Dammes wuchsen aus den Steinspalten einige Sträucher hervor. Hinter
einem derselben, ihn als Deckung für den Kopf benützend, hatte ich
Stellung genommen.

Wir hatten kaum unsere Stellungen bezogen, als uns der Knabe des Farmers
auf zwei dunkle auf dem Abhange des Hügels zur Rechten sichtbar werdende
Punkte aufmerksam machte; in der That konnten wir eine größere Anzahl
beweglicher dunkler Körper wahrnehmen. Sie bewegten sich bergab und als
sie auf etwa 900 Schritte nahe gekommen waren, erkannten wir die
Pavianheerde. »Sie kommen zum Wasser!« meinte der Knabe. Zu unserer
Verwunderung schienen sich die Affen nicht von der Stelle rühren zu
wollen, es verging eine Viertel-, eine halbe Stunde und noch immer war
der Haufen auf derselben Stelle--da auf einmal, wie aus der Erde
herausgezaubert, erschienen uns gegenüber an dem freien Ende des
seichten, kaum 60 Schritt langen Teiches zwei riesige Männchen, keiner
unserer Gesellschaft hatte ihre Annäherung beobachtet, ob sie in einem
Bogen quer über das Thal oder durch das Gras geraden Weges von der
Heerde zu uns gekommen waren, konnten wir uns nicht aufklären. Da ich
die Thiere beobachten und mich dessen vergewissern wollte, ob sie zu
jener Heerde, die unter den niedrigen Mimosenbäumen spielte, gehörten,
kam ich von dem Entschlusse, sofort eines der Thiere zu erlegen, ab und
wartete mit Spannung der weiteren Dinge. Nun sprangen sie vom Damme zum
Wasser, beugten sich nieder und tranken; sich wieder emporrichtend,
verließen sie recht gravitätisch auf allen Vieren einherschreitend das
Wasser und schlugen die Richtung nach der Heerde ein; sie gehörten ihr
also thatsächlich an und waren die ausgesandten Kundschafter. Zu den
Ihren gekommen, setzte sich die ganze Truppe sofort in Bewegung; kurze
Zeit darauf waren schon alle am Teiche. Da gab es Mütter mit Säuglingen
und halb erwachsenen Thieren, der erwachsenen Männchen nur drei oder
vier. Die Thiere kamen einzeln heran, tranken und kehrten unverweilt
zurück; nachdem etwa zehn in dieser Weise ihren Durst gelöscht hatten,
kamen mehrere auf einmal, während die übrigen sich auf dem Sande ringsum
mit Sprüngen und Herumrollen ergötzten. Bald wären wir jedoch um alle
weiteren Betrachtungen gekommen, denn vom Hause her näherten sich zwei
Korannafrauen, Töpfe auf den Köpfen tragend, um Wasser aus dem Teiche zu
holen, an dem wir lagen. Durch Gesticulationen hielten wir glücklicher
Weise die Frauen ab, näher zu kommen, allein es war auch die höchste
Zeit, zum Schusse zu kommen. Eben waren, wie ich mir einbildete,
dieselben Männchen, welche so geschickt das jenseitige Ufer
ausgekundschaftet, zum zweiten Mal an's Wasser getreten, sie setzten
sich auf jede Seite der kaum zwei Fuß hohen Einbuchtung und beugten sich
mit dem Vorderkörper zum Saufen nieder. Diesen Moment wollte ich
benützen, um mein Glück zu versuchen. Wie wir später an den Spuren
ersahen, hatten sich die beiden Thiere so gegeneinander vorgebeugt, daß
blos ein Raum von nicht ganz vier Zoll zwischen den gesenkten Köpfen
frei blieb. Da donnerte meine Büchse--wie wir uns später überzeugten,
hatte die Kugel, zwischen den Köpfen der Thiere durchfliegend, etwa drei
Fuß hinter denselben eingeschlagen. Hoch sprangen sie beide auf, wie auf
ein Tempo mit den Händen nach der Schnauze greifend, und unmittelbar
darauf eilte die ganze Heerde bellend, die größeren Thiere etwas
zurückbleibend und sich oft umdrehend, von dannen.----Obgleich wir bis
zum Abend liegen blieben und sogar unser Nachtlager hierher verlegten,
sahen wir nichts mehr von den Affen, deren heiseres Gebell wir noch die
halbe Nacht hindurch von den Bergen herab deutlich vernahmen. Wir
blieben noch einen Tag, allein die Thiere, die uns von den Höhen
bemerken konnten, behielten uns im Auge, und wollten sich von den
Felsenhängen, wo sie Herren der Situation waren, nicht herabwagen.

Meine Begleiter waren in der dem mißglückten Jagdtage folgenden Nacht in
tiefen Schlaf versunken, während mich das Gebell der Paviane in steter
Spannung erhielt. Allein außer ihren heiseren Tönen konnte ich auch
nichts Anderes vernehmen. Selbst der leise Wind war eingelullt und ließ
von seinem Spiele mit den zarten Blüthen der Mimosen ab. Solch' stille
Nächte--unter südafrikanischem Himmel--üben auf den Fremden einen
mächtigen, lange hin nachklingenden Reiz aus. Die Atmosphäre war rein,
der Himmel so dunkel und zwischen ihm und der Erde unzählige Wölkchen in
solch' lebendigen Schattirungen zwischen milchfarben und grau, daß ich
mich nicht entsinnen konnte, je etwas Aehnliches zuvor beobachtet zu
haben.

[Illustration: Die Kimberley-Kopje im Jahre 1872.]

Nach den Diamantenfeldern zurückgekehrt, nahm ich wieder meine
Berufsthätigkeit auf, die immer ausgebreiteter wurde, und es mir
erlaubte, zur Verwirklichung meiner weitgehenden Pläne manches Pfund
Sterling bei Seite zu legen. Nachdem ich schon im Laufe des Jänner mir
einen der bekannten Wagen angeschafft hatte, also im Besitze des
wichtigen Reisemittels war, hielt ich zu Beginn des Februar 1873 die
Zeit für gekommen, um meine erste größere Reise, gewissermaßen eine
Recognoscirung, zu unternehmen.




Meine erste Reise in das Innere von Süd-Afrika.




IV.

Von Dutoitspan nach Lekatlong.

Meine Reisebegleiter.--Schwierigkeit der Beschaffung geeigneter
Zugthiere.--Aufbruch aus den Diamantenfeldern.--Trostloser Zustand der
Wege.--Südafrikanischer Vorspann.--Old de boers-Farm.--Bismark's
Retreat.--Der Vaal-River und sein Thal.--Ein Besuch im Korannadorfe
bei Pniel.--Bauart der Korannahütten.--Sociale Zustände
unter den Koranna's.--Vorschläge und Mittel zur Besserung
derselben.--Freimaurerthum unter den Koranna's.--Ein gefährlicher
Nachtmarsch zum Vaal-River.--Klipdrift.--Racenunterschiede zwischen
Koranna's und Betschuana's.--Das Innere der Korannahütten.--Die
River-Diggings am Vaal.--Die Fauna des Vaal-Thales.--Eine
Krankenordination in Klipdrift.--Gong-Gong, Waldeks-Plant und der
Fly-Diamond.--Eine desolate Strasse.--Die Holitzer Schlucht.--Die _Cobra
capella_ und ihre Gefährlichkeit.--Ringhalsschlangen.--Im Schlamme des
Vaal River Versunken.--Ankunft in Lekatlong.


Meine Vorbereitungen waren beendet, die Ausrüstung besorgt; es blieb mir
nur noch die für Reisen in Afrika wichtige und folgenschwere Wahl meiner
Begleitung zu treffen. Von der Idee, mich blos mit eingebornen Dienern
zu umgeben, kam ich bald ab und entschied mich in Begleitung von Weißen
zu reisen. Meine Wahl fiel auf jene beiden jungen Männer, deren ich eben
vorher auf meinem Ausflüge nach dem Freistaate erwähnte und als dritten
Gefährten lud ich Herrn Friedrich Eberwald aus Thüringen ein, einen
biederen Charakter, der später einer meiner herzlichsten Freunde wurde
und mir auch auf der zweiten Reise treu zur Seite stand. Ein
unwiderstehlicher Drang, fremde Länder mit eigenen Augen zu schauen,
hatte ihn, nachdem er einen großen Theil von Europa, Kleinasien, Nord-
und Südamerika gesehen, nach den Diamantenfeldern geführt, um hier sein
Glück als Diamantengräber zu versuchen, doch war ihm dieses nicht
besonders günstig. (Ich kam auch nach meiner letzten Reise mit ihm
zusammen und bat ihn, mit mir nach Europa zurückzukehren, doch
vergebens.)

Vor meiner Abreise galt es noch, jedem meiner Begleiter sein specielles
Arbeitsressort zu bestimmen; mein Freund Eberwald legte sich die
freiwillige Pflicht auf, uns, so weit es mit dem Schrotgewehr anging,
mit Wildgeflügel zu versorgen und über den Wagen zu wachen. K., der
zweite meiner Gefährten nahm die Küche auf sich, während der dritte, F.,
mir im Jagen und Sammeln behilflich sein sollte. Diesen letzteren hoffte
ich mir zu einem steten Begleiter für künftige Reisen heranzubilden.
Meine Mühe scheiterte jedoch an seinem ganzen Wesen; nicht nur, daß er
sich gänzlich unfähig zeigte, er war auch böswillig und blieb
verstockt--und obwohl ich mich von seinem Charakter bereits auf der
ersten Reise überzeugt hatte, ließ ich mich verleiten, ihn auf der
zweiten Reise mit mir zu nehmen, auf welcher er alle meine Geduld mit
schwärzestem Undank lohnen sollte.

Der Zweck der ersten Reise war, mich durch einen mehrwöchentlichen
Aufenthalt im Freien dem afrikanischen Klima anzupassen, einen Begriff
vom Reisen im Innern zu gewinnen und namentlich durch eine solche
Versuchsreise den Umfang der Ausrüstung für eine größere Forschungsreise
nach dem Innern kennen zu lernen. Die endlich zur Abreise anberaumte
Frist war schon verflossen, allein mein Wagen konnte sich noch immer
nicht von der Stelle rühren. Man rieth mir, Ochsen als Gespann zu
wählen, ich jedoch dachte einen Versuch mit jenen stillen,
selbstzufriedenen Geschöpfen zu wagen, welche schon im grauen Alterthume
durch mehrere ihres Gleichen, wie jenen, der durch Bileam's
»Dressursinn« sprechen lernte, hochgeehrt waren und in dieser Absicht
durch die Behauptung der Eingebornen bestärkt, daß die südafrikanische
Race »tsetsefest« sei. Ich fand unter meinen Patienten einen im Besitze
von zwölf solchen Stilldenkern und schloß den Kauf ab, 3 £ St. per
Stück. Als jedoch der Tag der Abreise kam und wir auf den Farmer
warteten, erschien er nicht, auch nicht den folgenden, sondern erst den
dritten Tag und nun erst mit der traurigen Nachricht, daß sich seine
zwölf »Grubh« in ihrem Wissensdrang nach neuen (newe d.h. frisch)
Kräutern und Gras verlaufen hätten. »Vergebens habe ich sie überall
gesucht und, heute heimgekehrt vernommen, daß sie etwa 30 Meilen von
hier in der »Pound« seien.« To keep in Pound heißt das Recht,
aufsichtslose Hausthiere, vom Pferde bis zur Ziege, wenn diese von dem
Besitzer einer Farm auf seinem Grund und Boden angetroffen und von
diesem an dazu gesetzlich bestimmte Stellen, d.h. Farmen, abgeliefert
wurden--auf einen Monat zu behalten und zu überwachen. Eine solche Farm
heißt eine Pound, der dazu gesetzlich bestimmte Farmer ist ein
Poundmaster. Werden die so eingebrachten Thiere, die in den
Districtsblättern genau beschrieben werden, nicht binnen vier Wochen
(vom Tage des Einfangens) von ihrem rechtmäßigen Besitzer gegen
Entrichtung eines verhältnißmäßig geringen Betrages ausgelöst und
abgeholt, so werden sie in einer öffentlichen Auktion, die vom
Poundmaster gehalten und in den Districtsblättern annoncirt wird,
feilgeboten. Der Ertrag kommt dem Staatssäckel zu Gute.

[Illustration: Vorspann in Süd-Afrika.]

Es blieb mir nun nichts übrig, als mich nach einem behörnten Gespann
umzusehen, machte hierbei jedoch die Erfahrung, daß es unmöglich war,
sofort gute Zugthiere zu erlangen und ich hätte einige Wochen auf solche
warten müssen. Dies war noch schlechter, es blieb mir also keine andere
Wahl, als mich mit Pferden zu versehen, trotzdem der Preis eines
Pferdegespanns das Zweifache eines Ochsengespanns betrug und es
angesichts des herannahenden ersten Reifes, zu welcher Zeit eine
bösartige Pneumonie in Süd-Afrika alljährlich Hunderte von Pferden
vernichtet, sehr gewagt war, Pferde zu nehmen. Da F. prahlte, ein
geübter Rosselenker zu sein, nahm ich mir vor, ihm nicht allein das
Lenken des Gespanns, sondern auch dessen Ankauf zu übergeben. Allein der
Preis, den man für die Pferde forderte, überstieg meine Berechnungen und
ich wäre gezwungen gewesen, meine Reise doch noch aufzugeben, wenn mir
nicht mein Gefährte K. mit der nöthigen Summe ausgeholfen hätte.

[Illustration: Korannagehöfte im Hart-Riverthale.]

So schieden wir denn--vier Weiße mit fünf Pferden und fünf Hunden auf
einige Wochen aus der staubigen Atmosphäre der Diamantenfelder. Ich
wollte mich direct nach Klipdrift begeben und im Thale des Vaalflusses
abwärts bis zu der Mündung des Hart-River, sodann im Thale des
Hart-Rivers nach Nordost vordringen, um einige der Batlapinenstämme
kennen zu lernen und nachdem ich diesen Zweck erreicht, in mein neues
Heim zurückkehren. Der mir berichtete schlechte Zustand der einzigen
Straße nach Klipdrift und mein Sammeleifer bewogen mich, querfeldein
über die bebuschte Ebene zu reisen. Wir schlugen daher eine nordöstliche
Richtung nach der Riet-Farm, einer der von allen Seiten die
Diamantenfelder umgebenden Pounds, ein. Diese ist wie die meisten der
übrigen, ein höchst unbeholfen aussehendes, viereckiges Farmhaus, an das
ein ebenso einfacher Wagenschuppen angebaut war; ein aus Dornbüschen
gebildeter Kraal für die eigenen und eingefangenen Thiere zur Linken war
Alles, was von der einst blühenden und durch die Entdeckung der
Diamantenfelder im Werthe so hoch gestiegenen Farm übrig geblieben war.
Nicht ein Stückchen Garten war zu sehen; unsere Aufmerksamkeit erregten
nur zwölf gezähmte, junge Strauße, welche den sie beaufsichtigenden
Korannajungen willig folgten.[1]

    1: In den letzten Jahren hat sich die Straußenzucht in Süd-Afrika so
    bedeutend gehoben, daß man gegenwärtig wohl über 100.000 Strauße in
    den Colonien hält.

Auch in der eben eingeschlagenen Richtung zeigte sich der Boden derart
aufgeweicht, daß kaum an ein Fortkommen zu denken war; wir schlugen
deshalb die Richtung nach Westen gegen die Old de boers-Farm zu, ein.
Neues Mißgeschick! Auch hier stand das Land unter Wasser, nur ein
schmaler Streifen am Fuße eines, einen künstlichen Teich umsäumenden
Dammes schien passirbar; nahe gekommen, fanden wir selbst diesen Engpaß
morastig. Mit vereinten Kräften gelang es, das Gefährt bis zur Mitte des
Weges zu bringen, hier aber versanken die Räder bis zur Achse im
morastigen Grunde und alle weiteren Anstrengungen waren nutzlos. Selbst
als eine diese Strecke passirende Frau uns das Gespann ihres Karrens zur
Hilfeleistung überließ, konnten wir keinen Erfolg erzielen. Ermüdet
gaben wir jeden weiteren Versuch auf.

Auf einer etwa 50 Schritte vom Wagen entfernten freieren, aber leider
nassen Sandstelle, breiteten wir unsere Decken aus und schlugen unser
Nachtlager auf. Von Schlaf war keine Rede, ein leiser Regen, ein kalter
durchdringender Wind und unzählige Mosquito's hielten uns die ganze
Nacht wach. Wie es aber so oft geschieht, daß man über das Unglück eines
Armen, trotz der eigenen erlittenen Unfälle noch lacht und spöttelt, so
geschah es am Morgen des nächsten Tages dem armen F., als wir sein
Antlitz von vielen Insectenstichen verunstaltet sahen. Das Gesicht
stellte eine einzige dunkelrothe mit zwei feuerrothen Wülsten (den
Lippen) geschmückte Kugelfläche vor, an der man von der Nase nicht viel,
statt der Augen blos zwei Spalten bemerkte.

Eine sehr schwache Lösung von Salmiakgeist brachte Linderung und zu
Mittag war er bereits wohlauf. Vier prächtige Ochsen und zwei Diener aus
der nahen Farm, deren Besitzer uns schon tagsvorher Hilfe zugesagt
hatte, stellten sich gegen Mittag beim Wagen ein und bald war derselbe
aus dem »Modder« befreit. Kaum dieser Misère glücklich entronnen, fing
der Himmel durch ein von Westen heranziehendes Gewitter sich zu
verdunkeln an und wir mußten eilen, um noch vor dem Sturme die nahe Old
de boers-Farm zu erreichen. Als wir eben die steinige Farmhöhe
hinanfuhren, da brach das Ungewitter über uns herein und bald darauf
begegnete uns schon ein gelblicher Strom, der von der Ebene
herabfließend, den Weg als Abflußgraben benützte, und uns zum Stillstand
nöthigte. Der kaum halbstündige, heftige Gewitterregen hatte den Weg so
tief versandet, daß wir nun wieder verurtheilt waren, den Wagen aus dem
Sande förmlich herauszugraben. In der Farm endlich angelangt, waren wir
froh, für die kommende Nacht Ruhe und ein schützendes Dach finden zu
können. Ich gewann jedoch auch die Ueberzeugung, daß wir von der
Fortsetzung des bisher eingeschlagenen Weges absehen mußten und
beschloß, die Pferde nach Kimberley zurückzusenden und sie gegen
kräftige Maulesel umzutauschen. Der Tausch kam indessen nicht zu Stande
und so waren wir genöthigt, auf dem morastigen Wege nach Klipdrift
weiter zu reisen. Die Abwesenheit des Farmers, von dem ich zwei
Ochsengespanne zu erhalten hoffte, nöthigte uns noch zu weiterem
Aufenthalte, den wir durch einen Jagdausflug ausfüllten.

Unter der Beute dieses Jagdausfluges fanden sich auch zwei Exemplare
jenes schon von Livingstone beschriebenen, südafrikanischen
Riesenfrosches »Motla metlo«, die ich meiner Sammlung einverleibte.
Diese Thiere verbringen die Zeit der Dürre in einer Art Halbschlummer
unter der Erde, meist in verlassenen Erdlöchern, und kommen nur nach
heftigen Regengüssen zum Vorschein.

Nachdem wir noch unsere Vorräthe auf der Farm ergänzt, brachen wir auf;
es war dunkle Nacht geworden, als wir die einige Meilen nordwärts
gelegene Bredekam's Farm und das in der Nähe derselben befindliche Hotel
erreichten. Auch diese Farm, obwohl sie einem Manne angehörte, der in
den Diamantenfeldern reich geworden, war blos ein dürftiger, zur Noth
seiner Bestimmung entsprechender Bau. Das Hotel bestand aus zwei mit
Eisenblech gedeckten Segeltuchhäusern; es war von einem Deutschen
gehalten, von dem es »Bismarck's Retreat« (Erholungsplätzchen) genannt
wurde. Trotzdem, daß derselbe dieser Stelle Berühmtheit und sich selbst
ein gutes Stück Geld erwerben wollte, und deshalb mit Wort und Inserat
einige der vielen, Süd-Afrika charakterisirenden, salzhaltigen Quellen
als eminente Heilquellen ausposaunte, war es ihm nicht vergönnt, aus
Bismarck's Retreat ein Eldorado zu schaffen.

Nach mancherlei unangenehmen Zwischenfällen erreichten wir endlich die
Höhen, welche von Hebron ab das Ufer des Vaal-River säumen, und
begrüßten hocherfreut und aufathmend das uns entgegenschimmernde Grün
des Thales; bald weidete sich unser Auge am Anblicke des in ziemlicher
Fülle hingleitenden Stromes, an dessen südlichem Ufer wir die
zerstreuten Häuschen der Berliner Missionsstation Pniel und ein kleines
Korannadorf erblickten.

Von den Pnielhöhen herabfahrend, passirten wir am Wege die Ruinen eines
Missionsgebäudes, in dem ein Korannaschmied mit seinem aus Schafhäuten
verfertigten Blasebalg den zahlreichen hier nistenden grauen
Fledermäusen Gesellschaft leistete. Wir machten nahe am Vaalflusse Halt,
und während meine Begleiter Anstalten zur Bereitung des Mittagsmahles
trafen, nahm ich das Gewehr, um die Gegend zu durchstreifen. Im Bette
einer ausgetrockneten Regenschlucht, die hier in den Vaalfluß
einmündete, beobachtete ich zahlreiche Spuren von Wasserleguanen und
Fischottern, und erlegte nebst mehreren Mäusevögeln und Turteltauben
einige große Regenpfeifer, welche mich mit ihrem lauten Tip-Tip
angelockt hatten. Der Vaal, der bedeutendste Nebenfluß des Oranje, ist
an dieser Stelle, wo ihn der von Kimberley nach Klipdrift Reisende
zuerst trifft, etwa 100 Schritte breit, sehr schlammig und durch seine
unzähligen Stromschnellen charakterisirt, welche von einander durch
tiefe schlammige Stellen geschieden sind und an welch' letzteren der
Fluß eine fast gleichmäßige bis 200 Schritt messende Breite zeigt. Seine
Ufer sind gleichfalls auf weite Strecken hin schlammig, und dadurch
unnahbar; Hausthiere können nur an den in den Fluß reichenden
Felsenbänken oder an den Stromschnellen zur Tränke geführt werden;
durstige fremde Thiere, die hier ausgespannt und nicht gut bewacht zum
Wasser hinabeilen, büßen einen solchen Versuch meist mit dem Leben.

Ein Besuch im Korannadorfe bot uns einen trostlosen Anblick und gab mir
die Ueberzeugung, daß bei keinem anderen Eingebornenstamm, etwa mit
Ausnahme der Matabele, die Missionsthätigkeit so geringe Erfolge
aufzuweisen hat, als bei den Koranna's. Ihre socialen Zustände und
Verhältnisse, ihre Bildungsstufe, bewiesen mir, daß sie nur die Laster
der Civilisation angenommen, für die Lichtseiten derselben aber wie
vorher unempfindlich geblieben waren. Krankheiten und Trunksucht mit
ihren verderblichen Folgen herrschen auch hier unter den Koranna's.[1]

    1: Zu Anfang des Jahres 1877, habe ich in einer Brochüre die
    Eingebornenfrage in Süd-Afrika zu besprechen mir erlaubt und der
    englischen Regierung angerathen, diesen Koranna's gegenüber, welche
    zum Theile im Vaalthale von Fourteen-Stream bis zur
    Hart-Rivermündung als englische Unterthanen wohnen, ferner am
    mittleren Hart-River um die Stadt Mamusa ein kleines selbstständiges
    Reich bilden, und auch unter den nördlicher wohnenden Barolongen in
    der Stadt Koranna leben, den Verkauf spirituoser Getränke zu
    sistiren, um sie zum Ackerbau anzuhalten, sowie durch wöchentliche
    Inspicirung durch Polizisten sie zur Reinlichkeit und Instandhaltung
    ihrer Dörfer und Gehöfte zu gewöhnen. Man kann sich keinen
    widerlicheren Anblick denken, als diese in europäische Fetzen
    gekleideten, von Schmutz und Unreinlichkeit im höchsten Grade
    strotzenden Gestalten. Es freut mich, in der letzten Zeit vernommen
    zu haben, daß der gegenwärtige Gouverneur Colonel Warren von
    Griqualand-West, die Ausfuhr von Spirituosen in die nachbarlichen
    Eingebornenreiche verboten und auf seine Provinz beschränkt hat. Ein
    voller Erfolg, eine gründliche Verbesserung in den socialen
    Verhältnissen der Koranna's, wird aber erst dann eintreten, wenn das
    Gesetz noch bis zur vollkommenen Verweigerung der genannten Getränke
    verschärft sein wird.

Unter allen Stämmen Süd-Afrika's verwendet dieses Volk die geringste
Mühe auf den Aufbau und die Instandhaltung ihrer Wohnungen. In der wohl
auch durch das Klima beförderten Indolenz und Energielosigkeit
übertreffen die Koranna's und Griqua's diese beiden Bruderstämme der
Hottentottenrace, selbst die übel beleumundeten Buschmänner, welche die
Felswände ihrer früher bewohnten natürlichen Höhlen mit einfachen mit
Ocker übertünchten Zeichnungen bedeckt und die Gipfel der von ihnen
bewohnten Höhen, d.h. die diese bedeckenden dunkeln Felsenblöcke mit
Ausmeißelungen von thierischen und menschlichen Gestalten und anderen
Objecten geschmückt hatten. Wenn der Koranna sich aus der ihm
eigenthümlichen Trägheit, dem Mangel an Streben und Ausdauer
herausreißt, um als Diener Anderer zur Arbeit zu greifen, so geschieht
dies nur, weil ihm dadurch die Möglichkeit geboten ist, sich dem
heißersehnten Branntweingenusse hinzugeben.

Hier am Abhange eines kahlen Höhenzuges, dort am Flußufer oder am Rande
einer Salzpfanne, hie und da auch in den Felsenschluchten des
Vaalflusses, finden wir eine oder mehrere, etwa 1½ Meter Höhe und 3-3½
Meter im Durchmesser haltende halbkugelige, jeder Umzäunung bare Hütten,
die augenscheinlich nur dem Nothbehelf dienen, weder geräumig, noch
symmetrisch gehalten, mehr thierischen Strohbauten gleichen. Die
Herstellung ist denn auch, dem Aussehen entsprechend, eine höchst
primitive. Wenn die Frauen, denen die Herstellung der Wohnung obliegt,
die oberen Enden etwa zwei Meter langer, dünner, im Kreise aneinander
gereihter und gesteckter Baumzweige in einem Mittelpunkte
zusammengebunden und das Gerippe mit Binsenmatten überdeckt haben, ist
auch schon das Wohnhaus in der Hauptsache hergestellt. Eine Oeffnung,
hinreichend groß, um einem Menschen in kriechender Stellung Einlaß zu
gewähren, bildet die einzige Verbindung mit der Außenwelt, die im
Nothfalle durch eine von innen vorgeschobene Matte abgesperrt wird. Das
Innere der Hütte entspricht dem Aeußern, es läßt sich kaum etwas
Trostloseres und zugleich Unreinlicheres denken als das Innere einer
Korannahütte. In der Mitte eine schüsselförmige Vertiefung als
Feuerherd, einige niedrige mit Querhölzern verbundene Holzgabeln,
behangen mit den Ueberbleibseln einstiger europäischer Kleidungsstücke,
einige Ziegen- oder Schaffelle, weiters einige Töpfe, und die Einrichtung
ist damit fertig. Eine von dürren Mimosenzweigen nothdürftig umzäunte
Stelle zwischen oder vor den Hütten, beherbergt die Rinder- oder
Ziegenheerde, und wo nicht die Hyäne und der Leopard oder andere
Raubthiere auf ihren nächtlichen Schleichwegen zu fürchten sind,
bezeichnet blos ein Düngerhaufen den Sammelplatz des Vieh's.
Bezeichnende Stille herrscht über dieser trostlosen Scenerie, nur
nachdem Branntwein die Gemüther erhitzt, den einer der Insassen von der
Stadt gebracht, oder den ein vorüberfahrender Händler ihnen überlassen,
geht es lärmend zu, sonst aber unterbricht nur des Morgens und Abends,
wenn die nackten Kinder die Heerden auf die Weide treiben, einige
Bewegung die Monotonie im trägen Leben der Hütteninsassen.

Nur hie und da, wo wohlhabende Koranna's sich den Luxus einiger
Makalahari und Masarwa, Diener und Sklaven, gönnen können, wurde im
beschränktesten Maße Ackerbau versucht, für dessen Entwickelung an
vielen Stellen des Landes die natürlichen Bedingungen vorhanden sind,
und welche Versuche selbst bei der genannten Beschränktheit den
günstigsten Erfolg hätten, wenn man Dämme aufzuwerfen oder hie und da
den Hart-River oder Vaal-River abzuleiten versuchen würde.

[Illustration: Koranna.]

Wie die Hottentottenrace überhaupt, die eigentlichen, die Cap-Colonie
bewohnenden Hottentotten, die Griqualand-West an der Einmündung des
Vaals in den Oranje und jene, Neu- oder Ost-Griqualand oder das
sogenannte Nomansland um Kockstadt herum bevölkernden Griqua's, sind
auch die Koranna im Aussterben begriffen, ihre Zahl hat sich beinahe um
50 Percent, ihr Besitz um 25-75 Percent verringert. Arbeitsscheu und
unrein, hinterlistig und in der Mehrzahl der Fälle untreu, rachsüchtig
und nur für den Moment lebend, ohne auf das Morgen zu denken etc., sowie
fähig, alle möglichen Verbrechen zu begehen, um sich nur den Branntwein
zu sichern, boten sie mir ein abschreckendes Bild. Da sie jedoch als
Rosselenker und Gespanntreiber im nüchternen Zustande (nur in der
Wildniß, wo ihnen kein Europäer das Feuerwasser reichen kann) besser als
die Kaffern etc. zu verwenden sind, so versuchte ich es auch mit ihnen
und trachtete nach Möglichkeit, sie nüchtern zu erhalten--vergebliche
Mühe, ich mußte den Versuch sehr bald aufgeben.

In England herrschen gegenwärtig unter den Gebildetsten bezüglich der
Eingebornenfrage irrige Ansichten; dieses Mißverständniß beruht
hauptsächlich darauf, daß die betreffenden Persönlichkeiten sich nicht
selbst von dem Stand der Dinge überzeugt haben. Wenn einzelne
Menschenfreunde oder ganze Gesellschaften etwas für die Eingebornen
Süd-Afrika's thun wollten, wenn sie sich selbst ein Denkmal setzen und
den Farbigen die größte Wohlthat erweisen wollten, so wäre es nöthig
gewesen, daß sie die gegenwärtige Bewegung in Süd-Afrika, jene der
Good-Templers in re unter den Eingebornen unterstützt hätten, welche auf
Grund von namentlich in den Diamantenfeldern gesammelten, sehr bitteren
Erfahrungen den Verkauf von Spirituosen an die Schwarzen zu hemmen
suchten. Kriege mit den Eingebornen können denselben nicht so viel
materiellen Schaden an Körper und Habe (die Habe des Einzelnen
schmälernd) verursachen, als ein jahrelanger ungestörter Genuß des
Feuerwassers und dies namentlich bei Stämmen, die schwach in ihren
geistigen Anlagen, sich leicht durch alles Glänzende, kleinen Kindern
gleich, bethören lassen. Ja, ich bin dessen vollkommen sicher, daß viele
meiner hohen Gönner in England, denen die Eingebornenfrage Süd-Afrika's
am Herzen liegt, nie einen solchen Anblick vergessen würden, wie er sich
den Bewohnern vieler Capland-Städte noch darbietet, in den
Diamantenfeldern jedoch ein alltäglicher war: daß der weiße Mann
betrunkene Korannafrauen, wild fluchend, von Schmutz halb verzehrt, in
den staubigen Straßen herumwanken sah, bis sich ihrer ein Wachmann
erbarmte. Der Anblick eines unreinen, im Schlamm sich wälzenden Thieres
könnte nicht mehr anwidern als jener. Wenn ich aber hinzufügen darf, daß
in den Diamantenfeldern, in der Provinz Griqualand-West selbst, in
dieser Beziehung ein lobenswerther, ein bedeutender Fortschritt geschah,
daß die Regierung, um die materielle Lage ihrer farbigen Bevölkerung zu
verbessern, die Summe von 3000 £ St. in Kantinenlicenzen
(Kantinensteuern) aufopferte und sonst bemüht ist--obgleich gegen eine
starke Opposition ankämpfend--den Verkauf des Brandy an Eingeborne zu
beschränken, wird dies jeden einsichtsvollen Mann gewiß befriedigen.
Unstreitig wird sich die materielle Lage der Eingebornen bessern, und
sie als kleine Steuerzahler, den der Regierung durch jene Maßregel
verursachten Schaden wieder gut machen.

Es ist zu hoffen, daß die in den letzten Jahren so vollkommen
zerrütteten Verhältnisse, das über alle Begriffe demoralisirte
Familienleben der Koranna's sich verbessern und sie namentlich als
Viehzüchter und Ackerbauer etwas Bedeutendes leisten können. Einen
kleinen Preis müßte die Regierung ausschreiben für jene, welche an ihren
Hütten den einfachen europäischen Styl nachahmend, ihre Wohnungen sich
selbst errichten, welche das meiste Feld bebauen, welche die schönsten
Feldfrüchte gewinnen oder das beste Vieh aufziehen; so aufmunternd,
edlere Gefühle in der bis jetzt nur noch von blinden thierischen
Regungen erfüllten Brust zu wecken trachten. Die Koranna's könnten in
der Holzschnitzerei und Steinschneiderei manches Gute leisten, wären
also auch hier zu unterstützen.

Durch den moralischen Verfall der Koranna's im letzten Jahrzehnte haben
dieselben die meisten ihrer früheren erwähnenswerthen Gebräuche außer
Acht gelassen, ja ich möchte sagen; vollkommen vergessen; was sich
jedoch noch bei ihnen erhalten hat, das ist eine Art Freimaurerthum. Die
Mitglieder dieser Gesellschaft erkennen sich an einem äußeren Abzeichen,
in der Regel drei auf der Brust ausgeführte 1-1½ Zoll lange (vernarbte)
Schnitte. Ein Mitglied dieses Bundes findet überall, wo er zu
Seinesgleichen hinkommt, die freundlichste Aufnahme, sowie er dem
Hausherrn die Narben auf der Brust gewiesen, oder dieser, dem Besucher
das Hemd an der Brust öffnend, das Zeichen erblickt hat. Solch' ein
Freimaurer wird nun von dem Bruderhausherrn auf das Freundlichste
aufgenommen, bewirthet, und einem Verwandten oder Familiengliede
gleichgehalten. Will ein Koranna diesem geheimen Bunde beitreten, so
macht er, da das Erkennungszeichen ziemlich bekannt unter dem Stamme
ist, einem seiner Nachbarn, an welchem er ein solches beobachtet, seinen
Entschluß bekannt, daß er beitreten wolle. Hat sich der Angesprochene
überzeugt, daß der Antragsteller im Stande ist, die Kosten der
Einweihungs-Ceremonie zu tragen, so meldet er es den in demselben Dorfe
oder ringsherum Wohnenden, und wenn sich keine in der Nähe aufhalten,
sondern weitab wohnen, so wird um diese gesendet und nachdem sie sich
versammelt, die Einweihungs-Ceremonie vorgenommen, welche darin besteht,
daß man dem neuen Bruder die gegenseitigen Unterstützungspflichten
bekannt macht, und wobei er, von dem Aeltesten der Anwesenden mit den
drei Schnitten gekennzeichnet, das Gelübde, jenen Verpflichtungen
nachzukommen, abgibt und dies mit dem gewöhnlichen Schwure »so wahr als
ich eine Mutter habe« bekräftigt. Eine Orgie beschließt diese Ceremonie,
wobei einige Stück Rindvieh, Schafe und Ziegen geschlachtet werden und
die Gesellschaft nicht eher scheidet, als bis alles consumirt ist.

Ich werde noch mehrfach Gelegenheit finden, diese in allgemeinen Zügen
gehaltene Charakteristik dieses Stammes zu vervollständigen.

Nach einem fast dreistündigen Aufenthalte verließen wir Pniel, der Weg
führte nun über bebuschte Hochebenen, welche von zahllosen rothen
Flugsanddünen durchzogen waren, die unseren Zugthieren die größten
Schwierigkeiten bereiteten. Wir mochten etwa zwei Drittel des
Dünengürtels durchmessen haben, als unsere Thiere, erschöpft, nicht mehr
von der Stelle zu bringen waren, und wir hier auf vorbeiziehende
Batlapinen warten mußten, welche nach den Diamantenfeldern Holzhandel
treiben. Wir waren schon mit der Herstellung unseres primitiven
Nachtlagers beschäftigt, als uns der bekannte gedehnte Knall der
Ochsenpeitsche (eines Monstrums in seiner Art) auf ein ankommendes
Gefährte aufmerksam machte. Es waren, wie ich vermuthet, von Klipdrift
kommende Holzfuhrleute; die Unterhandlungen über die geforderte
Entlohnung waren bald beendigt, und der Wagen in kürzester Zeit aus der
mit Dünen besäeten Ebene auf festem Boden in Sicherheit. Eine neue bange
Sorge verursachte uns die Beischaffung des nöthigen Trinkwassers für
unseren persönlichen Bedarf und zum Tränken der durstigen Thiere. Die
Nacht war sehr dunkel, ein kalter Nordwind durchdrang unsere Kleider,
nur ein ungewöhnliches Wetterleuchten am westlichen Horizonte erhellte
zuweilen die tiefe Finsterniß.

Die Wegrichtung zum Strom war uns wohl bekannt, allein in der
Dunkelheit, die uns kaum erlaubte, auf 40 Schritte hin deutlich zu
sehen, war es uns unmöglich, uns über die Stelle zu orientiren, auf
welche wir lossteuerten; es konnte ein steiler Abhang oder eine
schlammige Uferpartie sein, beides gleich gefährlich.

Ich mein Reitpferd, meine weißen Gefährten je ein Paar der Zugthiere
führend, steuerten wir, unseren zurückbleibenden Wagen allen Göttern
empfehlend, in die Dunkelheit hinaus, von »Nigr« begleitet, der sich um
die Dunkelheit wenig zu kümmern schien und vorwärtseilend durch lautes
Bellen seine Befriedigung über den nächtlichen Ausflug kundgab. Anfangs
ging es über eine kurz begraste Ebene, die nach dem öfteren Ausgleiten
zu urtheilen, mit vielen breitblättrigen Liliaceen bedeckt zu sein
schien, dann kamen wir an zahllose vom Regenwasser aufgewühlte Rinnsale,
deren erstes uns ein Schrei meines Begleiters F. ankündigte, der bis zu
den Hüften darin versank. Wir brachen von den unseren Weg säumenden
Gebüschen Aeste ab, um damit das Terrain vor uns zu sondiren, doch half
dies nicht viel, namentlich als wir uns dem Flusse nähernd, den Abhang
heruntergingen. An den zahlreichen Mimosenzweigen blieb so manches
wollene Wahrzeichen unseres kühnen Nachtmarsches zurück, der den Koranna
unwillkürlich Achtung abringen mußte.

Am Flusse angelangt, war eine sichere Tränkstelle nicht anders zu
entdecken, als daß wir selbst mit Stöcken den schlammigen Ufergrund
sondirend, nach einer solchen suchten. Unsere Bemühungen waren über
alles Erwarten glücklich, nur wenige Schritte unterhalb unserer
Haltstelle stieß mein Begleiter F. auf einen vorzüglichen Tränkplatz.
Nachdem die Pferde mit aller Vorsicht einzeln getränkt waren, hieß es,
den Rückweg zum Lagerplatze auf der Hochebene antreten. Dies war nichts
Leichtes, denn wir hatten uns bald überzeugt, daß wir beim Abstieg zu
sehr vom directen Wege abgekommen waren. In der herrschenden
undurchdringlichen Finsterniß war unser Beginnen nicht ohne Gefahr, nach
wenigen Schritten, die wir vom Ufer ab zurückgelegt hatten, versperrte
uns eine dichte Gebüschbarriere den Weg, wir mußten also versuchen,
stromaufwärts freieres Feld zu gewinnen, ein in den letzten Zügen
flackerndes Feuer in der Entfernung von etwa 600 Schritten wies uns auf
die richtige Fährte. Vor Kälte zitternd (das Thermometer zeigte blos 7
Grad Reaumur) langten wir endlich am Wagen an, der heftige Wind und ein
vom Blitz und Donner begleiteter Regenschauer machten alle Versuche, ein
tüchtiges Feuer zu entzünden, zu Schanden. Obwohl auf das Aeußerste
ermüdet, wollte dennoch kein Schlaf unsere Glieder stärken, die durch
das Unwetter unruhig gewordenen Pferde zerrten ununterbrochen an unserer
»Arche« und vereitelten dadurch jeden Versuch, Morpheus an uns zu
fesseln, mit Gewalt. Da sich die Pferde durchaus nicht beruhigen ließen,
vermutheten wir, daß sie durch herumschleichende Hyänen beängstigt wären
und durchstreiften die nächste Umgebung, indeß ohne etwas Verdächtiges
wahrzunehmen.

Gegen Morgengrauen des nächsten Tages brachen wir weiter gegen Klipdrift
auf. Kleine in unsern Weg mündende Thälchen und mit hohem Busch
bestandene Ebenen brachten in die bisherige Monotonie einige Abwechslung
und waren durch Deuker und Steinbockgazellen belebt, auch die graue
Zwergtrappe tummelte sich zwischen den in kleinen, dichten Gruppen
stehenden, 6-12 Fuß hohen Büschen. Beide Gazellen halten sich tagsüber
in dem niedrigen und dichten Gebüsch im Versteck, die Steinbockgazelle
(_Tragalus rupestris_) verläßt dieses nur zur Nachtzeit oder bei
annähernder Gefahr. Ich glaube auch darin, daß sie des Tageslichtes
entwöhnt ist, den Grund des Erblindens der in der Gefangenschaft
gehaltenen Thiere (zu 90 Percent) zu finden. Im minderen Grade ist das
bei dem Deuker (_Cephalolophus mergens_) der Fall, da er auch zuweilen
tagsüber der Nahrung nachgeht. Geübte Schützen jagen beide Thiere mit
dem Riflestutzen; unter allen Umständen erfordert das Erlegen der
zierlichen, kaum 20 Zoll hohen Gazelle auf 200-400 Schritte Entfernung
eine meisterhafte Handhabung der Waffe.

»Sportsmänner« jagen die schönen Thiere mit Windhunden; ähnliche
Thierquälerei, einem der unschuldigsten Thiere gegenüber, hat der Weiße
auch in allen anderen Welttheilen eingeführt. In Süd-Afrika war es
bisher nur unter den Eingebornen im Gebrauch, _schädliche_ und
namentlich des _Pelzwerkes halber nützliche Thiere_ mit Hunden zu jagen
und selbst bei diesen verkürzte man thunlichst die Dauer der Verfolgung.
Dazu gehören die südafrikanischen Schakale (_Canis mesomelas_ und
_cinereus_), der Kamafuchs, sowie der Erdwolf (_Proteles Lalandii_), die
Genettkatzen und das Scharrthier.

Der Steinbock, von den Boers »Steenbuck« genannt, sowie der Deuker oder
Ducker sind in den dichtbebuschten und bewaldeten Partien am Abfalle des
süd- und centralafrikanischen Hochplateau's nach der Küste zu durch den
Grysbock (_Tragalus melanotis_) und den kleinen Blaubock (_Cephalolophus
coerula_), nach Norden hin durch den auf den Ebenen des
Salzpfannengebietes paarweise, jenseits des Zambesi in kleinen Heerden
lebenden Orbecki vertreten.

Die Fahrt über die bebuschten Hügelpartien nahm unsere ganze
Aufmerksamkeit in Anspruch, denn der Weg glich dem trockenen Bette eines
mit Geröll übersäeten Wildbaches, der Wagen kam in die bedenklichste
Situation, seine Schwankungen kosteten einem unserer Hunde, der sich
unvorsichtiger Weise zu nahe gewagt, das Leben. Endlich war die
Vaal-Fähre erreicht und wir alle gegen zehn Shillinge Entlohnung über
das Wasser gesetzt.[1]

    1: Zur Trockenzeit benützen die Wägen eine unterhalb der Fähre
    befindliche Furth.

Am rechten Ufer des Vaal angelangt, schlugen wir in unmittelbarer Nähe
von Klipdrift, am Fuße einer Anhöhe unser Lager auf. Mit anderen
südafrikanischen Orten verglichen, verdient Klipdrift ein hübsches
Städtchen genannt zu werden. Aus etwa 150 theils steinernen, theils
Eisenblechhäusern (die Ueberreste des früher 5000 Einwohner zählenden
Hauptortes der River-Diggings) bestehend, liegt es am Abhange niedriger,
kaum 80 Fuß das Niveau des Flußbettes überragender, mit unzähligen
dunkelbraunen Felsblöcken (Trapdykes) bedeckter Höhen; der aus Südsüdost
kommende Fluß macht hier eine Biegung nach West. Kleine, theils kahle,
theils begraste, hie und da mit Bäumen bedeckte Inseln in dem ober- und
unterhalb Klipdrift über Felsenblöcke rauschenden Strome verleihen
dieser Ansiedlung einen nicht geringen Reiz. Zur Zeit meines Besuches
schmückten hohe Bäume beide Ufer des Flusses, von denen das linke höher
als das rechte ist.

Lange Zeit besaß Klipdrift eine architektonische Merkwürdigkeit, nämlich
das einzige aus Steinen erbaute einstöckige Haus, das Kanzleigebäude der
»Standardbank«, eines Institutes, dessen Noten vollen Goldwerth haben.
Am Ostende von Klipdrift schließt sich die _native location_ (die
Niederlassung) der farbigen Eingebornen an, damals von Koranna's
Batlapinen und Barolongen bewohnt, von welchen gegenwärtig nur noch die
beiden ersten Stämme vertreten sind. Das Aeußere dieser
Eingebornen-Niederlassung erhält durch ein buntes Gemisch verschiedener
Baustyle (Korannahütten, Basutohütten und in europäischem Style
aufgeführte Holz- und Lehmhäuschen) einen eigentümlichen Charakter.

[Illustration: Inneres einer Korannahütte.]

Die Bewohner, Männer sowohl als Frauen, entwickeln regen Arbeitssinn,
während sich die ersteren im Taglohn oder zu anderen Arbeiten (Jobs)
verdingen, steuern auch die Frauen (besonders die Kaffern- und
Betschuanafrauen) durch ihren Verdienst als Wäscherinnen zu den Kosten
der Haushaltung bei. Ihre Thätigkeit belebt die Scenerie am Flusse.

Ein flüchtiger Blick genügt, um die beiden Racen zu unterscheiden, und
ohne Zaudern werden wir den Vertretern der Betschuanarace, den
Batlapinen und Barolongen den Vorzug angenehmerer Gesichts- und
Körperbildung einräumen. Von mattschwarzem bis dunkelbraunem Teint, sind
ihre Gesichtszüge weder schön noch häßlich, während das gelblich-braune
Gesicht des Koranna direct häßlich zu nennen ist. Die kleinen Augen
liegen in tiefen Höhlen, das kurze und schmale Gesicht zeigt kaum einen
deutlichen Nasenansatz, die unnatürlich vorgehenden Kinnbacken und
wulstigen Lippen sind die Hauptmerkmale der vorderen, ein kleiner,
länglicher Schädel jener der hinteren Kopfbildung. Der Körper der Frauen
wird durch jene bekannte Sattelbildung der unteren Wirbelsäule, welche
ihren Gang schwerfällig erscheinen läßt, nicht wenig verunstaltet. Viele
Korannafrauen hatten Wange und Stirne mit rothem Ocker überschmiert,
oder blau bemalt, und zwar mit vom Ohre zu den Augen, Nase, Mund und
Kinn laufenden geraden oder nach oben zu concaven Linien. Häufig fand
ich die Wangen und Stirne auch braun und schwarz bestrichen, was ihnen
das Aussehen von gekleideten Affen verlieh.

[Illustration: Kranken-Ordination in Klipdrift.]

Bei einem meiner Besuche im Eingebornenviertel trat ich in eine der
Korannahütten. Es bot sich mir da ein eigentümliches Bild dar. In einer
schüsselförmigen Vertiefung in der Mitte der Hütte lag in glühender
Asche ein wolliger Gegenstand; bei näherer Besichtigung erkannte ich,
daß es ein Lämmchen war, das gebraten wurde. Zwei Frauen, den Oberkörper
vollkommen entblößt, beide gemüthlich rauchend, saßen auf Matten,
während einige nackte Kinder, deren gelblich-graue, lichte Körperfarbe
durch Unreinlichkeit schwarz übertüncht war, herumspielten. Das
Familien-Oberhaupt, in abgetragene europäische Lappen gekleidet, saß
unmittelbar am Heerde und verfolgte mit gespannter Aufmerksamkeit das
Garwerden des Bratens, das ein lautes Schnalzen mit der Zunge
anzukündigen schien. Dies betätigte mir auch die Entfernung des
Stückchens Kautabak, das der Koranna nur während des Mahles weglegt. Es
währte nicht lange, so war der Lammsbraten von der glühenden Asche
befreit, der verkohlten Wolle entledigt, in Stücke geschnitten und
zertheilt. Während die Kinder fest und gierig darauf losbissen,
schnitten sich der Mann und die Frauen, indem sie das eine Ende eines
Fleischstückes mit den Zähnen, das andere mit der Hand festhielten,
jeden Bissen mit dem Messer unmittelbar an den Lippen ab. Außer Fleisch,
wobei sie namentlich die Eingeweide und das Hirn der Thiere vorziehen,
genießen die Koranna's häufig Mehlbrei, gekochte Kürbisse und Milch, nur
Fische, Krebse, Muscheln und Aehnliches verabscheuen sie wie die meisten
afrikanischen Völker im Innern des Erdtheils, während wir überall längs
der Seeküste Spuren von Menschen finden, welche sich durch eine sehr
lange Periode nur von Fischen genährt haben mußten.

In geringer Entfernung von dem Eingebornenviertel in Klipdrift liegen
die in früheren Jahren bearbeiteten River-Diggings. Welcher
Unterschied--wie unscheinbar gegen die Dry- (Central) Diggings. Eine
Unzahl zwei bis acht Quadratmeter großer, bis zwei Meter tiefer,
theilweise mit Gerölle, namentlich calcedonartigen Steinen und
kopfgroßen Grünsteinblöcken gefüllter Gruben, einem durchstöberten
Friedhof nicht unähnlich, war Alles, was von den einst von Tausenden
emsiger und mit Fieberhast arbeitender Menschen belebten
Diamanten-Fundstätten übrig geblieben, seit Dutoitspan entdeckt worden
war. Obwohl die Gruben keine besondere Tiefe hatten, mußte trotzdem das
Diamantensuchen in diesem steinigen Boden sehr beschwerlich gewesen
sein; ich traf jetzt nur zwei Digger, welche im Schweiße ihres
Angesichts nach den kleinen, glänzenden Kieseln und allem Anscheine nach
mit wenig Erfolg fahndeten; ein Engländer, der mit zwei Batlapinen
arbeitete, und eine abgemagerte, etwa dreißigjährige weiße Frau, in
deren Zügen Krankheit und Noth nur zu deutlich zu lesen waren; in ihrer
Gesellschaft ein kleines Kind, welches mit farbigen Steinen spielte.
Ihre sorgenschweren Mienen flößten mir Mitleid ein und ich konnte die
Frage nach dem Erfolge ihrer Bemühungen nicht unterdrücken; ihre Antwort
entrollte mir eines jener traurigen Bilder, an denen das Diggerleben in
den Diamantenfeldern trotz der kurzen Zeit, die seit ihrer Entdeckung
verflossen, überreich ist. Vor mir stand eine junge Frau, welche ihrem
diamantensuchenden Gemahle nachgereist war, um ihn in sterbendem
Zustande wiederzufinden und nun selbst allen tückischen Wechselfällen
des aufregenden und aufreibenden Diggerlebens preisgegeben zu sein.--Ich
werde später noch Gelegenheit finden, die Geschichte manches Opfers der
Diamantenfelder zu erzählen.

Die mit üppiger, durch einige tropische Species charakterisirte
Vegetation bewachsenen, kleinen Bergthäler, sowie einige morastige
Wiesen in der Nähe des Flusses, hauptsächlich aber seine dichtbebuschten
und belaubten Ufer und sein bald felsiges, bald schlammiges Bett,
beherbergen als vorzüglich geeignete Schlupfwinkel, eine artenreiche
Thierwelt. Ich bedauere, daß ich Klipdrift und seine nächste Umgebung
stets nur flüchtig, meist auf dem Durchmarsche berühren konnte; bei
längerem Aufenthalte winkt hier dem naturwissenschaftlichen Sammler
reichliche Ernte, wie denn überhaupt der Ort wie eine Oase aus der
eintönigen Oede des südafrikanischen Hochlandes hervorsticht. Doch
selbst während meines kurzen Aufenthaltes fand ich von Falken und
Sperbern manche interessante Art, graue Uhu's, Berg-, Baum-, Sumpf-,
sowie auch Zwergeulen ziemlich vertreten; mehrere Krähenarten und
namentlich in den Buschdickdichten der Ufer, sowie in der Nähe der
Gehöfte fünf Staararten, von denen ich den kleinen, und den schönen
großen, langschwänzigen Glanzstaar besonders hervorheben will. Zahlreich
sind die Würger, doch noch zahlreicher die körnerfressenden Singvögel
vertreten, von den letzteren fielen mir mehrere langschwänzige
Finkenarten auf, doch fehlen auch Drosseln und andere Insecten fressende
Singvögel nicht, namentlich Bachstelzen, Schnapper, Rohrfänger etc. Von
spechtartigen Vögeln traf ich nur zwei, dagegen mehrere Arten Colibri's
und eine Art des Bienenfängers, sowie zwei Eisvögel- und Kukuksarten an.
Auch der schon erwähnte langschwänzige kleine Mäusevogel, mehrere
Schwalben und eine Ziegenmelker-Species gehören zu den häufigeren
Erscheinungen, in entsprechendem Verhältnisse sind auch die übrigen die
Fauna Süd-Afrika's charakterisirenden Vogelarten vertreten, vor Allem
aber Tauben, Zwergtrappenarten, Stelzenvögel, Enten und Taucher. Unter
den Reptilien waren namentlich drei Species von Landschildkröten, neben
einer im Wasser lebenden, häufig zwischen den Felsenblöcken an den Höhen
anzutreffen. Die gewöhnliche Schildkröte, die gemeine südafrikanische
Landschildkröte, und eine flache Art mit viereckigen grünlichen
Zeichnungen in den Centren der oberen Schilder. Von Fischen beobachtete
ich fünf Species, von welchen ich eine nordwärts bis über den Zambesi
hinaus in allen Gewässern sowohl im Süßwasser, als auch in den
Salzpfannen und Salzflüssen vorfand. Es ist der südafrikanische Wels mit
schildförmigem Kopfe.

Erst hier, in der unmittelbaren Nähe von Klipdrift, gelang es mir, meine
vier Pferde gegen die tauglicheren Zugochsen einzutauschen; obgleich ich
dabei in pecuniärer Beziehung Einbuße erlitt, ging ich hocherfreut auf
den Tausch ein, denn schon war in der Umgegend die alljährlich
grassirende Pferdekrankheit ausgebrochen und in unserer Nähe sonnten
sich bereits mehrere Pferdecadaver. Mein Gespann bestand nun aus sechs
Zugochsen, von welchen leider zwei äußerst störrisch und unlenksam
waren, während der Verkäufer mir alle als äußerst zahm, gefügig und
Thiere par excellence anpries. Hätte nicht die grassirende
Pferdekrankheit bereits so deutliche Beweise ihres mörderischen
Auftretens in unserer Nähe gegeben, so wäre ich beim Tausche wohl besser
weggekommen; so aber schien der Mann nur zögernd das Geschäft
abschließen zu wollen. Mit der Vermehrung meines Gespanns erwuchs mir
auch die Sorge, wenigstens zwei farbige Diener zu miethen; einen als
»Leader«, um das vorderste Paar der hintereinander gespannten Zugthiere
zu leiten und einen »Driver«, der das Gespann mit der Peitsche anzujagen
hatte. Auch dieser Bedarf war bald gedeckt; bei einem Besuche des
Korannadörfchens hatte Freund F. einen hier lebenden Deutschen
angetroffen, den ich nun ersuchen ließ, uns unter seinen Nachbarn zwei
rüstige, junge Männer auszusuchen und auf einige Wochen als Diener zu
miethen. Noch am selben Tage brachte uns dieser einen echten
Korannajüngling von ungefähr 16 Jahren und einen Korannabastard mit
Namen Gert, welche sich beide geneigt zeigten, gegen einen wöchentlichen
Lohn von 8 Shillingen und 6 Pence in meine Dienste zu treten.

Zu meiner nicht geringen Ueberraschung erbat sich der deutsche Ansiedler
als einzigen Gegendienst einen Besuch bei seiner kranken Frau. Gern
folgte ich ihm und fand mich bald darauf in einem kleinen, halb in
europäischem, halb im Style der Korannahütten ausgeführten kleinen
Gebäude, wo der Mann in Gesellschaft einer Bastardfamilie wohnte. Auch
seine Frau gehörte zu diesen Mischlingen. Sie war in elende, doch
reinliche Lappen gekleidet und der erste Blick belehrte mich über die
Natur ihrer Krankheit; die Aermste war in Folge drückendster
Nahrungssorgen gänzlich entkräftet; ich fand leider erst später
Gelegenheit, ihr stärkende Arzneien senden zu können. Während ich noch
mit der Frau sprach, hatte sich uns ein kleines, etwa sechsjähriges
Mädchen mit wahrhaft feinen und schönen Gesichtszügen und kurzgelocktem,
dunkelblondem Haare genähert. Es trug keine Spuren des dunklen Teints
seiner Mutter an sich. Ueber meine Frage: wie es der Mann über sich
bringen konnte, sich hier unter den Farbigen niederzulassen, erhielt ich
die Antwort: »Wohne nicht lange hier, habe über 300 £ St., die ich mir
durch langjährige Arbeit in der Colonie erworben, in jenen verlassenen
Diamantengruben dort drüben eingebüßt; nun muß ich Taglöhnerarbeit
verrichten, und in allen diesen Mühen, Sorgen und Enttäuschungen fand
ich an diesem farbigen Weibe ein so treues, aufopferndes und
mitfühlendes Wesen, daß ich mich nicht leicht von ihr trennen könnte.«

Trotz häufiger Regenschauer, welche sich während unseres Aufenthaltes in
Klipdrift eingestellt hatten, dachten wir nicht daran, unser bisher
gewohntes Nachtlager unter dem Wagen aufzugeben; unser Erfindungsgeist
fand bald eine entsprechende Abhilfe. Dem Nachtlager war aber auch nicht
ein gewisser origineller und phantastischer Zug abzusprechen. Unsere
Diener schienen nicht nur in der Mythologie Süd-Afrika's wohl bewandert
zu sein, sondern auch unter den Göttern des Alterthums so manchen Gönner
zu haben, vor Allem schien Bacchus ihr Schutzpatron und Morpheus ihr
Liebling zu sein. Wenn wir sie nicht zur Arbeit angehalten hätten, wären
sie im Stande gewesen, sechs Stunden des Tages dem Dienste des ersteren,
und den Rest des Tages dem Letzteren zu widmen. Ja, Gert trieb es so
weit, daß er oft während des Mahles einschlief.

Nachdem wir uns mit etwas Provision, namentlich Mehl, Thee und Zucker
versorgt, verließen wir Klipdrift und brachen nach Norden zu, gegen die
Vereinigung des Hart-River mit dem Vaal-River, in die von den westlichen
Batlapinen bewohnten Landstriche auf, wobei ich noch einige der
flußabwärts liegenden, verlassenen River-Diggings und zunächst das auf
halbem Wege liegende Gong-Gong berühren wollte. Die durchreiste Gegend
war ein mäßig hügeliges, nach Westen zu dem Vaalfluß' steil abfallendes,
nur stellenweise dichter bebuschtes Hochplateau, auf welchem einige
Niederlassungen der Koranna's und Batlapinen zerstreut lagen.

Für den Jäger wie Naturforscher hat das Land zwischen dem unteren Hart-
und Vaal-River insoferne besonderes Interesse, als man von Süden her
hier zuerst das von den holländischen Farmern »blaues Wildebeest«, von
den Betschuana's »Kokon« genannte, gestreifte graue Gnu (Catoblepas
Gorgon) rudelweise antrifft. Es breitet sich von hier und von den
nördlichen Gegenden des Oranje-Freistaates nach Norden zu bis über den
Zambesi aus und ist größer als das schwarze oder gemeine Gnu, dabei auch
minder wild. Seine Hörner unterscheiden sich auch wesentlich von jenen
des gemeinen Gnu, sie sind nämlich nach vorne und innen gebogen und
ähneln denen mancher unserer kurzhörnigen Rindviehracen.

Die Jäger unterscheiden beide Arten nach der Farbe der Schwanzhaare,
indem das schwarze durch einen weißen, das auf bläulich-grauem Grunde,
namentlich am Vorder- und Oberkörper schwarz gestreifte Gnu durch einen
schwarzen Schwanz schon aus großer Ferne erkennbar ist. In den baumlosen
Ebenen von den westlichen Theilen der Cap-Colonie bis zum 23. Grad
nördlicher Breite ist es neben den Springbock- und den Bläßbockgazellen
das häufigste Wild.

In später Nachmittagsstunde bogen wir in eine kleine Schlucht ein, an
derem Ausgange im Vaalthale einige Segeltuchhäuschen und Zelte sichtbar
wurden; es waren die Reste des einst so blühenden Gong-Gong, das
anmuthig aus dem dunklen Grün üppiger Laubbäume hervorlugte. Auch
fehlten einige Koranna- und Betschuanahütten nicht, die auf dem felsigen
und niedrigen Abhange des Plateau's zwischen den Steinblöcken erbaut
waren. Gegenüber von Gong-Gong liegt das noch ärmlicher aussehende
Waldeks-Plant.

Wir schlugen im Dörfchen selbst auf einer einladenden Rasenstelle unser
Lager auf. Ein Wagen war für Gong-Gong und Waldeks-Plant etwas nicht
Alltägliches und so waren wir bald Gegenstand der allgemeinsten
Aufmerksamkeit geworden.

Die Diamantengruben von Gong-Gong lagen auf dem Abhange; jene im Thale,
unmittelbar am Flusse und im alten Flußbette waren schon seit Langem
verlassen. Mehr Leben fand ich in Waldeks-Plant, welches sich auch durch
den Fund zweier schönen Steine in einer und derselben Grube einen Namen
errang. Es war ein gelblicher Stein, der 288¼ Karat wog und ein zweiter
weißlicher, der in seiner Mitte einen schwärzlichen Fleck zeigte, einer
Fliege nicht unähnlich und deshalb auch der »Fly-(Fliegen-)Diamond«
genannt wurde. Ihr Finder wollte einst nach langer fruchtloser Arbeit
seinen Claim verkaufen, doch Niemand fand sich, der auf seine Forderung
eingegangen wäre; um nicht müßig zu sein, entschloß er sich allein, ohne
Beihilfe schwarzer Diener, das Graben und Suchen fortzusetzen. Das
bishin treulose Glück lächelte ihm nun zu und er fand zuerst den großen,
kurze Zeit darauf den Fly-Diamond und ward über Nacht ein »gemachter
Mann«. Der Werth des großen Steines wurde damals mit 10.000 £ St.
angegeben und ich erinnere mich, daß er nach meiner Rückkehr von der
ersten Reise in den Central-Diggings längere Zeit hindurch gegen 1
Shilling Entrée ausgestellt war.

[Illustration: Batlapinenknaben den Kiri werfend.]

Von Gong-Gong schlugen wir eine nördliche Richtung nach dem Hart-River
ein; einige weiße, aus der Ferne entgegenschimmernde Punkte an den zum
Vaal sich steil herabsenkenden Felsenhügeln bezeichneten uns die
Stellen, wo noch vor wenigen Jahren die blühenden River-Diggings
New-Kierke-Rush u.a. lagen. Die Strecke von Gong-Gong bis Delportshope
(dieses nicht ganz eine Meile von der Hart-Rivermündung entfernt) gehört
gewiß zu den unbequemsten, die ich je mit einem Wagen passirte. Ich
konnte es nicht fassen, wie zur Zeit der Blüthe der River-Diggings auf
solchen Verkehrspfaden die Bedürfnisse von Tausenden von Menschen
mittelst der Achse herbeigeschafft wurden. Auf der ganzen
zurückzulegenden Strecke glich der als Fahrweg benützte Erdstreifen
einem von Wasserfluthen ausgewaschenen Geröllboden. Die Fahrt über diese
Chaussee war, wie leicht denkbar, eine martervolle; kaum war das eine
Hinterrad aus einem der zahllosen wassergefüllten Löcher durch die
vereinten Anstrengungen der Thiere und die virtuose Handhabung der
riesigen Peitsche von Seite des Korannatreibers herausgefördert, als
schon wieder eines der Vorderräder über einen fast fußhohen Block
hinaufgezerrt wurde. Um das Maß voll zu machen, begannen die des Joches
ungewohnten Zugthiere in störrischester Weise ihre Dienste zu versagen.

Kein Wunder, wenn diese Fahrt die dreifache Zeit in Anspruch nahm. Ein
Blick auf die zu beiden Seiten des Weges zerstreut umherliegenden
Wagentrümmer gewährte uns einen, wenn auch schwachen Trost; wir waren
nicht die einzigen, die unter diesen Qualen zu leiden hatten. Leider
waren dieser Fahrt alle meine Thermo- und Barometer zum Opfer gefallen.
Die Begegnung mit einem Batlapinen, der an einem Kiri, einer bei den
Zulu und Betschuana beliebten Waffe, ein Häschen trug, nahm mein ganzes
Interesse in Anspruch. Die Waffe ist aus Holz (bei den nördlichen
Bamanquato auch aus dem Horne des Rhinoceros) gearbeitet, 20-90
Centimeter lang und läuft an einem Ende in eine hühnerei- bis
faustgroße, einfache oder geschnitzte Kugel aus. Im Handgemenge ist der
Kiri eine sehr wirksame Waffe, auch findet er auf der Jagd Verwendung
und einige Stämme werfen ihn mit wahrhafter Virtuosität. Bei den
Matabele ist der Kiri jene furchtbare Waffe, mit welcher diese Zulu's
die Schädel der männlichen, erwachsenen Bevölkerung der rebellirenden
Makalakadörfer einschlugen.

[Illustration: Batlapine.]

Nebst dem Hasen trug der Mann auch ein Paar aus gegerbtem Leder
gearbeitete, mit Thiersehnen sauber zusammengenähte Unaussprechliche,
welche ich ihm sammt der Jagdbeute und der Waffe abkaufen wollte.
»Nein,« antwortete er, im gebrochenen Holländisch, »det brüke« (die
Betschuana's haben in ihrer Sechuana[1] keine Benennung für viele der
von den Europäern eingeführten Artikel, darum nehmen sie das dafür im
Holländischen oder Englischen gebräuchliche Wort, es natürlich
verunstaltend, oder sie umschreiben es durch mehrere ihrer eigenen
Sprache), »bring' ich zu meinem »Bas« (Herrn) nach Klipdrift,« den
Hasen, meinte er, könne er selbst gut brauchen und den Kiri könne er uns
schon gar nicht überlassen, da er seiner zum Schutze gegen die Phyci
(Hyäne) bedürfe. Wie der in der Colonie wohnende Kaffer auf seinen
Wanderungen stets seine beiden, in der Regel aus Eisen oder Assagaiholz
gearbeiteten Stöcke mit sich führt, so nimmt auch der Betschuana und
Zulu seinen Kiri mit. Hat er auf der Weide oder im hohen Grase eine
Zwergtrappe bemerkt, so sucht er sich so nah' als möglich
anzuschleichen, erhebt sich dann plötzlich, um den Vogel zum Auffliegen
zu bringen und in diesem Momente saust sein kleiner, am Ende verdickter
Stock durch die Lüfte. Er thut dies ebenso geschickt, wie er sich als
Schütze ungeschickt benimmt. Das Wild auf den unabsehbaren Ebenen
zwischen dem mittleren Hart-River und dem oberen Molapolaufe ist durch
diese Ungeschicklichkeit äußerst scheu geworden.

    1: Die Sprache der Betschuana's.

Nach und nach senkte sich das Land gegen den Hart-River, dessen Thal
breit und offen erschien, und im Norden aus der Ferne durch den
»N'Kaap«, den bebuschten und felsigen Abfall des Hochlandes begrenzt
wird. Die Vereinigung des Hart- und Vaal-Rivers wurde mir immer als ein
besonders schönes Landschaftsbild geschildert, ich fand dies blos als
Gegensatz zu dem an schönen Naturscenerien so armen Gebiete
Griaqualand-West bestätigt.

Von Süden kommend, breiten sich hier die vorher über Stromschnellen
dahin rauschenden Gewässer des Vaalflusses in einem geräumigen
schlammigen Bett aus, wo sie ruhig dahinfließend sich gleichsam etwas
Rast gönnen um unmittelbar vor der Mündung des aus Nordost kommenden
Hartflusses eine plötzliche Wendung nach West zu machen, und nachdem sie
diese Richtung für eine kurze Strecke verfolgt, eine entschieden
südsüdwestliche zu nehmen. Das linke Vaalufer an der Biegung ist
sumpfig, mit hohen Bäumen bestanden und birgt so manche Wildkatze,
Luchse und ähnliches Raubgethier, sowie einige Heerden verwilderter
Schweine.

Die südliche Partie des rechten Ufers, in den oberen Schichten aus
Humus, in den unteren aus Lehm gebildet, ist eine fruchtbare, nur
unmittelbar an der Flußmündung mit hochstämmigen Bäumen bewachsene
Ebene. Das jenseitige Ufer des Hartflusses ist viel höher, steigt auch
zu einer Felsenhöhe empor, die von Schieferlagern gebildet und von
petrefactenarmem Kalk überlagert, jene oben erwähnte nach dem N'Kaap
hinziehende Hochebene bildet. Diese Höhe fällt unmittelbar am Vaalflusse
oberhalb der Biegung steil ab, und wird von einer hier einmündenden
Schlucht getheilt, welche ich manches interessanten Fundes halber
(meiner Vaterstadt zu Ehren) die Holitzer Schlucht nannte und die kaum
300 Schritt von der Hart-Rivermündung entfernt liegend, mit der von
Hübner entdeckten Klippdachsgrotte nicht zu verwechseln ist. Beide Ufer
des unteren Hart-River gehörten früher zum Besitze des 3 englische
Meilen entfernt am rechten Ufer in der »Stadt« Lekatlong wohnenden
Batlapinenfürsten Jantsche, der gegenwärtig als englischer Unterthan
eine jährliche Subvention von 200 £ St. erhält.

Der Abstieg von der hohen Ebene von Gong-Gong in das Hart-Riverthal
führte uns an dem im bereits bekannten südafrikanischen Styl erbauten
Gehöfte eines Store-Keepers (Kaufmannes) vorüber. Der freundliche
Empfang, den wir bei diesem fanden, brachte uns bald näher und so erfuhr
ich, daß er ein Deutscher sei, der an eine holländische Frau
verheirathet, im nahen Delportshope sein Glück im Diggen versuchte,
dabei aber noch ein kleines Tauschgeschäft mit den Batlapinen des
unteren Hart-Riverthales betrieb und das Holz der Kameeldornbäume, die
hier das jenseitige Ufer des Vaal dicht bedeckten, auf dem Markte in
Kimberley verkaufte.

Seine uns bewiesene Gastfreundschaft und das Bestreben, sich uns
gefällig und nützlich zu erweisen, hätte bald ein Menschenleben
gefordert. Als er meine naturhistorischen Sammlungen, all' die von ihm
so verabscheuten Reptilien und das giftige Gewürm in theurem Spirit of
wine (Spiritus) präparirt sah, war sein Erstaunen nicht gering, da er
aber bemerkte, welchen Werth ich auf die Acquisition schöner Exemplare
dieses »Gut« (spr. Chut) legte, war er bemüht, mir solches zu
verschaffen. Besondere Freude glaubte er mir durch den Fang einer
Fischotter[1] zu bereiten. Da es schwer hielt, die scheuen Thiere
lebendig zu fangen, wollten er und seine Freunde mir mindestens zu
einigen Bälgen verhelfen. Ein junger Holländer hatte deshalb sein altes
Schrotgewehr geladen, jedoch zu stark, beim Schusse barst das
Gewehr--glücklicherweise ohne den Schützen oder Jemanden seiner Umgebung
zu verletzen.

    1: Ich beobachtete drei Fischotterarten in Süd-Afrika, eine in den
    Strömen der südlicheren Partien und zwei im Limpopo- und
    Zambesi-Gebiete. Wenn die eine auch größer als die unsrige ist, hat
    doch keine der drei Arten einen gleich werthvollen Pelz.

In der durch Jahrtausende hindurch thätige Erosion ausgewaschenen
Felsenmulde der Holitzer Schlucht, machte ich bei näherer Besichtigung
derselben die interessante Entdeckung, daß dieselbe ein wahres
schützendes Asyl für die artenreiche niedere Thierwelt und ein
natürliches Treibhaus für die Vegetation sei. Während ich an den offenen
Ufern des Vaal körner- und insectenfressende Singvögel nur in kleinen,
mehrere Pärchen zählenden Colonien vorfand, wiederhallten hier die
dichtbebuschten, bald terrassenförmig, bald steil abfallenden Wände der
Schlucht von dem tausendstimmigen Gezwitscher der verschiedenartigsten
Sänger. Die Bezeichnung »schützendes Asyl« ist eine um so zutreffendere,
wenn wir die Lage und Umgebung der Schlucht näher in's Auge fassen. Die
Schlucht--offenbar nur die Fortsetzung, d.h. das durch das Wasser
muldenartig ausgewaschene Ende eines seichten Wiesenthales der
Hochebene--ist an ihrem oberen Rande derart von dichten und dornigen
Büschen eingerahmt, daß nur sehr kleine Thiere ungehindert Zu- und
Ausgang finden; nach unten ist sie vom Flusse aus begrenzt, dessen
steiles und hohes Felsufer, eine wirksame Schutzwehr gegen mordlustige
Eindringlinge bildet.

Am Grunde der Schlucht, unter dem Schatten breitstämmiger,
dichtbelaubter Bäume, erfreut uns das dunkle, saftige Grün eines üppigen
Rasens; hier konnten wir das muntere Treiben der Springhasen, kleiner
Gazellen, des Klippdachses und der Wildenten belauschen, während aus dem
dichten Laube der Bäume das Geschnatter einer hier in Ruhe nistenden
Chenalopex (Gansart) heraustönte. Den Reiz dieses verborgenen
Erdenwinkels erhöhte das Rauschen eines von den dichten beerenbehangenen
Büschen fast völlig verdeckten Wasserfalles im oberen Theile der
Schlucht, dessen Ufer (von einer Kalksteinlage überdeckter Sandstein)
grottenähnlich ausgehöhlt sind. Zur Trockenzeit versiegt nun allerdings
das die ganze Scenerie belebende Rauschen des Bächleins. Mein Entzücken
über dieses aus der anmuthslosen Umgebung edengleich hervorstechende
Plätzchen war vollständig, als ich am Boden der Schlucht eine dichte
Lage von Fossilien der letzten Alluvial Periode, darunter auch eine
Tigerschneckenart entdeckt hatte.

An einem der zahlreichen, sein Geäste über die Schlucht ausbreitenden
Bäume entdeckte ich einen mächtigen Nestbau, den ich für den eines Affen
hielt, jedoch später erkannte, daß er einem der größten befiederten
Nestkünstler, dem Hammerkopf angehöre. Dieser etwa 18 Zoll hohe, durch
ein schön braunes Gefieder und einen langen Schopf am Hinterkopfe
ausgezeichnete Vogel baut zwischen den Gabeln starker Aeste meist
solcher Bäume, welche Abgründe und Flüsse überhängen, oder zwischen
steilen Felsenklüften sein 18 Zoll bis 3 Fuß hohes im oberen Umfange 6-8
Fuß haltendes, nach unten spitzig zulaufendes Nest, das einem
abgestutzten, oben umgekehrten Kegelkörper nicht unähnlich ist. Das
Ganze stellt einen soliden, oben gedeckten und eine geräumige Kammer
enthaltenden Bau dar; in die Kammer führt eine viereckige 8-10 Zoll im
Quadrat messende Oeffnung. Der Bau, in dem eine Menge von Knochen
anzutreffen sind, ist meist aus Reisig aufgeführt.

Doch auch dieses Eden, vielleicht nicht unrichtig mit einem im tauben
Flußgerölle verborgenen Diamanten zu vergleichen, hatte seine Schlangen.
Ich fand in der Holitzer Schlucht nicht weniger als sieben Arten, unter
diesen zwei Species der in ganz Süd-Afrika wohl bekannten Cobra. Das
erste Thier erblickte ich in dem Momente, als ich Insecten suchend,
einen schweren Stein aufhob. Anfangs bemerkte ich nur, daß sich unter
demselben in einer mäßigen Vertiefung die Reste eines Mausnestes
befanden; der durch das Laubdickdicht dringende Sonnenstrahl ließ mich
aber sofort die glitzernde Haut einer Schlange erkennen. Da ich keine
geeignete Angriffswaffe bei mir hatte, blieb ich unbeweglich stehen, um
nach der Flucht der Schlange das Nest nach kleinen Insecten durchstöbern
zu können. Ich hatte auch nicht lange zu warten; durch die warmen
Sonnenstrahlen geweckt, löste sich aus dem weichen Wollbettchen ein über
vier Fuß langer Knäuel auf. Beim Emporrichten erblickte mich die
Schlange sofort und schon fauchte sie, wie es die Cobras[1] thun, mit
dem vorderen Drittel ihres Körpers aufgerichtet, nach mir herüber. Dabei
blähte sie den dunkelgefärbten, ringförmigen, etwa zwei Zoll breiten
Halstheil auf und züngelte lebhaft mit der gespaltenen dunklen Zunge.
Meine Haltung mußte in ihr die Besorgniß einer drohenden Gefahr erweckt
haben, denn sie verschwand bald darauf im dichten Gebüsch.

    1: Obgleich ich während meines siebenjährigen Aufenthaltes mehr als
    200 Schlangen erlegte, beobachtete ich in Süd-Afrika außer den drei
    Mambaarten keine Schlange, die ungereizt den Menschen angreifen
    würde.

[Illustration: Nest des Hammerkopf (Scopus Umbretta).]

Bevor ich mich auf diese erste Versuchsreise begab, hatte ich eines
Tages, als ich mit meinem Gefährten F. zwischen den Gesteinen auf den
Ebenen zwischen Dutoitspan und Kimberley nach Insecten und Echsen
fahndete, eine über 5 Fuß lange Cobra angetroffen; es war ein Exemplar
von seltener Schönheit, und da ich keine bessere Waffe zur Hand hatte,
griff ich schnell entschlossen nach einem der zahlreich umherliegenden
Ochsenskelette, brach eine Rippe davon ab und verfolgte das Reptil. In
die Enge getrieben, wendet sie sich plötzlich um und richtete sich fast
hart vor mir hoch auf; ich war aber schon zu weit vorgebeugt, um
zurückweichen zu können, ein minutenlanges Zagen und ich war verloren,
doch meine Geistesgegenwart verließ mich nicht, ein kräftig und sicher
geführter Hieb in den Nacken und das schöne aber gefährliche Thier war
mein; mit triumphirender Miene trugen wir das um die Rippe gewickelte
Reptil heim.

Unter allen südafrikanischen Giftschlangen halte ich die Mambaarten,
eine grüne, eine schwarze und eine gelbliche Species für die
gefährlichsten. Mir sind Fälle bekannt, daß Mamba's (von den beiden
ersten Arten, welche die wärmeren Buschpartien an der Küste bewohnen)
nach dem Erblicken eines Menschen sofort zum Angriffe übergingen. Ich
will hier nur eines solchen gedenken. Einige Kaffernkinder, die sich in
den nur einige hundert Schritte vom Hause entfernten Büschen spielend
ergötzten, wurden einer aus diesen hervorschleichenden Mamba gewahr; die
Gefährlichkeit des Thieres kennend, wandten sie sich sofort auf der
nahebei vorüberführenden Straße zur Flucht; nach einer Weile im Laufe
innehaltend, blickten sie hinter sich und mäßigten nun, nachdem sie das
Thier nicht mehr erblickten, ihre Schritte. Wenige Minuten darauf aber
schrie plötzlich eines der Kinder laut auf, die Schlange hatte
ihrerseits deren Verfolgung nicht aufgegeben und nun eines derselben in
die Ferse gebissen. Eine Viertelstunde später war das Kind eine Leiche.

Die schmutzig-ockergelbe Mamba der wärmeren, nördlichen Partien des
centralen Süd-Afrika, gibt auf eine andere, in den Mapaniwäldern der
Sibanani-Ebene häufig zu beobachtende Weise den Rach- und Mordsinn[1]
ihrer Familie zu erkennen. Auf Wildpfaden, da wo diese zum Wasser führen
und wo sich zwei brüchige und hohle Mapanibäume einander
gegenüberstehend mit ihren dichten, doch nicht breiten, unscheinbaren
Kronen berühren, wird man diese Mamba finden. Sie liegt in dem Geäste
und zwischen dem dichten ölhaltigen Laube der Bäume auf der Lauer;
nähert sich ein Geschöpf, so rollt sie sich mit dem Schwanze um einen
Ast und läßt sich mit dem Vorderkörper nach abwärts, hier aus dem
Gezweige zwischen den zwei Stämmen nach dem Pfade zu wie ein Assagai
herunterhängend. Da sie keine auffallende Farbe besitzt, wie ihre grüne
und schwarze Schwester, so wird sie namentlich von dem Europäer gar
nicht bemerkt und kann so bei der Heftigkeit ihres Giftes leicht sehr
gefährlich werden.

    1: Ich schreibe ihr ausdrücklich Mordlust zu, denn sie ist nie im
    Stande, die von ihr getödteten Thiere zu verschlingen.

Am selben Tage als ich in der Holitzer Schlucht jener Cobra
gegenüberstand, wurde auch einer meiner farbigen Diener nicht wenig
durch eine ähnliche Schlange erschreckt. Eben damit beschäftigt, ein
angeschossenes Täubchen aus dem Dickicht des Uferabhanges
herauszusuchen, sprang er plötzlich mit einem lauten Schrei aus den
Gebüschen und eilte mit dem Rufe »Sir a Slang« zu mir. Alle Eingebornen,
mit Ausnahme der unter den Zulus als Zauberer bekannten Medicinmänner,
fürchten sich ähnlich wie die Affen, ungemein vor diesen Reptilien. Zwei
Tage später erschoß ich am Grunde der Schlucht eine jener kurzen,
schwarzen, von den holländischen Farmern ob ihres weißen, die untere
Halspartie kennzeichnenden Fleckens Ringhals benannten Schlangen. Der
früher erwähnte Kaufmann, dem ich mein Zusammentreffen mit dieser
Schlange mittheilte, wußte mir etwas mehr über diese Schlangenart zu
erzählen; eines Vorfalls, von dessen Wahrheit ich mich nur zu sehr durch
andere ähnliche in der Folgezeit beobachtete Thatsachen überzeugen
konnte, sei hier gedacht. Einige Monate vor meiner Ankunft fiel es dem
Farmer auf, daß eine seiner täglich am jenseitigen Ufer weidenden Kühe
regelmäßig durch mehr denn zwei Wochen um ein bis zwei Stunden später
als die übrigen Thiere der Heerde in's Gehöfte zurückkehrte. Da es in
der Nähe keine gefährlichen Raubthiere gab, ließ man die Thiere ohne
Hirten auf die Weide gehen. Als nun dem Besitzer das eigenthümliche,
tägliche Ausbleiben des einen Thieres auffiel, sandte er einen seiner
Diener aus, um die Ursache dieser auffälligen Verspätung zu erforschen.
Schon nach kurzer Zeit hörte der Farmer den Ruf des Dieners: »Bas, Bas,
fat det rur[1] (Herr, fasse das Gewehr) und komm, schnell herüber, ein
Ringhals säugt an Deiner Kuh.« Aeußerst begierig den Vorfall zu sehen,
rief der Farmer seine Freunde zusammen und eilte nach dem Flusse. Unweit
des Flusses sah er die Kuh gemächlich niedergekauert grasen, und um ihre
Hinterfüße zur Hälfte geschlungen hielt sich ein Ringhals aufrecht an
einem der Euter begierig saugend. Er war schon vollgesogen und hatte
ganz das Aussehen eines riesigen Blutegels; der schwer angeschwollene
Leib glitt fortwährend ab. Bevor die erstaunten Zuseher noch in die Nähe
gelangt waren, verschwand die Schlange spurlos in den Büschen. Am
folgenden Tage gelang es den Farmerleuten, sich ganz leise dem Busche zu
nähern und das vollgesogene Reptil gefahrlos zu erlegen.

    1: Geschrieben wie es ausgesprochen wird.

[Illustration: Mamba auf der Lauer.]

Etwas Aehnliches ereignete sich einige Jahre vor meinem Besuche
Süd-Afrika's in dem Freistaat-Städtchen Philipolis. Einer meiner
Freunde, Mr. K., den ich in den Diamantenfeldern kennen lernte, war
daselbst in dem Geschäfte eines Herrn H. thätig und wohnte in dessen
nächster Nähe, in einem etwas höher als das Niveau der Straße stehenden,
aus Backsteinen solid erbauten Hause. Er war eines Nachmittags mit
einigen Boers beschäftigt, als ihn seine Magd mit der Nachricht abrief,
daß sein kleines Kind in Lebensgefahr schwebe. Ohne Ahnung, was diese
Nachricht zu bedeuten habe, ließ der Mann Waare und Käufer im Stich und
eilte nach Hause. Heimgekommen findet er seine Frau vor Schrecken
wortlos im Vorhause, während ihm sein Töchterchen in kindlicher
Harmlosigkeit erzählte, daß eine lange schwarze Katze aus Baby's Flasche
die Milch trinke. Mr. K. eilte in die Kinderstube und findet sein
kleines Kind schlafend, auf der Erde die halbgeleerte, mit einem
Gummisauger versehene Milchflasche. Unterdessen hatte sich die Frau
einigermaßen von dem tödtlichen Schrecken erholt und begann den Vorfall
zu erzählen. Als ihr das kleine Töchterchen von einer schwarzen, langen
Katze erzählte, da war sie sofort zum Baby geeilt; ein ihr Mutterherz
mit Entsetzen erfüllender Anblick bot sich ihr; eine schwarze Schlange,
die neben dem Säugling zusammengerollt lag und aus der halbliegenden
Flasche, die dem schlafenden Kinde aus dem Munde entschlüpft war, Milch
sog. »Mit einem Schrei stürzte ich heraus und das mußte wohl das Reptil
so erschreckt haben, daß es herunterfiel, oder sich irgendwo im Bettzeug
versteckte, ich hörte auch die Flasche fallen, dann fühlte ich ein
solches Zittern, daß ich nicht mehr das Zimmer betreten konnte.« Mr. K.
sah sich erst im Zimmer nach der Schlange um, und der erste Blick, den
er unter das Bett warf, überzeugte ihn, welchen gefährlichen Gast das
Zimmer beherberge. Um die Schlange anzulocken und sie sicher zu treffen,
schob er die Flasche mit dem Sauger nach dem Reptil zu unter den Rand
des Bettes, während ihm seine Frau einen Kiri brachte. Die Schlange
konnte dieser Lockung nicht widerstehen, doch im nächsten Augenblicke
zerschmetterte ein einziger Schlag Schlange und Flasche. Nach Jahren
erst erfuhr Baby[1] in welcher Gefahr sie geschwebt und welch'
wunderliche, schwarze Katzen es früher in Philipolis gab.

    1: Baby nennt man ein kleines, unmündiges Kind, und zwar stets das
    Jüngste.

In geographischer Hinsicht war es mir von großem Interesse, die Tiefen
der von mir überschrittenen und besuchten Flüsse kennen zu lernen, und
ich war, wo dies nur immer anging, und nicht Krokodile ein solches
Beginnen vereitelten, bemüht, diesbezügliche Messungen anzustellen; in
Ermanglung eines Bootes und anderer Apparate mußte ich die Tiefe an
meiner Person selbst erproben. Ein Unfall im Harts-River, der mich näher
als ich ahnte, an den Rand des Grabes brachte, verleidete mir für die
Folge solch' gewagte Experimente immer mehr, bis ich sie schließlich
ganz aufgab.

Es sei mir hier gestattet, diesem Unfall einige Worte zu widmen. Um eine
passende Uebergangsstelle für meinen Wagen zu finden, mußte ich die
Tiefe des nahe unserem Lagerplatze 6-8 Meter breiten Harts-Rivers
untersuchen. Ich fand endlich eine mir günstig scheinende Stelle, die
hohen und trockenen Ufer, die geringe Wassertiefe von 14-16 Zoll in
dessen Nähe, bestärkten mich in der Hoffnung, die richtige Furth
gefunden zu haben. Nachdem ich mit einem kühnen Wurfe den nothwendigsten
Theil meiner Garderobe an das jenseitige Ufer befördert, ging ich daran,
den Fluß zu übersetzen; schon nach dem ersten Schritt versanken meine
Füße in tiefem Schlamm, langsam und vorsichtig den Grund prüfend, hatte
ich etwa die Mitte der Flußbreite erreicht, ich stand in zwei Fuß tiefem
Schlamm und ebenso tiefem Wasser. Jeder weitere Schritt zeigte mir, daß
die Schlammschichte an Tiefe zunehme, ich wollte nur noch einen Schritt
nach vorwärts versuchen und wenn die Tiefe nicht abnahm, umkehren, doch
dazu kam es nicht mehr; ich sank immer tiefer und tiefer. Dabei fühlte
ich, wie der Schlamm immer zäher und consistenter wurde.

Ein Hilferuf hätte kaum Erfolg gehabt, denn der Wagen war zu weit
entfernt. Meine Lage war, ich muß gestehen, eine mich im höchsten Grade
beängstigende. Schon umspülte das Wasser mein Kinn, und ich schien
rettungslos verloren, als ich im Bewußtsein der eminenten Gefahr,
vielleicht instinctmäßig den Oberkörper mit einem gewaltsamen Ruck nach
vorwärts bog und mit den Händen die Bewegungen des Schwimmens versuchte.
Ich kam so, nachdem die Brust die dünne oberste Schlammlage zertheilt
hatte, mit Gesicht und Brust unter das Wasser, flach auf den Schlamm zu
liegen; ein mit aller Kraft unternommener Versuch, den einen Fuß aus dem
zähen Schlamm zu befreien, glückte. Doch nun drohte mir der
Erstickungstod im Wasser und ich mußte wieder den Kopf über Wasser
halten, um Athem zu schöpfen. Es war indeß kein Moment zu verlieren,
wollte ich nicht den errungenen Vortheil opfern; ich wiederholte den
vorerwähnten Versuch und endlich fühlte ich den zweiten Fuß aus seiner
Umklammerung befreit. Ein zweiter Ruck nach vorwärts und es gelingt mir,
meine Hände in den festen Schlamm des jenseitigen Ufers einzugraben. Ich
war gerettet. Es bedarf wohl keiner weiteren Worte um meine Stimmung,
meinen Körperzustand zu schildern, als ich wieder festen Boden unter mir
fühlte.

Ich hatte mich kaum von der natürlichen Aufregung in Folge des mir
zugestoßenen Unfalls erholt, als mir schon am folgenden Tage eine
andere, höchst empfindliche Ueberraschung erwuchs und ich den bei vielen
afrikanischen Stämmen so hoch entwickelten Diebssinn kennen lernte. Mein
Reitpferd war plötzlich verschwunden, vergeblich alle unsere vereinten
Bemühungen, eine Spur der Diebe zu entdecken. Erst nach sieben Jahren,
gelegentlich eines Ausfluges, den ich aus den Diamantenfeldern nach dem
Vaal machte, erfuhr ich von dem bereits mehrfach erwähnten Kaufmann, daß
Jantsche's Leute das Pferd gestohlen hatten.

Nach mehrtägigem Aufenthalte an dieser mir in lebhafter Erinnerung
bleibenden Stelle setzten wir unsere Reise im Thale des Hart-Rivers
aufwärts fort.

Ab und zu verengt oder erweitert sich das Thal, je nachdem die es zu
beiden Seiten begrenzenden, zumeist parallel laufenden Felsenhöhen näher
aneinander oder weiter auseinander rücken, und behält diesen Charakter
bis in die Nähe des Hauptortes des freien Batlapinenreiches, Taung. Von
der Fruchtbarkeit des Bodens gaben die durchschnittlich ¼-½ Aere
Flächeninhalt messenden und gut bebauten Felder Zeugniß, deren
Gesammtausdehnung ich zu 1000 Schritt Länge und 2-400 Schritt Breite
schätzte. Etwa hundert einzeln oder in kleinen Gruppen die Parzellen
dieser bebauten Fläche bearbeitende Frauen belebten diese Strecke. Hier
war eine Gruppe damit beschäftigt, die reifen Maiskolben abzubrechen,
dort wieder das Feld auszujäten, andere wieder bearbeiteten mit äußerst
primitiven Hauen den Ackerboden. Manche der Maispflanzen standen noch
sehr niedrig, dagegen waren bereits Kürbisse und Wassermelonen in der
Reife so weit vorgeschritten, daß den arbeitenden Frauen das Vergnügen
vom Gesichte abzulesen war. Unter den Frauen bemerkten wir auch Mädchen
und Greisinnen, denen die leichten Arbeiten, namentlich das Grasjäten
und das Zusammentragen der Maiskolben oblag. Mehrere der Frauen trugen
einen Säugling in einem Ledersacke am Rücken befestigt, oder hatten ihn
auf einer auf der Erde liegenden kleinen Carosse gebettet, umgeben von
mehreren bereits den Kinderschuhen entwachsenen Vertretern der
hoffnungsvollen Jugend von Lekatlong, welche sichtlich bemüht waren, den
kleinen Schreihälsen die Zeit und die quälenden Fliegen zu vertreiben,
welches letztere sie theils mit Blättern, theils mit aus Thierschwänzen
verfertigten und auf Holzstäbchen befestigten Wedeln mit wechselndem
Erfolge zu Stande brachten. Manche der Frauen hatten blos einige Lappen
(meist die Mädchen), andere eine kurze bis zu den Knieen reichende,
glatt gegerbte Carosse um die Hüften geschlungen, andere wieder ein
kurzes, viereckiges Fell als Vorder- und ein größeres, mit eingenähten
schwarzen Lederringen geschmücktes als Rückenschürze benützt. Von der
Stirn perlender Schweiß gab Zeugniß, daß sie wacker zur Arbeit hielten.
Als Schmuck trugen die meisten Schnüre von großen blauen Glasperlen am
Halse, aus Messingdraht geflochtene Ringe an den Armen und aus einem
ähnlichen Material gearbeiteten Ohrschmuck, der jedoch bei den ärmeren
nur aus rundlichen Holzpflöckchen bestand. Den Kopf hatten beinahe alle
mit einem kegelförmigen aus Stroh oder aus Binsen und Gras geflochtenen,
tief in's Gesicht fallenden Hute bedeckt, der ihnen unter ein »pund« (£
St.) nicht feil war.

[Illustration: Im Schlamme des Harts-River versunken.]

[Illustration: Ackerbau bei den Batlapinen.]

Das heitere und spöttische Lachen der schwarzen Schönen galt besonders
unserem Begleiter F., dessen herausforderndes Benehmen das Hauptziel
ihrer Witze bildete,--diese fröhliche Stimmung der Batlapinen
erleichterte auch den lebhaften Tauschhandel, der sich an unserem
Reisewagen entwickelte und bei welchem wir gegen einige Stückchen
Transvaaltabak und einige färbige Taschentücher unseren Bedarf an
Melonen und Kürbissen einhandelten.




V.

Von Lekatlong nach Wonderfontein.

Batlapinenleben.--Webervögel und ihre Nester.--Zuckerrohr-Pflanzungen.
--Spitzkopf.--Mitzima's Dorf.--Schlauheit der Batlapinenweiber.
--Termitenbauten.--Reisende Batlapinen.--In Lebensgefahr.
--Springbockfontein.--Transvaal-Emigranten.--Gassibone und
seine Residenz.--Tauschhandel.--Wanderheuschrecken.--Ein seltsamer
Labetrunk.--Am Vaal-River.--Wasser- und Landleguane.--Christiana, die
westlichste Transvaal-Stadt.--Einfache Rechtspflege.--Landschaftlicher
Contrast der beiden Vaalufer.--Bloemhof.--Ein gefährlicher Nachtmarsch
bei Gewittersturm.--Waidmann's Eldorado.--Königskraniche.--Gnu
und Bläßbock.--Romberg's Farm.--Von schwarzen Gnu's
überrascht.--Hühnervögel.--Klerksdrop.--Potschefstroom.--Das
Moi-Riverthal.--Geognostische Entdeckungen--Wonderfontein und seine
Grotten.


Die Hauptstadt des südlichsten der Batlapinenstämme, Lekatlong (der Name
bedeutet Vereinigung, wohl in Bezug auf die beiden Flüsse), die Residenz
des Fürsten Jantsche, bestand aus circa 160-200 Hütten, welche drei
größere Gehöftgruppen bildeten, in welchen je 2-4 Hütten zu einem Gehöft
vereinigt waren. Die einzelnen Gehöfte waren von einem 4-6 Fuß hohen,
aus dürren Zweigen hergestellten Zaune umgeben. Die Hütten der mittleren
Gehöftgruppe zeigten die emsigste Arbeit, auch reichte die Gruppe bis an
den Fluß. In ihrer Mitte standen auf einem freien Platze die Ruinen
eines Missionsgebäudes, welches einige Jahre zuvor abgebrannt war. Zur
Zeit meines Besuches hielt sich hier kein Missionär auf, in neuerer Zeit
soll jedoch von der »London Missionary-Society«, in deren Wirkungsbezirk
Lekatlong gehört, ein solcher dahin delegirt worden sein. In einiger
Entfernung vom Missionshause erhob sich die Kirche, ein längliches, aus
ungebrannten Backsteinen aufgeführtes, unscheinbares Gebäude, dessen
Giebeldach mit dürrem Grase gedeckt war.

Vom rechten Ufer aus gesehen bot die Stadt mit ihren regelmäßig
aneinander gereihten Gehöftgruppen einen ganz netten Anblick. In den
Straßen, d.h. den freien Räumen zwischen den einzelnen Gehöften
herrschte reges Leben, hier sah man Frauen, welche, große thönerne
Gefäße auf dem Kopfe tragend, zum Flusse eilten, dort wieder Frauen, die
unter der Last großer schwerer Bündel dürren Grases oder Gestrüppe
seufzend nach Hause gingen, während eine Schaar nackter Kinder sich
spielend am Flußufer ergötzte, andere wieder mit den ihrer Obhut
anvertrauten Heerden auf die Weide zogen. Zu diesem Bilde emsiger
Thätigkeit der Frauen contrastirte das dolce far niente der Männer
auffällig, man sah sie allerorts müßig auf der Erde liegen, sich einer
gesättigten Schlange gleich im Freien sonnend und von den Anstrengungen
des eingenommenen Mahles erholend.

[Illustration: Tauschhandel am Wagen.]

Einige der Männer hatten aus europäischen Stoffen, andere aus
weichgegerbten Fellen gearbeitete Jacken und Hosen an; ihre Köpfe
bedeckten kleine, aus Gras oder Binsen gearbeitete Hütchen. Die Männer
waren meist von Mittelgröße, ihr Wuchs war aber weder so schön wie jener
der Zulu's, noch so kräftig wie jener der Fingo's, auffallend hell
schien mir ihre Hautfarbe. Ihre Gesichtszüge waren durch eine anormale
Breite der Nase nicht wenig verunstaltet--eine Mißbildung, welche durch
den Gebrauch kleiner, die Stelle des Taschentuchs vertretender
Eisenlöffel hervorgerufen wird. Ihr Ruf als notorische Faullenzer war
wohl begründet, denn obwohl ihr Gebiet sehr fruchtbar ist, verwendeten
sie sehr wenig Mühe auf den Anbau von Cerealien und waren auch auf dem
Markte von Kimberley seltene Gäste.

In moralischer Hinsicht war der Ausgang des letzten Krieges zwischen den
Engländern und einem Bruderstamme dieser Batlapinen, den Botlaros, von
wohlthätiger Wirkung. Vor dem Kriege, besonders aber zur Zeit der
Entdeckung der River-Diggings kannten Jantsche's Hochmuth und seine
Prätensionen keine Grenze, seine Unterthanen verübten zahlreiche
Einfälle in die Provinz und ließen die berittene englische Polizei am
Vaalflusse nie zur Ruhe kommen. Diesem Allen machte der Sieg der
Engländer ein schnelles Ende.

Nachdem wir das Weichbild der Stadt Jantsche's verlassen hatten,
betraten wir wieder einsamere Partien des Hart-Riverthales, in welchen
erst in größerer Entfernung flußaufwärts zwei bedeutendere
Eingebornenstädte liegen. Es sind dies Taung (nach dem früheren
Herrscher »Mahura's Stadt« genannt), circa 70 Meilen von der Mündung des
Hart-River's entfernt, und Mamusa, die Residenz eines freien
Korannafürsten. Zur Zeit meiner ersten Reise (auf welcher ich jedoch die
Stadt nicht besuchte) regierte daselbst ein Greis, der Maschon hieß, von
den Boers jedoch Tibusch, d.h. Zerbusch genannt wurde, und welcher nach
einer Version 112, nach einer andern 130 Jahre alt war. Mamusa liegt
gegen 40 engl. Meilen flußaufwärts von Taung entfernt, welches, nebenbei
erwähnt, der Sitz des unabhängigen Batlapinenfürsten Mankuruane ist.
Außer diesen beiden Städten finden wir zwischen Lekatlong und Mamusa
zahlreiche Eingebornendörfer, welche zu 90 Percent von Batlapinen,
zwischen Taung und Mamusa auch von Barolongen und nur ostwärts und
gegenüber von Mamusa von Koranna's bewohnt werden. Diese Dörfer sind mit
Ausnahme der von Koranna's bewohnten zumeist auf den Gipfeln der
niedrigen, an den Hart-River herantretenden und begrasten Höhen oder
unmittelbar unter dem Gipfel dieser Höhen erbaut und bestehen gewöhnlich
aus zwei bis acht Gehöften. Nur wenige, darunter das größte dieser
Dörfer, Mitzima genannt, liegen im Thale; dieses zählt etwa 30 Hütten.
Die von den Bewohnern dieser Dörfer bebauten Felder und Gärten liegen
theils im Flußthale, theils an den Abhängen. Außer Kafirkorn und Mais
wird auf diesen Grundstücken auch Zuckerrohr gebaut, dessen Schaft 7-8
Fuß Höhe erreicht.

Wir setzten im Thale des Hart-Rivers unsere Reise fort; die zahlreichen,
unseren Weg kreuzenden, tiefen Schluchten nöthigten uns zu zeitraubenden
Umwegen und bereiteten uns mancherlei Schwierigkeit. Einige Meilen
hinter Lekatlong sah ich mich genöthigt Rast zu halten; es währte nicht
lange, so kamen aus dem nahen Gehöfte ein Junge und ein Greis, welche
mit uns Makoa (Weißen) in Tauschhandel traten. Ich war über ihre hohen
Forderungen überrascht, fand aber bald die Erklärung; die Eingebornen
kannten hier bereits den Werth des englischen Geldes.

Auf der Weiterreise fanden wir in den reichbebuschten und mit hohem Gras
bedeckten Thalpartien nicht minder wie in den Ufergebüschen, günstige
Jagdgelegenheiten. In den letzteren trafen wir vier Arten von Trappen,
darunter zwei Zwergtrappenarten und eine Art von seltener Größe, die
beiden ersteren in größeren Gruppen, die beiden größeren Arten nur
paarweise aus den Büschen auffliegend; in der Nähe der niedrigen
Dornbüsche fanden wir das große Cap-Perlhuhn paarweise in der Erde
scharrend. An sandigen Uferstellen und mit Flugsand bedeckten Partien
der Thalabhänge sonnten sich Steppenhühner, die dicht beschilften Ufer
des Flusses, das Versteck großer Schwärme von Wildenten, lieferten uns
manche Beute. Die freieren Uferstellen waren zumeist mit den
herabhängenden Aesten der Mimosen überhangen, deren dünne Endzweige von
den schönen gelben, mit einem schwarzen Flecke an der Kehle geschmückten
Webervögeln entblättert waren, und an welchen diese ihre kunstvollen
Nester erbaut hatten, welche herabhängenden Früchten ähnelten. Sie waren
platt gedrückt, hatten einen elliptischen Querdurchmesser von 6-10 und
12-15 Centimeter und eine Höhe von 12-25 Centimeter. Der Eingang befand
sich an der unteren, ebenen Seite des Nestes.

[Illustration: Nest des Webervogels.]

Diese Eingangsöffnungen haben eine halbmondförmige Gestalt und sind nur
so groß, daß ein Thier hineinzuschlüpfen vermag. Die obere Nestfläche
läuft kegelförmig zu, so zwar, daß das Nest mit der Kegelspitze an den
Zweigen befestigt ist. Die Nester waren aus frischem biegsamen Grase
gewoben. Die Bauart des Nestes ist eine kunstreiche zu nennen, die
einzelnen Grashalme sind sehr geschickt ineinander verwoben und der Bau
so fest, daß er allen Stürmen vollkommen Widerstand zu leisten vermag.
Bei dem leisesten Winde fingen die schönen Nester zu schaukeln an und
diese Bewegungen spiegelten sich in der ruhigen, durch zarte, in der
Tiefe wuchernde Algenformen verdunkelten Fluth treu wieder, ein Bild,
das dadurch noch an Anmuth gewann, daß sich einer der einfliegenden
Vögel zuweilen längere Zeit an der Oeffnung festklammernd schaukelte.
Dann erschien am Wasserspiegel ein sich hin- und her wiegender schön
gelbgefärbter Punkt, der wie ein schimmernder Edelstein über die hellen
und dunklen Grottenpartien am Grunde des Flusses zu gleiten schien.
Diese Webervögel zeigten nicht die geringste Scheu, so daß wir sie
namentlich gegen Abend leicht im Neste fangen konnten. Hatten wir uns
von dem Neste entfernt, und waren die bei unserer Annäherung entflohenen
Sänger wieder nach ihren Wohnungen zurückgeflogen, so beobachteten sie
mit anmuthiger Neugierde längere Zeit hindurch jede unserer Bewegungen.

[Illustration: Reisende Batlapinen.]

Am dritten Tage unserer Reise erblickten wir im Osten einen aus Süden
hervortretenden, in das Thal des Hart-Rivers tief eindringenden
Höhenzug, der uns als zum Gebiete des Chefs Mitzima gehörig bezeichnet
wurde. Den äußersten vorgebirgsartigen Ausläufer dieses Höhenzuges
nannten die Boers Spitzkopf. Die von uns durchzogene Ebene glich auf
weite Strecken hin einem carminrothen Teppich, welcher bei näherer
Besichtigung aus einer Unzahl mehrblüthiger Lilien bestand. An anderen
Stellen der Ebene trafen wir schöne, dunkelgrüne, auf der Erde wuchernde
Blätter einer anderen Liliacee, welche mit verschiedenen
Rüsselkäfer-Species förmlich bedeckt waren.

In der Nähe einer Zuckerrohrpflanzung begegneten uns vier arbeitende
Frauen--ich benützte diese Gelegenheit, um noch vor unserem Eintreffen
in Mitzima's Stadt unsern Milchbedarf zu decken und sprach die Frauen in
dieser Absicht an. Sie zeigten sich überaus gefällig, ihre Hauen im
Stiche lassend, eilten sie lachend und schreiend ihren mehr denn 300
Schritte entfernten Hütten zu und es währte nicht lange, so waren sie
wieder da, zwei von ihnen mit irdenen Töpfen, die dritte, ein altes
hageres Weib mit einem großen Holzgefäße, gefüllt mit köstlich frischer
Milch. Als Kaufpreis forderten auch sie ein Stück Tabak, mein Erstaunen
wuchs, als sie mir durch Gert, meinen Dolmetscher, zu verstehen gaben,
daß sie leidenschaftliche Consumenten von Schnupftabak wären. Um mir
jeden Zweifel zu benehmen, machten sie die Pantomime des Zerreibens und
ließen mit dem Rufe »Monati« (d.h. das ist schön) den Tabak in den
breiten Höhlen ihrer Nasen verschwinden.

Am Nachmittag fuhren wir an einem aus drei Hütten bestehenden Gehöfte,
dessen Sauberkeit mir sogleich auffiel, vorüber. Auch auf meiner zweiten
Reise unter den verschiedenen Batlapinenstämmen fand ich kein zweites,
das sich mit ihm hätte messen können. Die Hütten waren geräumig und aus
starken Pfählen erbaut, auch stand in einem aus Schilfrohr gearbeiteten
Schuppen ein gut erhaltener schwerer Lastwagen und im Hofe ein
kleinerer, an dem eben, was mir noch mehr auffiel, der Hausherr mit
einem Diener Verbesserungen vornahm. Außerdem fehlte auch ein Pflug
nicht--im Batlapinenlande war dies im Jahre 1873 noch eine große
Seltenheit--und ein halbes Dutzend der ledernen Milchsäcke hing an der
für das Vieh bestimmten Umfriedung. Im Schatten des Wagenschuppens saßen
zwei andere Batlapinen, damit beschäftigt, aus Segeltuch ein neues
Wagendach zusammenzunähen; ich habe nie wieder Leute dieses Stammes so
eifrig an der Arbeit gesehen als diese beiden.

Im geräumigen Hofraume des Gehöftes tummelten sich 15 muntere
dunkelgefärbte Kinder umher, welche bis auf ein kaum blattgroßes
Lederschürzchen splitternackt waren. Den größeren oblag es, die Heerden
an den Ufern des hier eine englische Meile entfernten Hartflusses zu
hüten. Alles zeigte den Segen und die Früchte der Arbeit und des
Wohlstandes.

Im Laufe des Nachmittags hatten wir uns den am Morgen erblickten Höhen
genähert. Sie sind die nördlichsten Ausläufer des bei Hebron am rechten
Vaalufer beginnenden Höhenzuges; ich fand sie namentlich durch die Form
der sie bildenden Felsen interessant. Bald sind es senkrechte Blöcke,
Menschengestalten nicht unähnlich und säulenartig aneinander gereiht,
bald liegen sie stufenförmig übereinander und erwecken die Vorstellung
einer gigantischen Treppe.

Als wir das diesseits vom Spitzkopf liegende Mitzima erreichten, waren
wir, kaum angelangt, von den Neugierigen umringt, deren größtes
Contingent das schöne Geschlecht und die hoffnungsvolle zarteste Jugend
des nach seinem gegenwärtigen Besitzer genannten Eingebornendorfes
stellten. Sie setzten sich in der nächsten Umgebung des Wagens
gemüthlich nieder und begannen zuerst die Makoa (die Weißen) selbst,
dann den Wagen und unsere ganze Ausrüstung auf das lebhafteste zu
kritisiren. Ihr von oft höchst komischen Gesticulationen begleitetes
Gespräch erregte die Lachlust unserer Diener im höchsten Grade, während
wir im Zweifel waren, ob das Mienen- und Geberdenspiel Bewunderung oder
abfällige Kritik zum Ausdruck bringe. Mein Begleiter K., dem böse Zungen
Eitelkeit zum Vorwurfe machten, hielt es für das erstere, wofür auch die
Thatsache sprach, daß F. ihn mehrmals mit dem Pennyspiegel in der Hand
überraschte.

Während F., der die Kinderschuhe noch nicht abgelegt hatte, in das
Lachen und das Mienenspiel mit einstimmte, behauptete E., wie immer,
sein Pfeifchen schmauchend, stoische Ruhe. Seine Miene und sein ganzes
Benehmen zeigten Verachtung, deren Ausdruck ihn aber zur besonderen
Zielscheibe der Spötteleien des schönen Geschlechtes machte, während
manch' wohlwollender Blick auf den netten K. gerichtet war.

Die anwesenden Frauen waren sämmtlich, wahrscheinlich um den Weißen
ihren Reichthum zu zeigen, in Kattunröcken erschienen und hatten Brust
und Hals mit zahlreichen Perlenschnüren geschmückt. Unter ihnen stachen
zwei Mädchen durch bemerkenswerthe Häßlichkeit der Gesichtszüge hervor,
die durch die rothen Ockerstriche im Gesichte keineswegs gemildert
wurde.[1]

    1: Im Allgemeinen gebrauchen die Batlapinenfrauen jedoch nicht so
    viel Ocker, um sich Gesicht, Hals und Brust zu beschmieren, als die
    Frauen der Hottentottenrace und der in der Cap-Colonie wohnenden
    Kaffernstämme.

Das schöne Geschlecht, der passiven Haltung müde, ging bald zum Angriff
über und eine der Frauen ließ uns durch Gert bedeuten, unsere Waaren zur
Schau auszulegen, da sie uns für reisende Händler hielten. Die mit
ausgestreckter Hand uns entgegen gehaltenen Schnupftabakdosen waren eine
stumme aber directe Aufforderung, dieselben zu füllen. Da wir keine
Miene machten, ihren Wünschen nachzukommen, beschlossen einige unter den
Frauen einen neuen Angriff, dessen Ziel unsere beiden Begleiter F. und
K. waren, deren Lächeln sie den Frauen als die Zugänglichsten erscheinen
ließ. Nach abgehaltener Berathung trat die Häßlichste und Aelteste der
Frauen zu F. heran und machte ihm eine so aufrichtige und herzliche
Liebeserklärung, daß es Gert, der hierbei als Dolmetsch fungirte, kaum
möglich war, seine Lachmuskeln im Zaume zu halten. Die Scene rang uns
Allen ein helles Lachen ab, während es F. in Wuth versetzte.

Um unseren Neckereien zu entgehen, wagte er die Behauptung, es sei
Mitzima's jüngstes Weib, die hübscheste des ganzen Dorfes gewesen.

Als die Frauen bemerkt hatten, daß aller Minne Mühe vergeblich war,
entfernten sie sich vom Wagen und legten den Rückweg tanzend zurück; im
eigentlichen Sinne des Wortes war es kein Tanz, sie hüpften vielmehr,
sie bewegten sich dabei in kleineren Gruppen zuerst in einem Halbkreise
nach links, dann in einem Halbkreise nach rechts, dann machten sie einen
etwa zwei Schritte langen Doppelsprung nach vorne, drehten sich um, und
begannen die Bewegung von Neuem.

Wir waren froh, der lästigen Besucher los geworden zu sein--unsere
Freude war aber leider nicht von Dauer, denn bald kam eine noch größere
und zudringlichere Gruppe und umstellte den Wagen. Diesmal half uns eine
List aus der Noth, ich erstieg den Wagen und begann das Schrotgewehr zu
reinigen. Beim Anblick desselben machten die Angekommenen eine
unwillkürliche Bewegung nach rückwärts, und ehe ich es vermuthete, war
das Feld geräumt.

In später Nachmittagsstunde verließen wir Mitzima's Dorf, das Passiren
mehrerer Schluchten nahm so viel Zeit in Anspruch und ermüdete die
Zugthiere derart, daß wir noch diesseits des Spitzkopfes, in 1½ Meilen
Entfernung von Mitzima, in der Nähe von drei kleinen Batlapinengehöften,
Halt machen mußten.

Ein in unserem Rücken aufsteigendes Gewitter hatte uns auf dieser Straße
bange Sorge gemacht, denn ein halbstündiger Platzregen hätte genügt, um
jede dieser Schluchten, die zu überwinden wir große Anstrengungen machen
mußten, in einen reißenden und gefahrbringenden Regenstrom zu
verwandeln. Unsere Ankunft bei den erwähnten Gehöften war trotz
vorgerückter Abendstunde nicht unbemerkt geblieben, es stellte sich auch
bald Besuch ein.

Die Nacht, die wir hier zubrachten, war eine besonders helle und schöne,
aber auch empfindlich kalte. Die Felsenbildungen am Abhange der Höhen
glichen phantastischen Gestalten, deren dunkle Schatten weit in die
Ebenen hinausragten. Der niedrige Spitzkopf schien einem Riesen gleich
über uns Wache zu halten, aus der Nähe und Ferne klangen die hellen Töne
der Batlapinengesänge zu uns herüber.

Am nächsten Morgen tauschten wir von dem Ortsvorstande der naheliegenden
Gehöfte einige Kürbisse ein und brachen weiter nach Norden auf. Je
weiter wir den Hart-River hinaufzogen, desto fruchtbarer schienen mir
die Gefilde des Batlapinenlandes zu sein. Namentlich erregten die
kleinen Zuckerrohr-Pflanzungen auf den Feldern und in den Gärtchen mein
Erstaunen. Was mir aber besonders auffiel, war, daß die Eingebornen
diese Zuckerrohrart nicht anders benützen, als daß sie den unteren und
mittleren saftreichen Theil des Stengels in kleine Stücke schneiden und
zerkauen.

Wir durchschritten zunächst eine baum- und buschlose Ebene, auf welcher
mir namentlich ganz eigenthümlich geformte Termitenbauten auffielen.
Diese Termitenbauten stellen statt der gewöhnlichen, manche der
südafrikanischen Ebenen zu Tausenden bedeckenden halbkugel- und
brodlaibförmigen bis 4 Fuß hohen Hügel, an dessem Rande zwei bis drei
kleine Eingangslöcher in das Innere führen--eine aus der Erde
hervorstehende bis zu 6 Fuß hohe und 3-10 Zoll im Durchmesser haltende
gebrechliche, aus Thonerde und Sandkörnern mit Hilfe des Speichels der
Thiere zusammengekittete Röhre dar. Wir beobachteten den Boden in einem
Umkreise von 10-48 Fuß etwas wenig gehoben und meist kahl; aus der Mitte
einer solchen Stelle erhoben sich in der Regel eine oder drei, doch auch
mehrere nach oben zu offene Röhren, während im weiteren Umkreise die
Anfänge zu solchen Röhren lagen, die oft in großer Menge als kleine
kegelförmige nach oben zu geschlossene Erdaufwürfe zu Tage treten.

Gegen Mittag hielten wir in der Nähe des Flusses und mußten uns mit dem
sehr trüben Wasser begnügen, das wir in einigen Lachen in seinem Bette
vorfanden, welches überdies durch das Eintreiben der Heerden von Seite
der Eingebornen sehr verunreinigt worden war. Auch das mit diesem trüben
Wasser bereitete Mahl wollte nicht munden. Während unseres Mahles kamen
hoch auf gehörnten Saumthieren einige Batlapinen von einem der nahen auf
einem kleinen Höhenrücken zu unserer Rechten gelegenen Dörfchen
herbeigeritten. Sie sprangen ab und machten sich's in der Nähe unseres
Feuers bequem. Die Saumthiere blieben, kaum abgesattelt, wie an die Erde
angewurzelt stehen. Man kann sich des Lachens nicht erwehren, wenn man
eine solche Batlapinengruppe heranziehen sieht; ohne angetrieben zu
werden, eilen die Ochsen dahin, wie wenn sie miteinander um die Wette
liefen. Die Nasenscheidewand ist an den Nüstern durchbohrt und ein
Holzpflöckchen durchgesteckt, an welches, an beiden Enden
eingeschnitten, ein etwa 2 Meter langer Riemen, der Zaum, befestigt ist.
Ueber den Rücken des Thieres ist in der Regel ein Sack oder eine Decke,
oder ein Stück Leder geworfen, welches den Sattel vorstellen soll. Zu
beiden Seiten hängen Riemen mit eisernen oder ledernen Steigbügeln. Die
Ankömmlinge zeigten sich sehr freundlich und einer derselben antwortete
auf meine Frage, wie weit es noch nach Springbockfontein sei, schnell
gefaßt, indem er auf die über uns stehende Sonne wies: »Wenn Ihr jetzt
diese Stelle mit Eurem Wagen verlaßt, so werdet Ihr zur Zeit, wenn sich
jener Gebieter da droben zur Ruhe gelegt, mit der klaren Fluth des
Wassers, in dem die Springböcke ihren Durst stillen, auch Eure
Wassergefäße füllen können.«

Die nahen Mais- und Kürbißfelder boten mir Gelegenheit, meine Sammlungen
zu bereichern, namentlich durch einige schöne Species von Sandkäfern
(Cicindelidea). In meinem Eifer bemerkte ich nicht, daß ein Gewitter
bereits dem Ausbruche nahe war, und erst als ein tüchtiger Regenschauer
mich durchnäßte, eilte ich zum Wagen. Ein Blitzstrahl fuhr in diesem
Momente einige hundert Schritte thalabwärts in einen der Maisgärten
nieder; am Wagen angekommen, fand ich, daß meine Begleiter es
unterlassen hatten, einige zum Trocknen an die Sonne gesetzte
Pflanzenpräparate, sowie auch die an einem nahen Busche angelehnten
Gewehre vor dem Regen in Sicherheit zu bringen. Der fremden Besucher
saßen nur noch drei am halberloschenen Feuer, doch rückten sie nun, um
etwas Schutz gegen den Regen zu suchen, auch näher an den Wagen heran.
In den Wagen springend ersuchte ich meine Freunde, mir rasch die
Pflanzen und dann die Gewehre zu geben.

[Illustration: Unfall im Hart-Riverthale.]

Einer meiner Begleiter hatte mir die ersteren gereicht, und war eben
daran, mir auch die Gewehre zu übergeben, als ein Blitzstrahl in
unmittelbarer Nähe hinter dem Wagen zur Erde niederfuhr. Ich hatte in
diesem Momente das Gewehr mit der linken Hand am Laufende erfaßt, um es
im Innern des Wagens an die gehörige Stelle zu legen (die Gewehre sind
stets an der Innenwand des Wagens gebrauchsbereit angeschnallt). Durch
den plötzlichen nahen Donnerschlag außer Fassung gebracht, ließ mein
Freund das Kolbenende fallen, dabei hatte sich der eine Hahn (es war ein
Doppellauf) an der Deichsel aufgespannt und als ich eben mit der
Absicht, das Gewehr im Wagen zu bergen, dasselbe an mich heranzog,
entlud sich der mit Hasenschrot geladene rechte Lauf. Ich weiß mich nur
noch zu erinnern, daß in dem Augenblicke, wo der Blitzstrahl die ganze
Umgebung grell beleuchtete, eine heftig auflodernde, von starker
Detonation begleitete Feuererscheinung unmittelbar folgte. Ich fühlte
heftigen Schmerz in der linken Augengegend, und theils durch den
Schreck, theils betäubt von dem Schusse, verlor ich das Gleichgewicht
und fiel vom Wagen herab. Meine Freunde hielten mich im ersten
Augenblicke für todt, glücklicher Weise war meine Verwundung keine
tödtliche. Die Schrote waren durch die linke Hohlhand von unten nach
aufwärts gegangen und hatten die linke Schläfe so gestreift, daß sie die
Hutkrämpe durchbohrt und die so erzeugten Löcher in derselben mit meinen
Haaren ausgefüllt hatten.

Da jedoch der Schuß in solcher Nähe der linken Gesichtshälfte abgefeuert
worden war, so war auch das Aeußere des linken Auges bedeutend verletzt.
Ich blieb auf zwei Tage auf diesem Auge vollkommen blind und litt noch
vierzehn Tage an einer äußeren Augenentzündung. Unmittelbar nach dem
Schusse waren auch die Eingebornen aus ihrem Verstecke gesprungen und
wunderten sich nicht wenig über das Ereigniß, das sich vor ihren Augen
abgespielt hatte. Im Momente desselben war ein Batlapinengreis zu dem
Wagen herangekommen, der bei seiner Annäherung auch ein Zeuge dieser
Scene gewesen. Bevor meine Freunde noch eingespannt hatten, um
wenigstens noch an diesem Tage Springbockfontein zu erreichen, kamen
noch einige Eingeborne zu Besuch, wovon einer, der Anrede nach zu
schließen, der Sohn des alten Mannes zu sein schien, und von diesem
folgende weise Ermahnung erhielt: »Sieh hinein in den Wagen, dort liegt
ein todter »Bas« (Gebieter, Meister). Mein Herz sagt es mir, daß es ein
sehr böser Mann gewesen sein mußte, denn als er vorne am Wagen stand,
und seine Freunde, die ihm langsam die Gewehre reichten, mit lauten
zornigen Worten schalt, da schlug ihn »Morena« (der Herr der Wolken) mit
Donner und Blitz, so daß er vom Wagen herabrollte, und wenn er nicht
schon todt ist, gewiß nicht mehr lange Mais essen und das Zuckerrohr
aussaugen wird.«

Obwohl Springbockfontein nicht mehr weit entfernt war, mußten wir es mit
Rücksicht auf meinen Zustand aufgeben, denselben Abend noch hinzukommen.
Die Erschütterungen des Wagens verursachten mir die heftigsten
Schmerzen. Nach zweistündiger Fahrt machten wir auch Halt.

Am folgenden Vormittage erreichten wir die sogenannte Ansiedelung der
Weißen, welche aus mehreren Zelten und Schilfhütten bestand und von vier
holländischen Familien, Flüchtlingen aus der Transvaal-Republik, bewohnt
waren, die wahrscheinlich Schulden halber ihre früheren Wohnsitze
verlassen hatten.

Ich fand ähnliche Ansiedelungen auch in den anderen Betschuanaländern,
deren Bewohner sich meist theils durch die Jagd, theils als Gerber,
Holzschläger oder als Händler ernähren. Im Allgemeinen führen diese
Menschen ein elendes Dasein und gehören wohl zu dem ungebildetsten
Theile der holländischen Bevölkerung in Süd-Afrika. Ihre Lage ist
furchtbar, wenn sie, von Krankheiten heimgesucht, ohne Rath und Mittel
darnieder liegen.

Die Springbockquellen sind sehr schwach und durchfließen einen kleinen
Morast, bevor ihr Wasser den Hart-River erreicht; in dem kleinen Moraste
fand ich die gewöhnliche südafrikanische Wasserschildkröte zahlreich
vertreten.

Am folgenden Morgen, als ich mich etwas besser fühlte, verließen wir den
Ort und zogen thalaufwärts weiter; ich hatte im Sinne, das Gebiet des
damals noch unabhängigen Batlapinenfürsten Gassibone zu bereisen; leider
hatten uns die an den Quellen wohnenden Holländer eine falsche Richtung
angegeben, was wir erst spät Abends von zwei vorübergehenden Eingebornen
erfuhren. Unsere Reise an diesem Tage war eine recht beschwerliche, wir
zogen theils durch sehr dichtes Buschland, theils über sandigen Boden,
und mußten sehr oft halten und den Thieren Rast gönnen. Je weiter wir
nach Nordosten vordrangen, desto waldreicher schien die Gegend, d.h. das
Land war mit schwachen Beständen von Kameeldornbäumen bedeckt.

Nach und nach hatten wir uns vom Hart-River entfernt und mußten, nachdem
wir von den beiden vorübergehenden Eingebornen die wahre Richtung von
Gassibone's Stadt erfahren, denselben Weg bis zu dem Hart-River
zurückgehen; reichliche Jagdbeute entschädigte uns indeß für diesen
Zeitverlust.

Wir schlugen nunmehr eine ostsüdöstliche Richtung ein und zogen quer
durch den Wald nach der das Hart-Riverthal im Osten begleitenden
Höhenkette, an welcher der Hauptkraal Gassibone's liegen sollte. Der Weg
war einer der beschwerlichsten, die wir auf der ganzen Reise
zurückzulegen hatten, und erheischte die größte Vorsicht, um Wagen und
Gespann vor Schaden zu behüten. Anfangs führte derselbe durch ein
monotones Buschland, später durch einen Mimosenwald, in dem uns einige
Batlapinen, Unterthanen Gassibone's, begegneten, die uns in freundlicher
Weise den kürzesten Weg nach des Häuptlings Kraal zeigten. Ueber eine
tiefe Einsattelung im Höhenrücken gelangten wir nun in ein
kesselförmiges Thalbecken; im Hintergrunde, da wo mehrere Höhenzüge
sternförmig zusammenstießen, lag theilweise in dem Hauptthale, theils in
einem der einmündenden Querthäler, die Stadt Gassibone's. Das Hauptthal,
vor dessen Eingang wir standen, war ziemlich gut angebaut.

Der lange beschwerliche Ritt hatte uns alle ziemlich abgespannt, ich
beschloß daher, da der Kraal des Häuptlings noch ziemlich entfernt lag,
hier das Nachtlager aufzuschlagen.

Früh Morgens ließen wir die Thiere grasen und dann ging es aufwärts nach
Gassibone's Residenz. In den Maisgärten waren schon die Frauen emsig
beschäftigt und die Jungen trieben nach allen Richtungen hin die Heerden
in die Berge auf die Weide. Es war ein schöner warmer Morgen und die
gesammten Mitglieder der Expedition (Weiße und Farbige) im besten
Humor.--Der volle Titel des Königs dieses Batlapinenlandes, der sich
zwei Jahre später der Transvaal-Republik freiwillig unterwarf,
gegenwärtig aber, seit der Annexion derselben durch die Engländer, ein
englischer Unterthan wurde, ist Morena Botlazitse Gassibone. Seinem
Charakter nach ist er ein Mann, der vielen Lastern, besonders aber dem
Trunke ergeben ist. Die Häuser der Stadt zeigten denselben Charakter wie
jene Lekatlongs, die Stadt mochte ungefähr 2500 Einwohner zählen. Meine
Absicht war, von der Stadt aus eine südliche Richtung nach dem
Vaal-River zu nehmen und dann nordöstlich nach der Transvaal-Provinz
vorzudringen. Da in dieser Richtung kein Weg nach derselben führte, so
sandte ich zum König um einen Wegweiser und betraute mit dieser Mission
den hoffnungsvollen F., der überdies den Auftrag erhielt, vom König
einige Töpfe Milch zu erstehen. Um dem Ueberbringer meiner Botschaft
mehr Ansehen zu verleihen, wurde ihm ein Revolver um den Leib gehängt
und ein Paar hohe Stiefel angezogen. F. fühlte sich durch die Mission so
geehrt, daß sein ganzes Gesicht mit dunkler Röthe überzogen war und
seine Augen leuchteten, seine imponirende Haltung flößte nicht nur den
Eingebornen, die ihm begegneten, demuthsvolle Scheu ein, sondern gewann
ihm auch das zuvorkommendste Benehmen Seiner schwarzen Majestät, so daß
dieser nicht nur seiner Bitte um Ueberlassung einiger Töpfe Milch zu
willfahren versprach, sondern sich auch noch erbot, mir für einen
zweiten Shilling einen Führer zur Verfügung zu stellen, der uns durch
die Schluchten auf die freie Ebene bringen sollte. Ja der Fürst ging
noch so weit, um dem martialisch aussehenden Jüngling einen Ausdruck
seines besonderen Wohlgefallens zu geben, daß er ihm von dem Gerichte
anbot, mit dem eben eine seiner Königinnen ihren Batlapinen-Appetit
stillte.

Die cylindrische, etwa 5 Meter im Durchmesser haltende und bis zum
Giebel des kegelförmigen Daches etwa 3 Meter hohe Hütte war durch einen
Mimosenbaum gestützt, der bis zur Höhe des Daches reichte. Am Fuße
dieser Säule saß die erwähnte schwarze Schönheit in ein europäisches
Kattunkleid gehüllt und auf ihrem Schooße hielt sie eine Holzschüssel,
gefüllt mit einem beliebten Batlapinengerichte. Unser wackere Herold
wollte, nachdem er des Königs Antwort durch meinen Diener, der ihm als
Dolmetsch beigegeben war, erfahren, vom Anerbieten Gebrauch machen, und
griff mit voller Hand zu. Erschreckt zog er die Hand zurück, denn die
Schüssel enthielt getrocknete Heuschrecken, nach deren Genuß es unserem
Freund durchaus nicht gelüstete. Zum Wagen zurückgekehrt, versicherte
F., ähnliche Gesandtschaftsdienste zu anderen Betschuanakönigen nicht
mehr annehmen zu wollen.

Die königliche Hütte war inwendig mit Thonerde überschmiert und der
Boden glatt cementirt, an den Wänden hingen ringsum auf Pfählen aus den
Fellen des Proteles, des grauen Fuchses, des Schabrakenschakals und der
schwarzgefleckten Genetta gearbeitete Carossen. Dem Eingange gegenüber
hing an der Säule ein amerikanischer Hinterlader; auf der Erde längs der
Wand lagen Schaf- und Ziegenfelle ausgebreitet--die primitiven
Ruhebetten. Während des Gespräches mit F. hatte Gassibone sich
entschuldigt, daß die Kürbisse auf den Feldern noch nicht reif seien,
und daß er mir auch kein Fleisch übersenden könne, weil seine Heerden
der Wassernoth halber am Vaal-River weideten. Ich konnte mich auch
späterhin überzeugen, daß es zu jener Jahreszeit im Jahre 1873 zwischen
dem Vaal- und Hart-River kein trinkbares Wasser gab. Selbst in
Gassibone's Stadt floß die Quelle so spärlich, daß sie fortwährend von
Batlapinenfrauen umlagert wurde und blos eine nach der andern zum Wasser
gelangen konnte. Als unser Diener zur Quelle kam, wurde er von den
Frauen so angeschrieen, daß er es vorzog, sich schleunigst mit dem
leeren Eimer zurückzuziehen. Uns blieb nichts übrig, als uns welches von
den Eingebornenfrauen zu kaufen oder uns mit einer entsprechenden Menge
einer mispelartigen, wildwachsenden Obstart zu versehen, um unseren
Durst zu stillen.

Im Allgemeinen schien es mir, daß diese Batlapinen ihr Oberhaupt nicht
besonders respectiren. In den letzten Jahren (seit dieser ersten meiner
Reisen) kam es zwischen Gassibone einerseits und Mankuruan und Jantsche
andererseits zu Reibungen, welche größtentheils auf zwei Gründen
beruhten: erstens behauptete Gassibone wie Mankuruan, daß jeder der
Paramontchief (oberster Fürst oder der eigentliche König) der Batlapinen
sei, zweitens bewies sich Jantsche wie Mankuruan den Engländern und
Missionären gewogen, während Gassibone gegen dieselben eingenommen, den
Holländern stets gewogen war. Darum trat er auch sein Land an die
Transvaal-Republik ab, als Mankuruan daran dachte, sich der englischen
Regierung zu unterwerfen. Als nun die Transvaal-Republik von den
Engländern annectirt wurde, belästigte er die holländischen Boers, die
er nunmehr als englische Unterthanen haßte, derart, daß gegen ihn ein
Commando abgesendet werden mußte, dem gegenüber er sich ebenso feig als
vorher prahlerisch bewies.

[Illustration: Mein Gesandter bei König Gassibone.]

[Illustration: Batlapinen bei der Arbeit.]

Wie in allen Eingebornendörfern hatten wir auch hier eine Belagerung von
Seite der Eingebornen auszuhalten, die an Lärm nichts zu wünschen übrig
ließ; es wurde geschrieen, gesungen und gelacht, dabei Tauschhandel
getrieben, alte und frische Raubthierfelle, Ziegen- und Ochsenhäute,
Holzlöffel und stumpfe unbrauchbare Assagayen, Mais und unreife
Kürbisse, geröstete Heuschrecken und Honig zum Kaufe angetragen. Der
Eine bettelte, der Andere bat, ein Dritter klagte, daß ihm alles
mögliche fehle, dazwischen kreischte eine weibliche Stimme, ob ich auch
ein Medicinmann sei, wie ihr einer meiner Diener berichtet, sie wolle
eine Medicin kaufen, welche ihr zu einem Kinde verhelfen würde; sie
hätte weder Sohn noch Tochter. »Ich habe aber einen Mann und mehrere
andere Frauen wohnen in demselben Gehöfte und die haben Kinder, aber ich
keine.« Je bereitwilliger man sich aber diesen Leuten gegenüber zeigt,
desto ärger und unverschämter werden sie in ihren Forderungen; je
zurückhaltender man ist, ohne jedoch barsch mit den Leuten zu verfahren,
desto bessere Resultate erzielt man.

Nachdem wir etwas Mais von den Leuten erstanden, machten wir uns auf den
Weg. Unsere Frage, ob wir unsere Fässer mit Wasser füllen sollten,
verneinte der uns vom Könige mitgegebene Führer mit der Bemerkung, wir
würden an vielen Stellen des Wegs hinreichend Wasser antreffen. Da wir
den Mann als Führer erhielten, glaubten wir ihm vollkommen trauen zu
dürfen, allein wir wurden bitter enttäuscht. Wir fanden auf der ganzen
Strecke zum Vaalflusse kein Wasser, und hatten, da wir diesen und den
folgenden Tag in brennender Sonnenhitze reisen mußten, viel Durst zu
leiden. Das Land zwischen Gassibone's Stadt und dem Vaalflusse ist eine
einzige Hochebene, theilweise bewaldet und bebuscht, theilweise, und
namentlich in feuchten Jahren, hochbegrast.

Auf dieser Ebene dahinziehend, fiel uns ein eigenthümlicher grauer sich
rasch nähernder Wolkenstreifen auf, der den westlichen Horizont
bedeckte. Je näher er kam, desto mehr ähnelte er von der Erde
aufsteigenden, stellenweise dichteren Rauchsäulen. Es war eine
Heuschreckenwolke. Diese Wanderheuschrecken erscheinen oft während der
südafrikanischen Sommerszeit in meilenlangen Schwärmen, alles Grün in
der Vegetation vernichtend, wo sie einfallen. Ihr Flug ist aber ein
ununterbrochenes Einfallen, d.h. während sich der eine Theil zum Fraße
niederläßt, fliegen die bereits gesättigten Thiere über die Ersteren
hinweg, so lange, bis sie der Hunger zum abermaligen Niederlassen
zwingt.

Unser Führer bezeichnete uns in der grasreichen Ebene, in der ich zehn
Monate später durch einen Brand beinahe eine aeronautische Excursion
unternommen hätte, eine binsenreiche, durch einen hohen Kameeldornbaum
gekennzeichnete Stelle in genau südlicher Richtung, wohin wir gegen
Sonnenuntergang kommen und Wasser finden sollten. Als wir jedoch am
Nachmittag an Ort und Stelle waren, fanden wir eine sehr seichte, bis
auf einige wenige, kaum je einen Becher Wasser enthaltende Stellen,
vollkommen ausgetrocknete Regenlache. Wasser konnte man es eigentlich
nicht nennen; es war vielmehr ein grünlich-dickes reichlich mit
Kaulquappen, Insectenlarven und Infusorien versetztes und stark nach
Ammoniak riechendes, wässeriges Fluid. Es bedarf wohl keiner besonderen
Versicherung, daß uns bei dem bloßen Gedanken an den Genuß dieses Fluids
anfänglich Ekel erfaßte, allein der Durst besiegte schließlich alle
Bedenken. Die Flüssigkeit wurde aus einigen der Löcher mit einem Löffel
geschöpft und damit eine Serviette gefüllt, in der sicher Millionen von,
dem bloßen Auge unsichtbaren und eine Unzahl von handgreiflichen
thierischen Gebilden herumtummelte, und das Wasser mühselig
durchfiltrirt. Das ganze Experiment ergab etwa 1½ Becher einer
dicklichen Flüssigkeit, welche Menge in fünf gleiche Theile getheilt
wurde.

Nach einer zweistündigen Rast, während welcher wir trotz brennenden
Durstes keinen zweiten Filtrirungsversuch machten, brachen wir wieder
auf. Im selben Maße als wir uns dem Vaalflusse näherten, schwanden die
Büsche und Bäume, das Gras wurde niedriger--ein ausgezeichneter
Weideplatz für große Heerden. Wir sahen nichts von den Gnu's und
Gazellen, die wir nach der Angabe der Bewohner von Gassibone's Residenz
auf der genannten Strecke hätten finden sollen; wir begegneten nur
wenigen Batlapinen, welche blos mit Stöcken bewaffnet und von mehreren
afrikanischen Windhunden begleitet, auf Niederwild jagten.

Tags darauf, als sich die Sonne bereits hinter dem bewaldeten
Freistaatufer des Vaalflusses zu bergen begann, wurden wir von einem
kleinen Batlapinenjungen, der auf der weiten Grasebene Ziegen hütete,
auf die bewaldeten Hügel aufmerksam gemacht, hinter welchen sich der
Fluß hinschlängelte. In der angegebenen Richtung sahen wir einige
Hütten, wo Gassibone's Viehhüter wohnten, welche Früh und Abends die auf
der Ebene weidenden Rinder nach dem Flusse zur Tränke zu führen hatten.

Der Vaal-River gehört unstreitig zu einem der trügerischesten Flüsse
Süd-Afrika's. Seine Ufer, weniger sein Bett, sind so schlammig, daß die
zur Tränke gehenden Zugthiere einsinken und eines elenden Hungertodes
sterben; und dies namentlich ältere Thiere, welche der längs des Flusses
fahrende Gespann- und Wageninhaber (Rider) wegen Abmattung an einer oder
der anderen Stelle bis zu seiner Rückkehr von der eben unternommenen
Geschäftsreise oder bis zu einem vielleicht mehrere Monate später
erfolgenden Besuche zurücklassen muß. Auch ich machte mehrmals bittere
Erfahrungen in dieser Hinsicht.

Während sich meine Begleiter daran machten, die Tränkestelle der
Batlapinenrinder aufzusuchen, wandte ich mich mit dem Gewehre
stromabwärts, um einige Wildenten für unsern Nachtimbiß zu erhaschen. Es
wurde allmälich dunkel. Ich trat so leise wie nur möglich, auf den
härteren Bodenstellen blos mit den Fußspitzen auf, und wo ich vor mir
trockene Büsche an dem steilen Uferabhange zu berühren glaubte, da
beugte ich mich nieder, um sie zu beseitigen und so jedes Geräusch durch
ein Zertreten derselben zu vermeiden. Da, ein lautes Geschnatter--mir
schon bekannt--zu meiner Linken, dann ein schwerer Flügelschlag und über
das Wasser stromabwärts bewegten sich zwei der ersehnten Wildgänse
(Chenalopa). Unwillkürlich knieete ich nieder, um desto besser sehen und
dem Flügelschlage lauschen zu können; die tiefe über dem schönen hier so
ruhig, so langsam dahinfließenden Strome herrschende Stille durch einen
Schuß zu unterbrechen, schien mir ein Frevel zu sein. Der breite Fluß
schimmerte matt vor mir nach dem Westen zu, wie ein riesiges, glänzendes
Band; und in der Seele tauchte--unbewußt und ungesucht--ein ähnlich Bild
aus weiter, weiter Ferne auf! Ein schönes, fast ähnliches Band, das den
Fuß des Mittelgebirgs umsäumt, und an dem ich so manchen Abend und
manche Nacht fischend durchgeträumt! In seiner Nähe, aus einem kleinen
bescheidenen Häuschen, pflegte ein Licht in die dunkle Nacht mir
entgegen zu schimmern!--Schimmert es nun auch jetzt,--wo ich hier in der
Abendstille am Ufer eines afrikanischen Stromes weile? O, theures
Vaterherz, o, liebe Mutter denkt ihr meiner?--Zürnet nicht, daß ich euch
verlassen, ich komme wieder und dann ist ja Alles gut!--Und so saß ich
stundenlang unter den hohen Weiden am Ufer des Garip. Nur undeutlich
hoben sich die schattigen Bäume am Horizonte des jenseitigen Ufers ab.

Ich machte mich endlich auf den Heimweg. Die Dunkelheit erschwerte mir
diesen Versuch mehr als ich dachte. Oft stieß ich mit dem Kopfe an einen
quer gegen den Fluß reichenden Ast der Trauerweide oder ich stolperte
über ihre Wurzeln. Einige Eulen schienen wohl am jenseitigen Ufer eine
Meerkatzenheerde aufgeschreckt zu haben, denn zuerst plötzlich und
mehrstimmig, dann nur in Pausen scholl das kurze, schwache Geschrei der
Meerkatzen zu mir herüber, welche die Gipfel der höheren Bäume zu ihrem
Nachtlager gewählt haben mußten. Mehrmals überraschte mich auch ein
plötzlicher Fall in's Wasser, es waren flüchtende Wasserleguane
(Polydaedalus), riesige, fünf Fuß und darüber lange Eidechsen, welche
die Uferlehnen nach Mäusen, Kerbthieren etc. durchsuchend, geräuschlos
bei meiner Annäherung bis an das Wasser geschlichen und dann plötzlich
untergetaucht waren. Diese Riesenechsen wählen sich meist ein stetig
oder wenigstens periodisch fließendes Gewässer zu ihrem Aufenthaltsorte,
sowohl in der Nähe menschlicher Wohnungen als auch in der Wildniß. Ihr
Gebiß ist für Thiere, die größer als ihr Schlund sind, ungefährlich,
allein sie haben eine gewaltige Kraft in ihren Kiefern und eine noch
bedeutendere in ihrem langen Ruderschwanze, der ihnen namentlich beim
Fange von Wasserthieren von sehr großem Nutzen ist. Ein solcher Leguan
wartet in der Regel am Rande eines Baches, flach auf der Erde oder auf
einem überhängenden Baumstamme platt liegend, wie ein Stück Holz, so daß
man ihn kaum bemerkt, und oft stundenlang unbeweglich auf Beute. Nichts
verräth in dem dunkelbraunen Thiere, dessen Schuppenleib von zahlreichen
grünen und gelblichen Querstreifen bedeckt ist, Leben, als die winzigen
Augen, die sich ununterbrochen öffnen und schließen, bis sie eine
nahende Beute erspäht und dieser ihre Aufmerksamkeit zollen. Mäuse,
Frösche und Kerbthiere und alles was er bewältigen kann--also was unter
Säugethieren die Größe einer Ratte, unter Vögeln die Größe eines Huhnes
etc. erreicht--wird seine Beute. Eine besondere Vorliebe scheint er für
Krabben und Eier zu haben. Doch glaube ich, daß jene Vorliebe für das
Krabbenessen, die wir häufig beobachten konnten, eigentlich nur ein
Gebot der Nothwendigkeit ist und daß die Echse nur aus Mangel an anderer
Beute dieses durch ganz Süd-Afrika und auch weit nach dem Norden zu
vorkommende Krustenthier aus seinen Löchern herausholt. An solchen
Bächen und Flüssen werden wir eine Menge der zerkauten Schalenüberreste
gewahr, so daß wohl eine beträchtliche Zahl von Krabben für die
täglichen Mahlzeiten des schuppigen Wasserbewohners nothwendig sein mag.
An fließenden Gewässern mit hochbegrasten Ufern liegende Gehöfte haben
von den Leguanen viel zu leiden, weil sie nur zu gerne die Hühnerställe
besuchen und dem Menschen das Einsammeln der Eier ersparen. Ja, sie
gehen in dieser Vorliebe auch so weit, daß sie sogar hohe Bäume
erklettern, um nach Vogelnestern zu fahnden, wie ich dies in der
Missionsstation Limkana am Matebe-Flüßchen beobachtete. Doch werden sie
im Baumklettern von ihren nahen Verwandten, den Landleguanen, bedeutend
übertroffen. Ich fand die Wasserleguanen von der südlichen Meeresküste
bis in das Marutse-Reich verbreitet. In Flüssen, wo sich Krokodile
vorfinden, bewohnen sie die Stromschnellen, weil diese von den ersteren
gemieden werden.

Nächst dem Wasserleguan finden wir auch in Süd-Afrika eine ähnliche,
doch nie im Wasser lebende Species, den schon nebenbei erwähnten
Landleguan. Diese Art ist breiter gebaut, unbeholfener, hat einen
bedeutend kürzeren Schwanz als jene und wird im Ganzen 4-5 Fuß lang. Man
findet sie auf grasarmen wie auf hochbegrasten Ebenen, in Felsenpartien,
in Gebüschen, wie auch in Wäldern. Sie suchen kleine Vögel, Mäuse,
Ratten, Asseln und Insecten zu ihrer Nahrung auf, auch das Nestausnehmen
ist ihnen eine beliebte Sache und die Bäume sind für sie das, was für
die Polydaedalus das flüssige Element ist. Wittern sie Gefahr, so
klettern sie rasch auf ihren luftigen Wohnsitz und legen sich dann flach
auf einen der Queräste nieder; sind sie jedoch am Boden, so verkriechen
sie sich rasch in ein verlassenes Erdthierloch, oder wenn sie diese
Zufluchtsstätte nicht finden, versuchen sie es, sich an den Boden
anzuschmiegen und bewegungslos zu verharren. So wie man sie jedoch
berührt, kommt plötzlich Leben in die anscheinend schlafenden Thiere.
Sich aufrichtend, strecken sie sich, fauchen laut, und schreiten langsam
und gravitätisch--man möchte sagen, blos auf ihren Nagelspitzen einher;
ebenso dick als sie uns früher, auf der Erde liegend, erschienen, ebenso
dünn und zu wahren Gerippegestalten werden sie nunmehr. Im Unterleibe
dieses Pachysauriers trifft man eine reiche lappige Fettansammlung,
welche von mehreren südafrikanischen Eingebornenstämmen als Heilmittel
für verschiedene Krankheiten gebraucht wird.

Erst gegen Mitternacht war ich wieder zu meinen Begleitern am Wagen
zurückgekehrt, welche durch mein langes Fernbleiben beunruhigt,
wachgeblieben waren.

Am folgenden Morgen brachen wir, nachdem wir uns die Wohlthat eines
Bades im Vaalflusse gegönnt, in ostnordöstlicher Richtung nach der
Transvaal-Republik auf. Eher als ich es erwartet, stießen wir schon nach
zweistündiger Fahrt auf einige Gebäude am rechten Vaalufer. Näher
kommend fanden wir ein längliches Ziegelhaus mit Eisenblech bedeckt,
einen zweiten aus Erde und Pfählen aufgeführten Kunstbau, der jeden
Augenblick einzustürzen drohte und ein drittes aus gebrannten
Backsteinen erbautes Häuschen mit flachem Dache. Diese an drei
verschiedenen Enden der ausgemessenen, zukünftigen Stadt aufgeführten
»Gebäude«, 2 Zelte und 13 Korannahütten, bildeten im Jahre 1872 das
Häusermeer der westlichsten der Städte der Republik, das später durch
die Unruhen im Lande Gassibone's und unter den nahe anwohnenden
Koranna's in Süd-Afrika ziemlich bekannt gewordene Christiana. Das
erstgenannte Haus war die Wohnung des Landdrostes und zugleich das
Comptoir der höchsten Civil- und Militärgewalt des Districtes Bloemhof,
in dem zweiten kleinen, mit flachem Ziegeldach bedeckten war ein
Kaufmannsladen und in dem baufälligen Hause wohnten, wenn ich nicht
irre, der Sheriff, ein Notar etc. In dem einen Zelte die dem Sheriff
unterstehende Polizeiarmee für die Städte Christiana und Bloemhof und
für den ganzen District--in Summa _ein_ Schwarzer. In dem zweiten Zelt
hatten sich ein paar Maurer einlogirt, welche ein öffentliches Gebäude,
ich glaube ein fensterloses Gefängniß, errichten sollten.

Seit jener Zeit meines ersten Besuches der Transvaal-Provinz hat sich
auch in Christiana viel und zum Bessern verändert, so daß das Städtchen
gegenwärtig an Bedeutung mit Bloemhof rivalisirt, welches im Jahre 1876
etwa 30 Häuser zählte. Die rasche Entwickelung Christiana's ist,
abgesehen von der günstigen Lage der Stadt auf der aus Griqualand nach
der Transvaal-Provinz führenden Straße, wesentlich ein Verdienst seines
Landdrostes, dessen Bekanntschaft ich zu machen später das Vergnügen
hatte, und ich kann nur sagen, daß er unter der Republik seiner
schwierigen Stellung als Grenznachbar mehrerer unruhiger
Eingebornenstämme in der besten Weise gerecht wurde, so daß er selbst
nach der Annexion von Seite der Engländer in seinem Amte belassen wurde.

Als ich damals, im Jahre 1873, dem mich am Wagen besuchenden Kaufmann
(Kaufmann, Großhändler, Waffenschmied, Hotelbesitzer, Fleischer und
Bäcker zugleich) mein Erstaunen an den Tag legte, daß sich in Christiana
die Gesetzeskraft blos auf einen Polizisten stützen könne und man auch
kein »Arrestlocal für gemeingefährliche Individuen« besäße, antwortete
mir der Mann (der Nationalität nach ein Deutscher), daß man kein
Gefängniß brauche, da es keinen Sträfling gebe. Die Einnahmen des
Landdrostamtes von Christiana waren damals noch so klein, daß man schon
an und für sich nicht darauf erpicht war, »Gefangene« zu machen; aber
hätte man auch einen »Vogel« ertappt, wo hin mit ihm? Der Herr Notar
konnte ihn unmöglich zu sich in sein Zimmer nehmen, er theilte es ja mit
dem Sheriff, aus dem Zelte wäre er mühelos entwischt, ihn im Hause des
Kaufmannes unterzubringen, ging auch nicht an, hier wäre ihm die
Versuchung zu nahe gelegen, sich für die Flucht noch mit Proviant gratis
zu versehen. Das waren alles wichtige Momente, die man berücksichtigen
mußte, zudem hatten die Boers es gewöhnlich dem Herrn Landdrost
erleichtert, daß sie den Schuldigen unter ihrem »Volke« (schwarzen
Dienern) den Schambock (Hippopotamos-Peitsche) zu verkosten gaben,
sobald sich einer eines Diebstahls etc. zu Schulden kommen ließ, und
wobei jede Mühe (das Transportiren des Diebes zum Gerichte und die
Tagfahrten) sowie Geld (all' die mit dem gerichtlichen Verfahren
verbundenen Kosten) erspart wurden.

Wir hatten unser Lager unmittelbar am Ufer des Vaal aufgeschlagen, das
hier ziemlich hoch ist und einen guten Einblick in die zahlreichen
Inseln und Stromschnellen des Flusses gewährt. Unstreitig ist die
Flußscenerie bei Christiana recht interessant und für den Ornithologen
ein Besuch der Inseln sehr lohnend. Ich habe hier die prachtvollen,
langschwänzigen Mandelkrähen an ihrer südlichsten Verbreitungsgrenze
beobachtet.

Auch in Christiana wurden Diamanten gesucht, doch nur spärlich gefunden.

Am nächsten Tage (13. März 1873) verließen wir die »Stadt« und zogen
weiter flußaufwärts nach Bloemhof. Die zwischen beiden Städten sich
erstreckende Gegend gehört zu den kahlsten und ödesten des
Transvaal-Gebietes und trägt ganz den Charakter einer Karoo-Ebene. Zu
dem trostlosen Anblicke des Transvaalufers bildet das jenseitige
Freistaatufer einen scharfen Contrast. Dichte Kameeldornbäume bedecken
das Ufer auf weite Strecken hin und in den Fluthen des Vaal spiegeln
sich zahlreiche Farmen ab, welche seine Gelände säumen.

[Illustration: Gefährlicher Nachtmarsch.]

Von Wild sahen wir blos drei flüchtige Springbockgazellen, einige der
kleinsten Zwergtrappen und an den kahleren, felsigen Stellen
Erdeichhörnchen und Scharrthiere (Rhyzaena), die letzteren in großer
Menge, 15-20 je einen Bau bewohnend. Kaum hatten sie das Wagengerassel
gehört, eilten sie schon von ihren nicht weit vom Baue unternommenen
Ausflügen, die ersteren um nach Wurzeln, die letzteren um nach Käfern,
Larven, Scorpionen etc. zu graben, zu ihrem Baue zurück. Sie sind nicht
besonders behend im Laufen und können leicht von einem Hunde, wenn sie
auch vor ihm einen bedeutenden Vorsprung haben, eingeholt werden. Beim
Laufen halten sie in der Regel den Schweif hochgehoben, die Eichhörnchen
ihre Fahne entfaltet: letztere kehren sich nicht eher um, als bis sie
über ihren Löchern sitzend, noch einmal nach dem Störenfried ausschauen,
während die Scharrthiere sich oftmals umsehen, stehen bleiben und dabei
verdrießlich knurren. Während die ersteren scheue und furchtsame Thiere,
sind die Rhyzaena als Raubthiere muthig und vorsichtig. Von jenen
beobachtete ich nur eine, von den letzteren mehrere Arten. Da, wo ich
die Erdeichhörnchen auf der Reise nach Norden zu vermissen begann und wo
die prairienartigen Ebenen dem Walde wichen, wurden diese Thierchen
durch eine kleine, gelbbräunliche, auf Bäumen lebende Art ersetzt. Die
Eingebornen, mit Ausnahme der Hottentotten, essen das Fleisch beider
Thiere.

Am Nachmittag des 15. März gelangten wir nach Bloemhof, welches damals
blos aus einer Straße bestand und das uns zu keinem Aufenthalte
einladend erschien; die Scenerie ringsum bot ein dürftig-trauriges Bild,
seitdem jedoch hat das Städtchen zusehends gewonnen.

Seitdem wir Klipdrift verlassen hatten, war uns fast ausnahmslos
heiteres schönes Wetter hold gewesen, doch kaum hatten wir Bloemhof im
Rücken, als sich der Horizont immer mehr zu umwölken begann. Mit der
zunehmenden Dunkelheit wurde es durch das inzwischen losgebrochene
Unwetter rings um uns so schwarz, daß wir auf 20 Schritte nicht sehen
konnten und ich bedauern mußte, nicht im Weichbilde der Stadt
übernachtet zu haben. Anfangs gingen wir vor dem Gespann, da der das
Leitpaar am Riemen führende Koranna behauptete, den Weg vor sich von dem
gleich dunkel aussehenden Boden zu beiden Seiten nicht hinreichend
unterscheiden zu können. Der heftige Regen, der uns durchnäßte, im
Verein mit dem kalten Winde, trieb uns jedoch in den Wagen hinein;
hundert Schritte weiter und die Zugthiere blieben stehen; sie glitschten
fortwährend aus, was mich auf den Gedanken brachte, daß wir vielleicht
vom Wege abgekommen, auf einen Abhang gelangt waren, und dann konnte
dies nur nach dem Flusse zu sein. An eine Fortsetzung des gefährlichen
Nachtmarsches war unter solchen Umständen nicht zu denken, wir mußten
hier das Morgengrauen abwarten.

Die Recognoscirung unseres unfreiwilligen Lagerplatzes führte zu einer
Entdeckung, die mich tief erschreckte. Als ich den Wagen im strömenden
Regen zum zweiten Male, diesmal in einem etwas größeren Radius umging,
schien es mir, als wenn sich etwa 20 Schritte vor den Zugthieren eine
dunkle Stelle befände. Mir däuchte es ein Erdloch, und so holte ich den
»Triber« (sprich Trajbr) herbei, um gemeinschaftlich bei der Helle des
nächsten Blitzes die Stelle zu untersuchen. Das erwünschte natürliche,
elektrische Licht blieb auch nicht lange aus und wir sahen zu unserer
Ueberraschung eine Regenschlucht, die zu dem Flusse führen mußte. Wären
wir noch 20 Schritte weiter gegangen, wir hätten es theuer gebüßt. Am
Morgen zeigte sich eine Schlucht mit schroff abfallenden, etwa 16 Fuß
hohen Lehmwänden.

Es war eine äußerst ungemütliche Nacht, die wir hier zubrachten, der
Regen durchdrang selbst die Leinwandhülle des Wagens, der kalte Wind
ließ uns erstarren und führte uns die Thatsache zu Gemüthe, daß wir uns
4000 Fuß ober dem Meere, auf dem Plateau des südlichen Transvaalgebietes
befanden. Nur David und Gert ließen sich durch das Unwetter nicht im
Mindesten in ihrer Vorliebe für Morpheus stören, unbekümmert darum, daß
sie förmlich in einer Regenlache schwammen, waren sie bald in tiefen
Schlaf verfallen, aus dem sie nur am kommenden Morgen (das Unwetter
hatte sich nach Mitternacht verzogen) die warmen Strahlen des
Tagesgestirns weckten.

Das jenseitige Freistaatufer ist durch eine sandige, mit Mimosenbäumen
stellenweise spärlich, stellenweise ziemlich dicht bewaldete und
bebuschte Bodenerhebung gebildet. Viele der vermögenden Farmer, die
südlich vom Flusse wohnen, haben sich hier Farmen, d.h. je etwa 3000
Morgen Land gekauft, um in der trockeneren Jahreszeit daselbst ihr Vieh
zu halten. Sie klagten mir über bedeutende Verluste, die sie durch
Hyänen (H. crocuta) erlitten, welche Fohlen, Kälber und Maulesel
getödtet hätten, so daß die Farmer Strychnin zu Hilfe nehmen mußten und
damit tüchtig unter den nächtlichen Räubern aufräumten. Dem Sohne des
Farmers Wessel hatten die Raubthiere in einem Winter 18 Stück Hausthiere
getödtet und unter seinen Notizen halte ich namentlich einen Fall
nennenswerth. Sein Diener hatte, um ein leichtes Ueberwältigen der
Maulesel zu verhüten, zwei derselben mit einem Riemen zusammengekoppelt;
als man sie nach einiger Zeit suchte, fand man den einen neben der
Leiche seines Gefährten, beide noch mit dem Riemen verbunden und nach
den zahlreichen Spuren mußte man schließen, daß einer derselben von den
Hyänen getödtet und halb abgenagt worden war, während sich der
Ueberlebende, durch stete, jedoch fruchtlose Versuche sich loszureißen
müde geworden, wohl in sein Schicksal ergeben haben mußte. Seit jener
Zeit ließ man nur Rinder und erwachsene Pferde ohne Hirten auf die
Weide.

Einige Stunden östlich von Bloemhof erreichten wir eine große seichte,
schon aus der Ferne weiß schimmernde Salzpfanne, an der eine Farm lag.
Wie immer war eine Stelle des Ufers der Pfanne von einem Hügel überragt,
während die anderen, mit Gras überwachsenen, fruchtbaren und moorigen
Stellen zum Ackerbau wohl geeignet sein mochten.

Ich sammelte einige, der mit Salz incrustirten Steine und
vegetabilischen Stoffe, während sich meine Gefährten daran machten, die
zahlreichen, am reinen Kiesgrunde der Pfanne reichlich aufliegenden,
hirse- bis erbsengroßen Salzkrystalle zu sammeln. Wir betraten nunmehr
das eigentliche südwestliche Wildrevier des Transvaal-Gebietes, das sich
von den Ufern des Bamboesspruit bis zum Schoenspruit über eine
ununterbrochene, im Süden vom Vaal-River, im Norden von den Maqwasihöhen
begrenzte und von mehreren meist von Norden nach Süden oder Südosten
laufenden periodisch fließenden Spruits und einem Flusse
durchschnittene, hochbegraste Ebene erstreckt.

Seit meinem Besuche dieser Gegend im Jahre 1873 hat das Wild bedeutend
abgenommen, doch ist zu hoffen, daß die neue Regierung zu seinem Schutze
die nöthigen Maßregeln ergreifen wird. Bei einer vernünftigen Jagdweise
kann sich das übrig gebliebene rasch vermehren und dennoch den Farmern
einen ergiebigen Ertrag sichern.

Während meiner ersten Reise beobachtete ich das gemeine schwarze Gnu in
Heerden von 5-30 Stück, Bläßböcke in Heerden von 15-300 Stück,
Springböcke, Deuker und Steinböcke von 10-150 Stück, nahe an den
bebuschten Partien nur paarweise; ferner eine Menge von den
rothlöffeligen Hasen, eine Unzahl von Springhasen und Stachelschweinen,
Schuppenthiere und Erdferkeln--doch fehlten auch Raubthiere und Hyänen,
Schakale und Proteles, an den Spruits Fischottern und im hohen Ufergras
Wildkatzen nicht; während mehrere Trappenarten, Wildenten und Gänse,
Wachteln (eine kleine Art) und in den bebuschten Partien Perlhühner
zahlreich vertreten waren.

Bevor wir noch den Bamboesspruit (18. März) erreichten, erblickten
wir zuerst einige einzelne, später eine kleine Heerde von
Bläßbock-Antilopen, so genannt, weil sie auf ihrer Stirne eine weiße
»Bläße« zeigen, die gut zu der dunkelrothbraunen Behaarung des Körpers
paßt. Die Hörner sind nach hinten geneigt, gegen die Spitzen
auseinanderlaufend, weder so zierlich noch so schön wie jene der
Springbock-Antilopen, wie denn auch der Bläßbock, im Ganzen stärker
gebaut und eine längere Verfolgung, ohne dabei zu großen Sprüngen seine
Zuflucht zu nehmen, auszuhalten im Stande ist.

Zahlreiche Kranichheerden jagten im hohen Grase nach Heuschrecken. Nahte
man ihnen, so flogen sie nach einem kurzen Anlaufe auf, um knapp über
dem Grase hinreichend, einige hundert Schritte weiter wieder
einzufallen. So wie sie aufflogen, ließen sie ihre prächtige, weithin
hörbare Stimme ertönen.

Heftige Regenschauer nöthigten uns, schon in den ersten
Nachmittagsstunden an einer Regenpfütze, einige Meilen östlich vom
Bamboesspruit, Halt zu machen. Dazu trat noch eine allgemeine Ermattung
der ganzen Expedition ein, in Folge der letzt erlebten Nacht und des
Genusses von Salz aus der vorerwähnten Salzpfanne.

Der heftige Regen und unser Unwohlsein ließ uns eine recht unangenehme
Nacht zubringen, erst gegen Morgen ließ der Regen etwas nach und wir
versuchten etwas Schlaf unter dem Wagen, da die Ausdünstung der in dem
Wagen naß gewordenen Gegenstände nicht einladend war.

Während der Nacht ließen sich Hyänen und Schakale oft nahe am Wagen
vernehmen, allein wir konnten weder in der Dunkelheit hinreichend klar
sehen, noch wollten wir uns auch in dem feuchten Wetter unserer in
Lederhüllen aufbewahrten Gewehre bedienen. Das Liegen auf dem feuchten
Grase wurde uns jedoch bald unbehaglich und so waren wir schon vor
Sonnenaufgang bereit, die Weiterreise anzutreten.

Während sich meine Gefährten nun im Feueranmachen versuchten, hielt ich
eine Rundschau über die nur nach Norden in der Ferne von Höhen begrenzte
Grasebene, konnte jedoch nichts erspähen; am Himmel hingen noch schwere,
dunkle und tiefgehende Wolken, der Tag versprach so trübe zu werden, wie
es die Nacht gewesen. Während ich noch Rundschau hielt, hörte ich vor
mir--es schien von zwei, circa 600 Schritte vor mir vorüberfliegenden
storch- oder kranichartigen Vögeln zu kommen--schöne, melodische,
harfengleich klingende, sich mehrmals wiederholende Töne, welche auch
die Aufmerksamkeit meiner Begleiter auf sich zogen. »Das ist
schön!«--»o, prachtvoll!«--»hört Ihr die Aeolsharfe!«--so zollte ein
Jeder von uns seine Bewunderung, kaum daß jene Töne verklungen waren.

Nur Gert, der edle Korannajüngling, schien ungerührt. Von uns Allen um
Auskunft bestürmt--wobei er recht erschrocken von seinem
Frühstückstöpfchen auffuhr--woher diese Laute kämen, ob von Vögeln,
anderen Thieren, oder was sie sonst erzeuge, schaute er über die Ebene
hin, konnte aber nichts sehen, dann beugte er sich nieder, um längs der
Grasspitzen besser in die Ferne sehen zu können, plötzlich faßte er mich
bei der Hand, zog mich zu sich herab und sagte:

»Siehst Du, Bas, dort fern von hier fliegen zwei Vögel, da--da setzen
sie sich nieder, das sind, das mußten die Schreier gewesen sein, sie
sind solche Vögel wie die »groten Springhanvogels« (graue Kraniche),
allein sie haben schön weißrothe Flügel und auf dem schwarzen Kopfe
tragen sie schöne gelbliche Kronen und diese Kronen«--dabei war er, als
er das Erstaunen in unseren Mienen gemerkt, aufgestanden und hatte sich
zur Stärkung nach seiner diesmal so ungewöhnlich wortreichen Rede mit
einem neuen Stückchen Kautabak gelabt--»ja, diese Kronen sind nicht
Federn, sondern lange, gelbe steife Haare. Alle Menschen kennen sie in
Afrika und viele Farmer im Oranje-Freistaat und der Transvaal-Provinz
halten sie zahm auf ihren Höfen.«--»Und ihr Name?« fragte
ich--»M[=a]-hems, Sir, nennt man sie.«

Nun waren wir so klug wie zuvor. Stelzenvögel waren es wohl, allein
wohin sie einreihen, wußte ich nicht, bis ich zwei Tage darauf das Glück
hatte, drei davon auf einer Farm lebend zu finden. Es waren die
gekrönten oder Königskraniche (Balearia regulorum), von denen ich ein
Pärchen auch heimbrachte. Seine kaiserliche Hoheit, unser
durchlauchtigster Kronprinz Rudolph, erwies mir die hohe Ehre, das
Pärchen gütigst anzunehmen und die Vögel dem kaiserlichen Thiergarten zu
Schönbrunn einverleiben zu lassen.

Auf der durch mehrere kleine, trockene Salzpfannen charakterisirten
Ebene tummelten sich auch zahlreiche große Trappen. Wir überschritten
den Bamboesspruit, welcher nur an sehr wenigen Stellen in seinem
schlammigen Bette kleine Wasserlachen zeigte und zogen weiter ostwärts
gegen den zu ihm parallel laufenden und stetig fließenden Maqwasi-River.
Das Land stieg etwas nach dieser Richtung hin und war auch stellenweise
mit kleinen Beständen von Mimosen, zumeist Kameeldornbäumen bedeckt.

Am Rande des ersten kleinen Gehölzes blieben wir über Mittag liegen und
da meine Freunde mit dem Trocknen der durch den letzten Regen naß
gewordenen Sachen die Hände voll zu thun hatten, ergriff ich ein Beil,
um Holz für unsere Küche herbeizuschaffen. Da meine linke Hand noch von
dem Unfall mit dem Gewehre her nicht völlig geheilt war, fiel mir die
Arbeit schwer, und mein Ungeschick brachte mir nur eine neue
schmerzhafte Wunde am Schienbein des rechten Fußes ein. Wenige Minuten
darauf schwebte ich wieder in ernster Lebensgefahr.

Um nicht unverrichteter Dinge zu meinen Gefährten zurückkehren zu
müssen, trachtete ich, wenigstens die trockene Rinde von den
abgestorbenen Stämmen abzulösen. Bei diesem Beginnen sah ich plötzlich
etwas vor meinen Augen glitzern und im selben Momente verspürte ich ein
Gefühl von Kälte an meinem linken Unterarme. Eine Viper hatte sich, wie
dies häufig vorkommt, unter der Baumrinde verkrochen und war mir nun in
den linken Aermel gefallen. Mit dem Verhalten in solchen Fällen
vertraut, blieb ich unbeweglich, um das Thier nicht zum Bisse zu reizen.
Die Schlange hatte sich nun ausgestreckt, und dabei ragte glücklicher
Weise das Schweifende aus dem Aermel heraus. Rasch entschlossen ergriff
ich dieses und schleuderte das Thier weit von mir.

Die folgende Nacht war ebenso unangenehm wie die vorhergehende. Es
regnete so stark, daß wir an Schlaf nicht denken konnten, wozu übrigens
das Hyänen- und Schakalconcert nicht ermuntern konnte.

[Illustration: Lager am Bamboesspruit.]

Am 19. März verließen wir unser Nachtlager. Nach etwa zweistündiger
Fahrt hörten wir ein deutliches Brausen, wie von einem Bergstrome
herrührend, welches vor uns aus einer durch einen langen von Norden nach
Süden sich hinziehenden, durch einen Baumstreifen gekennzeichneten
Vertiefung zu kommen schien. Wir fanden dies auch bestätigt und in jener
engen 20-35 Fuß messenden Tiefe drängte sich der durch die in der
gleichnamigen Hügelkette gefallene Regenmenge angeschwollene
Maqwasi-River. Sein Bett ist meist steinig und steil, so auch seine
Ufer, und zeigt oft, wie unterhalb der von uns benützten Furth,
anmuthige Scenerie, wenn auch im beschränkten Maßstabe, wie es ein enges
Flußbett und ein ebenso enges Thal nur bieten kann; der Fluß ist durch
mehrere der Wintermonate bis auf einige der tieferen, felsigen Löcher
trocken und ziemlich fischreich. Seine Ufer, und dies gilt namentlich
von den felsigen, zerklüfteten Partien, sind von Fischottern,
Wildkatzen, einer Wieselart, der Genetta und anderen kleinen
Raubthieren, den Rohrrüßlern und auch von Wasserleguanen bewohnt. An der
Furth, welche durch die steile Ab- und Auffahrt schwer zu passiren war,
fanden wir das Wasser etwa drei Fuß hoch; am rechten Ufer trafen wir
einige Transportwägen, welche Waaren im Gewichte von 6-7000 Pfund
aufgeladen hatten, deren Fuhrleute den angeschwollenen Fluß nicht zu
durchfahren wagten und das Fallen des Wassers in einer in der Nähe
liegenden Cantine abwarteten. Ich entschloß mich jedoch, den Versuch zu
wagen, der auch bis auf einen kleinen Unfall, der uns einen Theil
unseres Kochgeschirres kostete, gelang.

[Illustration: Rückkehr von der Gnu-Jagd.]

Noch bevor die Sonne im Zenith stand, hatten wir die hier vom Norden
nach Süden vorbringenden Maqwasihöhen an ihrem südlichsten Abhange
erreicht, welche nicht nur dem Botaniker, sondern auch dem Mineralogen
eine höchst lohnende Ausbeute, letzterem prachtvolle Quarzit-Porphyre
bieten. Hasen und Trappen fanden sich auf der Ebene nach dem Süden,
während der nahe Teich des Farmers, der sich am Fuße der Höhen
angesiedelt hatte, von schwarzen Blaßhühnern, von Tauchern, Wildenten,
Ibissen und Fischreihern wimmelte.

Am Nachmittage machte uns der Sohn des Farmers einen Besuch und ich
staunte über die Fertigkeit, mit welcher dieser Mann meinen Revolver zu
handhaben wußte. Schuß auf Schuß traf das Ziel. Gegen Abend verließen
wir die Farm und zogen über eine weite Ebene, welche von zwei Fuß hohem,
üppigem Graswuchs bedeckt, zahlreiches Wild beherbergte. Etwa sechs
englische Meilen von unserem mittägigen Lagerplatze entfernt, am Abhange
der Höhen, mußten wir anhalten, strömender Regen hinderte uns an der
Weiterfahrt. Wir befanden uns in einem kleinen isolirten
Mimosenwäldchen, das eine Farm umgab. Der außerordentliche Reichthum der
Ebene an mancherlei Wild gab uns Veranlassung, hier einen ganzen Tag zu
verweilen.

Bei Tagesanbruch wurde ich durch einige in der Nähe gefallene Schüsse
aus meinem kurzen Schlummer gerissen. Die Schüsse schienen auf der Ebene
nach Süden abgefeuert worden zu sein. Später, als wir beim Frühstücke um
unsere Eisentöpfe saßen, wurde uns die Erklärung dazu geboten. Zwei
Holländer kamen auf unscheinbaren, allein sehr ausdauernden Ponies
herbeigeritten, und nachdem sie uns gefragt, ob der »Bas« (Hausherr)
daheim sei, eine Frage, auf die wir keine Antwort hatten, ritten sie auf
das mit Stroh gedeckte Häuschen zu, um sich hier vom Nachbarn, »Ohm«
(gewöhnlicher Titel eines holländischen Farmers), einen Wagen zu
entlehnen, mit dem sie die zwölf diesen Morgen auf seiner Farm erlegten
Antilopen (Spring- und Bläßböcke) nach ihren, einige Meilen abliegenden
Farmen schaffen konnten.

Jene holländischen Bauern, welche nahe an Städten wohnen, bringen die
erlegten Thiere, meist nachdem sie dieselben ausgeweidet, und ihnen die
Köpfe abgeschnitten, die sie draußen im Felde den Schakalen und Geiern
überlassen, aufgeschnitten zu Markte. Jene, die entfernter wohnen,
zerstückeln ihre Beute, nachdem sie selbe abgehäutet und die Häute zum
Trocknen auf der Erde ausgespannt haben. Von Springböcken werden die
Felle von den Farmern blos getrocknet, viereckig zugeschnitten und 8-12
solcher Häute zu Fußdecken zusammengenäht, eine Arbeit, in welcher sie
von den Eingebornen weitaus übertroffen werden.

Die Felle des Bläßbockes und des in den Wäldern oder auf den bebuschten
Höhen wohnenden Kudu werden in ähnlicher Weise ausgearbeitet und zu dem
hinteren stärkeren Vorschlag (dem Achterschlag) der aus Giraffenhaut
verfertigten Peitsche benützt. Auch gerben sie in sehr primitiver Weise
die Bläßbock-, Gnu- und Quaggafelle, und verkaufen das so gewonnene
Leder den in Städten ansäßigen oder herumziehenden Kaufleuten. Zum
Gerben benützt man die Rinde mehrerer auf Höhen wachsenden Bäume, so
z.B. des Waggonhout-Baumes und anderer, und wo diese mangeln, einiger
der gewöhnlichen, doch größeren, meist an Flußufern wachsenden
Mimosenarten. Solche, die das Gerben als Nebengewerbe betreiben, kaufen
gewöhnlich die ungegerbten Felle den Jägern ab, bezahlen in der Regel
3-4 Shillinge für ein Bläßbockfell und verkaufen es gegerbt um 10
Shilling.

Aermere Farmer, die bei Freunden oder Verwandten wohnen, bereiten aus
den halbgegerbten Gnufellen die Sohlen, aus Bläßbock-, Kudu-,
Hartebeest-Fellen etc. das Oberleder zu einer unscheinbaren, allein auf
Reisen in Süd-Afrika sehr bequemen Fußbekleidung, den sogenannten
Feldshoen, welche an Ort und Stelle mit 6-8, bei den städtischen
Kaufleuten mit 10-14 Shillingen verkauft werden.

Das Fleisch des Wildes wird in lange Stückchen geschnitten, etwas
eingesalzen oder bei mäßiger Tageshitze auf Riemen aufgehangen
getrocknet und als Beltong steinhart auf den Tisch gebracht. Zubereitet,
d. h. abgerieben und dann in Butter gesotten, gibt es einen delicaten
Imbiß. Ein Pfund von diesem getrockneten Fleische wird mit 6 Pence bis 1
Shilling bezahlt und von manchem Farmer in größeren Mengen auf den Markt
gebracht.

Der große Wildreichthum der Umgebung des Gehölzes verhalf auch unserer
Küche zu manchem Leckerbissen und meiner Sammlung zu schönen Bälgen.
Unter Anderem gewann ich einen prächtigen Uhu, einen Hühnergeier, zwei
Falken, eine Zwergeule, einen Wiedehopf, kleinere Spechte u.s.w.

Mein Enthusiasmus wurde indeß plötzlich abgekühlt, als der Farmer mich
plötzlich mit seiner unmelodischen und schnarrenden Stimme zur Rede
stellte. Es war ein vollbärtiger Boer, der grimmigen Blickes mich und
meinen Gefährten F. frug, wo wir »del manier« gelernt hätten, »Finks,
Falke, Eule und mar all det Vogels dot to skeuten« ohne daß man erst
»will Mynheer permittiere« angesucht hätte. Die Entrüstung des Farmers
hatte sich jedoch bald gelegt, als er erfuhr, daß ich ein Doctor sei,
denn ein solcher ist dem holländischen Farmer stets ein willkommener
Gast; ja er wurde später sogar noch so liebenswürdig, uns für einen
Shilling eine reichliche Quantität frischer Milch zu überlassen.

Am folgenden Tage verließ ich das Gehölz und zog weiter nach Osten. Die
Strecke von diesem Gehölze bis zum Estherspruit ist durch
außerordentlichen Wildreichthum ausgezeichnet. Ich zählte zu beiden
Seiten des Weges nicht weniger als zwanzig Antilopenheerden (Springböcke
und Bläßböcke). Zahlreiche Aasgeier hatten sich in geringer Entfernung
unseres Weges über einen angeschossenen Bläßbock zum Fraße
niedergelassen; daß es an solchen Gelegenheiten auf dieser weitläufigen
Ebene nicht fehle, bewies uns ihre große Zahl.

Wir kamen nach einiger Zeit zu einem nach Süden sich hinziehenden
grabenartigen Spruit, an welchem aus dem Dickicht eines kleinen
Mimosengehölzes in der Ferne ein weißgetünchtes Farmhaus uns
entgegenschimmerte. Hier wohnte ein Holländer, Namens Rensburg, ein
freundlicher, ältlicher Mann, den wir später kennen lernten.

Am Ufer der Spruit machten wir Halt. Während wir uns beim Mittagsmahle
gütlich thaten, näherte sich uns ein eigenthümliches Gespann, das unsere
Aufmerksamkeit für einige Zeit gänzlich in Anspruch nahm. Zwei
bewaffnete Betschuana's escortirten ein Doppelgespann von Ochsen, welche
eine aus Mimosenholz verfertigte schlittenartige, mit Aesten überdeckte
Gabel schleppten, auf welcher ein frisch erlegter Gnu-Stier lag. Es war
ein schwarzes Gnu, welches von den Eingebornen, die es erlegt hatten,
ihrem Brodherrn überbracht wurde. Rensburg hielt sich mehrere
Eingeborne, die mit ihren Familien in der Nähe seines Wohngebäudes in
Hütten wohnten. Die Frauen halfen in der Haushaltung des Farmers, die
dunklen Männer aber jagten für ihn. Diesen Stier hatte einer der Männer
im Morgengrauen, nachdem er die ganze Nacht hindurch hinter einem kaum 2
Fuß hohen Termitenbau gelauert, aus unmittelbarer Nähe erlegt. Da das
Fell des Thieres nicht bedeutend verletzt war, gab ich ihnen den
Auftrag, ihren »Bas« von mir grüßen zu lassen und ihn zu bitten, mir das
Gnufell zu überlassen, um es für meine Sammlungen präpariren zu können.
Sie versprachen es und zogen ab. Nach einiger Zeit kehrten die Männer
mit der Botschaft zurück, der Farmer überlasse mir das Fell um den Preis
von 5 Shillingen, ein Vorschlag, auf den ich bereitwillig einging.

Der Besuch eines Boers, der, in entgegensetzter Richtung reisend, in der
Nähe unseres Wagens Siesta hielt, verzögerte unsere Abreise und es war
bereits ziemlich dunkel, als wir Estherspruit verließen.

Die Dunkelheit machte allen Jagdversuchen ein Ende, ich wurde indessen
durch den Fund eines Exemplares der Ringhalsschlange von seltener
Schönheit reichlich entschädigt. So oft mich später Farmersleute
besuchten, zeigten sie einen unverkennbaren Schrecken beim Anblicke
dieses schwarzen giftigen Reptils.

Die Straße, deren guter Zustand mich vor dem Estherspruit überrascht
hatte, nahm bald ein Ende, wir waren plötzlich auf eine morastige Ebene
gerathen. Alle Mühe und Anstrengung, unseren Wagenkoloß aus dem
sumpfigen Boden herauszubringen, waren vergeblich, und so mußte ich
denn, wenn auch mit Widerwillen, an dieser gesundheitsschädlichen Stelle
den Morgen abwarten.

Nach Mitternacht wurde es heller, so hell, daß wir die ungemein dreist
gewordenen Schakale in unserer unmittelbaren Nähe sehen konnten. So
gerne ich die freche Zudringlichkeit dieser argen Kläffer gezüchtigt und
mich in den Besitz einiger schöner Schabrackenfelle gesetzt hätte, stand
ich davon ab, da mir der Farmer am Estherspruit hievon abgerathen hatte,
und durch die Schüsse das Wild verscheucht worden wäre.

Am folgenden Morgen ging es weiter; schon nach 200 Schritten kamen wir
zum Klipspruit, einem kleinen, damals fließenden, doch bald nach der
Regenzeit bis auf einige Tümpel austrocknenden Flüßchen, welches nach
heftigen Regengüssen zu einem 50-100 Schritte sich ausbreitenden Strom
anschwillt. Wir überschritten es und schlugen auf einige Tage am
gegenüberliegenden Ufer unser Lager auf.

Es war ein herrlicher, des Waidmann's Herz entzückender Anblick, als der
anbrechende Tag uns einen Ausblick in die Ferne nach allen Richtungen
hin vergönnte. Wohin wir auch das Auge wenden mochten, überall erfreute
uns der Anblick kleinerer und größerer Gazellen- und Gnuheerden, die
nächsten etwa 400 Schritte vor uns, und manche wieder nur als dunkle
Punkte am Horizonte, der nach Westen, Süden und Osten unbegrenzten Ebene
erkennbar. Während die Springböcke gruppenweise grasten, hielten sich
die Bläßböcke in langen Ketten hinter- oder neben einander grasend. Von
mehreren Seiten klang der langgezogene Ton des Trappengeschreies zu uns
herüber; jedes Plätzchen um uns athmete Leben. Als ich an jenem Morgen
des 23. März 1873 die mir unvergeßliche Rundschau von meinem Wagen aus
hielt, da kam es mir in den Sinn, mir einen größeren Landbesitz in
diesen Gegenden zu wünschen, der umzäunt, dem von allen Seiten
verfolgten Wilde als Hort dienen könnte; doch leider, dieser Wunsch wird
sich wohl nie erfüllen! Nicht das Klima, der beschränkte Raum in den
zoologischen Gärten ist einer der Hauptgründe, daß so viele Thiere der
Gefangenschaft erliegen. Jene wandernden Menagerien werden mit der Zeit
aufhören müssen, je mehr stabile entstehen, die sich rasch mehren, denn
der notorischen Thierquälerei der ersteren, dem sogenannten
Gefängnißsystem, muß einmal die sich mehr und mehr entwickelnde
Veredelung des menschlichen Geistes ein Veto gebieten.

Am Klipspruit wollte ich einen mehrtägigen Aufenthalt nehmen, nicht um
eine Razzia unter dem Wilde zu halten, sondern, wenn möglich, zu
beobachten und von den hervorragenden Wildspecies je ein Fell für meine
Sammlung zu gewinnen. Leider war der Zufall selbst diesem bescheidenen
Wunsche nicht hold und heute bin ich zufrieden, daß es so geschah. Wir
blieben bis zum 27. März. Den ersten Tag beschäftigten wir uns mit dem
Präpariren des erkauften Gnufelles--eine mühevolle Arbeit. Am zweiten
verfolgten wir den Lauf des Spruit, der sich grubenartig durch die Ebene
wand und nur stellenweise in Tümpeln Wasser aufwies, um ein geeignetes
Versteck in seinem Bette zu finden und das Wild aufscheuchen zu können.

Mehrere Wägen, die Transvaal-Farmern angehörten, welche mit Getreide
theils nach den Diamantenfeldern zogen, theils von daselbst kamen, und
die uns begegneten, hatten bis drei Stück Wild unter und an dem Wagen
befestigt. Das Wild ließ denselben oft bis auf 300 Schritte Nähe
vorüberfahren, was dann von den vortrefflichen holländischen Schützen
benützt wurde, um auf der anderen Seite vom Wagen zu springen, sich in's
nahe Gras zu werfen und auf die arglosen Thiere anzuschlagen. Von je
drei Schützen traf in der Regel einer tödtlich und so bot man uns
Springbockgazellen mit Fleisch und Haar für 1 Shilling bis 1 Shilling 6
Pence, Bläßböcke für 2-3 Shillinge und Gnus für 7-8 Shillinge an. Ich
erstand zwei der ersteren Thiere.

[Illustration: Von schwarzen Gnu's überrascht.]

Doch weder mir noch meinen weißen Gefährten war Waidmannsglück jetzt
hold; schon waren drei Tage resultatlos verflossen, den letzten Tag (27.
März) beschloß ich noch einmal, mein Glück zu versuchen, und unternahm
einen Ausflug, am Spruit abwärts.

Auf meinen an den früheren Tagen nach dieser Richtung hin unternommenen
Ausflügen war mir eine Stelle in dem etwas verbreiterten Flußbette
aufgefallen, die von dem Wilde als Tränkstelle benutzt zu sein schien.
Neben ihr führte quer durch das sonst trockene Bett ein zu beiden Seiten
von einem Tümpel (der Tränkstelle) umsäumter Pfad, den das Wild und
namentlich nach den Spuren zu urtheilen, Gnu's zum Ueberschreiten des
Bettes zu wählen schienen. Ich hielt es für das Beste, an diesem Pfade
im Anstand zu liegen und das Herannahen des Wildes zu erwarten.

Ich verließ den Wagen nach Sonnenaufgang und legte kriechend die etwa
zwei englische Meilen entfernte Strecke zurück. Es mochte jedoch schon
11 Uhr gewesen sein, bevor ich es zu Stande gebracht, denn stellenweise
war das eigentliche Bett sehr seicht und ein sich in demselben vorwärts
bewegender Mensch konnte leicht vom Wilde von der Ebene aus beobachtet
werden. Der Pfad war eng, zu einer Seite Tümpel mit Schilf umsäumt. Der
Fluß war, wie ich schon erwähnt, ziemlich breiter, flacher und seichter,
als es sonst am Laufe des Klipspruit zu beobachten war. Ich mochte eine
Stunde an dem Pfade gelegen haben, die Sonne brannte heiß und machte mir
meine Lage recht unbequem, als von Nordosten her in weiter Entfernung
einige Schüsse fielen; theilweise durch einen Grasbusch gedeckt, lugte
ich nach Osten zu aus, sah jedoch nichts, außer mehreren ruhig grasenden
Heerden von Springböcken, Bläßböcken und Gnu's. Von den letzteren fiel
mir die eine dadurch auf, daß die Thiere, eines hinter dem andern
trottend, eine bestimmte Richtung, und zwar gerade nach mir zu,
eingeschlagen zu haben schienen. Ich wandte mich deshalb auch gegen
dieses Ufer und machte mein Gewehr schußbereit. Da jedoch die Gnu's noch
weit entfernt waren und sich langsam vorwärtsbewegten, kehrte ich meinen
Kopf nach der entgegengesetzten Seite, wohin ich zuvor ausgelugt, und
staunte nicht wenig, eine zahlreiche Bläßbockheerde im schnellen Laufe
aus derselben Richtung, aus welcher die Schüsse gefallen waren,
herannahen zu sehen. Die Thiere waren mir näher als die langsam
schreitenden Gnu's, und da sie dieselbe Richtung, d.h. nach dem Pfade
eingeschlagen zu haben schienen, wurde ich den letzteren untreu, kroch,
mich flach auf den Boden legend, bis zur Mitte des Bettes; bis zum
gegenüberliegenden flachen Rande zu gelangen war mir keine Zeit mehr
geblieben.

Nach einigen Sekunden erhebe ich ein wenig den Kopf, die Thiere mußten
nun schon in unmittelbarer Nähe sein. Doch welche Enttäuschung! Die
Bläßböcke mußten mich bemerkt haben, denn etwa 200 Schritte vor mir
hatten sie sich zur Flucht gewendet. Die letzten Thiere der Heerde waren
eine Gais und ein kleines Böcklein, das lebend zu erlangen, mein
lebhaftester Wunsch war; ich wollte es daher versuchen, die Gais zu
verwunden und mich dann des Böckleins zu bemächtigen. In den rechten
Lauf geschossen, bäumte die Gais auf, hinkte anfangs, allein bald war
sie wieder in vollem Lauf, unmittelbar von dem Böcklein gefolgt und
hatte die enteilende Heerde eingeholt.

Ich kroch nach meiner früheren Stelle zu, an den westlichen Rand, bückte
mich nieder, um rasch noch einmal laden und einen der schönen Böcke
erlegen zu können. Ich führte eben die Kugel ein, als ich über mir ein
Pusten und Fauchen vernahm. Aufblickend, erschrak ich wie selten zuvor.
Ohne mich zu bemerken, war die von mir beobachtete Gnuheerde im vollen
Laufe nach dem Durchgangspfade herangeraunt gekommen, die bemähnten
Köpfe tiefgesenkt, den weißen Schwanz hochgehoben, kamen sie wie ein
Sturmwind herangebraust. Noch einige Momente und ich lag unter ihren
Hufen. Da ich mich nach der näheren Bekanntschaft mit ihren Hörnern und
spitzen Hufen durchaus nicht sehnte, sprang ich rasch auf, um mit lautem
Geschrei und durch das Abfeuern des Gewehres, die Thiere zu erschrecken,
zum Stillstand, wo möglich zur Rückkehr zu zwingen.

Gesagt, gethan. Aufspringend und das Gewehr schwingend schrie ich laut
auf. Da stutzten die Thiere. Die struppigen Köpfe richteten sich auf
mich--ein Schuß und der vorderste Stier wandte sich, den Kopf
tiefgesenkt und laut aufbrüllend, zweimal im Kreise herum, dann nach
rechts, gefolgt von der Heerde, nach etwa 10 Schritten drehte er sich
wieder um, beschrieb einen Kreis, abermals von der ganzen Heerde
gefolgt, und dieses Manier von Zeit zu Zeit wiederholend, entfernte sich
die Heerde mit hochgehobenen Schwänzen und laut brummend.

Bevor jedoch die Thiere zum zweiten Male sich im Kreise gewendet hatten,
sandte ich ihnen eine wohlgezielte Kugel nach, mir ein halberwachsenes
Thier der Heerde auswählend. Trotzdem, daß ich das Geschoß einschlagen
hörte, schien sich das Thier, ohne Schaden gelitten zu haben, zu
entfernen. Da ich meines Schusses auf's Blatt, wie ich glaubte, sicher
war, folgte ich den Thieren im Schweiße meines Angesichts in der
brennenden Sonne etwa vier englische Meilen nach--doch vergebens; das
Thier blieb wohl das letzte in der Heerde, allein die Entfernung
zwischen mir und den Thieren wurde immer größer, auch war ich derart
ermüdet, daß ich endlich die Verfolgung aufgeben und enttäuscht zum
Wagen zurückkehren mußte.

Nachdem ich mich etwas gestärkt, machte ich mich mit Gert auf, um der
Spur des angeschossenen Gnu zu folgen; es war nicht schwer, sie zu
finden, wir folgten der Spur der Heerde von der Stelle, die ich bei dem
Anpralle der Gnu's innehatte und wohl bis zwei Meilen weiter als ich
früher die Verfolgung aufgegeben--es waren im Ganzen fünf Stunden seit
dieser Zeit verflossen--fanden wir, schon halb abgenagt, den Cadaver
eines jungen Gnu-Stieres, den wir den zahlreich versammelten Geiern als
Beute überlassen mußten. Ich wurde jedoch durch diesen Mißerfolg so
verstimmt, daß ich am selben Tage das Lager abbrach und unsere Reise
nach dem Innern der Transvaal-Republik fortsetzte.

Als Ziel meiner Reise hatte ich mir die am oberen Moi-River gelegenen
Wonderfonteiner Felsenhöhlen gewählt, von wo ich den Rückweg nach den
Diamantenfeldern anzutreten gedachte. Als wissenschaftliche Ausbeute
brachte mir der Aufenthalt am Klipspruit einen hübschen jungen
Wasserleguan, einige Fischottern, Insecten, Skolopender und Pflanzen,
namentlich Gramineen, und einige Grünsteinvarietäten ein.--Wir fuhren
spät in die Nacht hinein und hielten an einer Ebene etwa vier Meilen
nordöstlich von der Klipspruit-Furth an. Die Nacht war schön, ziemlich
hell und während wir beim Abendfeuer sitzend unsere Erlebnisse an den
Ufern des genannten Spruit besprachen, hörten wir wiederholt in einer
mäßige Entfernung das Brummen der Gnu-Stiere, manchmal auch einen
dumpfen Schlag, der sich dann einige Male wiederholte, ein Schall, der
von den Anpralle der übermüthigen, sich mit ihren breiten Hörnern
anrennenden Thiere herrührte. Das am Abende von allen Seiten beginnende,
dann sich von Mitternacht an bis gegen Morgen wiederholende
Schakalgebell und jenes langgezogene häßliche Hyänengeschrei zeigten,
daß die wildreichen Gegenden auch zahlreiche hundeartige Raubthiere
beherbergten.

Auch die Reise am 27. März führte uns durch wildreiche Gegenden, nur daß
jetzt die Senken, in denen sich die Spruits wanden, tiefer wurden und
stellenweise mit Buschwerk bestanden waren. Manche der letzteren
beherbergten die von der südlichen Meeresküste bis über den Zambesi
hinaus verbreiteten Perlhühner.

Dieser wild lebende Hühnervogel gehört unstreitig zu den
interessantesten Erscheinungen der afrikanischen Vogelwelt und da er in
den bewaldeten Gegenden ziemlich häufig vorkommt, mehrt er sich rasch,
trotzdem er vielfach gejagt wird. Der liebste Aufenthalt des Vogels, der
in Ketten zu 10-40 Stück haust, sind bebuschte und bewaldete Gegenden in
der Nähe von Flüssen oder nie versiegenden stehenden Gewässern. Von
unserem Perlhuhn unterscheidet er sich namentlich durch seinen
hornartigen Auswuchs auf der Stirn. Ich will vorläufig nur der Jagdweise
Erwähnung thun, die ihn uns bekannt machte.

Am Vaal-, Hart-River und den anderen Nebenflüssen des ersteren jagt man
diese Vögel mit dem besten Erfolge 1½-2 Stunden vor Sonnenuntergang, zur
Zeit wo die Thiere von der Weide aus der hie und da bebuschten Ebene, in
anderen Gegenden aus den Büschen und Wäldern zur Tränke eilen, woselbst
sie dann gewöhnlich auf den höheren Uferbäumen übernachten. Es läßt sich
fast mit Sicherheit die Tränkstunde auf 4 Uhr Nachmittags für alle
Jahreszeiten feststellen. Gewöhnlich wählen die Thiere einen und
denselben Pfad; hat man sich nahe an diesem Pfade versteckt und blickt
man etwa um ½ 4 Uhr von dem Gewässer landeinwärts, so wird man, wenn es
die Witterung gestattet, eine Staubwolke sich herannahen sehen, einige
Minuten später vernimmt man die ersten Gackerlaute, ohne die Vögel
selbst noch zu erblicken. Die Staubwolke wird dadurch erzeugt, daß die
zur Tränke eilenden Thiere noch auf ihrem Wege unausgesetzt im Sand oder
Thonboden nach Insecten und Samen scharren. In dichtem Grase erleichtern
die übrigen Vögel den Hühnern die Arbeit dadurch, daß sie alle
zeitweilig ihr Köpfchen erheben und für einige Sekunden Rundschau
halten; ist das Gras 3 und über 3 Fuß hoch, so beobachtete ich, daß die
Führer 10-15 Schritte weit voraus eilten und von Zeit zu Zeit aufflogen,
richtiger gesagt aufsprangen, um sich umsehen zu können. Hatten sie
etwas Verdächtiges gesehen, oder näherte sich ein Mensch oder ein
Raubthier von vorne her, so ergriffen sie mit lautem Gackern die Flucht,
und leisteten darin wahrhaft Unglaubliches. Ich kenne wenig Vögel,
welche so schnell laufen können; es geht so rasch im Wildpfade vorwärts,
daß der mit den Gewohnheiten dieser Thiere wenig vertraute Jäger sie
während des ganzen Tages nicht mehr zu Gesicht bekommt. Kennt man jedoch
ihre schnelle Flucht und sendet man ihnen Hunde nach, oder hat man sich
versteckt gehalten und tritt man plötzlich ihnen entgegen, so fliegen
sie auf und da sie einen schweren Flug haben, so ist es für einen
halbwegs guten Schützen leicht, mit jedem Schusse eines der Thiere
herunterzuholen. Von den Eingebornen droht ihnen, wie auch dem übrigen
Wildgeflügel, keine große Gefahr. Ich beobachtete, daß blos die
Koranna's den Vögeln einigermaßen nachzustellen pflegten, sie mit Hilfe
ihrer Hunde aufstöberten und dann--ohne Schrot--mit den harten Körnern
des »Blue-bushes« (eine eßbare kleine Frucht) niederschossen.

Am Nachmittage des 27. März gelangten wir zum Matheusspruit. Trotz der
regenreichen Jahreszeit war der Spruit ziemlich ausgetrocknet und neben
dem Wege ein kleiner Damm quer über sein Bett errichtet und dadurch ein
Teich gebildet. An einem nahen Abhange breitete sich ein dichtes Gebüsch
aus, in dem einige verarmte Boers-Familien wohnten, welche über die
Vorüberreisenden wie Raubvögel herfielen und sie in folgender schlauer
Weise auszubeuten suchten.

Zog ein Boer aus dem Transvaal-Gebiete nach den Diamantenfeldern, um
seine Producte auf den Markt zu bringen, oder kehrte er zurück, oder
waren es--damals begann schon die Auswanderung--Unzufriedene aus den
Diamantenfeldern, welche die Leydenburger Goldfelder aufzusuchen im
Begriffe waren, so kamen wie zufällig einer oder zwei dieser Boer's aus
dem Gebüsche heraus und auf den Wagen zu, knüpften ein Gespräch an, und
gaben sich den Anschein, in Tauschhandel treten zu wollen, worauf sie
dann auf die gute Weide und auf das _schöne_ Dammwasser hinzuweisen
nicht vergaßen und zum »Utspannen« (ausspannen) einluden; half dies
nichts, so wußten sie die Wasserarmuth der nächsten Strecke bis
Klerksdorp in den düstersten Farben zu schildern. Gaben die Reisenden
nach, so waren sie bald darauf von drei und mehreren _Ohmen_, ihren
Frauen und einem Rudel schmutziger Kinder umringt und ihre Vorräthe
gebrandschatzt. Auch ich ging ahnungslos in die Falle.

Als wir ausgespannt hatten, fanden sich nicht weniger als 17 Köpfe an
meinem Wagen ein. Zuerst wurde um Tabak gebettelt, leider willfahrte ich
ihrem Ansuchen und so kam dann rasch Zucker, Kaffee, Thee, Blei,
Schießpulver etc. an die Reihe. Bevor wir noch abzogen, wurden wir noch
daran gemahnt, daß für das Tränken unserer Thiere am Teiche ein Shilling
zu bezahlen sei. Kaum war dies geschehen, da kam der ganze Troß zum
zweiten Male wieder und zwar um sich ärztlichen Rath von mir einzuholen,
nachdem sie zuvor im Laufe des Gesprächs erfahren hatten, daß ich ein
Arzt sei. Da hatte einer kranke Augen, jenem that der Kopf weh u.s.w.
Ich hörte sie an, ertheilte den ärztlichen Rath während wir einspannten,
und pries den Augenblick glücklich, als Gert, der »Wagentriber«, ohne
sich um die uns Umlagernden zu kümmern, mit einem lauten »Fatt mer«
(fasset nun, ziehet an) das Gespann in Bewegung setzte.

Vom Mattheusspruit gegen den Estherspruit war der Zustand des Fahrweges
ein wahrhaft erbärmlicher. Theils führte er über felsigen Grund, theils
durch derart aufgeweichten Boden, daß wir alle Augenblicke stecken
blieben. Am 29. März erreichten wir den Estherspruit, ruhten hier in der
Nähe einer gastlichen Farm etwas aus und erreichten am Abend desselben
Tages den Jagdspruit. Die landschaftliche Szenerie vom Mattheusspruit
(auch Matjesspruit genannt) bis hieher glich anfangs jener vom
Maqwasi-River bis zu diesem Spruit, rechts und links von uns meilenweite
Grasebenen, im Norden von den Maqwasihöhen, im Süden vom Vaalflusse
begrenzt, von dem wir uns jedoch nach und nach so weit entfernt hatten,
daß wir sein eigentliches Thal nicht mehr wahrnehmen konnten. Gegen den
Jagd- (der Holländer spricht »Jach-«) Spruit zu änderte sich die
Scenerie insofern, als die Höhen zur Linken näher Herantraten, sich
sogar zwischen diesem Spruit und Klerksdorp (Klerksdorf) quer über den
Weg nach dem Vaal-River ziehen und bei Klerksdorp einige interessante
Höhengruppen bilden.

Der folgende Morgen war schön und warm. Die aufgehende Sonne beleuchtete
die Ostabhänge der felsigen Klerksdorper Höhen, welche theilweise kahl,
theilweise mit Büschen überwachsen, die einen kegel- oder brodlaibförmig
am Ufer des Schoenspruit isolirt, die anderen zu Hügelketten mit
scharfen Felsenkämmen gruppirt sind. Zwischen uns und diesen Höhen
breitete sich eine mäßige Niederung, ein etwa zwei Meilen breites
offenes Thal aus, welches einige Meilen nach abwärts in das enge Thal
des Schoenspruit einzumünden schien. Jenseits einer quer über den Weg
sich hinziehenden Felsenkette sollte Klerksdorp, die älteste
Niederlassung in der Transvaal-Provinz, liegen. Der angenehme schöne
Morgen lud mich zu einem Spaziergange auf der Ebene ein, wobei mich
unwillkürlich die artenreichen Kinder Flora's zum Botanisiren
aufforderten.

Schon am Wege fand ich mehrere sammelnswerth, unter diesen eine in
Unmasse, förmlich als Unkraut wachsende Cinna mit dunkelziegelrothen
oder rosafarbigen Blüthen; sie bildet dichte, doch kleine, 12-40
Zentimeter hohe, meist zwei- doch auch hie und da mehrblüthige Stöcke.

In einem nahen Gebüsche zur Linken fand ich reichliche Ausbeute an
kleinen Prachtkäfern (Buprestidae), Blattkäfern (Chrysomelidae) und
mittelgroßen Bockkäfern (Capricornia), auch an zahlreichen großen, gelb-
und schwarzgescheckten Spinnen, welche große, unseren Kreuzspinnen
ähnliche Gewebe zwischen den Bäumchen und Büschen ausgespannt hatten.
Zwei Deukergazellen sprangen durch den Eindringling erschreckt auf, und
verschwanden ebenso rasch in dem Dickicht.

Von diesem kleinen Morgenausfluge zurückgekehrt, machte mich Freund E.
auf einen großen Vogel aufmerksam, der auf unseren Wagen loszulaufen
schien. Es war eine große Trappe; ich legte an, ziele nach dem Halse,
der Schuß kracht und der Vogel stürzt zur Erde. Es war ein prächtiges
Thier, und zwar eines der größten seiner Art. Kaum 30 Fuß von der
Rohrmündung entfernt, hatte sie den ganzen Schuß in die vordere
Brusthöhle bekommen, so zwar, daß der Balg für meine Sammlung ganz
unbrauchbar war, hingegen war das Fleisch eine werthvolle Acquisition
für die Küche. Außer einem noch größeren Trappenpärchen derselben Art,
welches ich auf der dritten Reise am linken Limpopo-Ufer beobachtete,
sah ich nie wieder ein so großes Exemplar in Süd-Afrika.

Einen Gebirgssattel übersetzend kamen wir in das eigentliche Thal des
Schoenspruit, den man füglich River nennen könnte, weil er in
gewöhnlichen Jahren meist fortwährend fließt, nur in sehr trockenen den
Charakter eines Spruit zeigt. Im Allgemeinen gehört dieses Flußthal zu
den interessanteren Thälern des südafrikanischen Hochplateau's und auch
zu einem der fruchtbarsten und bestbebauten. Im Thale des Schoenspruit
reiht sich Farm an Farm; prachtvolle Weideplätze für das Hornvieh, längs
den Höhen und den Abhängen zum Flusse, erhöhen noch den Werth des
Landbesitzes am Schoenspruit und im Moi-Riverthale. Bei Entfaltung
einiger Energie und einer rationellen Bearbeitung des Bodens könnte
leicht das Zehnfache des gegenwärtigen Ertrages an Cerealien erzielt
werden.

Klerksdorp oder Klerksdorf bestand im Jahre 1873 aus einer Hauptstraße,
in der ich, wenn ich nicht irre, 25 Häuser zählte; seitdem hat es sich
vergrößert und verspricht unstreitig neben Potschefstroom die
bedeutendste Stadt des südwestlichen Transvaal-Gebietes zu werden. An
jedem Hause fand ich einen Garten mit Obstbäumen, namentlich Pfirsichen,
Orangen etc. und die Zäune aus Quitten und Granatbäumchen gebildet.
Jener Theil des Schoen-Riverthales, in dem Klerksdorp erbaut ist, gehört
überdies zu den günstigsten, namentlich in Bezug auf Wasserfülle des
Flusses. Das Thal ist bei Klerksdorp von beiderseits aufzeigenden Höhen
eingeengt, und durch einen isolirt stehenden Höhenzug flußaufwärts nach
dieser Seite hin ziemlich geschützt.

Da wir mit dem Ueberschreiten des Schoenspruit eine andere
Bodenformation betreten, welche sich bis Wonderfontein im centralen
Transvaal-Gebiete verfolgen läßt, so will ich noch mit wenigen Worten
der geologischen Struktur der Strecke vom Bamboesspruit bis zum
Schoenspruit gedenken. Die Hauptmasse des sichtbaren Gesteins auf der
Ebene bilden in Bezug auf Farbe, Consistenz und die schon in den
Gegenden weiter vaalabwärts beobachteten mandelartigen Einschlüsse,
verschiedene Varietäten des Grünsteins. An manchen Stellen finden wir
ihn sehr hart und fest, riesige Platten bildend, an anderen ist er
bröcklich und dann zeigt die Oberfläche viele quarz- (Milch- und
Rosenquarz) und chalcedonartige Einschlüsse. Hie und da finden wir
Thonschiefer, an andere eisenhaltige Schiefergeschiebe aufgelagert und
manche der die Wildebene umsäumenden Höhen werden von Porphyr gebildet.

Ich durchstreifte die nächste Umgebung von Klerksdorp und war namentlich
mit der Pflanzenausbeute zufrieden. In einigen der brach liegenden
Gärten fand ich eine Malvacee, welche in veschiedenen Varietäten
vorkommt, deren Verbreitungsbezirk von der südlichen Meeresküste bis
über den Zambesi hinaus reicht und schöne, große, schwefelgelbe Blüthen
besitzt.

Schon den folgenden Tag nach unserer Ankunft brach ich wieder auf, um
meine Reise gegen Potschefstroom, der bevölkertsten Stadt der
Transvaal-Republik, fortzusetzen. Auf dieser 34 Meilen langen Strecke
überschritt ich drei trockene Spruits, den Kockemoer, den Matchavis und
den Bakenspruit, welche gleich den vorhergenannten so ziemlich parallel
von Norden nach Süden dem Vaal-River zuströmen. Das Land ist mehr
hügelig als jenes zwischen Bloemhof und Klerksdorp; die flacheren wie
die tieferen Thäler scheinen sehr fruchtbar zu sein. Zwischen Klerksdorp
und den Kockemoerspruit überschritten wir eine stellenweise morastige
Hochebene, welche unserem raschen Vorwärtskommen Schwierigkeiten
bereitete. Zwei tief in den Modder (Morast) eingefahrene Wägen mahnten
uns zu größter Vorsicht. An manchen Stellen mußten wir den Schlamm
ausschaufeln, dann Steine in die so erzeugte Mulde werfen, um einen
harten Untergrund zu gewinnen und dann rasch mit lautem Peitschengeknall
und Geschrei die Zugthiere zum Anspannen ihrer ganzen Kräfte aufmuntern.
An anderen Stellen hieß es, die unliebsamen Strecken zu umfahren; dies
gelang zuweilen an einer, jedoch fanden wir an anderen den Wiesengrund
so aufgeweicht, daß sich die Räder tief einschnitten, als wenn die
breiten Eisenbänder mit scharfen Schneiden versehen gewesen wären.

Zur Zeit meines Besuches geschah für die Communicationswege in der
Transvaal-Republik fast nichts. In der unmittelbaren Nähe von
Potschefstroom fand ich die Wege im schlechtesten Zustande.

Am nächsten Tage führte uns der Weg am Fuße eines höheren Felsenhügels
vorüber; die Scenerie der Landschaft auf diesem Punkte war nebst jener
bei Klerksdorp die anziehendste auf der Gesammtstrecke meiner ersten
Reise. In dem flachen hochbegrasten Thale des Bakenspruit war eine
zahlreiche Heerde von grauen Kranichen mit der Heuschreckenjagd
beschäftigt, auch einige ruhig zwischen den Vögeln grasende
Springbockantilopen fielen uns auf. Nimrod F. versuchte sein Müthchen an
den arglos weidenden Thieren zu kühlen, doch wie bisher ohne anderen
Erfolg, als ob seiner staunenswerthen Ungeschicklichkeit von uns
herzlich ausgelacht zu werden.

An der etwas morastigen Furth fanden wir Tausende von Schwalben, welche
sich auf dem nassen Grunde niedergelassen hatten. In höherem Grade als
unsere Hausschwalben sind die südafrikanischen Species wahre
Menschenfreunde und so zutraulich, daß sie sich nicht nur in den Gängen
eines Hauses, die eine stets offene Communication mit Außen verbinden,
sondern auch in bewohnten Zimmern, in denen die Fenster durch längere
Zeit offen gelassen waren, anzubauen versuchen. Ich habe mehrere
derartiger Fälle beobachtet. Die Nester der südafrikanischen Schwalben
sind auch kunstvoller als jene der europäischen _Hirundo_ erbaut, indem
sie frei an einer horizontalen Decke angeheftet, mit einem bis zwei Fuß
langen geraden oder unbedeutend geschlängelten bedeckten Gange versehen
sind, so zwar, daß Gang und Nest ein Ganzes darstellen. Die
südafrikanischen Schwalben-Arten, sowie die Ziegenmelker-
(_Caprimulgus_) Species sind zahlreicher als die europäischen vertreten,
allein ich beobachtete bei keiner der ersteren eine so starke und doch
so melodische Stimme, wie sie die europäische Hausschwalbe auszeichnet.

Vom Bakenspruit fuhren wir über eine Felsenstraße und hatten einen
Bergsattel zu überschreiten, von dem wir in ein Seitenthal des
Moi-Rivers einfuhren, welch' letzteres über der Einmündungsstelle zu
einer weiten Ebene sich ausbreitend, zum Aufbaue einer Niederlassung
hinreichenden Raum bot, auf dem sich gegenwärtig Potschefstroom oder das
neue Moi-Riverdorp erhebt. Die Abhänge, an denen entlang der Felsenweg
führte, lohnten reichlich die Mühe des Botanikers und nach den
zahlreichen in den Höhen zur Linken, von denen die höchste etwa 4000 Fuß
über dem Meere sich erhebt, theils Vieh- und Ziegenheerden hütenden,
theils Holz sammelnden Eingebornen dachte ich auf eine Eingebornenstadt
in diesen westlichen Potschefstroomhöhen schließen zu müssen. Als ich
darüber fragte, theilte man mir mit, daß daselbst eine Stadt der
Mohavis, eines Betschuana- (Barolong?) Stammes liege.

Aus dem hochbegrasten Seitenthale in das geräumige, an beiden Ufern in
der Entfernung einiger englischen Meilen von Höhenketten und isolirt
stehenden Höhenkuppen begrenzte Thal des Moi-Rivers--eines stets
fließenden Gewässers--einbiegend, sahen wir Potschefstroom vor uns
liegen. Aus der Entfernung erscheint es dem Besucher bedeutend kleiner
als es wirklich ist, was sich wohl dadurch erklärt, daß sich die Stadt
in einer Ebene ausbreitet, ein Parallelogramm bildet und die Straßen so
wie die Gärten an den Häusern mit dichtbelaubten Bäumen bepflanzt sind.
Schon zur Zeit meines Besuches im Jahre 1873 war Potschefstroom eine der
bedeutendsten Städte Süd-Afrika's, seither hat sie sich noch bedeutend
entwickelt und gehoben.

Sie war die Gartenstadt der Republik und wird diesen Rang auch in der
Transvaal-Colonie behaupten, so wie sie bis heutigen Tages die
bedeutendste Handelsstadt des Landes ist und nur durch den Bau der
Delagoa-Middleburg-Bahn von Pretoria überflügelt werden würde. Zur Zeit
meines Besuches schätzte ich die Einwohnerzahl auf etwas über 4000
Seelen, welche Zahl sich jedoch höher herausstellt, wenn wir das
sogenannte alte Moi-Riverdorp, d.h. die dicht aneinander liegenden, am
nördlichen Stadtende beginnenden und flußaufwärts im Thale des
Moi-Rivers an beiden Ufern meilenweit sich hinziehenden Farmen in
Betracht ziehen. Der Fluß, ziemlich stark strömend und viele
dichtbeschilfte Sümpfe bildend, umfließt die Stadt an ihrer östlichen
Seite. Sein Wasser ist die meiste Zeit hindurch klar und beherbergt
zahlreiche Vaal-Riverfische und Krabben, seine Ufer Fischottern,
Wildkatzen und Leguane. Von dem Flusse aus, und auch, wenn ich nicht
irre, von den Höhen von Westen her versieht eine Wasserleitung die
Gärten der Stadt, sie an ihrer westlichen Seite umfließend, von welchem
Hauptstrome kleine Bächlein zu den zahlreichen Häusergruppen geleitet
sind.

In der Sommerszeit wuchert in den weniger bewohnten Straßen üppiges
Gras, allein selbst in der Trockenzeit gleicht die Stadt, ob der vielen
immergrünen, meist ausländischen und hier eingeführten Bäume,
Cupressineen, Eucalyptusarten, Epheu etc., welche im Moi-Riverthale sehr
gut gedeihen, mit ihren reinlich angetünchten, schmuck aus dem dunklen
Grün hervorblickenden, theils flachdachigen, theils begiebelten Häusern,
einem Garten, der sich namentlich aus der gelblichen Grundfarbe des
ringsum auf dem weiten Thalboden vertrockneten Grases ausdrucksvoll
hervorhebt. Sind jedoch--wie es zur Zeit meines ersten und zweiten
Besuches (1873 und 1874) der Fall war--die entfernten, mäßig hohen Hügel
und die breite Thalebene mit hohem, üppigem Gras bedeckt und haben sich
die Ufer des Flusses in zwei, mit weißen, feuerrothen und gelben Blüthen
bedeckte Blumenbeete verwandelt, dann ist die wahre Zeit gekommen, wo
Potschefstroom, im schönsten Schmucke prangend, den Ehrentitel der
Blumenstadt des Transvaal-Gebietes verdient.

Die Straßen sind gerade--die Stadt ist in »Blocks« ausgemessen--mehrere
geräumige Plätze, von denen der bedeutendste theilweise als Markt und
Auctionsstätte dient, finden sich an der Bereinigung mehrerer Straßen.
Unter den Kirchen bietet das englische, epheuumringte Kirchlein ein
schönes idyllisches Bild. Sonst finden wir an öffentlichen Gebäuden
nicht eines, das über das Niveau der gewöhnlichen, neueren
südafrikanischen Städtebauten hervorragen würde. Die Stadt ist der Sitz
eines Magistrats, des portugiesischen Consuls, einiger Volksschulen, und
treibt regen Handel mit Natal; mehrere Mühlen und Lohgerbereien sind
außerhalb der Stadt angelegt. Die Haupt-Ausfuhrartikel sind Mehl,
Getreide, Tabak und Schlachtvieh nach den Diamantenfeldern, nach Natal
Tabak, Vieh, Häute und Carossen, auch etwas Straußenfedern und
gegenwärtig nur wenig Elfenbein. Ein guter Theil der Handelswaren aus
Natal, dem Oranje-Freistaat und den Diamantenfeldern hat auf seinem Wege
in das Innere des Landes Potschefstroom zu passiren.

Ohne daß die Gebäude der Stadt durch architektonischen Schmuck
hervorragen, sind doch sowohl die Geschäftslocale feste, ihren Zwecken
vollkommen entsprechende, geräumige Bauten, als auch die Wohngebäude
nett und niedlich, viele gleich eleganten Villen eingerichtet. Was
speciell oft jedem einzelnen, ja sogar einfachen Häuschen besonderen und
der Stadt einen allgemeinen Reiz verleiht, das sind die sie
umschließenden Obst- und Gemüsegärten und Gärtchen, sowie die vielen,
mit Hunderten und Tausenden, hier hellen, dort dunkelrothen Blüthen
geschmückten dichten Rosenhecken und Zäune aus hohem Feigengebüsch oder
solche von der in einem schönen, glänzenden, dunklen Blattkleide und mit
feuerrothen Blüthen prangenden, späterhin mit faustgroßen Früchten
überladenen Granatäpfelstaude gebildet. Ueberall grünt, blüht und duftet
es und mehrere Monate hindurch winken reife Früchte an den Hecken,
Büschen und Bäumen. Ohne große Mühe können die Gehöftbesitzer ihren
jährlichen Bedarf an Grünzeug und Obst ziehen, ohne dabei ihrem Ländchen
den Reiz des Blumengartens zu benehmen.

An den meist von stetig fließenden Bächlein durchrieselten Straßengräben
stehen riesige, in heißer Sonnenhitze erquickenden Schatten spendende
Trauerweiden, welche mit dem lichteren Grün ihrer Blätter und den
schwermüthig herabhängenden, dünnen, doch mit dichtem Blattwuchs
beladenen Zweigen deutlich und um so anmuthiger von den dunkel
nüancirten Kronen der Obstbäume, den noch dunkleren Eucalyptusblättern,
den spitz zulaufenden Blättern des Lebensbaumes und dem dunklen Grün der
Cypressenbäume abstechen.

Wir hatten nicht weit von den Friedhöfen in unmittelbarer Nähe der Stadt
ausgespannt und wechselten uns bei dem Besuche derselben ab, um den
Wagen nicht ohne Aufsicht zu lassen. Unsere Ankunft war nicht unbemerkt
geblieben, bald hatte sich einer der dunkelfarbigen Konstabler
eingestellt, um sich über unsere Absichten und den Inhalt des Wagens zu
informiren. Ihn folgte bald der Clerk (Gehilfe) des Marktmeisters, der
auch öffentlicher Auctionär war, um nachzusehen, da er eben des Weges
vorbeiging, ob der Besitzer des hier ausgespannten Wagens nicht
vielleicht Schlachtochsen oder sonst andere Artikel mit sich führe,
deren er gerne los werden wolle. »Sein Chef,« meinte er, »wäre _a
capital Auctionar_ und er bringe die Sachen, die er verkaufen solle, so
gut an den Mann, daß die Leute weit und breit seine Hilfe in Anspruch
nahmen.--»Kommt wohl von den Diamantenfeldern und wollt es nun in den
Goldfeldern versuchen?« war seine Frage. Die Goldfelder im Leydenburger
District fingen im Jahre 1873 an, sich merklich in der öffentlichen
Meinung zu heben, im selben Maße, als die Diamantenfelder zu sinken
begannen; gegen das Ende des Jahres 1873 und im folgenden Jahre fand ein
Massenauszug von den letzteren nach den Goldfeldern statt.

Am Nachmittage bekamen wir neue Besucher, einige Deutsche, von denen
einer bei der Polizei angestellt, einer ein Maurer und die anderen
Gärtner waren. Freund E. war mit ihnen in der Stadt zusammengetroffen.
Sie hatten in jener, in der Mitte der Fünfziger Jahre von der englischen
Regierung in Süd-Afrika nach der östlichen Provinz des Caplandes
eingeführten »deutschen Legion« gedient, deren Mitglieder unter dem
Namen der Legionäre ziemlich bekannt sind. Viele derselben haben sich in
den Districten East-London, King-Williams-Town und Queens-Town
angesiedelt und leben daselbst als Farmer. Diese waren die ruhigeren
Elemente der Legion. Die energischeren traten in Geschäfte als
Handlanger, als Storekeeper ein, avancirten zu Klerks (Buchhaltern und
Geschäftsführern) und einige haben sich zu wohlhabenden Kaufleuten
emporgeschwungen. Eine gute Anzahl, denen das Ansiedlerleben nicht
gefiel, und die eine vagirende Lebensweise vorzogen, zerstreuten sich
über die Cap-Colonie, Natal, den Freistaat und die Transvaal-Provinz, um
hier als Maurer, dort als Zimmerleute etc. zu arbeiten, wobei sie in der
Regel den Erlös noch im Orte verjubeln, um dann wieder weiter zu ziehen,
eine neue Arbeit aufzunehmen, wochenlang hart und anstrengend bei
zurückgezogener Lebensweise zu arbeiten, und kaum, daß sie mit dem
Accord fertig geworden und die 20-40 £ St. empfangen haben, diese ebenso
wie die frühere Summe in Saus und Braus aufgehen zu lassen. Daß es bei
solchen Trinkgelagen oft allzu lustig und lärmend herging und man sich
zuweilen auch dabei brutal betrug, ist nicht zu verwundern; so kam es,
daß namentlich im Freistaat und in der Transvaal-Provinz die Legionäre,
trotzdem sie als gute Arbeiter gepriesen werden, sich sonst keines guten
Rufes erfreuen. Wir müssen hier jedoch eine scharfe Grenze zwischen den
in der Colonie ansäßigen, Ackerbau oder Geschäfte betreibenden und den
herumwandernden Legionären ziehen.

[Illustration: Nachtlager.]

Einige mit ihren Wägen vorüberziehende Boers blieben kurze Zeit an
unserem Wagen stehen, um der althergebrachten Sitte gemäß uns Weißen die
Hand zu schütteln und mit einfachen Worten nach dem Ziele unserer Reise
zu fragen. »_Uns chat nach Wonderfontein to um det wonderljike chate to
kiek_« (Wir gehen nach Wonderfontein um die wunderlichen Höhlen zu
sehen) war die Antwort in unserem gebrochenen Holländisch. Die sich
Verabschiedenden meinten, die Erdhöhlen wären es werth, besichtigt zu
werden. Je mehr ich von diesen Wonderfonteiner Felsenhöhlen hörte, desto
begieriger war ich, sie zu sehen, und um so größer meine Enttäuschung,
als ich sie später sah.

Bevor ich mich auf diese erste Versuchsreise begab, wurde ich darauf
aufmerksam gemacht, daß sich in Potschefstroom ein Herr dem
Insectenstudium widme und der portugiesische Consul, Herr Foßmann, sein
Möglichstes zu der geologischen Erforschung des südlichen
Transvaal-Gebietes beitrage, ich solle sie gewiß besuchen. Doch ich
hatte mich auf diese erste Reise so einfach ausgerüstet, daß ich mich
nicht im Stande fühlte Staatsvisiten zu machen. Und so hieß es, nachdem
wir uns mit Proviant versorgt, der Stadt Valet zu sagen.

Wir brachen Abends auf und schlugen eine ostnordöstliche Richtung nach
dem Moi-River zu ein. Es war ein hartes Stück Arbeit, um--nachdem wir
die Stadt durchfahren--die kurze, blos einige hundert Schritte lange vom
Nordende der Stadt bis zu der damals noch sehr primitiven Moibrücke
reichende Strecke zurückzulegen. Obwohl die Stelle ziemlich breit, war
sie doch durch die Feuchtigkeit des Bodens und in Folge der letzten
Regen sowie durch die Sorglosigkeit der Bürger von Potschefstroom in
einen einzigen, stellenweise bis 1½ Fuß tiefen Morast verwandelt worden.
Mit geringen Unterbrechungen hatten wir die nächsten Stunden hindurch
mit immer wiederkehrenden Passage-Schwierigkeiten zu kämpfen; die
Erschöpfung der Thiere zwang mich endlich, an einer keineswegs
einladenden, sumpfigen Stelle Rast zu halten.

Der nächste Morgen führte uns durch ein breites, nach mehreren Seiten
hin offenes Thal, in dem eine aus mehreren Häusern bestehende und in
gutem Zustande gehaltene, von Aeckern und Gärten umgebene Farm lag. Wir
erstanden hier einige Kürbisse und fuhren weiter nach Osten, gelangten
auch bald auf eine Hochebene, die gegen Süden von einer theilweise von
Bäumen bedeckten Höhenkette umsäumt, nach Osten, Norden und Nordwest
einen freien Einblick in das Moi-Riverthal mit seinen zahlreichen Farmen
und den sie umgebenden dunklen Gärten gestattete. Es war einer der
herrlichsten Anblicke die ich genoß, in weiter Ferm zeigten sich
einzelne Höhen und Höhenrücken, der Abfall des Blue-Bank-Hochplateaus
und am fernen Nord-Horizonte die Umrisse der Magalies-Berge.

Auf der Hochebene, nach der wir unseren Weg nahmen, fielen mir
trichterförmige, von Weitem schon durch dichten Baumwuchs auf den
Grasebenen gekennzeichnete 25-60 Fuß tiefe Bodenvertiefungen auf. Ich
fand später, daß solche Bodentrichter im Transvaal-Gebiete in manchen
Strichen zwischen dem Hart-River und dem Molapo und zwischen dem unteren
Molapo und dem Vaal-River, im Barolong- und Batlapinen-Gebiete und im
Bereiche von Griqualand-West (im westlichen Theile der Division of Hay)
ziemlich zahlreich verbreitet sind und ein Charakteristicum des
Riesenbettes eines oberflächlich liegenden, seltener in dünnen Lagen
aufliegenden, oft jedoch mächtig bis Hunderte von Fuß tief in die Erde
eingreifenden, stellenweise von Sand und weißen, schäligem Kalksteinen,
an anderen Punkten von Granitblöcken und Schieferlagen überdeckten
Kalksteins bilden. Sie sind die weiten Oeffnungen von mehreren sich
vereinigenden, den Felsen in der Tiefe spaltenden Rissen. Dieses
Riesenbett des Kalksteins, welches deutliche, oft prachtvolle,
wellenartige Lagerung und Schichtung besitzt, zeigt meist von außen den
Einfluß der Einwirkung des Wassers und ist in seiner Hunderte von Meilen
Fläche bedeckenden Masse geborsten und gesprengt, doch mußte das Gestein
ob seiner Härte und Massen-Ausdehnung den Erdrevolutionen einen großen
Widerstand entgegengesetzt haben, so daß 90 Percent der geborstenen
Theile, mit Ausnahme der entstandenen Klüftungen und der daraus
erfolgten verhältnißmäßig _geringen_ Verschiebungen, keine nennenswerten
Umwälzungen erlitten haben.

Diese unterirdischen Risse und meilenlangen Spalten dienen
unterirdischen Gewässern zum Abfluß, welche sich dann in kleinen Spalten
an den Abhängen tiefer, steiler Thäler, wie am oberen Molapo, nach außen
Bahn brechen. Ein Theil des Moi-Rivers fließt in dieser Weise unter der
Erde fort, ja er verschwindet theilweise an manchen Stellen ganz und
kommt weiter thalabwärts wieder zum Vorschein. Diese Spalten vereinigen
sich und an diesen Vereinigungsstellen finden sich dann jene auch schon
erwähnten (in tieferen und höheren Partien des Hochplateaus liegenden)
nach oben trichterförmig sich erweiternden Oeffnungen, welche an ihrer
oberen Mündung einen Umfang von 24-180, selbst bis zu 240 Meter
erreichen. Sie erscheinen rundlich, weil die Wand oft mit Geröll und
Erde bedeckt ist, doch bei näherer Untersuchung zeigen sie sich
viereckig, die Mehrzahl jedoch dreieckig. Manche dieser Felsentrichter
besitzen kahle Felsenwände, selten sind dieselben steil, häufiger mit
Geröll überlagert oder durch Felsenblöcke gebildet; meist sind diese
Blöcke mit Erde bedeckt, oder die Fugen und die Zwischenräume damit
ausgefüllt, so daß diese von einer ziemlich üppigen Vegetation,
namentlich aber Bäumen und Sträuchern überwuchert werden und da die
höheren Bäume dann über diese Vertiefungen auf der begrasten, wenig oder
gar nicht bebuschten Ebene hervorragen, weithin erkennbar sind.

[Illustration: Felsentrichter.]

Da wo die am Boden solcher Felsentrichter sich vereinigenden oder von
hier austrahlenden Risse entsprechend breit sind, kann man einige Fuß,
bei manchen tief senkrecht hinabsteigen und dann oft Hunderte von Metern
weit, die Risse als niedrige, mehr oder minder hohe und geräumige
Spalten verfolgen. Manche der trichterförmigen Oeffnungen sind mit
krystallklarem Wasser gefüllt und ich konnte nicht umhin, eine
derselben, welche eine Wassertiefe von über 140 Fuß zeigte und die ich
auf der Rückkehr von meiner dritten Reise am linken Ufer des Molapo
untersuchte, einen Miniatur-Felsensee zu nennen.--Ohne sie gesehen zu
haben, glaube ich, daß Herrn Hübner's Klipdachs-Schlucht in die
Kategorie dieser eigentümlichen Bodenbildungen gehört. So fand ich, daß
viele Flüßchen im Gebiete des Vaal, Hart-River, Molapo und Marico (wohl
auch des oberen Limpopo) ihren Ursprung in solchen engen Felsenlöchern
nehmen, also da, wo das unterirdische Wasser nicht abfließen konnte und
sich durch eine der trichterförmigen Oeffnungen nach oben Bahn brach.
Wenn wir zu Farmen kommen, in deren Nähe sich solche Quellbächlein
befinden, so wird unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß diese
Bächlein oft meilenweit, oft aber nur einige hundert Schritte weiter
aufwärts, an einer marschigen Stelle entspringen und sich in deren Mitte
neben anderen aufsprudelnden Quellen ein umschriebenes, 50 und mehr Fuß
tiefes Loch wie im Felsen eingebohrt befindet. An allen diesen Stellen,
selbst an solchen, welche blos unterirdischen Abfluß hatten, fand ich
stets dieselben Fischspecies vor. Auf den wildreichen Ebenen zwischen
dem Hart-River und dem Molapo lernte ich einen beschilften Sumpf kennen,
der nach keiner Seite hin Abfluß zeigte und äußerst fisch- und
vogelreich war; nach der beinahe die Mitte desselben einnehmenden größte
Tiefe desselben zu schließen, hielt ich auch diesen für eine ähnliche
Felsenöffnung. Der diese Felsenformation bedingende Kalkstein zeigt
außer Quarzadern und anderen quarzhaltigen Mineralien Einschüsse von
Blei, Kupfer, Eisen und Silber.

Am dritten Tage nach unserem Aufbruche von Potschefstroom erreichten wir
Wonderfontein, mit welchem Namen die Boers die »wonderlichen« Grotten
und Höhlen in den Felsen bezeichnen. Es ist nicht, wie in der Regel, der
Name einer Farm, sondern der Sammelname für eine Anzahl solcher, welche
nahe aneinander in ausgezeichneten Weidetriften im Thale des Moi-Rivers
liegen. Es sind meist steinerne, ebenerdige, doch hohe, luftige
Wohngebäude mit einem angebauten Wagenschuppen und in der Regel einer
oder zwei meist aus Schilfrohr verfertigten zum Trocknen des hier eifrig
cultivirten Tabaks gebrauchten Hütten. Von diesen Farmen wird jene, auf
die wir zusteuerten, d.h. in deren Nähe sich der Eingang zu den Höhlen
befindet, das eigentliche Wonderfontein genannt.

Die Ufer des Moi-Rivers, der hier einen breiten Bach darstellt und dem
von beiden Seiten zahlreiche Quellen zuströmen, sind stellenweise sehr
sumpfig und von Schilfrohrdickicht umsäumt, die für den Ornithologen ein
förmlich unerschöpfliches Arbeitsfeld abgeben. Ein tausendstimmiges
Pfeifen und Singen, Gezwitscher und Gackern tönt an unsere Ohren und
versetzt uns in Verlegenheit, wohin zuerst unsere Schritte lenken.

Mit der Erlaubniß des Farmers schlugen wir unseren Lagerplatz unter
hohen und schattigen seinen Pfirsichgarten umsäumenden Trauerweiden auf.
Als wir jedoch nach dem Eingange der Höhle fragten, gab man uns zu
verstehen, daß der Eingang wohl zu finden sei, daß man sich aber leicht
in den Höhlen verirren könnte und es darum gerathen sei, den Besuch der
Höhlen nur mit einem Führer zu unternehmen, wozu sich uns die Söhne des
Farmers gegen ein Honorar von 1 £ St. per Person anboten. Da ich ja
hauptsächlich der Höhlen halber nach Wonderfontein gekommen war, ließen
wir uns diese Erpressung gefallen und nachdem sich auch einige bei dem
Farmer zu Besuche weilende Verwandte desselben uns angeschlossen,
machten wir uns auf den Weg.

Zwei Söhne des Farmers, die sich mit einem Bündelchen von Talglichtern
versehen hatten, waren unsere Wegweiser. Wir überschritten das Flüßchen
an seiner breiten, sehr seichten Furth, und hatten das rechte, felsige
und bewaldete Ufer zu erklimmen. Nach einer Viertelstunde kamen wir zu
einem uns entgegen gähnenden, senkrecht nach abwärts führenden
Felsenloche, eine der engeren, doch tieferen trichterförmigen, vorher
beschriebenen Felsenklüfte. Obgleich mir der Eintritt in die
unterirdischen Höhlen theilweise die Berstungen im Felsen deutlich vor
Augen führte, muß ich doch gestehen, daß ich mich schon durch diesen
Eingang zur Höhle sehr enttäuscht fühlte. Ich dachte eine jener Höhlen
zu finden, in welcher ich Knochenablagerungen von Thieren, der letzten
geologischen Periode finden und so diese Lücke in der Geologie
Süd-Afrika's ausfüllen hätte können.

Aus den Wänden des Trichters hervorragende Felsenblöcke ermöglichten es
uns, den Boden der sich nach unten bis zu einer schmalen Spalte nach
Nordnordwest verengenden und in schräger Richtung nach abwärts gegen
(und untere) das Flußbett fortsetzenden Felsenöffnung zu gewinnen. Wir
drangen in das Spaltengewirre ein; anfänglich waren es enge, niedrige
Gänge, kaum so hoch, daß wir Einer nach dem Andern auf allen Vieren
durchkriechen konnten, später verbreiterten sich dieselben bis zu 4 und
8 Fuß und erreichten dabei bis zu 10 Fuß Höhe. Beinahe alle verengten
sich nach oben zu dünnen Spalten, aus denen das Wasser herabrieselnd und
sickernd Stalaktiten erzeugte, ohne daß sich diese durch auffallende
oder große Formen ausgezeichnet hätten. Leider hatten frühere Besucher
schon die meisten abgeschlagen oder beschädigt, deren Bruchstücke
bedeckten den Boden. An jenen Stellen--und deren gab es viele, denn die
unterirdischen Felsenspalten, in denen wir uns bewegten, zeigten die
Felsenmasse nach allen Richtungen gesprengt--wo sich zwei kreuzend
begegneten, erhob sich über dem Beschauer eine Art Kuppe, etwas höher
als die Zerklüftungen, doch auch nichts Bemerkenswertes bietend. Die
Wände waren dunkelgrau, meist kahl und ziemlich glatt. Die Hälfte
unserer unterirdischen Wanderung legten wir barfuß zurück, denn das von
Osten nach Westen durch die Grotten strömende und plätschernde Bächlein
floß in der Gesammtbreite des Ganges und wir konnten sein Murmeln schon
beim Eintritte in die unterirdischen Spalten vernehmen. Je weiter wir
nach Westen und Norden vordrangen, um so tiefer wurde das Wasser und
gerade von jenen Gängen her schimmerten schöne, unbeschädigte
Stalaktiten herüber, doch wir mußten das weitere Vordringen, der
Weigerung unserer Führer wegen, aufgeben.

Ohne allzugroße Mühe, könnte man die engen Stellen zwischen den
breiteren Zerklüftungen und dem Eingange, die schräg nach abwärts
führende Partie des unterirdischen Ganges erweitern und ein kleines,
kurzes Boot einführen und auf diese Art möglicher Weise das Ende der
Gänge oder vielleicht größere Höhlenräume erreichen. Mir schien es, als
ob auf der vom Flusse abgewandten Seite weniger gangbare und meist nur
dünne, spaltenförmig sich fortsetzende Gänge liegen, die breiteren
dagegen nach dem Flusse zu führen würden, so daß hier das eingeströmte
Wasser die an und für sich engen Spalten vielleicht weiter und breiter
ausgewaschen haben mußte.

[Illustration: Grotte von Wonderfontein.]

Trotz unseres kurzen Aufenthaltes hatten wir in den Höhlen so manchen
Begleiter gefunden, denn als wir sie verließen, da gaben uns diese in
Unzahl bis zum Felsenausgang hinauf ihr treues Geleite und als Andenken
sowohl an die Wonderfonteiner Höhlen, wie um meine Sammlung der Mamalia
zu mehren, nahm ich zwei derselben zum nicht geringen Staunen unserer
Führer mit, welche die flatternden Fledermäuse (Vespertiliones) nicht
anzurühren wagten.

Wonderfontein ist einer jener Orte in Süd-Afrika, an welchen der
Forscher getrost längere Zeit verweilen kann; seine Mühe wird hier
reichlich belohnt. Thiere, Pflanzen wie Mineralien sind hier des
Sammelns werth. Leider war mein Aufenthalt wegen der schon erwähnten
Gründe nur auf drei Tage beschränkt und so konnte ich nur einen Einblick
in die Natur der nächsten Umgebung gewinnen. Große wilde Vierfüßler gab
es hier nicht mehr, sie waren seit etwa 15 Jahren ausgerottet, doch
fanden sich noch Caloblepas Gorgon, Antilope albifrons und Euchore in
Menge auf den nördlich sich erstreckenden Ebenen, während im hohen
Ufergras, in seinen Binsen und den beschilften, doch trocken liegenden
Partien einzeln oder paarweise, die schön gelblichbraune, mit ihren nach
vorwärts gerichteten, kurzen, etwas hakenförmig gebogenen Hörnern
versehene Rietbockgazelle ziemlich häufig anzutreffen war.

Unser Farmer bewies sich die Zeit unseres Aufenthaltes hindurch äußerst
freundlich und lud uns mehrmals ein, seine auf die Jagd gehenden Söhne
zu begleiten. Auf den Ebenen zur Rechten und Linken zeigten nicht selten
frisch »eingefahrene« Löcher die Gegenwart der Schabrakenschakale, des
Proteles und der gestreiften Hyäne, häufig waren Stachelschweine,
Springhasen und kurzschwänzige Schuppenthiere zu finden. Zwischen dem
Gestein bemerkte ich Genetta's und eine schwarz gestreifte Wieselart.
Auf einem meiner mit Freund E. am jenseitigen Ufer unternommenen
Ausflüge, als wir beide unsere Gewehre abgelegt, dem Treiben einiger
großer Finkenarten im Röhricht unsere Aufmerksamkeit schenkten, hörte
ich einige Schritte vor mir, dort wo eine Oeffnung im Schilfe den Blick
auf eine Flußstelle freigab, ein Plätschern in dem klaren, murmelnden
Gewässer. Es rührte von vier sich rasch stromaufwärts bewegenden, neben
und hintereinander schwimmenden Fischottern her. Bevor wir unsere etwas
hinter uns an einem Felsen angelehnten Gewehre ergreifen und benützen
konnten, waren die Thiere im dichten Schilfe vor uns verschwunden. Die
braunen Fischottern der südafrikanischen Flüsse sind gedrungener und
kürzer als die europäische Art, haben ein weniger werthvolles Fell und
halten sich an allen beschilften, fließenden Gewässern oder auch in den
Tümpeln der Spruits auf. An den zahlreichen Stromschnellen, sowie in den
tiefen Lachen, welche nach der Austrocknung der Flüßchen in ihrem Bette
zurückbleiben und sehr zahlreiche Fische bergen, ist ihnen Gelegenheit
geboten, feist zu werden, indem ihnen fast nie nachgestellt wird, außer
wenn sie zufällig am Flusse angetroffen oder durch das Geschrei der
Hähne zu einem Besuche menschlicher Wohnungen angelockt, von den Hunden
angegriffen und getödtet werden, letzteres jedoch ein seltener Fall. Nur
wo Eingeborne etwas dichter das Flußufer bewohnen, scheinen sie seltener
zu sein, da ihnen diese, sowie deren Hunde (letztere des Fraßes halber)
eifrig nachstellen. In den Flüssen des südlichen mittleren, westlichen
und nördlichen Transvaal, wo selbst die Thäler der Flüsse marschig, und
von ausgedehntem Röhricht bedeckt sind, finden die Thiere ihre besten
Schlupfwinkel. Selten beobachtete ich sie in stabilen Wohnplätzen, meist
jagen sie über größere Strecken, wobei ihre Jagd in den seichten Sümpfen
nach Fischen und Crustaceen, auf dem hochbegrasten Ufer nach Mäusen und
Ratten und in den mit Schilf dicht bestandenen tieferen Morast- und
Flußpartien nach Vögeln äußerst lohnend sein muß.

In den Schilfdickichten beobachteten wir hängende Nester von
Rohrfängern, von zinnoberrothen, schwarz gefleckten Feuer- und von dem
schönen langschwänzigen Königsfinken (Vidua capensis). Diese schöne und
wohl eine der größten Finkenarten besitzt ein bräunliches Winterkleid
und ein schön sammtschwarzes Sommergewand. Die Schultern tragen je einen
orangefarbenen Fleck, der sich namentlich auf dem dunkelfärbigen
glänzenden Sommergewande prachtvoll ausnimmt. Doch außer dieser
Auszeichnung, mit der die Natur den schmucken Vogel für die Periode des
üppigen Lebens in der südlichen Hemisphäre bedacht, hat sie ihm noch
eine andere zukommen lassen. Während im Winter der Schwanz des Vogels
von normaler Länge ist, wächst er mit der zunehmenden Schwärze des
Federgewandes im Sommer zu einem Busche von bis zu 18 Zoll langen
Federn, welche den Vogel im Fluge hindern, ihm namentlich beim windigen
Wetter den Flug so erschweren, daß er sich windabwärts tragen lassen
muß. Dieser schöne Finke ist wie alle die im Röhricht lebenden
Finkenarten ein sehr munterer Vogel, oft sieht man ihn sich im oberen
Drittel der Schilfstengel wiegen und ausäugeln oder über den Morästen
flattern; sowie er sich unbeachtet wähnt, läßt er sich in die unteren
Schilfpartien herab, aus denen sein Gezwitscher ertönt. Wird er durch
etwas in Aufregung versetzt, ist es ein anderer Finke, der sich an sein
Nest wagt, oder eine plötzlich vor ihm sich aufrichtende Schlange, oder
wird er als Gefangener von den Menschen geneckt, so bläst er seinen Hals
auf, faucht, richtet die schönen, melirten Halsfedern zu einer Krause
auf und trachtet mit seinem scharfen Schnabel Hiebe auszutheilen.
Unstreitig gehört er zu den interessantesten Erscheinungen der
südafrikanischen Vogelwelt.

Langohrige Eulen--echte Sumpfeulen fliegen auf, um sich nach kurzem
Fluge am Rande des Sumpfes niederzulassen. Am meisten sind jedoch
Wasservögel, Schwimm- wie Stelzenvögel, vertreten. Wir finden mehrere
Arten der Strandläufer, Rohrdommel, kleine Silber- und gewöhnliche
graue, doch auch Purpurreiher, eine Species Kampfhähne, ferner
Blaßhühner, mehrere Wildentenarten und Taucher. Während der Forscher im
Kahne nach Nestern und Eiern dieser Thiere fahnden kann, ist es den ihm
längs der Ufer Folgenden möglich, die auffliegenden Thiere zu
beobachten, oder die von ihm bezeichneten zu erlegen. Der reiche
Blumenflor an den feuchteren Thalpartien begünstigt auch die
Entwickelung einer vielartigen Insectenwelt und so sind denn die kleine
Insecten wie Körner fressenden Vögel, Kolibris, Bienensauger und
Schwalben zahlreich vertreten, die hier über den schönblüthigen Blumen,
dort im Gebüsche, in den Gärten und bewaldeten Partien sich
herumtummeln.

Als der Farmer meinen Eifer bemerkte, mit dem ich den gesuchteren der
hier lebenden Vögelspecies nachstellte, gab er mir den Rath, mich hinter
seinem Wagenschuppen zu bergen, weil sich auf dem über diesen
erhebenden, theilweise verdorrten Baum ein »besonderlik Vogel« zu sonnen
pflege. Ich folgte seinem Rathe und hatte die Freude denselben, einer
kleinen Schlangenhalsvogelart angehörend, zu erlegen.

Die feuchten Wiesen bargen eine reiche Fülle verschiedenartigster
Insecten, doch hatte das Sammeln derselben manche Schwierigkeit und
Gefahr. Erstlich wimmelten diese Wiesen von Mosquitos, welche uns nicht
nur Abends belästigten, sondern selbst in der Sonnenhitze Gesicht und
Hände wund stachen; außerdem waren dieselben reich an Schlangen, unter
denen ich eine noch nie beobachtete schwarzgraue, fast gleichmäßig
fingerdicke, unten schwefelgelbe und etwa zwei Fuß lange Art erhaschte.

Aus einem Gespräche mit dem Farmer entnahm ich, daß auch mein College
Mauch diese Höhlen aufgesucht und sich hier eine Zeit lang aufgehalten
hatte und im Ganzen schien der Besitzer sehr stolz auf die »wondeljike
chate« (Höhlen) zu sein. So oft Jemand von uns im Hause vorsprach, wurde
er sofort mit einer Tasse Kaffee und einem Stück Zwieback bewirthet und
unser freundliche Wirth bedauerte nur, daß wir zu viel det slechte Chut
(Reptilien u.s.w.) sammelten, unsere Zeit unnützer Weise
verschleuderten, während wir bei ihm sitzen und über die
Diamantenfelder, Duits-land und Osteriek sprechen sollten.

Manche der Farmer destilliren aus den Pfirsichen eine Art Branntwein,
welcher namentlich im Transvaal-Gebiete als Perschke-Branntwein
»verrufen« und bedeutend schwächer und billiger ist als jener unter dem
Namen Cango in der westlichen Cap-Colonie aus Weintrauben bereitete.




VI.

Rückreise nach Dutoitspan.

Wolmaran's Farm.--Ein junger Boer.--Tabakbau im Moi-Riverthale.
--Ueppige Vegetation.--Optische Täuschung.--Transportkosten und
Schwierigkeiten.--Gestörte Mahlzeit.--Ein Hinterhalt.--Farm
Rennicke.--Eine Vogel-Colonie.--Gildenhuis.--Eine Löwenjagd an den
Maqwasihöhen.--Gekränkte Hottentotten-Ehre.--Auswanderer nach den
Leydenburger Goldfeldern.--Hallwater-Farm und Saltpan. (Vermeintliche
Ruine von Monopotapa.)--Batlapinen-Gerichte.--Eine unliebsame
Entdeckung.--Hebron.--Ostersonntag im Vaal-River.--Ankunft in
Dutoitspan.


Ich schied von Wonderfontein mit dem dankbarsten Herzen seinem Besitzer,
wie der gütigen Natur gegenüber. Mit Wonderfontein war das Endziel
meiner ersten Reise erreicht und ich begab mich auf den Heimweg nach
Dutoitspan, bis Bloemhof dieselbe Route wie auf der Herreise benutzend.

Am zweiten Marschtage bemerkte ich, daß Gert mit seltenem Eifer die
Kaufertigkeit seiner Kinnbacken erprobte; auf meine Frage, welche
Delicatesse er wohl erhascht, zeigte er mir eine Handvoll Gummi, von den
Mimosen herrührend, die unseren Weg säumten, und pries die
durstlöschende Eigenschaft desselben. Ich fand später wiederholt
Gelegenheit, zu diesem Ersatzmittel des Wassers meine Zuflucht zu
nehmen. Am folgenden Tage, in der Nähe von Wolmaran's Farm, begegneten
wir einem etwa 12jährigen, von der Jagd heimkehrenden Boerjungen. Obwohl
das Gewehr, das er nachlässig geschultert trug, beinahe größer war als
er selbst, sprach dennoch aus allen seinen Mienen großes
Selbstbewußtsein und er schien die Ehre einer Ansprache von Seite meines
Begleiters F. ganz gleichgiltig hinzunehmen.

Der junge Jäger hatte sich inzwischen auf sein Gewehr gelehnt und
reichte mit einem »Guten Tag, Ohm« Einem nach dem Andern die Hand.
Von seinem Hute hing das Schwänzchen einer frisch erlegten
Deukergazelle.--»Und Du hast sie selbst erlegt?«--»Ja, Ohm.«--»Hast Du
das Thier im Laufen oder Stehen geschossen?«--»Ungefähr 200 Schritte
vor mir sprang sie auf, lief ein Stückchen, blieb stehen, ich war
niedergeknieet und hatte das Stillstehen erwartet, so wie sie stehen
blieb, blies ich ihr die Kugel durch den Leib.« Ohne auf unsere weiteren
Fragen zu warten, schulterte er sein Gewehr, berührte den Hut, reichte
wieder einem Jeden die Hand und ging seiner Wege.

Um die bereits erwähnte morastige Straßenstelle jenseits der Brücke über
den Moi-River bei Potschefstroom am nächsten Tage bei Tageshelle zu
passiren, beschloß ich, nachdem wir Wolmaran's Farm im Rücken hatten,
die ganze Nacht hindurch zu reisen und nur einige Stunden zu rasten.

Während einer solchen Rast wurde ich durch eigentümliche volle Töne aus
meinen Betrachtungen gerissen. F. machte mich auf ein Pärchen großer
Vögel aufmerksam, welche kaum 100 Schritte vor uns ihre Stimme ertönen
ließen. Die Dunkelheit ließ jedoch ihre Art nicht erkennen. Bevor wir
uns noch anschleichen konnten, hatten uns die Thiere bemerkt und hoben
sich in die Lüfte. Den schönen, langgezogenen und vollen, durch die
Stille der Nacht erschallenden Ton, den sie dabei ausstießen, erkannte
ich sogleich als den Warnungsruf des grauen südafrikanischen Kranichs.
Dieser voll schallende Ton, der wie über einem Resonanzboden ausgestoßen
so voll klingt und so deutlich und von großen Entfernungen her hörbar
ist, wird durch die einigen wenigen Vogelarten (auch den Schwänen)
zukommende Eigentümlichkeit bedingt, daß sie ein weit ausgehöhltes
Brustbein besitzen und die Luftröhre in diese Höhlung eintritt, um,
nachdem sie eine Curve gebildet, sich wieder nach auswärts zu wenden und
herauszutreten.

Am Abend des nächsten Tages schlugen wir wieder in Potschefstroom an der
bereits bekannten Stelle unser Lager auf.

Von einigen Bekannten, die zu unserem Wagen gekommen waren, erfuhr ich,
daß sich Mauch mehrmals in Potschefstroom aufgehalten und in Herrn
Foßmann einen guten und opferwilligen Freund gefunden, und daß in den
nach Osten zu sichtbaren Bergen Versteinerungen und Pflanzenabdrücke
anzutreffen wären. Als ich zu den Besuchern über das Innere des Landes
sprach, meinten sie, daß hier mehrmals im Jahre mit Elfenbein,
Straußenfedern und allerhand Häuten und Fellen beladene Wägen von der
Stadt der Bamanquato, »Schoschong«, auf dem Wege nach Natal ankämen, die
einem Brüderpaar, den Händlern Drake (die ich später auf meiner zweiten
Reise in Schoschong auch kennen lernte und den einen zu behandeln
hatte), angehörten. Sie kämen den Limpopo herab, wobei sie den Marico
kurz vor seiner Mündung überschritten. Von denselben Besuchern hörte ich
noch, daß sich in Potschefstroom zwei Männer aufhielten, welche
Elephanten im Matabeleland gejagt hatten.

Wie die meisten Hottentotten so sind auch die Griqua's und Koranna's
leidenschaftliche Raucher und gleich manchen (doch meist den ärmeren)
Holländern leidenschaftliche Tabakkauer; weil nun der im Moi-Riverthale
angebaute Tabak ein ziemlich gutes Renommé besitzt, hatten mich Gert und
David mehrmals ziemlich unverblümt daran erinnert, bevor ich die Stadt
zum zweiten und letzten Male verließ, doch eine ganze Rolle (etwa 5
Pfund) von dem »notwendigen Ding« zu kaufen. Jeden Tag verbrauchten sie
per Mann ein fingerlanges Stückchen der daumenstarken Rollstange. Bis
jetzt wurde--wenn ich nicht irre--der größte Theil des hier angebauten
Tabaks im Lande selbst verbraucht, doch wird er unstreitig, in größerer
Menge angebaut und etwas billiger auf den Markt gebracht, in nächster
Zeit einen nennenswerthen Exportartikel bilden.

Obgleich ich keine statistischen Daten bezüglich des Tabakbaues vor mir
habe, glaube ich doch, daß von den gesammten südafrikanischen,
civilisirten Staaten die Transvaal-Provinz den meisten Tabak producirt.
Unter den unabhängigen, im Westen und Nordwesten dieser Colonie
wohnenden Betschuanastämmen sind es namentlich die in dem Lande der
Bakwena wohnenden Bakhatla, welche ihre Zeit meist als Diener der Farmer
in der Transvaal-Provinz zugebracht und die Tabakcultur in ihrer
primitivsten Weise nach ihrer Heimat verpflanzt haben.

Die Strecke nach Klerksdorp legten wir ziemlich rasch (in zwei Tagen)
zurück. Auf dem Wege längs eines in den Moi-River einmündenden
Querthales auswärts gegen einen Höhensattel zu, den wir zu überschreiten
hatten, beobachtete ich an den feuchteren, kurzbegrasten
Partien--trotzdem, daß wir die Stelle noch keine zwei Wochen vorher
passirt hatten, neue Amaryllisspecies und andere mir noch nicht zuvor
bekannte Pflanzenspecies im Sprossen begriffen. Mit Leichtigkeit könnte
man in Süd-Afrika ebenso wie die aus dem wilden Zustande in Töpfe und
Gärten verpflanzten Zwiebelgewächse, die sehr artenreichen Staphelien
und Euphorbiaceen verpflanzen und es wäre wünschenswerth, daß diese
beiden ersteren als Garten- wie Zimmerschmuck so leicht zu gewinnenden
Familien häufiger als nur bei einigen wenigen Amateurs und als die von
Europa, Australien und Süd-Amerika eingeführten Gewächse gepflegt
würden. Man kennt leider in Süd-Afrika im Allgemeinen mehr von
europäischen Gartenpflanzen und von australischen und neuseeländischen
als von den einheimischen in diese Kategorie einschlagenden
Pflanzenproducten. Die schönen Gladiolus-, Amaryllis-, Iris- und ihnen
verwandte Species könnten in Gärten und Töpfen sehr gut gedeihen, nicht
minder zahlreiche zartblüthige Malvaceen, Scabiosaceen, Cinneen,
namentlich aber die im Süden so artenreichen Ericaceen. Unzählig sind
die Species der Bodenkriecher, die, wenn etwas cultivirt, noch bedeutend
gewinnen würden, zahlreich sind die lianenartig sich emporschlingenden
Gewächse. Im Süden, in den Küstendistricten, werden mit Ausnahme der
schon erwähnten botanischen Gärten, die einheimischen Pflanzen doch nur
von wenigen Liebhabern cultivirt, und da sind es meist nur die
aloëartigen, Encephalartos, Strelitzien, Staphelien, Euphorbiaceen,
Geranium-Arten, Farrenkräuter und einige wenige mehr.--Doch zurück zu
unserer Rückreise nach Klerksdorp.

[Illustration: Junger Boer.]

[Illustration: Jagd auf Zibethyänen am Klipspruit.]

Auf der Höhe des Bergsattels befindet sich eine kleine, weniger tiefe
Wasserlache, welche, obgleich seicht, wegen der steinigen Unterlage,
bedeutend länger als tiefere Lachen in der Ebene und in manchen der
Spruits ihr Wasser hält. Diese kleinen Höhenlachen sind zuweilen ein
nennenswerthes Charakteristicum vieler Höhen, besonders der Sattel und
Kämme des centralen südafrikanischen Hochplateaus, der Reisende begrüßt
sie mit freudigem Herzen und den Neuling überraschen sie nicht selten
da, wo er sie am wenigsten erwartet. Nachdem er oft lange, ebene
Strecken durchreist, vergebens da, wo das Land eine Neige zeigte, nach
Wasser geforscht, fruchtlos einem trockenen Flußbett stundenlang gefolgt
und sich mühevoll--nur um seinen und den peinlichen Durst der am Wagen
harrenden Gefährten zu stillen--durch Schilfbrüche Bahn gebrochen, ohne
das begehrte Element zu finden, endlich zu dem Wagen zurückkehrt, die
Reise fortsetzt, um noch die vor ihm liegende Höhe oder die sich quer
über seine eingeschlagene Route ziehende Bodenerhebung oder Hügelkette
zu erreichen und von den höheren Punkten Rundschau zu halten, findet er
unerwartet oben auf der Höhe eine, wenn auch oft trübe, so doch volle
Wasserlache. Welch' eine beseligende Ueberraschung für den Neuling, ein
Schatz für den Veteran, der, ohne nach rechts oder links abzubiegen,
ohne sich durch noch so viel trocken scheinende Schluchten oder
Flußdickichte täuschen zu lassen, gerade auf die ihm schon bekannten
oder Wasser versprechenden Bodenerhebungen lossteuert. Zur heißen
Tageszeit wird leider das Wasser in diesen seichten Becken bedeutend
erwärmt, doch in der Abendkühle ist es bedeutend kälter als jenes in den
Morästen oder Spruitlachen und wenn es nicht durch häufig hier zur
Tränke kommende Viehheerden verunreinigt wird, bedeutend reiner und
namentlich frei von faulenden Substanzen.

Während ich auf der Reise vaalaufwärts meine Zeit meist zur Croquirung
der Strecke verwendete, konnte ich mich nunmehr meinen Sammlungen und
der Jagd widmen. Ich ging mit meinem treuen und bereits gute Dienste als
Hühnerhund leistenden Niger in der Grasebene auf der einen, F. mit
seinem Karabiner auf der anderen Seite, 2-400 Schritte vom Wagen
entfernt, demselben als Eclaireurs voran. Die grauen und schwarzen
Zwergtrappen (die großen Trappen Eupodotis caffra und Kori waren zu
scheu), Rebhühner, Steppenhühner, rothfüßige Kibitze (in den Flügeln
schwarzweiß gescheckt) und an den Flügeln bespornte Hoplopteri (an den
feuchteren Stellen) bildeten meist unsere Beute. Niger (ein bei der
während meines Aufenthaltes in den Diamantenfeldern unternommenen und
bereits geschilderten Pavianjagd erworbener Hund) that sein Möglichstes.

Zwischen dem Baken- und Matschavisspruit hielt uns ein Vorfall, der zu
den heiteren Zufällen dieser ersten Reise gerechnet werden muß, einige
Stunden auf. Auf einer der Grasebenen zu unserer Linken erspähte Gert
vom Bock aus, etwa zwei Meilen vom Wege entfernt, einen dunklen
Gegenstand, der bald als ein einzelnes grasendes Thier erkannt war. Nach
der Größe schien es ein Rind zu sein, doch war von einer Heerde oder
einem Hirten nichts zu sehen, und so wurde der dunkle Gegenstand trotz
den Einwendungen der beiden Diener, die uns Weißen nicht beistimmen
wollten, für einen jener alten, von den Heerden wegen ihrer Reizbarkeit
und Kampflust ausgestoßenen Gnu-Stiere angesehen, der allein, sein
ferneres Dasein in der Verbannung fristen mußte. »Deinen Gefährten bist
du nutzlos, desto eher kannst du in einem europäischen Museum paradiren,
dachte ich und meine Freunde stimmten mit ein.« Die Vorsicht, mit der
ich mich in die Nähe des vermeintlichen Wildes schlich, erwies sich
jedoch bald überflüssig, denn schon auf 500 Schritte erkannte ich einen
Bullen, der seinerseits nun mir eine größere Aufmerksamkeit zuwendete
als mir lieb sein konnte und mit gesenkten Hörnern auf mich losging.
Einige blinde Schüsse brachten ihn jedoch schließlich zum Nachgeben und
verstimmt über diese Täuschung kehrte ich zum Wagen zurück. Das scharfe
Korannagesicht hatte seine Ueberlegenheit über uns Europäer bewiesen.

Ohne Unfall passirten wir die Furth über den Schoenspruit und lagerten
bald auf dem freien, zwischen dem Flusse und der nach Klerksdorp
führenden Wasserleitung liegenden Rasenplatze. In unserer Nähe standen
zwei einem Transvaaler Fuhrmann (_Transportrider_) gehörende Wägen. Der
Eigentümer derselben kam an unseren Wagen und da wir eben Kaffee nahmen,
wurde ihm ein »Becher« offerirt. Der Transportrider führte Güter, wie er
glaubte, Kistchen mit französischen Weinen und Brandy, rothe Kistchen
mit holländischem Gin, große Kisten mit englischem Bisquit, ferner
solche mit eingelegten Früchten (_Jam_), sowie Picken, Schaufeln etc. im
Ganzen 13.000 Pfund Gewicht auf den beiden Wägen, die ihm in den
Diamantenfeldern aufgeladen wurden und die er nach den Goldfeldern zu
schaffen hatte.

Nach der Berechnung unseres Gastes, der ziemlich geläufig englisch
sprach, hoffte er nach Abzug aller Kosten 140 £ St. an diesem »Trip«
(Fahrt) zu verdienen, so daß wir mit Zurechnung der Frachtauslagen von
Port Elizabeth annehmen müssen, daß das Heraufschaffen der Güter von
diesem Hafenorte bis Pilgrims-Rast (Leydenburger District) auf 300 £ St.
zu stehen komme. Die Strecke von Port Elizabeth über Hope-Town,
Kimberley (Diamantenfelder), Christiana, Klerksdorp, Potschefstroom,
Pretoria, Middleburg und Leydenburg (Lydenburg) beträgt nahezu 1100
englische (etwas über 255 geographische) Meilen; für den Transport von
130 Centner war mithin die Fracht von 3450 fl. eine sehr hohe. Die
meisten dieser sogenannten Transportrider (sprich »raider«) stehen sich
gut, nur in trockenen Jahren und wenn sie Schneegestöber im Winter auf
den Karoohochebenen ereilen, haben sie oft sehr viel zu leiden und
können ihr gesammtes Zugvieh einbüßen. So weiß ich mich vor drei Jahren
eines Falles zu erinnern, wo ein einziger Fuhrmann, der mit sechs Wägen
nach der Cap-Kolonie fuhr, in einigen kalten Nächten 75 Stück Ochsen
verlor. Die Weide war sehr schlecht, wenn er die Thiere auch drei Tage
lang grasen ließ, hatten sie sich nicht genügend erholt und erfroren um
so eher. Ich kenne auch Fälle, wo solche Fuhrleute beim Durchfahren
größerer Flüsse, wie des Oranje-Rivers, im Flusse stecken blieben und
bevor noch ausgiebige Hilfe ankam, war der Fluß gestiegen und der
Fuhrmann verlor Wagen und Güter, die er ersetzen mußte, Vorfälle, die
schon so manchen an den Bettelstab gebracht.

Am nächsten Morgen verließen wir das Weichbild von Klerksdorp und
schlugen die Richtung nach dem Estherspruit ein. Die letzten Tage hatte
es nicht geregnet und so durften wir auf schönes Wetter hoffen, doch
wurden die Nächte empfindlich kälter als zur Zeit, da wir uns von den
Diamantenfeldern verabschiedet hatten.

Unter dem einladenden Schatten einiger jener mehrstämmigen, hutförmigen,
nach abwärts mit ihrem verschlungenen Kronengezweige sich neigenden
Zwergbäumchen hielten wir am folgenden Tage Mittagsrast. Die
beschatteten Stellen waren grasarm, beinahe nackt und kahl und zeigten
zahlreiche Mäuselöcher. Doch ringsum in einigen unbedeutenden
Vertiefungen wucherte um so üppiger ein dichter Graswuchs.

Freund E. wollte eine hübsche Stelle für den Mittagstisch und unsere
Sitze aussuchen, er schien endlich unter dem schattigsten der oben
erwähnten Zwergbäumchen den gesuchten Ort gefunden zu haben, als er die
Mäuselöcher zu zerstampfen begann. Ich wollte eben mit dem Insectennetze
in der nächsten Umgebung eine Razzia halten, als mich Freund E.'s
wunderliches Betragen zu der Frage veranlaßte, was er hier thue. »Sehen
Sie, diese Löcher sind nach ihrer Umgebung zu urtheilen, verlassen und
da gibt es keinen unbequemeren Ort, als deren Nähe sich zum Rasten
auszusuchen, weil eben diese Löcher mit Vorliebe von Schlangen--«. »Eine
Schlange, eine Schlange, Doctor, nehmen Sie den Schambock
(Bileamspeitsche), passen Sie auf, sie läuft auf Sie zu!« schrie
plötzlich aus der nächsten Vertiefung der erschreckte F., der
hinabgestiegen war, um einige an den Grashalmen erspähte Käfer für mich
zu erbeuten. Das »ausgesucht werden« blieb Freund E. in der Kehle
stecken, er hatte nicht nöthig, seinen Satz zu beschließen, denn da kam
schon pfeilschnell das Reptil hervorgeschossen, schnurstraks auf eines
der zugestopften Löcher zueilend. Dieses und ein anderes verschlossen
findend, wandte sich die etwa vier Fuß lange, fingerdicke Schlange nach
dem Zwergbäumchen, wo sie mir über eine halbe Stunde harte Arbeit
machte, bevor ich sie in dem dichten Geäste bemeistern konnte. Es war
eine als Giftschlange in Süd-Afrika wohlbekannte Scap- (Skap-) stecker.

[Illustration: Verlassener Jagdplatz.]

Im blumigen Thale des Estherspruit angekommen, widmete ich am folgenden
Morgen, wie an der letzten Raststelle, einige Stunden dem Insectenfange,
da hier viele Doldengewächse, auch Orakelblumen und Liliaceen von
kleinen Coleoptera-Arten strotzten. Mylabris, Cetonia Marienkäfer,
Erdflöhe etc. fanden sich artenreich vor. Dann wurde noch ein
allgemeiner Ausflug mit Gewehr, Pinzette und Schambock zwischen den das
enge Spruitthal zur Linken umgebenden Felsen versucht. Das Resultat war
der Fang einiger Echsen, zweier Schlangen, von denen sich (nach der
Breite der Spur zu urtheilen) hier viele Buffadern aufhalten mußten. Sie
mußten auch gut gedeihen, denn alle Bedingungen dazu waren hier in den
geschützten Felsenlöchern vorhanden, in denen sich kleine, braune und
große, graue, schwarz gestreifte Rohrrüßler aufhielten, während in den
nahen Zwergbüschen gestreifte Mäuse und im nahen Thale Lurche in großer
Zahl anzutreffen waren. Die Rohrrüßler sind kleine muthige Raubthiere,
der Gestalt nach müßte man sie Spring-Spitzmäuse nennen. Die großen (von
der Größe einer Ratte) leben paarweise in Löchern unter umfangreichen
Blöcken, sind sehr wachsam und nähren sich von Insecten und
Insectenlarven. Sie springen sehr behende und pflegen sich auf der
Flucht zeitweilig umzusehen, was ihnen natürlich oft zum Verderben
gereicht.

Spät am Nachmittage erreichten wir den durch die bereits geschilderten
Raubritter--jene holländischen Quälgeister, deren ich schon auf der
Hinreise gedacht--berüchtigten Matjesspruit. Ich nahm mir vor, in dem
Thale gar nicht zu halten, sondern noch drei Meilen darüber hinaus zu
fahren, um nicht belästigt zu werden. Als wir ungefähr das erste Drittel
des zum Spruit führenden Abhanges erreicht hatten, machte mich der mit
der Peitsche neben dem Gefährte schreitende Gert auf den »Wächter« des
in dem Gebüsche zur Rechten liegenden Raubgehöftes aufmerksam. Einer der
Bauern stand unter einem Bäumchen auf dem Wege und lugte aus. Als wir
auf etwa 300 Schritte nahegekommen waren, verschwand er plötzlich und
lief buscheinwärts, um die Annäherung einer »Prise« zu melden.

Wir wähnten, als von Gert angetrieben das Gespann sich in Trab gesetzt
hatte, der drohenden Gefahr glücklich entronnen zu sein, und konnten uns
nicht enthalten, ob der gelungenen List in ein lautes Gelächter
auszubrechen. Doch wie gewöhnlich, wir hatten zu früh gelacht. Plötzlich
erscheint eine schmutzige Hand an dem Seitenbrette und dann folgt ein
bestürztes Gesicht. »Chun (guten) Dag, Mynheer, ah, ah Dokter, wart doch
bichi--ras ni so banje (viel) mit det ow (alte) wachen (Wagen).« Dann
erschien neben Gert ein zweiter Raubritter in zerrissenen Hemdärmeln und
beide bemühten sich, ihn zu überreden, das Gespann zum Stehen zu
bringen. So hatten uns doch die unbarmherzigen Quälgeister ereilt! Doch
Gert ließ vom Peitschen nicht ab und das Gefährte eilte bis zu dem
Flüßchen, das wir zu durchschreiten hatten. Kaum daß wir das Spruitbett
überschritten hatten, als ein Troß von Kindern und Frauen dem Wagen
nachgerannt kam. »Ja warum lauft Ihr denn so vorbei,« hieß es von allen
Seiten, »bleibt doch ein bischen stehen.« Wir sprangen vom Wagen ab, um
wenigstens der Sitte gerecht zu werden und den zwölf Anwesenden Einem
nach dem Andern ihre nichts weniger als reinen Hände zu schütteln und
sie zu versichern, daß wir es sehr eilig hätten und unter keiner
Bedingung hier bleiben könnten. Da nahmen die diesmal glücklich
zurückgeschlagenen Freibeuter zu einer anderen List ihre Zuflucht, wobei
sie jedoch vergaßen, daß wir dieselbe schon kannten. »Aber Ihr könnt'
nicht weiter, denn wo Ihr noch heute Nacht hinkommt, da ist kein Gras
für Eure Ochsen, kein Wasser für Euren Thee, der Boden ist kahl
gebrannt, ohne Gras wie dieser Weg, bleibt doch hier über die Nacht.«
Doch es half alles nichts, wir kannten unsere Pappenheimer zu gut und so
blieb ihnen nichts übrig, als mit leeren Händen den Heimweg anzutreten.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch, als wir am folgenden Tage am
Klipspruit (steinigen Spruit) Rast hielten. Etwa 1½ englische Meilen an
demselben auswärts stand ein Wagen und nahebei grasten einige Pferde.
Hinter dem Wagen schien ein Zelt zu stehen. Ich hoffte holländische
Jäger zu finden, von denen ich, im Falle wir ohne Erfolg gejagt hätten,
einige frisch erlegte Thiere, der Häute halber, zu erstehen gedachte.
Wir hatten auch ganz richtig geurtheilt, denn wir fanden den Besitzer
der Landstrecke, auf der wir rasteten und der weiter auswärts sein
Farmhaus hatte und mit seiner Familie auf einer Erholungsreise begriffen
war, wobei er sich seine Zeit mit Jagen vertrieb. Um den Wagen waren
mehrere Aeste in den weichen Boden eingelassen und mit Ochsenriemen
verbunden, an denen zahllose, längliche Fleischstücke hingen, um zu dem
bekannten Beltong getrocknet zu werden. Auf der Erde lag ein Gnu-Stier,
den eben ein Koranna abzuhäuten bemüht war.

Wohin wir auch unsere Blicke wenden mochten, überall begegneten sie
einem überraschenden Reichthum an Wild jeder Gattung. Wir waren Zeugen
eines Kampfes zweier Gnu-Stiere, die mit unglaublicher Vehemenz
aufeinander eindrangen; nichtsdestoweniger aber hatten sie ihren
gemeinschaftlichen Gegner in uns bald gewittert und folgten der
fliehenden Heerde rasch nach.

[Illustration: Eine Vogel-Colonie.]

Bei dem Präpariren des mir von dem Farmer überlassenen Gnufelles hatte
ich mich an den spitzen Knochen des Kopfskelettes verletzt, im Eifer der
Arbeit, zu deren Beschleunigung ein drohender Regenguß mich anspornte,
achtete ich nicht darauf. Heftige Schmerzen und angeschwollene Hände
belehrten mich nächsten Tages, daß ich unvorsichtig genug vorgegangen
und das Arsenikpräparat in die Wunden eingedrungen war. Ich wurde erst
später eindringlich an die Gefahr dieser Sorglosigkeit gemahnt.

[Illustration: Löwenjagd in den Maqwasibergen.]

Am nächsten Morgen verließen wir Klipspruit, überschritten den Löwen-
und Wolfsspruit und erreichten gegen Abend die schon erwähnte Farm
Rennicke, deren Besitzer uns auf der Hinreise anfangs ziemlich
unfreundlich empfangen hatte. Diesmal hatte er gegen unser Vorhaben, im
Gehölze zu jagen, nichts einzuwenden, ja er gab uns sogar seinen Jungen
als Führer mit. Der kleine Bursche geleitete uns an den nördlichen Rand
des Gehölzes, an dem angelangt er uns niederbeugen und ihm stille folgen
hieß.

Nach etwa 60 Schritten standen wir an einem niederen, kaum fünf Fuß
hohen, hie und da mit Zwergsträuchern überwucherte Erddamme. Der Junge
vor uns kroch aufwärts und sah sich um, dann hieß er uns vorsichtig
folgen und durch eines der Büschchen gedeckt auslugen. »Kick, Ohm«
(schau, Onkel), flüsterte er mir in's Ohr, und wies mit seiner Linken
über den Damm. Ein unvergeßlicher Anblick bot sich uns dar. Ich wünschte
ein Netz über diese Scene ausgespannt zu sehen und das Leben darunter
als »Leben« zu erhalten.

Der Damm, an dem wir lagen, war die südliche Umzäunung einer
dreiseitigen, eingedämmten Vertiefung, die von Gras und Binsen
überwachsen, nur vom Regenwasser gespeist zu sein schien. In diesem
Gewässer watschelte, schwamm und tauchte ein Heer von Vögeln umher, Die
auffallendsten waren die heiligen Ibise, wenigstens fünfzig, die Einen
in ihrem schneeweißen Gefieder auf einem Fuße schlummernd, die andern
langsam und gravitätisch ausschreitend und den kleineren Genossen (den
Tauchern etc.) zuweilen Hiebe austheilend, während die meisten rasch hin
und herliefen und dabei unter der Wasserfläche mit dem dunkelgefärbten
Kopfe und dem Schnabel hin- und herfahrend fischten. Außer ihnen stand
nach der einen Dammseite, wie aller Welt vergebend, ein graues
Fischreiherpärchen. Zwischen dem Grase und in den Binsen gackerten graue
und schwarzweiß gescheckte Wildenten, während unzählige Bläßhühner ihre
tiefen Stimmen hören ließen. Dazwischen tummelten sich die kleinen
behenden Taucher. Am Rande des schräg zu dem trüben Wasser abfallenden
Dammes liefen laut pfeifend einige Kampfläufer (Philomachus pugnux) auf-
und nieder, während kleine Strandläufer in dichten Schaaren von dem
einen zum andern Ufer flogen, ohne lange auf derselben Stelle zu
verweilen. Später fand ich die Erklärung zu dem lauten Treiben dieser an
das flüssige Element gebundenen Vogelwelt. Ein heftiger Platzregen hatte
eine Unmasse von Insecten und Würmern von der Ebene in die Vertiefung
herabgeschwemmt, auch todte Eidechsen, sogar Mäuse fanden ihren Weg
dahin; an dieser reich besetzten Tafel ließ es sich nun die befiederte
Gesellschaft recht wohl schmecken.

Einer von uns mußte wohl unvorsichtig den Kopf vorgestreckt haben, denn
bevor ich mich dessen versah, hatten sich alle die Langstelzen mit
lautem Geschrei in die Lüfte erhoben. Unwillkürlich und wohl auch in der
Angst, sie alle davonfliegen zu sehen, legte ich auf einen der Ibise an
und brachte ihn wie auch ein Bläßhuhn herunter. Auf dem Heimwege die
Moräste berührend, erbeutete Freund E. eine Wildente.

Am Wagen angekommen, erfuhr ich von Freund K., daß der Farmer mich zum
Besuch eingeladen habe. Obgleich derselbe wohlhabend zu nennen, war doch
sein Haus höchst einfach aus Backsteinen aufgeführt. Er klagte mir sein
Leid über die Verluste, die er durch die herrschende Pferdekrankheit
alljährlich erleide und bat mich um meinen Rath, da eben sein Reitpferd
von der Krankheit befallen war.

Am Nachmittage verließen wir Rennicke's Farm und langten in der
Dunkelheit an »Gildenhuis Place« an, derselben am Südfuße der hier
vorbringenden Maqwasihöhen erbauten Farm, welcher ich auf der Hinreise
bereits erwähnte.

Auf der dritten Reise--zwei Jahre später--traf ich weit im Innern einen
herumwandernden Elephantenjäger, der seine Heimat an den nördlichen
Ausläufern der Maqwasihöhen hatte, zu deren südlichem Abhange wir eben
lagerten. Er war ein tüchtiger Jäger, und ich will im Folgenden, bevor
ich von den Maqwasihöhen scheide, eine seiner Jagdepisoden erzählen.
Weinhold Schmitt hielt sich in seiner Junggesellenzeit in einer an den
Quellen des Maqwasi-Rivers liegenden Farm auf. Zu dieser Zeit waren die
nördlichen Schluchten der Maqwasihöhen durch das Treiben von vier in der
Regel gemeinschaftlich jagenden Löwen arg verrufen. Keiner von den in
der Umgebung wohnenden Boer's hatte sich bisher erkühnt, den verwegenen
Löwen an den Leib zu gehen. Da kam eines Tages der Sohn des einen
Farmers mit der traurigen Botschaft heimgeritten, daß er die Leichen
dreier Pferde--es waren »gesoute« (gesalzene, d.h. gegen die Pneumonie
gefeite), welche er abzuholen hatte--vorfand, die schon halb aufgezehrt
im Grase lagen, und an den zahllosen Spuren waren die Urheber der
ruchlosen That nur zu deutlich zu erkennen.

Diese Nachricht brachte es zu Stande, daß sich die Boer's endlich zur
That aufrafften und gemeinschaftlich die Raubthiere zu erlegen
beschlossen. Der Farmer und sechs Reiter fanden sich ein, der junge
Mann, der die getödteten Pferde aufgefunden, wurde zum Führer gewählt;
die Spur der Löwen war bald gefunden. Es ging durch ein Thal, über eine,
über eine zweite Höhe, dann kamen sie auf eine Ebene, die leider
kurzbegrast war; der Boden war hart und wohl auch deshalb verloren sie
die Spur der Thiere und mußten die Verfolgung aufgeben. Es ist jedoch
wahrscheinlicher, daß den Löwenjägern der Muth etwas gesunken war und
daß alle nur zu sehr einverstanden waren, lieber heimzukehren, als noch,
abgemüdet nach einer längeren Verfolgung, den Kampf mit den Raubthieren
aufzunehmen. Auf ihrer Heimkehr trennten sich die enttäuschten Jäger
nahe an Schmitt's Wohnung. Doch wie erstaunten er und sein Freund, als
sie in unmittelbarer Nähe des Gehöftes ein Löwenpärchen im hohen Grase
erblickten. Nach der Stellung, welche die Raubthiere eingenommen hatten,
schienen sie auf der Lauer zu liegen. Beim Annähern der beiden Reiter,
deren Pferde sich brav in der Nähe ihres Erzfeindes hielten, erhoben
sich die Löwen, und Schmitt, um einen sichern Schuß zu gewinnen, sprang
ab, nahm die Zügel, machte einige Schritte nach vorwärts und legte
gerade auf den nach ihm stierenden Löwen an, als ihn sein Gefährte
anrief; als sich Schmitt umwandte, sah er, daß ihn dieser verlassen und
eben in einer Entfernung von 50 Schritten Posto gefaßt hatte. Dies war
unserem Jäger sehr unangenehm. Zwei Löwen sah er vor sich, die übrigen
durften wohl nicht ferne sein, sein Freund hatte ihn in dieser
ungemüthlichen Situation verlassen.

So blieb ihm nichts übrig als selbst an den Rückzug zu denken. Sein
Pferd am Zügel führend wich er zurück, doch so, daß er stets die
Raubthiere im Auge behielt. Bevor jedoch der Schütze seinen Gefährten
erreicht hatte, wandten sich die Löwen zur Flucht nach den Höhen. Dies
gab unsern Jägern Muth und beide galoppirten ihnen nach, Schmitt mit der
Absicht--wie es jeder berittene und etwas erfahrene südafrikanische
Löwenjäger in einem solchen Falle versucht--den Löwen einen Vorsprung
abzugewinnen und ihnen den Weg zu verlegen. Es gelang ihm und die beiden
Löwen befanden sich nun zwischen ihm und seinem Gefährten, der mit
Geschrei und Hutschwenken die Freunde, von denen sie kurze Zeit zuvor
geschieden und die noch nicht aus Schußweite gekommen waren, auf den
Fund aufmerksam zu machen sich bemühte. Bevor jedoch diese--obwohl mit
verhängten Zügeln einhersprengend--zur Stelle waren, hatte sich die
Löwin nach links gewendet und war in einer trichterförmigen, bebuschten
doch seichten Felsenvertiefung verschwunden, während der Löwe mit
fletschenden Zähnen den Augenblick, wo beide Jäger dem Dickicht näher
gerückt waren, benutzend, mit einigen Sätzen im Gestrüppe der nahen Höhe
verschwand und--nachdem er wohl noch durch den Anblick der heranjagenden
Menschen eingeschüchtert--seine Flucht längs der Höhe auch so eilig
fortsetzte, daß er seinen Verfolgern nicht mehr zu Gesichte kam.

Als die übrigen fünf Jäger sich zur Stelle eingefunden hatten, beschloß
man, die Vertiefung zu umzingeln und namentlich den dem Hügel
zugekehrten Rand derselben scharf im Auge zu behalten, weil man nach
dieser Seite einen Fluchtversuch der Löwin befürchtete. Hier postirten
sich auch drei der Jäger und begannen mit Geschrei und Steinwürfen die
Löwin zu beunruhigen und zu einem Fluchtversuche zu bewegen. Die
Steinwürfe mochten sie wohl kaum belästigt haben, umsomehr aber schien
die Löwin über das entsetzliche »Holländisch« empört, in welchem die
drei Jäger sich mit ihr unterhielten, denn nach einiger Zeit erschien
sie am Rande der Vertiefung, um die Situation auszuspähen. Anstatt
gerade nach dem schützenden Dickicht des Hügels zu halten, bog sie etwas
nach links ein, um in einer schiefen Linie das Ziel zu erreichen. Bei
der Ausführung dieses Vorhabens stand ihr jedoch das Unangenehme bevor,
vor den drei Schützen vorbeidefiliren zu müssen. Sie zögerte nicht lange
und folgte der letzterwähnten Richtung. Drei Schüsse knallten zur selben
Zeit. Die Löwin machte einen Versuch, ihre Bahn fortzusetzen, den
auszuführen jedoch ihre Lebenskräfte nicht mehr ausreichten. Sie war mit
dreifach durchbohrter Brust zur Erde gesunken.

»Und die anderen Löwen?« fragte ich.

»Wir hatten für längere Zeit Ruhe vor den Raubthieren, sie zogen sich
nach dem Hart-River zu und hausten da im Lande der Barolongen. Doch
kamen sie zuweilen noch immer herüber und selbst gegenwärtig kann man in
trockenen Wintern daselbst von Westen her zugelaufenen Löwen begegnen.«

Nächsten Mittag spannten wir im Schatten einiger schöner Cameeldornbäume
unfern der Furth des Maqwasi-River aus. Der vor wenigen Wochen hoch
angeschwollene Fluß war nunmehr wieder zu einem dünnen in der Ebene sich
hinschlängelnden Wasserfaden herabgesunken. Am jenseitigen Ufer standen
einige Wägen ausgespannt. Sie waren sämmtlich mit Wein- und
Branntweinfässern geladen, welche nach den Goldfeldern gebracht werden
sollten. In einem nahen Ziegelhäuschen ging es sehr lärmend zu, man
credenzte auch hier den Feuertrank, und vor dem Häuschen lagen auf der
Erde im betrunkenen Zustande einige der zu den Wägen gehörenden
schwarzen Diener, während zwei andere--auch unter demselben
Einflusse--schreiend ihre Fertigkeit im Boxen an sich versuchen wollten.
Der eine hatte seine schmutzige Jacke abgeworfen und schlug die
Hemdärmel zurück, um sich für den Zweikampf »klar« zu machen, während
sein Gefährte mit in der Hose steckenden Händen und mit ausgespreizten
Beinen ihm die ärgsten Schmähworte zuschleuderte. »Du bist kein
Hottentot nicht, nur ein elendige Boschman,« warf dieser ein. Das war zu
viel für das erhitze Gemüth des braun-gelblichen Stammesbruders. »Ik ke
Hottentott ni, so wahr ich eine Mutter habe (dies der gewöhnliche Schwur
der Koranna) bin ich einer--nimm das--dafür Du drunken lap Du.« Und die
eine der an die Brust gezogenen Fäuste traf den sich kaum im
Gleichgewicht haltenden Gegner so dreist und wuchtig auf die
Nasenwurzel, daß er mit einem »Allmachtag« nach rückwärts fiel und hoch
mit den Beinen aufschlug.

Auf unserer Weiterfahrt nach Bloemhof begegneten wir zwei Fußgängern
(Weißen), die nach monatelangem, erfolglosem »Diggen« in den
Diamantenfeldern ihr Heil in den Leydenburger Goldfeldern zu finden
gedachten. Der eine der Männer trug zusammengerollte Decken, der zweite
in einem Ledersack Brod etc., sowie eine Theekanne und einen Becher. In
dieser Verfassung dachten sie die Gesammtstrecke von über 115
geographischen Meilen Länge zurückzulegen. »Nachts schlafen wir unter
einem Busche, polstern uns die Stelle weich mit Gras aus und überrascht
uns ein Regen, so bleiben wir--wenn wir gerade nicht nahe an einem
Farmhause sind, um Schutz in dem Wagenschuppen zu suchen--ruhig liegen,
ist's ja nur Wasser, und reines Wasser, das da vom Himmel auf uns
kommt.« Das war ein Paar jener Wettergebräunten, die man oft in den
Diamantenfeldern begegnet und die von dem Glanze der Diamanten und des
Goldes angezogen, die rauhesten Seiten des menschlichen Daseins kennen,
ertragen und verachten gelernt hatten; und haben sie sich an dieses
rauhe Leben, an dieses mit den größten Mühen und großen Kosten
verbundene, selten oder fast nie zu befriedigende Jagen nach Reichthum
gewöhnt, so sind sie den gesellschaftlichen Formen des Lebens
entfremdet; außer daß sie--was ihnen jedoch in Süd-Afrika nicht leicht
möglich ist--die eleganten Säle der Spielhöhlen besuchen.

Spät am Abend langten wir am Bamboesspruit an und übernachteten am
diesseitigen Ufer, um die Furth nicht in der Nacht passiren zu müssen.
Wir blieben bis gegen Mitternacht um das lodernde Feuer geschaart und
besprachen die Gladiatorscene am Maqwasi-River, der wir ohne
Eintrittskarten gelöst zu haben, beigewohnt hatten.

Am nächsten Tage legten wir die Tour durch die schon vorher erwähnten
Grasebenen zurück, berührten die beiden an Salzpfannen liegenden Farmen
Rietfontein und Coetzee's Farm und erreichten den folgenden Tag
Bloemhof.

[Illustration: Hallwater Farm.]

Nach kurzem Aufenthalte brachen wir noch am selben Tage nach der
Hallwater Saltpan auf, um auf diesem kürzeren Wege nach Christiana zu
gelangen. Diese Salzpfanne war im Jahre 1872 dadurch in Süd-Afrika
berühmt geworden, daß man daselbst die Ruinen von Monopotapa
(Monomotapa, Motapa, Mosogra etc.), einer in einem Reiche desselben
Namens (das vor 200 Jahren noch existirte) liegenden Stadt, gefunden zu
haben glaubte. Aus alten Chroniken ersehen wir, daß das ganze Centrum
Süd- und des südlichen Central-Afrika von diesem Reiche eingenommen
wurde, daß mit seinen Bewohnern--meist durch die an der Küste wohnenden
Eingebornen als Zwischenträger--von Seite der portugiesischen und
holländischen Händler ein lebhafter Handel getrieben wurde und man
glaubte auch, daß bereits portugiesische Missionäre von Osten her bei
den Bewohnern Monopotapa's gewirkt hätten. Den Chroniken entnehmen wir
auch, daß die Städte meist in der Nähe von Goldminen erbaut und in
unmittelbarer Nähe der Stadt Monopotapa selbst an 3000 bearbeitete
Erdlöcher (Minen) zu finden waren. Man hatte nun in der Nähe der
Hallwater Salzpfanne Steine vorgefunden, welche menschliche Arbeit und
zwar meist Bruchstücke von Säulen, ferner Gesimsstücke--jedoch nur diese
beiden Formen--darzustellen schienen, und da die Entfernung dieses
Fundortes von Kapstadt mit der, in den Büchern als Entfernung zwischen
der Stadt Monopotapa und Kapstadt angegebenen ziemlich übereinstimmt,
glaubte man Monopotapa gefunden zu haben. Ich hielt deshalb die Stelle
eines Besuches werth, um so mehr, als sie nicht weit, nur einige Meilen
nordwärts von meinem Wege liegen sollte.

Am selben Tage, nachdem ich Bloemhof verlassen, traf ich bei der
bezeichneten Salzpfanne ein. Obgleich nahe am Vaalflusse gelegen und zum
Gebiete der Transvaal-Republik gerechnet, und obschon hier eine weiße
Frau mit ihren Töchtern in einem Moodhouse wohnte, die uns sogar einlud,
uns in ihrem Palaste niederzusetzen, fand ich, daß die Koranna's von
Mamusa die eigentliche Herrschaft führten und diese auch bis zu Beginn
des Jahres 1879 aufrecht zu halten wußten.

Die Stelle bildete die Südspitze eines Dreieckes mit der Basis gegen
Mamusa und dem Hart-River zu, welches von Gassibone und Mankuruan
(damals beide unabhängig), den Batlapinenchefs, Old-David Maschon, dem
Korannakönig von Mamusa und den Holländern beansprucht wurde; bei dieser
Sachlage waren nur die hier angesiedelten Farmer zu bedauern, denn auf
sie fiel die Last aller Quälereien, sie waren der Sündenbock in allen
Streitigkeiten.

In der Nähe der Salzpfanne, welche wohl das beste Kochsalz in dem
Bloemhofer District liefert, und deshalb neben dem Graslande als Weide
durch den Salzgewinn einen Erwerb in cash (in Baarem) abwarf, war eine
Farm, ein besonders hervorstechender Punkt in »the disputed territory«
(streitigem Gebiete). Außer dem aus rohem Thonboden verfertigten und
nothdürftig mit Gras gedeckten Häuschen, das von der erwähnten Frau,
entweder um ihr Vieh an der Pfanne weiden oder das Salz durch ihre
Diener gewinnen zu lassen, bewohnt wurde, standen noch am Nordrande der
Salzpfanne einige Korannahütten. Zwei etwa 12 Fuß tief in die Erde
gegrabene Löcher lieferten einen kleinen Wasserstrahl, der durch einen
Graben in eine Bucht geleitet, die Bewohner mit Wasser versah. An diesem
äußerst schmutzigen Tümpel tummelten sich zahlreiche rothfüßige und
einige Sporen-Kibitze, während im Wasser zahlreiche Wasserschildkröten
und Frösche ihr genügsames Dasein fristeten.[1]

    1: Siehe Anhang 9.

Die vorgehende Zeichnung der Hallwaterfarm habe ich im Jahre 1875 (zwei
Jahre später) auf meiner dritten Reise aufgenommen. Wir sehen ein aus
Thon aufgeführtes Häuschen und einige Hütten, in denen Koranna's
hausten. Die Weißen hatten die Stelle bald nach meinem Abgange
verlassen. Die Koranna's gewannen nun selbst das Salz, von dem sie 25
Pfund für eine halbe Krone verkauften. Einem Reisenden, der nach dem
Innern Afrika's seine Schritte lenken will, würde ich es anrathen, sich
hier mit einer genügenden Menge Salz zu versorgen, da er beim Einsalzen
des Wildfleisches und Präpariren der Haut großer Säugethiere viel davon
brauchen, allein nicht leicht wieder ein ähnlich gutes auf seiner
weiteren Reise finden wird. Die hier lebenden Koranna's ernähren sich
von Viehzucht, halten meist Rinder und Ziegen und besitzen einige
schadhafte Wägen, in denen sie das Salz nach Bloemhof, Potschefstroom
und den Diamantenfeldern zum Kaufe bringen und daselbst für 1 £ St. per
mule (d.i. 200 Pfund) feilbieten. Oberhalb der Stelle, wo die trockenen
Bäche einmünden, könnte die nächste Umgebung der Pfanne mit einem
niedrigen Damm versehen, und von dem so gebildeten Weiher hinreichendes
Wasser zur Bewässerung von Feldern gewonnen werden. Doch es gehört mehr
als Koranna-Energie dazu, um einen solchen Versuch zu wagen; vielleicht
wird es doch möglich werden, wenn hier, wie in Griqualand-West, die
Eingebornen nicht mehr Gelegenheit haben, ihre Gedanken und Kräfte im
Brandygenusse verkümmern zu lassen.

Während unseres ersten Aufenthaltes an der Hallwater Salzpfanne hatten
wir auch Gelegenheit, das Batlapinengericht, »die Wanderheuschrecken«,
zu verkosten. In der Asche gebraten wurden sie von einigen
durchreisenden Batlapinen genossen, die Einen aßen sie mit »Haut und
Haaren«, Einer riß die Füße und Flügel, der Klügste von Allen auch den
Darmkanal aus; in der letzteren Verfassung versuchten wir dieses
Gericht. Ich benützte die Gelegenheit, dieses noble Betschuana-Gericht
allen Gourmands, wenn sie so weit gediehen sind, daß sie nichts mehr zu
essen haben, oder daß ihnen nichts mehr pikant genug erscheint, als ein
billiges und doch ungewöhnliches Ultimatum zu empfehlen. Wenn ich mich
jedoch zu diesem freundschaftlichen Rath erkühne, ist es auch nöthig,
des »Geschmacks« dieser Wildgattung Süd-Afrika's mit einigen Worten
gedenken zu wollen. Derselbe ist jenem getrockneter, etwas ausgelaugter
italienischer Sardellen ähnlich. Benützt wird nur die eigentliche
südafrikanische Heuschrecke. Ich für meinen Theil fand das Thier als
Köder zum Angeln ausgezeichnet, besser als Regenwürmer etc.; bei ihrem
Schwärmen fallen Hunderte in die Flüsse den Fischen zur willkommenen
Beute, sowie sie in den Lüften sowohl von dem kleinen Vogel, der sie mit
beiden Fängen halten muß und stückweise verzehrt, bevor er mit ihnen
fertig wird, als auch vom Adler und Kranich als besondere Leckerbissen
angesehen und jeder anderen Nahrung vorgezogen werden.

Nachdem wir die kürzere Wegrichtung nach Christiana erfahren hatten,
nahm ich mir vor, um die Gegend kennen zu lernen, meinen Weg nach Westen
fortzusetzen, und erst unterhalb Christiana gegen Hebron auf die Route
einzulenken, so daß ich auf diese Weise den südlichen Theil von
Gassibone's Gebiet von Ostnordost nach Westsüdwest durchzog. In der
Richtung, die wir einschlugen, gab es keinen fahrbaren Weg, wir mußten
uns durch Gebüsche und über begraste Ebenen unseren Weg bahnen. Mir war
es hauptsächlich darum zu thun, einen Ueberblick über die Gegend zu
gewinnen, leider war mir dies nicht gestattet und ich entschloß mich,
wegen der Beschwerden, die uns diese Reise bereitete, lieber die
kürzeste Strecke nach dem Vaal einzuschlagen. Im selben Verhältnisse als
die jede Aussicht benehmenden Büsche abnahmen, traten nun leider wieder
die Kameeldornbäume in größeren Beständen auf.

Zahlreiche fahle Zwergtrappenpärchen, Deuker- und Steinbockgazellen
wurden sichtbar, die ersteren Gazellen ruhig grasend, die letzteren nur
wenn aus dem Gebüsch aufgescheucht, bemerkbar. Wir fanden auch Spuren
von Hartebeest-Antilopen und solche, die den des Gnu ähnlich, doch
wahrscheinlich jene des gestreiften Gnu's (Catoplepas Taurina, Gorgon)
sind. Diese Spuren und die Hoffnung, das Wild selbst beobachten zu
können, ließ uns den Wald willkommen heißen, allein um uns nicht zu sehr
der Freude über den Wechsel im Charakter der Gegend und den damit in
Aussicht gestellten Eroberungen genießen zu lassen, wurde unsere
allgemeine Zufriedenheit schon während der ersten Stunden dieser,
zwischen den wenn auch wenig dicht stehenden Bäumen unbequemen Fahrt
durch den Umstand getrübt, daß wir kein Wasser aufzufinden vermochten.

[Illustration: Koranna.]

Gegen Mittag stießen wir auf einen, den Fußspuren nach zu schließen,
ziemlich betretenen Pfad und hielten in Mitte einer Lichtung Rast. Schon
seit einigen Tagen war mir ein penetranter Fäulnißgeruch aufgefallen,
welcher einer Kiste entströmte, in der ich die erbeuteten und
präparirten Felle untergebracht hatte; es waren im Ganzen zwei schwarze
Gnu-, drei Bläßbock- und zwei Springbockfelle, ferner solche von
Schakalen, Proteles, Springhasen, Scharrthieren, Erdeichhörnchen und
Klippschliefern. Da in der Kiste auch die Hörner der erlegten Thiere
obenauf lagen, so schrieb ich diesen den fatalen Geruch zu; um mich aber
darüber zu beruhigen, machte ich mich daran, die Kiste zu öffnen. Meine
schlimmsten Befürchtungen waren noch weit überholt, alle Mühe und Plage
war verloren, meine Wunden an den Händen schmerzten mich bei dem
Anblicke der aller Haare entblößten, vom Regen aufgeweichten und in
Folge dessen in Fäulniß vergangenen Felle doppelt heftig. Es blieb mir
nichts übrig als die Felle zu opfern und mich mit den Hörnern zu
begnügen, die ich von den Kopfskeletten herabsägen mußte. Während dieser
Arbeit wurden wir durch Gäste überrascht, Batlapinen, die durch den
Rauch des Lagerfeuers angelockt, nicht wenig erstaunt waren, im Walde
Weiße mit einem Wagen zu finden.

Dem Rathe der Batlapinen nachkommend, verfolgten wir den Fußpfad und es
währte nicht lange, so waren wir aus dem Walde heraus auf eine begraste,
stellenweise dicht, doch niedrig bebuschte Ebene gekommen, welche ich
für eine der an Kleinwild reichsten Stellen in Gassibone's Lande halte.
Unter dem Kleinwild war die schmucke, kleine Steinbockgazelle
vorherrschend, doch sahen wir auch drei Springböcke, die sich bald
empfahlen, ohne uns auf Schußweite nahekommen zu lassen, sowie auch zwei
gravitätisch neben einander einherschreitende Sekretäre, welche die
weniger dicht und hochbegrasten Partien aufsuchend, eine Razzia auf
Schlangen und Eidechsen hielten. Unter dem Federwild waren Rebhühner
(meist paarweise) das häufigste Wild. Wir hielten einige 20 Minuten an
der Batlapinen-»Post«, die Frauen waren mit der Herstellung einer neuen
Umzäunung beschäftigt, die sie für ihre Ziegen aus Dornbüschen bereits
halb aufgebaut hatten. Die Männer hatten zwei Hartebeestfelle, die
rauhgar gegerbt waren, mit feuchter Erde überschüttet, um sie noch
weicher und nachgiebiger zu machen und dann daraus eine Carosse
verfertigen zu können.

Da ich in der Folge rasch reisen und mich nirgends länger als
unumgänglich notwendig aufhalten wollte, entschloß ich mich, in der Nähe
des Vaal angelangt, noch einen Tag am Ufer desselben zuzubringen, um zu
fischen. Wir hatten kaum am Lagerplatze Feuer angezündet, als auch schon
aus dem kaum eine halbe englische Meile entfernten Farmhause
(unmittelbar am Flusse gelegen) der Farmer erschien und mir bedeutete,
daß er mir nicht gestatten könne, hier zu übernachten. Ich wäre vom Wege
»abgefahren« und auf dieses Vergehen stünde in der Republik 5 £ St.
Strafe.

Ohne mich in weitere Unterhandlungen einzuladen, traf ich Anstalten zum
Aufbruche. Unser Gefährte F. war noch so glücklich, vor unserer Abfahrt
aus den Fluthen des Vaal einen etwa dreipfündigen Wels herauszufischen,
ein Fang, der in das Menu unserer täglichen Mahlzeiten angenehme
Abwechslung brachte.

Gegen Mitternacht hatten wir Christiana erreicht und gedachten nun, uns
an einer Tasse heißen Thee's zu erwärmen, als wir die Entdeckung
machten, daß wir die Kiste mit dem Kochgeschirr verloren hatten. Mich
traf dieser Verlust sehr empfindlich, denn meine Mittel waren schon
derart zur Neige gegangen, daß sie die Neubeschaffung des notwendigen
Geschirres nicht zuließen. Freund E. half uns aus dieser Verlegenheit.

In Christiana hielten wir uns nur bis zu Mittag des folgenden Tages auf.
Nach einer halbtägigen Fahrt erreichten wir den am Wege erbauten kleinen
Eingebornenkraal, an dem wir, von Gassibone kommend, auf die
Klipdrift-Christiana-Route gestoßen waren. Von hier bis nach den
Diamantenfeldern zu hatte ich eine für mich vollkommen neue Strecke zu
durchreisen. Den interessantesten Theil derselben bildet unstreitig die
mittlere Partie, d. h. das Hebroner Höhennetz.

Der erste Theil der Strecke bis zum Fuße der Höhen ist flach, zeigt
einige der bekannten, doch kleinen, von Wildgänsen (Chenalopes) und
Kranichen aufgesuchten, länger als gewöhnlich mit Wasser gefüllten
Salzpfannen. Der Vaalfluß entfernt sich von uns nach links in einem
weiten Bogen und wir treffen ihn erst nach einem langen Doppelmarsche,
indem wir die Secante zu diesem Kreisabschnitte beschreiben. Das Land
nach links, eine prachtvolle Grasebene (das Land innerhalb des vom
Flusse betriebenen Bogens), gehörte zu der Transvaal-Republik, jenes zu
unserer Rechten, hochbegrast, hie und da von Büschen und kleinen
Niederwald-Complexen bedeckt, Gassibone an; jetzt gehört beides zu der
Transvaal-Colonie. Die Grasebene zu unserer Linken war eine der von den
schon oft erwähnten Knurrhühnern (Otis afra) am dichtesten bevölkerten
Jagdstellen, die ich auf meinen südafrikanischen Wanderungen kennen
gelernt, es rauschte vor uns, neben uns, in der Ferne, auf beiden Seiten
des Weges.

[Illustration: Von der Arbeit heimkehrende Batlapinen.]

Unser Gefährte F. wollte, als er die Trappen so häufig auffliegen sah,
wieder einmal Proben seiner weidmännischen Ausbildung geben und rühmte
sich, mindestens einem halben Dutzend den Garaus zu machen. Doch bald
kehrte er zum traulichen Herde am Wagen heim, traurig mit gesenktem
Kopfe und--ohne Jagdbeute. Sein Gewehr war gut, sein Auge scharf, und
die Rechte sicher wie immer, doch sein Pulver war »krumm« und warf die
Schrote in jeder, nur nicht--wenn auch wohlgezielt--in der
entsprechenden Richtung. Wer hätte auch dagegen ankämpfen können, wenn
Diana neckend die Schrote zerstreute. Freund E. brachte zwei Knurrhühner
und für mich zwei Stück schwarzweiß-gescheckte, unserer ähnlich
gefärbten Art naheverwandte Würger.

[Illustration: Ostersonntag im Vall-River.]

Ich ging mit Gert in das nahe liegende Gehölz Insecten suchen und gewann
einige Bockkäfer, sowie zwei Species der Borkenkäfer (Bostrichidae). Hie
und da stießen wir auf Gnuschädel, ein Beweis, daß alle diese Gegenden
vor kurzer Zeit noch von Gnu's bevölkert waren, während sie sich jetzt
mehr im Innern von Gassibone's Lande aufhalten und sich nach Norden in
die zwischen dem Hart- und Molapo-River liegenden Wildebenen und jene an
der Klipspruit, die freier und gebüschlos sind und daher das
Anschleichen erschweren, zurückgezogen haben.

Von Bloemhof ab fuhren wir parallel mit dem Freistaatufer, das bis gegen
Hebron höher als das rechte ist und an dem zahlreiche Farmen liegen.
Ungefähr 18½ engl. Meilen von Christiana entfernt trafen wir wieder mit
dem Vaalflusse zusammen. Hier stand eine Cantine, in der es wild zuging;
an der Cantine theilt sich der Weg, der eine führt nach Hebron (weiter
stromabwärts) zu, der andere nach einer Ueberfuhr über den Vaal, die
gegenwärtig unter dem Namen Blignauts-Pont bekannt und die häufigst
eingeschlagene Tour von den Diamantenfeldern nach der Transvaal-Republik
bildet; sie ist die kürzeste, billigste und beste. Ich wählte die
längere und beschwerlichere, weil ich die Hebroner Höhen, sowie die
umliegenden verlassenen River-Diggings kennen lernen wollte. Von
Blignauts-Pont bis gegen Delportshope (unweit der Vereinigung des Hart-
und Vaal-Rivers), theils in dem Hauptthale, theils in den einmündenden
Thälern wohnt in kleinen Dörfchen und in einzelnen Gehöften die Mehrzahl
der als englische Unterthanen lebenden Koranna's. Ueberall sahen wir
diese in europäische Kleider und Fetzen gehüllten Gestalten
herumlungernd, oder mit ihren Hunden die Gebüsche durchstreifend,
während die meist nackten Kinder kleine Viehheerden hüteten.

Von der oberwähnten Cantine ab, wurde die Scenerie etwas interessanter,
theilweise schon dadurch, daß wir uns dem Vaalflusse wieder genähert
hatten, an dessen Ufer ein geübtes Auge immer eine Jagdbeute erspähen
kann und ein Forscher reichen Stoff für seine Studien und Sammlungen
findet. Am Fuße der Hebroner Höhen kamen wir an ein theils aus
Eisenblech, theils aus Segeltuch und Holz aufgeführtes Hotel und
Waarenlager--nach dem Vaal-River, der hier zahlreiche Inseln bildet und
eine sehr anziehende Scenerie darbietet »Fourteen Stream« genannt. Von
hier erheben sich die Hebroner Höhen, welche den Vaal bis Delportshope
begleiten und einige Ketten nach Norden, Nordwest und Nordnordost gegen
den Hart-River zu ausstrecken, von denen eine mit dem schon erwähnten
Spitzkopf, andere mit den Höhen um Taung, Mankuruana's Residenz, enden,
und die sich endlich bis gegen Mamusa hinziehen. Diese Höhen sind dicht
bebuscht und mit Bäumen bestanden und über sie führt die Grenze zwischen
Griqualand-West und der Transvaal-Colonie. Sie beginnen etwa acht Meilen
oberhalb Hebron, der früheren Missionsstation, und dem verlassenen
Diamanten-Fundorte. Die Gesteinsformation ist auch hier wieder
Vaalgestein (Grünstein mit mandelartigen Chalcedon-Einschlüssen), mit
zahlreichen Quarzgeschieben und von eisenhaltigem, quarzkörnigem
Thonsand bedeckt. Der Fluß hat sich über die Felsenblöcke Bahn brechen
müssen und bildet Stromschnellen. Einen anziehenden Anblick gewährt die
Scenerie nach Nordost in dem Momente, wenn wir Hebron erreicht haben und
dann nach den eben überschrittenen Höhen und den Fluß aufwärts blicken.
Zugleich breitet sich vor uns ein weites Panorama, das jenseitige
Griqualand-West- und Oranje-Freistaat-Ufer mit einigen den Horizont
begrenzenden Höhenzügen und dem 800 Fuß hohen abgeflachten Plattberg in
der Ferne, mit seinen Flüßchen, Weidegründen und seinen Farmen aus.

So sehr die Landschaft auf der Strecke vom Fourteen-Streams-Hotel bis
Hebron das Auge entzückte, um so schrecklicher war der Weg, den wir zu
überwinden hatten; es war eine wahre Felsenstraße, die von der Natur mit
Blöcken gepflastert worden war. Das Regenwasser hatte die befahrene
Stelle als Abflußrinne benützt, die Blöcke waren theilweise aus- und der
Boden zwischen ihnen abgewaschen worden. Dem Wagen, der in die
bedenklichsten Stellungen kam, drohte auf Schritt und Tritt Verderben.
Daß solch' eine Reise den in den Kisten im Wagen geborgenen, auf der
Reise gesammelten Gegenständen nicht zum Vortheil gereichen konnte, ist
selbstverständlich. Keiner von uns konnte es im Wagen aushalten,
besonders wurde derselbe jedoch herumgeschleudert, als wir die letzten
Höhen nach Hebron zu herabfuhren. Der Abhang war steil und zeigte
mehrere rasche Biegungen, so daß wir alles aufbieten mußten, um den
Wagen mit den Ochsen nicht die Höhe herabrollen zu sehen.

Ziemlich früh am Ostersonntag langten wir in Hebron an. Der Morgen war
kalt, in jeder Beziehung höchst unfreundlich; der Himmel war mit dichten
Wolken bedeckt, die von kalten Südwestwinden getrieben auf ihrer
luftigen Bahn dahinstürmten, es war ein Tag, der das fröhlichste Herz
trübe stimmen konnte. Der Blick auf die Ueberreste (Ruinen ist nicht der
entsprechende Ausdruck dafür, denn das Material, mit dem das noch vor
wenigen Jahren mehr denn 3000 Diamantendigger zählende Hebron so rasch
aufgebaut wurde, war zu nichtig, zu vergänglich, um Ruinen hinterlassen
zu können) dieses früher als Missionsstation wichtigen, dann als
Diamanten-Fundort berühmt und endlich berüchtigt gewordenen und in
diesem Zustande dahingesunkenen Ortes, war kaum geeignet, diese trübe
Stimmung zu verscheuchen. Oede ist die Stätte, um so einsamer und
trauriger an einem kalten, regnerischen Herbstmorgen, denn dann vermag
selbst die schöne Aussicht, die man von dem Orte aus genießen kann und
die uns an warmen, klaren Frühlings- und Sommertagen die Oede der Stelle
vergessen läßt, die Gedanken nicht heiterer zu stimmen; das einstens
belebte Hebron war auf zwei Krämerladen, ein »Hotel«, eine Schmiede, ein
Schlachthaus und ein Gefängniß herabgeschmolzen.

Planlos zerstreute, vom Regen aufgeweichte und »zerfließende« Thonwände
etc. deuteten auf einen bedeutenden Umfang der Niederlassung, deren
Größe uns jedoch dann erst auffiel, als wir die River-Diggings
aufsuchten. Hunderte von seichten Erdgruben zeigten, daß hier Tausende,
Weiße und Farbige, nach dem werthvollsten der Edelsteine gefahndet
hatten. Tausende Tonnen Geröll sind hier mit der bloßen Hand aufgehackt,
herausgeschaufelt und auf das Emsigste durchsucht worden; jeder der
Steine und dort die riesigen Sandhaufen, die aus dem Gerölle durch's
Absieben gewonnen wurden, sind durch emsige Hände gegangen und doch war
hier der Erfolg so gering, daß wohl kaum zwei von den 3000 Diggern
Reichthum erwarben, und der Erfolg von 150-200 anderen unter ihnen so
viel Reingewinn abwarf, daß sie ihre Auslagen hätten decken konnen.

Hebron sank so rasch als es emporgeblüht war, viel rascher als Klipdrift
und andere Diamanten-Fundorte. In den angeschwemmten Geschieben, in
denen die Diamanten gefunden wurden, konnte man deutlich Elemente
nachweisen, die von den umliegenden Höhen, und solche, die weiter aus
stromaufwärts liegenden Gegenden angeschwemmt worden waren. Nebst
massenhaftem Grünstein, in kleinen Fragmenten wie in Blöcken, waren
Quarzstücke als Milch- und Rosenquarz, Quarzit, Porphyr, Quarzitporphyr,
sowie eigenthümlich kuchenartig geformte, länglich-viereckige
Thonschieferstücke von einer gelblichen oder gelblich-grünen Farbe zu
finden, welch' letztere durch eine schwarze Umhüllungskruste, wohl das
Product einer Zersetzung der äußersten Lage, auffielen. An der
Bruchfläche erschienen diese Thonschieferkuchen schön gebändert und
zeigten concentrisch angeordnete, dunkelbraune oder röthliche
Zeichnungen; irriger Weise wurden diese Thonschieferblöcke als
Muttergestein der Diamanten angesehen.

Als ich bei einem der Krämer meine nöthigen Einkäufe besorgt hatte und
meine Barschaft nachzählte, gewahrte ich, daß dieselbe auf 16 Shillinge
herabgeschmolzen war. Mit diesem Gelde mußte ich bis nach den
Diamantenfeldern gelangen. Ich mußte unter solchen Umständen trachten,
so schnell als thunlich Dutoitspan zu erreichen, und da der Fährmann
sich weigerte, uns des hohen Feiertags halber über den Fluß zu bringen,
überdies seine Gehilfen derart betrunken waren, daß wir selbst am
folgenden Tage keine Aussicht hatten über den Vaal zu kommen, entschloß
ich mich nach abgehaltenem Kriegsrath selbst mein Glück zu versuchen und
den Fluß an einer Furth zu übersetzen.

Mein Gefährte F., den ich auf Erkundigung ausgesandt hatte, kam bald mit
der freudigen Nachricht zurück, eine sehr praktikable Furth gefunden zu
haben. Wir waren bald darauf an der zwei Meilen stromabwärts
befindlichen Stelle angelangt.

So einladend zur Rast die dicht bewachsenen Ufer auch waren, mein ganzes
Sinnen und Trachten war auf die glückliche Durchfahrt durch den
reißenden Fluß gerichtet. Aus dem Geäste der Bäume lockte so mancher
schöne Vogel, doch vergeblich, denn meine Hände waren von kleinen Wunden
wie besäet und schmerzten mich auf's Aeußerste, seitdem mich noch ein
Scorpion gestochen hatte; das Gift des Arsenikpräparats und des
Scorpion's vereinigten sich zu doppelter Wirkung.

Die Strahlen der scheidenden Sonne versprachen eine glückliche
Ueberfahrt, doch sie zeigten sich trügerisch, der Fluß war wohl seicht,
aber die Strömung so stark und das Bett des Flusses derart von
Felsblöcken besäet, daß die Thiere sich entsetzlich abgemüht, bevor wir
noch das erste Drittel der Flußbreite erreicht hatten, auch hatte die
Strömung uns sichtlich von der Furth abwärts getrieben. Unsere Situation
war sehr kritisch.

Trotz alles Antreibens und Schreiens von Seite der farbigen Diener
konnten die Thiere nicht mehr von der Stelle und von der Strömung
bedrängt, begannen sie sich zu bäumen, an den Jochen und dem Ziehtaue zu
zerren, dabei sanken die vorderen Zugthiere immer tiefer ein und waren
in Gefahr zu ersaufen. Da war rasches Handeln nöthig, und obgleich ich
mit meinen wunden, verbundenen Händen nicht viel ausrichten konnte, so
sprang ich sofort von F. gefolgt in's Wasser. Doch allen unseren
vereinten Anstrengungen wollte es nicht gelingen, Thiere und Wagen aus
der gefährlichen Situation zu befreien, es blieb uns nichts übrig, als
die Thiere auszuspannen und mit unendlicher Mühe an das jenseitige Ufer
zu bringen, sodann aus dem Wagen die Kisten mit dem heiklichsten Theile
der Sammlungen hinüber zu transportiren und den Wagen im Flusse stehen
zu lassen, bis Hilfe nahte. Ueber dieser anstrengenden Beschäftigung,
während welcher ich auf den einzelnen Gängen zum Wagen zuletzt erliegen
zu müssen glaubte, senkte die Nacht ihre dunklen Fittiche auf die Scene
herab.

Es war eine traurige Nacht, die mich in steter Aufregung über das
Schicksal unseres Wagens erhielt. Endlich dämmerte es im Osten und aus
der Ferne vornahmen wir am jenseitigen Ufer Peitschengeknalle,--die
ersehnte Hilfe nahte. Es waren vier je mit 6-8 Ochsenpaaren bespannte,
von Koranna's geleitete Wägen. Ohne weiteren Aufenthalt gelangten
dieselben an unser Ufer und gegen eine Entschädigung von 10 Shillingen
willigten die Fuhrleute ein, unseren Wagen aus dem Flusse
herauszubringen, was denn auch bald geschehen war.

Wir fuhren noch am selben Tage bis River-Town, einem der früher
berühmten Diamanten-Fundorte, von welchem aus die Uferhöhen als
Fortsetzung der Hebroner Höhen sich zu entwickeln beginnen. Der Fluß
wird hier von mehreren Felsenriffen und riesigen Felsenblöcken
durchsetzt, von welch' letzteren, einige jener Gravirungen von Thieren
und Gestirnen (Säugethieren, Schildkröten, Schlangen, Sonne etc.)
zeigen, mit denen sich die Buschmänner in Süd-Afrika unsterblich gemacht
haben. Auch an einer der nahe anliegenden Höhen finden sich ähnliche
Producte dieses Volksstammes, auf den und auf dessen Zeichnungen etc.
ich bei meiner Rückreise durch die Colonie noch zurückkommen werde.
River-Town war in einem ziemlich großen Umfange ausgemessen worden, ist
aber, bevor noch die in Zelten Wohnenden ihre Mühe in den
Diamantengruben gelohnt fanden und zum Baue stabiler Wohnungen schreiten
konnten, von anderen Orten überflügelt worden, so daß wir nur zwei
Familien noch diggend am Ufer des Vaalflusses antrafen; ein geräumiges
Hotel und eine Segeltuchcantine waren die letzten Ueberbleibsel von
River-Towns früherer Glanzperiode. Ich blieb in River-Town über Nacht
und reiste erst am Nachmittage ab, da ich in den tiefen »Claims« einige
interessante quarzhaltige Mineralien und so manche Coleoptera-Species an
den Abhängen sammeln konnte.

Am nächsten Tage hatten wir einen so beschwerlichen Marsch, daß wir erst
am folgenden in den Diamantenfeldern anlangten. Die Strecke beträgt 15
englische Meilen, allein der bei weitem größte Theil davon wird durch
tiefsandige Flächen, eines der größten Hindernisse auf südafrikanischen
Reisen, gebildet. Die Ebenen zeigten kaum nennenswerthe, wellenförmige
Erhebungen, der stark quarz- und eisenhaltige Sand war mit hohem,
büschelförmig wucherndem Gras bewachsen. Stellenweise fand ich eine
kleine, kaum 2 Fuß hohe, mimosenartige Pflanze, welche große braune, mit
2-5 Körnern gefüllte Schoten trug. An Wild beobachteten wir in dem
gruppenweise stehenden Niedergebüsch Deuker und Steinbockgazellen,
Hasen, Tauben, Knurrhühner und Trappen; nach den vielen Löchern zu
urtheilen, mußte es hier zahlreiche Erdthiere geben. Auch war die
Ausbeute an Käfern trotz der Einförmigkeit der Gegend und der Vegetation
eine recht lohnende.

[Illustration: Aus den Diamantenfeldern heimkehrende Basutos begegnen
dahinwandernden.]

Am dritten Tage nach jener trüben am Vaalflusse verlebten Nacht traf ich
wieder in Dutoitspan ein. Obgleich ich mich auf das Möglichste
eingeschränkt hatte, betrugen die Auslagen auf dieser ersten
Versuchsreise doch mehr denn 4000 fl. Ich hatte durch meine
zweimonatliche Abwesenheit die Hälfte meiner Patienten eingebüßt, und
von jenen Familien, die in der Zwischenzeit nicht zu anderen Aerzten
Zuflucht genommen, hatte die Mehrzahl--meist holländische Farmer--die
Diamantenfelder verlassen, um sich im Freistaate anzusiedeln. Durch die
Behandlung einiger schwieriger Fälle konnte ich mir nach einiger Zeit
das verlorene Terrain zurückerobern und so war es mir möglich, K. sein
Darlehen zurückzuzahlen, der bald nach unserer Rückreise Dutoitspan
verließ, um sich in der Colonie niederzulassen.

Den Zweck und das eigentliche Ziel meiner ersten Reise, einen Ueberblick
über die Art und Weise des Reisens, Einsicht in den landschaftlichen
Charakter der zu durchreisenden Gegenden, Einblick in das häusliche
Leben der Eingebornen und holländischen Farmer, einige Erfahrung über
ihr Betragen zu Fremden u.s.w., hatte ich glücklicher Weise erreicht.
Durch die Reise in der Spätsommerzeit und bei so unfreundlicher,
regnerischer und stürmischer Witterung glaubte ich mich ziemlich
acclimatisirt zu haben. Obgleich ich durch die häufigen Regengüsse
einige der auf dieser Reise gesammelten werthvollsten Gegenstände,
darunter die mühevoll präparirten Gnufelle etc., eine Unzahl von
Vogelbälgen, getrocknete Pflanzen etc., eingebüßt hatte, brachte ich 30
_anatomische Präparate_, etwa 1500 _getrocknete Pflanzen_, 1 Kiste mit
_Mammaliafellen_, 2 Kistchen _Vogelbälge_, über 200 _Reptilien_, einige
_Fische_, 3000 _Insecten_, einige _Fossilien_ und 300 _Mineralien_ mit,
ungerechnet die zahlreichen Duplicate bei letzteren, die ich namentlich
aus den Diamantenfeldern am Vaal (River-Diggings) mitnahm, um daheim
Museen und Schulen damit zu beschenken. Daß ich auf dieser Versuchsreise
Manches gelernt hatte, versteht sich von selbst; ich sah namentlich ein,
daß, um die sich oft weit verlaufenden Zugthiere rasch aufzufinden und
zurückzubringen, um eine interessant erscheinende, rechts oder links in
der Entfernung sichtbare oder aus diesem oder jenem Grunde von den
Eingebornen als anziehend bezeichnete Oertlichkeit näher zu untersuchen,
ohne den Wagen aufhalten zu müssen, um nach Wasser in wasserlosen
Gegenden zu fahnden, ohne erst mit dem Wagen planlos herumzuwandern oder
sich zu Fuße halbtodt zu laufen und sich zu verirren, doch auch, um sich
des Wildes leichter zu bemächtigen, ein Reitpferd unumgänglich
nothwendig sei; auch war es mir klar, daß ich besserer Waffen bedürfe.

Bezüglich meiner Gefährten machte ich die Erfahrung, daß E. auch für die
nächste Reise mir willkommen sein würde, als Freund und Rathgeber in
manchem kritischen Momente und herzlich gerne bereit, mir in allen
schwereren Arbeiten nach Kräften beizustehen. Durch die reichen
Erfahrungen auf seinen früheren Reisen in Amerika und Nord-Afrika, sowie
durch die Erzählungen interessanter Episoden aus jener bewegten Zeit war
er mir ein äußerst angenehmer Reisegefährte geworden.

Wir blieben die ganze Zeit meines siebenjährigen Aufenthaltes in
Süd-Afrika treue Freunde und sind es bis zur Stunde. Von F. kann ich
leider nicht dasselbe sagen, ein 17jähriger, unerfahrener Jüngling, war
er nur gewöhnt, das Leben von der leichtesten Seite aufzufassen--er
hatte wohl Mitleid mit jedem Geschöpfe das in Nöthen war, er nahm stets
einen guten Anlauf, doch dieser gute Wille war nicht von langer Dauer
etc. etc.--trotz Allem war ich ihm dankbar für Alles, was er auf der
Reise für mich gethan und wofür ich ihm hiermit nochmals danke.

Freund E. ging wieder an das Diamantendiggen, um nochmals sein Glück zu
versuchen, K. nahm auch sein Geschäft wieder auf und F. vermietete sich
als Ladendiener, eine Beschäftigung, bei welcher er, wahrscheinlich um
die Mannigfaltigkeit des menschlichen Charakters kennen zu lernen, vier-
bis sechswöchentlich seinen Principal wechselte.

Als ich die Diamantenfelder verließ, um mich auf diese erste Reise zu
begeben, hatte ich mein kleines Zelthäuschen, dem Gerichtsgebäude
gegenüber, in Miethe behalten und zog wieder in dasselbe ein; der Wagen
wurde hinter das Häuschen geschoben, und die Zugthiere sofort verkauft,
um mit dem Erlöse die zweimonatliche Miethe von 10 £ St. und je 3 £ St.
für die Diener zu begleichen, sowie einiges Baargeld in der Hand zu
haben, da ich von allen Mitteln entblößt nach den Diamantenfeldern
zurückgekehrt war.

Obgleich nur von sechsmonatlicher Dauer--war doch dieser Aufenthalt eine
sehr bewegte Zeit für mich. Es gibt wenige Orte der Erde, wo der Arzt
nicht allein als solcher, sondern auch als Freund seiner Patienten
angesehen und angesprochen wird, und so ist es ihm ermöglicht,
interessante psychologische Studien zu machen; die Beschränktheit der
Räumlichkeiten, namentlich in der ersten Periode der Diamantenfelder, in
denen die Kranken wohnen mußten--selbst bei Wohlhabenden oft eine
zahlreiche Familie in einem Zelte--macht es ihm möglich, nolens volens
das häusliche Glück, die edlen, schönen Seiten des häuslichen Lebens,
doch leider auch manch' trübe und traurige, manch' herzerschütternde
Scene zu beobachten. Und aus dem Arzte mußte der Rathgeber, aus dem
Arzte mußte der Fürsprecher werden, zuweilen sah er sich selbst zu
Zurechtweisungen veranlaßt, wenn es auch oft allen Muth erforderte--mehr
Muth als im Kampfe mit einem wilden Thiere, an ein in Jahren
vorgeschrittenes, an ein graues Haupt mahnende, warnende Worte richten
zu müssen.--Was ich während meines Aufenthaltes in den Diamantenfeldern
erlebt und beobachtet, hätte mir die reichste Praxis in dem
hundertthürmigen Prag nicht im vierfachen Zeitraume bieten können.

Ein eigentümlicher Fall verhalf mir wieder zum großen Theile zu meiner
ehemaligen Praxis. Eines Morgens, etwa um 5 Uhr wurde ich--wie es sich
später herausstellte irriger Weise statt eines anderen Arztes--zu einem
Unglücklichen gerufen, der sich im Delirium tremens die Kehle
durchschnitten hatte. Meine Verlegenheit in diesem Falle war keine
geringe, da der größte Theil meiner chirurgischen Instrumente auf der
Reise in Folge ihrer Verwendung zu nichts weniger denn chirurgischen
Operationen, zerbrochen oder unbrauchbar war. Doch zum Ueberlegen war
keine Zeit, der Mann drohte zu verbluten, und so lief ich mit dem Boten
um die Wette.

Ich fand einen ältlichen Mann in seinem Blute liegend mit einer
klaffenden, 13 Zentimeter langen Halswunde, die er sich mit einem
Rasirmesser beigebracht hatte. Nach den zwei Schnitten hatte der Mann
noch dreimal in die so entstandene klaffende Wunde das Messer angesetzt,
so daß der Kehlkopf im Ganzen fünf Schnitte zeigte.[1] Meinen
aufopfernden Bemühungen und meiner Pflege gelang es aber zu meiner
größten Befriedigung den Mann dennoch zu retten, trotzdem er nach den
ersten drei Tagen in einem Deliriumsanfalle sich den Nothverband
herabgerissen hatte.

    1: Siehe Anhang 10.

Da sich meine Patienten englischer Nationalität mehrten, sah ich mich
nun genöthigt, mich mit Eifer auf das Studium der englischen Sprache zu
werfen. Ein Drittel meiner Kunden waren Deutsche, ein Drittel machten
die Holländer aus, ein Viertel der Patienten waren Engländer und den
Rest bildeten Eingeborne, Halfcasts aus der Colonie, Koranna's Fingo's,
Basuto's und Zulu's. Die Medicamente für meine Kranken bezog ich aus der
Apotheke eines Engländers, mit Namen Anthony Davison, dem ich auch
seiner prompten Bedienung wegen, während meines Gesammtaufenthaltes in
den Diamantenfeldern treu geblieben bin.

Die Basuto-, die Zulu- und die Transvaal-Betschuanastämme stellten
damals das größte Kontingent zu den Tausenden der in den
Diamantenfeldern sich als Diener verdingenden Schwarzen. Sie bekamen 7
Sh. 6 P. bis 10 Sh. per Woche und die meisten blieben nur sechs Monate
in den Feldern, um, nachdem sie um 3 Sh. bis 4 £ St. ein Gewehr, dann um
15 Sh. fünf Pfund Schießpulver, etwas Blei und Kapseln, sowie eine oder
zwei Wolldecken, oder einen Hut etc. erstanden hatten, heimzukehren und
sich daheim eine Lebensgefährtin zu kaufen. Jeder der Diener war seinem
Herrn durch einen, von einem eigens dazu angestellten Beamten
ausgefüllten Schein zum Dienste verpflichtet, den er bei jedesmaligem
Platzwechsel erneuern mußte, und ohne den angetroffen, er einer Strafe
verfallen war. Hatte er sich gut betragen und wollte er heimgehen, so
gab ihm sein Herr auf Ansuchen einen Zettel an die Magistratsbehörde,
von der dann für den Diener ein Waffenschein ausgestellt, d.h. ihm die
Erlaubniß ertheilt wurde, sich ein Gewehr zu kaufen. Auf diese Weise
hatten sich Tausende von den sowohl in der Kolonie als in ihren eigenen,
unabhängigen Staaten wohnenden Eingebornen Schießwaffen verschafft.

Ich erwähnte der Basuto's unter den obigen Stämmen. In den Jahren 1872
und 1873 bildeten sie wohl als Diener das größte Contingent unter ihren
dunkelhäutigen Stammesverwandten. Es sei mir gestattet, ihnen hier
einige Worte zu widmen, um so das allgemeine Bild der Bantufamilie zu
vervollständigen. Ich unterscheide in Süd-Afrika drei Eingebornenracen,
die Buschmänner, die Hottentotten und die Bantu's. Zu der ersteren
gehören die eigentlichen Buschmänner, zu der zweiten die eigentlichen
Hottentotten, die Griqua's und die Koranna's, zu der dritten die
Colonial-Kaffern, die Zulu's, Basuto's, Betschuana's, Makalaka's etc.,
mehr als 40 Stämme, doch kennen wir auch Uebergangsformen, wie zwischen
den Buschmännern und den Bantu etc. Obgleich es dieser Stoff verdienen
würde, gründlich behandelt zu werden, habe ich weder Raum noch Zeit, es
hier zu thun.[1] Von den obgenannten Familien hatten wir bisher
theilweise die Koranna und zwei Stämme der Batlapinen kennen gelernt.
Die Basuto's (ihre Sprache heißt »Sesuto«) wohnen zum größten Theile an
dem Cornetspruit und am Caledon-River, zwischen diesen und den
Dracken-Bergen, also auf einem Gebiete, das vom Freistaat, vom Capland,
Normansland und Natal begrenzt wird. Sie leben unter englischer
Oberhoheit und dies seit ihrem Kriege mit dem Oranje-Freistaat, während
ein zweites Bantuvolk, die südlichen Barolongen, als ihre westlichen
Nachbarn, Unterthanen der Oranje-Republik sind.

    1: Während meines Aufenthaltes in London im Jänner bis März 1880 von
    der Anthropological Institute of Great Britain and Ireland
    aufgefordert, über diesen Gegenstand zu sprechen, behandelte ich
    dieses Thema in einem speciellen Vortrage.

Unter allen Bantustämmen haben es die Basuto's in Bezug auf den Ackerbau
am weitesten gebracht. Ihnen zunächst stehen die Baharutse im
Maricodistrict der Transvaal-Colonie, deren ich auf meiner zweiten Reise
gedenken werde. Hunderttausende Centner Getreide werden in dem kleinen
Ländchen in guten Jahren producirt und man muß zugeben, daß diese Stämme
jährlich an Wohlhabenheit zunehmen. Sie besitzen auch große Heerden von
Pferden und Rindern.

Als sich letzthin der südlichste der Basutohäuptlinge, der allerlei
unruhige Elemente, weggelaufene Diener, Diebe, aus dem letzten
Kaffernkriege flüchtige Gaika's und Galeka's etc. bei sich aufnahm,
gegen die Engländer erhob und den Krieg mit Diebstahl eröffnete, waren
es die übrigen Basuto's, die freiwillig 2000 bewaffnete Reiter in's Feld
stellten, um den Engländern beizustehen. In der Bauart ihrer Hütten und
in den übrigen Arbeiten kommen sie bis auf wenige unbedeutende
Abweichungen den Betschuana's gleich, und nehmen in der eigenen
Industrie etwa die Mittelrolle unter den Bantuvölkern ein. Eines der
wichtigsten Unterscheidungsmerkmale ihrer Industrie von jener der
übrigen Bantustämme ist, daß sie aus Holz geschnitzte Fetische
(Götzenbilder) verfertigen und diese meist roth und schwarz tünchen.
Thaba Bosigo ist der bedeutendste Kraal (Stadt) des Landes und Thaba
Unschu jener des von den Barolongen im Freistaate bewohnten Striches.
Gegen Norden sind die Basuto's bis an die Vereinigung des Tschobe und
Zambesi vorgedrungen.

[Illustration]




_Zweite Reise in das Innere von Süd-Afrika_

Nach Musemanjana--Moschaneng--Molopolole--Schoschong--und Rückkehr über
Linokana nach den Diamantenfeldern.

[Illustration]




VIII.

Von Dutoitspan nach Musemanjana.

Vorbereitungen und Ausrüstung zur Reise.--Meine diesmaligen
Reisegefährten.--Aufbruch von Dutoitspan.--Klipdrift.--Platberg in
Gefahr.--Diamantenfund.--Afrikanische Wegmauth.--Hebron.--Wassermangel.
--Ein Grasbrand auf der Hochebene.--Hartebeest-Antilopen.--Ein theuerer
Labetrunk.--Gassibone's Kraal.--Rigers Abenteuer mit einer Cobra.
--Taung.--Ein Holländischer Schmied.--Reverend Brown und die
Missionsstation in Taung.--Maruma.--Monkey's Freuden und Leiden.--Eine
dornenvolle Jagd.--Billige Diamanten.--Von Pavianen genarrt.--Unser
Empfang in Musemanjana.


[Illustration]

Während meines sechsmonatlichen Aufenthaltes machte ich unter anderen
Bekanntschaften (unter meinen Patienten) auch die dreier mit einander
nahe verwandter deutscher Familien, welche, um mir ihre Dankbarkeit für
einige gelungene Curen zu beweisen, mich aufforderten, mir ein Häuschen
in ihrem Hofe zu bauen, wohl in meiner Office, wo ich bisher wohnte, zu
praktiziren, allein in dem ersteren zu wohnen, damit ich eine bessere
Kost etc. und andere Bequemlichkeiten genießen und mich auch besser für
meine zweite Reise vorbereiten könnte. Ich nahm ihren gütigen Antrag an,
und wohnte etwa zwei Monate unter ihnen, gerade die Zeit vor meiner
zweiten Abreise in's Innere. Ich betrachtete die Sprossen dieser Freunde
als meine Brüder und Schwestern und wir haben immer dies
freundschaftliche Verhältniß zu einander bewahrt. Sie waren mir alle zu
den Vorbereitungen zur Reise behilflich, und als ich, bis auf 120 £ St.,
die gesammten Kosten (gegen 900 £ St.) für diese Reise zurückgelegt
hatte, da wurde es mir durch die Güte des einen der drei Familienväter
ermöglicht, Güter zu denen, die ich schon für baares Geld erkauft hatte,
von einem der Handelshäuser in Dutoitspan im Werthe von 117 £ St.
geliehen zu erhalten, und schon vier Wochen vor der anberaumten Zeit die
Reise antreten zu können.

Diese Güter bestanden in Schießmaterial, baumwollenen gefärbten Decken,
Tüchern, Kleidern und Draht, und ich gedachte die Objecte als
Tauschgegenstände zu benutzen, um uns, wenn nöthig, Nahrung zu
verschaffen, hauptsächlich aber, um ethnographische Gegenstände und
Carossen aus verschiedenen Thierfellen für meine Sammlungen zu erstehen.

Seitdem sich die Diamantenfelder zu purificiren begannen, viele Elemente
ausschieden und nur jene geblieben waren, die auf einen längeren
Aufenthalt vorbereitet, sich wohnlich eingerichtet hatten, seitdem die
gesetzlichen und socialen Verhältnisse einen Umschwung zum Guten
erfuhren, haben sich die Central-Diggings einer europäischen Großstadt
genähert. Früher herrschte zwar auch der Luxus der letzteren auf der
traurigen Ebene zwischen dem Modder- und Vaal-River, allein dieser Luxus
wohnte in Zelten und elenden Bretter- und Eisenhütten und war mehr Waare
als Gegenstand ruhigen und praktischen Genusses.

Im Jahre 1873, eben nach meiner Rückkehr von der ersten Reise, griff
eine lebhafte Auswanderung nach den Goldfeldern im Leydenburger District
der Transvaal-Republik um sich, und dies namentlich, weil aus dem
letzteren Staate sehr gute Nachrichten über die Goldfelder einzulaufen
pflegten, und die Regierung der Transvaal-Republik mit der Idee der
Delagoa-Pretoria-Eisenbahn sich zu befassen begann. Diese Nachrichten
ermuthigten Viele, nach Leydenburg zu pilgern und Golddiggers zu werden,
ihnen schloß sich eine große Zahl, der aus allen Erdtheilen meist mit
kleinen Baarschaften Zugewanderten an, die sich in den Diamantenfeldern
arm »gediggt« oder ihre Mittel zu gutem Theile vertrunken oder verspielt
hatten und daher begierig die Idee aufnahmen, an einer anderen Stelle
dem in Australien, Amerika, Neu-Schottland etc. vergebens gesuchten
Glücke wieder nachjagen zu können.

Je näher die Zeit des beabsichtigten Aufbruches rückte, desto eifriger
und umfangreicher wurden die Vorbereitungen betrieben. So wurde der
Wagen mit neuen Eisenbändern versehen, und um das Brechen der
Dachleisten--denn meine zweite Reise sollte mich durch bewaldete Partien
führen--zu verhüten, ein Eisendrahtnetz zwischen drei wasserdichte
Leinwandlagen eingelegt, was sich jedoch, sowie ein kleines
Aussichtsthürmchen, das am Wagen angebracht wurde, später auf der Reise
als unnöthig erwies. Ich selbst benützte die Zeit, um mich in der
Reitkunst zu üben; an Gelegenheiten, meine Fertigkeit in dieser Hinsicht
zu erproben, sollte es auf der zweiten Reise nicht fehlen. Die ungesunde
Jahreszeit forderte auch bei mir ihren Tribut, ich verfiel in ein
heftiges Fieber, von dem ich mich nur allmälig erholen konnte, und
welches mich veranlaßte, die Abreise aus den Diamantenfeldern thunlichst
zu beschleunigen.

Freund E., der in der Old de Beers-Mine sein Glück als Diamantendigger,
allein mit immer gleichem Mißerfolg erprobte, willigte ein, mich auch
auf dieser zweiten Reise zu begleiten. Er wollte auch ein Stückchen mehr
von Afrika sehen und nach seinen Worten »mir helfen wo er konnte«. Ich
bat ihn, die Oberaufsicht über den Wagen zu übernehmen (wie auf der
ersten Reise), was er auch that, und derselben in der besten und
redlichsten Weise gerecht wurde.

Die zweite Reise sah ich keineswegs als meine Hauptreise an, sondern als
eine zweite, doch größere Versuchsreise, auf der ich wenigstens die
Hälfte der Strecke zwischen den Diamantenfeldern und dem Zambesi
zurücklegen und neue Erfahrungen für meine geplante große Reise nach
Central-Afrika sammeln wollte.

Unter meinen früheren Patienten befand sich auch ein junger Mann aus
Preußisch-Schlesien, der gewillt zu sein schien, mich auf dieser zweiten
Reise zu begleiten. Doch eines schönen Tages, nachdem ich für ihn bei
seinen Gläubigern gutgestanden und einen Theil seiner Verpflichtungen
getilgt, war er auf Nimmerwiedersehen verschwunden, mir es überlassend,
seine Gläubiger zu befriedigen. Es war dies eine der gewöhnlichen
Erfahrungen in den Diamantenfeldern, die damals noch ein Heer
zweifelhafter Existenzen beherbergten.

Durch Freund Eberwald's Fürsprache ließ ich mich trotz aller meiner
schlimmen Erfahrungen mit F. erweichen, ihn wieder als Begleiter auf die
Reise mitzunehmen. Als dritten Gefährten brachte Freund E. eines Tages
einen seiner Bekannten, Herrn Boly aus Hannover mit und sprach sehr zu
seinen Gunsten; ich habe es später nie bereut, daß ich ihn acceptirte.
Einer meiner Kunden hatte mir ein Gespann von acht Ochsen und einen
Griqua als Triber besorgt.

Im Allgemeinen war ich diesmal viel besser ausgerüstet als auf der
ersten Reise, ich hatte auch einen Sextanten erstanden, in dessen
Gebrauch mich ein gewesener Schiffsofficier unterrichtet hatte; leider
war es mir nicht vergönnt ihn benützen zu können, da ich auf keine Weise
ein Exemplar des »Nautical Almanach« auftreiben konnte.

Am 3. November verließ ich endlich in Begleitung von Herrn Eberwald,
Boly, F. und einem Griquadiener, sowie neun Hunden, darunter meinem
treuen Niger, meinem Reitpferd und acht Zugthieren die Diamantenfelder.
Von Dutoitspan nahm ich den kürzesten Weg nach Klipdrift; von Klipdrift
jedoch wollte ich bis Hebron, im Vaal-Thale aufwärts fahren und von
Hebron querfeldein die Richtung nach Gassibone's Stadt und dann weiter
nach dem von mir noch nicht besuchten Taung, dem Sitz des
Batlapinenkönigs Mankuruan nehmen. Ich wollte auf diese Weise ein Stück
des rechten Vaalufers besuchen, das mir noch neu war und Gassibone's
Land von Süden nach Norden durchschneiden, während ich es auf der ersten
Reise von Westen und Ostsüdost durchzog. Unseren ersten Reisetag
beschlossen wir an der Old de Beers-Farm.

Am folgenden Morgen ausbrechend, gelangten wir zu einem Trümmerhaufen,
einige Meilen vor den Ruinen eines Missionsgebäudes in der Nähe der
jetzigen Pnieler Missionsstation gelegen, deren bereits Erwähnung
geschah. Auf dieser Strecke beobachtete ich eine Niederung in dem
Hochplateau, bevor wir noch seinen Abhang nach dem Vaal zu abzusteigen
begannen, in einen Binnensee von etwa 1½ Meilen Länge und Breite
verwandelt. Zahlreiche schwarze Störche und Kraniche liefen am Rande des
Gewässers umher. Als ich mich ihnen mit Niger näherte, folgte dieser
einer Spur in den Binsen am Ufer, blieb dann plötzlich stehen und machte
mich durch sein Wedeln auf ein kleines Binsendickicht aufmerksam, ich
machte mich schußbereit, gab dem Hunde das Zeichen und er sprang
vorwärts; mit ihm zugleich sprang ein rothlöffliger Hase aus den Binsen,
der unseren ersten Mittagstisch auf dieser Reise bereicherte. Wir
benützten auf der Weiterfahrt die neue, unmittelbar über dem Flusse von
den Sträflingen in den Felsen gehauene Straße und wichen so dem tiefen
Sande auf dem Hochplateau, der uns auf der ersten Reise so viele
Schwierigkeiten bereitet hatte, aus; Abends hatten wir jene Stelle
erreicht, an der wir im Februar 1873 eine schlimme Nacht verlebt hatten.

Am folgenden Morgen wollte ich in den Büschen der Umgebung jagen, wurde
aber bald durch F. zurückgerufen, der mir berichtete, daß bei dem
Tränken der Zugthiere, die zeitlich früh von Pit, unserem Griquadiener,
auf die Weide getrieben waren, eines derselben bis zum Halse im
Ufer-Schlamme eingesunken sei. Nur B. am Wagen zurücklassend eilten wir
zur Stelle und fanden »Platberg«, eines unserer Zugthiere in einer
schrecklichen Lage. Es war ein hartes Stück Arbeit, das Thier aus seiner
mehr denn ungemütlichen Situation zu befreien, doch gelang es; der Tag
war indeß verloren, da wir dem an den Füßen fast erlahmten Thiere
Erholung gönnen mußten.

Am nächsten Tage hoffte ich das Versäumte nachholen zu können und brach
mit Morgengrauen auf. Die Fahrt ging flott von statten, denn zu meiner
Ueberraschung fand ich die Straße seit meiner ersten Recognoscirungstour
in bedeutend besserem Zustande. Nach sechsstündiger Fahrt standen wir am
Ufer des Vaal.

Bevor ich noch den Fluß in Klipdrift erreichte, hatte ich den Verlust
zweier Hunde zu beklagen, einer war während unseres nächtlichen
Aufenthaltes am Flusse, wohl zur Tränke gelaufen und da wahrscheinlich
von einer Hyäne getödtet worden, der zweite kam nahe an Klipdrift unter
das Wagenrad und wurde getödtet.

Der Fährmann am Vaal verweigerte uns den Dienst, indem er bei dem
niedrigen Wasserstande und dem Gewichte meines Wagens mit dem Boote
aufzufahren befürchtete; er verwies uns auf eine flußabwärts befindliche
Furth. Nach den unerquicklichen Erfahrungen des Ostersonntags, hieß es
mit aller Vorsicht diese Furth untersuchen. Der Vaalfluß war bis auf
eine kaum sechs Meter breite und ½ Meter tiefe Rinne ausgetrocknet,
diese Stelle war sandig, doch der übrige Theil des Bettes ein einziges
aus kopfgroßen und noch bedeutend größeren Grünsteinblöcken gebildetes
Gerölle. Ohne jeglichen Unfall wurde der Fluß übersetzt und in der Nähe
von Klipdrift gelagert. Während der Rast überraschte mich Pit mit einem
etwa ¼ Karat schweren Diamanten. Während die Ochsen grasten, lag er
stundenlang auf der Erde und durchsuchte den ausgesiebten Sand, der
schon früher von den Diamantengräbern ausgebeutet worden war. So hatte
er das Steinchen gefunden, ich nahm es an, um es meiner Sammlung
einzuverleiben, später verlor ich es auf eine mir unerklärliche Weise.

[Illustration: Platberg's Befreiung aus dem Schlamme des Vaal.]

Wir brachen noch am selben Abende auf und fuhren eine steinige Höhe
hinan, auf der oben eine, dicht von jauchzenden, d.h. betrunkenen
Korauna's umlagerte Cantine stand. Der wiederholte Zuruf »Wach mit det
wagon, Wach« machte uns stutzig und bewog mich, anhalten zu lassen. Es
dauerte nicht lange und von rechts und links erschien ein durch das
Nachlaufen, doch auch von einem nicht zu seltenen Genusse des
gambrinischen Gebräues geröthetes Gesicht; das plötzliche Emportauchen
der zwei fleischigen mit mehreren dunklen Punkten und Stellen markirten
Gesichter war von einem mit heftigen Athembewegungen und
Hustenausbrüchen unterbrochenen Redeschwall begleitet. Von der einen
Seite klang es holländisch, von der andern englisch, was wollten
eigentlich die beiden Kerle? Pit war der erste, der die anscheinend
hochtönenden in Wahrheit aber unverständlichen Phrasen aufzufassen
vermochte. Der eine war der Sheriff (Polizeibeamte), der zweite ein
Policeman, die »Herren« kamen nachgelaufen, um 10 Shillinge
Schadenersatz für den Mann zu fordern, dessen Grund und Boden unsere
Zugthiere während unseres Aufenthaltes bei Klipdrift so schrecklich
zugerichtet haben sollten. Ich müsse die 10 Shillinge begleichen, sonst
würden sie mich nicht einen Schritt weiterziehen lassen. Obwohl ich mir
bewußt war, daß die beiden übereifrigen Diener der Gerechtigkeit eine
plumpe Finte gebrauchten, willfahrte ich ihren Forderungen; wir hatten
ihnen kaum den Rücken gekehrt, als F., den das Schicksal der 10
Shillinge beunruhigte, uns aufmerksam machte, daß die beiden Gehilfen
der heiligen Hermandad in der Cantine verschwunden waren, um
hochstwahrscheinlich auf das Wohl des durch unsere Thiere geschädigten
Grundherrn ein Gläschen Brandy zu leeren.

[Illustration: Grasbrand auf der Hochebene.]

Wir fuhren bis spät in die Nacht hinein, wobei wir uns von dem zur
Rechten nach Südsüdosten einen Bogen beschreibenden Vaalflusse
entfernten. Die bereiste Gegend waren bebuschte, steinige Höhen, die oft
von meilenlangen, ebenen Alluvialflächen gekrönt oder von solchen,
allmälig gegen den Fluß abfallenden Strecken von einander getrennt
waren. Zahlreiche Feuer an beiden Seiten wiesen auf Korannagehöfte hin,
aus den näheren konnten wir das deutliche Geblöke der Böcklein und
Ziegen hören. Diese Gehöfte schienen alle am Abhange der Höhen,
gewöhnlich in einem Winkel, an vor Nord- und Nordwestwinden geschützten
Stellen zu liegen. Wir begegneten noch zu solch' später Stunde zwei
Halfcastmännern, die von der Transvaal-Republik nach Klipdrift wanderten
und da sie uns auf zwei tiefe Regenschluchten, die wir bald zu
durchschreiten gehabt hätten, aufmerksam machten, hielt ich es für das
Gerathenste, nicht weiter die Götter zu versuchen, sondern hier unser
Nachtlager aufzuschlagen. Bald loderte ein lustiges Feuer und prasselte
und sang mit unseren aufthauenden Lebensgeistern, ja auf F. wirkte
dieses und der duftende Mocca so mächtig ein, daß er sich während des
Nachtimbisses feierlich erhob und den gefüllten Blechbecher hochhaltend,
einen Toast auf die in Klipdrift weilenden Gerichtsmandarinen des 25.
Ranges ausbrachte; in welchen die Runde, das Blaßgesicht wie der
Schwarze einstimmte, daß die Becher hell in die stille Nacht hinein
zusammenklangen.

Am 7. November blieb die Scenerie gleich der, die wir am Abend zuvor
beobachtet, nur hatten wir darüber zu klagen, daß kein Wasser in der
Nähe des Weges gefunden werden konnte, die mitgenommene Quantität war am
Abend, Morgen und Mittag verbraucht worden und wir konnten früher denn
am Flusse auf keines hoffen.

Gegen 4 Uhr langten wir in Hebron an, wo wir uns jedoch nicht
aufhielten, sondern blos durchfuhren, um noch bei Tage zu der Stelle zu
gelangen, wo ich den Hebron-Christiana-Weg verlassen und querfeldein
nach Gassibone zu einhalten wollte. Seit den wenigen Monaten, die
während meines ersten Besuches des Ortes verflossen, waren die
Ueberreste der einst blühenden Stadt noch mehr zusammengeschmolzen. Der
schlechte Zustand des Weges gebot uns bald Halt. Ein junger Batlapine,
dem wir begegneten, offerirte sich uns am nächsten Morgen als Führer.
Gegen Mittag hielten wir unter dem Schatten eines breitkronigen
Mimosenbaumes unsere gewohnte Siesta und schlugen endlich, nach
mehrstündigem Marsche unser Nachtlager mitten auf der Hochebene auf.

Es war eine herrliche, eigentümlich anmuthende Scenerie, die sich uns
hier bot. Nach Süden und Westen umrahmten die Hebroner Höhen und ihre
dunklen von Purpurschimmer übergossenen Ausläufer den Horizont, der nach
Norden und Osten die unabsehbare Ebene in wunderbar dunkler Färbung
überlagerte, und ein sicherer Vorbote einer, wenn wolkenfreien, so
überaus schönen südafrikanischen Nacht war. Ein leiser Windhauch bewegte
um uns das blumenreiche, hie und da von dunkelgrünen, gruppenweise
zusammenstehenden Büschen überschattete Gras, dessen Keime der Wind
gesäet, das flüchtige Wild in den Boden gebettet und das im Sommer die
unabsehbare Ebene mit einem grünen duftenden Teppich überzieht und im
Winter kaum je von weichem flockigen Schnee gedeckt wird,--nur die
gelblich-braune Färbung der Halme läßt uns erkennen, daß die Sonne dem
Norden zulächelt. Bald züngelt es überall unter und zwischen dem dicht
übereinander gelagerten trockenen Gezweige und die Flämmchen zu einer
Flamme sich vereinigend, streben nach einer Seite hin--nach Nordnordost.
Ob etwa nach der trauten Heimat zu? Der leise Abendwind, der sie
angefacht, eilt heute nach jener mir liebsten, nach jener gesuchten
Richtung hin, nach welcher so oft unwillkürlich das Auge in banger
Sehnsucht schweift. Das Feuer, die Ebene, Gassibone's Land, Afrika, sind
vergessen, das Ohr hört nur zeitweilig menschliche Laute, Laute, die der
Gedanke sofort mit der fernen Heimat verknüpft. Ein schwarzer, vor dem
mein Auge blendenden Feuer vorbeihuschender Schatten--es war der unseres
jungen Führers--gibt mich der Gegenwart zurück. Es war ein friedlicher
Abend, ihm folgte eine friedliche Nacht, ein Gegensatz zu der letzten,
eine gute Rast, gleichsam eine Stärkung für das, was uns Ahnungslose am
nächsten Tage erwartete.

Die Zugthiere, die etwas abseits grasten, kamen von selbst
herbeigelaufen und lagerten sich in des Wagens Nähe, während wir unsere
Decken in das duftende Gras werfend, weich gebettet, und überwoben von
den überhängenden zarten Stengeln, Rispen und Blüthen, bald in den
wohlverdienten Schlummer fielen. Zeitlich machten wir uns nächsten
Morgens auf den Weg. Nach des Führers Worten schätzte ich die Entfernung
bis zur Stadt des Batlapinenkönigs auf 35 englische Meilen; was uns
jedoch etwas erschreckte, war, daß der Führer die Wassernoth der zu
bereisenden Gegend eingestand. Wir mußten uns auch den Tag über damit
begnügen, Wasser für das Mittagsmahl gefunden zu haben, ein Labetrunk
blieb ein unerreichbarer Wunsch.

Oft bei Nord-Richtung verfolgend zogen wir bald weiter und mußten wohl
den von unserem Führer bezeichneten, monatelang Regen entbehrenden
Strich erreicht haben, denn je weiter wir zogen, desto gelblicher und
trockener wurde das Gras. Trotz des vorgeschrittenen Frühlings konnten
wir anfangs nur wenig, weiterhin gar keine neu aufgesprossenen Halme
sehen, nur selten gewahrte das Auge die erste, doch in Folge der Dürre
schon halb vertrocknete Blattanlage der Amarillys.

Wir zogen allmälig bergaufwärts auf eine kleine Plateauhöhe; je höher
wir kamen, desto seltener wurden die Büsche, desto dürrer die ganze
Vegetation. Aus Nordwest erhob sich ein ziemlich starker Wind, der
sausend durch die hohen Grasstengel fuhr, daß sich diese wie ein
Saatfeld bogen und hoben, und der uns höchst willkommen war, denn er
linderte die große Hitze und kühlte unsere brennenden Lippen. Die
Zugthiere, die 30 Stunden zuvor zum letzen Male getrunken hatten, kamen
nur sehr langsam vorwärts, wir konnten sie auch nicht in solcher Hitze
antreiben, da es bergan ging; seit zwei Stunden folgten wir einem
Fußpfade und unser Führer meinte, daß wir, auf dem höchsten Punkte des
Plateau's angelangt, uns etwas nach rechts wenden müßten (West bei Nord)
und da auf Wagenspuren stoßen würden, da der Morena (König) zuweilen
jene Strecke mit Wägen befahren lasse--um Holz nach den Diamantenfeldern
zu bringen. Wenn wir dann ohne zu halten bis in die Nacht den Spuren
nach links folgten, würden wir zu den erwähnten Eingebornenhütten
kommen. Das war für uns halb Verdurstete eine trostlose Aussicht.

Während einer kurzen Rast am Abhange des Hochplateau's wurden wir auf
eine dunkle, lange Zeit hindurch gleichsam unmittelbar über dem Plateau
schwebende Wolke aufmerksam, die von meinem Diener, von dem gemietheten
Führer, wie auch von uns allen als ein riesiger Heuschreckenschwarm
angesehen wurde. Am Rande der Hochebene angelangt, schreckte mich
plötzlich ein von den Gefährten im Wagen ausgestoßener Schrei aus meinen
Träumereien.--Ein Anblick, der mir und meinen Freunden einen Schrei des
Entsetzens entlockte, bot sich uns.--Die vor uns liegende, mit hohem,
trockenem Gras und Gebüsch bedeckte Ebene, die wir durchziehen sollten,
war ein Flammenmeer. Der Brand kreuzte unsere Wegrichtung und war 5-6
englische Meilen weit entfernt, die graue Wolke, die wir eine Stunde
zuvor erblickt, waren die aufsteigenden, nach Ostsüdost getriebenen,
dichten Rauchmassen. Der erste, der sich erholte, war der dunkle Führer,
der uns auf die kaum 20 Schritte entfernten Wagenspuren aufmerksam
machte, welche nach seiner Beschreibung mitten durch das Feuer führten.
Wir hatten uns auf 600 Schritte dem Feuer genähert, das nach rechts bis
an einem sozusagen parallel mit denselben laufenden Höhenzuge reichte,
das Land war nach dieser Richtung hin eben; nach links senkte sich das
Plateau nach der rechten Feuerflanke in eine etwa 300 Schritte breite
Mulde, an deren Ende das Feuer eben zu nagen begann; diese Mulde lag im
Hochplateau und war nach links von einem nach Norden felsig und steil
abfallenden, etwas bebuschten, etwa 40 Fuß hohen Hügel begrenzt, der
zugleich den nördlichen Abfall der Plateau-Erhebung bildete, die wir
eben erreicht hatten. Was war zu thun! Rasches, sofortiges Handeln war
nöthig. Wir mußten dem Feuer zu entkommen, und unsere schreckliche
Wassernoth berücksichtigend, deßungeachtet vorwärts nach dem Wasser zu
gelangen trachten. Die Zugthiere waren auch zu müde, um einen sofortigen
Rückzug nach Süden oder Osten nach dem Vaalflusse zu nehmen, nach Osten
war es auch wegen dem rasch vorwärts schreitenden Feuer nicht möglich,
um so weniger, da die Zugthiere eine Hetzjagd durch das Gras wohl auf
eine Meile, allein kaum auf 10 oder 15 Meilen aushalten konnten, und
eine solche wäre nach Osten unvermeidlich gewesen.

Es blieb nichts übrig als vorwärts zu kommen; ja, vorwärts, allein wie,
um dem Feuer auszuweichen, vom rasenden Elemente verschont zu werden?
Das Gras um uns abzubrennen und so das Feuer zu erwarten war unmöglich,
weil wir nebst einigen tausend Patronen 300 Pfund Schießpulver am Wagen
hatten, unmöglich, weil die Wagenleinwand und das Holz durch die
sengende Sonnenhitze erhitzt, kaum das Anlegen der Hand gestattete und
von den vom Winde fortgetragenen brennenden Zweigen und glühenden
Blättern leicht in Brand hätte gesetzt werden können und wir wohl
Spiritus und Branntwein, aber kein Wasser mit uns führten. Mein Blick
blieb an dem Hügel zur Linken hasten, wäre es möglich, da unten in der
Schlucht durchzukommen?--Bis jetzt schien das Feuer etwa 300 Schritte
von dem Hügel entfernt, doch es näherte sich uns wie dem Hügel, wenn
auch dem letzteren, weil dieser etwas aus der Windrichtung lag, weniger
schnell. Ja, wenn wir nur mit dem Wagen schon an dem Hügel in dem noch
freien Zwischenraume angelangt wären, und so das Feuer, das etwa 100
Schritte breit war, umfahren hätten können.

Hinter dem Feuermeere breitete sich eine meilenweite, schwarze Fläche,
das abgebrannte Feld, aus, über welche hie und da Flammen, die
Ueberreste eines brennenden Busches aufflackerten. Meine den Gefährten
mitgetheilte Ansicht fand einstimmigen Beifall. Der dunkle Diener
begriff es »a Bass sol dun« und der Blick seines dunklen Auges zeigte,
daß er sein Bestes thun wolle, um die Zugthiere in der angegebenen
Richtung zu führen und in derselben zu halten.

Nun erst, nachdem ich mich auf mein Pferd geschwungen hatte, ließ ich
meinen Blick über die Strecke schweifen, die wir zu durchfahren,
nein,--zu durchfliegen hatten. Ich konnte mich eines Ausrufs nicht
enthalten, denn die circa 1000 Schritt messende Entfernung (bis an den
Hügel) war ein mäßiger, in den unteren Partien etwas steiler, mit
niedrigen Büschen und Gras bewachsener, und mit Felsblöcken übersäeter
Abhang; wie, wenn ein Rad bei dem raschen Fahren an einem der braunen
Steine zerschellen würde?--Doch ich hatte keine Zeit zum Denken, meine
Gefährten hatten ihre Posten eingenommen, Boly schwang die Peitsche und
gab mit dem gebräuchlichen »Fat an« das Zeichen zur schleunigen
Flucht--dem Feuer entgegen, um dem Feuer zu entrinnen.

Durch das Geschrei, Hiebe mit Peitsche und Aesten, doch auch durch den
grauenhaften Anblick der Feuerwoge zur Rechten angetrieben, der wir mit
jedem Schritte näher kamen, jagten die Ochsen mit ihrer Last, wie mit
einem leeren Karren dahin. Oft wähnte ich, daß der Wagen schon auf der
Seite liege, so hoch kam zuweilen ein Rad auf einen der Felsenblöcke,
während die beiden Vorderräder im nächsten Momente gegen das Gestein so
heftig anfuhren, daß die Stangenthiere durch den Anprall niedergeworfen
wurden. Die Hitze wurde unerträglich, da wir noch immer den Wind gegen
uns hatten, das Prasseln des trockenen Grases und der Büsche, von denen
jedoch die meisten grünten, erfüllte die mit dichtem Qualm und
brennenden Grasstengeln, Aestchen, Blättern etc. geschwängerte Luft mit
einem sinnebetäubenden Getöse; das Pferd, das ich auf dieser Reise ritt,
war kein scheues Thier, allein der Anblick zu seiner Rechten machte es
wild und unbändig, daß ich es kaum bemeistern konnte.

Doch wir rasten weiter. Mehrmals stolperte mein Reitthier an Felsen und
fiel gegen Büsche an, denn ich mußte die Wagenleinwand im Auge behalten,
um etwaige, sich da ansetzende Brandstücke rasch zu beseitigen und mußte
auch noch Pit dem »Führer« und Boly dem »Lenker« die einzuschlagende
Richtung angeben, um den größeren Blöcken vor uns, die ich von dem
Pferde aus wahrnehmen konnte, auszuweichen. Das Schreien und das
Antreiben der Ochsen, welche dichte Schaumflocken abgeiferten, das
Laufen über Stock und Stein, durch die brennende Tageshitze und die
Gluth der nahen Flamme, hatte meine Gefährten im höchsten Grade
abgehetzt; als wir endlich die Niederung erreichten, mußten wir einige
Minuten Athem schöpfen, alle hatten sich mehr oder minder im Gesicht und
an den Händen verwundet, waren unzählige Male gestolpert und gefallen.

In der Niederung angelangt, fanden wir, daß das Feuer sich bereits auf
100 Schritte der Anhöhe genähert hatte, während 200 Schritte weiter ab
es über 100 Schritte von ihr entfernt, zu erlöschen begann, es war hier
durch eine trockene Regenschlucht gehemmt, während es nach uns zu eine
sehr seichte Stelle derselben, über die wir ohne Mühe gesetzt,
durchgezüngelt hatte. Mein Pferd zitterte, daß es sich kaum auf den
Beinen erhalten konnte und die Ochsen »bliesen« (athmeten) schwer mit
zur Erde gesenkten Köpfen und doch hatten wir noch die schwierigste
Aufgabe zu lösen, wir mußten, nur 30 Schritte vom Feuer entfernt, etwa
100 Schritte neben dem Brande zurücklegen, bevor wir nach links abbiegen
konnten. So kurz auch die Strecke war, die wir zurückzulegen hatten, sie
drohte uns sicherer Verderben zu bringen als jene, die wir von den
felsigen Höhen herabgestürmt hatten. Ein zwischen mir und dem Feuer kaum
15 Schritte vom Wagen entfernter, durch einen brennenden Zweig in
Flammen gesetzter, trockener Vaalbusch wurde uns zum zweiten Losungswort
dieser Hetzjagd.

»Halloh an,« die Zugthiere legten sich in's Joch, doch nach kaum fünf
Schritten, drängen sie von dem dichten Qualm betäubt, nach dem
Felsenhügel, wobei sie den Wagen unwiderruflich umwerfen mußten. In
diesem kritischen Momente setzt der neben ihnen an meiner Seite laufende
Genosse auf die andere, die Hügelseite über, wo es ihm, den übrigen
Genossen und dem dunklen Führer gelingt, durch Schlagen und Schreien die
Thiere wieder auf die ebene Fläche herabzudrängen. Schlagt zu, schreit,
sonst sind wir verloren und fliegen in die Luft! Und nun ging es durch
den dichten Qualm, dicht herabnieselnde, von dem Winde aufgewirbelte
Asche, durch brennende Grashalme, Rindenstücke, glühende und brennende
Zweige--als wären wir bis auf das Gefühl der Selbsterhaltung sinnlos
geworden--mitten durch das Verderben vorwärts, um jene freiere, nur noch
80, 70, ja nur noch 50 Schritte entfernte, uns Rettung verheißende
Stelle zu erreichen. Die Hize wurde so furchtbar, daß ich jeden Moment
die Wagenleinwand aufflackern zu sehen wähnte.

Nur noch 20 Schritte--ob es die Zugthiere nur aushalten, sie keuchen und
wanken im Joche!--Endlich, Gottlob, da sind wir, zu unserer Linken ein
freies Grasfeld, zu unserer Rechten die etwa 10 Fuß tiefe und 12 Fuß
breite Schlucht und darüber hinaus das schwarz verkohlte Gras. Ich
springe aus dem Sattel, nehme ihn rasch ab und lenke meine Schritte zu
den Gefährten, die sich in's Gras geworfen hatten. Sie konnten kaum ein
Wort hervorbringen. Ihre Gesichter sind blutroth, die Hände, von den
knorrigen Aesten und dem häufigen Fall blutig geritzt und geschunden,
die Augen drohen aus den Höhlen zu springen. Pit's Kleider, der mit den
Frontochsen zuerst die Hindernisse (Büsche etc.) zu bewältigen hatte,
sogar sein Hemd war in Fetzen zerrissen, vom Rücken und von der Brust
tröpfelte Blut aus langen, doch glücklicher Weise nicht tiefen
Rißwunden.

Weiterziehend, trachteten wir, uns einen Anhang hinaufbewegend, die quer
durch das Feuer nach Gassibone's Stadt führenden Wagenspuren wieder zu
erreichen, was uns wohl gelang, obgleich wir der müden Thiere halber
jede 200 Schritt stehen bleiben mußten. Wir folgten den Wagenspuren in
nördlicher Richtung über ein ebenes Land, was den armen Zugthieren
wesentliche Erleichterung bot. Der Abend war inzwischen eingetreten. Ein
entsetzlicher Durst quälte uns, wir nahmen zum Essig unsere Zuflucht und
netzten damit die Lippen. Ein Ausruf Pits, der voranschritt, riß uns
alle aus dem dumpfen Hinbrüten. »Bass, kick (sieh) da so sin (sind) ye
det Hartebeeste?« Wir alle beugten uns vor, ja, richtig, der Junge hat
ein gutes Auge. Quer über unsere Richtung, einige 300 Schritte vor uns,
trappten drei Hartebeest-Antilopen an uns vorüber. Doch wir waren zu
abgehetzt, zu müde, um ihnen mehr als unsere Blicke zu widmen.

In Afrika habe ich drei Hartebeest-Antilopenarten beobachtet, das
gewöhnliche Hartebeest, das von der Colonie bis gegen den Zambesi, doch
häufiger in den südlicheren und mittleren hochbebuschten Partien
Süd-Afrika's gefunden wird, ferner das Sesephi oder Zulu-Hartebeest,
welches dasselbe Terrain bewohnt, doch auch nördlich vom Zambesi
angetroffen wird, woselbst ich auch die dritte Art vorfand, welche
jedoch der ersten näher als der zweiten Species verwandt ist, indem sich
die letzteren mehr dem Buntbock nähert. In Folge seines hammerförmigen
Kopfes, sowie auch seiner winkelig gebogenen Hörner ist das eigentliche
Hartebeest die häßlichste der Antilopenarten. Auf das Sesephi werde ich
noch zurückkommen, dem eigentlichen Hartebeest will ich in Folgendem
einige Worte widmen. Ich fand es am häufigsten zwischen dem Vaal und dem
Soa-Salzsee, doch hörte ich, daß es auch im Osten und Nordosten der
Transvaal-Colonie und im nördlichen Theile der Cap-Colonie häufig
vorgefunden wird. Das Thier ist mehr als andere Antilopenarten
ausgerottet und dies wohl, weil es weniger flüchtig und dreister als
andere ist. Es lebt in kleineren Rudeln und wir finden es nicht selten
in den von dem gestreiften Gnu bewohnten Gegenden. Daß es in dem
nördlichen Theile des zentralen Süd-Afrika seltener als in den südlichen
ist, hat wohl seinen Grund darin, daß es von den Bamanaquato's ob seines
Felles anderem Wilde vorgezogen wird, und dies darum, weil sich
der östliche Bamanaquato zu seiner kleinen Carosse, seinem
Nationalmäntelchen, das Fell dieses Thieres gewählt hat.

In den bebuschten, doch weniger bewaldeten Gegenden jagt man es zu
Pferde; verfolgt, zeigt das Thier einen schwerfälligen Lauf, der wohl in
seinem hohen Vorderleib und Widerrist seinen Grund hat. Ich glaube, daß
diese Species (Antilopa caama), obwohl die gemeinste von den drei
genannten, doch zu den Seltenheiten in den europäischen Thiergärten
gehört und daß die transzambesische Art gar nicht in denselben vorhanden
ist. In den Wäldern wie im Lande der mittleren Betschuana's sucht man
sich ihnen durch Bäume und Büsche gedeckt zu nähern, an solchen Stellen
trachten die Thiere sich womöglich am Rande einer Lichtung oder in den
weniger bebuschten Partien aufzuhalten, um eine bessere Rundschau halten
zu können, während sie in den waldlosen Gegenden nur hoch und
gruppenweise bebuschte Partien und im Allgemeinen die Ebene bewohnen.
Von weißen Jägern werden sie meist nur neben anderem Wilde, Elephanten,
Straußen etc. gejagt und erlegt.

[Illustration: Hartebeest-Gazellen.]

Der entsetzliche Tag war zu Ende, unser Führer hatte Mühe, den durch den
Brand mit Asche gefüllten und unkenntlich gewordenen Wagenspuren zu
folgen und uns in der wahren Richtung nach der kleinen Niederlassung der
Eingebornen zu bringen. Nicht blos die Lippen waren heiß, der ganze Mund
schien uns wie verkohlt und die quälende Trockenheit war bis in den
Schlund hinein zu fühlen. Wir sprachen nicht mehr und jeder suchte so
still als möglich sein Leid zu tragen. Wir hatten auf die Kühle Nacht
gehofft, doch diese war ausnahmsweise warm und selbst der Wind hatte
aufgehört uns etwas Erfrischung zu spenden. Endlich vernahmen wir
Hundegebell und bald darauf den monotonen Gesang der dunklen Mädchen,
ein Himmelsgesang für unsere niedergedrückten Geister. Nie wieder mehr
auf meinen späteren Wanderungen habe ich diese monotonen, diese
einfachen, stets sich wiederholenden, mit Holzkastagnetten begleiteten
Weisen der farbigen Mädchen mit solcher Wonne, mit solchem Nachhall in
meinem Herzen begrüßt, wie an jenem Abend. Der Durst ist doch eines der
schrecklichsten Gefühle, welche die menschliche Natur niederdrücken,
abquälen können.

[Illustration: Kopf der Hartebeest-Gazelle. (Antilopa caama).]

Endlich erblicken wir am Abhang zu unserer Linken und etwas vor uns
einige rothleuchtende Stellen, welche auf ebenso viele Feuer
hindeuteten; ich ließ den Wagen stehen, mit demselben Entschlusse hatten
meine Gefährten und der Führer ein Gleiches gethan und wir alle eilten
nach den menschlichen Wohnungen zu. Die Köter kamen nun herangeflogen,
während das Singen verstummte und vor uns erschien eine dunkle Gestalt,
ein Bewohner der Häuschen, nicht wenig überrascht, um diese Zeit und an
diesem Orte einen Wagen vorbeifahren zu sehen. So wie ich den Menschen
vor mir sah, stürzte ich auf ihn los, faßte ihn bei den Armen und schrie
ihm mit meiner heiseren Stimme »Meci, Meci« zu. Der so Angefallene stieß
einen Schrei aus, wohl den Warnungsruf, denn unser Führer konnte, von
einem Lachkrampf darob erfaßt, gar nicht zu Worte kommen. In einem
großen Ochsenhorn brachte der Mann nach einiger Zeit eine übelriechende
Flüssigkeit, die er als seinen ganzen Wasservorrath bezeichnete und für
deren Ueberlassung er eine halbe Krone forderte. Weder die Menge noch
die Qualität dieser Flüssigkeit waren jedoch hinreichend, um den
heftigsten Durst zu löschen. Es gelang uns endlich, unsere Wünsche dem
Manne verständlich zu machen und in kurzer Zeit darauf brachte er und
zwei Frauen mehrere große Töpfe mit Milch gefüllt, deren Inhalt von uns
gierig verschlungen wurde. Nun galt es auch den Hunger zu stillen und
bald loderte ein großes Feuer, an dem eine Hammelkeule briet.

Der Steppenbrand bildete natürlich das Hauptgespräch; im Süden stand
noch immer eine hohe Röthe am Himmel, ein Beweis, daß das Feuer
weiterschritt. Diese Brände werden zuweilen durch Unvorsichtigkeit
verschuldet, doch in jenen Partien, wo Büsche und Bäume seltener sind,
von Farmern oder von Eingebornen im Spätwinter angezündet und dies
namentlich in trockenen Jahren, um, wie die Leute sagen, das Wachsthum
des Grases zu befördern. Dasselbe thaten früher die Straußenjäger im
Innern, um die Strauße, die das grün aufsprossende Gras mit Begierde
aufsuchen, an solche Stellen zu locken. Diese Brände sind sehr oft in
den von den niederen, kaum 18 Zoll hohen Büschen (Scap [Schaf-]büschen)
bewachsenen Ebenen der Colonie und des Freistaates zu bemerken; auf etwa
drei englische Meilen nahegekommen, sehen wir dann in dunklen Nächten
einen oder mehrere gerade, längere oder kürzere »glühende Streifen«
langsam über die Erde hinkriechen.

Am folgenden Morgen wieder aufbrechend fanden wir uns eine halbe Stunde
später in dem schon zu einem Wege ausgefahrenen Wagenspuren, denen wir
im März nach der Abreise von Gassibone gegen den Vaal-River zu gefolgt
waren. Hier verabschiedete sich unser freundlicher Führer und wir fuhren
bergab eine der Schluchten hinunter nach Gassibone's Residenz zu. Die
Seiten (d.h. Abhänge) der durchfahrenen breiten, sich nur nach der Stadt
gegen ihre Mündung zu verengenden Schlucht zeigten einen
terrassenförmigen Abfall der Gebirgsschichten, die trotz des üppigen
Graswuchses deutlich hervortraten; die ebenen Partien dieser Terrassen
waren von der Natur mit Mimosenbäumchen bepflanzt worden und boten so
einen, unseren auf Berglehnen angebauten Kirschbaumgärten nicht
unähnlichen Anblick.

Gegen Mittag fuhren wir in Gassibone's Stadt ein, durchschritten
dieselbe und lagerten unter einigen Bäumen, etwa in der Mitte des
thalförmigen Kessels, unmittelbar an einer Regenschlucht. Der Boden des
ganzen Kessels war ein üppiger Rasen, der, weil in der Tiefe liegend und
durch die oben in einer Schlucht liegenden Quellen befeuchtet, sich in
diesem Zustande erhielt. Pit trieb, von E. und F. gefolgt, die Ochsen
nach den Quellen, allein sie fanden dieselben von mehr denn 20 Frauen
umlagert und hatten über 1½ Stunden zu warten, bevor sie an die Reihe
kamen.

Es ist staunenswerth, unter diesen östlichen mit den Bamairen gemengten
Batlapinen so wenig Energie zu finden. Am Tage müssen in der trockenen
Zeit die Farmer stundenlang auf ihren Wasserbedarf harren. Wenn man die
Quellen ausreinigen und unterhalb derselben den feuchten, marschigen
Boden ausgraben und einen Damm errichten würde, könnte man in der so
gewonnenen Cisterne nicht allein hinreichendes Trinkwasser für die
Bevölkerung von Gassibone's Residenz-Kraal, sondern auch in dem
errichteten Teiche das nöthige Trinkwasser für eine große Anzahl von
Hausthieren gewinnen.--Inzwischen war Gassibone selbst, von seinem
Bruder und einigen Männern begleitet, herangekommen, die meisten in
gewöhnliche graue Baumwollkleider gehüllt, einige noch trotz der Hitze
mit überhängenden Carossen, um zu forschen, was wir in seiner Stadt
begehrten. Ich ersuchte ihn, mir einen Ziegenbock zu verkaufen, da ich
auf der zwischen dieser Stadt und jener Mankuruan's am Hart-River von
Eingebornen häufig begangenen Strecke nicht allzuviel Wild anzutreffen
glaubte.

Es würde das Ansehen Seiner königlichen Hoheit geschmälert haben, wenn
er sofort eingewilligt hätte. Es wären keine--später meinte er--nur
wenige Ziegen da, dann begehrte er ein Glas Branntwein, setzte sich auf
unser Wasserfäßchen und begann den Verkauf der Ziege mit seinem Bruder
und dem herum im Grase hockenden und an einigen Bäumen angelehnten
Gefolge bis in's Detail zu ventiliren. Da sie die Setschuana sprachen,
verstand ich sie nicht, vernahm jedoch unzählige Male ein und dasselbe
Wort, welches ich später Pit mittheilte und das mir von diesem als
Kalpater (Ziegenbock) verdolmetscht wurde. Endlich stand einer der
Männer auf, kam auf mich zu, und meinte, indem er auf den Chef (König)
hinwies, daß Morena Botlazitse Gassibone mir einen Bock für ein »half
pund« überlassen wolle, ein Anbot, das ich sofort annahm. Seine
Herrlichkeit geruhte mich noch mit einem längeren Gespräche zu beehren,
nach dessen Beendigung wir unsere Reise fortsetzten.

[Illustration: Ersehnter Labetrunk.]

Als wir durch eine der Stadt gegenüberliegende Schlucht die Höhe
erreicht hatten, waren dunkle Wolken aufgestiegen, welche auf Sturm und
den so heißersehnten Regen deuteten. Wir hielten Kriegsrath und da Pit
meinte, daß der Sturm sicher auf uns heranzöge, spannten wir kaum drei
englische Meilen von der Stadt entfernt aus.

[Illustration: Niger und Cobra.]

Pit hatte richtig geurtheilt, die Wollen hatten sich zu dichten Massen
aufgethürmt, welche näher und näher heranrückten und bevor eine Stunde
verging, kam ein tüchtiges Sturzbad auf uns herabgeströmt. Was hätten
wir tagszuvor für eine solche Wohlthat geboten! Es war einer der
heftigsten, etwa zweistündigen Platzregen, die ich in Süd-Afrika
beobachtet. Noch während des Regens kamen zwei halbnackte, einen höchst
widerstrebenden Ziegenbock heranschleppende Batlapinen auf uns zu.

Gegen Sonnenuntergang, als die »schäumenden« Wasser abgeflossen, nur
noch in dünnen Stränchen der erzürnten Fluth nacheilten, verließen wir
den Abhang und zogen weiter. Derselbe führte durch ein nur stellenweise
erweitertes Felsenthal, das zu unserer Linken dicht bebuscht war. Niger,
der voran eilte, fing plötzlich in dem hohen Grase zur Rechten zu bellen
an und schien dann etwas, was wir jedoch nicht sehen konnten, über den
Weg zu verfolgen. Ich bemerkte, wie er nachsprang und dann stets wieder
zurückfuhr, was mich nicht wenig befremdete. Wir hielten sofort an und
eilten Niger nach. Er stand nun an dem, einen der riesigen
Termitenbauten--eine hohe nach oben zu offene Röhre--umgebenden Dickicht
und bellte die darin versteckte Beute heftig an, worin ihm nun unsere
übrigen Köter treulich halfen. Unser Erstaunen war nicht gering, als wir
eine über 7 Fuß lange, gelbliche Cobra capella, welche sich um die Röhre
geschlungen und den Hund mit dick aufgeblasenem Halse laut anzischte,
erblickten. Ein Dunstschuß machte ihr bald den Garaus und ich zog das
Reptil aus dem Busche um es meiner Sammlung einzuverleiben.

Gegen Abend erreichten wir ein breites Thal, verließen hier das
Hauptthal und wandten uns längs eines Felsenabhanges nach Norden, auf
den uns als kürzest bezeichneten Weg nach Taung zu. Kaum einige
Wagenlängen die neue Richtung verfolgend, drang von den mit Sykomoren
bewachsenen sandigen Felsenzinnen ein vielstimmiges, wenn auch
verschieden modulirtes, doch in der Mehrzahl im tiefen Bariton gebelltes
»Cha-Cha«, der Ruf der Paviane zu uns herab; unsere Hunde antworteten
und rannten gegen den Felsen an, während wir die flüchtigen, gelenkigen
Affen im saftigen Grün der Sykomoren und im dürren Mimosendickicht
verschwinden sahen; wir trachteten zwar, unsere Gewehre ergreifend,
einen Vorsprung zu gewinnen, allein sahen bald das Nutzlose unserer
Verfolgung ein und schlugen, zum Wagen zurückgekehrt, unser Nachtlager
auf.

Ein kühler, frostiger, umwölkter Tag folgte. Wir überschritten einen
Kessel; an einer der kahlen Berglehnen standen einige Batlapinenhütten.
Es waren schon des neuen Herrschers Leute, Mankuruana's Unterthanen, die
hier etwas Feld anbauten und in gewisser Hinsicht die Grenze gegen
Gassibone's Heerden zu bewachen hatten.[1]

    1: Siehe Anhang 11.

Wir kamen über einen Höhensattel in ein dichtbebuschtes Thal, dessen
Abhänge mit mannigfachem Gebüsch bewachsen waren. Das Thal öffnete sich
in einen andern weiten Kessel, der hunderte kleine, kaum 200 Schritt im
Umfange zählende, aufgegrabene Grundstücke barg.

Nach einer 1½stündigen Fahrt durch diese öden Gefilde verließen wir den
Kessel und einige Höhen überschreitend, sahen wir das Thal des centralen
Hart-Riverlaufes vor uns liegen. Diese Höhen um Taung bilden ein
förmliches Netz, und obgleich sie wohl kaum 800 Fuß über das Bett des
Flusses emporragen, sind sie die höchsten des Hart-Riverthales und
bieten manche recht anziehende Scenerie. Wir hatten den östlichen Abhang
der Höhen, an die wir zuerst gekommen waren entlang zu fahren und dann
uns nach Norden zu wenden, um zu der Furth zu gelangen; Taung, oder
Mahuras-Town, wie es auch nach dem früheren Herrscher genannt wird,
liegt am rechten Ufer des Flusses, etwas ab von dem Flusse im Schutze
und am Abhange einiger Felsenhöhen. Der Fluß wälzte einen Schwall
gelblichen Wassers durch sein stellenweise mit Schilfrohr
durchwachsenes, doch auch sehr steiniges Bett. Dem Abhange der Höhen
entlang fahrend erblickten wir unter uns ein Eingebornendorf am Abhange
liegen, in dem es lebendig wurde, als man den Wagen bemerkt hatte. Es
währte auch nicht lange, als sich eine der unangenehmsten Scenen vor uns
entrollte, die ich in Afrika unter den Wilden beobachtet habe.
Halbnackte, in schäbige Carossen und zerfetzte europäische Kleider
gehüllte Männer, später auch nackte Kinder und nur mit kurzen
schmutzigen Lederschürzen versehene Frauen kamen aus den Wohnungen
heraus und auf uns zugestürzt. Die einen hielten uns leere, schwarze
Flaschen, andere Töpfchen entgegen, während sie »Suppy«--»Bass, verkup
Brandwen«--andere »Brandy, Brandy« schrieen. Die Einen hielten uns ein
Schakal- oder Deukerfell, die anderen Ochsenriemen, Peitschen, Einer ein
Joch, sein Nachbar hölzerne Löffel, ein Greis eine Holzschüssel
entgegen, für welche Gegenstände sie Branntwein eintauschen wollten. Als
wir auf all' dies wie auf eine Märchenscene herabschauten und ohne uns
um die Halbnackten zu kümmern weiter fuhren, da stellten sie sich gegen
den Wagen, ergriffen die Ochsen an den Hörnern und suchten sie zum
Stillstehen zu bringen, was ihnen auch gelang.

»Wir haben keinen,« gaben wir allseitig als Antwort zurück. Da brachten
Einzelne einige schmutzige Shillinge hervor und glaubten uns dadurch
nachgiebiger zu stimmen. Inzwischen hatten einige ihren Frauen zugerufen
und diese kamen mit Milchsäckchen, auch eine Ziege brachten zwei
derselben geschleppt. Wir waren förmlich umlagert. Doch all' das
Schreien, Gesticuliren und der Widerstand gegen unseren Weitermarsch
nützte nichts. Ich gab nicht einen Tropfen des Feuerwassers her und es
blieb ihnen nichts übrig, als Einer nach dem Andern abzutreten und uns
ziehen zu lassen. Einige jedoch folgten uns bis zur Furth, sie dachten,
hier würde ich ihnen, abseits von ihren Genossen, ihren Willen thun und
boten mir fünf Shillinge für eine Flasche, doch vergeblich.

Wir alle waren froh, nach einem so anstrengenden, unangenehmen Marsche
endlich auf einige Stunden rasten zu können. Der Fluß war an der Drift
etwa 60 Schritte breit, zeigte eine einzige steinige Insel in der Mitte,
so daß wir gleichsam zwei Arme zu überschreiten hatten, die Strömung war
jedoch so bedeutend, daß meine Gefährten zu warten vorschlugen. Ich
konnte jedoch ihre Ansicht nicht theilen. Kaum einen Büchsenschuß von
uns entfernt, im Schatten eines großen Cameeldornbaumes, stand ein Wagen
und zwei Zelte, wie wir sehen konnten, von einer weißen Familie bewohnt,
daneben mehrere alte, gebrechliche Wägen und ringsherum lag
Schmiedematerial. Die Stadt war durch den Aufenthalt zweier Schmiede
beglückt, von denen einer nahe an der Furth, der zweite weiter aufwärts
in der am Eingange von dem Missionär bewohnten Schlucht seinen
Aufenthaltsort genommen hatte. Der Eine hatte sich schon eine Heerde von
Rindern und Schafen, mit denen er für seine Arbeiten bezahlt wurde,
erworben (doch klagte er, daß sein Verdienst in der letzten Zeit ob der
Verarmung der Leute ein karger sei), während der andere seinen Erwerb
bei der nächsten sich ihm darbietenden Gelegenheit in Branntwein
verjubelte. Daß natürlich diese beiden großartigen Schmiedewerkstätten,
d.h. die Firmen und die Handwerker, in grimmiger Feindschaft lebten, ist
selbstverständlich.

Um Auskunft über die Brauchbarkeit der Furth befragt, theilte uns der
Schmied mit, daß die Händler, die Elephanten- und Straußenjäger, sowie
die Missionäre, wenn sie von den Diamantenfeldern kommen, kurz alle,
welche die kürzere Tour über Kuruman einschlagen, hier durchkämen, daß
aber ein Drittel der Reisenden an dieser »Drift« Schaden an ihren Wägen
leide. Der Chef that nichts, um sie zu verbessern und es hätte auch
eigentlich nicht viel geholfen, da der Fluß große Mengen Sand, Erde und
oft große Steine herabschwemmte und auf diese Weise die Furth nach jedem
Hochwasser ein mehr oder weniger verändertes Aussehen erhielt.

Seinem Rathe folgend übersetzten wir den Fluß im Laufe des Nachmittags
und kamen glücklich an das jenseitige Ufer, an dem wir Halt machten und
uns dann auf den Weg nach Taung begaben. Nachdem wir einen Theil der
Stadt der Eingebornen durchschritten hatten, kamen wir an das von einem
Gärtchen umgebene, aus Stein erbaute und mit einem mit Gras gedeckten
Giebeldach versehene Missionsgebäude. Wir traten in dasselbe ein und
fanden uns einem etwa dreißig Jahre alten Manne mit langem blonden Bart
gegenüber, der uns erstaunt, namentlich den bewaffneten F., anblickte.
Ich stellte mich vor, legte ihm mit wenigen Worten den Zweck meiner
Reise dar, was den Missionär, Herrn Brown, gleich freundlicher stimmte.
Er entschuldigte sich über die Einfachheit seiner _library_
(Studirzimmers), das ihm auch für seine Kranken als Ordinationszimmer
diente und theilte mir mit, daß er eben an einem Setschuana-Wörterbuch
arbeite.[1] Nachdem er mich über die Dauer meines Aufenthaltes in Taung
befragt, lud er mich ein, um nicht von den Eingebornen des Branntweins
halber belästigt zu werden--meinen Wagen in die Nähe seines Gehöftes zu
bringen und daselbst mein Lager aufzuschlagen da selbst Mankuruana die
Reisenden oft unnütz aufhielt und belästigte, war ich in der Nähe des
Missionärs auch gegen ihn am besten gesichert. Doch er war diesmal nicht
daheim, sondern in Kuruman bei dem Chef Mora zu Besuche, wohin auch die
Gemahlin des Rev. Brown mit ihren Kindern abgereist war, um einige
Wochen in der Gemeinschaft der Frauen der dortigen Seelsorge
zuzubringen.

    1: Es ist seither veröffentlicht worden.

Unter den Batlapinenstädten nimmt Taung unstreitig den ersten Rang ein,
einesteils durch seine malerische Lage an einem der Haupt-Verkehrswege
nach dem Innern, anderntheils durch seine Einwohnerzahl. Leider war
seine Wohlfahrt von Jahr zu Jahr gesunken und ich glaube, daß sich Taung
wohl jetzt, nachdem der Export von Spirituosen nach Mankuruana's Land
von der Regierung in Griqualand-West möglichst erschwert wurde, wieder
heben und namentlich Getreide, Vieh etc. nach den Diamantenfeldern
exportiren wird, wozu ihm seine relativ geringe Entfernung von diesem
Markte sehr zu Gute kommt; außerdem ist der Stadt durch ihre Lage in der
Nähe des Hart-Rivers die Möglichkeit geboten, die bebauten Niederungen
regelmäßig und ergiebig bewässern zu können. Die frühere Einwohnerzahl
von Taung läßt sich mit 5-6000, die gegenwärtige (1879) mit 3500-4000
angeben. Die Zahl variirt um 500, weil sich manche Familien
periodenweise zu ihren Viehposten, auf denen ihre Diener das Vieh hüten,
entfernen, die Männer oft in größerer Zahl auf Jagd ausgehen und andere
wieder ihre Makalahari-Diener mitbringen.

Um die Zeit meines Besuches und drei Jahre nachher (1877) gab es für
Taung schlimme Zeiten, die theils durch die Aufregung während der Kämpfe
gegen den Vasallenchef Mora und gegen Gassibone, theils durch große
Trockenheit und deren überall fühlbare Folgen bedingt waren. Im Jahre
1872 starben mehrere Familien in Taung Hungers, weil sie alles, selbst
das letzte Fell, auf dem sie lagen, das Holz von den Dächern ihrer
Hütten den Brandyverkäufern opferten.

Im Jahre 1843 wurde die »London Missionary-Station in Taung« durch Mr.
Roß eröffnet. König Mahura (der Onkel Mankuruana's) verließ jedoch die
Stadt, um sich auf der Höhe des Mamusaberges (zwei Tagreisen
stromaufwärts) anzusiedeln, wohin ihm, nach der Mitteilung meines
hochgeehrten Freundes, Rev. S. Mackenzie von Kuruman, der weiße Prediger
nachfolgte, und dort auch verblieb, als es Mahura einige Jahre später
wieder einfiel, Taung zu seiner Residenz zu machen. Herr Roß hatte an
beiden Orten Kirchen erbaut, die seitdem in Ruinen verfallen sind, und
schlug dann seinen Sitz in dem auf der ersten Reise erwähnten Lekatlong
auf.[1] Im Jahre 1858 spielte sich in Taung die Scene eines grausamen
Kampfes ab, dessen Opfer wir noch als bleichende Gebeine in den
Felsenklüften der Taung überragenden Höhen finden konnten. Das Schicksal
der Mahuras-Batlapinen war um so härter, als sie unschuldiger Weise in
diesen Krieg, der mit dem Kampfe in Taung seinen Abschluß fand,
einbezogen wurden.[2]

    1: Herr Roß, der ein hartes, beschwerliches Leben unter den
    Batlapinen führte, starb im Jahre 1863.

    2: Siehe Anhang 12.

Die alte verfallene Kirche war durch eine neue ersetzt worden, welche
einem unserer gewöhnlichen, ländlichen Arbeiterhäuschen nicht unähnlich,
in Taung außer dem Missionshause das einzige im europäischen Style
gehaltene Gebäude war und von der hiesigen Gemeinde mit nicht geringem
Stolze angesehen wurde. In ihrer Nähe hing in einer eingepflanzten
Baumgabel ein Glöckchen, deren Schall hinreichte, die kleine Gemeinde
zur Versammlung aufzufordern.

Der Schmied in der Schlucht, hinter dem Missionsgebäude war mit dem
Schmieden eines jener schweren Rosenkränze beschäftigt, deren sich die
Gerechtigkeit bedient, um Uebelthäter zu strafen und an den Ort ihrer
Einsamkeit zu fesseln; er war für einen Cap-Bastard bestimmt, der einen
Jungen in der Stadt erschossen, und nun an die Behörde von Klipdrift
ausgeliefert werden sollte.

Am Nachmittage des 12. November setzten wir unsere Reise in
nordnordöstlicher Richtung und in mäßiger Entfernung vom Hart-River
aufwärts bis zu dem von Barolongen bewohnten Kraal (Stadt) Maruma fort,
welcher Ort unter der Oberaufsicht eines gleichnamigen Chefs stand.
Bevor wir diese, am Abhange einiger Höhen und in einem engen in das
Hart-Riverthal einmündenden Seitenthale gelegene Stadt erreichten,
begegneten wir zahlreichen von der Feldarbeit heimkehrenden Frauen,
welche sehr primitive eiserne Hauen und Holzbündel trugen.

Das Thal, in dem Maruma liegt, würde dem Maler eine anziehende
Felsenscenerie bieten und ich bedaure nur, von anderweitigen
Beschäftigungen während des Aufenthaltes in derselben so sehr in
Anspruch genommen worden zu sein, daß ich es selbst nicht skizziren
konnte. Felsenthore und schroff abfallenden Ruinen nicht unähnliche
Felsen wechseln hier ab, und durch sie einerseits, sowie durch die an
dem gegenüber liegenden Abhange sichtbaren dunklen Eingebornengehöfte
andererseits wird das den Boden des engen Thales schmückende Grün sehr
gehoben.

Trotz der letzten heftigen Regen war das Flüßchen des Thales bis auf
einige in demselben gegrabene Löcher vollkommen trocken, der Regen war
nur auf gewissen, äußerst beschränkten Partien gefallen.

Bevor ich Dutoitspan verließ, hatte ich eine Meerkatze erstanden, welche
ich der Unterhaltung halber mit mir nahm. »Monkey« hatte ihren Sitz oben
am hinteren Wagenende und war mit einem Kettchen an eines der
Seitenbretter gebunden. Komisch war es anzusehen, mit welcher Angst der
Affe die Gebüsche und Bäume beobachtete, an denen wir knapp
vorbeifuhren, und welche oft die Seiten des Wagens oder das Dach
streiften. Er legte sich flach auf das Wagendach, um dürre Aestchen über
sich hinwegstreichen zu lassen, während er bei stärkeren hinten auf das
untere Wagenbrett herabsprang, um, so wie wir die vermeintliche Gefahr
passirt hatten, seinen früheren Sitz sofort einzunehmen. Dieses
zeitweilig recht bissige Affendämchen hatte Tag für Tag längere Zeit
einer äußeren Besichtigung und Untersuchung des Thürmchens am Wagen
gewidmet. Steckte Einer von uns seinen Kopf zu einem von dessen vier,
nur mit einem Drahtnetz überzogenen Fenstern heraus, so kam sie, leise
die Zähne aneinanderschlagend--was bei ihr eine Bitte oder
Zufriedenheit ausdrücken sollte--heran und trachtete in das Innere des
Wagens hineinzuschlüpfen, was wir natürlich nicht gestatten konnten, da
unter dem Thürmchen die eine der beiden Zucker, Reis, Kaffee, Thee,
Zwieback etc. enthaltenden Speisekisten aufbewahrt lag. Monkey wußte uns
indeß doch zu überlisten und sehr geschickt in das Drahtnetz Bresche zu
legen. Obgleich wir den Einbruch bemerkt hatten und das Dämchen zur
Flucht zwangen, hatte sie sich doch schon ihre Backen mit Reis gefüllt,
während sie mit beiden Händen ein riesiges Brodstück nachzuschleppen
sich bemühte.

Zur Mittagsstunde des 13. November verließen wir das Thal und hielten
schon nach einer kurzen Fahrt zwischen einigen Felsenhügeln, an einer
üppigen Weidestelle. Während der Rast erlegte ich einen schönen
Raubvogel (Melierax canorus) und die schon früher erwähnte Art eines
Landleguans.

[Illustration: Bei Taung um Branntwein bestürmt.]

An einem seichten Bache bemerkte ich einen schuppigen Gegenstand, der
sich bei näherer Besichtigung als eine der genannten Riesenechsen
entpuppte, welche sich bei meiner Annäherung zu verbergen suchte. Ein
Schrotschuß tödtete sie auf der Stelle und verschaffte mir den ersten
Balg dieser Species, dem später noch mehrere folgten. Zum Wagen
zurückgekehrt, traf ich einige mit einem alten, dachlosen Wagen auf ihre
Viehposten ausziehende Barolongen von Maruma. Der Wagen, dessen vier
Räder nicht in einer und derselben Werkstätte gearbeitet waren, schien
jeden Moment auseinanderfallen zu wollen, welcher Befürchtung ich dem
Eigentümer desselben gegenüber Ausdruck gab; doch dieser lachte, daß
seine Perlenzähne glänzten und meinte, der Koluj (Wagen) müsse noch oft
den Weg hin und zurück machen. Um uns von der Reisetüchtigkeit desselben
zu überzeugen, setzte er das Gespann vor unseren Augen in Bewegung; das
war ein Getöse, Geklapper, Geknarre und Gepolter, jedes Rad hing anders
und lief anders, die Seitenbretter bogen sich und die Bodenbretter
schnellten auf und nieder zum nicht geringen Vergnügen der in einer
dichten Gruppe auf dem Wagen sitzenden Frauen und Kinder.

Wir näherten uns nunmehr der nordöstlichen Grenze des Batlapinenreiches
und ich hoffte bald jenes schon erwähnte, kleine unabhängige Königreich
der Mamusa-Koranna's zu erreichen.[1]

    1: Siehe Anhang 13.

Am 14. November wandten wir uns direct nach Norden und kamen auf eine
sehr ausgedehnte, mit hohem Buschwerk bewachsene Ebene, auf welcher
heftige Regengüsse uns zu öfterem Stillstande nöthigten. Zwischen den
hohen Marethwa-Büschen sprangen häufig Antilopen auf und entfachten
meine Jagdlust. Doch diesmal war die Jagd keine leichte, ich mußte
unaufhörlich das Pferd bald nach rechts, bald nach links wenden, um den
gruppenförmig beisammenstehenden Büschen auszuweichen. Ich sah jedoch
bald ein, daß ich auf diesem Wege nicht zum Ziele gelangen könne, ich
mußte meine Taktik ändern und geradewegs durch die Büsche jagen. Schon
setzt das Pferd in einen kleinen Busch, doch plötzlich hielt es an; es
ist in ein niederes, kaum 1½ Fuß hohes, mit Doppeldornen versehenes
Mimosengebüsch gerathen; ehe ich das Pferd zurücklenken kann, macht es,
wohl in der Absicht um darüberzukommen, einen zweiten, einen dritten
Satz, doch leider nur immer tiefer in den Dornbusch hinein, es fängt
endlich an auszuschlagen--armes Thier; ich sehe zwar vor mir eine kleine
offene Stelle in dem größeren Gebüsche, doch derart mit Wartebichidorn
überhangen, daß ich keine Lust verspüre, den Versuch eines Durchbruchs
zu wagen. Aufwiehernd macht das Pferd noch einen Satz, der Vorderleib
des Thieres war nun wohl aus den Dornen, doch war mir Hut und Jacke
zerrissen; mit den Hinterfüßen noch immer in den Dornen gefangen,
schlägt der Rappe wieder und wieder aus und hopp--hopp--gerathe ich
selbst immer tiefer in die Dornen hinein.

[Illustration: In Dornen gefangen.]

Nicht alle Kinder Flora's spenden Wohlgerüche und Honig, manche, die
Armen, sind von ihr stiefmütterlicher bedacht worden und diese lassen
nun ihren Unmuth, wo sie nur können, an den Sterblichen aus; Mutter
Flora hat viele solcher Stiefkinder nach Süd-Afrika verbannt; mich haben
sie oft geherzt und geküßt, doch wenn ich auch Afrika wieder aufzusuchen
gedenke, nach ihnen sehne ich mich wahrhaftig nicht.--Je mehr ich mich
der dornigen Umarmung zu entwinden suchte, desto fester wurde diese
endlich kam der Gaul mit den Beinen aus dem niederen Dorngebüsch heraus,
wurde ruhiger und ich konnte nun, das Gewehr auf den nächsten niederen
Busch werfend, abzusitzen trachten. Es gelang mir schließlich, das Pferd
durch eine schmale Spalte aus dem Gebüsche heraus zu ziehen und uns
beide von den Dornen zu befreien. Gesicht und Nacken, Hände und Arme,
sogar die Schenkel brannten wie Feuer; ich kam zum Wagen zurück wie ein
Held aus einer Katzenschlacht.

[Illustration: Billige Diamanten.]

Ungefähr um die Mittagszeit fuhren wir in einen seichten Thalkessel ein.
Am Abhange der Felsenhöhen erblickten wir einige Eingebornen-Gehöfte.
Der Kessel öffnete sich nach Osten zu auf eine große, mit hohem, dürrem
Gras bewachsene Ebene, auf der sich eine Heerde der zierlichen
Springböcke in Neckereien erging. Als wir nach unserem Mahle und einer
etwa zweistündigen Rast weiter ziehen wollten, sahen wir von Norden her
einen Kafirwagen herankommen. Pit begrüßte den Eigenthümer, einen in
einen langen Ueberrock gekleideten Batlapinen, den er von Klipdrift her
kannte. Dieser Mann war früher arm, jetzt, meinte Pit, wäre er reich,
hätte große Heerden und zwei Wägen und wandere unter den Barolongen
zwischen dem Hart-River und dem Molapo, um ihnen allerlei Artikel, die
er in den Diamantenfeldern einhandle, zu verkaufen. Als der Ankömmling
von Pit hörte, daß wir von den Diamantenfeldern kämen, fragte er,
welcher der Baß (der Herr) des Wagens sei. Nachdem er es erfahren,
grüßte er mich mehrmals mit seinen kleinen listigen Augen, ging zweimal
um den Wagen herum und dann an mich herantretend berührte er mit der
Hand seinen Hut und sagte »Sir«. Dabei brachte er aus seiner Tasche eine
etwa drei Zentimeter hohe und sechs Zentimeter im Durchmesser haltende
Blechdose, wie sie in der Regel den Eingebornen als Schnupftabaksdose
verkauft wird, zum Vorschein. Grinsend schüttelte er das Döschen. Ich
begriff sofort, auf welche Weise der Mann reich geworden war. Mit der
Hand nach den bei seinem Wagen stehenden Dienern weisend, meinte er, die
hätten in den Diamantenfeldern gearbeitet und ihm dies--dabei öffnete er
die Dose--heimgebracht. In der Dose lagen etwa 20 Diamanten, der größte
etwa 3 Karat. Obgleich er blos 30 Shillinge für die Edelsteine
verlangte, ging ich auf den Kauf nicht ein, denn die Steinchen waren
jedenfalls von den Dienern des Schwarzen in den Diamantenfeldern
gestohlen.[1]

    1: Siehe Anhang 14.

Auf dem nachmittägigen Marsche fing ich eine größere Anzahl von
Rüsselkäfern unter den Blättern einer lilienartigen Pflanze, sowie
mehrere, noch nicht beobachtete Heuschreckenarten. Als wir Abends bei
strömendem Regen unter dem Schutze eines ausgespannten Segeltuches unser
Lager ausgeschlagen hatten, entfesselte unser Affendämchen die Lachlust
Aller. Ich reichte ihr einige Käfer, die kleineren nahm sie in ihre
Hände, beroch sie, und dann den Kopf ohne oder mit dem Thorax vom
Hintertheile abreißend, verspeiste sie dieselben. Mit Heuschrecken that
sie ein Gleiches, dagegen warf sie übelriechende Insecten, der letzteren
Species angehörend, sowie eine Meloë weg, dasselbe that sie mit einigen
Silpha's (Silpha). Zwei erlegte Eidechsen, die ich ihr reichte, warf sie
vom Wagen, anders jedoch geberdete sie sich, als ich ihr eine frisch
erlegte Buffadder gab. Im Nu war sie auf der anderen Wagenseite, dann
lugte sie vorsichtig nach mir aus, und als ich mich ihr wieder nahte,
lief sie das Wagendach entlang und zerrte mit voller Kraft an dem
Kettchen.

Unser Weg führte uns nächsten Tages über kurzbegraste Hochebenen, über
welche Millionen beflügelter, großer Ameisen schwärmten. Die Regengüsse
der letzten Tage ließen mich hoffen, überall Wasser zu finden, und
hatten wir uns deshalb an unserer letzten Raststelle damit nicht
versehen, noch die Thiere vor unserer Abfahrt getränkt. Leider fanden
wir keines und mußten von Durst gequält unsere Wanderung bis zu später
Abendstunde weiter fortsetzen. An der Abzweigung eines nach Norden
streichenden Thales öffnete sich plötzlich eine Felsenschlucht vor uns,
die nach Regengüssen augenscheinlich Wasser enthalten mußte. Diese
Stelle umgehend stieg ich in das tiefe Felsenbett des nur nach Regen
fließenden Spruits, eines Zuflusses des Mokara-Rivers, herab und fand
hier mehrere an beiden Seiten einmündende Schluchten, und da die Wände
dieser Schluchten theils von senkrechten nackten, theils von
terrassenförmigen und überhängenden Felsen gebildet wurden, boten sie
viele interessante und des Besuches werthe Punkte.

Vergebens suchte ich im sandigen und steinigen Bette nach Wasser und
wollte eben die Tiefe verlassen, als einige von der gegenüber liegenden,
steilen Felsenwand wie mir schien herabgekollerte Steine mich aufwärts
blicken hießen. Oben in den Bäumen, sowie an den Felsen bewegte sich
eine Truppe von Pavianen. Da mir die Thiere mit den herabkollernden
Steinen über meinem Kopfe nicht gefielen, dachte ich sie mit einem oder
zwei Schüssen zu verscheuchen. Auf einen der überhängenden Bäume
zielend, feuerte ich auf den Stamm, in dessen kleiner Krone zwei Paviane
saßen. Die in den Stamm eindringende Kugel erschütterte den ganzen, nur
lose in den Felsenfugen hängenden Baum und erfüllte die beiden Insassen
desselben derart mit Entsetzen, daß der eine hoch aufsprang, der andere
sich fest an den Stamm anklammerte. Ein altes Männchen erschien nun
bellend am Fuße des Baumes, ergriff jedoch, nachdem es einige große
Felsstücke losgebröckelt hatte und ein zweiter Schuß neuerdings den Baum
traf, mit den übrigen die Flucht.

[Illustration: Von Pavianen überrascht.]

Der Hügel, den ich sodann bestieg, mußte den Makalahari- oder anderen
hier vor 100 und mehr Jahren wohnenden Eingebornenstämmen zum
Aufenthalte gedient haben, die Kuppe war nämlich von einer Unzahl
kleiner, aus Steinen roh (ohne Zierat) ausgeführter 2-3 Fuß hoher, und
4-8 Meter im Gevierte haltender Umzäunungen bedeckt. Manche der
Betschuanastämme behaupten, daß diese Stellen von ihren Voreltern
bewohnt waren, allein es scheint mir unwahrscheinlich, daß die
Nachkommen diese Gewohnheit ihrer jüngsten Vorfahren so bald aufgegeben
hätten.

[Illustration: Erschreckte Paviane.]

Wir gewannen nach und nach bis auf 15 englische Meilen Fernsicht und
sahen, daß sich die Gegend nach Norden zu senkte. Fünf oder sechs Meilen
vor uns sahen wir ein kleines, auf einer unbedeutenden Bodenerhebung
erbautes Eingebornendorf; hier durfte ich doch auf Wasser hoffen. Als
ich jedoch, in der Nähe des Dorfes angelangt, darnach fragte, wies man
mich nach einer in nordwestlicher Richtung liegenden Vertiefung, die
theilweise durch den Abhang, an dem ich stand, verdeckt war. Leider sah
ich mich wieder, trotz eifrigen Suchens bitter enttäuscht und mußte, von
Durst gefoltert, hier die Nacht zubringen.

Früh Morgens wieder aufbrechend lenkten wir in ein größeres nach Norden
sich erstreckendes Thal und erblickten ein aus etwa 40 Hütten
bestehendes Dorf am rechten Ufer eines bis auf einige Lachen
ausgetrockneten Flüßchens, das nach der Form der Hütten von Koranna's
und Betschuana's, wahrscheinlich Barolongen, bewohnt sein mußte. Sobald
die Zugthiere das Wasser witterten, hatten wir alle Mühe sie
zurückzuhalten; auf das Ufer lossteuernd, erstaunten wir nicht wenig,
als wir den Weg plötzlich durch ein Dutzend meist in abgetragene,
zerfetzte europäische Kleidungsstücke gehüllte Koranna's versperrt
sahen. Laut gesticulirend bedeutete man mir, daß da kein Thier getränkt
werden dürfe, bevor nicht der Eigenthümer des Wagens für jedes fünf
Shillinge Tränkegeld bezahlt hätte. Ich wies diese Forderung zurück und
bot einen vernünftigen Geldbetrag an, der nun wieder von den Farbigen
abgewiesen wurde; auch Pit, der seine ganze Beredsamkeit aufbot,
vermochte die Opposition der Koranna nicht zu beschwichtigen.

Die Leute sahen uns und den Thieren den Durst an und so dachten sie uns
so hoch wie nur möglich zu schrauben; als kein vernünftiger Ausgleich zu
erzielen war, bedeutete ich den Leuten, die Feigheit der Koranna's wohl
kennend, daß ich um jeden Preis zum Wasser gelangen müsse. Unsere
Opponenten dachten, daß ich dies mit den Waffen erzielen wolle und
fingen jämmerlich zu schreien an, wobei sie ein und dasselbe Wort in der
Begleitung verschiedener Eigennamen riefen, nach Pit's Erklärung riefen
sie ihre Freunde zur Hilfe herbei.

Diese kamen auch rasch zum Succurs herbeigelaufen, die Koranna's mit
Musketen, die Barolongen und Makalahari mit Assagaien bewaffnet; Frauen
brachten den meisten der uns gegenüberstehenden, deren Zahl im Nu sich
mehr als verzehnfacht hatte, Gewehre herbei. Wie auf ein Zeichen brach
nun der ganze wüst durcheinander rennende Haufe in ein Höllenspektakel
aus. Die Männer (Koranna's) fluchten theils in ihrer Sprache theils
holländisch, die Barolongen stießen Verwünschungen und Beschwörungen
aus, am ärgsten aber schimpften die Frauen, während hinter den
nothdürftigen Umzäunungen der Hütten der Kinder ungezählte Schaar lustig
darauf losheulte. Daß unsere Hunde nicht ruhig zusehen konnten, sondern
auf den Haufen losbellten und darin von den Dorfkötern auf das
Kräftigste secundirt wurden, ist leicht begreiflich. Mir schien das
Ganze, trotzdem ich den Ernst der Lage begriff, ein Traum. Ich zog in
diese Länder im Frieden ein, Frieden wollte ich den Farbigen bringen,
und als Freund von ihnen scheiden. War ich der Schuldige in diesem
unerwarteten Falle oder meine Gefährten; oder hatte ich es mit einem'
Auswurfe von Schwarzen zu thun, die durch den Alkoholgenuß so tief
gesunken waren, daß sie sich seinethalben zu wahnsinnigen Forderungen,
zu Gewaltthätigkeiten hinreißen ließen.

Meine Begleiter griffen nun, angesichts der drohenden Haltung der
Eingebornen auch zu den Waffen, was jedoch sofort unsere Gegner
veranlaßte, ihre Gewehre auf uns anzuschlagen und die Assagaien über dem
Kopfe zu schwingen. Unkenntniß des Koranna-Charakters hätte sich in
diesem Augenblicke bitter gerächt--ich kannte aber die Leute zu gut, um
mich zu voreiligen Schritten hinreißen zu lassen. Meine zwei mir
folgenden Gefährten einige Schritte vor dem Wagen zurücklassend ritt ich
mit meinem Rappen auf die Menge los; von den Waffen Gebrauch zu machen,
fiel mir nicht ein, ich hielt es bei der Feigheit der Koranna's,
trotzdem, daß der Wagen nur fünf Vertheidiger zählte, für nutzlos und
hatte sofort erkannt, daß die Koranna's, obwohl in der Minderzahl, doch
die Anführer waren und den Aufstand inscenirt hatten. Statt auf mich zu
feuern, ließen die meisten die gehobenen Gewehre sinken, um jedoch nur
heftiger zu schimpfen. Und ehe ich noch auf Wurfweite angeritten war,
begannen schon die Vordersten sich nach rückwärts zu concentriren.
»Kerle lup, det Kerle lup! (die Kerle laufen) schrie mir Pit nach; auch
ich konnte nun deutlich sehen, daß die hinteren Reihen sich auffallend
lichteten und setzte nun mein Pferd in Galopp. Die Wirkung dieses
Manövers auf die Gegner war außerordentlich und rief in mir einen
förmlichen Lachkrampf hervor. Der dichte Knäuel hatte sich wie auf
Commando gelöst, die einen liefen nach links, die anderen nach
rückwärts, um hinter den Umzäunungen ihrer Gehöfte Schutz zu suchen und
einen den Pferdehufen weniger zugänglichen »Standpunkt« einzunehmen;
während wieder andere gegen die Vertiefung nach rechts abbogen und in
diese hinabsprangen, in ihr fortliefen, um erst am unteren Dorfende
innezuhalten und aus ihr herauszulugen, und hinter den Zäunen ihrer
Gehöfte gedeckt in ein ohrzerreißendes Geschrei auszubrechen, das mir
wohl unverständlich, jedenfalls aber die vermeintliche Herzlosigkeit und
Undankbarkeit der Weißen verdammen sollte. Ohne weiteren Zwischenfall
wurden die Thiere getränkt und unser Wasservorrath ergänzt.

Wir brachen nun wieder auf. Am letzten Gehöfte gab es wieder viel
Liebesworte und da wir ohne zu erwidern vorüberzogen, wurden diese
süßen, freundlichen Reden so laut und heftig, daß die Ochsen sich darob
scheuten und sich plötzlich nach rechts wandten, in Folge dessen die
Vorderachse brach. Das war ein schlimmer Zufall und uns allen entfuhr
ein Schrei des Erstaunens, es war das Aergste, was uns hier, in diesem
Orte passiren konnte. In diesem Augenblicke schätzte ich mich glücklich,
ohne Drohungen und ohne wirklichen Zusammenstoß meine Absicht erreicht
zu haben; im entgegengesetzten Falle wäre es uns jetzt schlecht
ergangen, denn selbst der Feigste hätte hinter diesem oder jenem Zaune,
aus dieser oder jener Hütte seine rostige Muskete auf uns abfeuern
können, und trotzdem die Bewohner keine treffsicheren Schützen waren,
hätte manche Kugel ihr Ziel erreicht und mir vielleicht die Gelegenheit
benommen, diese Episode niederzuschreiben. Wenn allein Barolongen oder
Makalahari Musemanjana bewohnt hätten, würde es nie zu einem
Mißverständnisse gekommen sein, die Leute hätten mäßige Forderungen und
in entsprechender Weise gestellt.

Durch mein sicheres Auftreten in der Tränke-Angelegenheit hoffte ich den
Bewohnern Musemanjana's Respect eingeflößt zu haben, und darauf baute
ich in diesem Momente, da ich ihnen durch den Achsenbruch vollkommen
preisgegeben war, meine Hoffnung. Lachend und schreiend, singend, die
Mädchen und Halberwachsenen der edlen Vertheidiger Musemanjana's sogar
tanzend, stürzten sich die Eingebornen aus ihren Gehöften, um sich uns
von allen Seiten zu nähern. Den Gefährten, die am Bock mit den auf den
Knien gelegten Waffen saßen, bedeutete ich, sofort die letzteren in den
Wagen zu legen und mit in das Gelächter einzustimmen.

Das machte die meisten der Schwarzen stutzen. Ich benützte diesen
Augenblick um einen baarfüßigen, mit einer langen Kranichfeder an Hute
geschmückten Koranna, den ich für den Häuptling des Dorfes hielt mit
lachender Miene anzusprechen und ihm zu bedeuten, daß wir nun trotz des
Widerstrebens der Bewohner von Musemanjana noch öfters die Thiere zur
Tränke führen müßten. Der Angesprochene war blos der Stellvertreter des
Chefs oder Captain, wie sie ihn zu nennen geruhten, zeigte sich
vernünftig und forderte für die Benützung der Tränke einen Shilling, den
ich auch gern erlegte.

Nun kamen die Eingebornen bis an den Wagen und jeder gab seine Meinung
kund, die Frauen blieben noch am längsten feindlich gesinnt. »Ja, es ist
Euch recht geschehen, Weiße müssen nicht die Herren spielen, Schwarze
sind die Herren von Musemanjana, und nicht Ihr, sondern Hendrick, der
Koranna, der nach Bloemhof gefahren ist, um fette Ochsen zu verkaufen
und Kleider und Branntwein dafür zu erstehen, ist unser Captain!« Die
Männer wollten an der Achse die Bruchstelle untersuchen etc. etc., was
ich jedoch ablehnte, da ich fürchten mußte, unversehens bestohlen zu
werden.

Ich dankte für ihre Hilfe und fragte wo es hartes Mimosenholz gäbe, um
eine neue Achse zu zimmern. »Wach, Sir,« meinte der Vicechef, »mut det
ni dun, nicht weit von hier in einer Barolongenstadt mit Namen Marokana
lebt ein alter Mann, der bei einem Schmiede in der Transvaal-Colonie
gearbeitet, zu dem mußt Du senden.« Ein Barolonge erbot sich auch sofort
für ein Sixpencestück nach Marokana zu reiten, um den Schmied zu holen.

Da wo sich das Hottentotten-Element mit dem der Bantu vermischt (ich
spreche von den letzten Decennien), namentlich seitdem die Spirituosen
in's Land Eingang gefunden hatten und wo der Häuptling der Batlapinen,
Barolongen oder wie sie alle hießen, nicht ein einsichtsvoller Mann
gewesen, wurden die letzteren Stämme von den alle Laster, doch nicht die
Tugenden des weißen Mannes sich aneignenden Koranna's, Griqua's etc.
verleitet, in Folge dessen griffen Trunkenheit, Faulheit, Arbeitsscheu,
Diebstahl, ja sogar Mord unter ihnen immer mehr um sich. Um so
folgenwichtiger und wie wir hoffen wollen wohlthätiger halten wir die
von der Regierung in Griqualand-West in der letzten Zeit namentlich in
Bezug auf die Koranna's getroffenen Maßregeln.

Mit dem Vice-Captain schloß ich einen Vertrag, demzufolge ich gegen
Entrichtung eines Shillings per Tag meinen Wasserbedarf decken konnte,
ja seine Leutseligkeit ging so weit, daß er mir andere, klares Wasser
enthaltende Lachen angab, die selbst von den Eingebornen nicht benutzt
wurden.

Am Nachmittage kam der alte Schmied, ein Griqua mit seinem Sohne, um den
Schaden zu besichtigen. Als ein alter Bekannter der Koranna's im Dorfe,
schüttelte er zuerst allen die Hände, wobei die Männer mit Bru'rs
(Bruder) und Ohm, die Frauen mit Tante und die Jungen mit Kinders
titulirt wurden. Der Künstler erklärte die Achse aus einem zwischen
Marokana und Musemanjana stehenden Kameeldornbaume (Acacia giraffe)
zimmern zu wollen, doch müsse er dies alles in Marokana thun und deshalb
müßten wir die Räder und die gebrochene Achse mit der Deichsel nach
Marokana befördern lassen. Als Lohn für seine Arbeit forderte er zwei
Flaschen Branntwein und 2 £ St. und wollte unter keiner Bedingung von
dieser Forderung abgehen und betonte besonders die Ueberlassung des
Branntweins, dessen er zur Stärkung bedürfe.

Unterdessen hatte F., der sich mancher »Eroberung« unter den schwarzen
Schönen rühmte, die Gelegenheit benützt, um die allgemeine
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wohl um die an uns begangene Unbill
zu rächen, griff er zu einem probaten Mittel, sich die Herzen der
zahlreich versammelten Koranna-, Barolong- und Makalahari-Schönheiten im
Fluge zu erobern und zog eine Concertina (sechseckige Handharmonika)
hervor, um ihr die herzzerreißenden, dem Gehör der Musemanjana-Beauties
jedoch sichtlich einschmeichelndsten Töne zu entlocken. Doch nicht
Frauen allein, nicht blos das arme schwache Geschlecht, sondern auch die
wackeren Herzen in der Heldenbrust der gelblich- und schwarzbraunen
Krieger von Musemanjana waren von der Macht dieser Töne ergriffen und
Stille--wie vielleicht noch nie--heilige, friedliche Stille herrschte
weithin. Und der Mitleidslose, sehr geschmeichelt und von uns
applaudirt, hätte bis zum Sonnenniedergange musicirt, wenn nicht die
Hunde des Dorfes gegen diese himmlischen Laute einmüthig protestirt und
den häuslichen Frieden der Familien Musemanjana's gerettet hätten.

Vielleicht des Effektes wegen, den die Musik auf die Schönen des Ortes
ausübte, vielleicht jedoch auch aus anderen unbegreiflichen Gründen
machte einer der Koranna's unserem Künstler den schmeichelhaften Antrag,
ihm das Musikinstrument für einen Ziegenbock zu verkaufen. Wir alle
dachten, daß F. ob einer solchen Zumuthung, seine Concertina zu
verkaufen, in gerechter Entrüstung auflodern werde; doch wer beschreibt
unser Erstaunen, als F. bereitwilligst auf den Antrag einging.

Am folgenden Morgen, den 17., wurde Pit mit den Rädern und der Achse
nach Marokana gesandt und machte uns nicht wenig Sorgen, da er erst am
Nachmittag heimkehrte.

Musemanjana ist die nördlichste Besitzung des Korannakönigs von Mamusa,
nach Norden und Osten grenzen die wildreichen Ebenen (von mir »Quagga
flats« benannt) an, welche Montsua angehören, in denen Batlapinen,
Barolongen, Koranna's und holländische Farmer aus der westlichen
Transvaal-Republik oder jene, die sich mit der Erlaubniß der Fürsten der
genannten Stämme in deren Gebiet niedergelassen haben, friedlich neben
einander jagen. Nach Westen liegt das kleine Gebiet des
Marokana-Häuptlings, der Montsua, den König der Barolongen als Oberhaupt
der nördlichen und westlichen Barolongen anerkennt, allein ihm keinen
Tribut abliefert.[1]

    1: Siehe Anhang 15.

Die Gebirgsformation der Umgegend bestand meist aus bläulich-grauem
Kalkschiefer in Blöcken und Platten, Quarzitfelsen im Gerölle,
zahlreichen Quarzstücken und »Vaalgestein« (Grünstein mit mandelartigen
Chalcedon-Einschlüssen).

Am Abend besuchte mich der Schmied, um mir mitzuteilen, daß die Achse an
der Bruchstelle schon früher geborsten war, doch in Wirklichkeit nur, um
eine Flasche Branntwein als Abschlagszahlung zu fordern. Da ich
befürchtete, daß der Genuß desselben den alten Mann arbeitsunfähig
machen würde, verweigerte ich ihm denselben, worüber er sehr mürrisch
wurde und den Rückweg antrat, nicht ohne in laute Klagen auszubrechen,
daß ihm »_det Medicin_« verweigert wurde.

Am folgenden Tag meldeten sich zwei Eingeborne, um in meine Dienste zu
treten. Ich nahm sie gegen 8 Shillinge Wochenlohn auf (Pit bekam 10
Shillinge), mußte mich jedoch ihrer Hauptbedingung, ihnen allabendlich
einen Schluck Branntwein zukommen zu lassen, fügen. Der eine war ein
Griqua, der Sohn des Schmieds, der uns bediente, klein, untersetzt mit
sehr einfältigem Blick, der zweite eine Hopfenstange, ein Bastard und
mit dem Häuptling Hendrik verwandt. So dumm als der erste, so
verschmitzt sah der zweite aus. Der Schmied erschien zeitlich und wich
nicht eher vom Platze als bis er seinen Branntwein erhalten hatte. Die
Folgen meiner Nachgiebigkeit waren bald bemerkbar, denn er lag bald
betrunken in des Häuptlings Hause, während der Vice-Häuptling, die Frau
des Herrn von Musemanjana und ihre Dienerinnen, die alle vom Feuerwasser
etwas erhascht hatten, wie besessen sangen und tanzten.

[Illustration: Musemanjana.]

[Illustration: Empfang in Musemanjana.]

Am Abend kehrte auch Hendrik, der Häuptling des Dorfes zurück.
Allgemeiner Jubel aller seiner Ohm's und Tanten, denn ihre Hoffnungen
waren erfüllt. Hendrik brachte eine riesige, wenigstens 10 Liter
fassende Flasche Feuerwasser mit. Bevor er jedoch seine jubelnde
Umgebung damit bewirthete, kam seine Frau herangetrippelt, ihren langen
Ehegespons am Arme führend und präsentirte ihn uns mit den Worten. »Das
ist der Herr dieses Ortes! Das ist der Herr der vielen Schafe, die Ihr
täglich blöken hört, und ist auch mein Mann!« Hendrik, eine schwankende
Hopfenstange, grinste verschämt, streckte mir seine Hand entgegen und
hieß mich willkommen.

Mit Hendrik war der Häuptling eines anderen an der Mokara gelegenen
Kraal's, angekommen. Er fiel mir auf, weil er sich an dem nun folgenden
Saufgelage nicht betheiligte. Trotz des Unfalls murrte ich nicht mehr
über den Aufenthalt, der mir in Musemanjana begegnete, da ich
Gelegenheit fand, einen tiefen Einblick in das Leben und Wesen der
Koranna, Barolongen und Makalahari zu gewinnen und bedauerte nur, daß
ich nicht genug Geld mit mir führte, da mir der mit Hendrik angekommene
Korannahäuptling einen vernünftigen Antrag machte. Er besah meine
Zugthiere und hielt fünf von acht für reiseuntauglich. Er wollte mir für
dieselben gute Zugochsen, die ich mir selbst aussuchen konnte, gegen
eine Aufzahlung von 2 £ St. per Stück überlassen.

An diesem Tage hatte ich auch Gelegenheit, das Anfertigen irdener Töpfe
von Seite der Barolongenfrauen zu beobachten. Auf einer hölzernen runden
Schüssel wurde die aus Thon und Humus zubereitete Masse mit den Händen
in die natürliche ausgebauchte Topfform geknetet, stehen gelassen, um
nach einigen Tagen im Feuer eingebrannt zu werden. Diese Gefäße, von
7-12 Zoll Höhe und gleicher, oder noch um 2-3 Zoll größerer Breite, mit
einer Oeffnungsweite von 5-7 Zoll und einer Wandstärke von ¼-½ Zoll
wurden beinahe ausschließlich als Wassergefäße benützt.




IX.

Von Musemanjana nach Moschaneng.

Aufbruch nach Moschaneng.--Quaggaflats.--Hyänenjagd bei
Mondschein.--Makalahari-Reiter--Konana.--Barolongenstolz.--Acht
Löwen.--Eine Begegnung mit Löwen am Setlagole.--Thierleben auf der
Hochebene.--Gnujagd bei Nacht.--Boly verirrt sich.--Zebrajagd.
--Skeletthügel.--Eine abenteuerliche Gansjagd.--Südafrikanischer
Frühling.--An Ufer des Molapo.--Molema's Town.--Rev. Webb und die Mission
daselbst.--Chef Meloma.--Kranken-Ordination.--Siedlersperlinge.
--Huß-Höhe.--Ankunft in Moschaneng.--Hohe Gäste.


Abends fand sich der Schmied mit seinem Meisterstücke ein, das kaum zur
Noth brauchbar war. Als man im Dorfe unsere Vorbereitungen wahrnahm,
kamen die Leute herbeigeströmt und ein Jeder begehrte ein Geschenk; nur
die, welche uns behilflich waren, bekamen etwas Tabak und je ein
färbiges Tuch. Als wir schon eingespannt hatten, kam noch der Chef mit
einem Ansuchen. »Mein Kind (der ihm verwandte Schwarze) geht mit Euch,
er war einer meiner Diener, deshalb verliere ich einen Arbeiter, ich
kann ihn nicht ziehen lassen, bevor Ihr mir nicht 8 Shilling bezahlt,
d.h. so viel, als Ihr ihm wöchentlich Lohn gebt!« Um nur loszukommen und
die ausgeglichenen Differenzen nicht vielleicht im letzten Augenblicke
durch andere erneuert zu sehen, gab ich dieser Erpressung nach und wir
zogen ab.

Unter der Führung des oben erwähnten Dieners setzten wir unsere Reise
fort und machten erst in später Nachtstunde Halt. Beim Anzünden des
Lagerfeuers hatten wir viel Mühe, um einen Grasbrand zu verhüten, da
sich der Wind zu einem wahren Orkan gesteigert hatte. Dagegen war der
folgende Morgen (21. November) schön und warm, wir begegneten einigen
Makalahari- und Barolongfrauen, welche junge, kaum aus den Puppen
gekrochene Heuschrecken emsig sammelten. Nach einer 3½ stündigen Tour
erreichten wir eine seichte Vertiefung, in welcher wir in einigen
Löchern schönes klares Trinkwasser fanden. Unsere Weiterfahrt führte uns
in einer nordöstlichen Richtung über unabsehbare, sehr spärlich
bebuschte Ebenen. Das trockene Gras verbreitete einen angenehmen
Heugeruch, frisches Gras sproßte allenthalben unterhalb der trockenen
Stengel. Der Boden war nach allen Richtungen von den Eingängen zu den
unterirdischen Bauten der Springhasen, Stachelschweine und Erdferkeln
durchfurcht. Doch mangelte es auch nicht an solchen der Schakale,
während die Hyänen die von den Erdferkeln verlassenen Löcher bezogen
hatten. In diesen von Weißen unbewohnten Gegenden werden die Schakale,
die Kaamafüchse und die Proteleswölfe ihres Balges halber, der zu
Carossen verarbeitet wird, von den Eingebornen häufig gejagt. In den
wildreichen, von Weißen bewohnten Localitäten sind es wieder die Hyänen,
die meist mit Strychnin ausgerottet werden.

[Illustration: Barolongmädchen Heuschrecken sammelnd.]

Nachdem wir 14 englische Meilen zurückgelegt, kamen wir in ein zweites,
doch breiteres Thal, das wieder zahlreiche Wasserlöcher aufwies. Man
hatte hier das Gras im September niedergebrannt, das frische stand schon
12 Zoll hoch. In diesem Thale trafen wir auch die äußerste von Chef
Hendriks Ansiedlungen, d.h. Viehposten, und an dieser allein zählten wir
über 100 Rinder. Um uns nach allen Seiten hin erstreckte sich die Ebene
bis an den Horizont.

Wir betraten die Quaggaflats und damit Montsua's Gebiet. Der nächste Tag
war schön und warm, auch hatte sich der Wind gelegt, dagegen hatten wir
auf dem die ganze Strecke entlang morastigen Boden mit zahllosen
Schwierigkeiten im Fortkommen zu kämpfen. Wir begegneten aus Marokana
kommenden und auf die Jagd ausgehenden Barolongen und knüpften mit ihnen
Verhandlungen über den Austausch einiger Zugthiere an, die indeß
resultatslos waren, da die Barolongen in einem Athem ihre Forderungen
hinaufschraubten und Schließlich 8 £ St. für je ein Thier begehrten.

Am folgenden Tage, den 23., verließ ich, von F. und einem unserer
Schwarzen (Boy) begleitet, den Wagen, um zu jagen. Ich beobachtete auf
diesem Jagdausfluge, daß die Springbockgazelle ihre Kälbchen den Tag
hindurch sich selbst überläßt, oft sich auf weite Strecken entfernt und
erst gegen Abend zu den Kleinen zurückkehrt und dann bis gegen
Sonnenaufgang bei ihnen verbleibt. Geht man ruhig durch das zwei Fuß
hohe Gras jener Ebenen, so kann man sich den im Grase verborgenen
Thieren bis auf 20-25 Schritte nähern, ohne im Geringsten ihre Gegenwart
zu bemerken. Die schönen Thierchen bleiben, ohne sich gleich den
Orbekigazellen, um dem Beobachter zu entgehen, flach ausgestreckt auf
den Boden zu legen, selbst im kurzen Grase völlig unbemerkt.

Nachmittags kamen wir auf einen nach Norden führenden Weg, der sich
später als die Verbindungsstraße zwischen Mamusa und Konana
herausstellte und dem wir auch folgten. Dieser Weg bestand in einem
vielleicht vor drei Monaten zuletzt befahrenen Geleise und schien auch
häufig als Fußpfad von den Eingebornen benutzt zu sein. Wir waren an den
Rand einer von Osten nach Westen unabsehbaren, nach Norden zu in ihrer
Mitte von Höhenkuppen begrenzten und nach dieser Richtung in der
Entfernung einiger Meilen von isolirten Gehölzen unterbrochenen Ebene
gelangt. Abend und Nacht waren ungewöhnlich schön, der bleiche Mond mit
einem Nebelkreis um seine runde Scheibe lächelte so freundlich und die
flimmernden Sternlein blickten so hell zur Erde, daß ich trotz der
Müdigkeit stundenlang die Pracht dieser Nacht bewunderte. Meine
Gefährten hatten einer nach dem Andern sich in Morpheus Arme geworfen.
Nur die Hunde blieben bei mir, ich konnte mich von der dunklen, mit
einem grauen Schimmer--dem Abglanz von Luna's Strahlen--übergossenen
unabsehbaren Fläche und dem leuchtenden Gestirn über mir nicht trennen.

Eine plötzliche Bewegung Niger's riß mich aus meinen Gedanken. Von
»Onkel«, einem zweiten Hunde gefolgt, sprang Niger einige Schritte
vorwärts und fing an zu knurren. Ich sollte über die Ursache dessen
nicht lange im Zweifel bleiben. In die Stille der Nacht tönte von der
etwas niedriger liegenden Ebene vor mir ein langgezogenes, äußerst
unangenehmes, klagendes Geheul. Der häßliche Laut, dieses tiefe,
entfernte Stöhnen einer gefleckten Hyäne fiel wie ein Mißton in die
Idylle der schönen Nacht um mich. Eben im Begriffe, es meinen Gefährten
gleichzuthun, die alle bereits im Reiche der Träume lebten, wurde ich
durch die gesteigerte Unruhe der Hunde auf die Annäherung der Raubthiere
aufmerksam und faßte den Entschluß, auf diese lästigen Ruhestörer Jagd
zu machen. Ich kroch zu Pit und Boy, rüttelte sie auf und hieß sie die
Hunde halten, holte dann Gewehr und Munition aus dem Wagen, weckte F.
auf und ohne mich mehr nach ihm umzusehen, hielt ich nach der Richtung
zu, von der mir das Geheul zu kommen schien. Die Hunde am Wagen gaben
aber den Dienern tüchtig zu schaffen, da die afrikanischen Hunde die
Hyäne stets als ihren Erzfeind betrachten und sie anzugreifen suchen.
Theils gebeugt, theils auf Händen und Füßen vorwärts schleichend, hatte
ich etwa 100 Schritte zurückgelegt, als mir ein dumpfes Knurren auffiel.
Ich hielt an, legte mich flach hinter einen der niedrigen Termitenhügel
und nachdem ich mich umgesehen, ob alles auch hinter mir in Ordnung sei,
legte ich den Hinterlader zum Schusse bereit neben mir nieder. Das
Knurren kam näher, doch schien es mir mehr wie ein Scharren denn ein
Knurren--vielleicht ein Stachelschwein oder Erdferkel? »Hu--hu,« tönt es
plötzlich vor mir, und das »Hu--hu« wiederholt sich, noch ein zweites
und tieferes, dann ein Scharren und Knurren, alles klar und deutlich
hörbar und doch vermag ich nichts zu sehen.

[Illustration: Hyänenjagd.]

Vergebens beuge ich mich mit dem halben Körper über den Hügel, ich sehe
nichts als Termitenhügel--es wird stille. Das Knurren und Scharren hört
auf und ich mußte annehmen, daß ich durch meine Unvorsichtigkeit die
Raubthiere verscheucht hatte--ich hocke mich wieder hinter den Erdhügel
nieder und verhalte mich still, um selbst die leiseste Annäherung der
Thiere wahrnehmen zu können. Doch ich harre vergebens, einige Termiten
machen mir das Liegen recht unbequem, ja unmöglich. Plötzlich erschallt,
kaum einige Dutzend Schritte vor mir das Doppelgeheul und das grunzende
Stöhnen abscheulicher wie je--doch trotz Mondscheins und der äußersten
Anstrengung meiner Sehkraft kann ich nichts erspähen, nichts als
Termitenhaufen starren mich an. In diesem spannungsvollen Momente
vernahm ich ein Rauschen, ein Knurren und Fauchen hinter mir, mich
umwendend, will ich schon losdrücken, ich sehe eben einen dunklen
Gegenstand an mir vorübergleiten, als glücklicher Weise ein bekanntes
Gebell mich rechtzeitig an den Irrthum mahnt, den ich mit dem
Niederstrecken eines meiner Hunde begangen hätte. Bei dem letzten Geheul
der Hyäne hatte sich Niger losgerissen und Boy, fürchtend, daß die Hyäne
den Hund erwürgen könnte, hatte sofort auch dem starken Onkel die
Freiheit gegeben, der nun in Sätzen nach Niger gesprungen kam. Sie
jagten die Ebene weit nach abwärts, doch die Hyänen waren rechtzeitig
geflüchtet und verdrießlich mußte ich den Rückzug antreten.

[Illustration: Von acht Löwen überrascht.]

Unter den südafrikanischen Raubthieren ist die gefleckte Hyäne in Bezug
auf Lebenskraft das zäheste Thier, sowohl dem Hunger, als auch den
schlimmsten Verwundungen setzt ihr Organismus zähen Widerstand entgegen.
In einem Falle war einer Hyäne am Schascha-River (Matabele-Land) durch
einen Streifschuß der Unterleib aufgeschlitzt worden, so daß die
Eingeweide heraushingen, trotzdem lief sie noch lange, mindestens die
doppelte Zeit als es ein anderes Säugethier ausgehalten hätte, um
dieselbe Einfriedigung, aus welcher der Schuß gefallen war. Die in
Gangrän übergegangene Wunde eines durch eine Löwin verwundeten
Bamanquato hatte sie angezogen. Ich werde noch mehrmals Gelegenheit
haben, auf diese Raubthiere zurückzukommen.

Nächsten Morgens fanden wir uns am Rande eines die eben durchschrittene
Ebene nach Norden begrenzenden Gehölzes. Wir fanden hier einige elende
Hütten aus in die Erde eingetriebenen und mit Gras überworfenen Aesten
errichtet, welche von Jochoms, einem Zweigstamme der Makalahari, bewohnt
wurden. Diese Eingebogen waren Vasallen eines eine Stunde weit ab in
einem anderen Gehölze wohnenden Barolongen, mit Namen Mokalana, beide
Gehöftgruppen führten auch den Namen des Besitzers. Es wiederholt sich
unter den Betschuana's häufig, daß neue Städte und Dörfer, nach dem
Erbauer oder Besitzer benannt werden, eine Gepflogenheit, die oft zu
Irrungen Anlaß gibt, indem ein Ort zuweilen zwei bis drei Namen, seinen
herkömmlichen, den nach dem letzten und den nach dem gegenwärtigen
Häuptling führt, oder daß der Häuptling seinen Wohnsitz ändert und
einige Meilen weit ab eine zweite gleichnamige Stadt erbaut. Die Jochoms
hatten eine Heerde Kühe und Schafe zu hüten und zugleich für ihren Herrn
und Gebieter zu jagen. Zu letzterem Zwecke hatten sie einige Pferde zu
Gebote und schienen sich weit besser im Sattel zu fühlen als je ein
Betschuana.

Für das Geschenk eines Taschenmessers bewog ich einen der Eingebornen zu
dem »Baß« zu reiten und ihn zu ersuchen, mir gegen Geldentschädigung und
Munition einige junge Ochsen gegen unsere matteren auszutauschen.
Während unseres Imbisses sahen wir einen Makalahari hoch zu Rosse von
der Jagd heimkehren. Der nur in glatt gargearbeitete Lederstücke
gehüllte und mit Assagaien, die mit ihrem unteren Schaftende in eine
Ledertasche am Steigbügel eingelassen waren, bewaffnete rothbraune Sohn
der südafrikanischen Hochebene sah ganz stattlich aus, er ritt eine
starke Fuchsstute und hatte vorne über seinen primitiven Sattel und den
Nacken des Pferdes einen Bläßbock liegen. Dem von Jugend auf an die
Ebene, ihr hohes meist in Büscheln wachsendes Gras, ihre zahllosen,
kleinen und größeren Löcher gewöhnten Pferde die Zügel lassend, jagt der
Reiter der flüchtigen Heerde nach (Springböcke sind zu rasch für ihn, um
sie vollkommen einzuholen), bis er sie nach einem halbstündigen Ritte
eingeholt, dann ist der Assagaie auch schon wurfbereit und bohrt sich in
das Thier, an dem er vorübersaust; der Jäger begnügt sich mit diesem
einen und verfolgt fast nie ein zweites, sondern wendet das Pferd und
wirft seinen zweiten Wurfspeer, der dem flüchtigen Thiere meist den
Garaus macht. Je weniger Wunden, desto gnädiger wird das Fell von dem
Baß entgegen genommen.

Da der ausgesandte Bote nicht kam, ließ ich einspannen. Kaum hatten sich
jedoch meine Diener an diese Arbeit gemacht, als einer der Makalahari
den von der Ferne ankommenden Genossen entdeckte. Die Antwort lautete
dahin, daß der Baß nur ein Gespann (Zug) Ochsen hätte, die er selbst
benöthige, daß er uns aber ein Schaf für einen Becher Schießpulver
(etwas über ein Pfund) geben wolle. Ich nahm dieses Anerbieten an und
erhielt einen feisten »Fettschwanz« für die geforderte Quantität
Schießpulver, dem ich einige Kleinigkeiten (Feuerdosen, Kettchen, Nadeln
etc.) als Geschenk beifügte, das zu entgegnen die Makalahari sich
beeilten und mir einige Protelesfelle und einige Bläßbock- und
Hartebeesthörner überbrachten.

Der Morgen des folgenden Tages brachte mir eine sehr unangenehme
Ueberraschung, eines der Zugthiere war verendet, es blieb mir nun nichts
übrig, als die schwere Last des Wagens den übrigen drei Zugthierpaaren
aufzubürden. In das Thal, das wir nun verfolgten, mündeten einige
Querthäler, deren Sohle bebaute Felder bedeckten; nach einigen Meilen
gelangten wir in ein von Süden nach Norden sich erstreckendes Thal, das
uns von einigen vorübergehenden Koranna's als das des Konana-Rivers,
welcher sich durch ein Höhenland nach dem Maretsane zuwendet, bezeichnet
wurde. Dieses Höhenland wird von Koranna's und Barolongen sowie deren
Vasallen bewohnt und steht unter der Gerechtsame des Häuptlings Schebor,
der selbst wieder Montsua's Unterthan ist.

[Illustration: Jochom-Makalahari einen Bläßbock jagend.]

Nach einer einige englische Meilen langen Fahrt kamen wir zu dem sich in
einem Höhensattel und am Abhange mit Bäumen bestandener Höhen
ausbreitenden, an 1000 Einwohner zählenden Konana. Auf einer freien, von
der Stadt nach Osten und nach dem tiefen, engen Thale des Konana-Rivers
abfallenden Lehne sich ausbreitenden Rasenstelle hielt ich an, um mit
meinem Wagen besser die Aufmerksamkeit der Bewohner auf uns zu lenken,
denn ich hoffte hier einige frische Zugthiere eintauschen zu können. Es
währte auch nicht lange und wir waren von zahlreichen Besuchern
belagert, unter welchen die Koranna's das Hauptcontingent stellten. Ich
hatte vor dem Wagen einige der auszutauschenden, ursprünglich für den
Kauf von ethnographischen Gegenständen bestimmten Waaren ausgebreitet.
Es waren ein guter Plüsch-Anzug, ein Paar Schuhe, zwei bunte Wollhemden,
ein Hut, ein halbes Dutzend Taschentücher und eine halbe Rolle Tabak.
Der Häuptling des Dorfes kam selbst, um die Waaren zu besehen, und trank
eine Tasse Kaffee mit uns, doch die Leute zeigten keine Neigung, auf
meinen beabsichtigten Tausch einzugehen. Von einem der Barolongen kaufte
ich für ein Kalikohemd eine Holzschüssel, von einem Anderen für einen
Becher Schießpulver zwei Kiri's und zwei Schakalfelle, von einer Frau
zwei aus Glasperlen gearbeitete Schmucksachen. Von einigen der Besucher
erfuhren wir, daß die umliegenden Höhen, wie auch jene am Setlagole- und
Maretsane-Flüßchen zahlreiche Löwen beherbergen. Die Löwen waren hier so
dreist und dies namentlich (was ich bestätigt fand), weil sie oft den
Knall des Gewehres zu hören bekamen und an des Menschen Anblick gewöhnt
waren. Obgleich die Umgegend von Wild wimmelte, bekundeten die Könige
des Waldes trotzdem eine besondere Vorliebe für die Heerden des
Menschen.

Einer der Barolongen brachte mir das Fell eines nicht vollkommen
ausgewachsenen Löwen, für das er 3 £ St. in Gold begehrte. Ich bot einen
alten Rock dafür, doch er bestand auf dem geforderten Preis, da er schon
früher ein anderes Löwenfell in Klipdrift für 3 £ St. verkauft hatte.
Ich rieth ihm an, es auf den Rücken zu nehmen und damit nach Klipdrift
zu wandern, eine Zumuthung, die den Barolongen in Aufregung versetzte.
Um mich vielleicht nachgiebiger zu stimmen, begann sein Freund mir in
wahrhaft mustergiltigem Holländisch zu erzählen, auf welche Art der
schmollende Gefährte zu diesem Löwenfelle gekommen sei.[1]

    1: Ich lasse hier absichtlich den vollen Wortlaut dieser Erzählung
    folgen, um die Umständlichkeit der Eingebornen bei solchen Anlässen
    zu charakterisiren.

»Der Mann,« meinte unser Vis-à-vis und zeigte auf den grollenden Helden,
»hatte blos eine Kuh, die Kuh war sein, auch hat er zwei Frauen und ein
gutes Stück Feld. Ein Hirt, der noch andere Rinder aus dem Dorfe zu
beaufsichtigen hatte, hütete auch die Kuh. Dieser Junge kommt nun eines
Tages gelaufen und klagt unter Heulen, daß ein Löwe die Kuh erwürgt
hätte. Mein Gefährte lud schweigend sein Gewehr und folgte dem Jungen,
der das Pulverhorn tragen mußte. An einer Stelle, von welcher man den
Löwen und sein Opfer erblicken konnte, kroch mein Freund auf einen Baum,
um Rundschau zu halten. Ja, dort sah er die Kuh liegen, aber keinen
Löwen dabei. Mein »Bruder« näherte sich deshalb und kroch mit dem Jungen
auf einen nahen Baum, von welchem herab er den Räuber wie eine Meerkatje
(Scharrthier) todtschießen wollte. Mein armer »Bruder« hatte bis zum
nächsten Morgen auf dem Baume zu sitzen, er wollte gegen den Abend
heruntersteigen, da es ihm auf dem Dornbaume--er saß da drinnen (der
Erzähler ahmte mit ausgespreizten Fingern eine Gabel nach)--nicht gefiel
und sein Körper »hart« (steif) wurde, doch dachte er wieder auf die
Abends aus den Gebüschen ausbrechenden Löwen und so blieb er mit dem
Jungen, der, weil ihm die Füße von dem Stehen auf einem dünnen Aste
schmerzhaft geworden waren, fürchterlich heulte. In der Nacht kamen sie,
»_nicht einer_« (der Erzähler warf sich in die Brust), sondern viele (er
begann von dem kleinen Finger der linken Hand nach rechts zu zählen),
acht Löwen, he Makoa (Weißer)--acht Löwen!« Dabei sah er sich nach
meinen Gefährten und den Dienern um, ob es wohl auch alle gehört hätten
und wiederholte »acht Löwen«, wobei er sich etwas bückte, den Körper
vorstreckte und beide Hände vor sich haltend mit acht Fingern die Zahl
noch deutlicher zu verdolmetschen suchte, während sein Freund finster
dareinblickend, noch immer ob der vorerwähnten Zumuthung beleidigt,
unaufhörlich etwas in sich hineinmurmelte, wovon nur die Worte dree
pund--dree pund (drei Pfund) hörbar waren.

Nachdem sich der Erzähler vergewissert hatte, daß wir alle die acht
Löwen begriffen hatten, setzte er seinen Bericht fort. »Mein Bruder am
Baume und das Kind bei ihm wollten keinen Löwen vor Tagesanbruch
todtschießen; erst dann schoß der Mann auf einen, dessen Haut hier liegt
und der zu dem Baume gekommen war, um sich mit dem Schädel daran zu
reiben. Mein Bruder hielt sich mit den Füßen auf dem Baume und nachdem
er dem Jungen zugeschrieen, sich mit Hand und Fuß festzuhalten, um nicht
durch den Schrecken, den in ihm der Schuß hervorrufen könnte, herunter
zu fallen, legte er an. »Tla-bumm« (hier folgte ein tüchtiger Schnalzer
mit den Fingern, der den Schuß versinnlichen sollte) und (der Erzähler
ahmte nun das Fallen nach) det Leu wat dod, morsh dod (der Löwe war
todt, mausetodt). Die Andern aber grollten und brüllten und wiesen
meinem Bruder und dem Kinde die Zähne so grimmig, daß dieses wieder zu
heulen begann. Allein als die Sonne warm wurde und sie die Kuh abgenagt
hatten, liefen sie davon. Mein Freund aber sprang herab, ließ den Jungen
als Schildwache auf dem Baume und zog die Haut des geschossenen Löwen
ab, die er dann heimbrachte und für die er 3 £ St. bekommen mut (muß),
weil die Löwen seine einzige Kuh erwürgt haben, er konnte nicht einmal
ihr Fell brauchen. Zudem bekam mein Bruder 3 £ St. für das Fell eines
Löwen, welcher _keine_ Kuh getödtet hatte.«

[Illustration: Erzählender Barolonge.]

[Illustration: Der Betschuana findet seinen zerfleischten Bruder.]

»Und warum hat denn Dein »Bruder« nicht alle die Löwen erschossen?«--Der
Berichterstatter wandte sich nach den nach immer grollend dastehenden
Gefährten und dieser, der sich durch die Frage beleidigt hielt,
antwortete in der Setschuana mit vor Zorn entstellten Zügen. »Sagte
nicht das Kind als es zu mir kam. »Ra« (Vater, Herr), ein Löwe hat Deine
Kuh erwürgt? Und so nahm ich _eine_ Kugel mit.« Darauf ergriff er seine
Löwenhaut und trug sie von dannen.

Auch Schebor, der später hinzutretende Häuptling, betätigte, daß die
Löwen in den Büschen und auf den Höhen an den drei Flüssen Konana,
Setlagole und Maretsane »schlimm« (böse) seien und ihm schon so Manchen
seines Volkes, so manches seiner Rinder getödtet hätten. Er ermahnte
uns, namentlich während der Auffahrt auf die gegenüberliegenden
bebuschten Höhen vorsichtig zu sein, da diese ein besonders beliebter
Aufenthalt der Löwen seien. Er berichtete mir folgenden traurigen Fall,
der sich an diesen Flüssen zugetragen und der mir auch später in
Linokana (Stadt der Baharutse) wiedererzählt wurde.

Eine Schaar Eingeborner aus der Nähe von Maraba (Maraba's Stadt)
passirte auf ihrem Wege nach den Diamantenfeldern jene Gegend. Diese
Menschen, die oft ihre Heimat (z.B. das Makalakaland, von den
Diamantenfeldern über 800 englische Meilen entfernt) nur mit einem
Assagai und einem Stück Fell ausgerüstet verlassen und sich auf der
ganzen langen Strecke bis nach den Diamantenfeldern nur von Wurzeln,
wilden Früchten, nur hie und da vom Fleische kleinerer Wildbeute
ernähren, bieten häufig dem Reisenden, der mit ihnen auf seiner
Wanderung nach Norden zusammentrifft, einen Anblick, der den
Hartherzigen erweichen müßte. Es sind förmlich zu Skeletten abgemagerte,
oft tagelang hungernde Gestalten, die ihres Weges dahinschleichen und
die den Hunger dadurch bekämpfen, daß sie die Leibriemen, die meist
neben dem Stückchen Fell ihre einzige Bekleidung bilden, fester
zusammenziehen. Eine solche Schaar war auf ihrem Marsche bis an den
benachbarten Setlagolefluß gekommen. Wie gewöhnlich folgte Einer dem
Andern auf dem von den Eingebornen dieser Gegend benützten Pfade. Der
Kräftigste, noch Ungebeugteste, übernahm die Führung, die Schwächeren
blieben zurück, der schwächste, oder ein Kranker _sich selbst
überlassen_, gewöhnlich als letzter weit hinter seinen Genossen. Bei
dieser Schaar befanden sich zwei Brüder, von denen der eine seit acht
Tagen schon der »letzte« war. Am Ufer des Setlagole angekommen, wollte
sich die Schaar etwas ausruhen und fahndete nach rübenartig geformten
Knollen, die auf Kohlenfeuer gebraten, den ersehnten Nachtimbiß liefern
sollten. Das Ufer des Flusses erwies sich an solchen so ergiebig, daß
man hier zu übernachten beschloß. Der gewöhnliche Kreis schloß sich
jedoch diesen Abend nicht vollkommen--einer der dunklen Männer fehlte.
Sie sahen sich gegenseitig an, worauf Einer, des Vermißten leiblicher
Bruder, aufstand, seine und des Bruders Knollen in sein kleines Fell
nahm, das er sich von der Schulter zog, den Assagai ergriff und seinen
Bruder suchen ging. Die Uebrigen setzten sich näher zum Feuer, schlossen
den Kreis, verzehrten ihren Imbiß und nachdem sie mehrere Feuer
errichtet, legten sie sich zwischen diese und ein Gebüsch zur
wohlverdienten Ruhe.

Der kranke, durch Hunger geschwächte, von wunden Füßen gequälte
Betschuana (ein Batloka) mußte häufig ausruhen und so war er vom rechten
Pfade abgekommen und einem gefolgt, der in einen felsigen, durch
zahllose Kareebäume und Büsche zu einem stellenweisen Dickicht
umgewandelten und unter den Eingebornen als Löwenhöhle notorisch
bekannten Thalstrich führte. Unter einer blühenden, schattigen Mimose
ausruhend, wurde der Arme durch einen plötzlichen Sprung von einem dem
ganzen Schwarm seiner Freunde und ihm unbemerkt folgenden Löwen
niedergeworfen und im nächsten Momente auch getödtet.

Sein Bruder geht den Pfad zurück, läuft im Grase, um desto deutlicher
die Stelle zu erkennen, an der die Fußspuren den Pfad verlassen, er
findet die Stelle und den Irrpfad, den der Kranke eingeschlagen, doch er
sieht auch schon des Löwen Spur im Sande. Statt umzukehren und die Hilfe
der Genossen anzusprechen, eilt er vorwärts--er hat ja eine Waffe, doch
was ist diese Waffe in der Hand eines Halbverhungerten gegen einen
Löwen, der schon warmes Menschenfleisch genossen und Blut gerochen? So
kommt er zu der Stelle wo der Bruder ohne Gegenwehr von dem Löwen
getödtet wurde, des Bruders Stock liegt auf der Erde--die Leiche selbst
mußte von dem Löwen fortgeschleppt worden sein--er blickt herum, geht
einige Schritte--dort des Bruders aus Stroh geflochtener Hut und sein
Kürbißgefäß, er springt näher, um einen Baum herum--unter diesem liegt
die halbbenagte Leiche des Gesuchten. Ein Schrei dringt durch die Stille
des Abends am Setlagole-Ufer. Aber auch der Löwe, der den Ankömmling
schon lange bemerkt, hatte sich hinter ein nahes Gebüsch in Hinterhalt
gelegt und sein zweites Opfer in dem Momente erfaßt, als es sich über
den zerfleischten Körper seines Bruders zu werfen im Begriffe war.

Am folgenden Morgen als die Batloka's aufwachten und sich zur
Weiterreise rüsteten, vermißte man die beiden Brüder. Nichts Gutes
ahnend, liefen erst einige zu einem, am anderen Ufer einige hundert
Schritte abseits liegenden Barolongen-Gehöfte, um sich Hilfe, d.h.
Männer mit Gewehren zu erbitten, die man ihnen auch bereitwilligst
mitgab. Man folgte dem Pfade, fand die Löwenspur theilweise von den
Fußspuren des zweiten Bruders verwischt und endlich beide Leichen; die
Leute konnten auch deutlich wahrnehmen, daß das Raubthier erst vor sehr
kurzer Zeit, wahrscheinlich vor den lärmenden Menschen zurückweichend,
den Ort verlassen haben mußte. Man nahm nun seine Spur auf und folgte
ihr 500 Schritte weit längs des Flußufers. Bei einer Biegung glaubten
einige in den Vaalbüschen einen gelbschimmernden Gegenstand zu sehen,
riefen die Uebrigen herbei und obgleich man den Gegenstand nicht für
einen Löwen hielt, schlugen sämmtliche Schützen auf das kleine Gebüsch,
respective das gelb durchscheinende Object an und drückten los. Das
Erstaunen aber war groß, als sie einen ausgewachsen, männlichen, von
sechs Kugeln durchbohrten Löwen todt im Gebüsche vorfanden.[1]

    1: Siehe Anhang 16.

Drei Meilen von Konana auf dem gegenüberliegenden Abhange (nachdem wir
den zur Zeit unseres Besuches bis auf einige Lachen trockenen Fluß
durchschritten hatten) wählten wir uns einen Lagerplatz aus und trafen
alle nöthigen Vorkehrungen, um etwaigen Ueberraschungen von Seite der
Löwen vorzubeugen. Am nächsten Morgen--es war ein wahrhaft lieblicher,
klarer Morgen--drangen die goldenen Strahlen warm durch die Zweige über
uns und ermunterten die in diesen Zweigen sich tummelnde gefiederte Welt
zur Eröffnung ihres Concertes. Namentlich zahlreich waren Würgerarten,
kleinere Singvögel und Tockus plavirostris (Tukans) vertreten.--Die
Fahrt ging sehr langsam von statten, da wir den Zugthieren oft einige
Rast gönnen mußten und die dichtbebuschte Strecke nur vorsichtig
durchfahren werden konnte. Ohne eines der königlichen Thiere auch nur
ansichtig zu werden, traten wir nach einigen Stunden aus der bebuschten
Partie des Weges heraus. Unvergeßlich wird mir und meinen Gefährten der
Ausblick auf die Gegend bleiben, der sich uns nun darbot, als wir einen
freien Ueberblick über die sich vor uns ausbreitende Hochebene gewannen.
Tage wie der 26. November 1873 werden mir, als Jagdfreund, doch in
höherem Grade als Beobachter des freien Thierlebens, mein ganzes Leben
hindurch in frischem, unvergeßlichem Angedenken bleiben und mich manche
bittere Erfahrung vollkommen vergessen lassen, sie mögen auch dem
geehrten Leser meine Sehnsucht, nach jenen Gefilden zurückzukehren,
begreiflich erscheinen lassen.

Auf die Höhe des Plateaus gelangt, sahen wir eine etwa 20 Meilen lange,
von Süden nach Norden sich hinziehende, nach Osten von einigen
Mimosengehölzen begrenzte und hier durch freie Zwischenräume mit einer
nachbarlichen zusammenhängende, 6-7 englische Meilen breite Grasebene.
Dieser mit zahllosen röthlichbraunen, niedrigen Termitenhügeln bedeckte
und von frischem, kurz zuvor aufgesproßtem und nur stellenweise, wie in
der Nähe der Wassertümpel, aus hohem Gras gebildete, dunkelgrüne Teppich
war durch Tausende von Thieren aller Gattungen belebt. Dunkelbraun und
schwarz, rothbraun und hellbraun, gelblich und gescheckt waren die
Farben der Roben, mit denen Mutter Natur die hier versammelte
Gesellschaft bekleidet hatte. Es waren meist schwarze und gestreifte
Gnu's, Bläßböcke und Hartebeest-Antilopen, Springbockgazellen und
Zebra's (Quagga's). Die einen grasend, die andern einander neckend und
spielend, dort eine Heerde Gnu's eines hinter dem andern wie in tiefes
Nachdenken versunken gemächlich dahinschreitend. In ähnlicher Weise
grasten mehrere Bläßbockheerden, während eine uns zunächst stehende,
etwa 150 Thiere starke Zebraheerde, sich in weitem Bogen langsam nach
dem Süden zu bewegte. Zahllose Hartebeeste weideten in kleineren Heerden
und, wie immer, näher an den Gebüschen, schwarze Gnu's in Rudeln von
10-80 Stück über die ganze Ebene zerstreut, während es zwischen ihnen
und den Zebra's, ja überall, wohin man auch sehen mochte, von
Springbockgazellen wimmelte. Eine artenreiche Vogelwelt brachte in
dieses reizende Bild erhöhte Bewegung. Vor Allem waren es die großen
Trappen Eupedotis Kaffra und Kori zwei der schon oft erwähnten
Zwergtrappen, Chenalopes, Enten, Kibitze, Ibise, Kraniche, Fischreiher,
Regenpfeifer und viele andere, welche durch ihr buntes Gefieder und ihre
schlanken Gestalten, durch ihren meist nahe über den Boden
dahinstreichenden Flug und durch ihr in allen Modulationen ertönendes
Gepfeife und Geschnatter in die Augen sprangen.

Obwohl ich auf der ersten Reise so manche Scene südafrikanischen
Thierlebens gesehen, dieses Bild auf dem zwischen der von mir
Jungmanns-Pfanne benannten Salzpfanne und dem Konanaflüßchen gelegenen
Hochplateau übertraf die kühnste Phantasie, es mußte selbst den
Gleichgiltigsten zum Naturfreunde machen. Nachdem wir uns--unsere armen,
müden Zugthiere völlig vergessend--wohl eine Stunde lang an diesem
Anblick geweidet hatten, beriethen wir uns über die Wahl eines
geeigneten Lagerplatzes. Der eben genossene Anblick hatte in mir den
Entschluß gereift, hier einige Tage zu verweilen.

Diese Ebene reicht mit anderen zusammenhängenden bis gegen den oberen
Hart-River nach Osten, bis zum Maretsane-Fluß nach Norden und bis gegen
Mamusa nach Süden, bedeckt einen riesigen Flächenraum und gehört zum
größten Theile zum Gebiete des Königs Montsua. Sie hat keinen merklichen
Abfall, kaum hinreichend, daß das überschüssige Regenwasser mit Ausnahme
der unmittelbaren Uferpartien einen Abfluß nach dem Hart-River, dem
Maretsane, Konana und Mokara findet, daher treffen wir auf derselben
zahlreiche größere und kleinere Salzseen und eine Unmasse seichter
Vertiefungen, die zur Regenzeit durch Wasserlachen gefüllt sind. Diese
Salzpfannen scheinen zum Gedeihen des Wildes wesentlich beizutragen.

Eine solche Vertiefung, etwa drei Meilen von der Stelle, wo wir standen,
wurde zum Lagerplatze auserwählt. Als wir mit unserem Wagen durch die
Ebene zogen, waren es zuerst die Zebra's und die Bläßbockantilopen,
welche die Flucht ergriffen; einige der zahlreicheren Heerden, wie die
Zebra's, jagten gegen eines der Gehölze, um durch eine der vielen
Lichtungen in demselben auf die nächste Ebene zu flüchten.

Am Nachmittag machte ich mit E. und B. einen Ausflug in südlicher
Richtung, wobei wir Gelegenheit hatten, die Gnu's ziemlich nahe
beobachten zu können, einige der Thiere blieben ohne Scheu stehen,
andere rannten südwärts, als wir auf der Rückkehr etwas näher an das
eine Gehölz herantraten, setzten sich sämmtliche Thiere--eine wenigstens
300 Stück zählende Gnuheerde--eine hohe Staubwolke aufwirbelnd, in
Bewegung und wandten sich an uns vorbei nach Süden (windabwärts). Das
interessante Schauspiel wiederholte sich auch am folgenden Morgen und
war durch eine nicht weniger anziehende Fata Morgana noch erhöht, welche
die einzelnen Thiere riesig gestaltete und die hüpfende Bewegung ihres
Laufes in den über dem fernen Horizonte liegenden Luftschichten
widerspiegelte.

Am folgenden Abend beschlossen wir an einem der zahlreichen, von den
Regenlachen gebildeten, seichten Löcher auf den Anstand auszugehen.
Deutlich konnten wir das Brummen der Gnu-Stiere hören, die ihre Heerden
nach den Lachen zur Tränke führten. Am Morgen versuchten wir im
südlichen Theile der Ebene eine Treibjagd, doch ohne Erfolg. F. und Pit
hatten eine falsche Richtung eingeschlagen, und das Wild benützte eine
entstandene, etwa 360 Schritte breite Lücke, um durchzujagen.

Zum Wagen zurückgekehrt fanden wir einige Barolongen, die von Konana
kamen und auf eines der Mimosengehölze lossteuerten, in dem schon ihre
Gefährten bei der beabsichtigten Treibjagd harrten. Sie trugen uns ihre
Hilfe an, von der ich jedoch keinen Gebrauch machte, da ich weniger der
Jagd als vielmehr der Beobachtung der Wildspecies obliegen wollte.
Endlich kam der Abend und mit ihm eine Nacht, die mir ebenso
unvergeßlich bleiben wird, wie der vorhergehende Tag, unstreitig die
schlimmste Nacht in der ersten Hälfte meiner zweiten Reise. Bei Anbruch
der Nacht war ich mit Boly ausgegangen, wir hielten uns nahe an unserem
Bestimmungsorte und Jeder von uns suchte es sich in dem engen Erdloche
so bequem wie möglich zu machen. Da ich mich kriechend einer Lache
genähert, gelang es mir, meinen Platz einzunehmen, ohne die Vögel an dem
Gewässer aufzuscheuchen. Dieser Vielen vielleicht unscheinbar dünkende
Umstand ist aber für den Jäger auf den südafrikanischen Ebenen insoferne
wichtig, als die aufgescheuchte Vogelwelt solch ein Zetergeschrei
erhebt, daß das Wild, auf eine nahende Gefahr aufmerksam gemacht wird
und dann die gewöhnlichen Pfade meidet.

[Illustration: Wild auf den Quaggaflats.]

Die Nacht war ziemlich dunkel, im Norden blitzte es unaufhörlich, ein
Gewitter zog dort nach Osten zu. Außer dem zeitweiligen Gepfeife und
Geschnatter in dem Gewässer vor mir war die Stille um mich nicht
unterbrochen; einigemale schien es mir, als ob ich das Grunzen des
schwarzen Gnu's hören würde, doch es mochte nur Einbildung sein, die
meine Gedanken in der Erwartung dieser Thiere eben nur auf sie
concentrirte. Einmal hörte ich deutlich das Schlürfen von Wasser,
ähnlich wie es die Hunde thun, ich strengte mich an, den Gegenstand zu
erkennen, doch war dies nicht möglich, es mochte wohl ein Schakal sein,
der sich mir windabwärts genähert hatte.

Ich lauschte noch in der Stille der Nacht hin, als ich plötzlich das
erwartete Grunzen vernahm. Ich richtete mich etwas auf, um desto
deutlicher hören zu können, richtig, ja das sind schwarze Gnu's; ich
lege das Ohr an eine vom Gras entblößte harte Stelle und vernahm
deutlich den dumpfen Schall, den eine auf dem Wildpfade dahinschreitende
Gnuheerde hervorbringt.

Freudig und in gehobener Stimmung ducke ich mich wieder nieder, sowie
ich jedoch wieder aufschaue und mit dem Blicke die Richtung suche, in
der ich die Annäherung des Wildes erwartete, blizt es ziemlich hoch am
nördlichen Himmel auf, dort, wo ich zuvor das Gewitter beobachtet.

Ich unterschied ein mehrstimmiges Brummen und etwas später erschien ein
dunkler Gegenstand am gegenüberliegenden Ufer der Lache. Das Gnu ging um
das Gewässer nach mir zu, kehrte um, kam wieder zurück und nun sah ich
es von mehreren anderen gefolgt. Sie standen eine geraume Zeit, ohne
sich zu nähern, dann trat der Leitstier von einem zweiten Thiere
begleitet vor und kam auf das sandige Ufer zu. Da steht das Thier einige
Schritte vor mir mit dem Kopfe nach mir zugekehrt, daß ich nur diesen
Theil und die Lache darunter sehe. Ich ziele so wie es die Dunkelheit
erlaubte, auf den Schädel und mit einem lauten Krach schlägt die Kugel
ein. Ich springe auf, um meine Jagdbeute zu suchen, ohne mich weiter um
die enteilende Heerde zu kümmern. Doch ich sehe nichts, ich reibe mir
die Augen, mit dem Gewehrlaufe auf der Erde herumtastend, hoffte ich
jeden Augenblick den Körper des gefallenen Thieres zu finden.--Doch
alles war Täuschung. Der Schuß traf, trotzdem war das verwundete Thier
noch mit den anderen geflohen. Das Aufleuchten des Blitzes am nördlichen
Firmament brachte mich wieder zur Besinnung. Ich mußte für diese Nacht
das Jagen aufgeben und zum Wagen zurückkehren.

Boly, der mit mir auf den Anstand gezogen, war noch nicht zurückgekehrt.
Ich ließ F. mit einem Feuerbrande etwa 200 Schritte aufwärts gehen, um
damit den vielleicht irre Gehenden sein richtiges Ziel zu weisen. Allein
F. schwenkte den Feuerbrand bis es zu regnen anfing und noch immer war
von B. nichts zu hören und zu sehen. Der Wind hatte sich inzwischen
gesteigert und bald raste ein wahrer Orkan über die Ebene hin.
Theilweise kam uns nun--und auch später als Blitz auf Blitz auf die
Ebene niederfuhr--unsere etwas tiefere Lage zu Gute, allein sie hatte
auch ihre Schattenseiten. Das Wasser fiel nicht allein in Strömen, es
floß auch in solchen von der Ebene herab in die Tiefe und machte unsere
Lage recht unbequem. Doch es war weniger diese, die uns beunruhigte,
Boly's Zustand machte uns Alle sehr besorgt, sogar die Schwarzen
sprachen von nichts Anderem, als wo doch der Baß B. sein möge. Blitz
folgte auf Blitz, kaum war der Nachhall des einen Donners verhallt,
folgte schon ein anderes Donnergebrüll und dazwischen schlug der Regen,
von der rasenden Windsbraut getragen, so heftig gegen den Wagen an, daß
wir uns kaum durch Schreien einander vernehmbar machen konnten. Die
Atmosphäre war auch bedeutend abgekühlt worden, welcher Temperaturfall
uns nach der furchtbaren Tageshitze und bei den bis auf den Leib
durchnäßten Kleidern durchaus nicht willkommen war.

[Illustration: Gnujagd bei Nacht.]

Stunde auf Stunde verrann, das Gewitter war vorübergezogen, Regen und
Wind hatten sich gemäßigt, endlich hörte der Regen gänzlich auf. Die
Sorge um Boly's Schicksal ließ uns kaum zwei Stunden der Ruhe pflegen,
zu der uns die Müdigkeit zwang. Am frühen Morgen sandte ich einen der
schwarzen Diener nach Boly aus. Schon nach einigen hundert Schritten sah
dieser den Gesuchten kommen, er war über und über mit Koth bedeckt und
sah recht erbärmlich aus. Sein Körper zitterte vor Kälte, doch was uns
alle erstaunte, war, daß er das Gewehr so rein zurückbrachte wie er es
mitgenommen. Der Aermste hatte an einem Termitenhügel zusammengekauert
das Unwetter über sich ergehen lassen müssen und hatte überdies, um
seine Waffe schußbereit zu erhalten, dieselbe mit seiner Jacke
umwickelt.

Am Abend fanden sich einige berittene Barolongen bei uns ein, welche uns
ein Zebra für einen Sack Pulver (5 Pfund Gewicht) und zwei Stangen Blei
(12 Pfund) zum Kaufe anboten. Sie hatten eine Treibjagd veranstaltet,
dabei eine Zebraheerde »eingejagt« und von ihren Pferden eines mit den
Assagaien so verwundet, daß das Thier zurückblieb und von den zu Fuße
mit Gewehren nacheilenden Genossen erlegt wurde. Schon wollte ich den
Kauf eingehen, als ich noch rechtzeitig bemerkte, daß das Fell sehr
beschädigt und zum Präpariren ungeeignet war.

Die gesammten bis nach Mamusa reichenden Ebenen sind von etwa 70, in der
Regel 100-300 Schritte breiten, 200-800 Schritte langen Mimosengehölzen
bedeckt. Beinahe in jedem dieser Gehölze stoßen wir auf eine
Eingebornentruppe, welche über dem Winter oder Sommer auf den
wildreichen Ebenen der Jagd obliegt; trotzdem wird, da die Barolongen
und Batlapinen meist schlechte Schützen sind, höchstens alle 2-4 Tage
ein Stück Wild erlegt.

Die Formation dieser Ebene ist der harte, graue, im südlichen
Transvaal-Gebiete erwähnte Kalkstein, dem hie und da das Vaalgestein
aufliegt, im Gerölle sind häufig Rosenquarzstücke zu finden. An den
Abhängen zum Konanaflusse sah ich mäßige Quarzitadern, einige Fuß hoch
jenen Kalkstein durchbrechend, weithin in ihrer weißlichen Farbe
schimmern.

Am 29. November Morgens machte ich einen Ausflug und kehrte mit einem
Hyänenschädel heim. Im Allgemeinen hatten wir hier eine große Anzahl von
Gnu-, Bläßbock- und Springbock-Schädeln gesammelt. Um Mittagszeit
verließ ich den Ort und zog nach Osten, um den vom östlichen Taung nach
Molema's Town führenden Weg zu treffen und auf diesem meine Reise nach
Norden fortzusetzen. Nach einer sechs Meilen langen Tour hielten wir in
einem Mimosengehölze Rast und trafen mehrere Barolongen, außerdem sahen
wir zahlreiche verlassene Hütten. Um diese Hütten lagen förmliche
Knochenhügel; mit Ausnahme der Hörner waren alle Knochen zerschlagen, es
mußte wohl unzähligen der auf den Ebenen ringsum flüchtigen Thieren das
Leben in den letzten Jahrzehnten gekostet haben, bevor diese
Knochenhaufen aufgestapelt werden konnten. Ich suchte unter den
Knochenresten nach pathologischen Mißformen und fand nur zwei
verunstaltete Hörner. Beide Hörner waren durch Kugelschüsse
abgeschossen, die entstandene Wundfläche zugeheilt und durch neuen
Hornüberzug bedeckt worden; ich fand außerdem ein zum Lederarbeiten von
den Eingebogen gebrauchtes, zugespitztes und durchlöchertes, an einem
Riemchen hängendes Hornstück.

Bei einbrechender Dunkelheit schlugen wir an einem dicht bebuschten, in
der Nähe eines Salzsees sich erhebenden Hügel, unter einigen schattigen
Kaameeldornbäumen unser Nachtlager auf. Der sich unter uns ausbreitende
Salzsee war trocken, allein an seinem Ufer, am Abhange des Hügels und
der Ebene, fanden sich überall süße Quellen, die uns mit reinem
Trinkwasser versahen. Zeitlich am nächsten Morgen machte ich einen
kleinen Gang durch das Gehölz und fand abermals Knochenstätten und
mehrere Gruppen verlassener Jagdhütten der Eingebornen; da ich auch
mehrfach Hasen, Perlhühner, Rebhühner und Deukerantilopen bemerkte,
entschloß ich mich, hier einen Tag zu bleiben. Der Tag war schön und
lohnte meinen Aufenthalt in jeder Beziehung. Vogelbälge, zahlreiche
Schlangen, Insecten und Krustenthiere, doch auch Pflanzen hatten am
Abend meine Sammlungen bereichert. Meine Gefährten erbeuteten so manchen
schönen Vogelbalg, darunter namentlich Bienenfänger, schwarze und kleine
graue Würger, Regenpfeifer etc., während es mir gelang eine Chenalopes
zu überlisten.

Der bewaldete Hügel erhob sich über der westlichen Ecke der Salzpfanne,
doch auch das südliche und nördliche Ufer waren von felsigen, niederen
Höhen begrenzt. Zwischen dem ersteren und den nördlichen Höhen öffnete
sich ein Thal und hier führte ein gegenwärtig trockener Bach von der
Ebene das überschüssige Regenwasser herab, der vorgestrige heftige
Regen, der uns kaum 12 englische Meilen von dieser Stelle entfernt
überraschte, hatte hier keine Spuren hinterlassen, war also, wie immer
in dieser Gegend, im engsten Sinne des Wortes local gewesen. Von der
Höhe herab vernahm ich das Geschnatter mehrerer egyptischer Gänse. Durch
einen Busch am Abhange gedeckt, übersah ich die gesammte Pfanne, folgte
dem Ufer und doch konnte ich nirgends das schreiende Thier zu Gesicht
bekommen. Erst nach langem Suchen erblickte ich das Thier auf dem
hervorragenden Aste einer halbvertrockneten Mimose. Da ich nur mit
kleinem Schrot geladen hatte, mußte ich mich näher anzuschleichen
trachten. Hier durch einen Busch, dort durch einen Block gedeckt, war es
mir gelungen, unbemerkt in das Thal hinabzusteigen. Das Thälchen war mit
niedrigen, blos stellenweise höheren, schütteren Büschen und einigen
wenigen Bäumen bewachsen, doch der Boden war steinig, und ich mußte nun
meine Fußbekleidung zurücklassen und barfuß weiter schleichen. Der Vogel
saß hochaufgerichtet auf dem dicken Aste, gegen den Stamm zu sah ich ein
Nest, welches ich später als das seine erkannte. Auf 60 Schritte
nahegekommen, feuerte ich und erlegte die Gans, deren schöner Balg
meiner Sammlung einverleibt wurde. Die Formation um diese Pfanne, welche
ich Jungmanns Salzsee oder Chuai Jungmann taufte, war ähnlich jener des
Vaalgesteins bei Bloemhof, die Grünsteinblöcke bis drei Kubikfuß groß.

[Illustration: Verlassener Jagdplatz der Barolongen.]

Nach Sonnenuntergang setzten wir unsere Reise wieder fort. Wir
übernachteten auf einer unabsehbaren Ebene, die deutliche Spuren von
Regenlosigkeit trug, der Boden war zersprungen, das Gras so trocken, daß
es bei der Berührung bröckelte, und selbst die dahinjagenden Springböcke
wirbelten Staubwolken auf. Der Wassermangel gab uns auch Veranlassung am
nächsten Tage tüchtig auszugreifen, so daß wir an diesem Tage 18
englische Meilen zurücklegten. Auch das Wild war in diesem wasserarmen,
nördlichen Striche recht spärlich geworden; zweimal trafen wir mit
Barolongentruppen zusammen, welche Schießpulver erhandeln wollten; sie
brachten Milch als Tauschartikel. In Folge ihrer Ungeschicklichkeit als
Jäger und ihrer Arbeitsscheu schauten die Leute recht verhungert aus;
wir gaben ihnen Schießpulver und etwas Beltong (getrocknetes
Wildfleisch). Die Entdeckung einer mit reichlichem Wasser gefüllten
Bodeneinsenkung gab das Signal, den heutigen Marschtag zu beschließen.

[Illustration: Barolongen Zebra's jagend.]

Am Morgen des 1. December wurden wir durch den Besuch eines Boers
überrascht, dessen Mitteilungen uns dahin belehrten, daß wir an der
westlichen Grenze der Transvaal-Republik angelangt waren. Der in der
Nähe unseres Lagers angesiedelte Boer wartete auf den Besuch des
Präsidenten Burger, von dem er endlich Abhilfe von den unausgesetzen
Grenzstreitigkeiten mit den Barolongen erwartete. Er theilte uns auch
mit, daß zwei seiner Söhne in das Innere auf Elephantenjagd ausgezogen
waren und ersuchte uns, ihnen im Begegnungsfalle seine Grüße zu
entbieten. Von dem gesprächigen Farmer scheidend, setzten wir unsere
Fahrt in nordwestlicher Richtung fort und gelangten auf eine reichlich
mit Mimosen bestandene Ebene, zwischen dem Molapo- und Maretsaneflusse,
dessen Quellen wir in der verflogenen Nacht, ohne es zu wissen, passirt
hatten.

Einige der weißdornigen Mimosen waren auf dieser Ebene in voller Blüthe,
mit hunderten und aber hunderten kleiner, grellgelber, kugelförmiger und
duftender Blüthen behangen. Die Blüthen wie Blätter der bis zu 18 Fuß
hohen Bäumchen waren äußerst zart und mit hunderten von
verschiedenartigen Blumenkäfern (Cetonidae), sowie einigen
rothgebänderten Holzböcken bedeckt; es wunderte mich, daß unter den
zahlreichen Bäumchen blos zwei von den Insecten ausgesucht wurden,
während an den Aesten zahlreiche weiße, über einen Zoll lange Puppen der
großen Cicade klebten, die allenthalben ihre laute Stimme erschallen
ließen, bei unserer Annäherung mit lautem Summen davonflogen und sich
mit einem hörbaren Schlag auf dem nächsten Mimosenbäumchen niederließen.
Auch buntfärbige Blattwanzen fehlten nicht und große stahlblaue
Raubwespen zogen summend und nach Fliegen haschend um die Büsche. In
gewohnter emsiger Weise schnurrend flogen zahlreiche Hummeln über den
kräftig emporsprießenden Grasteppich hin, um für sich und die im nahen
verlassenen Termitenhaufen eingenistete Brut Vorräthe zu sammeln.

[Illustration: Pürsch auf egyptische Wildgänse.]

Der südafrikanische Frühling war mit aller Macht in die Gegenden am
oberen Molapo eingezogen, all' das kleine Gethier fühlte seine
Herrschaft und war zum Leben erwacht, um ein neues Dasein zu beginnen;
fremd, weder ersehnt noch willkommen schien er dem Menschen am oberen
Molapo zu sein. Friede, neues Leben, vereinigtes Schaffen, Lust und
Freude, das war um mich her an jenem Morgen auf den Fluren am Molapo der
Hauch der verstandeslosen Natur. An Hader, Brand und blutige Thaten
dachten, davon sprachen und damit drohten--die Herren der Schöpfung.

Nach einer kurzen Fahrt am Morgen des 2. Decembers langten wir bei dem
Dorfe der Makuben an, welches am südlichen (linken) Ufer des Molapo
gelegen, zu Molema's Town (d.h. die Stadt Molema's, eines Bruders des
Königs Montsua) gehörte. Das Thal des oberen Molapo ist in den ersten 15
Meilen seiner Länge eng, von dem steilen Abfall des Hochplateaus
eingeengt, in seinem weiteren Verlaufe ist es flach, ein mäßiger
Einschnitt in die etwas nach Westen abfallende Hochebene. Wir hatten es
in der letzteren Partie zu überschreiten. Das Bett des Flusses war hier
von Kalktuff gebildet, der zahlreiche fossile Pflanzen enthält und
deutlich darauf hinweist, daß dieser Thaleinschnitt schon vor
Jahrtausenden als ein geräumigeres Flußbett benützt worden war. Dieser
Kalktuff wird von dem harten, grauen Kalkstein überlagert und ist durch
eine Unzahl kleiner Grotten, Höhlen, Löcher charakterisirt, welche die
Tümpel der fast monatelang trockenen Flußrinne bilden. Oberhalb dieser
Stellen und in den eingeengten oberen, wie auch in dem Bergthale ist das
Bett schlammig und sumpfig und dieser Umstand ist wohl der Grund, daß in
der trockenen Jahreszeit große Wassermengen verloren gehen und der Fluß
schon nach wenigen Meilen seines Oberlaufes versiegt.

In dem marschigen Theile des Thales finden sich die westlichsten, die
sogenannten Molapo-Farmen des Marico-Districtes, deren Besitzer ihre
Felder continuirlich irrigiren können; in dem mehr offenen Theile finden
sich die Niederlassungen der Barolongen[1], welche ihre hie und da nach
europäischem Vorbilde angelegten Grundstücke zu bewässern im Stande
sind.

    1: Nach Westen erstreckt sich ihr Gebiet bis gegen Namaqualand.

Den Molapo (d.h. ein Fluß) überschreitend, lagerten wir an seinem
rechten Ufer in der Nähe einiger Wartebichi-Mimosen. Gegen
Sonnenuntergang blickend sahen wir Molema's Town vor uns, an einem
mäßigen Abfall der im Hintergrunde bewaldeten Hochebene; im Osten ist
die Stadt durch zwei interessante Felsenpartien begrenzt und im Schutze
der einen, zwischen ihr und dem Flüßchen, stand das geräumige, im Style
der Eingeborenen ausgeführte Missionshäuschen der Wesleyan
Missionsgesellschaft.[1]

    1: Dieselbe besitzt in Molema's Town, in Lothlakane und Poolfontein
    (zu der Zeit meines Besuches war die eine, die sich jetzt in
    Lothlakane befindet, in Moschaneng) je eine Station, von denen
    früher die in Molema's Town, gegenwärtig die in Lothlakane von einem
    weißen Missionär dirigiert wird. Außerdem ist Poolfontein auch der
    Sitz eines Predigers der deutschen Hermannsburger
    Missionsgesellschaft, der jedoch unter den meist der Wesleyan'schen
    Kirche angehörenden aus der südcentralen Transvaal-Republik nach der
    Poolfonteiner Ebene (auf Montsua's Gebiet) verpflanzten Borolongen
    eine schwierige Stellung hat. Poolfontein liegt zwischen Lothlakane
    und Lichtenburg.

Die erwähnten Felsenpartien, das mit Bäumen bestandene Ufer des kaum
vier bis zehn Schritte breiten Flüßchens, sowie die vielen zwischen den
Gehöften sich erhebenden Karie-, Kameeldorn- und Weidenbäume, welche den
ganzen Abhang des Plateaus bedecken, verleihen Molema's Town eine der
schönsten Lagen unter den Eingebornenstädten des centralen Süd-Afrika.
Seine Gehöfte stehen weniger dicht aneinander und sind mit Zäunen
versehen, aus denen sich die spitzig zulaufenden mit den Stauden der
Kalebaß-Kürbisse überwucherten Dächer der Hütten erheben.

Zahlreiche Wägen zeugen von der zunehmenden Wohlhabenheit des Stammes,
die namentlich dem Umstände zugeschrieben werden darf, daß König Montsua
den Branntweinverkauf im Lande sistirte, eine Verfügung, welche Molema,
der Unterchef und Gouverneur von Molema's Town, mit seiner ganzen
Autorität zur Geltung brachte, ferner daß der früher hier ansäßig
gewesene Missionär, europäischen Getreidearten in Molema's Town Eingang
verschaffte.[1]

    1: Siehe Anhang 17.

Was mich in Molema's Town besonders angenehm berührte, war das Verbot
Molema's, der nebenbei gesagt ein Christ und Prediger ist, im Bereiche
der Stadt keinen Baum zu fällen; wir hatten kaum unser Lager
ausgeschlagen, als ein Eingeborner (einen Polizisten vertretend) im
Namen des Fieldcornets (Sheriff, oberster Sicherheits-Beamter) bei uns
erschien, um uns Weideplätze für die Zugthiere anzuweisen und das eben
erwähnte Verbot zur Kenntniß zu bringen.

Bevor ich noch meinen Entschluß, Rev. Webb aufzusuchen, ausführen
konnte, kam aus dem Missionshäuschen ein blondbärtiger, untersetzter
Mann, ein kleines Mädchen an der Hand führend, auf mich zu. Es war der
Gesuchte. Wir waren bald in ein eifriges Gespräch über Molema's Town und
die Grenzfrage verwickelt. Von Montsua, dem Herrn des Landes, erfuhr
ich, daß er in Moschaneng, in einer im Gebiete seines königlichen
Freundes, des Banquaketse-Herrschers Chatsitsive, erbauten Stadt wohne
und entschlossen sei, sich in Poolfontein niederzulassen, wohin jedoch,
wohl um den unabhängigen Barolongenfürsten zuvorzukommen, die
Transvaal-Regierung ihr unterthane Barolongen bereits angesiedelt hatte.
Montsua war darüber sehr verdrießlich und im Begriffe, Moschaneng zu
verlassen und sich in seinem Gebiete eine andere Stelle zum Baue der
Residenz auszusuchen.[1]

    1: Er hat dies auch später gethan, indem er der englischen Regierung
    die Oberhoheit über sein Gebiet antrug.

Des Missionärs Häuschen war nur auf das Nothdürftigste eingerichtet,
denn aus den eben erwähnten Gründen betrachtete Rev. Webb seinen
Aufenthalt nur als provisorischen, überdies war Molema selbst Prediger
und den weißen Missionären nicht sehr gewogen. Rev. Webb und seine Frau,
die ihrem Lebensgefährten in dieser Abgeschiedenheit treu zur Seite
stand, riethen mir, baldigst nach Moschaneng aufzubrechen.

Herr Webb begab sich hierauf zum Chef Molema, um ihm meine Ankunft
anzuzeigen. Als er heimkehrte, kam er mit dem an Asthma leidenden alten
Manne zurück, der mich herzlich willkommen hieß und meinte, daß außer
dem Naka (Doctor) Livingstone noch kein Naka zu ihm gekommen sei, er
zeigte sich über meine Ankunft sehr erfreut, denn er hoffe, daß ich ihm
doch ein Molemo (Medicament) bereiten werde, das ihm den garstigen
Husten benehmen und ihm ein freieres Athmen gestatten würde. Zugleich
lud er mich ein, ihn am folgenden Morgen zu besuchen, sowie meinen
Aufenthalt auf einige Tage auszudehnen, er wolle mir als Gegenleistung
ein fettes Schaf senden.

Am Morgen des 2. Decembers machte ich einen Ausflug thalaufwärts und
fand dieses in allen, mächtige Humuslagen aufweisenden Partien dicht mit
Kafirkorn angebaut. Ich war durch die ersten Anzeichen einer von
Grahamstown bis zum Molapo vermißten tropischen Vegetation überrascht,
welche sich durch manche Species bemerkbar machte, anderseits traf ich
hier auch Pflanzen der gemäßigten Zone, in artenreicher Zahl, so
Campanula Saponaria, Veronicae, mehrere der doldenblüthigen
Euphorbiaceen und andere; auf den Wiesenflächen stand das Gras 4 Fuß
hoch. Ich erlegte einen Fischreiher, mehrere Finkenarten, darunter zwei
Feuerfinken und zwei Spornkibitze, die mich durch ihr lautes »Tik-Tik«
angelockt hatten. Die auf den Feldern arbeitenden Frauen sahen bedeutend
reinlicher als die Batlapinen aus und ich mußte auch später, als ich von
Molema's Town schied, diesen sogenannten nördlichen Barolongen eine
höhere Stufe als den Batlapinenstämmen und selbst als den Mokalana,
Marokana etc. oder südwestlichen Barolongen einräumen, obgleich sie im
Ackerbau und der Viehzucht von den südöstlichen Barolongen, die unter
Maroka in Taba Unschu und der Umgebung dieser über 10.000 Einwohner
zählenden Stadt wohnen, übertroffen werden; jenen kommt allerdings die
Pferdezucht zu Gute, welche am Molapo wie in der Transvaal-Republik
durch die grassirende Pferdekrankheit vereitelt wird.

[Illustration: Feldapotheke.]

[Illustration: Die Ueberbringer der Arznei.]

Ich bereite für Mrs. Webb und den Häuptling einige Medicamente, darunter
auch Pulver, bei welcher Manipulation ich von den zahlreichen uns
besuchenden Eingebornen angestaunt und bewundert wurde. Einer der Männer
setzte sich neben Pit am Feuer nieder und fragte hier mit gedämpfter
Stimme, was ich da thue, Pit meinte, ich bereite ein Medicament. Der
Fragesteller mischte sich nun sofort unter die gaffende Menge und
verbreitete unter ihr die Nachricht, daß ich ein Naka sei und eben ein
Molemo bereite. Das dadurch hervorgerufene Erstaunen war in den Zügen
Aller, der Männer, Frauen, ja selbst der Halberwachsenen deutlich zu
bemerken. Einer raunte dem Andern die Worte »Naka und Molemo« zu und man
konnte an den Lippenbewegungen beobachten, wie es sich die Einzelnen
wiederholten. Ich hatte damit bedeutend an Ansehen und Respect gewonnen
und es wurde so stille um mich, daß man jedes Wort der abseits am Feuer
sprechenden Diener vernehmen konnte. Jede, auch die geringste meiner
Bewegungen wurde mit dem größten Interesse verfolgt, am meisten jedoch
das Abwägen der gleichen Theile und das Einschütteln der Pulver in die
von F. am Wagenbrette zubereiteten Papierhülsen. Als ich meine Arbeit
beendet, frug ich, ob einer das Molemo zum Chef Molema tragen wolle;
Alle, die Männer wie die Knaben, schrieen durcheinander, manche eine,
manche beide Hände darnach ausstreckend. Jeder wollte der Ehre
theilhaftig werden, des weißen Naka's Medicin dem geliebten Häuptlinge
zu überbringen. Bei solcher Auswahl hatte ich die Laune, auch wirklich
wählerisch zu sein, ich suchte mir den Aeltesten im Haufen aus, ein
gebeugtes, weißhaariges Männchen, das gar nicht seinen Augen trauen
wollte, und gab ihm die zu einem Päckchen geformten Pulver; er wollte
sie jedoch nicht berühren, sondern bat mich, sie ihm an seinen Stock zu
binden, den er nun vor sich hertragen wollte. Da ihm dies jedoch,
beschwerlich fiel, so ergriff ich einen der zunächst stehenden Jungen,
seine Peitsche fassend befestigte ich an dieser das Päckchen und hieß
ihn dem Alten folgen, was diesem erwünscht war, und den Haufen um mich
zu befriedigen schien, denn wiederholt hörte ich den Ausruf monati,
monati (schön).

Am folgenden Tage hatte ich den Häuptling wieder zu besuchen. Molema
empfing mich in seinem Höfchen, stellte mir seine Frau und seine um ihn
herum wohnenden Söhne vor. Dann ließ er für mich und Herrn Webb je ein
hölzernes Stühlchen bringen und bat mich, ihm die letzten Ereignisse und
Tagesneuigkeiten aus der Cap-Colonie und den Diamantenfeldern
mitzutheilen, erkundigte sich nach den Verfügungen der englischen
Regierung im Süden, klagte über die Anmaßungen der Boers im Osten und
frug mich endlich, ob ich ein Engländer oder Boer wäre. Die ihm von
Herrn Webb ertheilte Antwort, daß ich ein Böhme (Bohemian) sei, konnte
er nicht begreifen und ließ, nachdem er noch nach meinem Namen gefragt,
die beiden ihm so fremd erscheinenden Worte von den im Höfchen
herumsitzenden alten Barolongen so oft wiederholen bis er sich dieselben
eingeprägt hatte. Als ich von ihm schied, mußte ich ihm versprechen, ihn
so oft ich in das Land der Barolongen käme, zu besuchen, ich würde ihm
stets willkommen sein. Ich traf hier auch den Häuptling Schebor von
Konana, der zu Molema auf Besuch gekommen war, und dieser entschuldigte
sich, daß seine Leute, von denen wir drei Ochsen für einen Hinterlader
eintauschen wollten, sich verspätet hatten, wodurch der Handel nicht zu
Stande kam.

Den kommenden Nachmittag verbrachten wir mit Fischfang, der ein äußerst
ergiebiger war (wir fingen nicht weniger als 42 Welse). Als Köder
benützten wir die überall häufigen, 1½ Zoll langen Grasheuschrecken. Das
Wasser in den Grotten der Tufffelsen war so klar, daß man auch jedes
größere Sandkörnchen auf eine Tiefe von 2½-6 Fuß unterscheiden konnte.
Wir hatten kaum unsere Angeln ausgeworfen, als die dunkle Gestalt eines
schildköpfigen Welses (Glanis siluris) aus einer der Seitengrotten
herauskam, den Köder langsam umschwamm und dann ahnungslos verspeiste.
Die Thiere wogen alle ¾-1 Pfund; als ich im Jahre 1875 während meines
zweiten Besuches an derselben Stelle fischte, fand ich nur kleine,
braune, 6 Zoll lange Thiere; die Trockenheit des Jahres 1874 hatte die
meisten der Grotten trocken gelegt und die Fische getödtet, die neue
Brut war mit den Regenfluthen aus den Sümpfen des oberen Molapo
herabgekommen.

Herr Webb versah mich mit zwei Briefen, an Herrn Martin, einen in
Moschaneng wohnenden Händler, und an den König Montsua, den ihm der
Erstgenannte vorlesen sollte. Montsua's Titel lautete: »Morena Montsua
(Montsiwe, Montsiva) Khoschi ca Barolong.« Außerdem machte mich mein
neuer Freund auf zwei alte, unter den Barolongen noch vor ihrer Kenntniß
des Christenthums geläufige Sagen aufmerksam. Die eine berichtet von
einem Chef, der nach Belieben die Gewässer eines Flusses theilen und
durch die so entstandene trockene Stelle schreiten konnte, und die
zweite erzählt von einem Chef, der gleich Salomon zwischen zwei Frauen
zu entscheiden hatte, von welchen jede ihr Mutterrecht an einem und
demselben Kinde geltend machen wollte.

Am 5. brachen wir endlich auf, und zogen nordwärts am Fuße einer
bewaldeten Erhebung. Die nächste Umgebung unserer Route bot mir
reichlich Gelegenheit, meine Insectensammlung zu bereichern; unter
anderen fand ich eine schöne große, mir bisher unbekannte
Schildkäferart, deren Flügeldecken grünlichgolden und braun punktirt
waren und die ich häufig an einer der gemeinsten Nachtschattenarten
Süd-Afrika's antraf. Meine Aufmerksamkeit war auch auf die zahlreichen,
den Weg säumenden Kameeldornbäume gerichtet, die mit den Nestern des
Siedelsperlings (Philetaerus socius) dicht bedeckt waren.

In einer Bodenvertiefung nahe einem nach Nordosten dem Taung oder
Notuani-River zufließenden Bache beendeten wir unsern heutigen Marsch.
Die zu einem förmlichen Niederwald angewachsen Kameeldornbestände
durchziehend stießen wir am nächsten Morgen auf ein Makalaharidorf,
dessen Insassen Hirten und Jäger Montsua's waren. Sie schilderten uns
den weiten Weg bis nach Moschaneng in sehr düsteren Farben und meinten,
wir würden mit den schwachen Zugthieren kaum die Königsresidenz
erreichen. Der Weg war auch thatsächlich äußerst beschwerlich, der tiefe
Sand ermüdete die Thiere in hohem Grade, dazu war der Wald von zahllosen
kleinen, 1-2 Fuß tiefen Senken (in der Regenzeit Tümpel) durchsetzt; der
von dem Sandboden aufsteigende Staub trocknete Mund und Luftröhre in
bedenklicher Weise aus und schmerzte im Gesichte. An einer kleinen der
eben genannten ausgetrockneten, mit frischem Gras überwachsenen Senken
fand ich zu hunderten eine metallischblau glänzende Lytta mit einem
rostrothen Flecke (ich traf sie später nur noch einmal und unter
ähnlichen Verhältnissen auf meiner dritten Reise im Schescheker Walde,
etwa 15 Meilen nordwestlich von Schescheke an), auch schoß ich einen
über uns kreisenden Honigbussard (Pernis apivorus).

Dieser Zustand des Weges blieb sich auch am folgenden Tage gleich und an
zwei zum größten Theil trockene Salzpfannen angelangt, schien es kaum
möglich, die mit 14 Zoll tiefem Sand bedeckten Pfannen zu passiren.
Unter Anwendung aller erdenklichen Auskunftsmittel und mit vereinten
Kräften gelang es nach stundenlanger Arbeit, das jenseitige bewaldete
Ufer zu erreichen. Die nun folgende Rast war redlich verdient. In dem
Walde fanden wir zwei eßbare Beerenfrüchte, und zwar die schon vom
Hart-River bekannte rostrothe Beere des Blaubusches (die Samenkerne
derselben werden von den Koranna's als Schrot verwendet) und gelbliche,
unseren Johannisbeeren nicht unähnliche Beeren, die von den Boers wilde
Granaten, von den Koranna's geip genannt und gerne genossen werden.

Wir näherten uns am nächsten Tage einem unseren Weg kreuzenden
Höhenzuge, der uns von vorbeiziehenden Barolongen als Malau's Höhen
bezeichnet wurde und dessen höchste, bisher namenlose Kuppe ich Hußhöhe
nannte. Ich hatte an diesem Tage Gelegenheit, meine Sammlungen um eine
Zwergeule und den Balg eines Milans zu vermehren. Am Fuße der Höhen
stießen wir auf zahlreiche Viehposten der Baharutse und Barolongen von
Moschaneng, welche ihr Vieh an Regenlachen tränkten, während sie selbst
ihren Wasserbedarf den natürlichen Felsencisternen entnahmen. Die
Abhänge der Höhen waren zum größten Theile hochbegraste Triften, zur
Viehzucht wie geschaffen. In der Nacht begegneten wir zwei mit Elfenbein
beladenen von Schoschong, der Stadt der östlichen Bamanquato kommenden
und von den Elfenbeinhändlern Francis and Clark nach Grahamstown
abgesandten Wägen.

[Illustration: Nest des Siedelsperlings.]

Am 9. hatten wir den Sattel der Malauhöhen erreicht und lagerten
zwischen grünen, gruppenweise zusammenstehenden mit Zaunrüben,
Cucurbitacaeen und Lianen überspannten Büschen, auch schattige
Kameeldornbäume fehlten nicht, in denen sich namentlich die
langschwänzigen, schwarzweiß gescheckten Würger bemerklich machten.
Große Turteltauben waren nicht selten und zum ersten Male vernahm ich
hier einen Pfiff, der einem Psittacus anzugehören schien. Dem Rufe
folgend hatte ich auch die Freude, ein Pärchen kleiner, graulicher, am
Kopfe und den Flügelwurzeln gelb gefleckter und an der Brust schön grün
gefärbter Papageien zu entdecken. Diese Species (Psittacus Rupelii) ist
bis über den Zambesi verbreitet, lebt meist paarweise und nistet in
Baumlöchern.

Auf unserer Weiterfahrt fand ich neben dem Wege einen getödteten
Schlangenadler, den wohl ein einfältiger Barolonge aus Muthwillen erlegt
und dann abseits vom Wege in den Busch geworfen haben mochte. Wir hatten
mehrere Thäler zu überschreiten und steile, äußerst steinige Höhen zu
erklimmen. Auf einem der Hügel hatte Niger eine Schlange entdeckt und
sie in einen Dornbaum gejagt; und da ich den Schlangen Süd-Afrika's,
nachdem man mir überall von den vielen Opfern, die jährlich den giftigen
Schlangen dieses Kontinentes anheimfallen, berichtet, ewige Feindschaft
geschworen hatte (alle, die nicht in Spiritus untergebracht werden
konnten, wurden abgehäutet oder wenigstens enthauptet und der Kopf
aufbewahrt), war ich auch bald mit dem Gewehre zur Stelle, um dem Hunde
beizustehen. Das von ihm verfolgte Reptil war mehr denn daumenstark,
grün und über vier Fuß lang und hatte sich in ein Bäumchen (Acacia
giraffe) geflüchtet, in dessen dichtem Geäste es sich blitzschnell auf-
und nieder bewegte. Ein Dunstschuß betäubte die Schlange, ohne sie zu
tödten, ich ergriff nun das Schwanzende des Thieres, um es aus dem
Dornengeäste herauszuziehen. Ich zerrte etwas heftiger--da gibt der
neben mir stehende Pit einen Schrei von sich, ich kehre mich nach ihm,
als durch ein schmerzliches Gefühl an meinem rechten Daumen meine
Aufmerksamkeit rasch zu dem Object zurückgeführt wurde. Die Schlange
hing mit ihren Kinnladen an meinem Finger. Mir wurde recht warm um's
Herz, ich riß an dem Schwanzende, daß ich beinahe die Schlange entzwei
gerissen hätte, wodurch das Thier vollends getödtet zur Erde fiel.
Sofort rief ich nach Salmiak, beugte mich jedoch gleichzeitig zu dem
Reptil nieder, um die Art zu bestimmen. Ist das nicht ein Bucephalus
viridis (cupensis)? Eine gift- und harmlose Schlange? Das Köpfchen
ergreifend öffne ich die Kinnladen, kein Giftzahn zu sehen, noch zu
fühlen. Auf F. hatte dieser Zwischenfall einen tiefen Eindruck gemacht
und ihn zum erbitterten Feinde aller Reptilien umgewandelt; während wir
unsere Fahrt fortsetzten, ließ er kein Akazienstämmchen unbehelligt,
seine Rache spähte eifrig nach einem Opfer, doch stundenlang mußte er
nur über sich selbst die Rache der Dornen ergehen lassen.

»Hurrah, Halloh, Hurrah,« und ebenso viele Luftsprünge von Seite F.'s
unterbrachen unseren Gedankenlauf; wir hielten den Wagen an, Weiß und
Schwarz eilte auf den vor Freude übersprudelnden Jüngling zu. Da stand
er, selbstbewußt, und wies siegesgewiß nach der Spitze des nächsten
Busches. Doch nur einen Augenblick währte sein vermeintlicher Triumph,
in das krampfhafte Gelächter, welches B. und E. mit den Schwarzen im
Chorus anstimmten, mußte auch ich einfallen, als ich ein harmloses
Chamäleon erblickt hatte. Der arme F. hatte aber auch entschiedenes
Unglück mit seinen Anläufen zu Heldenthaten.

Der Wassermangel wurde am nächsten Tage schon äußerst fühlbar und obwohl
wir von vorbeiziehenden Barolongen einige Töpfe mit Milch erstanden, war
unseren lechzenden Zugthieren nicht gedient. In einem breiten Thale nach
Norden bei Osten vordringend, hatten wir endlich die bewaldeten Abhänge
der Ausläufer der Malauhöhen erreicht, eine frische Brise fächelte uns
Armen Kühlung zu und zu unserer größten Freude versprach ein
aufsteigendes Gewitter das heißersehnte Naß zu spenden.

Unsere Hoffnung ward nicht getäuscht, ein mäßiger Regenschauer füllte
unsere Wassergefäße und gestattete die Thiere zur Noth zu tränken. Nun
hieß es frisch weiterziehen, da ich die Absicht hatte, noch am selben
Tage Moschaneng zu erreichen. Ein dumpfer Schall, der sich uns deutlich
zu nähern schien, verzögerte unsere Abfahrt. Ueber die Ursache desselben
wurden wir bald aufgeklärt.

[Illustration: Auffangen von Regenwasser.]

Es erschien ein berittener Barolonge und ihm folgte eine Heerde von
gegen 50 Pferden, welche von zwei anderen Barolongen angetrieben und
deren seitliches Ausweichen von je einem an jeder Seite in dem Gehölze
galoppirenden Eingebornen verhindert wurde. Unsere Ueberraschung, hier
eine solche Pferdetruppe zu sehen, war nicht gering. Einer der
Nachtreiber sprang auf einen Augenblick aus dem Sattel und berichtete
uns, daß dies Montsua's, des Barolongenkönigs, Pferde seien, die er
jährlich zu seinem Vetter Maroka nach dem Freistaat schicke, um sie
daselbst während der Dauer der in den Betschuanaländern grassirenden
Pferdekrankheit weiden zu lassen. »Hat denn Dein König so viel Pferde,
wie die Zahl derer beweist, die an uns vorbeigejagt hatte?«--O, Master.
Morena (der König) hat mehr denn diese, in der Stadt behält er sich nur
die gesouten (gesalzenen) Pferde, welche eben die werthvollsten sind.«

[Illustration: Wald am Fuße der Malau-Höhen.]

Nach einer kurzen Fahrt hielt ich eine Stunde Weges vor Moschaneng. Der
Regen hatte hier alle Vertiefungen mit Wasser gefüllt, und die Stelle
war ein anziehendes, gegen den Wind geschütztes, leicht bewaldetes, für
einen zweitägigen Aufenthalt wie geschaffenes Thal, so daß ich hier von
den Anstrengungen der Molapo-Reise auszuruhen und dann erst nach
Moschaneng zu gehen gedachte, wo ich außerdem recht beschäftigt zu sein
und für meine Zugthiere, der vielen in der Stadt gehaltenen Heerden
halber, keine gute Weide zu finden glaubte.

In dem Gehölze gab es schöne (von den Boers so genannte)
Buchenholzbäume, sowie die unter dem (fälschlichen) Namen wilde Syringa
bekannten, wilden Oliven- und Kareebäume, Mohatla- und Morethwabüsche,
Bäume und Sträucher mit ahornartigen, geflügelten Samen, mehrere Arten
von Mimosen (Acacia detinens, Acasia giraffe, Acacia horrida), an den
Höhen die von Süden her bekannten (doch wie es mir schien in neuen
Formen vertretenen) Aloën. Hier schoß ich auch einen großen, grauen Lori
(Go-away von den Engländern, grote Mausevogel von den Holländern
genannt), ferner eine braune Gabelweihe und zwei gelbgeschnäbelte
Tukane. Der erstere Vogel nistet auf den höchsten Spitzen der Bäume, von
wo er mit nach rechts und links bewegendem Köpfchen Alles ihm fremd
erscheinende beäugelt, und dabei so oft er sein häßliches Geschrei
go-a-wäh ausstößt, seinen Schopf hoch ausrichtet. Am 11. December machte
ich mehrere Ausflüge in die Umgegend, die meinen Sammlungen sehr zu
Statten kamen. Unter der Ausbeute befanden sich Papageien, sechs jener
Lori's, Witwen, Tukane und zwei Kukuksarten, eine kleine, grün und grau
melirte, rothbeschopfte Spechtart und Würger.

Unsere Ankunft führte, da ich F. nach der Stadt entsendet hatte, um den
dort ansässigen holländischen Schmied zu entbieten, bald mehrere
Besucher herbei, deren erste scheu hervorgebrachte Frage dem Feuerwasser
galt. Ihre Verlegenheit bewies mir, daß Montsua's Ruf als Gegner des
Branntweins begründet war.

Nachmittags erhielten wir einen andern Besuch aus Moschaneng, und zwar
den ehrendsten im Lande der Banquaketsen, deren Gebiet wir (ungefähr
unter 25° 10' südlicher Breite) etwa halben Weges zwischen Molema's Town
und dem jetzigen, 70 englische Meilen davon entfernten Aufenthalte
überschritten hatten. Ein gedeckter, zweirädriger mit vier Pferden
bespannter Karren kam angefahren, bog im Gehölze um und dann gerade auf
uns zu. Während Stephan die Pferde hielt, stiegen die Insassen, vier
Eingeborne, aus. Zuerst ein junger Mann von etwa 25-28 Jahren, der sich
uns als Mobili, den Sohn eines Basutohäuptlings vorstellte und der F.
von Kimberley aus kannte, wo er ob seiner englischen Erziehung und
seiner Fertigkeit in der englischen Sprache durch einige Zeit als
Dolmetsch bei dem Gerichtsamt angestellt und ein Lebemann
südafrikanischen Anstrichs war. Er war auf einer Rundreise unter den
Betschuanahäuptlingen begriffen und eben vor wenigen Tagen vom Könige
der Bakwena's angekommen. Mobili stellte uns nun, nachdem er mit F.
Händedrücke ausgetauscht, die übrigen drei Personen mit den Worten vor.
»These are two of the most distinguished Bechuana Kings (zwei der
hervorragendsten Betschuanakönige), Montsua, jener der Barolongen, of a
wealthy and mighty tribe (über einen wohlhabenden und mächtigen Stamm),
hier Chatsitsive, König der Banquaketsen und dort der Hauptrathgeber
oder der Vice-Kanzler des Banquaketse-Reiches.«

Montsua, ein Mann von über 50 Jahren, wohlbeleibt mit einem stets
lächelnden, gutmüthigen Gesicht, flößte mir sofort Zutrauen ein.
Chatsitsive, ein großer, hagerer Mann, zeigte deutlich, wie auch sein
Reichskanzler, daß sie ihr faltenreiches Antlitz den Umständen
anzupassen verstanden. Alle waren europäisch gekleidet, Chatsitsive mit
einem langen Ueberrock und Cylinder und sein Factotum mit einem
Mentschikoff. Nachdem wir während des Gesprächs, das Mobili und Pit als
Dolmetscher leiteten, scharf gemustert worden waren, meinte Montsua, daß
er mich im Weichbilde seiner Stadt willkommen heiße, er wäre wohl nicht
eigentlich auf seinem Gebiete, er lebe hier auf dem Boden seines
Freundes Chatsitsive und habe vor langer Zeit schon den Molapo
verlassen, weil er von den Boers bedrängt worden war; er sei nun aber
ihres Treibens satt und wolle Moschaneng verlassen, um sich am Molapo
oder in Poolfontein oder am Lothlakaneflüßchen eine Stadt zu bauen, dann
müsse ich kommen und ihn besuchen.

[Illustration: Königliche Besucher.]

Hierauf wurde ich über Ziel und Zweck meiner Reise befragt. Als Antwort
zeigte ich einige der Vogelbälge, welche mit Staunen betrachtet wurden.
Mobili verdolmetschte dem König die Bearbeitung des Balges, was dieser
jedoch nicht begreifen konnte und darüber unaufhörlich den Kopf
schüttelte. Als ich den König zur Vorsicht mahnte, da Gift in der Haut
des Balges enthalten sei (Mobile übersetzte es mit _molemo maschwe_,
schlechte, böse Medicin) stieß der alte König einen leisen Schrei aus
und ließ den Balg fallen; die Betschuana's fürchten nichts mehr als
künstlich zubereitetes Gift, jedes Medicament, das nicht hilft und eine
Verschlechterung des Kranken herbeiführt oder den Tod nicht verhüten
kann, wird als Gift betrachtet »O,« seufzte Montsua, und er wie seine
beiden Genossen besahen sich die Hände und fingen an, die Aermel ihrer
Röcke aufzuschlagen, um sich die Finger im Sande abzureiben. Ich ließ
Wasser und Seife bringen und holte eines meiner Handtücher, das Montsua
noch immer mit einem besorgten Gesichte annahm und sich nicht eher
beruhigte, als bis ich ihm durch Mobili die Wirkungslosigkeit des Giftes
auf der menschlichen Haut erklären ließ.

Größeres Erstaunen aber als der Vogelbalg, und laute Ausrufe selbst auch
von Seite des sich den Anschein eines Gelehrten gebenden Mobili folgten,
als ich zwei meiner mit Reptilien, Schlangen, Eidechsen, Fröschen und
Spinnen gefüllten Flaschen vorwies. Alle vier Besucher waren dabei
zurückgewichen und Montsua, seinen Kiristock gegen die Flasche
vorhaltend, wollte nicht näher herantreten. Bald mich, bald die Flasche
anstaunend beruhigte er sich erst, nachdem er sich überzeugt hatte, daß
die Schlangen in dem _Butshuala a Makao_ (im Biere des Weißen)
»schliefen« und nicht heraus konnten.

Inzwischen war ein Mokka fertig geworden und die Blechbecher wurden
herumgereicht. Unterdessen besah sich Montsua den Wagen, frug die Jungen
(Diener), woher sie kämen und mich endlich, was sein Bruder Molema thue,
ob er wohl sei; ich antwortete ihm, daß er an seinem alten Uebel leide
und daß ich ihm ein Molemo gab, was ihm wohl helfen dürfe. Montsua nahm
diese Nachricht mit beifälligem Schmunzeln auf.

Sowie sich auch Chatsitsive gesetzt, frug Mobili, ob ich den »hohen
Herren« keine andere Erfrischung zu bieten hätte. Ich verneinte, ich
wüßte nicht, _was_ ich ihnen antragen könnte. Mobili stand auf, kam zu
mir herüber und meinte, ich solle Pit und Stephan um Wasser schicken, er
wollte mir etwas sagen, die Diener dürften jedoch nicht dabei sein. Ich
that es und nun entpuppte sich das Geheimniß. Ich sollte jedem einen
Schluck Brandy anbieten. Ich that es und Montsua meinte, daß er seinen
Unterthanen Brandy anzubieten nicht gestatte, daß er ihn selbst nur ein
oder zwei Mal im Jahre und dann nur zu einem halben Glas Wein trinke.
Ich schenkte ein, Montsua trank etwa einen halben Löffel voll, griff
aber darauf sofort nach Wasser. Chatsitsive brachte zwei Löffel voll
hinunter, verzog aber dabei sein langes Gesicht derart, daß selbst
Montsua (mit uns) in ein krampfhaftes Lachen ausbrach. Chatsitsive ließ
etwa einen Löffel in dem Blechbecher übrig, reichte ihn dem
Vize-Kanzler, und dieser leerte ihn rasch, worauf er den Rest mit dem
Finger zu erhaschen sich bemühte. Mobili spülte den halben Becher hinab,
ohne eine Miene zu verziehen.

Nachdem die hohen Herren uns allen die Hände geschüttelt hatten, und
sogar die Diener mit einem Kopfnicken bedachten, stiegen die Besitzer
von einigen hundert deutschen Quadratmeilen Landes in ihren Karren,
Mobili nahm die Zügel zur Hand, um sich zur Abfahrt fertig zu machen; da
legte sich Montsua's Linke an seine Schulter, während er mir mit der
Rechten noch einmal an den Karren heranzukommen winkte. Mit zwei Sätzen
war ich an seiner Seite und der Dolmetscher frug mich in des Königs
Namen, wo ich den für ihn bestimmten »Rumela« (Empfehlungsbrief) des
Missionärs Webb habe. Ich holte beide Schreiben und bat nun den König,
den zweiten an seine Adresse zukommen zu lassen, konnte jedoch nicht
umhin, meiner Verwunderung Ausdruck zu geben, daß man am Hofe zu
Moschaneng schon von der Sache vernommen hatte. Montsua lachte. »Ja,«
meinte er, »ich weiß es seit drei Tagen, denn an Euch gingen eines
Tages, während Ihr schliefet, zwei Barolongen von Molema's Town vorüber,
welche mir die Nachricht von Deinem Besuche der Stadt, Deinem Thun
daselbst und von dem Zwecke Deiner Reise, von den beiden Briefen und der
guten Wirkung Deines Molemo an Bruder Molema zu berichten hatten.«

Am folgenden Morgen besuchte mich Herr Martin, einer der besten Männer
unter den Weißen, die ich unter den central-südafrikanischen Eingebornen
gefunden, zugleich mit Gentuña, dem Häuptling der Baharutsestadt, welche
den nördlichen, durch einen Bach getrennten Theil von Moschaneng bildet.
Wir hatten eine längere Unterredung, die mir sehr willkommen war.[1] Ich
benutzte jeden freien Augenblick zum Sammeln und war mit dem Aufenthalte
in dem traulichen Gehölze sehr zufrieden.

    1: Kanja (Kanje) die Hauptstadt der Banquatetsen (oder
    Ba-N'Quatetsen) und Chatsitsive's Residenz liegt neun englische
    Meilen, Süd bei Ost, von Moschaneng; eine Tagreise weit
    ostnordöstlich (zwischen 17 und 20 Meilen liegen die Ruinen der
    früheren Residenz des Balwenakönigs Seschele, doch in ihrer Nähe,
    nur durch ein Flüßchen entfernt, gegenwärtig zwei Eingebornenstädte,
    die diesseitige, welche an Chatsitsive's Gebiet liegt von den Manupi
    und eine zweite an Seschele's Gebiet grenzend, die von den Makhosi
    bewohnt wird (seitdem sind die Makhosi ausgewandert). Herr Martin
    sprach sich sehr lobend über Gentuña aus. Herr Martin hatte mit
    einem anderen Händler auch einen Jagdzug nach dem westlichen
    Matabeleland unternommen, dabei jedoch durch Krankheit, die Tsetse
    und andere Unannehmlichkeiten viele Zugthiere und im Allgemeinen
    sehr viel eingebüßt. Er war an die Tochter des vor Kurzem
    verstorbenen Districtbeamten des Maricodistrict verheiratet und
    seine Frau wohnte theils bei ihren Verwandten in Zeerust, theils
    lebte sie mit ihm in einem kleinen Häuschen in Moschaneng, das er
    mir gastlich zur Verfügung stellte.

Am 14. Nachmittags setzte ich meine Reise nach Moschaneng fort. Die
Fahrt dahin ging durch angebaute Felder und in einem offenen sich nach
Osten ausbreitenden, nach Westen durch Felsenhöhen und zu unserer Linken
nach Süden durch bebuschte Höhen begrenzten Thale; die letzteren
bildeten als die nördliche Kette von Malau's Rand die Höhen von
Moschaneng. Malau's Rand ist wiederum als der südcentrale Theil der
Banquaketsehöhen zu betrachten, welche durch die Lekhutsa und
Makarupuhöhen in östlicher Richtung mit dem westlichen Gebirgsknoten des
zentralen Süd-Afrika zusammenhängen.[1]

    1: Ich unterscheide drei Gebigsknoten im centralen Süd-Afrika; einen
    östlichen, die Magalisberge; einen westlichen, das Marico-Höhennetz;
    und einen nördlichen, den im Matabeleland.




X.

Von Moschaneng nach Molopolole.

König Montsua und das Christenthum.--Die Wesleyan-Mission in
Moschaneng.--Besuch am Wagen.--Meine ärztliche Praxis in
Moschaneng.--Merkwürdige Termitenbauten.--Ein Intermezzo bei unserer
Abreise.--Das Banquaketse-Hochland.--Anzeichen tropischer
Vegetation.--Hyänenhunde.--Pittoreske Landschaftsscenerien an den
Naprstek-Höhen.--Beleuchtungseffecte auf der Hochebene.--Ruinen von
Mosilili's Stadt.--Klippdachsjagd.--Grasbäume.--Ein Thari.--Molopolole.


Der südliche Theil von Moschaneng war von Molema und seinen Barolongen
bewohnt, und mit Ausnahme der schon verfallenen Kirche und dem Häuschen,
in dem Herr M. wohnte, besaß es kein im europäischen Style aufgeführtes
Wohnhaus. Die Häuschen der Eingebornen zeigten den, den Betschuana's
eigenthümlichen Typus, nur waren sie ob des beschränkten Raumes sehr
dicht nebeneinander erbaut, dagegen waren die Gehöfte des durch einen
Bach und sein kleines Thälchen geschiedenen Stadttheils der Baharutse
geräumiger. Ich schätzte die Einwohnerzahl beider Städte auf 7000,
welche Zahl um circa 1000 auf- und abschwankt, da einestheils viele
Bewohner längere Zeit in den Diamantenfeldern arbeiten, andere wieder
die entfernten Felder bestellen. Des Königs Behausung, je ein Gehöft mit
zwei Wohnungen für jede seiner fünf Frauen und sein eigenes stand in der
westlichen Hälfte der Stadt nahe am Ufer des Bächleins.

Die Verfassung unter den Barolongen und Banquaketsen ist eine im
gewissen Sinne constitutionelle, wenn auch etwas beschränkter als unter
den Bakwena's und östlichen Bamanquato's. Unter den Betschuanakönigen
steht nach Khama, dem nunmehrigen Könige der östlichen Bamanquato,
Montsua obenan. Er ist ein Heide, doch besser als der christliche
Seschele, obwohl er anfangs, als das Christenthum in's Land drang, aus
Unkenntniß seiner Satzungen es lebhaft bekämpfte, da er befürchtete, daß
dasselbe seine Unterthanen von ihm abwendig machen und seine königliche
Macht schwächen könnte und daher alles aufbot, es wieder aus dem Lande
zu verdrängen.

Wie bei den meisten Betschuanastämmen, unter denen Missionäre zu wirken
begannen, waren es auch hier meist die jungen Leute, welche an den neuen
Lehren Gefallen fanden, während die alten fest an ihren heidnischen
Satzungen hielten. Montsua fiel dies auf und dies um so mehr, als sich
die jungen Männer und Mädchen nicht in der entsprechenden Anzahl zur
Circumcision einstellten, an den Hochzeitsorgien nicht theilnehmen
wollten und viele andere heidnische Feste spärlich besucht waren. Unter
den Betschuana's ist ein Tanz gebräuchlich, welcher Rohrtanz heißt,
einem alten, heidnischen Gebrauche zu Grunde liegt und der von durch die
Städte ziehenden, auf Schilfrohrpfeifen unaufhörlich blasenden Männern
getanzt wird (zuweilen stirbt einer oder mehrere während des Tanzes oder
kurz darnach an acutem Emphysem der Lungen durch das unaufhörliche
Pfeifen hervorgerufen). Montsua stellte daher das Verlangen, daß die
jungen Leute der herkömmlichen heidnischen Sitte gerecht werden sollten,
und hatte unter dieser Bedingung nichts gegen die Taufe (_bathu ba
lehuku_: nach Rev. Mackenzie das Volk des Wortes, oder das Volk, welches
das Wort Gottes aufnimmt) einzuwenden. Durch seinen eigenen Bruder
Molema, der das Christenthum mit vollem Herzen aufgenommen, angespornt
und ermuntert, verweigerten es die Neubekehrten, dem Wunsche des Königs
nachzukommen. Molema fand an Jan, dem nunmehrigen dunklen
Barolongen-Prediger einen treuen Helfer.

Von seinen Regendoctoren aufgestachelt, forderte Montsua, daß sich die
Bekenner des neuen Glaubens an zwei mit der Regenzauberei
zusammenhängenden Ceremonien betheiligen sollten, d.h. an der
Letschulojagd, welche von den Regendoctoren veranstaltet wird, um von
gewissen Wildarten bestimmte, zu ihren abergläubischen Handlungen
gebrauchte Theile zu erlangen, sowie an dem Umgraben einer Ackerstelle,
welche von den Regendoctoren benutzt und als geweiht angesehen, und
tsimo _ea pulta_, d.h. Garten, dem Regen geweiht, genannt wird. Auch
dies wurde von den Bekehrten verweigert, sie ließen jedoch dem Könige
wissen, daß sie ihm jeden anderen Beweis ihrer Treue und ihres Gehorsams
als Unterthanen geben wollten, allein die Gebräuche ihrer Vorväter,
seitdem sie _bathu ba lehuku_ geworden, nicht mehr ausüben könnten.

In Folge des constitutionellen Regimes und der Zahl der Anhänger des
neuen Glaubens konnte er die sich Weigernden nicht so leicht bestrafen,
allein er sann auf andere Mittel und fand auch bald Gelegenheit, solche
in Anwendung zu bringen, als sich am nächsten Sonnabend Molema und Jan
auf das Land begaben. Er ließ in der Stadt bekannt machen, daß sich am
folgenden Tage kein Mensch in der Kirche blicken lassen dürfe. Allein
ohne sich um diesen Befehl zu kümmern und von zwei Frauen (denn diese
erkannten zu wohl, daß das Christenthum sie aus der Stellung der
»Sclavinnen« in eine dem Manne ebenbürtige hob) angefeuert, fehlte auch
nicht Einer, als die Zeit des Gottesdienstes kam, in dem kleinen
Gebäude. Des Königs Getreue brachten ihm bald die Kunde von dem
Geschehenen, auch konnte er aus seinem Häuschen den Gesang der Hymnen
hören. Aufgebracht über diesen offenen Widerstand bewaffnete sich
Montsua mit einem langen, dolchartigen Messer und eilte nach der Kirche,
in welche er eintrat, als eben einer der Männer (in Molema's
Abwesenheit) das Dankgebet vorlas. Sein Erscheinen brachte natürlich
Schrecken unter die Versammelten und diese Verwirrung benutzend, befahl
ihnen der König, sich sofort zu entfernen. Da war es eine der Frauen,
die ihm mit den Worten entgegentrat, daß sie (die Versammelten) als
_bathu ha lehuku_ erst ihre Andacht beenden würden. Diese Worte brachten
den König derart in Zorn, daß er auf die Frau losstürzte und es ihm nur
durch die Drohung, von seiner Waffe Gebrauch zu machen, gelang, die
Anwesenden aus der Kirche zu treiben. Unter den Bekehrten befand sich
auch eine seiner Töchter und ihr Mann. Der König verbot ihr aus dem
Hause zu gehen, als sie jedoch von einem der Unterrichteten aus der
neuen Gemeinde besucht wurde und mit diesem in einem Hymnenbüchlein las,
schied sie ihr Vater von ihrem Manne, nahm sie zu sich in's Haus und
zwang sie, der alten heidnischen Sitte gemäß sich blos mit dem
Lederschürzchen zu bekleiden.

Doch alles dies half Montsua nichts und so wurde er endlich seines
strengen Verfahrens müde und nachdem er eingesehen, daß die Bekehrten
sonst ebenso treue Unterthanen waren und überdies arbeitsamer und
wohlhabender wurden, ließ er nicht allein von den Verfolgungen ab,
sondern beförderte (ohne selbst die neuen Lehren anzunehmen) die
Verbreitung des Christenthums in seinem Lande als Jener und Molema
später von einander schieden, ordnete er an, daß Jan, der Barolonge, den
um ihn Wohnenden und Molema den in Molema's Town am Molapo Weilenden
predigen sollte.[1]

    1: Das Christenthum wurde unter die Barolongen durch die
    Weslyanische Missionsgesellschaft gebracht, deren nördlichste
    Station zur Zeit meines Besuches im Jahre 1875 Moschaneng,
    gegenwärtig, nach der Uebersiedlung Montsua's nach Lothlakane,
    Molema's Town ist. Hier wirkt noch immer Molema, während Herr Webb
    seitdem die Stadt verließ und in Lothlakane Rev. Harris (statt Rev.
    Webb) fungiert. Das Wirken der Missionsgesellschaft hat insofern
    gute Früchte getragen, als es viele der Barolongen veredelte, den
    Herrscher zu weisen Maßregeln brachte, und dadurch, daß die
    Missionäre auch Ackerbau einführten, den Wohlstand der Eingeborenen
    hob.

Einer der ersten Besucher am Wagen war ein alter Regendoctor, der mich,
als er von Montsua hörte, daß ich ein Naka (Doctor) sei, als Kollegen zu
begrüßen kam. Der alte Mann fand großen Gefallen an Monkey und bat mich
wiederholt, ihm das Thier zu verkaufen, da er es zu seinem _pula-jana_
(Regenzauberei) gebrauche, und wunderte sich, daß ich, trotzdem ich auch
ein Naka sei, es nicht glauben wolle. Auch Montsua kam mit Einigen
seines Haushaltes, ein Diener trug ihm ein Stühlchen nach, worauf sich
Seine königliche Hoheit niederließ; er erzählte mir von dem die Manupi
beherrschenden, über 100 Jahre (105) alten Häuptling und von der Weise,
wie die Matabele Moselikatse's Begräbniß gefeiert hatten.

Was ich schon während der Reise bis hierher wiederholt befürchtet, trat
ein, von meinen Zugthieren erkrankten nicht weniger als vier, von denen
ich drei, Dank eines mir von Herrn Martin anempfohlenen Heilmittels noch
retten konnte, ihre Leistung konnte aber für die nächste Zeit kaum in
Betracht kommen. Ich stand nunmehr der absoluten Nothwendigkeit
gegenüber, mir Ersatz zu schaffen; glücklicher Weise gelang mir dies
leichter, als ich es je gehofft. Am nächsten Tage ließ mich Montsua zu
sich rufen und erbat sich nicht nur für sich selbst, sondern auch für
drei seiner Frauen, von welchen er eine mir als sterbenskrank
schilderte, meinen ärztlichen Beistand. Die von mir verabreichten
Arzneien hatten Wunder gewirkt, alle meine Patienten fühlten sich schon
in den nächsten Tagen bedeutend wohler. Ich sah mich in Folge dessen
bald von Hilfsbedürftigen umlagert, des Königs Bruder, der Chef
Chatsitsive, der Barolong-Prediger Jan Leschumo, seine Frau und sein
Sohn und zahlreiche andere Eingeborne, darunter besonders Frauen mit
ihren Säuglingen, drängten sich zu meinem improvisirten, unter freiem
Himmel errichteten Ordinationssalon. Meinen ärztlichen Erfolgen hatte
ich es zu danken, daß ich Moschaneng mit einem frischen, zugkräftigen
Gespann verlassen konnte.

Die von Molema (des Königs Bruder) vom Molapo gesandte und durch zwei
Boten abermals bestätigte Nachricht von seiner Besserung hatte mir nicht
allein als Empfehlung gedient, sondern mir auch das Vertrauen der Leute
in Moschaneng im Sturm gewonnen.[1]

    1: Siehe Anhang 18.

Montsua bewies seine Erkenntlichkeit, indem er mir 1 £ St. für die
verabreichten Arzneien nebst vier weißen und ebensovielen schwarzen
Straußenfedern von seltener Schönheit überreichte, von welchen er die
weißen für meine Frau bestimmte; meine Entgegnung, daß ich noch keine
Frau hätte, nahm er mit ungläubiger Miene auf, rieth mir aber
schließlich, die Federn für meine zukünftige Gattin aufzubewahren. Dem
Wohlwollen des Königs verdankte ich auch fünf kräftige Zugthiere, die er
mir für mein Snidergewehr überließ, während Herr Martin und der Händler
Mr. T. mir zu weiteren fünf Thieren verhalfen, so daß ich nunmehr über
14 Zugthiere verfügen konnte und frohen, leichten Muthes der Weiterreise
entgegensah.

[Illustration: Barolongfrauen aus Moschaneng.]

Ich muß hier einer interessanten Beobachtung gedenken. An der Lehmwand
von Mr. Martin's Wohn- und Verkaufslocale sah ich Termiten von einem
unter der Mauer, in der Erde befindlichen Baue einen Gang nach auswärts
an der Außenseite der Wand, aus dem Anwurf mit Hilfe der
Speichelsecretion kneten und formen. Dieser bedeckte Gang war so weit,
daß man etwa einen Bleistift hätte einführen kennen, zeigte viel
Abzweigungen nach rechts und links und auch Gabelungen nach oben. Aus
einem zweiten Souterrainbau führten mehrere solcher Kanäle nach
auswärts, aus der Ferne betrachtet schien es, als hätten Menschenhände
an Herrn Martin's Hauswand Strauchformen durch Ankneten von röthlicher
Thonerde nachzuahmen versucht.

Der Aufenthalt in Moschaneng war auch der Vermehrung meiner
ethnographischen und etymologischen Sammlungen sehr förderlich. In Bezug
auf erstere erwarb ich mehrere Carossen, Kiri's, Waffen, Stöcke mit
eingebrannten Verzierungen, zu Wassergefäßen hergerichtete Straußeneier,
hölzerne Löffel, eine Holzschüssel, Schnupftabakdosen aus Kürbisschalen
und Horn gearbeitet und viele Insecten. Unter den letzteren eine neue
Cerambyx und eine dieser Familie verwandte, schwarzgelb gebänderte
Species, zwei stahlgrüne und eine kupferfarbige Scarabidenart, sowie
andere neue Stücke und Duplicate, im Ganzen etwa 350 Stück. Die
trockenen Mimosenzäune waren die Rendezvousstellen zweier schöner
Bockkäferarten.

Am 17. wollte ich endlich abreisen, doch Montsua ließ es nicht zu. Ich
müsse noch bleiben, hätte ich kein Fleisch, würde er mir welches senden
und um Mittag wurde ich thatsächlich mit einem Ziegenbock als Geschenk
des guten Mannes überrascht. Dann kam er selbst wieder und bat mich noch
einen seiner Leute, einen wohlhabenden Mann, besuchen zu wollen. Als ich
einwilligte, wurde ich sofort zu dem letzteren geführt und hatte hier
Gelegenheit, Einblick in das Familienleben eines Betschuana's zu thun.

In einem etwa 40 Schritte im Durchmesser zählenden Höfchen standen drei
der gewöhnlichen Betschuanahütten oder Häuschen. Eine Schaar nackter
Kinder spielte lustig umher. Ich hatte kaum Zeit, mich in dem Höfchen
umzusehen und die riesigen aus Gras geflochtenen Körbe zu betrachten, in
denen das Kafirkorn aufbewahrt wird, als der Bote aus dem Häuschen
heraustrat und mir mit den Worten Bapila, Sir (Warte, Herr) ein
primitives Stühlchen zum Sitze anbot. Dann lief er in die nächste Hütte
und holte ein junges Weib heraus, sowie eine alte Frau, welche die
Kinder zur Ruhe verwies. Die Frauen begaben sich sodann in das Häuschen,
in dem der Kranke lag, brachten zuerst ein gegerbtes Ochsenfell heraus
und dann mit Hilfe des Führers den kranken Mann, der es nicht zugeben
wollte, daß sich der weiße Doctor in das Innere der kleinen Wohnung
bemühen solle. Ich hatte vor mir einen noch jungen Mann. Er betrachtete
mich mit neugierigen, etwas ängstlichen Mienen und schien seit Langem
ein Lazarus zu sein. Um den Hals trug er ein aus Gras geflochtenes
Schnürchen und an diesem im Abstande von 1¼-1½ Zoll kleine,
gekerbte, Schwärzliche Holzpflöckchen, etwas ähnliches über der
Wade--Beschwörungsmittel die ihm, um seine Krankheit zu heilen, von den
Regendoctoren angelegt worden waren. So ängstlich wie der Kranke, sahen
mich auch die beiden Weiber, seine Frau und seine Mutter, an. Ich fand
den Fuß in sehr schlechtem Zustande und die meisten der Tarsusknochen
cariös entartet. Als ich die Sonde in die Wunde einführte, schloß ihm
die junge Frau mit ihrer rechten Hohlhand die Augen und ich sah
deutlich, wie sich die Stirne des Mannes über der vorgehaltenen Hand und
seine Schläfe mit dichten Schweißtropfen bedeckten.

Als ich die Untersuchung der Wunde beendet hatte, sprach ich dem Kranken
gegenüber die Hoffnung aus, ihn bei meinem nächsten Besuche Moschanengs
besser zu finden. Er war des Holländischen nicht mächtig und richtete
einen fragenden Blick auf den Boten. Sofort übersetzte dieser mein
Gutachten, wobei er dreimal so viel Worte gebrauchte. Nun folgten meine
Rathschläge, welche zwei- und dreimal so lang, meist in umschriebener,
mit Gesticulationen verbundener Form wiedergegeben wurden. Als der Mann
das Einspritzen von lauwarmem Wasser in die Wunden, dann jenes einer
Lösung von Medicamenten erklärte, mußte ich alles aufbieten, um nicht in
lautes Lachen auszubrechen. Ich hatte eine kleine Glasspritze
mitgenommen, deren Wirkung von allen offenen Mundes angestaunt wurde;
höchst verwundert nahm jeder der Anwesenden die Spritze zur Hand.

War schon die Gebrauchsanweisung derselben von meinen Zuhörern schwer
begriffen worden, so war dies noch im höheren Grade der Fall, als ich
das Vorgehen bei dem Loslösen zerstörter Knochenstücke und das Herauf-
und Herausheben der so zur Oberfläche durch die Wundkanäle getretenen zu
erklären hatte; doch auch dies gelang, ebenso die Belehrung, täglich
häufige Waschungen zu halten und ihm eine Medicin (Eisen und Chinin)
dreimal und ein Pulver (Kalk-Phosphate) zweimal des Tages zu
verabreichen. Hier mußte ein Holzlöffel geholt, Wasser eingeschüttet,
dann das Pulver mit etwas Mehl nachgeahmt und das ganze von dem Führer
verschluckt werden, um alles dies im Höfchen wohl begreiflich zu machen
und dem Kranken selbst Vertrauen einzuflößen. Als ich beendet, ersuchte
mich der Kranke, ihm meine Hand zu reichen und unter einem allseitigen
Rumela verließ ich das Höfchen, um die Medicamente zu präpariren; mein
Führer jedoch eilte zu dem Könige, um hier (wie ich später erfuhr) die
ganze Scene, mein Betragen etc. haarklein zu beschreiben.

Während unseres Aufenthaltes in Moschaneng wurde Pit häufig von einer
Landsmännin besucht, welche von ihrem Vater (einem Griqua) an einen
hiesigen Barolongen verkauft, d.h. verheirathet worden war. Sie schien
sich vollkommen glücklich zu fühlen, ebenso daß sie einen
»Stammesbruder« fand, mit dem sie, einen Säugling im Tuche am Rücken
gehüllt und ein Kind an der Hand führend, stundenlang im Tage Pfeifchen
um Pfeifchen ausschmauchen konnte. Sie schien ein weniger hartes Los zu
haben, als es sonst die Frauen der Betschuana's ertragen müssen.

Montsua machte mir den Vorschlag, mich in Moschaneng häuslich
niederzulassen, und meinte, an Praxis würde es mir hier nie fehlen
können, da die Leute von Kanja, Molema's Town, von Manupi u.s.w. alle um
Molemo (Medicin) zu mir kommen und diese mit Straußenfedern, Fellen,
Ochsen und Ziegen bezahlen würden. So wohlwollend die Einladung auch
war, ich hatte eine andere Aufgabe vor mir.

Am Morgen des 18. machte ich mich zur Abreise bereit. Alle Notabilitäten
von Moschaneng fanden sich ein, Montsua und Herr Martin brachten noch je
eine schöne, weiße Feder und ich mußte wiederholt dem Könige die Hände
schütteln. Als letzten Beweis seiner Huld bot mir der König einen Führer
nach Molopolole zu dem Könige der Bakwena's an, den ich, obwohl er nicht
kräftig schien, mitnahm. Ein Intermezzo, das unsere Lachlust auf's
Höchste in Anspruch nahm, beschloß unseren Aufenthalt in Moschaneng.
Unser neuer Führer nahm Freund Boly bei seite und frug ihn, ob der Baß
es wohl erlauben würde, daß er seine Frau und Nichte mit auf die Reise
nehmen könne. Da Boly es verneinte, wandte er sich darauf an mich und
über den Grund dieses seines Ansuchens befragt, gestand er, daß dieser
Makoa (Weiße), auf B. weisend, seiner Frau und dem Kinde (Nichte) tata,
tata (viel, viel) gefiele und sie deshalb mitreisen wollten.

[Illustration: Klippdachsjagd.]

Wir schlugen eine nordwestliche, dann eine nördliche Richtung ein und
hatten zwischen der verlassenen Stadt und dem zweitnächsten Flusse, den
Koluany, den wir zu überschreiten hatten, ein Hochland zu durchziehen,
welches an Schönheit der Gebirgsscenerien en miniature nur von dem
großartiger geformten Makalaka-Höhenlande (Westmatabele) übertroffen
wird. Das Hochplateau ist theilweise Busch-, theilweise freies Grasland,
doch hie und da auch dünn bewaldet und von einer Unzahl bis an 80 Fuß
hohen meist pyramidenförmig geformten, aus riesigen Granitblöcken
bestehenden Felsenhöhen übersäet. Da sich in ihrer Nähe der Boden in der
Regel feucht erhält, sind sie von einem Mimosengürtel umsäumt und von
üppigster Vegetation bedeckt, in welcher sich namentlich kleine
Aloëarten und niedrige cactusförmige Euphorbiaceen, doch auch Stapelien
bemerkbar machen und letztere mit ihren dunklen, sammtartigen, fein
behaarten, erstere mit ihren schönen rosa- und dunkelrothen Blüthen und
die Euphorbiaceen durch ihre Formbildung besonders hervorstechen und um
so wirkungsvoller in das Auge fallen, als sich ihr Bild hier aus einer
verwitterten Felsenritze, dort zwischen zwei eng aneinander gefügten
Blöcken oder aus den grauen Felsenhöhlungen anmuthig hervorhebt. Doch
das, was uns am meisten aus der Pflanzenwelt an diesen interessanten
Felsenkuppen auffällt, sind die Sykomoren, welche mit hellgrauen, dicken
wulstigen, bald breiten und flachen, bald netz- oder auch gabelförmigen
Wurzeln senkrechte Felsenwände überziehen um in einer Höhe von 2-10 Fuß
und darüber (von der Ritze, aus der diese Wurzeln gekommen) in den
fleischigen, gedrungenen, mit schönen großen Blättern und einer
schattigen Krone geschmückten Stamm überzugehen. Oxalis, Farrenkräuter
und Moose sowie Flechten sind in artenreicher Anzahl vorhanden; auch
beobachtete ich auf diesem Plateau neue Lepidopteren und Käfer, und fand
von Säugethieren marder- und katzenartige Raubthiere, sowie auch den
Klippdachs zahlreich vertreten. Nach Westen senkt sich das Hochplateau
gegen einen nach Regen zu einem Flusse angeschwollenen und von
Moschaneng von Norden bei Westen, dann Nordwesten und endlich Norden
fließenden und in den Masupa-River mündenden Bach. Der Abfall ist steil,
oben bewaldet, ein Lieblingsaufenthalt der Hyäna brunea und punctata,
doch hauptsächlich des Caracal und des Leopard.[1]

    1: Siehe Anhang 19.

[Illustration: Naprstek-Höhen.]

[Illustration: Wolfshyänen eine Viehheerde überfallend.]

Diese ausgedehnten Hochflächen sind aber besonders durch die in großen
Rudeln auftretenden, gefürchtetsten aller südafrikanischen Raubthiere
verrufen. Von Gestalt zwischen Proteles und Hyäne, ist dieses Thier der
grimmigste Feind aller Viehheerden, vor ihm warnte mich sowohl Herr
Martin als König Montsua selbst. »Du darfst nie,« meinte Montsua, »Deine
Ochsen in der Nacht grasen, nie sie allein ohne Aufsicht am Tage weiden
lassen, sonst wirst Du nur wenige mehr nach Molopolole bringen.« Jenes
Raubthier ist der wohlbekannte Canis pictus (auch Lycaon pictus oder
venaticus, in Süd-Afrika als »the wild dog« bekannt) der zu den
räuberischsten, mit einem unauslöschlichen Vernichtungstriebe und einer
nicht minder gierigen Freßwuth von der Natur bedachten Geschöpfen der
Erde gehört. Von der Größe eines nicht ganz erwachsenen Wolfes, doch
schmächtiger, wird dieses Thier großen Säugethieren wie Rindern, Eland-,
Hartebeest-Antilopen etc., dadurch gefährlich, daß es nur in Rudeln
jagt, niederen Thieren dadurch, daß es, sobald es eines derselben
(Ziege, Schaf, Wildschwein) getödtet, sich auf ein zweites und drittes
wirft und auf diese Weise unbewachten Heerden die größten Verluste
beibringen kann. Die Länder der Eingebornen und die Grenzdistricte der
Transvaal-Provinz werden besonders häufig von ihnen heimgesucht.

Dieses Raubthier bewohnt unterirdische Höhlen und jagt in Rudeln in
einem bestimmten Districte von seinen Höhlen aus oder über weite
Strecken, um sich zur Frühjahrszeit in seinen alten Wohnsitzen
einzufinden. Mit hochgehaltener Schnauze sucht es die Witterung
aufzunehmen, ist es darin erfolglos, so läuft die Truppe zerstreut, doch
nicht weit auseinander, durch das Gras, mit der Schnauze längs dem Boden
hinfahrend. Aufgenommene frische Spuren von Wild und Hausthieren (sehr
selten Pferden, die für den Canis pictus zu rasch und gefährlich sind)
werden sofort verfolgt dann jagt die Meute dicht gedrängt, heulend und
kläffend in der Spur, kommt ihnen außerdem die Witterung noch zu Hilfe,
so geht ihr Lauf in ein solches Rasen über, daß manche oft gegen Büsche
anrennen und über Gestein und Ameisenhügel kollern. Ihrer geringen Größe
halber lassen größere Thiere, wie Rinder und Elandantilopen, sie oft
nahe kommen, was diesen dann zum Verderben wird. Ja es geschieht sogar
zuweilen, daß sich dieselben nicht eher zur Flucht wenden, als bis sie
von der Meute angegriffen werden. Während sich nun das eine Rind mit den
Hörnern gegen zwei oder drei der Austürmenden kehrt, haben sich deren
drei bis vier andere in die Schenkel, ebenso viele in den Bauch
verbissen--statt sich nun zu wehren, sucht sich das Thier durch die
Flucht zu retten; manchmal gelingt dies und die Rinder kehren mit in den
Unterleib gebissenen Löchern heim, doch wenn es stolpert, wenn es am
Halse, oder gar an den Nüstern gefaßt wird, wenn ihm die Kniegelenke
durchbissen werden und durch die Wunden im Unterleibe, die in der Regel
die gefährlichsten werden, die Eingeweide herausfallen oder
herausgezerrt werden, ist es verloren und geht nach stundenlanger Qual
zu Grunde.

Am 18. zogen wir über das Hochplateau des Banquaketse-Landes. In Folge
des vorgeschrittenen Sommers grünte alles um die Wette, ich sah nicht
eine trockene Mimose. Die Perle der verschiedenen, dem Auge sich
bietenden Felsenscenerien trafen wir an den Naprstekhöhen, mit denen das
pittoreske Landschaftsbild auch nach Norden zu seinen Abschluß findet.

Gegen Sonnenuntergang fuhren wir in das mäßig tiefe Thal eines bis auf
eine kleine Rinne trockenen Sand-Rivers, Mosupa (Masupa, Moschupa)
genannt, der sich mit dem Taung, einem linken Nebenfluß des Notuany
vereinigen soll. Das Bett des Flusses wie seine Ufer waren stellenweise
mit riesigen Granitblöcken übersäet, welche am linken Ufer gewaltige
Platten bildeten, deren ebene, etwas vertiefte, obere Flächen große von
der Natur gebildete, seichte Wasserreservoirs zeigten. Einige hundert
Schritte zur Rechten macht der Fluß eine plötzliche Wendung nach
Nordosten; im inneren Winkel dieses Buges und am linken (nördlichen)
Ufer erhebt sich ein grotesker Felsenhügel, welcher mit zwei anderen
zusammenhängenden, doch niedrigeren, aus wahren Riesenblöcken
bestehenden, abgeflachten Höhenkuppen durch einen Sattel zusammenhängt.

Von dem Hochplateau gegen die Thalsohle herabfahrend, verwehrte uns
üppiges Baum- und Buschdickicht den Fernblick und so öffnete sich denn
plötzlich vor uns eine der anmuthigsten und schönsten Scenerien. Die
glühende Sonnenscheibe berührte den Rand des nahen, bebuschten
Hochplateaus, aus dem sich der Masupa-River den Weg nach Osten bahnt.
Die ganze Fülle der Strahlen ergoß sich in das Thal und auf die ihm
zugekehrten Seiten der Höhen. Während es ihnen ob der tiefen Lage des
Flußbettes, aus dem nur hie und da der weißliche Sand und die hellen
Felsenblöcke undeutlich herausschimmerten, nicht möglich war, in diese
Mulde zu dringen, beschienen sie hell die riesigen Felsenplatten und
Massen aufgetürmter Felsenblöcke am linken, jenseitigen Ufer, aus denen
an verschiedenen Stellen die erleuchteten Oberflächen der klaren,
natürlichen Felsencisternen nach allen Seiten riesigen Diamanten gleich
funkelten. Hob sich der Blick nach den Höhen im Norden und Nordosten
(den nahen Naprstekhöhen) so erschienen die schroffen und abschüssigen,
die abgerundeten und abgeflachten Felsenblöcke derselben überall da, wo
sie nicht eine schattige Sykomore oder anderes, helleres oder dunkleres
Grün von Bäumen oder Sträuchern deckte, wie durch innere Hitze erglühend
und der Reflex dieses Purpurlichtes, sowie die unmittelbar auf das Laub
der Bäume fallenden Strahlen des untergehenden Sonnenlichtes hüllten die
dem Westen zugekehrten Kronen in ein goldenes Gewand, welches bei der
Bewegung der Aeste, Zweiglein und Blätter, zu flimmern schien. Von den
so herrlich beleuchteten Punkten der vor unseren Blicken sich
ausbreitenden Scenerie vollkommen gefesselt, hatte unser Auge die
weniger beleuchteten Partien, wie z.B. jenen freien geschützten Raum am
Fuße der Höhen zwischen den nördlichen und den am jenseitigen Ufer sich
erhebenden Felsenmassen nicht gesehen. Doch als nun das goldene Gestirn
untergegangen war, als der Purpurglanz an den Höhen und den vorragenden
Erhebungen und Felsenformen im Thale erbleicht war und eine
gleichmäßigere Vertheilung des Lichtes platzgriff, fiel uns jene
oberwähnte, anfangs nicht beachtete Strecke am südlichen Fuße der Höhen,
jener zwischen denselben von pittoresken und belaubten Felsenmauern
umschlossene Raum auf.

Hatten wir mehrere zufällig hingeblickt, oder war es die erwähnte
gleichmäßige Lichtvertheilung, welche die Netzhaut unseres Auges in
gleicher Weise afficirte, genug, E., ich und Pit der Griqua stießen
unwillkürlich einen Ruf der Ueberraschung aus. Was hatten wir erblickt?
War das ein Kirchhof--doch nein, wir sind ja im Centrum Süd-Afrika's
unter Wilden. Ruinen sind es, Ruinen einer mit einer niedrigen
Felsenmauer umgebenen Stadt. Der von Montsua uns mitgegebene Führer
wußte uns darüber folgendes zu berichten: Diese Eingebornenstadt war bis
in die letzten Jahre hin von einem Banquaketsestamm (Zweigstamm)
bewohnt. Der Sohn des Häuptlings Mosilili, mit Namen Pilani, ein Freund
Seschele's des Bakwenakönigs, verließ mit einer Anzahl seiner Anhänger
seines Vaters Stadt und das Gebiet des Chatsitsive, um sich im neuen
Gebiete des Königs Seschele in Molopolole niederzulassen, worauf
Mosilili, ein alter Freund von Chatsitsive, die halbverlassene Stadt mit
dem Reste ihrer Einwohner im Stiche ließ, um sich in der Nähe von Kanja
anzusiedeln. Die Ruinenstelle ist etwa ¾ englische Meilen lang und
stellenweise 2-600 Schritte breit. Die Mauer, die um den Kraal läuft,
ist niedrig, blos 3 Fuß hoch, 1-2 Fuß dick und diente wohl dazu, nur das
Vieh nahe an den Häusern zu halten. Zur Vertheidigung war sie nur dann
von Nutzen, wenn mit Dornenbüschen 4-5 Fuß hoch überdeckt; mit einer
ähnlichen, blos aus aneinander gelegten, kopfgroßen Gesteinen
errichteten Mauer war auch der tiefste Einschnitt im Höhensattel
versehen. Der nächste Tag wurde dem Besuche der Ruinen gewidmet und auf
die zahlreichen, die Höhen bewohnenden Hyänen Jagd gemacht.

[Illustration: Afrikanischer Luchs.]

An den Ruinen fielen uns vor Allem die cylindrischen Mauern, Ueberreste
der Wohnungen und Gehöft-Einfriedigungen, ferner einige noch bedachte
Hütten, zur Rechten die Ruinen eines Missionshauses, doch vor Allem
kegelförmige gedeckte, meist aus röthlichem Thon gefertigte, noch
ziemlich gut erhaltene Eingebornen-Wohnungen auf.[1]

    1: Siehe Anhang 20.

Auf einem längs des Flußufers unternommenen Ausfluge fand ich recht
anziehende Partien sowohl in dem Flußbette selbst als auch an den beiden
hohen, mit bunter Boden- und Buschvegetation dicht bewachsenen Ufern.
Bald stufen- bald walzenförmig lagen die vom Wasser spiegelglatt
geschliffenen Felsenblöcke übereinander und bildeten kleine Katarakte,
die für den künftigen Besiedler des Ufers natürliche Wehren sind, um
seine Mühle zu treiben und seine Gefilde zu bewässern. In den Dickichten
am Flusse jagten sich Heerden der gehörnten Perlhühner (N. coronata) und
an den lehmigen Stellen sah ich deutliche Fischotter- und Leguanspuren.

Um die Mittagszeit, als wir überall auf den vorragenden Felsenblöcken
den Klippschliefer hocken und herumhuschen sahen, machten wir uns mit
den Hunden auf, um einigen dieser von den Engländern Rockrabbits, von
den Boer's Dossies genannten Dickhäutern nachzustellen. Wohl weil von
den Eingebornen häufig verfolgt, zeigten sich diese kleinsten der
lebenden _Pachydermata_ sehr scheu; so lange wir am Wagen oder im
Bereiche der Ruinenstadt blieben, wichen sie, meist in kauernder
Stellung an den vorragenden Felsenblöcken--vielleicht auch als Wachen
sitzend--sonst aber in den Büschen nach Wurzeln und Gras, auf den
dickstämmigen Sykomoren nach Feigen suchend, nicht von der Stelle;
sobald wir jedoch den Fuß der Höhen erreicht hatten, verschwanden sie in
der nächsten Felsenritze.

Während Freund Eberwald und F. mit Stephan auf dem östlichen Hügel
darauf losknallten, hatte ich mich von dem westlichen steilen Abhange
nach dem nördlichen geschlichen, um einen auf der äußersten Felsenspitze
vollkommen apatisch und melancholisch hockenden, um seine und die
Sicherheit seiner Kameraden unbesorgten Klippdachs anzuschleichen. Nicht
ohne Schwierigkeiten und manchen meine Lachlust erregenden Zwischenfall
gelang es, den steilen Abhang emporzuklimmen und eine Stelle zu
erreichen, von welcher aus das kleine Thierchen in Schußweite lag. Mein
Begleiter Pit wollte durchaus noch weiter klettern, ich aber ersah den
günstigen Moment und feuerte eine Schrotladung hinauf. Der Schuß hatte
getroffen, der Klippdachs kollerte zum Stamm einer über den Abhang sich
erhebenden Sykomore und fiel dann einige Fuß senkrecht herab. Athemlos
klettern wir über die großen Felsblöcke auswärts, um die Stelle am Fuße
der Sykomore zu erreichen--doch welche Enttäuschung, die Erde war vom
Blute des Thieres geröthet, das Thier selbst war jedoch verschwunden.
Wir durchsuchten alle Ritzen und Löcher zwischen den Felsen--vergebens.

Hyrax capensis, wohl eine und dieselbe Species oder eine sehr nahe
Varietät des Hyrax abissinicus ist von der südlichen Meeresküste durch
ganz Süd-Afrika über den Zambesi hinaus verbreitet und wählt sich meist
felsige Höhen zum Aufenthaltsorte. Von seinem gewählten Schlupfwinkel
weicht er nicht gerne und mag auch unter dem Felsen, auf den er sich
eingenistet, ein Gehöft oder eine Stadt entstanden sein, er bleibt ruhig
wo er war, nur daß er scheuer als in der Wildniß wird. Als kleinster der
Dickhäuter ist er ein eigentümlicher Kauz, ein tiefer Denker, der seine
Handlungen wohl überlegt, bevor er sie ausführt, sonst ein närrischer
und bissiger Geselle. Etwas über Kaninchengröße, mit kurzen Ohren und
kleinen, sehr lebendigen Aeuglein, ist er mit einem dichten, dunkel
gelblich-braunen Pelze bekleidet, dessenthalben ihm von den Eingebornen
eifrig nachgestellt wird. Doch auch sein Fleisch wird von vielen Weißen
und von den Eingebornen genossen und manche der Stämme, wie die
Makalaka's, bedienen sich mit Nägeln versehener Stöcke, um die in die
Felsenritzen geflüchteten Klippschliefer aus diesen herauszuholen. Nebst
dem Menschen sind es der Caracal und der südliche Luchs (Lynx pardinus)
sowie der braune Adler, welche ihm nachstellen, doch ohne seiner großen
und raschen Verbreitung viel Abbruch thun zu können; seiner Brut werden
die Genetten gefährlich.

Die steilsten Höhen, schroffe Abfälle, in Süd-Afrika als »Kränze«
bekannt, sind seine Lieblings-Aufenthaltsorte. Ein kleiner Hase bewohnt
diese Höhen und ist oft sein Gesellschafter, wenn dieser auch nicht in
die tiefsten Spalten herabsteigt, sondern sich mehr an der Oberfläche
aufzuhalten sucht. Der Klippdachs liebt die Wärme und sich zu sonnen ist
neben seinen Nahrungssorgen seine wichtigste Beschäftigung. Nasse Winter
(eine Seltenheit auf den Hochebenen) und große Kälte schaden ihm sehr.
Gefangene, denen man nicht vollkommen das freie Herumlaufen gestatten
konnte und die in feuchten, oben geschlossenen Localen gehalten wurden,
erkrankten an Augenentzündungen und siechten zusehends ab; sonst sieht
man sie häufig in Behausungen gehalten und an Schnürchen, die sie nicht
zerbeißen, angebunden. Man kann sie hier und da für 2-5 Shilling per
Stück erstehen.

In einer der vielen trichterförmigen Kalk-Felsenhöhlen in der westlichen
Transvaal-Republik beobachtete ich eine Art mit etwas zottigem,
fuchsrothem Fell, ohne ihrer jedoch habhaft werden zu können und in den
bewaldeten Partien des südlichen Theiles der Cap-Colonie, wie auch in
Kafraria, Natal und weiter nordwärts lebt eine graue mit einem weißen
Band geschmückte, etwas kleinere Art nur auf Bäumen, von der ich zwei
Exemplare sah. Sie sollen ein weithin tönendes Gepfeife ausstoßen und
sind sehr scheue, besser als ihre Stammesbrüder auf den Felsen,
Feuchtigkeit vertragende Thierchen.

Freund E. war glücklicher als ich, er brachte Turteltauben und ein
schönes großes Rebhuhn (Francolinus gariepensis), sowie einige der uns
bisher fremden, palmenartigen Grasbäume heim; manche derselben waren
stark angekohlt, ein Beweis, daß die Höhen zeitweilig von Bränden
heimgesucht werden. Wir benutzten die aus den Stammenden und an den
armleuchterartig emporsehenden Abzweigungen hervorsprießenden, viel
Kieselkrystalle enthaltenden Blätter, um damit unsere Eisen- und
Stahlsachen blank zu scheuern. Ich beobachtete noch eine zweite, höhere
und bedeutend dünnere starkverzweigte Art an einigen (immer nur an)
Höhen im Zambesithale, eine der beiden Arten soll auch im centralen
Transvaal-Gebiete auf den Magalisbergen vorkommen. Die Pflanze gehört
unstreitig dem wärmeren Theile Süd-Central-Afrika's an und fesselt durch
ihre dunklen, aus dem Grase und zwischen den grauen oder weißlichen
Felsblöcken hervorsprießenden, 2-3 Fuß hohen und armdicken Stämmchen
sofort die Aufmerksamkeit des Fremden.

Nachdem ich die Häupter meiner Lieben gezählt und keines fehlte, brach
ich wieder auf; unser Weg führte uns durch mehrere sandige Flußbette
(Koluany und Mahatelve) und zahlreiche Regenmulden, deren Ufer von
herrlich grünenden Mimosen bestanden waren. An einer dieser Regenmulden
entdeckte unser Führer zahlreiche Hyänen- und Leopardenspuren, die uns
zur Vorsicht mahnten. Kaum hatten wir das Schutaniflüßchen, dessen
felsiges Flußbett den Zugthieren viel zu schaffen gab, überschritten,
als die Hunde mit besonderer Vehemenz auf einen Busch anschlugen.

Da rief Stephan plötzlich: »Bas, Bas. Sir, pass up, een chut lup nack ye
tu« (Herr, Herr, gib' acht, ein Ding läuft auf Dich zu). Ich sprang zur
Erde, Pit, E. und B., wir alle wandten unsere Blicke nach der
Schallrichtung, das Hundegekläffe kam näher, entfernte sich dann aber,
als plötzlich einige Schritte vor den Ochsen ein gelbliches,
schwarzgeflecktes Thier, ein südlicher Luchs, Thari von den Eingebornen
genannt (L. pardinus) über den Weg setzte und den Anhang hinablief. Es
schien uns allen so klein, und da die Hunde, namentlich Onkel, dem
Thiere auf den Fersen waren, dachte Niemand nach dem Gewehre zu greifen,
alles lief dem flüchtigen Thiere nach. Ueber Busch, über Stock und Stein
flogen und fielen wir--doch dieses spontane Wettrennen war nur von
kurzer Dauer, denn an einem Haufen tief in die Erde eingebetteter
Felsblöcke, vor einer tiefen, in eine Höhle führenden etwa 16 Zoll
breiten Zerklüftung hielten die Hunde mit einem Male still und kläfften
in die Höhle hinab, aus der das Fauchen des Raubthieres zu hören war.

Wir hatten indeß keine Zeit zu versäumen und mußten, wenn auch ungern,
zum Wagen zurückkehren. Am Lagerplatze angelangt, schärfte ich den
Dienern die größte Wachsamkeit ein und ließ mehrere größere Feuer zur
Abwehr der Leoparden errichten.

Durch dichten Niederwald, in dem Laubhölzer zahlreich auftraten, setzten
wir am nächsten Tage unsere Reise fort. Wir begegneten zwei Frauen,
deren Hals und Brust über und über mit Glasperlenschnüren und Arme und
Schenkel mit aus kleinen Glasperlen gearbeiteten fingerdicken Ringen
bedeckt waren; ein ihnen folgender Knabe trieb einen Ochsen, der als
Packthier das Gepäck der »Schönen« trug. Mit dem Ueberschreiten des
Koluanyflüßchens hatten wir das Gebiet Seschele's betreten, des
Herrschers der Bakwena's, der nächst den beiden Bamanquato-Herrschern
das umfangreichste Landgebiet unter den unabhängigen Betschuana-Königen
besitzt.

Durch den Knall unserer Peitsche angelockt, kamen zwei Bakwenaknaben zum
Wagen herbeigelaufen, und trugen mir eine Deukergazelle zum Kaufe an;
ich erstand das liebe, zierliche Thierchen, das ohne Verwunderung über
den Wechsel seines Gebieters so treu und traulich uns mit seinen
schönen, großen Augen anblickte und sich im Wagen bald heimisch fühlte,
für eine Bagatelle.

Nachdem wir das theils felsige, theils sandige Flüßchen, Malili genannt,
überschritten hatten und durch einen tiefsandigen Wald reisten,
erblickten wir, während des Aufstiegs durch Bäume verdeckt, eine
Höhenkette im Norden, welche bebuscht zu sein schien. Näher kommend,
gewahrten wir, daß sich im Osten noch andere Höhen an die erwähnte (der
mittlere Theil der Bakwena-Höhen) anschlossen und auf einer derselben
hoch oben einen weißen Punkt, einem europäischen, weißgetünchten Gebäude
nicht unähnlich. Unser Führer machte uns auf diesen weißen Punkt
aufmerksam, es war das Wahrzeichen Molopolole's, die Residenz
Seschele's. Der Weg zu der am Abhange eines Höhenzuges erbauten Stadt
führte uns durch ein Kesselthal, dessen Sohle von dürftigen und
schlechtgepflegten Feldern eingenommen wurde.

Abends fuhren wir bis zu einem in der Mitte des Kessels sich
ausbreitenden, von einer Bachschlucht durchschnitten Rasenplatz, in
dessen Nähe drei Eingebornendörfer gruppenweise je an dem Fuße einer
Höhe lagen und schlugen hier unser Lager auf. Gegen Osten blickend sahen
wir in der Entfernung von circa 300 Schritt den Höhenrücken mit
Seschele's Villa, die einige hundert Fuß hoch über dem Bette des Baches
und dem südlichen Ende einer auf den Höhenrücken sich nach Norden
windenden seichten Thalvertiefung, erbaut war. Diese Villa, der sieh die
Gebäude des königlichen Haushaltes und die Kotla (der umzäunte
Berathungsplatz der conservativen Bakwena's) wie die Gebäude der hier
zeitweilig wohnenden Händler anschlossen, lag unter dem Schutze eines
kleinen Felsenhügels. Unten am Rande des Thalkessels und am Fuße dieser
Höhe lag ein anderer Theil Molopolole's (ein Eingebornendorf). Ein
dritter Theil liegt am Fuße des isolirten südlichen Höhenrückens, der
von den östlichen und von der lagen nördlichen, von Westen nach Osten
sich ziehenden Höhenmasse durch eine lange Felsenenge, das von den
Eingebogen Kobuque genannte Felsenthor, geschieden war. Auch am Fuße der
eben erwähnten nördlichen Kette liegt ein Stadttheil neben einem in
Ruinen verfallenen, doch nicht mehr im Thalkessel, sondern außerhalb
desselben, an die nach der offenen Südsüdwestseite hin sich
ausbreitenden Felder angrenzend. Eine zweite Schlucht, deren
felsenthorartige Mündung Molopolole genannt ist und der Stadt den Namen
gab, führt in nördlicher Richtung aus dem Thalkessel; durch sie tritt
der Bach aus dem Bakwena-Höhennetze in den Kessel. Unter der Mündung
dieser Schlucht im Thalkessel liegen die Gebäude der Missionäre und die
Schule, während die Kirche oben auf dem Höhenrücken im oberen
Stadttheile zu Anfang einer zum Thalkessel führenden Schlucht erbaut
ist.




XI.

Von Molopolole nach Schoschong

Malerische Lage der Stadt.--Rev. Price und Williams.--Die
Kotla.--Ausflug in die Molopolole-Schlucht.--Ein Festtag für
Molopolole.--Millionärs-Laufbahn in Süd-Afrika.--Empfang bei
Seschele.--Die Bakwena's.--Geschichte des Bakwena-Reiches.--Königin
Ma-sebele und Kronprinz Sebele.--Molopolole's Umgebung.--Sitten und
Gebräuche der Betschuana's.--Religiöse Vorstellungen derselben.--Naka's,
Linjaka's und Moloi.--Heilmethode und Heilmittel derselben.--Beschwörung
Khama's.--Regenmacher.--Aufbruch von Molopolole.--Ein dornenvoller
Marsch.--Eingeborne Postboten.--Wassernoth.--In Lebensgefahr.--Barwa's
und Masarwa's.--Abergläubische Gebräuche dieses Sclavenstammes der
Betschuana's.--Ihre Jagdlist.--Neujahrsfeier in der Wildniß.--Im
Bakwenalande verirrt.--Von Masarwa's gerettet.--Ein merkwürdiger
Fund.--Begegnung mit Leoparden.--Ein besorgter Vater.--Einzug in
Schoschong.


[Illustration: Termitenhügel.]

Unstreitig bietet Molopolole von dem Thalkessel aus gesehen den
interessantesten Anblick und die schönste Scenerie unter allen
Betschuanastädten dar. Aus dem kleinen, grün begrasten Thalkessel, in
dem wir stehen, erblicken wir um uns die meist in ihren oberen Partien
oder bis zur Hälfte perpendiculär abfallenden, oder bis an ihren Fuß von
Blöcken gebildeten, zwischen diesen aber und an den minder abschüssigen
Abhängen dichtbebuschten, hie und da mit einer riesigen Aloëspecies
gezierten Felsenhöhen. Zu unserer Rechten die von Norden kommende
Schlucht mit der überaus interessanten Felsenformation des überhängenden
Molopololefelsens und zwischen uns und dieser Schluchtmündung hohe
Laubbäume, die Gebäude der Missionäre und ihre Gärtchen mit dem
tropischen Pflanzenwuchse der Bananen und des Zuckerrohres geschmückt.
Vor uns, am Fuße der östlichen steilen, und rechts von uns an dem der
westlichen bewaldeten Höhe je ein Eingebornendorf, in dem letzteren die
umfangreichen Gehöfte der Handelsfirma Taylor, nächst Francis und Clark
die bedeutendste in den Betschuanaländern, und zwischen den beiden
dringt der Blick durch das nach Süden führende Felsenthor, die
Kobuque--und über dem Dorfe vor uns endlich nach Osten zu--hoch oben der
von den Besten des Stammes bewohnte Stadttheil mit den königlichen
Gehöften. Wenden wir uns nach Norden und Westen, so sehen wir den
nördlichen Stadttheil am Fuße der nördlichen Höhenkette und außerhalb
des Thalkessels die röthlichen Ruinen einer verlassenen Eingebornenstadt
und die breite Ebene, von dem dunklen Grün des eben durchreisten,
tiefsandigen Waldes nach Süden und Südwesten begrenzt. Was uns noch bei
dieser Betrachtung auffällt, sind einige am Fuße der letztgenannten
Höhen wie am Uferrande des Bächleins stehende Riesenbauten der
Termiten.[1]

    1: Der eine war 9½ Fuß hoch (die Hauptpyramide) und hatte (mit den
    Nebenpyramiden) 40 Fuß Peripherie.

An Molopolole haben wir die Schönheit der Naturscenerie zu bewundern,
ohne daß der Fleiß seiner dunklen Bewohner durch Anpflanzungen oder
hervorragende Form im Baustyle seiner Hütten etwas dazu beigetragen
hätte, nur die Anlage der Stadt an der von der Natur aus befestigten
Stelle spricht zu Gunsten ihres Königs. Der gegenwärtige König Seschele,
dem schon Livingstone einige Capitel seines Buches (»Missionary
Travels«) widmet, und von dem ich noch ausführlicher zu reden haben
werde, wohnte mit seinem Stamme, den Bakwena, der durch innere Reibungen
und Kriege mit den umwohnenden Stämmen bedeutend herabgeschmolzen war,
südöstlich von Molopolole, nahe da, wo wir jetzt die Stadt der Manupi
finden. Ruinen bezeichnen noch die Stelle wo er gehaust; diese seine
erste, gegen die Transvaal-Grenze zu gelegene Residenz hieß Kolobeng.
Hier wurde er im Jahre 1842 von dem Nestor der Afrika-Reisenden besucht.

Aus Kolobeng wurde Seschele von den Boers vertrieben und siedelte sich
dann in Liteyane, 10 englische Meilen westlich von Molopolole an. Seit
1865 residirt er in Molopolole, wo sich schon früher eine Niederlassung
im Thalkessel befand und wohin auch Pilani aus der Mosupa-Stadt
übersiedelte. Das Gebiet Seschele's, das nördlichste der vier erwähnten
Betschuanareiche, grenzt nach Westen an das große Namaqualand, im Norden
an das der westlichen oder N'Gami-Bamangwato's oder der Batowana's und
an das der östlichen oder Schoschong-Bamangwato's, im Osten mit dem
Limpopo und Marico an die Transvaal-Colonie und im Süden an das Land der
Banquaketse. Die Südgrenze verläuft unter 24° 10' s. Breite von Koluany,
an Kolobeng vorbei in südöstlicher Richtung zu den Dwarsbergen bis zum
großen Marico. Die nördliche Grenze gegen die zwei Bamangwato-Reiche
liegt unter 23° 30' s. Breite und folgt zum Theile dem Sirorume-River.
Die Zahl der eigentlichen Unterthanen Seschele's schätze ich auf
32-35.000 und jene der im Lande wohnenden, allein keinen Tribut an
Seschele zahlenden Batloka, Bakhatla und Makhosi auf 18-20.000, während
ich die Kopfzahl der das ganze Banquaketseland bewohnenden Stämme auf
28-30.000, die eigentlichen Unterthanen im Lande Montsua's, des Königs
der Barolongen auf 33-35.000 und jene in seinem Lande südlich vom Molapo
gegen die Batlapinen zu wohnenden, allein ihm nicht Tribut zahlenden
kleinen Barolongenstämme in der Umgebung gewisser Städte, wie Marokana
etc. auf 30.000 veranschlagen möchte. Mankuruane, der Batlapinenkönig
hat über 30.000 unter seinem Scepter, während sich in dem kleinen
Mamusa-Königreiche kaum 8000 finden dürften, obwohl die Stadt Mamusa
allein vor einigen Jahrzehnten an 10.000 Bewohner in ihrem Weichbilde
beherbergt hatte.

Als wir am 21. Abends auf dem Rasenplatze in dem Molopololekessel
lagerten, näherten sich uns ein ärmlich gekleideter Holländer, der hier
Schmiedarbeiten versah, und zwei Eingeborne, welche uns Weideplätze für
die Zugthiere anwiesen. Bald adarauf erschienen die beiden Missionäre
Price und Williams und hießen mich willkommen. Der letztere ist seitdem
nach Europa zurückgekehrt, während Rev. Price von seiner Gesellschaft
nach Central-Afrika beordert wurde. Durch seine zweite Verehelichung mit
Miß Moffat ist er mit Livingstone verschwägert.

Am folgenden Morgen unternahm ich einen Ausflug zu der nach Westen
gelegenen Ruinenstadt und einen zweiten in die mit dem Molopolole-Thor
in den Thalkessel mündende Schlucht aufwärts. In der Ruinenstadt fielen
mir die gewölbten, aus Schilfrohr und Ruthen errichteten und cementirten
Doppelbauten auf, wie ich sie in Mosilili's Stadt am Mosupaflusse
beobachtet habe.

Türkische Feigen und die bekannte südafrikanische violettblühende Datura
gediehen auf diesem Platze vorzüglich.

Unter den bewohnten Hütten der Baknena oder Bakwena fielen mir
namentlich zwei Merkmale auf, durch welche sich dieselben von jenen der
Barolongen und Batlapinen etc. unterscheiden. Sie waren im Allgemeinen
weniger fest gearbeitet und konnten sich mit denen der Barolongenhütten
etc. nicht messen, doch zeigten die meisten aus Thon gearbeitete
Umzäunungen, die wir z.B. bei den östlichen Batlapinen nur noch an dem
Feuerherde, bei den südlichen und westlichen gar nicht vorfinden. In den
Dörfern fand ich frei zwischen den Gehöften stehende Berathungshäuschen,
d.h. ein kegelförmiges, auf 20 und mehr Pfählen ruhendes Strohdach, die
Oeffnungen zwischen den einzelnen Pfählen waren bis auf die
Eingangsstelle mit einer solid gearbeiteten Rohrwand bis zur halben Höhe
der Pfähle geschlossen und diese Wand mit einfachen Ockermalereien
verziert.

Mein Ausflug die Molopolole-Schlucht aufwärts, an den Gebäuden der
Missionäre vorbei, war recht lohnend. Ich schoß in dem Gewässer, das
jedoch noch im Bereiche der Stadt versiegt, mehrere Fische und fing mit
der Angel am Felsenthore sieben Welse. Der linke Flügel des Felsenthores
wird durch einen perpendiculären, man könnte beinahe sagen, in seinen
oberen Partien etwas überhängenden Felsen gebildet, unter welchen sich
eine tiefe Stelle findet, die durch theils natürliche, theils künstliche
Abdämmung stets gefüllt ist und den Fischen auch in trockenen Jahren
eine sichere Zufluchtsstätte bietet; diese würden sich auch in den
oberhalb in der Schlucht befindlichen Tümpeln bedeutend vermehren, wenn
die letzteren ob ihres geringen Umfanges nicht so leicht von den
Fischottern und Leguanen heimgesucht wären.

Mit nicht geringem Erstaunen und zugleich mit Unwillen, hörte ich von
einer Elephantenjagd, die sich einige Monate zuvor mitten in der Stadt
zugetragen. Der letzte Winter (die Zeit des europäischen Sommers) war im
Lande der Bakwena's ungemein trocken. Von allen Seiten brachten die
Barwa's und Makalahari Wildfleisch und Felle zu ihren Herren nach
Molopolole, denn das abgemattete und durstende Wild ließ sich mühelos
erlegen. Die Regentümpel, die Quellen (die Flußbette waren längst
ausgetrocknet) trockneten aus, so daß man die Heerden bis an den unteren
Marico und Limpopo zur Weide führen mußte. In Molopolole selbst war der
Bach beinahe vollkommen versiegt und die Frauen mußten stundenlang
warten, bevor sie ihre Töpfe füllen konnten. Die halbverdursteten
Thiere, Eland-Antilopen, Giraffen, Säbel-Antilopen, gestreifte Gnu's,
nebst einer Unzahl Gazellen und kleiner Antilopen schleppten sich zu den
wenigen übrig gebliebenen Wasserstellen, um hier in den Tod zu laufen,
denn diese waren von Jägern umstellt.

Zu dieser Zeit--im Monate Juni--erscholl eines Tages ein Geschrei von
Hütte zu Hütte, von Dorf zu Dorf im Thale sich verbreitend und auf die
Hohen dringend, ein Geschrei, das die Händler und Missionäre für
Kriegsgeschrei hielten; als sie bestürzt nach der Ursache desselben
forschten, sahen sie mitten im Thalkessel eine zehn Stück zählende, laut
brüllende, nach den Quellen sich Bahn brechende Elephantenheerde vor
sich. Weiße und Schwarze, alles was nur ein Kugelgewehr hatte, sprang
herbei und die Metzelei begann.

Für Molopolole war dies der größte Tag seitdem es zur Residenz des
Königs Seschele auserkoren war. Das Auge des Bakwena, der an der Jagd,
recte Metzelei, Theil genommen, glüht und er lacht und gesticulirt laut,
wenn er von dem Ereignisse spricht, das sich auch bis in die Köpfe der
Greise und der Frauen, selbst die ihrer Kinder eingeschlichen hat, wer
von ihnen hätte auch jener glorreichen Festtage vergeben können, an
denen man einige Tage hindurch an Fleisch ñama (njama) Ueberfluß hatte.
Diese in Molopolole getödteten Elephanten gehörten sämmtlich (wie ich
später von den Boers erfuhr) der größten, doch die kleinsten Zähne
tragenden Varietät des afrikanischen Elephanten an, die Zulah oder
Hohlkopf genannt wird.

Von den beiden Predigern eingeladen, besuchte ich sie und fand, daß Rev.
Price geschmackvoll eingerichtet jeder Bequemlichkeit sich rühmen
konnte. Er hatte aber auch hart arbeiten müssen, bevor er es so weit
gebracht. Er war einer der beiden Missionäre, welche die Mission im
Lande der Makololo, d.i. in dem von ihnen mit Waffengewalt eingenommenen
Gebiete zu errichten bestimmt worden waren und die Arbeit auch in
Angriff genommen hatten, allein durch Mißerfolge entmuthigt, endlich
aufgeben mußten. Rev. Price und Helmore erreichten die Stadt Linyanti am
nördlichen Tschobe im Februar 1860 nach einer siebenmonatlichen Reise
von Kuruman und wurden von dem Makololokönige Sekeletu freundlich
aufgenommen, doch schon nach 14 Tagen waren beinahe Alle am Fieber
erkrankt. Zuerst starb Malatsi, einer der Betschuana-Wagenführer--alle
central-südafrikanischen Betschuana's mit Ausnahme der Batowana's vom
N'Gami-See und der Makoba's am Zuga-River werden in Malaria-Gegenden vom
Fieber decimirt--acht Tage später, als Rev. Price, der sich noch auf den
Füßen erhielt, den Kranken die letzte Wegzehrung reichte und Einer nach
dem Andern mit dem Tode abging, fand er das kleinste der vier neben Frau
Helmore liegenden kranken Kinder kalt und leblos. Der Mutter, die
bewußtlos am Fieber dalag, wurde so das Leid erspart, das erste Opfer
unter den Ihrigen zu sehen; am 9. März starb der Säugling, dem Frau
Price das Leben gegeben. Am 11. schied Selma Helmore aus dem Kreise der
Niedergeworfenen und am nächsten Tage folgte ihre Mutter, den Folgen des
schrecklichen Uebels erliegend. Selbst die Schwarzen wissen nur Gutes
von dieser edlen Frau zu berichten, welche die Wildniß und das giftige
Klima nicht gescheut, um dem Manne zu folgen, und mit ihm das Los seines
Berufes zu theilen, unter einem wilden, kriegerischen Volksstamm das
Wort Gottes zu verbreiten.

Auf der Reise gegen den Tschobe, auf welcher die Reisenden mehr als
einmal vor Durst beinahe umgekommen wären, hatte sie oft ein seltenes,
aufopferndes Beispiel ihrer Mutterliebe gegeben, um ihre Kinder vor dem
Tode des Verdurstens zu retten und nun, in ihre neue Heimat gekommen,
war ihrem, einem der edelsten Leben, in wenigen Tagen Halt geboten
worden. Doch selbst in ihren Delirien--zu einem Skelett abgemagert und
mit entstellten Gesichtszügen--hatte ihre innige Mutterliebe ihr
momentan die überstandenen Sorgen in's Gedächtniß zurückgebracht, denn
oft murmelten die in Fieberhitze glühenden Lippen, daß ihrem »Henri«
(dem ersten Opfer in ihrer Familie) dürste und baten, man möge den ihr
zukommenden Löffel voll des rettenden Elementes dem Kinde reichen. Nach
dem Tode der Frau besserte sich für kurze Zeit der Zustand der übrigen,
verschlechterte sich jedoch wieder im April und am 21. erlag Helmore dem
Fieber, nachdem schon am 11. und 19. März Tabe (sprich Teb) und Setloke,
zwei Betschuana's (Batlapinen), gestorben waren.

In dieser schweren Zeit wurde außerdem einer der Diener mit Namen Mahuse
Verräther an den übrig gebliebenen. Den Zustand derselben wohl
einsehend, fand er sich täglich am Hofe des Sekeletu ein und brachte ihn
endlich zu der Ueberzeugung, daß alles, was dem Herrn Helmore gehöre,
nur ihm, dem Könige, zufallen müsse. Daß diese und ähnliche Worte unter
dem wilden Makololostamme und von Seite seines Königs williges Gehör
fanden, wird man leicht begreifen. Die Makololo stahlen und nahmen was
sie wollten und als Herr Price Linyanti verlassen wollte, da kam
Sekeletu, nahm ihm außer einigen wenigen Kleidungsstücken alles ab und
ließ ihn nur mit dem leeren Wagen von dannen ziehen. Bei dem später
erfolgten Besuche Livingstone's trachtete er seine Infamie auf jede
Weise zu beschönigen, doch sein unruhiger Geist ließ ihm keine Rast, bis
er freiwillig einem in die Tschobe-Gegenden auf die Elephantenjagd
ausgehenden Banquaketse, mit Namen Sebehwe, ein volles Geständniß seines
schurkischen Betragens abgelegt hatte.

Auf seiner Reise von Linyanti nach dem Süden verlor auch Rev. Price sein
treues Weib in den Ebenen des östlichen Mahabi; sie starb am 5. Juli und
wurde von ihrem Gemal unter dem einzigen auf der weiten Grasfläche
sichtbaren Baum beerdigt. Er reiste langsam mit den beiden Waisen des
Herrn Helmore weiter gegen den N'Gami-See und wurde, hier endlich
angekommen, von dem Könige der westlichen Bamangwato's Letschulatebe,
freundlich aufgenommen und behandelt und traf einige Tage später meinen
geliebten Freund, Rev. Mackenzie, der auf dem Wege nach Linyanti
begriffen war, um der Mission Proviant etc. zuzuführen.

[Illustration: Bei König Seschele.]

Rev. Price hatte mir bei meinem Besuche in seinen. Hause in Molopolole
diese Episode mitgetheilt, später hörte ich sie wieder von meinem
Freunde in Schoschong, ohne zu ahnen, daß auch die Zeit an mich
herantreten würde, in der ich mit einem ähnlichen Ungemach zu kämpfen
haben sollte. Doch wenn wir Beide auch aus verschiedenem Antriebe die
Einöden Süd-Afrika's durchwanderten, er mit dem Banner der Religion, ich
um meine geringen Kräfte der Wissenschaft zu widmen, die Sumpffieber
haben unsern Wissens- und Thatendrang nicht zu ersticken vermocht.

Obwohl er sich in Molopolole bereits eine Heimat gegründet hatte, folgte
er willig dem an ihn ergangenen Rufe an den Tanganjika-See.

Neben Rev. Price erwähnte ich Rev. Williams als seinen Brudermissionär,
gleich den Missionären in Kuruman (Batlapinen), Taung, Kanja
(Banquaketse) und Schoschong (östliche Bamangwato) der »London
Missionary Society« angehörend, war er erst einige Jahre in Süd-Afrika
und eben im Begriffe, sich ein Wohnhaus aufrichten zu lassen. Die beiden
Herren erboten sich, mich dem Könige vorzustellen und so machten wir uns
den zweiten Tag nach meiner Ankunft in Molopolole daran, die Felsenhöhe,
auf der wie ein Adlernest der von den Getreuesten der Getreuen
Seschele's bewohnte Stadtheil erbaut ist, hinanzuklimmen. An Mr.
Williams Gebäude vorüber, hatten wir eine enge, steile Schlucht nach
aufwärts zu verfolgen, an derem Eingange die von Mr. Price erbaute
Kirche, ein 60 Fuß langes und 21 Fuß breites, mit einem Anbau
versehenes, gewöhnliches, mit Gras gedecktes Gebäude steht. Von der
Kirche gingen wir durch den südöstlichen Theil des oberen Stadttheiles
nach der Residenz zu, doch zuvor mußten wir in die Kotla eintreten, um
hier in formeller Weise den von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzten
König zu begrüßen. Unter der Kotla verstehen wir die aus starken Pfählen
und Baumstämmen geformte runde Umzäunung, wie sie in der Regel in der
Mitte der Betschuanastädte für Berathungszwecke erbaut ist. Auf der der
königlichen Wohnung zugekehrten Seite der Umzäunung befindet sich in
derselben eine Oeffnung, die nach Belieben mit Baumstämmen geschlossen
werden kann. An der den genannten Wohnungen nächsten und besonders dicht
gebauten Stelle findet sich der Ort, wo der Herrscher, auf einem
Stühlchen sitzend zu beiden Seiten von den Aeltesten des Stammes, oder
den Häuptlingen, oder seinen Verwandten umgeben, die Berichte der vor
ihm auf der Erde hockenden Boten, Jäger, Spione und die Parlamentäre
anderer Eingebornenkönige anhört und ihnen selbst, oder durch einen der
zunächst Sitzenden Bescheid ertheilt. Oft ist in der Umzäunung eine
kleine gedeckte Holzhütte erbaut, in welcher in der Regel ein Feuer
brennt, dieselbe wird während der Regenzeit als Versammlungsort benutzt.
Diese Kotla's dienen zugleich als Forts; bei jenen, die am Fuße von
Höhen liegen, sind namentlich die gegen dieselben gewendeten
Umfriedungspartien aus großen und schweren Baumstämmen errichtet, um die
Wirkung der Wurfgeschosse abzuschwächen.

Seschele empfing uns stehend. Der König der Bakwena's ist hoch in den
Fünfzigern, wohlbeleibt, von großer Statur, ein beinahe unaufhörliches
Lächeln umspielt sein Gesicht. Es war leicht erklärlich, daß ich mich in
meinem Urtheile über dieses eigentümliche Lächeln nicht täuschte, und
meine Ansicht auch bestätigt fand. Es drängte sich mir unwillkürlich die
Meinung auf, daß ich einen »Tartuffe« vor mir habe.

Seschele wandte sich, nachdem er unsere Grüße erwidert, zu Rev. Price
und ersuchte ihn, mir zu sagen, es hätte ihm noch nie ein Weißer so
gefallen wie ich. Während mir es Price übersetzte und ich erstaunt war,
solch' ein Kompliment von einem Eingebornen, den ich zum ersten Male
getroffen, zu hören, und den König prüfend anblickte, sah ich, wie
dieser mit seinem rechten Auge einen ihm zunächst stehenden Alten
(Unterhäuptling) und seinem Sohne zuwinkte; sein Mienenspiel der rechten
Gesichtshälfte stand mit dem mir vorhin erwiesenen Komplimente im
offenen Widerspruche. Die Leichtigkeit, mit der er sich aber sofort, als
er mein Erstaunen begriffen, aus der zweideutigen Lage zu helfen wußte,
zeigte von nicht geringer Selbstbeherrschung.

Er lud mich und die beiden Missionäre hierauf ein, ihn in seine
Behausung zu begleiten und eine Tasse Thee zu nehmen. Wenige Augenblicke
später standen wir vor seinem neuen Hause, einem reinen und schmucken
Gebäude, neben welchem sein früheres, nur von dem ältesten Sohne
bewohntes Häuschen stand, an das sich die übrigen von der königlichen
Familie bewohnten anschlossen. Das neue Haus für den König von Taylor um
den Betrag von 3000 £ St. aufgebaut und adaptirt worden, welcher Betrag
dem Kaufmanne in Straußenfedern und Ochsen ausgezahlt wurde.

Unter allen Betschuana-Herrschern ist Seschele am bequemsten und in
europäischem Style eingerichtet. Doch bevor wir mit dem Könige das
reine, gepflasterte Höfchen, in dem die Königin, auf unseren Besuch
unvorbereitet, nach Bakwenasitte auf einem Rindsfelle lag, und sein
Wohnhaus betreten, erlaube ich mir, den geehrten Leser mit Seschele
etwas vertrauter zu machen. In Bezug auf Charakter nimmt Seschele unter
den sechs Betschuana-Herrschern, trotzdem er sich die längste Zeit zur
christlichen Religion bekennt, die unterste Stufe ein, während sein
nördlicher Nachbar, der jetzige König der östlichen Bamangwato, Khama,
am höchsten und ihm als der Nächste unser gutherziger Freund Montsua zur
Seite steht.[1] Seschele ist ein geschickter Intriguant, ein Mann mit
einem Doppelgesicht, seinen Intentionen entspricht die Sentenz »Der
Zweck heiligt das Mittel«.

    1: Von Chatsitsive will ich noch nachträglich erwähnen, daß er als
    Character zwischen Mankuruan und Montsua die Mitte hält, d.h. daß
    ihm mehr zu trauen und zu glauben ist als dem Ersteren, ohne daß er
    die Gutmüthigkeit und lobenswerthen Eigenschaften des letzteren
    besäße.

Sein Stamm, die Bakwena's, leiten ihren Namen von Ba (oder Ma) und Kuena
(Kwena) her, d.h. »die Menschen des Crocodils, oder die Menschen, die
den Tanz des Crocodils tanzen,« also Menschen, die, ohne das Crocodil zu
vergöttern, ihm eine gewisse Achtung zollen.[1]

    1: In dieser Weise finden wir auch die übrigen Betschuanastämme
    benannt, d.h. mit Namen, die sie sich selbst gegeben, nachdem sie
    das centrale Süd-Afrika eingenommen und sich dann in die
    verschiedenen Stämme getheilt hatten. So bedeutet der Name der
    Batlapinen eigentlich die Ba-Tlapi, d.h. »die den Fische geweihten«.
    Bakhatla (Ba-Khatla), die den Affen Geweihten; Batau = Ba-Tau
    (Taung), dei dem Löwen Ergebenen: Makhosi oder Makosi = Ma-Khoschi,
    Menschen, die einen Herrn (Häuptling), Banoga = Ba-noga (oder
    nocha), die eine Schlange etc. verehren.

Die Bakwena waren noch vor vierzig Jahren, nachdem sie sich bereits von
den Banquaketse getrennt und selbst nachdem ein Theil derselben nach
Norden auswanderte und sich näher an die Bamangwato ansiedelte, ein
reicher Stamm, der sich meist von der Jagd und Viehzucht nährte. Der
schwächere Theil zog nach dem Ngami-See ab, wo er zwar anfangs durch
Fieber arg litt, der Rest aber sich nach und nach acclimatisirte und
über die daselbst wohnenden Stämme die Oberhand gewinnend, mit ihnen
ganz verschmolz. Die zahllosen am Notuany, am westlichen Marico-Ufer und
den westlichen Nebenflüssen des letzteren weidenden Heerden bildeten den
Reichthum des Stammes.

Mochoasele, Seschele's Vater, machte sich eines Verbrechens à la Morena
David schuldig, in Folge dessen er ermordet wurde und die unzufriedenen
Häuptlinge eine andere Herrscherfamilie zu wählen beschlossen. Es
geschah um die Zeit als Sebituane, von dem Stamme der Basuto's, mit
seinen kriegerischen Makololo die Masse der Betschuana's durchbrechend,
nach Norden zog, um sich jener Striche, von denen er vernommen, daß sie
sich eines ewigen Frühlings erfreuen, d.h. der Gegenden am Tschobe und
Zambesi zu bemächtigen. Die Freunde des getöteten Mochoasele sandten
heimlich Boten zu Sebituane und baten ihn, dem jungen Seschele zu seinem
Rechte zu verhelfen. Sebituane entsprach auch ihrem Wunsche und sicherte
dem Sohne des getöteten Fürsten die Herrschaft über die Bakwena's. Diese
Verfügung, sowie die neuerliche Loslösung einzelner Abtheilungen vom
Hauptstamme, welche nach Nordost, Süden und Südost auswanderten,
schwächte die Bakwena's an Zahl und Macht und verminderte ihre
Wohlhabenheit. Auf Livingstone's Anrathen, der im Jahre 1842 Seschele
zum ersten Male besuchte und ihm den ersten Begriff eines rationell
betriebenen Ackerbaues, wenn auch in einfachster Form, beibrachte,
wechselte der junge Herrscher seinen Wohnsitz und ließ sich 20
geographische Meilen entfernt am Kolobengflüßchen nieder; so entstand
seine erste und eigentliche Residenz Kolobeng.

Der Ackerbau schien den Bakwena's Segen zu bringen und der Stamm erholte
sich sichtlich; trotz einiger Dürre-Perioden war der Stamm derart
erstarkt, daß er den anwohnenden Holländern, die, wie es ihr Vorgehen
mit Mankuruan, Montsua und Chatsitsive beweist, ihre Grenzlinien nach
Westen ausdehnen wollten, allzu mächtig zu werden schien und sie ihn
»kleen« zu machen beschlossen. Sie beschuldigten die Bakwena's, daß sie
Diebstähle an ihren Farmen begangen und drangen auf Züchtigung
derselben. Mochte nun auch der Vorwurf des Viehdiebstahls gerechtfertigt
sein, das Vorgehen der holländischen Boer's, welche im Jahre 1852
Kolobeng überfielen und verbrannten, alles Vieh, dessen sie habhaft
werden konnten, raubten und zahlreiche Gefangene mitschleppten, läßt
sich in keiner Weise entschuldigen, es bleibt ein willkürlicher
Gewaltact. Nach der Zerstörung Kolobeng's erstand Liteyane und später
Molopolole.

Seschele wurde in seiner Jugendzeit Christ, als er aber bemerkte, daß
die Mehrzahl seines Stammes am Heidenthume hielt, sein Bruder
Khosilintschi von dem Volke sehr geachtet wurde und durch seine
(Seschele's) Bekehrung die von ihm aufgegebenen heidnischen Gebräuche,
deren Leitung dem jeweiligen König zufielen und mit dem Genuß der ersten
Feldfrüchte und der Regenmacherei etc. verbunden waren, nunmehr von
seinem Bruder geleitet und vollstreckt wurden und dieser in der Gunst
der Volkes stieg, entschloß sich Seschele, wohl bis zu einem gewissen
Punkte, so z.B. den Besuch der Kirche, der Taufe seiner Kinder u.s.w.
Christ zu bleiben, sonst aber, soweit dies mit seiner Macht als
Herrscher zusammenhing, die heidnischen Gebräuche auszuüben und
theilweise auch zu leiten. Die kleine, junge, christliche Gemeinde unter
den Bakwena's sah darin nichts Arges, betrachteten das Singen,
Kirchengehen und die Monogamie als die Hauptpflichten eines Christen,
während die mächtige Partei der Regenbeschwörer, id est Heiden, froh
war, den König den alten herkömmlichen Landesgebräuchen treu zu sehen.

Noch einige Züge aus seinem Leben, um seine Geschichte abzurunden und
dann, lieber Leser, wollen wir sein jetziges »Schlößchen« auf den
Bakwenahöhen betreten. Im Jahre 1864 sandte Seschele einige Hundert
seiner Leute aus, um Sekhomo, den damaligen König der Bamangwato,
anzugreifen. Doch die Makalahari-Vasallen berichteten diesem rechtzeitig
die Annäherung der Bakwena's und diese wurden im Thale des
Schoschon-Rivers, vor der Stadt Sekhomo's, geschlagen. Diese Truppe
wurde von Khosilintschi angeführt. Seschele entschuldigte sich, daß er
den Raubzug auf Anrathen Matscheng's, des früheren, nun flüchtigen und
bei ihm wohnenden Bamangwatokönigs angeordnet hatte. Einer weiteren
Schandthat machte sich Seschele durch die Ermordung Tschukuru's im April
1866, des Schwiegervaters des gegenwärtigen Königs der Bamangwato, Khama
(Sekhomo's Sohn), schuldig. Bei einem der schändlichen Versuche, seine
beiden vom Volke geliebten Söhne Khama und Khamane zu tödten, wobei
diese sich flüchten mußten, sich später aber auf Gnade ergaben, wollte
Sekhomo den Anhängern seiner Söhne gegenüber nicht gleiche Gnade walten
lassen, weshalb diese, darunter auch Tschukuru, auf Seschele's Einladung
hin, Zuflucht bei diesem nahmen. Sie kannten zwar Seschele nicht, allein
weil ihnen ein Sohn Seschele's (ein Getaufter) mitgegeben war, ließen
sie sich doch überreden, nach Molopolole zu wandern. In der ersten Nacht
wurde Tschukuru unter dem Vorhaben aufgeweckt, daß ihn des Königs Bruder
zu sehen wünsche und als er unvorsichtiger Weise dem Boten folgte, im
Walde von Bewaffneten niedergestoßen. Seschele hatte dies angeordnet,
weil sich Tschukuru im Kampfe gegen die Schoschong angreifenden Bakwena
hervorgethan und dann auch, um Sekhomo, der den alten Mann haßte, einen
Gefallen zu erweisen. Als Sekhomo durch den vertriebenen und zu Seschele
geflüchteten Mascheng verdrängt wurde und selbst bei Seschele Zuflucht
nahm, half dieser mit seinen Leuten den Söhnen Sekhomo's, Mascheng,
seinen früheren Schützling, zu vertreiben.

In den folgenden erneuten Kämpfen zwischen Sekhomo und seinem Sohne
Khama bot er beiden seine Hilfe zugleich, gegen eine Summe von 2000 £
St. in Straußenfedern und Elfenbein. Eine seiner letzten Ehrenthaten war
das von ihm erlassene Gesetz, womit er einigen holländischen Jägern
gegen schweres Geld Erlaubniß gab, durch sein Land zu ziehen und in
dessen nordwestlichem Theile zu jagen, dabei aber den Makalahari, welche
die Jagdgebiete bewohnten, sowie den Führern der Jäger verbot, diesen
die Wasserstellen zu zeigen. Die von den Bakwena's unter Führung seiner
Söhne im Jahre 1876 an den Bakhatla's verübten Grausamkeiten sind noch
in frischer Erinnerung.--

Bei unserem Eintritt in den Hof des königlichen Hauses wurden wir von
der sich erhebenden Königin, einer großen starken Frau, die ein nach
hinten zusammengebundenes Kopftuch, so wie ein großes, wollenes
Umschlagtuch und ein Cattunkleid trug, bewillkommnet und in's Haus
geführt. Des Königs voller Titel ist »Seschele M'Kwase Morena ea
Bakwena.« [1]

    1: Unter den centralen Betschuana's ändert der Vater seinen Namen
    wenn seine Familie mit mehreren Söhnen bedacht ist und diese im
    Aufwachsen begriffen sind, indem er den Namen des ältesten Sohnes
    annimmt, z.B. heißt der Häuptling der östlichen Bakhatla gegenwärtig
    Ra-Piti, d.h. der Vater (Ra) des Piti (sein ältester Sohn), während
    die Mutter den des jüngsten Sohnes annimmt, so heißt die Königin
    oder Seschele's Frau, Ma-sebele, d.h. (Ma oder M') Mutter des
    Sebele.

Wir wurden von Seschele zuerst in das Empfangszimmer geführt, während
Ma-sebele den Auftrag gab, uns einen Imbiß zu bereiten. Das
Empfangszimmer (Seschele gebraucht den englischen Ausdruck
»drawing-room«, nur daß er ihn in einer regelwidrigen Weise ausspricht)
ist vollkommen mit europäischem Comfort eingerichtet, Stühle etc. aus
Nußbaum, die Sitzpolster mit rothem Sammt überzogen. Ein selbstbewußtes
Lächeln, durch die hohe Meinung über sich selbst hervorgerufen,
besonders wenn er sich in seinem drawing-room befand, soll das ohnehin
freundlich lächelnde Vollgesicht des Bakwena-Herrschers umspielen, so
oft er einem Weißen das Innere seines Palastes zu zeigen in der Lage
ist, und sich an dem Erstaunen des Fremden weiden kann--auch mir armen
Sterblichen wurde das hohe Glück zu Theil, es zu schauen.

Während wir uns niederlassen mußten, breitete sich der König erst sein
Schnupftuch (das er jedoch nicht zu gebrauchen scheint) auf den von ihm
erkorenen Stuhl aus, bevor er sich auf denselben niederließ. Ma-sebele
trat später auch ein, und ließ sich auf einem Holzstuhle nieder. Durch
meine beiden Begleiter befragte mich Seschele nach dem Zwecke meiner
Reise, nach meiner und der Nationalität meiner Begleiter. Da er, wie die
meisten der Betschuana's nur »Engländer« und »Boers« kannte, die ersten
gerne sah, die letzteren »nicht liebte«, so war er sehr erstaunt zu
hören, daß ich ein Weißer sein konne, ohne zu einer der beiden Nationen
zu gehören. Endlich hatte er sich das Wort »Austria« eingeprägt und nun
fragte er, an welchem Flusse ich wohne und ob in einer Stadt oder auf
einem Viehposten, d.h. auf dem Lande. Ich nannte Prag, für ihn ein neues
Räthsel und dies um so mehr, als ich, um die Größe der Stadt nach
Betschuanabegriffen darzustellen, ihm mittheilte, daß Prag seine
Residenz Molopolole zwanzig Mal an Umfang übertreffe. Er meinte, sein
»Herz wäre voll Staunen über das große Dorf« und nachdem er die ihm
übersetzten Worte meiner Begleiter nachgesprochen, erzählte er der
Königin, die mich gnädig zu mustern schien, die ganze Episode mit den
Worten: »Er (nach mir weisend) ist ein Naka (Njake, Njaga oder auch
Njaka, d.h. Doctor) no Englishman, no Boer (er sprach Bur), sondern
ein--hier sah er wieder fragenden, doch auch lächelnden Antlitzes Herrn
Price an; dieser nickte auch und sagte Au--strian--O--O--stri--en,
plapperte Seine Majestät nach und stand auf, um sich in die Brust zu
werfen, da ihm dies gelungen.

Ein neuer Ankömmling, lachend und beide Missionäre begrüßend, ward nun
auf der Thürschwelle sichtbar, es war ein etwa 14jähriger, hoch
aufgeschossener, mit Hemd, Weste und Beinkleidern angethaner Jüngling,
der eine rothe, wollene Zipfelmütze trug. Er lachte zu allem was
gesprochen wurde, namentlich als ihn seine Mutter--denn der
schmucke Jüngling mit dem Barett auf dem wolligen Kopfe war kein
Minderer als Sebele, der Jüngste oder Ma-sebeles _darling Baby_
(Herzenskindlein)--mir mit den Worten _mo Sebele o Th[=o]-li[)ng]
B[)e]b_ vorzustellen geruhte. Nach einer halben Stunde fiel es
plötzlich dem jungen Königssohne ein, seiner Mutter mitzutheilen, daß
der Thee im Speisesalon aufgetragen sei.

Seschele eröffnete hierauf den Zug, wir folgten und Ma-sebele bildete
den Nachtrab. Wir waren alle im besten Humor--namentlich ich und
Tholing--, ich weil ich zum ersten Mal seit zwei Monaten, und Tholing
Beb, weil er schon zum zweiten Mal an diesem Morgen die »Kuchen« des
Makoa (die Kuchen des weißen Mannes) erblickte. Doch wurde ihm das Glück
nicht zu Theil, gleich uns an der Tafelrunde zu sitzen; er war bestimmt
die »Honneurs« zu machen, worauf er sich ziemlich gut zu verstehen
schien.

Das Speisezimmer hatte eine schöne mit weißem Linnen gedeckte Tafel, der
Thee wurde in napfförmigen Tassen servirt, von denen die des Königs, der
oben an der Tafel saß, mindestens einen Liter fassen mochte. Die Kannen,
Zuckerdose und das übrige auf einem Seitentischchen stehende
Tischgeschirr war aus Silber gearbeitet und wie ich hörte, dem Könige
von den periodisch sich in Molopolole aufhaltenden Kaufleuten verehrt
worden. Der Thee war gut und die Kuchen ließen nichts zu wünschen übrig.
Unser Gespräch aus dem _drawing-room_ wurde fortgesetzt und ich über das
Gebahren der englischen Regierung in den Diamantenfeldern und jenes der
holländischen in Pretoria und Bloemfontein befragt.

Ihre schwarze Majestät schien an unserer Conversation kein Interesse zu
finden und fing anfangs leise und verstohlen, doch als nach und nach die
Natur über sie die Oberhand gewann, merklicher und hörbarer, ihre durch
unser Eintreten in's Höfchen unterbrochene Beschäftigung wieder
aufzunehmen, d.h. zu schlummern. Der Herr Ehegemahl sah dies und da es
ihm vielleicht etwas ungebührlich dünkte, gab er ihr erst durch ein
Hüsteln und als dieses nichts half, zeitweilig durch eine zarte
Berührung mit seinen Elephantenfüßchen den begangenen Verstoß gegen die
Hofsitte zu verstehen. Ich hatte alle Mühe meine Lachmuskeln im Zaume zu
halten und bemeisterte endlich die Versuchung, indem ich an den König
das Wort richtete.

»Morena! Als ich ein Knabe von dreizehn Jahren war und zum ersten Male
die Bücher Naka Livingstone's las und in denselben auch Deinen Namen
fand, dachte ich wahrlich nicht, daß ich einst Dich selbst sehen,
sprechen, ja noch Thee und Kuchen in Deinem Hause genießen würde.«
Seschele, der es, trotzdem er die Regendoctorei prakticirt, sehr gut
versteht, an passender Stelle Bibelsprüche anzuführen, war auch sofort
mit einer ebenbürtigen Erwiderung zur Hand. »Die Wege der Vorsehung sind
wunderbar,« waren seine unmittelbar darauf folgenden Worte; doch schon
während Mr. Williams Uebersetzung meiner Worte hatte der König, dessen
rechte Gesichtshälfte uns, die linke seinem Weibe die nöthige
Aufmerksamkeit zuzuwenden schien, zu seinem Bedauern beobachtet, daß
Ma-sebele wieder eingeschlummert war und diesmal sich gefährlich nach
der Seite neigte. Mich mit listigem Blicke betrachtend, applicirte er
seiner Frau einen so unzarten Fußstoß, daß Ma-sebele, die arme Königin,
mit ihrer Stirne beinahe die vor ihr stehende Tasse umgeworfen hätte.

Nach Tisch machte ich mit den beiden Herren einen Spaziergang auf die
Felsenhöhe, auf welcher Molopolole erbaut ist; diese Höhe heißt
Mo-ra-a-Khomo, d.h. der Vater der Ochsen, so genannt nach einem einst
hier ansässigen Bakwena-Viehzüchter und bildet mit der ihr gegenüber
liegenden Höhe das Felsenthor Kobuque.

Die früher hier ansässigen Makalahari's und Bakwena's--es geschah dies
noch als Seschele in dem nahen Liteyane wohnte--benützten die steil
abfallenden Wände der Moraakhomo-Höhe an dem Felsenthore, um
altersschwache Eltern oder nahe Verwandte, deren Ernährung und
Verpflegung ihnen lästig fiel, über dieselben herabzustürzen. Die Unthat
wurde vom nächsten in demselben Gehöfte wohnenden Verwandten
vorgeschlagen und mit Hilfe seiner Nachbarn im Dunkel der Nacht
vollbracht. Die Schwachen und Hilflosen, wohl wissend, was ihnen
unausweichlich bevorstehe, wurden ohne Widerstand an den Felsenrand
hingebracht oder hingetragen und Hyänen oder Schakale besorgten noch in
derselben Nacht die Bestattung der Herabgestürzten oder machten den
Leiden der durch den Sturz nur Schwerverletzten ein Ende.

Das unter dem Molopolole-Felsen, d.h. am nördlichen Felsenthore
befindliche, von dem etwa 2½ englische Meilen auswärts in der Schlucht
entspringenden Tschanjana-Flüßchen gefüllte, drei bis vier Fuß tiefe
Felsenloch wird an trockenen Tagen von der dunklen Jugend Molopolole's
als Badeort benützt. Daß jedoch Baden und Waschen keine den Betschuana
eigentümliche Tugend ist, konnte ich an den Jungen, die sich vor mir
badeten, und wobei natürlich Sebele, des Königs Sohn, den Anführer
spielte, und die unsinnigsten Sprünge etc. ausführte, bemerken. Sie
krochen wohl in's Wasser, beeilten sich jedoch, bald aus dem nassen
Elemente herauszukommen und sich an den sengenden Sonnenstrahlen zu
trocknen; an trüben Tagen mieden sie ängstlich das Wasser.

Die freie Zeit meines Aufenthaltes in Molopolole benützte ich zu
Ausflügen in die nächste Umgebung, auf welchen meine Sammlungen um
manches interessante Object vermehrt wurden. Theils erstand ich, theils
erhielt ich als Geschenk: einige Carossen, einige sehr primitiv
gearbeitete Assagaie, d.h. Wurfspieße, deren Schaft kurz und fingerdick,
deren Eisen stumpf und äußerst schlecht gearbeitet, deren oberes
Schaftende mit Sehnen umflochten, oder mit einigen Stückchen einer im
nassen Zustande umgelegten und zusammengenähten Boahaut zusammengehalten
war, ferner Schlachtbeile, welche in dem ¾ Meter langen, hölzernen Stiel
lose befestigt, unseren Hackbrettmessern nicht unähnlich sind, ferner
einige gut gearbeitete Holztöpfe und einige Beschwörungsmittel, eines
aus Rüsselkäfern, zwei aus Samen und eines aus Vogelklauen, Haut- und
Hornstücken gearbeitet. Herr Williams verehrte mir einen aus Boababrinde
(Andansonia) gearbeiteten Reissack, den er von den von einem Raubzuge
aus dem Maschonalande heimkehrenden Matabele erhalten hatte.

Meine zoologischen Sammlungen vermehrten sich um einen schönen Orix
capensis-Kopf mit langen Hörnern, ein Leopardenfell und eines von
Gueparda jubata, einige Hyraxfelle, ferner eines von Viverra Zivetia,
welches jedoch selten zu sein scheint, und mehrere von Felis caligata.
Herr Williams brachte mir den Cadaver eines dreijährigen Kamafuchses,
das Thier hatte sich früher schon in einem Schlageisen gefangen, war
jedoch nach Zurücklassung des einen Hinterfußes davongekommen, nun hatte
es sich zum zweiten Male täuschen lassen und diesmal sein Leben
verwirkt. Die Bakwenahöhen beherbergen auch den schönen Klippspringer;
im Lande der Bakwena's, nördlich von Molopolole begegnen wir endlich zum
ersten Male der Eland-(Elen-)Antilope und der Giraffe.

Unter den Vögeln fiel mir die Häufigkeit mittelgroßer Raubvögel auf,
namentlich Sperber, Falken, Bussarde und Milane; von letzteren hatte
Herr Williams mehrere erlegt, da sie die Küchlein seiner Frau Gemahlin
decimirten. Sonst fielen mir durch ihre Häufigkeit Eulen, Uhu's,
Schleiereulen und Zwergkäuze auf, welche in den Felshängen ihre
Wohnsitze aufgeschlagen hatten. In den Felsenritzen und unter den vielen
Felsblöcken herrscht ein reges Thierleben--Säugethiere, namentlich
Raubthiere in großer Zahl, dann Reptilien, besonders Schlangen und
Eidechsen finden hier die besten Schlupfwinkel; an die reiche und üppige
Pflanzenwelt, die an den Abhängen vermodernden Baumstümpfe ist die
Existenz zahlloser Insecten, darunter Lepidoptera, Fliegen etc.
gebunden. Meine Ausbeute an Käfern, Spinnenarten und Scolopender war
eine sehr reiche; für einen Naturforscher ist überhaupt der Aufenthalt
in dem Bakwena-Höhennetze in jeder Beziehung ein äußerst lohnender.

Wir finden auch hier wie an den Bamangwato- und anderen auf dem
Hochplateau des zentralen Süd-Afrika gruppenförmig ansteigenden,
felsigen, mit dem Marico- oder Matabele-Gebirgscentrum zusammenhängenden
Höhen, den steilen, zerklüfteten Abfall der Tafelberge oder
tafelförmige, mit kegelförmigen, isolirten Höhenspitzen besäete
Hochflächen. Dieses Gesammthöhennetz geht allmälig nach Norden in eine
bewaldete und meist tiefsandige Hochebene über, um sich dann wieder
ebenso allmälig in einer Ausdehnung von 30 bis über 100 englische Meilen
zu einem seicht eingeschnittenen Flußbette zu verflachen, auf dessen
gegenüber liegendem Ufer ein ähnlich beschaffenes Höhennetz, wie das
eben beschriebene sich fortsetzt. Granit, Quarzitschiefer, Trapdykes,
Kalkadern und eisenhaltiger, sandiger Thon bilden die Hauptformation der
Höhen, deren Vegetation durch mehrere riesige Aloëspecies charakterisirt
wird, welche förmliche Gehölze bilden.

Bevor wir von Molopolole scheiden, sei es mir erlaubt, hier einige der
wichtigen religiösen und lokalen Gebräuche unter den Betschuana's zu
erwähnen. Ich verdanke die folgenden Mitteilungen der Güte der
englischen Missionäre Herren S. Mackenzie, Hephrun, Price, Williams,
Brown und Webb und des deutschen Missionärs T. Jensen, ferner einigen
der hervorragendsten Trader und einigen gebildeteren holländisch und
englisch redenden Betschuana's und fand dieselben aus eigener Anschauung
während meiner drei in's Innere unternommenen Reisen betätigt.

Religion im eigentlichen Sinne des Wortes besitzen die Betschuana's,
d.h. die das centrale Süd-Afrika bewohnenden Stämme dieser Völkerfamilie
nicht, doch kennen wir aus dem Umstande, daß sie bei den ersten
Belehrungen über das Christenthum dem unsichtbaren Gott sofort den Namen
Morimo beilegten, ohne daß das Wort eine anderweitige Verwendung fände,
schließen, daß sie in längstvergangener Zeit einem sichtbaren oder
unsichtbaren Wesen göttliche Verehrung gezollt haben mußten. So hat sich
denn das Wort Morimo bei ihnen traditionell erhalten. Das
nächstverwandte Wort zu Morimo ist Barimo, welchen Ausdruck die
Betschuana's noch immer häufig gebrauchen und der »die Geister der
Abgestorbenen« bezeichnet. Trotzdem sie also keine eigentliche Religion
besitzen, hängt doch die Masse an vielen Gebräuchen, welche bei anderen
Völkern, die Vielgötterei treiben, als religiöse Gebräuche angesehen
werden, z.B. eine gewisse Verehrung, die sie, wie schon erwähnt,
gewissen Thieren zollen, dieselbe ist jedoch nur darauf beschränkt, daß
sie das Thier nicht tödten, sein Fleisch nicht genießen und sein Fell
nicht gebrauchen. So finden wir auch, daß diese Gebräuche von
bestimmten, dazu herangebildeten Personen gelehrt und ausgeübt werden,
welche den König, oder ist der König ein Christ geworden, einen ihm an
Würde zunächststehenden Heiden als ihr Oberhaupt anerkennen und auf
diese Weise die Kaste der Priester und des Oberpriesters repräsentiren,
welche unter den Betschuana's Naka (Njaka, Njaga) heißen. Als die
Betschuana's ein wohl in mehrere Unter-Familien getheiltes, doch noch
unter einem Scepter vereinigtes Volk und Reich darstellten, war das
Königthum in der Familie Baharutse erblich. Selbst als sich später die
Betschuana's theilten, der eine Stamm (eine Abzweigung, Unter-Familie)
etc. nach Norden, die anderen nach Süden, Osten, Südost und Südwest
zogen und selbstständige kleinere und größere Königreiche errichteten,
die alte königliche Familie von den meisten ihrer Unterthanen verlassen
auf die Unter-Familie, aus der sie entsprang, beschränkt, und machtlos
geworden war, blieb ihr doch das Vorrecht jene abergläubischen, dem
Hohenpriesteramte unter den Betschuana's zukommenden Gebräuche zu
verrichten, und Mitglieder königlicher Familien, sowie Naka's aus den
neuerstandenen Betschuana-Reichen wanderten an den Hof der Baharutse
(Bahurutse) um von dem jeweiligen Oberhaupte diese Gebräuche verrichten
zu sehen. Seitdem jedoch einzelne der losgetrennten Stammzweige der
Betschuana's eigene, ziemlich mächtige Reiche errichteten und einige der
Chefs oder Könige Christen geworden sind, hat dies beinahe völlig
aufgehört, trotzdem aber wird von allen Betschuana's mit höchster
Verehrung von der alten königlichen Familie gesprochen, welche seitdem
durch des Geschickes Walten ihre Macht durch eine abermalige Theilung
ihrer Mitglieder und der daraus folgenden Zersplitterung ihres Stammes
völlig eingebüßt hat und gegenwärtig als Unterthanen der
Transvaal-Colonie in und im Weichbilde der Stadt Linokana (früher zur
Lebzeit des Häuptlings Moilo nebenbei Moilio oder Moiloa genannt) und
als Unterthanen des Königs der Banquaketsen, Chatsitsive, die Stadt
Moschaneng bewohnt. Der gegenwärtige Häuptling der ersteren (der
östlichen Baharutse) und somit das eigentliche Oberhaupt der
Betschuana's ist Kopani, ein noch junger Mann.

[Illustration: Regenbeschwörer.]

Zu jenen Gebräuchen, die in den einzelnen Betschuana-Reichen von dem
Oberhaupte des Landes oder wo verschiedene Stämme ein Reich bewohnen von
den diesen vorgehenden Häuptlingen angeordnet werden, gehört vor Allem
der ceremonielle Genuß der ersten geweihten Feldfrüchte (meist
Kürbisse), ferner die Ausübung der Heilkunde, das Regenmachen und das
Bezaubern. Dem Stammes-Oberhaupte als obersten Doctor, Zauberer etc.
stehen bei der Ausübung der Zeremonien mit Ausnahme der ersten
obgenannten, die er nur allein verrichten kann, die Linjaka's
(Priester), die man jedoch auch Naka (Njaka) nennt, zur Seite (wir
wollen sie aber der Unterscheidung und ihrer untergeordneten Stellung
halber Linjaka's nennen), welche die übrigen Zeremonien der Zauberei und
der Regenmacherei verrichten und damit auch einige primitive Kenntnisse
der Heilkräuter verbinden.

Als Heilkünstler erkennt man sie in der Oeffentlichkeit an einem aus
Pavianfell (Cynocephalus Babuin) verfertigten Mäntelchen, und in ihren
Wohnungen an den aus dem Felle der Hynena crocaia (maenlaia)
gearbeiteten Fußdecken (Teppichen), auf denen sie Audienzen ertheilen.
Manche tragen auch um den Hals an Schnüren oder Riemchen verschiedene
Säugethier-, Vögel- und Reptilienknochen, doch immer auch vier meist aus
Elfenbein, zuweilen aus Horn geschnitzte, mit eingebrannten Zeichnungen
versehene Stäbchen und Pflöckchen, welche Würfel darstellen und zur
Diagnose benutzt werden. Diese letzteren werden auch von Menschen
getragen, welche gegen Bezahlung des Lehrgeldes blos in dem Werfen
dieser Dolo's unterrichtet werden, ohne daß sie wirkliche Linjaka's
wären.

Ihr Amt ist unter den Betschuana's erblich, doch werden auch
wißbegierige junge Männer zu Doctoren gebildet. Der Aspirant hat als
Honorar seinem Lehrer eine Kuh (gegenwärtig zumeist andere Objecte im
gleichen Werthe), oder falls derselbe in den Diamantenfeldern Mali
(Geld) verdient hat, 4-7 £ St. zu geben und wird darauf sofort in die
»Lehre« genommen. Der medicinische Lehrcurs beginnt mit dem Ausgraben
(das »Graben« bildet einen wichtigen Begriff und eine wichtige
Manipulation bei vielen Zeremonien der Betschuana's) der Heilkräuter,
wobei er von seinem Lehrmeister durch Wald und Flur geleitet, über die
Species der Pflanzen, die zur Benützung gelangenden Theile, sowie über
die Jahres- und Tageszeit, zu welcher die Pflanze ausgegraben werden
muß, belehrt wird. Die gesammelten Pflanzentheile werden sodann
getrocknet, geröstet oder zerstampft und dann ein Pulver oder Absud
derselben als »Heilmittel« erklärt, wobei jedoch gewisse Sprüche und
Formalitäten bei der Zubereitung wie bei der Verabreichung zu beobachten
sind, welche von den Aerzten bei der Behandlung wohlhabender Leute unter
großem Lärm inscenirt werden.

Ein oft verordnetes Heilmittel sind schweißtreibende Vegetabilien und
dies, wie das Schröpfen um locale, so jenes um innere, im ganzen Körper
oder über größere Partien desselben verbreitete Schmerzen (Typhus,
Dysenterie etc.) zu beseitigen, dabei wird der Kranke verhalten, sich in
seine beste Carosse oder in eine gekaufte Wolldecke zu hüllen, und
nachdem das Mittel seine Schuldigkeit gethan, erscheint der Doctor, um
die Carosse oder die Decke mit dem Schweiße, dem transpirirten
Krankheitstoffe »einzugraben«, d.h. sie in Besitz zu nehmen, während der
Kranke froh ist, den Grund seines Uebels aus dem Hause entfernt zu
wissen. Der Patient würde es nie wagen, dieselbe zurückzufordern, sollte
er auch nach seiner Genesung die Frau Doctorin mit seinem Schakalmantel
in den Straßen des Dorfes herumstolziren sehen.

Den letzten Lehrcurs bildet die Belehrung über das Werfen der Dolo's.
Neben dem Dienste der Medicinmänner haben die Linjaka's auch einen
zweiten Dienst, den der Beschwörer oder guten Zauberer zu versehen.
Hierher gehören: das Herbeischaffen, der Gebrauch und der Verkauf von
Mitteln, welche an einer Schnur an der Stirne und am Halse getragen,
z.B. den Träger einer Löwenklaue muthig und flink, seine Verfolger träge
und ihn selbst kugelfest machen sollen. Solche Mittel sind ferner: aus
kleinen Tarsus- und Carpusknochen gewisser kleiner Säugethiermännchen,
verschiedener Vierfüßler, Schuppen des Schuppenthieres,
Metatarsus-Knochen gewisser Vögel und den Klauen bestimmter Raubvögel,
aus Schlangen- und Leguanhaut, kleinen Schildkröten, den Leibern großer
Rüsselkäfer verfertigte Amulete; mit verschiedenen eingebrannten Zeichen
versehene Holzpflöckchen, eingeschnittene Ziegenbockhörner und kleine
Hörnchen der zarteren Gazellenarten etc. welche allein oder mit
verschiedenen buntbemalten Glasperlen an eine Gras- oder
Giraffenschwanzhaar-Schnur angefädelt als Schutz vor Krankheiten, Uebeln
und Unfällen am Arme oder um den Hals getragen werden. In den Amtsberuf
der Linjaka's gehört endlich der Gebrauch der Dolo's um die Zukunft oder
z.B. den Ort zu erfahren, an welchem ein gestohlenes Gut oder ein
Flüchtling zu finden ist etc. etc.; die Beschwörungsweisen, um böse und
unreine Menschen und Thiere zu schrecken, und sich von den ersteren zu
befreien: z.B. durch das Aufhängen verschiedener Artikel unmittelbar an
oder in der Nähe der Umzäunung des Gegners, durch das Errichten von
Feuer in seiner Nähe, welche umgangen, umtragen und über welche gewisse
Formeln gemurmelt werden.

[Illustration: Die Beschwörung Khama's.]

Zur Arbeit der guten Zauberer gehört auch die Ausübung der zum
öffentlichen Wohle gereichenden Beschwörungsgebräuche, wie das Vergraben
von zwei Antilopenhörnern an den zu einer Stadt führenden Pfaden, das
Aufhängen von Töpfen auf Pfählen zwischen den Gehöften, in manchen
Hofräumen oder an den die Stadt beherrschenden Punkten, das Aufhängen
von Pavianköpfen nahe am Eingange zur Kotla und der Köpfe größerer
Raubthiere in der Nähe jenes Viehkraals, dessen Insassen von dem
betreffenden Raubthiere getödtet worden waren etc.

All' dieses geschieht, um damit Segen und Gedeihen über eine Stadt zu
verbreiten, um sie gegen Feuersbrunst und feindliche Angriffe zu
schützen, im letzteren Falle um die Heerde vor einem weiteren Unfall zu
bewahren. Auch die Felder werden in ähnlicher Weise mit
Beschwörungsmitteln umgeben, um eine gute Ernte zu sichern und
Heuschrecken abzuhalten. Aus diesem Grunde werden auch diese
_öffentlichen_ Amulete, lipeku genannt, auf die feierlichste und
geheimnißvollste Weise bereitet (bei den Marutse am centralen Zambesi
wurden Menschenopfer zu diesem Zwecke dargebracht) und nur die ältesten
Linjaka's zu der Zubereitungs-Ceremonie zugelassen. Nur einige solcher
Ceremonien sind auch Fremden zugänglich, z.B. der Khomo kho lipeku, d.h.
der dem lipeku geweihte Ochs; zu dieser Ceremonie wird ein bishin weder
als Zug- noch als Packthier benütztes Thier ausgesucht, diesem die
Augenlider mit seinen Thiersehnen zugenäht und dasselbe wieder in die
Heerde eingetrieben, dabei sorgfältig bewacht und nach einiger Zeit
geschlachtet; hierauf wird sein Blut mit anderen Mitteln zusammengekocht
und der Brei in kleinen Kürbisgefäßen aufbewahrt. Im Kriege beschmieren
sich der König und die Heerführer mit diesem Brei oder behängen sich mit
kleinen, damit gefüllten Gefäßen.

Linjaka's, welche aus Rache oder Böswilligkeit, Jemandem schaden wollen,
aber auch solche, deren Zauberschwindel eine der beabsichtigten
entgegengesetzte Wirkung hervorbringt, erhalten den Beinamen Moloi, d.h.
böser Zauberer und werden gefürchtet und gehaßt, so daß schon der Name
Moloi den Ausdruck der höchsten Verachtung bezeichnet und man dem
Betschuana keinen ärgeren Schimpf anthun kann, als ihm diesen beilegen.
Der Moloi erscheint den Betschuana's auch mächtiger als der Linjaka, da
ihm ohne die Ausübung seiner Zaubermittel selbst die stumme Natur
gehorcht, er bewegt sich, klettert über Zäune und Felsen und geht über
Flüsse, ohne gehört zu werden, Feuer schadet ihm nicht, Hunde, Schakale
etc. hören auf zu heulen und verhalten sich stille, wenn er an ihnen
vorbeigeht oder an sie herantritt. Mütter gebrauchen den Namen Moloi, um
ihre schlimmen und schreienden Kinder zur Ruhe zu verweisen.

Die bösen Zauberer trachten auch die Ernte zu schädigen; werden jedoch
die Linjaka's von ihren Häuptlingen ausgesandt, dies einem Nachbarstaate
anzuthun, so trägt nur der Auftraggeber das Odium der That, sie, die
blos seinen Befehl ausgeführt, bleiben wie zuvor Linjaka's. Die
Betschuana's behaupten, daß die Moloi's Leichen ausgraben, um ihnen
gewisse Körpertheile zu entnehmen, auch daß sie Neugeborne tödten und
aus gewissen Korpertheilen derselben Zaubermittel bereiten, doch die
wichtigsten ihrer Mittel (d.h. die ihrer Meinung nach schädlichsten)
behaupten die Moloi von Thieren zu gewinnen, die allgemein gefürchtet
sind und nur schwer in die Gewalt des Menschen gelangen, so z.B. von der
Boa, vom Krokodil und anderen. Haßt ein Mann seinen Nebenmenschen, ist
er auf ihn eifersüchtig, so begibt er sich in der Dämmerung zu einem
Moloi, um diesen gegen entsprechendes Honorar für seinen Plan zu
gewinnen. Ereignet es sich nun zufällig, daß der auf der Jagd Abwesende
oder Verreiste der bösen Macht des Zauberers erliegt und natürlichen
Todes stirbt oder von einem Thiere getödtet wird, dann heißt es, der
Mann sei im ersten Falle durch das Molemo (Gift), oder im letzteren
Falle durch das vom Moloi gewonnene Thier (Büffel, Löwe etc.) getödtet
worden.

Das vorstehende Bild stellt eine Scene dar, die sich im Jahre 1866 in
Schoschong zutrug. König Sekhomo hatte Moloi's gedungen, welche durch
verschiedene in der Nacht vor dem Häuschen Khama's, seines beim Volke
beliebten Sohnes, auszuführende Zaubereien diesen tödten sollten. Khama
erwachte durch den Glanz des vor seiner Einfriedigung hell auflodernden
Feuers, schlich sich an den Zaun und sah ruhig zu. Als sich zufällig
einer der »Alten« nach seiner Wohnung umsah und ihn erblickte, stieß er
einen Schrei aus; bei dem nun folgenden Tumulte suchten die Zauberer das
Weite. Khama trat vor, zerschlug die Beschwörungsgefäße, warf den
Beschwörungströdel in's Feuer, löschte dieses aus und erschien zum
größten Erstaunen Sekhomo's und der von ihm gedungenen Moloi's am
nächsten Morgen, frischer und froher wie je in der Kotla.

In Uebereinstimmung mit ihrem Charakter gelten die Moloi auch als Feinde
des Regens. Die Moloi glauben durch die frischen Zweige eines grünen
Busches, welche unter einer Verwünschungsformel in die Flammen geworfen
werden--den Regen bannen zu können, ferner suchen sie denselben Zweck
durch die Verwüstung der von den Regendoctoren ausgesetzten Zaubermittel
zu erzielen, auch glauben sie, daß das wiederholte Abfeuern von Gewehren
die sich nähernden Wolken verscheuche.

Der wichtigste Dienst, der von den Linjaka's und ihrem Oberhaupte
gefordert wird, ist die Regenbeschwörung. Da jedoch der Mißerfolg bei
dieser _öffentlichen_ Beschwörung nur zu leicht ersichtlich wäre,
überträgt man zur Zeit langer Dürre-Perioden die Beschwörung des Regens
an Linjaka's aus regenreichen Gegenden. Es sind meist die am rechten
Ufer des mittleren Limpopo wohnenden Ma-lokwana, welche gegen ein
Geschenk an Vieh zu dieser Arbeit gewonnen werden.

In feuchten, niederschlagsreichen Jahren wird die Arbeit den heimischen
Linjaka's überlassen; allein oder von Freiwilligen begleitet, begeben
sich dieselben auf ein speciell dazu bestimmtes, fruchtbares Grundstück,
um »isimo ea pula« d.h. das Feld des Regens zu graben. Dies ist eine
allgemeine Ceremonie und geschieht zeitlich im Frühjahr. Dann folgt das
Umgraben der Fluren durch die Frauen, nachdem noch zuvor die Männer von
den Linjaka's durch Beschwörung gesegnete Samen (Kafirkorn, Mais,
Kürbis, Wassermelone etc.) gekauft und diese in die vier Ecken des
Feldchens eingepflanzt haben. An diesem Tage wird alle Arbeit
eingestellt und erst am folgenden von den Frauen fortgesetzt.

Von diesem Tage ab ist es ferner den Betschuana's verboten, die jungen
Zweige der Bäume abzubrechen, vor Allem aber nicht jene des schon oft
erwähnten Wart-en-bichi(bitje)-Baumes, der unter den Betschuana's
allgemein verehrt wird. Erst zur Kafirkornreife und von den Njaka
angeführt, versammeln sich die mit Aexten und Messern versehenen Männer
in der Kotla, um einige Aeste von der geheiligten Accacie abzuhauen; mit
den ersten wird der an die Kotla angrenzende königliche Viehkraal
ausgebessert und nachdem dies geschehen, dasselbe an den übrigen
Kraalzäunen gethan. Vor der Ernte einen abgeschnittenen Ast der Accacia
detinens um Mittagszeit in einem Betschuanadorfe herumzutragen, käme
einer schweren Beleidigung des Stammes gleich.

[Illustration: Pit, der Griqua, entdeckt Leopardenspuren.]

Zur Erntezeit müssen alle Baum- und Buschfrüchte, Straußenfedern und
Elfenbein bedeckt aus dem Walde zur Stadt gebracht werden. Hat es in der
Nacht geregnet und der Regen bis zum Morgen angedauert, so bebaut
Niemand an diesem Tage die Felder, um den Regen nicht aufzuhalten und zu
stören. Hat sich die nasse Jahreszeit eingestellt, oder, wie der
Betschuana sagt, der Linjaka mit seinen Medicinen den Regen
herbeigerufen, so trachten nun die letzteren auch den Regen auf längere
Zeit zu »fesseln«. Aus diesem Grunde besuchen sie allein oder von ihren
Schülern oder von den Besitzern der Felder begleitet einsame Orte, meist
Höhen, pfeifen, schreien, murmeln Formeln und entzünden hie und da an
den vorspringenden Stellen der Höhen Feuer, wobei sie zuweilen gewisse
Ingredienzen in's Feuer werfen.

Versagen alle angewendetem Zaubermittel und fällt kein Regen, dann wird
in der Regel die Schuld auf die Masse geschoben und dieselbe irgend
eines Verstoßes gegen die herkömmlichen Gesetze beschuldigt; meist sind
es Witwen und Witwer, welchen der Vorwurf trifft, die vorgeschriebenen
Reinigungen unterlassen zu haben. Die Untersuchung beginnt und findet
sich nun ein Schuldiger oder eine Schuldige, so wird der- oder dieselbe
verurtheilt, sich öffentlich der Reinigung zu unterziehen. Die Linjaka's
bauen ihnen dann gegen Bezahlung außer der Stadt Grashütten, in welcher
sie einige Zeit bleiben müssen, um sich ihre Wolle vom Kopfe abschaben
und sich von den Linjaka's reinigen zu lassen; dann erst können sie zu
den Ihrigen heimkehren.

Hilft auch dies nichts, dann wird eine allgemeine Reinigung des Feuers
und der Herdsteine vorgenommen. Die Linjaka's beseitigen in jedem
Höfchen die drei Herdsteine, auf denen der Topf an's Feuer gestellt war
und tragen sie auf einen bestimmten Punkt vor die Stadt, wo sie
aufgehäuft und neue geweiht werden. Während der Dauer dieser Zeremonie
müssen alle Herdfeuer im Orte ausgelöscht werden. Abends oder am
folgenden Morgen erscheint der Unterpriester mit Reisig und einem
geweihten brennenden Stock, um, nachdem die Feuerstelle gut abgescheuert
worden ist, die Feuer in der ganzen Stadt anzuzünden.

Sollte dies Alles noch keinen Regen zur Folge haben, ordnet man eine
allgemeine Reinigung der Stadt an, herumliegende Fellstücke, Knochen, im
Felde, vielleicht nahe an der Stadt zu Tage liegende Menschenreste
werden begraben. Liegt der Ort in der Nähe der Begräbnißstelle eines
Häuptlings, die sonst sehr geheim gehalten wird, so schlachtet man ein
Stück Hausvieh, um damit den vielleicht erzürnten Todten zu besänftigen.
Es werden auch ganze Jagden auf gewisse Thiere abgehalten, von welchen
die Linjaka's gewisse Organe als Regen beschwörende Mittel gebrauchen;
diese Jagd heißt »Letschulo« und wird unter den Auspicien der
Regenmacher abgehalten.

Obgleich das Christenthum das Loos der Frauen unter den Bekehrten etwas
gemildert hat, konnte es ihnen doch viele der schwersten Arbeiten nicht
abnehmen, und erst der eingeführte Pflug, dessen Gebrauch sich
gegenwärtig immer mehr einbürgert, hat das Loos des Betschuanaweibes
erleichtert, dadurch, daß der Mann ihn mit Hilfe der Ochsen verwendet,
welche die Frau nie berühren darf. Einen ähnlichen guten Einfluß wird
die Einbürgerung des Pflugs auf das allmälige Verschwinden der eben
betriebenen abergläubischen und sinnlosen Regenbeschwörungs-Gebräuche
nehmen.

Ich schließe hiemit diese vorläufige ethnographische Skizze und kehre
zur Schilderung meiner Reiseerlebnisse zurück.

Der freundlichen Einladung Rev. Williams, die Weihnachts-Feiertage noch
in Molopolole zuzubringen, konnte ich leider nicht willfahren.

Durch das Kobuque-Felsenthor verließen wir den Thalkessel von Molopolole
und zogen im Thale eines Tschanjanazuflusses nach Norden. Die üppigste
Vegetation sproßte um uns her, das Ufer des Flüßchens und die unbebauten
Thalstellen, die Abhänge an den Felsenhöhen waren mit den mannigfachsten
Blumen und Gräsern bekleidet, stellenweise bebuscht und mit Bäumen
bestanden, so daß die hier röthlichen, dort gelblichen, dann wieder auch
grauen bis schwarzbraunen senkrechten Felsenmauern, stufenförmige,
natürliche Felsenterrassen, die viereckigen und die abgerundeten, sowie
die herabgekollerten Felsblöcke wie von einem buntgeblümten hier hellen,
dort dunkelgrünen Teppich umrahmt schienen.

Der Himmel hatte leider kein Erbarmen mit uns, in strömendem Regen
mußten wir uns durch den tiefen Sand des Weges hindurcharbeiten. Das
Mißgeschick dieses Tages war aber damit nicht erschöpft. Als ich nach
des Tages Mühen ruhen wollte, fehlten die beiden schwarzen Diener
Stephan und Dietrich, die ich von Musemanjana mitgenommen, und mit ihnen
waren zwei meiner kräftigsten Zugthiere spurlos verschwunden. Es war mir
schon am verflogenen Abend aufgefallen, daß die beiden Flüchtlinge mich
wiederholt vor umherstreifenden Löwen warnten, sie hatten offenbar mich
damit von der Verfolgung abhalten wollen. Obwohl bereits 15 englische
Meilen von Molopolole entfernt, beschloß ich, dahin zurückzukehren, um
Seschele zu bitten, die Diebe durch Reiter auf Chatsitsive's Gebiet
verfolgen zu lassen. Von Boly und Pit begleitet, machte ich mich am
nächsten Tage, nachdem der Regen etwas nachgelassen, zu Fuß auf den Weg.

[Illustration: Eingeborne Postboten.]

Doch schon nach fünfstündigem Marsche war ich außer Stande den Weg
fortzusetzen, die schwere Fußbekleidung hatte meine Fuße gänzlich
dienstunfähig gemacht; ich blieb am Rande des zum Molopololekessel
führenden Kobuque liegen und sandte Boly und Pit zu Rev. Price und
Seschele. Stunde um Stunde verrann, es war ein böses Omen für den Erfolg
ihrer Mission--endlich spät Nachmittags hatten sie mich wieder erreicht,
wie ich es geahnt, war ihr Gang vergebens.

Die Rückkehr zum Wagen war für mich eine wahre Martertour. Der Regen
hatte zahllose Samen einer Ranunculus-Species (_R. crepens_) von der
Höhe in das Thal herabgeschwemmt, die ob ihrer stachlichen Eigenart von
den Boers »Develkies« genannt werden. Unfähig in meiner Beschuhung den
Rückweg anzutreten, mußte ich es barfuß thun,--das weitere bedarf keiner
näheren Schilderung. Mitternacht war nicht fern, als wir das lodernde
Feuer des Lagers meiner Gefährten mit einem Freudenschrei begrüßten--die
Stunde der Erlösung war gekommen.

[Illustration: Scene aus dem Leben der Masarwa's.]

Wir beeilten uns am 27. zeitlich Morgens die Stätte trüber Erinnerungen
zu verlassen und setzten die Reise durch den tiefsandigen Wald nach
Norden fort. Die schlechte Beschaffenheit des Weges nöthigte uns zu
öfterem Rasten; während einer solchen kam Pit, welcher die Zugthiere
abseits des Wagens zwischen den Grasbüschen weiden ließ, athemlos auf
mich zugelaufen und schrie von Weitem. »Teiger, Teiger, Bass!« Bei
näherer Untersuchung fanden wir zwar keinen _Teiger_ (Leopard), jedoch
zahlreiche Spuren desselben auf den salzhaltigen Stellen des Bodens. Ich
hielt es daher für rathsam, den Marsch wieder weiter aufzunehmen.

Die Reise am 28. führte uns theils durch einige seichte Vertiefungen,
welche deutlich den Abfall des Bodens nach Osten zu zeigten und in
einige in der Regenzeit dem Limpopo zufließende Bachbetten ausliefen,
theils durch sandigen Wald, in dem ich mir, nach dem Weglaufen der
Diener als unfreiwilliger Wagenlenker meine Sporen zu verdienen hatte.
Von Wildspuren fanden wir jene des gestreiften Gnu, der Elandantilope,
des kurzschwänzigen Schuppenthieres und auch solche von Hyänen zahlreich
vor.

Auch am 29. war die Fahrt recht beschwerlich, nicht allein daß der Sand
nicht abnahm, es hob sich das Land merklich gegen Norden. Die Entfernung
von Molopolole nach Schoschong beträgt in der kürzesten Strecke 128
englische Meilen, doch kann man diese, häufigen Wassermangels halber,
nicht zu allen Jahreszeiten passiren und muß deshalb zeitraubendere
Touren wählen. Zu Fuße kann die Strecke mit Benützung der Fußpfade in
fünf Tagen zurückgelegt werden, eine Leistung, die auch von den
Post-Betschuana's zu Stande gebracht wird. Der im westlichen Theile des
Marico-Districtes wohnende Missionär, Herr T. Jensen, versieht den
Dienst des Postmeisters für das Innere, d.h. für die in den
Eingebornenstädten wohnenden Missionäre und Händler, bei denen auch die
Briefe, die den Jägern von den Ihrigen nachgesendet werden, aufbewahrt
werden. Wöchentlich kommt ein Eingeborner mit den Briefen von Molopolole
und bringt die in Linokana angekommenen nach der Balwenastadt; alle
vierzehn Tage werden wieder zwei Bamangwato von Schoschong von dem
dortigen Prediger nach Molopolole gesandt, um die Post, die der
Molopololer von Linokana gebracht, nach Schoschong zu befördern. Ein
Feuerbrand, einige Assagaien, auf welche sie rohes Fleisch spießen und
der lederne Gurt mit den Briefen ist die ganze Ausrüstung der Postboten.
Früher wurde je ein Mann für diesen Postdienst von Schoschong nach
Molopolole auf sechs Monate gemiethet, er erhielt Kost und wurde mit
einer Muskete und etwas Schußmaterial, gegenwärtig aber mit barem Gelde
für seine Mühe entlohnt.

[Illustration: Flüchtender Leguan.]

Zahlreiche Löwen- und Leopardenspuren am Rande der vielen
vegetationslosen Bodeneinsenkungen mahnten uns am folgenden Tage zur
größten Vorsicht, auch bot der tiefe Sand, in dem die Räder bis acht
Zoll tief einsanken, große Schwierigkeiten. Einst mochten diese eben
durchzogenen Gegenden sehr wildreich gewesen sein, dafür sprachen die
aufgehäuften Skelette von Antilopen, besonders des Elands und der
Giraffe. An keinem der vielen, hier und auf der weiteren Reise nach
Schoschong angetroffenen Giraffenschädeln beobachtete ich die kleinen
knöchernen Stirnauswüchse gleich hoch, an manchen einen, an manchen
beide mit Exostosen bedeckt, oder durch solche an der Stirnbasis
brückenförmig mit einander verbunden.

[Illustration: Trocknen von Giraffenhäuten.]

Gegen Abend fiel mir Niger's Betragen auf, der im Grase zu unserer
Linken hin- und herlief. Ich rief Onkel herbei--wir hatten nach und nach
die übrigen Hunde (sieben) eingebüßt--beschleunigte meine Schritte und
kam eben noch zur rechten Zeit, um einen riesigen Landleguan gemächlich
auf einen Baum klettern zu sehen. Auf dem ersten horizontallaufenden,
dicken Aste legte er sich flach nieder und dehnte sich derart, daß man
ihn leicht übersehen hätte, wenn nicht die gelblichen Querstreifen von
der grauen Rinde des Baumes grell abgestochen hätten. Das Thier, welches
durch sein plötzliches Erscheinen die befiederten Bewohner des Baumes
nicht wenig erschreckt hatte, blieb vollkommen ruhig auf dem Aste
liegen, man sah nur die Bewegungen der Augenlider und das momentane
Aufblitzen der kleinen schwarzen, glänzenden Augen. Ein Schrotschuß
tötete das Thier, das meinen Sammlungen einverleibt wurde.

Am 31. waren wir wieder in tiefsandigen Wald gelangt, die Gegend zeigte
wellenförmige, geringe Bodenerhebungen, welche stellenweise bebuscht
oder mit Bäumen schütter bestanden, stellenweise jedoch dicht bewachsen
waren, während die seichten Vertiefungen eine äußerst üppige, wenn auch
nicht tropische Vegetation bargen. Der Regen hatte in den letzten Tagen
abgenommen und die südafrikanische Decembersonne ließ uns warm ihre
Strahlen fühlen. Auf dem tiefsandigen engen Wege einherziehend, machte
mich B. auf einen dunklen, auf einem hohen Kameeldornbaum hängenden
Gegenstand aufmerksam. Wir fanden nähergekommen mehrere große Stücke
trockener Giraffenhaut, die von den Jägern vor langer Zeit aufgehangen
und vergessen worden sein mochten. In der Untersuchung derselben wurden
wir durch einen herbeieilenden Makalahari unterbrochen, welcher durch
seine Mittheilung, daß die Haut dem Morena Seschele gehöre, alle
Annexionsgedanken im Keime erstickte. Er und seine im Walde wohnenden
Gefährten waren hier stationirt, um die zeitweilig anzutreffenden
Giraffen zu jagen. Das Fleisch gehörte ihnen, doch die Haut dem Könige.
Die weitere Mittheilung des von mir beschenkten schwarzen Jägers, daß
wir erst zu Mittag des folgenden Tages auf Wasser stoßen würden, trieb
uns zur Eile an. Erst die einbrechende Nacht machte unserem Tagemarsche
ein Ende.

Am Lagerplatz angelangt, berieth ich eben mit meinen Gefährten, wie der
Wassernoth zu begegnen sei, als die Hunde zu knurren anfingen. Aus dem
Benehmen derselben, die, ohne die Nähe des Feuers zu verlassen, auf eine
Stelle in's Dunkle hinblickten und dann sich nach der entgegengesetzten
Seite kehrten, wobei es uns auffiel, daß sie einen sich um unser Gefährt
in den Gebüschen bewegenden Gegenstand witterten, schloß Pit, daß
diesmal Masarwa oder Makalahari (die Sclaven der Bakwena's) die
Ruhestörer waren.

Ein leises »Rumela, Sir!« das uns aus den Gebüschen entgegentönte, löste
jeden Zweifel; nachdem Pit die Hunde zur Ruhe verwiesen hatte, traten
zwei Schwarze an's Feuer, es waren die Postboten aus Schoschong auf dem
Wege nach Molopolole. Der eine trug ein großes Stück Fleisch, das er in
einem, eine halbe Tagreise entfernt liegendem Barwadorfe für eine
Handvoll Zündhütchen erhandelt; als sie sahen, daß wir mit dem Wasser
recht sparsam umgehen mußten, boten sie uns ihre beiden mit Wasser
gefüllten und mit frischen Grasbüscheln zugepfropften Kalebassen an,
leider konnten wir des starken Geruches der unrein gehaltenen
Kürbisgefäße halber von ihrem freundlichen Anerbieten keinen Gebrauch
machen.

Der Neujahrsmorgen 1874 brach recht trübe an, Tags zuvor war es glühend
heiß gewesen, heute war der Himmel mit Wolken bedeckt und die Atmosphäre
bedeutend abgekühlt. Gegen Mittag heiterte sich der Himmel auf und als
wir unsere Ost bei Nord-Richtung in eine nördliche änderten, sahen wir
in eine Vertiefung vor uns, die sich nach Osten zu ziehen und der Anfang
eines Thales zu sein schien, sowie eine kleine Rauchsäule an der
bebuschten Erhebung ober dieser Vertiefung. Ein Säule Gold hätte uns
alle nicht so elektrisiren können, wie es der bläuliche, in kleinen
Wölkchen sich emporhebende Dunst und Rauch vermochte. Nach und nach
erkannten wir auch einige elende Grashütten, dann spielende Kinder in
ihrer Nähe und unten in der Tiefe zwei Barwa, die auf uns zu warten
schienen. Ich sandte Pit voraus, um nach Wasser zu fragen; als wir zur
Gruppe gestoßen waren, theilte uns der Diener mit, daß außer einigen
tiefen, engen Löchern, aus denen nur die Bewohner des kleinen Dörfchens
Wasser holten und aus denen höchstens Ziegen trinken konnten, kein
trinkbares Wasser in der Nähe sei, wohl aber gegen Sonnenuntergang,
wohin sie uns mit der Erlaubniß ihres Herrn, eines Bakwena's, führen
wollten.

Unser Führer gehörte ebenfalls dem Bakwenastamme an. Ich glaube schon
erwähnt zu haben, daß die Betschuana's sowie die Koranna's von Mamusa
Diener, oder besser gesagt Sclaven besitzen, die dem Makalaharistamme
(auch Bakalahari) angehören, welcher früher die Gebiete zwischen dem
Zambesi und dem Oranjeflusse sein eigen nannte. Außer diesen Sclaven,
die jedoch ziemlich mild behandelt werden, befinden sich in den sechs
Betschuana-Reichen noch zwei andere Stämme in der Stellung von Sclaven
den Betschuana's gegenüber, doch ist diese Stellung eine drückendere,
denn während es zu geschehen pflegt, daß Makalahari freigelassen werden,
und zuweilen eine Annäherung und Verschmelzung der Ma- oder Bakalahari
und der Bakwena's etc. statthat, geschieht dies nie zwischen den
letzteren oder anderen freien Betschuanastämmen und den beiden hart
behandelten Sclavenstämmen, den Barwa's, die bei den nördlichen
Betschuana's Masarwa's genannt werden, und den Madenassana's, die in dem
nordwestlichen Gebiete der östlichen, und dem nordöstlichen der
westlichen Bamangwato's wohnen.

[Illustration: Masarwa's am Feuer.]

Ich möchte die Barwa's und Masarwa's als ein Mischlingsvolk,
hervorgegangen aus der Verschmelzung der Makalahari, d.h. eines Zweiges
derselben, mit den Buschmännern bezeichnen. Gestalt, Teint, Gebräuche
und die Sprache sind ebenso viele Indicien für diese beiderseitige
Verwandtschaft und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die Barwa's
und Masarwa's ein Bindeglied zwischen den Buschmännern und der
Banthufamilie nenne. Während die Makalahari etwa Leibdiener,
hauptsächlich aber Hirten der Betschuana's sind, haben die übrigen
Sclavenstämme Jagddienste zu versehen, in welcher Beschäftigung sie ihre
Gebieter auch weit übertreffen. Der Bogen und der Pfeil, den
Betschuana's fremd, sind bei den Barwa und Masarwa wie bei den
eigentlichen Buschmännern noch immer im Gebrauch, ebenso verstehen sie
die Thiere in Fallen, d. h. mit vergifteten Assagaien (siehe die
Illustration Seite 44) und in Fallgruben zu fangen, als Antreiber sind
sie--wie die ihnen bezüglich der Sprache und des Gesichtsausdrucks
verwandten, doch sich sonst an die westlichen Eingebornenstämme
anlehnenden Madenassana's--vorzüglich verwendbar. Nur gegen ihre
Verschmitztheit, Untreue und ihren Hang zum Diebstahl ist es gerathen,
sich vorzusehen.

[Illustration: Anschleichende Masarwa's.]

Sie bewohnen in wildreichen Gegenden kleine Dörfchen, d.h. Hütten, deren
heuschoberähnliches Gerippe aus einigen in die Erde schief
eingetriebenen, etwa fünf Fuß über dem Boden miteinander verbundenen
Pfählen besteht und mit einer Lage von dürren Zweigen und Gras überdeckt
wird. Sonst zeigt keine Umzäunung, blos einige glatte Steine, worauf
Samen zerrieben, Knochen zerschlagen oder geschliffen werden, sowie
einige Aschenhaufen, zahlreiche trockene Schoten von Leguminosen
(Bäumen, Sträuchern und Pflanzen) und einige Fußpfade, daß hier Menschen
hausen oder gehaust haben. Gewehre und Schießbedarf werden ihnen
anvertraut, die Felle, Straußenfedern, Elfenbein und Rhinoceroshorn,
nebstdem auch wilde Früchte, wie jene des Baobab, der Fächerpalme etc.
müssen sie an ihre Herren abliefern. In der Regel finden wir jedoch
einen Bamangwato oder Barolong etc., dessen Leibdiener sie sind, mit
ihnen jagen, kehrt er heim, so übergibt er dem ältesten von ihnen das
Commando. In jedem andern Falle müssen sie sich nach zwei bis fünf
Monaten in der Hauptstadt einfinden und die Jagdbeute abliefern. Bei dem
Besuche derselben ist es ihnen aber nicht gestattet, bei Tage in die
Stadt zu treten, sie lassen sich vor der Stadt nieder, und nachdem sie
dem nächsten besten Einwohner ihren Namen, ihren Wohnort und den Zweck
ihres Kommens mitgetheilt und dieser es dem König hinterbracht hat, wird
ihnen am Abend nach Sonnenuntergang ein Bote zugesendet, der sie in die
Kotla führt. Solche, die den Besuch der königlichen Stadt zur bestimmten
Zeit unterlassen, wenden durch einen von dem Chef ausgesendeten Boten an
ihre Pflichten gemahnt und abgeholt.

Die Masarwa's sind von mittelgroßer Statur, besitzen einen
röthlichbraunen Teint und abstoßende Gesichtszüge; in ihrer Gestalt
nähern sie sich dem Buschmanne, in ihren Gesichtszügen und dem Teint den
Makalahari's. Sie sind weniger treu und anhänglich als letztere, darum
werden sie auch von ihren Herren seltener im Kampfe und als Hirten
benützt, wohl aber als Spione oder um die Grenzen zu bewachen und von
der ersten Annäherung eines feindlichen Haufens nach des Königs Stadt
Nachricht zu bringen.

Kein Stamm im centralen Süd-Afrika versteht es in den trockensten
Gegenden mit solchem Erfolge nach Wasser zu spüren, die Fährte des
Wildes so treu aufzunehmen und das Wild so geschickt und unbemerkt zu
beschleichen und zu überlisten wie die Barwa's und Masarwa's. Weil sie
jedoch in Folge ihrer Untugenden von den Betschuana's hart behandelt
werden, sind sie auch den Weißen gegenüber mißtrauisch geworden. Reist
man durch die Kalahari, oder in den sandigen Wäldern, die wir eben
durchzogen, oder in jenen zwischen Schoschong und dem Zuga-River und
jenen zwischen den Salzseen und dem Zambesi, so ist man oft, ohne die
leiseste Ahnung davon zu haben, von Angehörigen dieses Stammes gefolgt,
der ob seines Mißtrauens und um nicht schwere Arbeit verrichten zu
müssen, sich scheu in der Ferne des Weißen hält. Hat man jedoch ein
Stück Hochwild geschossen, so sieht man sich, bevor noch die Beute
erstarrt, von einem Trupp Barwa's umringt, welche mit Ungeduld den
Moment erwarten, zum Ausweiden der Jagdbeute aufgefordert zu werden, um
einen Theil des Fleisches als Entlohnung zu erhalten. Ich möchte sagen,
sie sind unter den südafrikanischen Racen das, was unter den Vögeln der
Aasgeier und unter den Säugethieren die Schakale. Kreist in den
obgenannten Gegenden ein Aasgeier hoch in den Lüften, so hat ihn auch
schon des Masarwa Auge erspäht und er eilt rasch nach der Stelle zu, wo
der Geier sich niedergelassen. Ueberraschen sie nun bei solcher
Gelegenheit den König der Thiere beim Mahle, so trachten sie durch
Geschrei, mit Stein- und Feuerbrandwürfen das Raubthier zu verscheuchen,
angegriffen, flüchten sie sich wie die Affen in die Bäume und
verkriechen sich wie die Wiesel in die Dorngebüsche, um dem sie
verfolgenden Löwen einen ihrer vergifteten Pfeile in eine dünnere
Hautstelle einzubohren.

Nach der Mittheilung meines Freundes Mackenzie werden diese Masarwa's
und Barwa's von den Betschuana's in der Regel Masarwa a bolotsana thata,
d.h. schlechte Menschen (Bösewichter) und Masarwa Ki linoga hela (wahre
Schlangen) betitelt.

Gleich den Buschmännern in der Colonie und im Oranje-Freistaat hassen
die Barwa's und Masarwa's Ackerbau und Viehzucht, doch beobachtete ich
nie--außer an einigen, jenen der Makalahari's ähnlichen, auf Bein und
Holz ausgeführten, höchst einfachen, eingebrannten oder eingeschnittenen
Strichen etc.--daß sie Gravirungen in Stein ausführen oder steinerne
Objecte in ihrer einfachen Haushaltung benützen würden. Dagegen arbeiten
sie lange Ketten aus rundlichen Straußeneier-Scheibchen und andere
Verzierungen aus diesem Material. Ich konnte bei ihnen weder von einem
Höhlenbau in Felsen, noch etwas von einer Ausschmückung der Felsenkuppen
sehen oder in Erfahrung bringen, hingegen fand ich bei ihnen den
crassesten Aberglauben in voller Blüthe.

Auf der Jagd, mag der Masarwa nun allein oder in Begleitung seines
Betschuanaherrn sein, werden die einfachen Knochen- und Holz-Amulete
(Dolos) geschüttelt und geworfen, um die Richtung des Wildes, die Art
und Zahl desselben und den Erfolg der Jagd zu erfahren. Sie werden auch
in Krankheitsfällen befragt, und ob der »Herr« kommt. Von den
Betschuana-Herren hat er den Namen Morimo für Gott aufgeschnappt, und
obgleich der Betschuana selbst den Begriff Morimo, der von seinen
Vorfahren verehrt wurde, bis auf den Gedanken, daß Morimo ein höher als
die Morena's (Fürsten) gestelltes Ding oder höheres Wesen bezeichnet,
verloren, so bezeichnet doch auch der Masarwa und der Barwa seine Dolos,
die ihn über alles belehren und unterweisen sollen, seinen Schatz und
seinen theuersten Besitz mit Morimo, er meint »dies ist mein Gott (Se-se
morimo-se)« oder er sagt »die Dinge meines Gottes (Lilo tsa Morimo oa
me)« und Dinge die ihn benachrichtigen, »Lilo-lia impulelela mehuku.«
Doch nicht allein, daß ihm die Dolos sein Morimo oder die Eigenschaft,
das Eigenthum eines mächtigen Wesens sind, er behauptet auch
andererseits, daß er selbst mit dem Werfen dieser Dolos Morimo
Gelegenheit gebe, seine Kenntniß darzuthun, und daß er selbst Morimo's
Werkzeug sei.

Die Barwa- und Masarwamänner zeigen ihren Frauen gegenüber mehr
Anhänglichkeit als die Betschuana's und Makalahari's, die schwerste
ihnen zukommende Arbeit ist das Wasserholen in den mit Bast, Stricken
oder Thierhautstreifen umflochtenen Straußeneier- oder Kürbisschalen und
das Tragen der kaum nennenswerthen Hausutensilien. Die primitiven Hütten
sind in wenigen Stunden mühelos hergestellt. Eine große Anhänglichkeit
zeigt der Masarwa für seine Hunde, die, im Gegensatz zu der schlechten
Behandlung, die diesem Hausthiere von den Betschuana's zu Theil wird,
bei ihnen zumeist gut gepflegt werden.

Von ihren Gebräuchen sind nur wenige bekannt, da noch kein Reisender in
der Lage war, längere Zeit in oder in der Nähe eines Masarwadorfes zu
wohnen und ihrer Sprache mächtig zu werden; wir wissen blos, daß sie
sich im Stadium der Pubertät, mit einem Knochen die Nasenscheidewand
durchbohren und ein Holzpflöckchen einschieben, um eine kleine
kreisrunde Oeffnung zu erzeugen. Das Hölzchen wird, nachdem der Zweck
erreicht, wieder entfernt; sie benennen diese That rupa, was jedoch ein
aus der Setschuana entnommenes Wort ist und die Einleitungceremonie zu
der Beschneidung bei den Betschuana's bezeichnet.

[Illustration: Neujahrstafel im Urwalde.]

Was vielleicht dem Reisenden am meisten an den Masarwa's, die in manchen
Gegenden über Mittelgröße, ja zuweilen im Lande der Bamangwato's oder
Bakwena's etc. ebenso wie der herrschende Stamm von hoher Statur sind,
neben der Häßlichkeit ihrer Gesichtszüge am meisten auffällt, das sind
die röthlichen, wie halbgeröstet aussehenden vorderen Schienbeinflächen,
oft tragen die Vorderarme und der Rücken sowie die Fußrücken und
Schenkel ähnliche narbenartige Merkmale. Der Masarwa--in selteneren
Fällen der Makalahari--der kaum mehr als ein kurzes Fellstück, über die
Schulter geworfen hat und zuweilen außer einem kleinen aus Elandfell
gearbeiteten Schildchen nichts zu seinem Schutze mit sich trägt, ist
gegen die Kälte sehr empfindlich. Statt sich nach Betschuanasitte ein
umzäuntes Höfchen zu machen und hier oder nach jener der Koranna's in
der Hütte selbst ein Feuer anzuzünden, entzündet er das seine stets im
Freien und sucht sich dann so rasch wie möglich zu erwärmen; er rückt
dem Feuer so nahe wie möglich und schläft hockend mit auf die Kniee
gesunkenem, zwischen die Arme gepreßtem Kopfe ein, daher sind dann auch
die vorderen Unterschenkelflächen dieser armen Geschöpfe denen des
Metatarsus der paarenden Straußenhähne nicht unähnlich gefärbt.

Berichtet man von dem Buschmann der Colonie, daß er die Haut des Wildes
benützt, um sich demselben bis auf Treffweite seines Pfeiles zu nähern,
so benützt der Masarwa einen kleinen dichten Busch als Deckung, d.h. den
Busch mit der einen Hand vor sich hinhaltend und vorschiebend, um in
kriechender Stellung seine Opfer zu beschleichen. »Eines Abends,«
erzählte ein mir wohlbekannter Jäger, »saß ich allein an meinem Feuer in
einer der weiten Ebenen des Mababifeldes. Vor mir lag die Ebene, das
Gras war noch jung, kaum zwölf Zoll hoch. Ich rauchte und blickte auf
die Ebene hinaus; vor mir hob sich hie und da ein kleiner Busch empor.
Als ich nach einer Weile wieder aufsah, schien es mir, als ob sich der
eine Busch an einer Stelle befände, an welcher ich zuvor keinen
erblickt, d.h. kaum 50 Schritte vor mir. Ich fixirte das Object, doch
mehr denn eine Viertelstunde verrann und noch immer stand der Busch an
seiner Stelle. Ich hielt das ganze für Sinnestäuschung und kehrte mich
zum Wagen--doch wer beschreibt meine Ueberraschung, als ich mich nach
einigen Minuten zufällig umwandte und etwa 20 Schritte vor mir einen
Masarwa erblicke.«

Bei den Wassertümpeln angelangt, fühlte ich mich bedeutend wohler.
Unsere Haltstelle, wo ich uns eine mehrtägige Rast gönnen wollte, schien
vor einem Jahre, oder doch während dieser Zeit von Jägern bewohnt
gewesen zu sein. Einige Hufe von Zebra's, welche mit Auswüchsen, durch
Wespenmaden hervorgebracht, wie mit Zoten dicht überwachsen waren, sowie
Bruchstücke von Kudu- und Bläßbockhörnern, gestreifte Gnuschädel, ein
Giraffen- und ein beschädigter Nashornschädel, und Reste einiger
Grashütten wiesen deutlich darauf hin. Unsere Masarwa-Führer betätigten
meine Vermuthung und theilten mir mit, daß hier Bakwena's (die Herren
des Landes) unter der Anführung eines Sohnes Seschele's, d.h. des
königlichen Prinzen mit mehreren Pferden gejagt und nebst einigen
Straußen einen großen Wagen mit Fellen und Fleisch beladen nach
Molopolole zurückgebracht hätten.

Nachdem wir uns alle gelabt und erfrischt hatten, konnten wir endlich
daran denken, den Tag der Jahreswende zu feiern. Es geschah dies nicht
ohne jedes Ceremoniell, ein Toast auf das Wohl des Kaisers von
Oesterreich schloß die Feier des Neujahrstages 1874 im Herzen der
südafrikanischen Wildniß. Erstaunt sah uns der Masarwa an, er sah uns in
die Lüfte sprechen und frug Pit, ob wir zu unserem Morimo geredet
hätten.

Gegen Abend fühlte ich mich so weit hergestellt, daß ich sogar einige
hundert Schritte weit in die Büsche gehen konnte, wobei mir ein
undurchdringliches dichtes Gehölz nahe an der Stelle, wo der nach Westen
zu führende Weg plötzlich nach Norden sich wendet, durch seine Höhe
auffiel. Gruppenweise fanden sich in diesem Walde zwischen Molopolole
und Schoschong bis zu 60 Fuß hohe Bäume. Eine der Acacia horida äußerst
ähnliche Art war besonders häufig vertreten. Alte Stämme waren
niedergefallen, lagen theilweise zwischen den zerschmetterten, schwarz
berindeten Aesten gebettet, theils lehnten sie an anderen, sich noch
kräftigen Gedeihens erfreuenden und bildeten mit den vielen neu
aufsprossenden Bäumen, dem anderweitigen Gebüsch, sowie den durch den
Moder der absterbenden Bäume beförderten reichen Pflanzenwuchs dichte,
oft undurchliche, wenn auch beschränkte Urwaldpartien in dem
unabsehbaren, tiefsandigen Niederwalde. Bei der herrschenden Dunkelheit
hielt ich es nicht für gerathen, in das oberwähnte Gehölz einzudringen,
trotzdem mich ein mehrstimmiges Perlhuhngegacker anlockte.

Nachdem ich sie reichlich beschenkt, entließ ich die beiden
Masarwa-Führer und ließ ihrer Mahnung entsprechend, sechs große Feuer um
unser Lager anzünden, um die hier zahlreich herumwandernden Raubthiere
abzuhalten. Ohne Ahnung, daß der folgende Tag für mich einer der
ereignißreichsten und zugleich trübsten während meines siebenjährigen
Aufenthaltes werden sollte, verfiel ich bald darauf in einen
wohlthätigen Schlummer. Später als ich es sonst gewohnt war, wachte ich
durch ein unnatürliches Kältegefühl auf, welches durch eine von der
Wärme angelockte und wohl irgendwo unter den zahlreichen umliegenden
Thierschädeln wohnende kleine Schlange verursacht worden war. Die Sonne
stand schon hoch und am Feuer saßen Besucher aus dem gestern von uns
wahrgenommenen Dorfe. Ich erkannte sie an dem Bakwena, der das Wort
führte. Der Mann hatte einige Pallahfelle, einige weiße, doch nicht
besonders feine Straußenfedern und einen etwa neun Pfund schweren
Elephantenzahn mitgebracht, der deutliche Spuren trug, daß er von einem
der Thiere »verloren«, durch lange Jahre irgendwo im Grase gebleicht
hatte, bevor ihn der Zufall dem Bakwena oder einem seiner Masarwa-Diener
in die Hände gespielt hatte.

[Illustration: Verirrt.]

[Illustration: Von Masarwa's gestörtes Löwenmahl.]

Gegen Mittag schulterte ich das in Moschaneng erstandene Doppelgewehr,
nahm 12 Patronen mit und schlug eine westliche Richtung ein, um unseren
Tisch mit frischem Wildfleisch zu versehen. Etwa 700 Schritte vom Wagen
stieß ich auf Gnu's und nach weiteren 1000 Schritten, nachdem ich diese
in Süd- bei West-Richtung verfolgt, auf quer über meinen Pfad nach
Norden führende, frische Giraffenspuren. Ich verließ sofort die zuerst
eingeschlagene Richtung und folgte den Giraffen, die, etwa 20 an der
Zahl hier ihren Weg genommen haben mußten. Nach einer Stunde Weges
theilten sich die Spuren, ich folgte den zahlreicheren, die nach
Nordwest zu führen schienen. Der Rasen wurde dicht ohne hoch zu sein,
die Spuren wurden immer undeutlicher, trotzdem fand ich an einigen
abgebrochenen Zweigen deutliche Merkmale, daß hier die Thiere noch vor
einigen Stunden geweidet haben mußten. Die Gegend war derselbe
Niederwald, doch nur stellenweise dichter, und bestand aus geringen
Senken und ebenso unbedeutenden sandigen Bodenerhebungen. Seitdem ich
die abgebrochenen Zweige wahrgenommen, hatte ich weniger die Richtung im
Auge behalten und als ich bei meinem Suchen drei Meilen zurückgelegt,
hatte ich dieselbe vollkommen verloren. Während ich mich zu orientiren
versuchte, fühlte ich mich recht matt und abgeschlagen, dabei mächtigen
Hunger, das Aergste von Allem jedoch war, daß es in meinem Kopfe wohl
durch den Einfluß der brennenden Sonnenhitze wie in einer Mühle sauste
und sich stechende Schmerzen in den Schläfen einstellten. Ich war so,
ohne es zu wissen, zweimal im weiten Bogen zurückgegangen und mußte mich
höchstens fünf Meilen weit vom Wagen befinden, doch in meiner Verwirrung
und von unsäglichem Kopfschmerz geplagt, schlug ich die entgegengesetzte
Richtung ein und ging so rasch es meine Müdigkeit nur gestattete, gerade
nach Nordnordwest. War der Kopfschmerz die Ursache, oder war ich so matt
und meine Sinne durch die große Hitze so abgestumpft, ich kann es mir
selbst heute nicht erklären, daß es mir in dieser Zeit, als ich schon
die Giraffenspuren verlassen und den Heimweg angetreten zu haben wähnte,
nicht einfiel, das goldene Himmelsgestirn anzusehen, nicht eher, als bis
es sich schon zum Untergange neigte und die langen Schatten der Bäume
das Ende des Tages anzeigten.

Da schlug ich eine südöstliche, dann aber eine östliche Richtung ein, um
den von Molopolole nach Schoschong führenden Weg zu treffen. Allein als
ich zu diesem Entschlusse gekommen war, hatte auch meine Abmattung den
Gipfelpunkt erreicht und ich konnte kaum 20 Schritte gehen, ohne
ausruhen zu müssen. Der Durst quälte mich entsetzlich. In der Hoffnung,
daß ich vielleicht dem Wagen näher war als ich es vermuthen konnte, oder
aber um die Aufmerksamkeit zufällig in der Nähe jagender Masarwa's auf
mich zu lenken, feuerte ich acht Schüsse ab und horchte mit größter
Spannung auf den Erfolg meines Nothsignals. Doch Alles blieb stille.

Mit Anstrengung und der Wunden nicht achtend, die mir das Erklimmen
eines Dornbaumes verursachte, feuerte ich nochmals von seiner Spitze
zwei Schüsse ab, vielleicht wurde ich nun gesehen, doch wie weit mein
wirrer Blick auch reichte, keine Bewegung in den Büschen, kein
Gegenstand zu erblicken, der mir Hilfe hoffen ließ. Nun sank mir der
Muth. Ich fühlte mich außer Stande, einige Meilen weiter zu gehen. Die
letzten beiden Schüsse konnte ich doch nicht aufopfern, ich fühlte mich
so schwach, daß mir das Tragen des Gewehres zur Last wurde und hätte es
wegwerfen mögen. All' dies wohl die Folge der heutigen Anstrengungen,
des Unwohlseins und der Unfälle, die mir Tags zuvor zugestoßen waren.
Was nun thun! Schreien! Ja, Schreien, ich begriff nicht, daß mir dies
nichts helfen, höchstens wilde Thiere anlocken würde. Ich kroch auf
einen Termitenhügel und schrie aus Leibeskräften. Es währte nicht lange
und ich hatte mich--ohnehin derart abgemattet, daß ich mich mit
aller Macht an den Termitenbau anklammern mußte, um nicht
herunterzugleiten--heiser geschrieen. Als ich mich zur Erde gleiten ließ
und hier neben dem Gewehre lag, brach ich, durch die glühende Sonne und
die gänzliche Ermattung wie sinnesverwirrt, in ein Gelächter aus. Es kam
mir selbst sinnlos vor, in dieser Wildniß, in der weit und breit im
Umkreise keine menschliche Seele zu treffen war, auf solche Weise
Rettung zu suchen. Das krampfhafte Lachen hatte einen krampfhaften
Husten zur Folge und dieser führte mich wieder zur Besinnung zurück.

Der in mir wühlende Durst drohte mir den Rest meiner Kräfte zu rauben,
vergebens sah ich mich nach Blättern um, deren Feuchtigkeit meinen
brennenden Lippen Kühlung gewähren konnte, die einen waren dürr, die
anderen mit Wollhaaren bedeckt; mechanisch griff ich nach den Blättern
eines mir unbekannten Busches und führte sie an die Lippen, doch auch
sie waren--Ironie des Schicksals--gallbitter. Noch einige Schritte und
ich ließ das Gewehr fallen, Blitzartig durchzuckte mich jedoch bald
nachher der Gedanke, daß ich damit meinen einzigen Schutz, meinen besten
Freund geopfert und mit Aufgebot aller Kräfte schleppte ich mich zur
Stelle zurück und hob das Gewehr, das noch zwei Schüsse barg, auf. Was
war ich ohne Waffe in dieser Wildniß--ein wehrloses Opfer hungriger
Hyänen!

Meine letzte Hoffnung war darauf gerichtet, mit einem der Schüsse ein
kleines Feuer zu entzünden, unter dessem Schutze ich die Nacht überleben
konnte. Doch auch dieses letzte Auskunftsmittel versagte, die dürren
Aeste fingen kein Feuer. Nun ergriff mich nackte Verzweiflung, wie im
Fieberwahnsinn jagten die tollsten Gedanken durch mein erhitztes Gehirn,
Verwünschungen drängten sich auf die Lippen und mechanisch griff ich
nach dem Gewehre.

Ich fühlte nun vollends meine Kräfte schwinden und erinnere mich nur
noch, daß ich auf die Knie fiel, beide Hände ausstreckte und wie sich in
diesem Momente eine schwarze Gestalt vor mir auf die Erde warf, an mich
herankroch und mich erfaßte. Ich war gerettet--gerettet durch einen
Masarwa, der viele Meilen weit von Westen her auf dem Wege zu der
gestern passirten Niederlassung begriffen war, um seine Genossen zu
holen, denn er hatte früh am Morgen weit von hier ein Gnu erlegt.

Ein labender Trunk hätte mich nicht mehr elektrisiren konnen als diese
Erscheinung. Er richtete mich auf und als ich mit den Fingern nach dem
Munde wies, daß ich durstig sei, da holte er aus seinem Ledersacke am
Rücken eine Handvoll Beeren und preßte sie mir in die Hand. Als ich sie
geschluckt und mich an ihrem süßlichen Saft gelabt, fühlte ich mich wie
verjüngt. Nun trachtete ich ihm mit dem Namen Koloj begreiflich zu
machen, daß ich zum Wagen gehen wolle, Koloj ist kein Setschuana-Wort,
doch bei den Betschuana's, ihren Vasallen und den Makalaka's etc.
eingebürgert. Mein Retter grinste mich an und wies nach Südost;
»Pata-Pata« meinte er. Dies ist unter diesen Stämmen der aus dem
Holländischen entnommene und verunstaltete Ausdruck für einen Weg, den
ein Wagen befahren kann, und ich konnte nur nicken, um ihm meine
Befriedigung auszudrücken. Mich erhebend, versuchte ich zu gehen und der
Mann, obwohl kleiner als ich, stützte mich; er nahm mein Gewehr und
schulterte es mit seinen drei Assagaien auf die linke Schulter, während
er mir die rechte als Stütze bot. Allmälig kehrten meine Kräfte zurück
und wenn auch nur äußerst langsam und nach längeren Ruhepausen--aber es
ging vorwärts.

Als die Sonne unter den Horizont gesunken war, befanden wir uns am
Fahrwege. Im Osten zeigte der Himmel eine dunkle Färbung, dort blitzte
es und dumpf grollte der Donner zu uns herüber. Die Atmosphäre war
kühler geworden und obgleich noch immer warm, schauerte ich doch unter
dem Hauche des leisen Windes, der aus Nordosten durch die Bäume strich.
Ich war in Schweiß gebadet und mein Hemd (ich hatte die Jacke im Wagen
zurückgelassen) klebte am Körper. Nach einer halben Stunde Ganges wollte
ich mich niedersetzen, doch mein Begleiter ließ es nicht zu. Kurz darauf
ging er links vom Wege in die Büsche, ich wollte ihm nicht folgen, es
war ja eine verkehrte Richtung, die er einschlug. Da wies er auf den
Mund und ahmte einen schlürfenden Laut nach. »Meci? (Wasser)« frug ich.
»E-he, E-he! (ja, ja)« antwortete er mit einem Kopfnicken und Grinsen
und ich gehorchte.

Nahe am Wege in einer kleinen Sandvertiefung lag eine kleine von
Eingebornen ausgegrabene, mit schlechtem Pfützenwasser gefüllte, doch
mir sehr willkommene Grube. Gnu's hatten die Stelle kaum eine Stunde
zuvor besucht und sich mit demselben Naß ihren Durst gestillt. Kaum
hatte ich mich von dem Pfuhle erhoben, bedeutete mir der Masarwa ihm zu
folgen, indem er nach dem Gewitter im Osten wies; die Dunkelheit war
schon eingebrochen als wir vom Wege abbogen, und beinahe zur selben Zeit
brach auch der Sturm los. Bald fiel der Regen in Strömen, die großen
Tropfen schienen mir wie Schloßen und erzeugten, auf meinen schwitzenden
Leib fallend, ein höchst unangenehmes Gefühl von Abmattung und
Kraftlosigkeit.

Mein Führer hatte sein kleines Ledermäntelchen um mein Gewehr geschlagen
und auf meinen Retter gestützt, ging es, stellenweise bis an die Knie
durch das Wasser watend vorwärts. Endlich hörte ich die Hunde anschlagen
und kaum hatte man mich erblickt, kamen E. und B. auf mich zu gelaufen
und schalten mich wegen der Besorgniß, die ich ihnen mit meinem
Ausbleiben bereitet hatte. Sie ahnten wohl nicht, wie es mir ergangen.

Nun, da ich wieder im Innern meines Wagens geborgen war, erwachten
wieder alle Lebensgeister. Ich bat sie, den Masarwa zu bewirthen und ihn
bei Pit am Feuer schlafen zu lassen. Ein kräftiger Imbiß und ein
mehrstündiger tiefer Schlaf hatten mich so weit hergestellt, daß ich
mich schon am nächsten Morgen ohne Stütze bewegen konnte.

Da nach Aussage des uns begleitenden Bakwena's der direkte Fahrweg in
Folge des heftigen Regenfalles schwer passirbar geworden, schlugen wir
am folgenden Morgen (am 3. Jänner 1874) einen etwas weiteren Seitenweg
durch die Büsche ein. Schon nach einigen hundert Schritten stießen wir
auf eine verendete Deukergazelle, welche in der verflossenen Nacht von
einer Hyäne getödtet worden war. So unglaublich es mir auch schien, die
von den Masarwa's verfolgten Spuren ließen keinen Zweifel darüber
aufkommen, daß die schlanke Gazelle dem plumpen unbeholfenen Raubthiere
zum Opfer gefallen war.

Nicht weit vom Wege trafen wir die Reste--einer amerikanischen Pumpe.
Ein größeres Räthsel konnte uns nicht aufstoßen--unsere Führer konnten
uns darüber keinen Anschluß geben, d.h. sie wollten oder durften es
nicht. Nicht eher als in Schoschong wurde mir das Räthsel gelöst.
Seschele hatte, als die Händler noch die directe, sehr wasserarme Route
nach Schoschong frequentirten (gegenwärtig wird zumeist der wasserreiche
Weg über die Dwarsberge und längs des Marico und Limpopo eingeschlagen),
aus diesem Umstande Profit ziehen wollen, und sich deshalb durch einen
der in seiner Stadt wohnenden Händler eine amerikanische Pumpe von Port
Elizabeth bringen und an jener Stelle einsetzen lassen. Hier hatten
Makalahari für die nach dem Innern reisenden Jäger, Händler etc. Wasser
auszupumpen und jene dafür an den König eine Abgabe zu bezahlen. Da
jedoch eine amerikanische Kettenpumpe den Makalahari's etwas
Ungewöhnliches war und von ihnen trotz aller Instructionen unrichtig
behandelt wurde, so währte es nicht lange und sie versagte den Dienst.

[Illustration: Trinkende Masarwa's.]

Freund Eberwald, der dem Wagen vorausging, um demselben den Weg durch
die Gebüsche anzuweisen, kam plötzlich athemlos zum Wagen
zurückgelaufen. »Kommt rasch, nehmt Eure Gewehre, verseht sie mit
frischen Zündhütchen, allein rasch, sonst verlieren wir ein schönes
Stück Wild, das heißt Sie, Doctor, einen sehr schönen Balg. Wir folgten
ihm alle, auch die Masarwa's. Hundert Schritte vom Wagen entfernt, war
Eberwald plötzlich im hohen Grase auf einen Leoparden gestoßen. Das
Thier sprang auf, fauchte und fletschte ihn an, machte einen Sprung und
duckte sich weiter abwärts einige 30 Schritte vor ihm im hohen Grase
nieder. Da Eberwald nur mit Schrot geladen hatte, wollte er sich nicht
zu einem Schusse auf das Thier erkühnen und holte Succurs. An Ort und
Stelle angekommen, konnten wir jedoch nichts wahrnehmen, einer der
Masarwa warf seinen Speer nach der deutlich bezeichneten Stelle, doch
nichts regte sich. Ich ließ die Hunde holen, doch da ich den Haß kenne,
mit dem sich diese beiden Thiere stets verfolgen und Niger, der immer
dem starken Onkel voraus war, dabei leicht zu Schaden kommen konnte,
hielt ich und Pit die Hunde an der Leine, während B. mit einem Masarwa
als Wächter am Wagen zurückblieb. Bellend nahmen die Hunde die Spur auf,
welche geraden Weges auf das hohe dichte Gehölz zuführte, welches ich
bereits Abends zuvor bemerkt hatte. Doch der Leopard war verschwunden,
in dem dichten Buschwerk war er übrigens vor Entdeckung sicher.

[Illustration: Begegnung mit einem Leoparden.]

Im weiteren Verlaufe unseres heutigen Marsches, der des aufgeweichten
Bodens halber sehr beschwerlich war, begegneten uns Masarwa's, welche
mit Honig beladen heimkehrten. In Wäldern folgen sie dem Honigvogel, auf
der Grasebene und da, wo nur niederes Gebüsch zu treffen ist, dem Fluge
der von den Wasserstellen heimkehrenden Bienen. Die Thiere folgen eines
dem andern der Richtung nach ihrem Bau und leiten auf diese Weise die
Honigsucher zu ihrem Neste. Ist der Eingang zum Bau (meist eine Höhlung
im Baume) entdeckt, trachtet man die Bienen auszurauchen und sich dann
des Honigs zu bemächtigen. Für ein etwa 1½ Zoll langes, fingerdickes
Tabakstückchen erstand ich mehr denn einen halben Liter Honig.

Der Weg wurde auch am folgenden Tage nicht besser, an den sumpfigen
Stellen trafen wir zahlreiche Schildkröten-Leichen. Zu den dem Auge
wohlgefälligsten Schlingpflanzen Süd-Afrika's gehören unstreitig einige
der gurkenartigen Gewächse. Auch auf der heutigen Fahrt beobachtete ich
welche, die sich an Büschen emporschlangen, von denen sie durch ihre
gelappten, schönen bläulichgrünen Blätter, namentlich aber durch ihre
mehr denn daumenstarken und lang herabhängenden, unreif
hellbläulichgrünen, weiß gescheckten, reif scharlachrothen Früchte
deutlich abstechen. Eine solche Staude trägt oft drei bis sieben, ja bis
zehn Früchte, von denen selten drei in gleichem Entwicklungsstadium
stehen. Zumeist fand ich das herabhängende Ende der Frucht
scharlachroth, den dem Stengel zugekehrten Theil jedoch noch grün und
den dazwischen liegenden im allmäligen, oder auch plötzlichen Uebergang
von bläulichgrün oder hellgrün zu gelb, orange und röthlichgelb. Während
der Nacht begegnete uns ein Händler, der mit Elfenbein, Straußenfedern,
Carossen und ungegerbten Thierhäuten über Molopolole und weiter südwärts
nach der Cap-Colonie fuhr.

Auch am 5. Jänner blieb der Weg tiefsandig, der Wald wurde immer lichter
und endlich gelangten wir auf eine große, blos stellenweise mit Büschen
bewachsene Grasebene. Ich erbeutete auf derselben eine 4½ Fuß lange
giftige, von mir bisher noch nicht beobachtete Schlange. Was mir
besonders während der heutigen Fahrt auffiel, waren die zahlreichen,
nicht blos in den nächstanliegenden südlichen Strichen, sondern auf
weite Flächen hin einzeln auftretenden hohen, bald pyramiden-, bald
kegel- und kegelstutzförmigen, sowie auch säulenförmigen, bis zu vier
Meter hohen, graulichweißen Termitenhügel, welche sich in dem hohen
Grase freistehend oder sich oft an ein kleines, dichtes Gebüsch
anlehnend, gleich Monumenten emporhoben.

Nachdem wir etwa weitere 11¼ Meilen zurückgelegt hatten, sahen wir
einen nur mit zwei Assagaien und einer Holzaxt bewehrten, mit einem
Lederschürzchen bekleideten Makalahari auf uns zukommen. Nach Wasser
befragt, erbot er sich unsere Thiere zu einem etwa drei Meilen
entfernten Tümpel zu führen. Unterdessen ließ ich unser Nachtlager
aufschlagen.

Hundegebell schreckte mich aus dem Schlafe auf; aus dem Wagen
hervortretend, fand ich mich zwei Eingebornen gegenüber, die mich mit
einem Redeschwall in der Setschuana begrüßten, von dem ich nicht ein
einziges Wort verstehen konnte. Ich weckte Pit und erfuhr von ihm, daß
ich zwei Bamangwato's, beide Unterthanen Sekhomo's, vor mir habe, wovon
einer des Königs Abgesandter, eine Art Polizist, und der zweite ein
»betrübter Vater« sei, der seinen entlaufenen Sohn, den er »Kind«
titulirte, suche. Der Ungehorsame, der sich schon die »männlichen«
Sandalen zu tragen berechtigt glaubte, hatte Schoschong und den Seinen
heimlich Valet gesagt und sich dann am vorigen Tage einem
vorüberziehenden Händler als Diener verdungen. Der besagte Vater frug
nun, ob und wo wir sein »Kind« und den Weißen gesehen, dem es
nachgelaufen, er müsse es zurückbringen, zu welchem Zwecke er den mit
einer Donnerbüchse bewaffneten Vertreter der Behörde mitgenommen.
Nachdem sie den gewünschten Bescheid erhalten, verließen uns die
Verfolger raschen Schrittes. Einige Tage später, als ich bereits in
Schoschong weilte, kam ein ältlicher Mann mit einem etwa
vierzehnjährigen Jungen zu mir, mich freundlich und im vertraulichen
Tone begrüßend. Pit kam meinem Gedächtnisse zu Hilfe. »Erkennst Du ihn
nicht, Herr?« warf mein Griqua ein. »Es ist der Alte, der jene Nacht an
uns vorbeirannte, um sein entflohenes Kind zu suchen. Das ist das Kind,
er kommt es Dir zu zeigen.«

[Illustration: Bamangwatoknabe.]

Der 6. Jänner war wieder ein durch mancherlei Unfälle ausgefüllter Tag.
Kaum hatte ich mich von einem Stoße erholt, den mir eines unserer
unbändigen Zugthiere versetzte, als mich Monkey in den Daumen biß, da
ich eben daran war, die durch Sturm und Regen beschädigte Deckleinwand
des Wagens in Stand zu setzen. Spät Nachmittags begegneten wir auf die
Jagd ziehenden Bamangwato's, welche uns auf die Nähe der Stadt
Schoschong aufmerksam machten.

Nach einer 1½stündigen Fahrt langten wir in dem großen, flachen Thale
eines Flusses, in den sich zur Regenzeit der Schoschon als linkes
Nebenflüßchen ergießt und bei den Feldern der Bamangwato's an. Dieses
Thal scheidet die Bamangwatohöhen in eine nördliche und eine südliche
Partie, von welchen die südliche durch einige Höhenketten charakterisirt
wird, welche ihrerseits wieder durch Querthäler untereinander getrennt
werden. Die nördliche Partie bildet ein sehr interessantes, von
zahlreichen Parallel- und Querthälern durchzogenes Höhennetz, von denen
das des Schoschon- und Unicorn-Flusses zu den bedeutendsten gehören;
Hochplateaus auf den abgeflachten Höhen, kegelförmige kleine Kuppen,
die hie und da aus diesem emporsteigen und aus großen Blöcken
gebildet werden, Felsenthore etc. charakterisiren das nördliche
Bamangwato-Höhennetz. Mit dem schon erwähnten Höhenrücken am Limpopo und
durch diesen mit dem Central-Gebirgsknoten im Marico-District sind die
Bamangwatohöhen durch einige kegelförmige Berge verbunden; die nördliche
Partie der Bamangwatohöhen hängt durch die Tschopokette mit dem
nördlichen Central-Gebirgsknoten des Matabele-Reiches zusammen. Dieses
für die Geschichte der Bamangwato's bedeutende Thal--die wichtigsten
geschichtlichen Episoden dieses Stammes spielten sich darinnen
ab--erlaubte ich mir »Franz Josef-Thal«, sowie den höchsten Punkt des
Höhennetzes »Franz Josef-Kuppe« zu benennen.

Ich zog am 8. Jänner zum ersten Male in Schoschong ein. Da meine
Provisionen sehr abgenommen hatten und ich nicht im Stande war, neue mit
barem Gelde zu erstehen, da ich ferner keinen Diener miethen konnte und
bestrebt sein mußte, mich in drei Monaten auch wieder in den
Diamantenfeldern einzufinden, um bei meinen früheren Kranken nicht
vollkommen in Vergessenheit zu gerathen und die Mittel für die dritte,
_die eigentliche Reise_ zu gewinnen, so wurde Schoschong der _fernste
nördliche Punkt_ meiner zweiten Versuchsreise und ich wandte mich von
hier nach einem längeren Aufenthalte, den ich im Folgenden näher
beschreiben will, wieder nach dem Süden.




XII.

Von Schoschong zurück nach den Central-Diggings

Lage und Bedeutung Schoschongs.--Unser Empfang daselbst.--Rev. Mackenzie
und die Mission der London Missionary Society.--Geschichte der
Bamangwato's und ihres Reiches.--Sekhomo und Khama.--Sekhomo's
Rath.--Sitten und Gebräuche der Betschuana (Schluß).--Die Circumcision
und Boguera.--Die Kotla in Schoschong.--Die Breiprobe.--Aufbruch von
Schoschong.--Das Fasanhuhn.--Khama's Salzsee.--Elephantenspuren.--Die
Buffadder.--Die Dornfelder im Limpopothale.--Ein Löwe und die
Hundemeute.--Ein seltener Anblick.--Zu Tode erkrankt.--Tschune-Tschune.
--Die Dwarsberge und der Schweinfurth-Paß.--Brackfontein.--Eine
Sonderbare Elephantenjagd.--Linokana.--Rev. Jensen und die
Hermannsburger Mission.--Die Baharutse und Ihr Ackerbau.--Zeerust und
der Marico-District.--Das Hooge Velt.--Potschefstroom.--Die
Elephantenjäger David Jackob und Biljeon.--Die Quarzitwälle am
Klip-Port.--Trennung von meinen Gefährten.--Ankunft in Dutoitspan.


Die wichtigste Stadt der unabhängigen Eingebornenreiche im Innern
Süd-Afrika's ist unstreitig der Hauptort der östlichen Bamangwato:
Schoschong. Im Hauptthale der interessanten, nach dem sie bewohnenden
Stamme benannten Höhen zieht sich das nur nach den sommerlichen
Regengüssen gefüllte Bett eines unbedeutenden Flüßchens, das von Norden
her aus einer an der Mündung ziemlich breiten Felsenschlucht ein auch
nur periodisch fließendes, zur Regenzeit jedoch hochangeschwollenes
Bächlein »Schoschon« aufnimmt und an dem die Stadt gelegen ist; daher
auch der Name »Schoschong«, der Ablativ von Schoschon (am Flusse
liegend).

Schoschong war vor etwa zehn Jahren, bevor noch die Kämpfe zwischen den
einzelnen Gliedern der königlichen Familie ausgebrochen waren, die
bevölkertste Stadt in den unabhängigen Betschuanaländern. In diesen, den
Ländern der Batlapinen, Barolongen, Banaquaketsen, Bakwena, der
östlichen und westlichen Bamangwato, in denen die Hauptmacht des
regierenden Stammes gewöhnlich in der jeweiligen Hauptstadt concentrirt
ist, nahm Schoschong als eine der älteren Städte mit seiner
Bevölkerungszahl von 30.000 Seelen den ersten Rang ein, gegenwärtig
zählt die Stadt kaum mehr als ein Fünftel der einstigen Bevölkerung.
Diese Abnahme ist namentlich Sekhomo's Werk, der zur Zeit meines ersten
Besuches die östlichen Bamangwato beherrschte, er ist es, der nicht
allein den Bürgerkrieg entfachte, durch welchen viele Bewohner das Leben
verloren, sondern auch eine Spaltung des Stammes und die Auswanderung
der Makalaka hervorrief. Unter dem gegenwärtigen Regime des besten der
Betschuana-Herrscher erholt sich die Stadt augenscheinlich und wenn das
Land nicht in den nächsten Jahren durch einen feindlichen Einfall der
Zulu-Matabele leidet, wird es wie früher seinen Vorrang unter den
Eingebornenreichen im Innern Süd-Afrika's erringen. Für den Weißen, sei
er Forscher, Händler oder Jäger, war es von jeher ein Ort von höchster
Wichtigkeit und wird es auch bleiben, und zwar aus folgenden Gründen:

In die vier südlichen Betschuana-Königreiche führen drei Wege: vom
West-Griaqualande, vom Oranje-Freistaate und dem Transvaalstaate; diese
vereinigen sich nach Norden zu in der Stadt Schoschong und von hier
verzweigt sich wieder die Route nach Norden zum Zambesi, nach Nordosten
zu dem Matabele- und Maschona-Lande, und nach dem Gebiete der westlichen
(Ngami-See) Bamangwato und endlich zum Damaralande nach Nordwesten, so
daß ein Besuch dieser Länder oder des nördlichen Theiles Süd-Afrika's,
sowie das Vordringen nach Central-Afrika vom Süden her, von der Aufnahme
der Weißen von Seite des Königs Khama, des Sohnes Sekhomo's, abhängt.

Das erwähnte Hauptthal in dem Hochlande der Bamangwato ist 4-6 englische
Meilen breit, mit Gras und Büschen bewachsen, ein Theil ist cultivirt
und an der Vereinigung mit der Schoschong-Schlucht erblickt das Auge des
Reisenden einige hundert dunkelgraue, kegelförmige Strohdächer, welche
die niedrigen cylindrischen, etwa 2 Meter hohen und 3-3½ Meter im
Durchmesser enthaltenden Hütten bedecken. Hie und da ist eines von den
rauhen, dunkelgrünen Blättern der Kalebaß-Kürbisse überrankt.

Bevor wir jedoch aus Süden kommend die Stadt betreten, finden wir etwa
600 Schritte vor derselben das aus drei Gehöften und fünf einzeln
stehenden, theils im Style der Bamangwatohütten, doch größtentheils im
europäischen Style aus gebrannten Ziegelsteinen erbauten und mit
Giebeldächern versehenen Häusern bestehende, »weiße oder
Händler-Viertel«, in dem englische Händler einen Theil des Jahres
wohnen, um mit den Eingebornen zu verkehren, und auch, wie es früher der
Fall war, um den in das Innere ziehenden Jägern die nöthigen Bedürfnisse
vorzustrecken, welche Darlehen von den Jägern nach ihrer Rückkehr mit
Elfenbein und Straußenfedern zurückerstattet wurden. Das wichtigste
Handels-Etablissement war das der Herren Francis und Clark, welche
jedoch wie alle Binnenhändler in den letzten Jahren große Verluste
erlitten. Bisher verwehrte es der König den Weißen, sich an Ort und
Stelle ein Grundstück käuflich zu erwerben, er überließ ihnen jedoch
während der Zeit ihres Aufenthaltes dasselbe unentgeltlich. Nachdem wir
die zerstreuten Gehöfte der Weißen passirt, um zu dem Labyrinthe der
Betschuanahütten zu gelangen, betraten wir die Stadt, in der mir
zahllose verlassene Gehöfte auffielen. An einigen wurden Verbesserungen
vorgenommen. Hier sahen wir Frauen mit Hilfe der bloßen Hand die in den
Boden etwa einen Fuß tief eingerammten, armdicken, knorrigen und mit
Grasstricken aneinander befestigten, eine cylindrische, fünf bis sechs
Fuß hohe Wand bildenden Pfähle überschmieren. Das Material hiezu
bereiten einige Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren, welche bis
auf eine etwa handbreite, aus Glasperlen oder Sternchenschnüren
gearbeitete Schürze jeder Bekleidung entbehrend, in einer mäßigen
Vertiefung den rothen Lehmboden unter einem monotonen Gesange stampfen,
was ihnen ebenso Freude bereitet, wie es den Müttern das notwendige
Baumaterial verschafft. Eine alte Frau, die mit ihren dünnen Gliedern
und der vertrockneten, pergamentartigen Haut mehr einer wandelnden Mumie
ähnelt und in ihrem Aussehen der Sorgfalt ihrer Kinder kein gutes
Zeugniß gibt, sitzt nahe an der Grube und schüttet langsam aus den an
sie herangestellten Töpfen dem Anwurfsmateriale Wasser zu. Dort klettern
wieder einige Frauen auf den eben mit frischgetrockneten und in
Bündelchen angelegten, grasbedeckten Dächern herum, um sie theilweise zu
glätten, die widerspenstig hervorragenden Halme herauszuziehen, andere
das Dach mit dünnen Grasschnüren der Länge und Breite nach zu
überziehen. An den Pfaden, in den Höfchen, doch meistens am Zaune, haben
sich neugierige Frauen postirt, die ihre Säuglinge auf dem Arm und
überdies noch einen Haufen kleiner, nackter Kinder um sich geschaart,
lachend den fremden Makoa (Weißen) anstaunen und ihre Meinungen über
denselben austauschen. Der Hals ist mit zahllosen, dunkelblauen großen
Glasperlen, die in Schnüren aneinander gereiht sind, bedeckt, die Brust
entblößt--blos hie und da bedeckt ein Cattunröckchen und ein Wolltuch
(meist roth und schwarz carrirt) den Körper, der Unterkörper ist meist
mit einer bis an die Knie oder bis zu den Knöcheln reichenden Carosse
verhüllt. Nach einer Stunde haben wir uns aus dem Labyrinthe
herausgearbeitet und treten in die eigentliche Schlucht ein, die etwa
400 Schritte breit, sich nach 1000 Schritten allmälig zu einem
Felsenthore einengt. Wenn wir gegen dasselbe hinblicken, so scheint es,
als wenn hier die Schlucht ihren Abschluß finden möchte; dem ist aber
nicht so, es ist nur die westliche steile Wand der Felsenenge, welche in
ihrer Wendung nach Osten sich bis an die von zerrissenen Felsblöcken
(der sogenannten Affenburg) gekrönte Ostwand vorschiebt; wie die
Geschichte der Stadt es beweist, ist diese Felsenge für den Besitz
derselben von der größten Wichtigkeit.

[Illustration: Frauenschürzen der Bamangwato's.]

[Illustration: Bamangwatohütten in Schoschong.]

Auf unserem Wege durch die Schlucht, nach den vor diesem Felsenthore je
an einem Abhange erbauten steinernen Missionsgebäuden, sehen wir den zur
Rechten durch drei Häusergruppen gebildeten mittleren Stadttheil,
während der hintere eine halbe Stunde jenseits der Felsenenge in einem
Felsenbecken erbaut ist.

[Illustration: Kotla in Schoschong.]

An der steilen Berglehne zur Linken (unbedeutend hoch über dem
Flußbette) sieht man Ruinen eines europäischen Häuschens, es sind die
Ueberreste der Hermannsburger Missionskirche, die nach dem Scheiden der
Hermannsburger Mission von Schoschong, wo sie der Londoner
Missions-Gesellschaft Raum machte, verfiel, bis sie in einem der Kämpfe
als ein Bollwerk benützt, und bis auf die lehmigen Mauern zerstört
wurde.

Das Missionsgebäude an der rechten Felsenwand ist wohnlicher und stellt
ein großes Gehöfte dar, in dem sich auch die Schule und die Wohnungen
für die verheirateten, schwarzen Seminaristen und die Kirche befinden.
Zur Zeit meines ersten Besuches in Schoschong wohnte hier als Prediger
einer der edelsten Männer, die ich in Afrika kennen gelernt, Rev.
Mackenzie, der seit 1876 mit dem Seminar nach Kuruman übersiedelte.
Seine Stelle wurde nicht ersetzt, in dem anderen Hause wohnt bis heute
noch Rev. Hephrun.

[Illustration: Bamangwatohaus.]

Von dem Herrn des Hauses freundlichst aufgenommen, wurden wir von seiner
Frau Gemahlin mit einer Tasse Thee und einer Brotschnitte bewirthet und
brachen sodann in seiner Begleitung wieder nach der Stadt auf, um den
König, der schon in der Kotla Platz genommen, zu begrüßen. Aus dem engen
Felsenthore, unter der vorerwähnten Affenburg strömt ein förmlicher Zug
von Frauen, manche wieder lenken in die Schlucht ein--andere kommen von
den im mittleren Drittel der Schlucht entspringenden Quellen, um Wasser
zu holen oder eilen zu ihnen hin. Sie haben die rauhgar gegerbten Felle,
Carossen (mit den Haaren nach innen) toga-artig um den Leib geschlungen;
die Rechte hängt heraus oder hält das am Kopfe getragene Thongefäß. Sie
verstehen sich darauf, diese irdenen, wenn auch noch so schweren Töpfe
über den sehr steinigen Weg hin, sehr gut zu balanciren. Die Carossen
sind reichlich mit einfachen aus Glasperlen und Riemchen verfertigten
Zierraten geschmückt, die Waden mit Wadenringen (Glasperlen und
Messingdraht) bedeckt, die Unterschenkelbildung vollkommen verunstaltend
und verhüllend.

Auf unserem Wege nach des Königs Hütten, welche um die Kotla, d.h. den
Berathungsplatz der conservativen Betschuana's, erbaut sind, haben wir
Gelegenheit zu beobachten, wie freundlich unser Begleiter von Alt und
Jung von den Vorübergehenden mit »Rumela« oder einem Hutlüften gegrüßt
wird. Die Kotla ist ein kreisförmiger, von 10 bis 30 Centimeter im
Durchmesser starken Baumstämmen umfriedeter, ebener Raum, welcher nach
Süden einen Ausgang in eine kleinere Umfriedung und nach Norden einen
Eingang hat. Die zweite Einfriedung ist des Königs Rindviehkraal, d.h.
eine Umzäunung, in welcher die Milchkühe oder Schlachtthiere zur
Nachtzeit untergebracht werden, während die Pferde in der Kotla
übernachten können. Der Eingang zu diesen beiden Räumen wird in der
Nacht mit Holzpfählen geschlossen. Zur Kriegszeit wird Nachts in der
Kotla ein hellloderndes Feuer unterhalten.

Schoschong, früher der Sitz eines Hermannsburger Missionärs, ist
gegenwärtig eine Station der London Missionary Society. Zur Zeit meines
ersten Besuches (1874) standen derselben Rev. J. Mackenzie (der Autor
des Werkes »Ten Years north of the Orange-River«) und Hephrun vor. Ihre
Amtsbrüder in Molopolole hatten mir die Post für Schoschong mit auf den
Weg gegeben, und mich damit an Rev. Mackenzie gewiesen. Seine
freundliche Aufnahme, sein höchst freundliches und anspruchsloses
Betragen während meines ersten Aufenthaltes in Schoschong, seine
freundschaftliche Zuvorkommenheit während meines zweiten Besuches und
seine wahrhaft brüderliche Sorgfalt, die er mir angedeihen ließ, als ich
mittellos und krank von der dritten Reise zurückkehrte, haben mich oft
alle Müh- und Drangsale meiner Laufbahn vergessen lassen, mich mit
innerstem Danke gegen diesen wahren Apostel des Friedens erfüllt und
mich seinen anhänglichsten und wärmsten Freund werden lassen. Ich
erfülle eine der angenehmsten Pflichten, indem ich auch an dieser Stelle
meinem Dankgefühle Ausdruck gebe.

Rev. John Mackenzie, ein Ehrenmann im vollsten Sinne des Wortes,
bekleidete als Missionär in Schoschong angesichts der steten Kämpfe in
der königlichen Familie der östlichen Bamangwato eine der schwierigsten
Stellen in Süd-Afrika, doch wie geschaffen für den Posten wirkte er mit
der größten Umsicht als Vermittler zwischen den einzelnen Parteien; mit
seltener Klugheit und tiefem Mitgefühl für das Edle und Gute begabt,
wußte er jeden Conflict zwischen den einzelnen Stämmen in Güte zu
schlichten und den Sinn für Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu wecken.
Wenn heute Khama, der Sohn Sekhomo's, als der beste Herrscher unter den
Eingebogen Süd-Afrika's anerkannt wird, so ist dies das Werk Rev.
Mackenzie's. Ich verdanke ihm vielfache Aufklärungen und Mittheilungen
über die Geschichte und die Gebräuche der Betschuana's, deren Treue ich
in mehrfacher Hinsicht durch eigene, spätere Forschungen bestätigt fand.

Ich lagerte mit meinem Wagen am Südostende der Stadt und war bald von
einem Haufen Neugieriger umringt. Da es Herr Mackenzie für angezeigt
hielt, baldigst Sekhomo's, des Königs, Bekanntschaft zu machen, so begab
er sich mit mir zu ihm und bald saßen wir dem alten Manne auf kleinen
Stühlen in der Kotla gegenüber. Von seiner bettelhaften Zudringlichkeit
abgesehen, konnte ich mich während meines kurzen Aufenthaltes in
Schoschong über Sekhomo's Betragen nicht beklagen. Mehr als von
Mittelgröße, etwas beleibt, unterschied er sich durch nichts von den
Umsitzenden, sein Auftreten ließ den Beherrscher eines so großen
Gebietes kaum vermuthen. Ein kleiner Lederlappen war um seine Lenden
geschlungen, ein Ledermäntelchen hing um die Schultern. Dieses ist in
der Regel bei den östlichen Bamangwato's aus Hartebeest-Fell gearbeitet,
bis auf fünf Stellen (siehe die Illustration) glattgar gegerbt, mit
einem aus dem Felle der Säbelantilope geschnittenen schwarzen Ringe
(oder zuweilen ohne denselben) nahe an der unteren Ecke verziert und
oben am Halsrande mit aus Glasperlen etc. gearbeiteten Verzierungen
behangen. Nach einigen gewechselten und durch Herrn Mackenzie
verdolmetschten Phrasen schied ich aus der Kotla, um meinen Besuch
nächsten Tages zu wiederholen.

Ich will nun, bevor ich zu meinem persönlichen Verkehr mit Sekhomo und
seinen Bamangwato's übergehe, einige wichtige Episoden aus der
Geschichte des Bamangwato-Reiches anführen.

Nach den von meinem Freunde Mackenzie gesammelten Traditionen stammen
die Bamangwato von den Banquaketse ab. Wie schon erwähnt, theilten sich
die Baharutse in mehrere Unterabtheilungen und wanderten von den
gemeinsamen Stammsitzen aus; eine dieser Unterabtheilungen theilte sich
später wieder in zwei Stämme, die Banquaketse und die Bakwena, von
welchem ersteren endlich die Bamangwato's sich als der schwächere Theil
loslösten und die Gebiete nördlich der Bakwena's bis an den Zambesi und
Tschobe besetzten. Zur Zeit Matipis, des Urgroßvaters Sekhomo's, fand
eine neuerliche Theilung der Bamangwato's statt, welcher die beiden
Bamangwato-Reiche (das westliche am Ngami-See und das östliche zu
Schoschong) ihre Existenz verdanken.

Der Stifter des ersteren war Towane, der jüngere der beiden Söhne
Matipi's, Khama blieb in den Bamangwato-Höhen. Towane behandelte den mit
ihm ziehenden greisen Vater so schlecht, daß dieser wieder zu Khama
seine Zuflucht nahm. Khama ließ ihn zwar im Lande, verbot ihm aber die
Stadt zu betreten; über diesen schnöden Undank seiner beiden Söhne brach
dem alten Manne das Herz und er nahm sich das Leben. Seine Grabstelle
wird noch bis jetzt von den Bamangwato's in hohen Ehren gehalten.

Der Gerechtere unter den sieben Bamangwato-Herrschern, deren Namen uns
die Tradition nennt, war Khari, von ihm heißt es, daß er muthig und
kriegerisch war, klug, wenn er in der Kotla sprach, und milde mit den
Makalahari, den Madenassana und Masarwa's, den Unterjochten im Reiche.
Er war auch von den Nachbarvölkern so geachtet, daß viele, wie die
Makalaka's und einige weiter östlich wohnende Maschona's an ihn
freiwillig Tribut zahlten. Leider wird auch hier an den
Betschuana-Fürsten der Historiker eine ihm so wohlbekannte Erscheinung
zu beobachten haben. Der Mächtige, im eigenen Lande Hochgeehrte, bei den
Nachbarn Geachtete und von seinen Feinden Gefürchtete wollte noch höher
steigen. Dieser Versuch führte aber seinen Fall herbei. Einen der
südlicheren kleineren Maschona-Häuptlinge angreifend, fiel er mit dem
Kerne seiner Truppen in einen Hinterhalt, in dem er mit seinem
Unterhäuptling den Tod fand, während die Bamangwato-Armee beinahe
vollkommen aufgerieben wurde und in Folge dieser Niederlage im Lande
allgemeine Anarchie einriß. Die Maschona's, welche die Kampfweise der
Bamangwato kennen gelernt hatten, theilten ihre Armee in zwei Theile.
Die jüngeren Regimenter (die jungen Soldaten) mußten den anrückenden
Feinden entgegengehen und ihn angreifen, dann zurückweichen, die Flucht
fingiren, während inzwischen die alten Regimenter die feindliche Armee
nach Zulu-Art zu umzingeln hatten. Der Plan gelang vollständig. Die
angreifenden Maschona's nahmen Reißaus, kehrten sich jedoch gegen ihre
Verfolger und stachen sie nieder, während die Hauptmacht der Ersteren
Khari und sein Gefolge, die sorglos der scheinbar siegenden Vorhut
folgten, angriff und niedermetzelte. Die in der Hauptstadt des Landes
und hie und da im Lande zurückgebliebenen Häuptlinge hoben nun die Söhne
des Khari auf den Schild; bevor es indeß noch zum Bürgerkriege kam,
wurde das Land von dem aus den Oranje-River-Gegenden ausgewanderten und
von Sebituane angeführten Basutostamme der »Makololo« besetzt, während
die Hinterbliebenen des Königs als Gefangene nach Norden mitgeschleppt
wurden, wohin die Makololo's zogen, um sich am Tschobe eine neue Heimat
zu gründen. Im südlichen Theile des Mababifeldes gelang es den
Gefangenen zu entfliehen und Sekhomo, der älteste Sohn Khari's, obwohl
nach dem Gesetze von der Thronfolge ausgeschlossen, da er nicht ein Kind
des ersten Weibes seines Vaters war, durcheilte das Land, um die
Zerstreuten zu sammeln und sich Vasallen zu sichern. In einem der
folgenden Kämpfe mit den Makololo's gelang es ihm nicht nur den Angriff
derselben erfolgreich abzuwehren, sondern auch ein Reservecorps der
Makololo's in einem Engpasse der Bamangwato-Höhen (Unicornpaß)
vollkommen aufzureiben. Dieser Sieg gewann ihm die Unterstützung der
meisten Häuptlinge des Landes. Der eigentliche Thronerbe und Stiefbruder
ward auf sein Anstiften von den Letzteren getödtet. Sein Bruder
Matscheng wurde von der Königin (seiner Mutter) durch Flucht vor einem
ähnlichen Schicksale bewahrt.

[Illustration: Sekhomo und sein Rath.]

Der Sieg der Bamangwato's über die Makololo's blieb nicht lange
vereinzelt, bald waren sie so erstarkt, daß sie auch den Matabele-Zulu's
erfolgreich Widerstand leisten konnten, welche seit 30 Jahren jährlich
nach den Betschuanaländern kamen, um zu morden, zu plündern und zu
rauben. Ja es gelang ihnen sogar, den Matabele das geraubte Vieh
abzujagen und viele derselben niederzumachen. Dieser Waffenerfolg der
Bamangwato schüchterte den Matabele-König Moselikatse etwas ein und
hatte zur Folge, daß die östlichen Bamangwato längere Zeit von den
Belästigungen der Matabele verschont blieben. Ein späterer Versuch
Moselikatse's einen Raubzug nach dem Lande der Bamangwato zu
unternehmen, hatte ein klägliches Ende. Moselikatse sandte 40
Zulukrieger zu Sekhomo ab, um von ihm Tribut zu fordern. Sekhomo ließ
die Seinen sich heimlich rüsten und die Abgesandten niedermetzeln. Seit
diesem Vorfalle wagte es Moselikatse 20 Jahre hindurch nicht, die
Bamangwato's zu beunruhigen, so daß diese sogar ihre Viehheerden bis
gegen den Matliutse vorschoben. Im März 1862 jedoch erneuerte er, durch
einen zu ihm geflüchteten Bamangwato-Unterhäuptling, Kirekilwe, dazu
bewogen, den Angriff. Die am Matliutse und Serule Vieh hütenden
Makalahari wurden getödtet, ein Dorf der Maschwapong in den östlichen
Bamangwato-Höhen zerstört. Nur zwei Männer konnten als Ueberlebende des
Dorfes die Nachricht nach Schoschong (der von Sekhomo gewählten
Residenz) bringen. Seine Söhne Khama und Khamane brachen nun auf, um
diesen Einfall zu rächen; sie griffen die Matabele an, schlugen zwei
Haufen zurück, wurden jedoch von einem dritten, der auf einem Raubzuge
begriffen, durch das Schießen angelockt wurde, im Rücken angegriffen und
hatten Mühe, nachdem sie etwa 40 Matabele getödtet und dabei 20 der
Ihrigen verloren, Schoschong wieder zu gewinnen.

Die Matabele kamen nur bis in das Franz Josef-Thal und näherten sich den
die Schoschon-Schlucht und Schoschong beherrschenden und von den
Bamangwato's vertheidigten Höhen bis auf Schußweite. Sie zerstörten die
Felder und da sie aus guten Gründen das Eindringen in die Schlucht
vermeiden wollten, machten sie mehrere, jedoch erfolglose, Versuche, die
Bamangwato's zum Kampfe in der Ebene zu verleiten. Sie verließen endlich
das Franz Josef-Thal und zogen heim, die geraubten Heerden mit sich
führend, die ihnen Sekhomo indeß zwei Wochen später wieder abjagte.

Seit diesen Erfolgen mehrte sich das Ansehen der Bamangwato, da die
Matabele als die tapfersten Krieger angesehen wurden; aus dem
Matabelelande kamen Makalaka, Batalowta, Mapaleng, Maownatlala und
Baharutse als Flüchtlinge und baten um die Erlaubniß, sich an den
Bamangwato-Höhen niederlassen zu dürfen. Ich erwähnte, daß der
Stiefbruder Sekhomo's, Matscheng, mit seiner Mutter zu den Bakwena's
geflohen war. Hier wurde er von den auf einem Raubzuge befindlichen
Matabele's gefangen, doch befreit, fiel aber bei dem nächsten Raubzuge
denselben Matabele's wieder in die Hände und wurde von diesen als
gemeiner Soldat »Le-chaga« aufgezogen.

Seschele, der schon längst seine angeblichen Anrechte auf die
Bamangwato's (da sie von den Banquaketse's abstammten) geltend machen
wollte, sich jedoch offen aufzutreten zu schwach fühlte, suchte im
Geheimen die Bamangwato's für Matscheng, ihren rechtmäßigen Herrscher zu
gewinnen, was ihm auch theilweise gelang. Durch Dr. Mossat's Einfluß
wurde der Gefangene im Matabeleland freigelassen und von Seschele mit
Pomp empfangen, was diesem in Schoschong zu solchem Ansehen verhalf, daß
er als sich Tschukuru (nächst Sekhomo der erste Mann im Lande) für ihn
erklärte, als König in Schoschong einziehen konnte. Seschele wurde für
seine Hilfe mit Elfenbein und Straußenfedern bezahlt.

Sekhomo flüchtete nun zu Seschele, wo er mit offenen Armen aufgenommen
wurde. Matscheng behauptete sich jedoch nicht lange in Schoschong; er
war als Matabele-Krieger aufgezogen worden und wollte den Despotismus
derselben unter den conservativen Bamangwato's einführen, die von ihm
begangenen Uebergriffe und Grausamkeiten kosteten ihm bald den Thron.
Tschukuru war der erste, der sich gegen ihn auflehnte und mit Seschele's
Hilfe, Sekhomo wieder auf den Thron brachte. Der flüchtige Matscheng
aber wurde wieder von Seschele auf das Freundlichste aufgenommen. Dies
geschah im Jahre 1859, also vor dem letzterwähnten Angriffe der Matabele
auf die Bamangwato.

Von Interesse ist es vielleicht zu hören, daß, obgleich Matscheng als
Stiefbruder Sekhomo's, Khari's Sohn genannt wurde, er thatsächlich nicht
dessen Sohn war. Seine Mutter war die erklärte Königin und deshalb war
Matscheng, obwohl einige Jahre nach Khari's Tode geboren, legal, während
Sekhomo, obwohl Khari's Sohn, aber von einem Weibe zweiten Ranges
geboren, als illegal angesehen wurde.

Im Jahre 1864 vereitelte Sekhomo den bereits erwähnten Angriff
Seschele's auf Schoschong. Als im Jahre 1865 die Boguera in Schoschong
gefeiert wurde und Sekhomo seine beiden Söhne, Khama und Khamane, nicht
unter den »gestellten« Knaben und Jünglingen gewahrte, wurde der König
so wüthend, daß er dieselben ein volles Jahr durch Moloi's »bezaubern«
ließ, allein mit keinem anderen Erfolge, als beiden die Sympathien der
jungen Regimenter zuzuwenden.

Der Haß Sekhomo's mehrte sich noch, als Khama, ein Schwiegersohn
Tschukuru's, sein ihm von dem Prediger angetrautes Weib der Boguera
nicht unterwerfen wollte, was Sekhomo den alten Gebräuchen gemäß
forderte, wenn sie von Rechtswegen Königin werden sollte. Sekhomo wollte
heimlich Tschukuru tödten; unter den Bamangwato's wagte er es jedoch
nicht, die Mörder zu suchen und auch von den Matabele-Flüchtlingen
wollte keiner die That auf sich nehmen. Im Jahre darauf, nachdem Sekhomo
durch alle möglichen Mittel, Ueberredungen und Abschreckungen seinen
Söhnen viele Freunde abwendig gemacht zu haben glaubte, unternahm er
während einer Nacht einen Angriff auf die Hütten der Beiden. Er ließ
heimlich seine Getreuesten versammeln und hieß sie auf die Hütten seiner
Söhne losfeuern. Da jedoch Keiner dem Befehle Folge leisten wollte,
legte er selbst an, doch wurde ihm das Gewehr aus der Hand geschlagen.
Vergeltung befürchtend floh er nun zu seiner Mutter, doch seine Söhne
verziehen ihm nicht allein, sondern setzten ihn wieder unter der
Bedingung als König ein, daß er gegen sie und die christliche Gemeinde
kein neues Attentat versuchen dürfe. Sekhomo versprach es, doch sein
Charakter war nicht darnach, einer neuen Versuchung, die Verhaßten
verderben zu können, aus dem Wege zu gehen.

Schon kurze Zeit darauf sandte er zu Seschele, lud Matscheng zu sich, um
sich mit diesem gegen seine Söhne zu verbinden. Im März desselben Jahres
brachte Sekhomo einen zweiten Anschlag gegen seine Söhne zur Ausführung,
diesmal gelang es ihm namentlich durch Versprechungen viele der
Bamangwato's zu gewinnen, so daß Khama und Khamane mit ihrem Anhang sich
auf die Berge flüchten mußten, nachdem sie eine Belagerung in der
zerfallenen Kirche der Hermannsburger Mission ausgehalten hatten. Als
nach vierwöchentlichem Kampfe Sekhomo noch immer kein Resultat sah,
sandte er um Makalahari und die Makalaka erstürmten die Tafelfläche der
Höhe und belagerten von hier aus die auf dem, von der Tafelfläche
emporsteigenden isolirten Felsenhügel sich verteidigenden Söhne. Nach
achttägiger Belagerung ergab sich Khama mit seinem Anhange aus
Wassermangel auf Gnade und Ungnade, ohne jedoch persönlich zum
Heidenthume zurückzukehren. Sekhomo schenkte wohl seinem Sohne das
Leben, nicht aber seinen Getreuen, sie mußten alle fliehen, und viele,
darunter auch Tschukuru, wurden getötet.

Schon im Monat Mai erschien Matscheng in Schoschong um abermals sein
Recht zu fordern. Khama und Khamane erklärten sich offen gegen den
Prätendenten, ohne jedoch zu den Waffen zu greifen. Sekhomo wurde jedoch
zuerst seines »Stiefbruders« überdrüssig und sann auf neue List. Er
berief eine öffentliche Versammlung ein, wozu Matscheng und seine Söhne
geladen waren, er wollte diese zuerst in die Kotla eintreten und selbe
dann umzingeln lassen, um sich so mit einem Schlage von allen seinen
Gegnern zu befreien. Allein wie immer erfuhr Khama diesen Anschlag und
warnte Matscheng; am Versammlungstage wußten es die Geladenen so
einzurichten, daß sie die Letzten in die Kotla eintraten. Da sann
Sekhomo einen neuen Plan, doch die Seinen ließen ihn wieder im Stiche
und er mußte fliehen. Matscheng ward nun zum zweiten Male erklärter
Herrscher der Bamangwato's.

Sekhomo flüchtete sich zu den Manupi, im Lande der Banquaketse, dann zu
den Makhosi, wurde jedoch von hier auf Seschele's Befehl ausgetrieben
und floh zu Chatsitsive nach Kanja. Kaum fühlte sich jedoch Matscheng
alleiniger Herrscher der östlichen Bamangwato, so verfiel er in seine
alten Gelüste und benahm sich wie ein Zulu-Usurpator. Den Einfluß und
die steigende Macht Khama's und seines Anhanges trachtete er bei dem
Volke durch die Erklärung zu untergraben, daß die Kirche eine dem Staate
feindliche Gewalt sei und versuchte das religiöse Pflichtgefühl der
christlichen Gemeinde auf jede Art zu verletzen. Der offene Ungehorsam,
der seinen diesbezüglichen Befehlen entgegengesetzt wurde, bestärkte
Matscheng in seinem Streben, sich Khama's zu entledigen. Da dies mit
Waffengewalt nicht gut möglich war, blieb kein anderer Ausweg übrig, als
die Moloi's herbeizuziehen; doch all' ihre anstrengende Arbeit blieb
wirkungslos, ebenso erfolglos war Matschengs Bestreben, zu diesem Zwecke
von einem weißen Händler Gift zu erhalten.

Matschengs Herrlichkeit nahm ein schnelles Ende. Während eines Besuches
bei Chatsitsive im Banquaketseland traf Khama den König Seschele,
welcher ihm Hilfstruppen lieferte, um Matscheng aus Schoschong zu
vertreiben. In einer im Franz Josef-Thale an der Mündung der
Schoschonger Schlucht gelieferten Schlacht, welche auch in taktischer
Hinsieht dadurch an Bedeutung gewann, daß die unter Kuruman, dem Sohne
Moselikatse's, Führung stehenden Matabele's, die Verbündeten Matschengs,
zu Pferde fochten, wurde dieser geschlagen. Khama, der diesen Angriff
voraus sah, hatte seine in früheren Kämpfen erprobten Schützen als
Tiralleurs vorrücken und hinter kleinen Büschen Posto fassen lassen und
dadurch die berittenen Matabele zur zerstreuten Fechtart gezwungen, in
welcher sie gegen die gedeckt stehenden Schützen nicht aufkommen
konnten. Noch während der Schlacht fiel Kuruman von Matscheng ab und
trat den Rückzug nach dem Rustenburger District an. Matscheng und seine
Leute flohen in regelloser Flucht, nachdem sie das Haus des Händlers
Drake geplündert hatten.

Seit jener Zeit ließ sich der nach den Landesgesetzen rechtmäßige, doch
allgemein durch seine Handlungsweise verhaßte Herrscher der östlichen
Bamangwato nicht mehr in Schoschong blicken und zog zunächst nach den
Maschwapong-Höhen am mittleren Laufe des Limpopo (im östlichen
Bamangwatolande) und von Khamane aus diesem Zufluchtsorte vertrieben
später nach dem Mabolo-Gebirge. Nach der Vertreibung Matschengs wurde
Khama der erklärte König der östlichen Bamangwato, und es schien, als ob
nun nach so vielen Fehden und nachdem die beiden Haupt-Unruhestifter
Matscheng und Sekhomo außer Land waren, Friede in demselben herrschen
sollte. Doch das gute, kindliche Herz Khama's brachte es trotz aller
bitteren Erfahrungen nicht über sich, Sekhomo in der Verbannung zu
lassen; unter dem Versprechen Frieden zu halten, rief er ihn nach
Schoschong zurück. Doch es währte nicht lange und Sekhomo begann
neuerdings zu wühlen; zunächst versuchte er seine beiden Söhne Khama und
Khamane zu entzweien, indem er das Matscheng abgenommene Vieh sowie ein
Dorf der Manansa, die im Albertslande (dem Höhenlande südlich von den
Victoriafällen) wohnten, Khamane zusprach. Leider ließ sich Khamane
verleiten; in der Hoffnung, einst den Thron zu besteigen, blieb er gegen
Khama's und die Vorstellungen meines Freundes Mackenzie taub, der eine
Verständigung zwischen den beiden Brüdern und dauernden Frieden im Lande
herbeiführen wollte.

[Illustration: Flucht auf die Berge.]

Khama wanderte hierauf mit dem größten Theile der Schoschonger
Bevölkerung aus, ließ sich im Gebiete der westlichen Bamangwato am
Zuga-River nieder und erwarb sich hier unter den Batowana's große
Achtung und Zuneigung. Doch seine Leute wurden durch die Fieber am
Zuga-River decimirt und so blieb Khama nichts übrig, als an die Rückkehr
zu denken. Dies war der Zustand der Dinge, als ich in Schoschong
anlangte.

Meine nächste Sorge nach unserer Ankunft in Schoschong war die Ergänzung
meines Proviants, der bereits bedenklich zur Neige ging; es ging dies
schwerer als ich dachte, und nur durch die freundliche Vermittlung Rev.
Mackenzie's gelang es mir, den dringenden Bedarf zu decken. Aus eben
diesem Grunde mußte ich auf die Ausführung meines Wunsches verzichten,
bis zum Zuga oder Botletle vorzudringen.

Schon am 9. stattete mir Sekhomo den ersten Gegenbesuch ab und ich hatte
anfangs das Vergnügen, das sich bald in eine Plage umwandelte, den König
mit seinen Linjaka's, die wir aus näher zu erläuternden Gründen den
Aasvogel-Rath nannten, täglich ein bis zweimal bei uns zu sehen. Der
König schüttelte mir stets die Hand, während unterdessen sein
holländisch redendes Factotum diese oder jene Bettelei vorbrachte. Er
stand in der Regel mit eingestemmten Armen vor mir, während der Rath in
einem Halbkreise um ihn herumhockte und seine Geberden nachahmte. Lachte
er, lachten die Aasvögel mit, eines Tages verbrannte er sich die Lippen
an dem heißen Thee, den ich ihm anbot, auch diesmal beeilte sich der
versammelte Rath, die Gesichter zu verziehen und ihrem Bedauern Ausdruck
zu geben; gähnte seine Majestät, so blieben die alten Getreuen mit ihrer
Beisteuer nicht zurück und macht er sich auf den Heimweg, so erhob sich
einer nach dem andern, um dem König im Gänsemarsch zu folgen.

Am 11. wurde ich auf einen vorüberfahrenden holländischen Jäger, Namens
Franz Vissasi, aufmerksam, der mit seiner Familie von der Jagd aus den
Zuga- und Mababi-Gegenden heimkehrte. Während seiner sechsmonatlichen
Abwesenheit hatte er in diesen 21 Elephanten und 15 Strauße erlegt und
theilte mir zwei interessante Löwenabenteuer mit, bei welchen sich sein
kleiner Sohn recht heldenmütig betragen haben sollte; er nahm noch am
selben Tage meine Hilfe in Anspruch, da drei seiner Kinder an _Febris
intermittens_ darniederlagen.

Sekhomo's direkte Einnahmen betrugen nach einer Mittheilung Rev.
Mackenzie's 3000 £ St. und bestanden in Rindern, Elfenbein,
Straußenfedern, Häuten und Carossen. Staatsausgaben waren unbekannt. Den
freien Bamangwato's blieb der Ertrag ihrer Viehheerden, die
minderwerthigen Straußenfedern, Thierfelle, sowie je ein Elfenbeinzahn
von jenen Thieren, die sie selbst oder ihre Vasallen für sie erlegten.

Am 22. kamen zwei Boerwägen vom Marico-District an, welche verschiedene
Victualien zum Verkaufe brachten. An den folgenden Tagen besuchte ich
die Höhen, an denen ich einen Matabeleschädel fand und machte Ausflüge
im Schoschonthal aufwärts, besuchte den am jenseitigen Ufer des
Schoschon-Flüßchens sich erhebenden pittoresken Monkey-Felsen, den
nächtlichen Sammelort der Paviane und bestieg einige der anliegenden
Höhen. Da wo sich das Thal über dem Monkey-Felsen erweitert, lagen zwei
Dörfer der hier als Flüchtlinge lebenden Makalaka's und eines der
verlassenen Missionsgebäude des Hermannsburger Predigers Herrn
Schukenberg. Ueber dem östlichen Dorf erhob sich ein isolirter
Tafelberg, auf dessen Kuppe die Pferde während der Herbstpneumonie-Zeit
mit gutem Erfolge gehalten wurden.

Unser Wagen war trotz des mit geringen Unterbrechungen herabströmenden
Regens während der ganzen Dauer unseres Aufenthaltes stets von Besuchern
und Arbeitern umlagert, es entwickelte sich ein reger Verkehr, der nur
einmal durch einen kleinen Zwischenfall, den meine Zugthiere verschuldet
hatten, unterbrochen wurde. Die allgemeine Friedensstimmung und
gemächliche Ruhe der Bevölkerung wurde eines Tages plötzlich in
unerwarteter Weise durch die Nachricht gestört, daß feindliche Matabele
im Anzuge seien. Eine mir unerklärliche Panik ergriff nun die
Bevölkerung; der König eilte zu mir und lieh sich eines meiner Gewehre
aus--ich hatte die größte Mühe, es später wieder zu erlangen--er zeigte
mir sein Palladium, ein aus einer Löwenklaue verfertigtes Amulet, das
ihn kugelfest machen sollte, und ordnete die Flucht der Bamangwato's auf
die Schoschong beherrschenden Höhen an. Die geringen Habseligkeiten
eiligst zusammenraffend, die widerspenstigen Rinder- und Schafheerden
vor sich hertreibend, floh Jung und Alt den Höhen zu. Die Bestürzung und
Verwirrung erreichte den höchsten Grad, als einige Männer auf eine vor
der Stadt aufgescheuchte Hyäne einige Schüsse abfeuerten, man wähnte die
Matabele schon an den Fersen zu haben.

Tags darauf traf ein Boer-Jäger aus dem westlichen Matabelelande, ein
Sohn des berühmten Elephantenjägers Pit Jacobs, der am Tatiflusse
residirt, in Schoschong ein, der die Bevölkerung über die völlige
Grundlosigkeit ihrer Aufregung aufklärte. Die Beschwichtigungen des
Jägers fanden indeß keinen Glauben und selbst die Weißen (Händler)
trafen Anstalten zu ihrem Schutze. Rev. Mackenzie rieth mir, baldigst
abzureisen, da mir, wenn nicht persönlich, so doch meiner Habe Gefahr
drohen konnte.

Als Sekhomo hörte, daß ich abreisen wollte, klagte er über den Schmerz,
den ihm mein Entschluß bereite, nannte uns seine Freunde und bat uns,
ihn in dieser Bedrängniß nicht zu verlassen. Ich gab ihm für eine seiner
sieben Frauen ein blaues Wollkleid als Abschiedsgeschenk, das er mit
einem Büschel grauer Straußenfedern erwiderte.

In keiner anderen der auf dieser Reise berührten Eingebornenstädte war
es mir vergönnt, eine ähnliche Menge der mannigfachsten ethnographischen
Objecte zu gewinnen, als eben hier; was ich noch an Gütern im Wagen
hatte, tauschte ich leider zum sichtlichen Mißbehagen der hier
ansässigen Händler für Arbeiten der Eingebornen aus. Ich erstand
zahlreiche Assagaie, Schlachtbeile und einige Dolche und Messer, Kiri's
und Stöcke, hölzerne Kopfpolster, Töpfe und Pfannen, hölzerne Löffel,
aus verschiedenem Material gearbeitete Würfel (Zauber- und
Doctorwerkzeuge), die verschiedenartigsten Schnupftabaksdosen,
Kürbißgefäße, Toiletteartikel und Carosse-Verzierungen, Schürzen und
Mützen, Puppen und aus Thon gearbeitete Spielsachen. Zu den wichtigsten
von mir erworbenen Gegenständen gehörten Sekhomo's Regen- und
Kriegstrommel, ein aus Elfenbein gearbeiteter kleiner Fetisch, Kiri's
aus Rhinoceros-Horn etc., auch fehlten Pfeifen nicht. Ich tauschte viele
Pallah- (Antilopen-) Leoparden-, Luchs-, Caracal-Felle etc. aus und ließ
mir daraus gegen Bezahlung Carossen verfertigen. Bis auf kleine
Unterscheidungs-Merkmale gleichen die Arbeiten der Bamangwato's denen
aller übrigen Betschuanastämme. Die Bauart der Hütten gleicht der bei
den Barolongen üblichen, die Hütten selbst sind nur kleiner und leichter
gebaut, hingegen traf ich in ihrer Größe unübertroffene Korngefäße aus
ungebranntem Thon. Nicht minder zahlreich als meine ethnographischen
Acquisitionen waren die naturhistorischen.[1]

    1: Unter den Eidechsen zeichnet sich eine schöne, metallisch in
    Braun, Dunkelgrün und Blau glänzende, leicht gestreifte, mitunter
    auch streifenlose Art durch ihre Häufigkeit und Zutraulichkeit aus.

Bevor ich auf die Schilderung meiner Rückreise nach den Diamantenfeldern
eingehe, will ich die im vorigen Kapitel begonnenen Mittheilungen über
Sitten und Gebräuche der Betschuana's zu Ende führen. Der gewöhnliche
heidnische Betschuana besitzt in der Regel eine Frau, die wohlhabenderen
zuweilen zwei, Unterhäuptlinge drei bis sechs, die Könige noch mehr,
doch nicht so viele, als es im Marutse-Reiche Gebrauch ist. Der
wohlhabende Mann macht der neu erworbenen Frau ein Geschenk von mehreren
kleinen oder großen Hausthieren.

Beim Betreten einer Stadt hebt der Ankömmling die auf seinem Pfade
liegenden Steine auf und wirft sie in einen dichten Busch oder legt sie
in die Astgabelungen der Bäume, indem er den Wunsch ausspricht, er möge
den Zweck seiner Reise erreichen. Das Fell, Horn und Fleisch eines
geweihten Thieres--die Deukergazelle bei den Bamangwato's, das Krokodil
bei den Bakwena's etc.--darf nicht berührt werden; eine auf der Hütte
sitzende Eule wird als Unglücksbote angesehen und die Hilfe des Linjaka
in Anspruch genommen, um die vom Vogel berührte Stelle zu reinigen.

Außerdem werden Thiere, welche zuweilen etwas nach Betschuana-Begriffen
Ungewöhnliches begehen, als gefährlich und verderbenbringend angesehen
und müssen getödtet oder durch einen Linjaka gereinigt werden. So wird
z.B. eine auf das Dach springende Ziege mit dem Assagai durchbohrt.
Peitscht ein Thier, eine Kuh, in einem Viehkraal längere Zeit hindurch
mit dem Schweife den Boden, so ist sie keine gewöhnliche Kuh mehr, sie
ist »Tiba«, eine Unheilbringende, welche dem Eigenthümer Schaden,
Krankheit, sogar den Tod bringen kann. Ein Reicher tödtet ein solches
Thier sofort, ein Armer bietet sie dem Weißen oder einem Nachbarstamme
zum Kaufe an, es ist dies der einzige Fall, in welchem der Betschuana
seine Milchkühe verkauft. Keinem Weib ist es gestattet, die Milchkühe
und überhaupt das Rind zu berühren, dies ist Sache der Männer, der
Knaben wie des Mannes und Greises, so auch das Hüten derselben, während
es bei der Hottentottenfamilie gestattet ist, daß diese Hausthiere auch
von den Frauen gehütet werden.

Wie ich bereits erwähnt, ist die Regierungsform unter den Betschuana's
eine im gewissen Sinne constitutionelle; alle wichtigen Verfügungen und
Beschlüsse müssen von dem Pitscho (der öffentlichen Versammlung)
besprochen werden, doch sind in der Regel, namentlich da, wo der König
die Häuptlinge beeinflußt, diesen oder jenen für sich zu gewinnen
weiß--alle Beschlüsse eine im Vorhinein heimlich abgemachte Sache. Wie
bei anderen Banthuvölkern ist auch bei den Betschuana's der König
(Morena oder Koschi) der Oberste bei allen öffentlichen Functionen;
unter ihm stehen die Unterhäuptlinge des eigenen Stammes oder die
Flüchtlinge, die seinen Schutz angefleht, sowie die Häuptlinge anderer
Betschuanastämme, welche die Erlaubniß erhalten hatten, sich auf seinem
Gebiete niederzulassen, z.B. Chatsitsive und die Häuptlinge der Manupi
und der westlichen Baharutse. Diese Häuptlinge und Unterhäuptlinge
wohnen in eigenen Dörfern, die mehr oder minder von einander entfernt
liegen, oft jedoch an einander grenzen und Theile der Residenz bilden.
In jedem dieser Dörfchen ist nahe an dem Gehöfte des Häuptlings ein
kleiner mit Pfählen umfriedeter, runder Raum, welcher die Stelle der
Kotla vertritt, und in welchem die in der Kotla zur Sprache kommenden
Gegenstände vorberathen werden. Beruft der König die Unterhäuptlinge und
das Volk zu einer wichtigen Berathung, so legt der königliche Bote je
einen Baumzweig in die kleinen Kotla's--es ist das Zeichen des Aufruf's.

Eine Berathung über Krieg wird im Plenum außerhalb der Stadt
gehalten--um nicht so leicht wie in der Kotla belauscht zu werden, eine
solche Zusammenkunft wird Letschulo genannt, ebenso wie die von den
Linjaka's anläßlich der Regenbeschwörung veranstalteten Jagden. Bei
diesen Berathungen, an welchen die Einwohner der einzelnen Dörfer sich
unter der Führung ihrer Unterhäuptlinge betheiligen, wird sehr viel
gesprochen, Kleinigkeiten bis zur Erschöpfung ventilirt und dem
Redeschwall keine Zügel angelegt.

[Illustration: Korngefäße der Bamangwato's.]

Hat sich die Versammlung als Gerichtsbehörde constituirt, so wird in der
Regel darauf Rücksicht genommen, ob der Schuldige eine bei Hofe beliebte
Person sei oder nicht, im ersteren Fall geht oft auch ein Mörder
straflos aus. Hat Jemand sich eines Diebstahls schuldig gemacht, so eilt
des Königs Bote durch die Stadt und verkündet denselben, sowie die
königliche Androhung der über den Dieb verhängten Strafe. In der Regel
wirkt die bloße Androhung und im Dunkel der Nacht beeilt sich der Dieb
das gestohlene Gut auf einem öffentlichen Orte zu deponiren. Oft aber
werden die Linjaka's zur Hilfe gerufen, um einen Dieb zu eruiren, sie
benützen in solchen Fallen verschiedene Kunstgriffe oder werfen blos die
Würfel, im ersteren Falle gelingt es ihnen zuweilen, den Dieb ausfindig
zu machen. Eine oft gebrauchte List ist folgende: Nach eingehender
Untersuchung des Falles werden die der That Verdächtigen durch des
Königs Boten in die Kotla vorgeladen. Der Linjaka setzt sie in einem
Kreise um sich und nachdem er bei den Worten »der die Kuh etc.
gestohlen, muß noch heute sterben,« mehrmals im Kreise herumgegangen,
läßt er einen Topf mit warmem Mais- oder Kornmehlbrei herbeibringen. Er
schöpft nun einen Holzlöffel voll dieses Breies und spricht dazu. »Der
Dieb, der diesen Brei verschlingt, wird noch heute sterben,« und
wiederholt diese Worte, so oft er jedem der Umstehenden einen Löffel
voll in den Mund schiebt.

[Illustration: Staatskleid eines Bamangwato's.]

Nachdem er seine Arbeit gethan, beobachtet er Jeden genau, wirft dann
die Elfenbeinwürfel und mit den Worten: »Ich habe den Dieb gefunden,«
erhebt er sich, um den Kreis der Angeklagten zu umgehen. Er befiehlt
hierauf Allen den Mund zu öffnen und siehe da, Alle bis auf Zwei haben
den Brei geschluckt, diese Zwei jedoch, das sind die Diebe, die aus
Furcht vor dem Tode den Brei im Munde behielten um ihn im günstigen
Momente heimlich ausspeien zu können. Der eruirte Dieb muß doppelt bis
vierfach das Gestohlene ersetzen. Einem wiederholt ertappten Diebe
werden die Finger, einem unverbesserlichen Gewohnheitsdiebe die ganze
Hand verbrüht. Der Mord wird in der Regel mit dem Tode bestraft, doch
ist es auch zulässig, sieh durch ein Blutgeld von der Strafe
loszukaufen, wobei die Gegenstände (Rinder etc.) welche der zuerkannten
Geldstrafe gleichkommen, an die nächsten Angehörigen des Getödteten
abzugeben sind.

Zur Zeit als noch Matscheng in Schoschong herrschte, ereignete sich der
Fall, daß ein Mann aus Habsucht einen Brudermord beging. Sein alter
Vater hatte dem älteren Bruder den größten Theil seines Besitzes
gegeben, und da entschloß sich der Jüngere, sich einfach des Bruders zu
entledigen, um das Ganze zu haben. »Bruder, hat Dir nicht der Vater
erzählt, daß der Linjaka (Doctor) ein Affenfell braucht, um seinen
Gliedern die Kraft wieder zu geben? Ich gehe heute auf jenen Hügel
dort«--er wies auf den isolirten nahe der Stadt im Franz Josef-Thal sich
erhebenden, felsigen Kegel--»um einen Affen zu schießen.« Der Angeredete
hielt es für seine Pflicht mitzugehen und folgte dem Bruder. Am Fuße des
eine Gehstunde entfernten Hügels, schlug der Antragsteller des sicheren
Erfolges halber vor, die Jagd von zwei entgegengesetzten Seiten aus zu
beginnen, worauf der ahnungslose Bruder auch einging. Eine alte Frau,
welche unweit davon Beeren sammelte, und welcher das Betragen der beiden
mit Gewehren Bewaffneten auffiel, schlich sich näher und folgte
vorsichtig dem Einen derselben nach. Schon in der Mitte der Höhe kroch
der Jüngere, statt geradeaus emporzusteigen, nach rechts um den Hügel,
bis er seines Bruders ansichtig wurde und schoß ihn dann nieder. In der
Stadt erzählte er mit großer Bestürzung, daß er seinen Bruder für einen
Affen angesehen und getödtet habe, allein das alte Weib berichtete
Matscheng den wahren Sachverhalt und statt in den Besitz des Erbes zu
kommen, wurde der Schuldige auf Matschengs Befehl an den Thatort geführt
und hier mit dem Gewehre des getödteten Bruders erschossen.

Unter den noch zu erwähnenden Gebräuchen gibt es solche, die uns an die
alten mosaischen Gesetze erinnern und an die wir mehr oder weniger bei
allen mir bekannten, zu der Banthufamilie gehörenden Stämmen lebhaft
erinnert werden.[1] Vor Allem die Beschneidung (Circumcision); sie ist
die wichtigste Ceremonie für den heidnischen Betschuana, ohne die der
Jüngling von seinen Gefährten weder als Mann, noch die Frau als
heiratsfähig anerkannt wird. Doch fällt diese Ceremonie nicht mit dem
Stadium der Mannbarkeit zusammen--wie wir es bei anderen Stämmen, wie
z.B. bei den Matongas und Maschukulumbe und deren Sitte des
Zähneausbrechens beobachten--sie wird einfach ausgeübt, um die Reihe von
Abhärtungen zu beginnen, die ein Knabe durchmachen muß, um einst, wenn
er Mann geworden, auch den Titel eines Mona und Ra führen zu können. Die
Ceremonie heißt Boguera und wird an den Knaben nach ihrem neunten
Altersjahre ausgeführt. Je nach der Stärke des Stammes wird sie alle
zwei bis fünf Jahre vorgenommen und bildet eine der größten
Festlichkeiten in den Städten. Mit einer Kalklösung bestrichen, gehen um
diese Zeit die dazu sich freiwillig meldenden oder gezwungenen Knaben
einher, die Mädchen nur mit aus Schilfrohrstücken verfertigten Bändern
oder Genettaschwanz-Schürzen bekleidet, auch sie werden auf der Brust
und im Gesichte ähnlich wie die Knaben weiß übertüncht. Die Zeremonie
wird außerhalb der Stadt bei den ersteren von alten Männern, bei den
Mädchen von alten Frauen ausgeführt.

    1: Ich verweise den Leser auf die zwei Sagen der nördlichen
    (Montsua's) Barolongen.

Da eben zur Zeit meines Besuches in Schoschong die Boguera gefeiert
wurde, hatte ich Gelegenheit, die Zeremonie näher kennen zu lernen.
Singend ziehen die Knaben und Mädchen, von den Gauklern begleitet vor
die Stadt. Hier werden die Knaben im männlichen Auftreten, die Mädchen
in weiblichen Arbeiten und Pflichten unterrichtet und ihnen sofort
schwere Arbeiten, wie das Tragen großer Holzbündel, Wasserholen etc.,
auferlegt, bei deren Verrichtung sie meist einen monotonen Gesang
anstimmen. In ihrer Uebertünchung und mit den klappernden
Schilfrohrbändern behangen, gewähren diese Gestalten einen nicht minder
phantastischen als komischen Anblick. Die Knaben werden partienweise in
die Kotla berufen, wo sie gepeitscht werden. Wir finden hier zwei Reihen
gegen einander mit dem Rücken stehender, bis auf ein sehr primitives
Kleidungsstück nackter Knaben, welche in ihren Händen Sandalen halten
und niederzuknieen haben, um von den vor ihnen stehenden Männern (in der
Regel ihren nächsten Verwandten) auf den Rücken geschlagen zu werden.
Sowie aber der Mann zum Schlagen ausholt, hebt der Knabe die Sandalen
empor und die meisten verstanden es, die Wucht des Schlages mit den
Sandalen zu brechen, oder den Schlag vollkommen damit aufzufangen. Dabei
singen die Knaben und heben abwechselnd die Füße empor.

[Illustration: Züchtigung der Knaben.]

Alle jene Knaben, die sich zur selben Zeit dieser Zeremonie unterziehen,
werden in ein Regiment eingereiht, und desto größer ist der Stolz des
heidnischen Betschuana, je mehr Söhne er zur Boguera mitbringen kann.
Der Häuptling aber trachtet, daß auch er einen Sohn einstellen kann,
oder wenigstens den eines seiner nächsten Verwandten, da dieser die
Leitung dieses neu gebildeten, d.h. _seines_ Regimentes übernimmt. Enge
Freundschaft wird dann geschlossen und von ihr auch bei den zuweilen am
Hofe auftauchenden Streitigkeiten guter Gebrauch gemacht. Diese
Freundschaft bleibt selbst dann aufrecht erhalten, wenn der Sohn des
Häuptlings, d.h. der Chef des Regiments, sich später taufen läßt. Die
Mädchen dürfen nach der Ceremonie längere Zeit hindurch nicht schlafen,
um sie wach zu erhalten, haben sie des Nachts auf den hölzernen
Kornstampfblöcken (_motso Chlobole_) zu sitzen; da jedoch diese
Stampfblöcke in der Regel so unförmlich gearbeitet sind, daß sie an und
für sich kaum das Gleichgewicht halten können, fallen die darauf
Sitzenden sofort nieder, wenn sie, sich vergessend, einschlummern.

[Illustration: Bamangwatomädchen zur Boguera bekleidet.]

Der Hauptzweck dieser Ceremonie ist die Abhärtung der Jugend. Denselben
Zweck verfolgt auch der dieser Ceremonie folgende und sich auch im
nächsten Jahre wiederholende Jagdzug. Die zu einem Regiment Vereinigten
theilen sich, von erfahrenen Jägern angeführt, in mehrere Haufen, um
Antilopen, Gazellen etc., im folgenden Jahre Büffel, Elephanten etc. zu
tödten. Auf dieser Jagd werden der Jugend alle möglichen Strapazen
aufgelegt, ihr jede Erleichterung versagt, lange Märsche in wasserlosen
Gegenden unternommen, der Zutritt zu dem Feuer in der oft bitterkalten
Jahreszeit nur ausnahmsweise gestattet und sie überdies mit den Qualen
des Hungers bekannt gemacht.

Der gemeine Betschuana bestimmt sein Alter nach der Boguera, d.h. er
sagt, daß er zu dem oder jenem (bestimmt benannten) Regimente gehöre,
oder er nennt eines oder zwei der wichtigsten Mitglieder desselben, z.B.
des Oberbefehlshabers, die als »weise« angesehen, den Fragesteller
vielleicht mit einer anderen Antwort befriedigen können.

In die Kategorie des eben betriebenen Gebrauches gehört auch nach
Mackenzie die _Tschwaragana moschwang_, das Bündniß zwischen zwei
Häuptlingen, das Gelübde der Treue, Freundschaft und des Vertrauens
zwischen ihnen, z.B. dem Herrscher eines Landes und einem bei ihm als
Gast oder Schützling weilenden Häuptling. Das Bündniß wird auf folgende
Weise ceremoniell gefeiert. Ein Hausthier wird geschlachtet und der
Magen aufgeschnitten, und nun tauchen beide Häuptlinge ihre Hände in
seinen Inhalt und schütteln sich dann dieselben.

Zu diesen Gebräuchen gehört auch die Reinigung jener, die aus einem
Kriege oder von einem Raubzuge heimkehren, die Reinigung ihrer Waffen
und der Gefangenen wie der übrigen Beute, die sie aus dem Kriege
mitbringen, die Reinigung aller Personen, die eine Leiche berühren oder
berühren müssen, jene der Frauen nach Geburten, die ein bis drei Monate,
je nach der Wohlhabenheit ihres Mannes (je wohlhabender desto länger)
abgesondert leben müssen, ferner die Isolirung und Abschließung der
Schwererkrankten. Die Reinigungen, die meist gegen Bezahlung von Seite
der Linjaka's ausgeführt und von ihnen auch oft angeordnet werden, sind
äußerst mannigfach. Dazu gehört z.B. das Abschaben der Wollhaare am
Kopfe mit einem scharfen, kleinen Horn, Messer etc.

Am 16. Februar brachen wir endlich von Schoschong nach dem
Maricodistrict auf. Jupiter grollte uns noch immer und sorgte für die
ausgiebigste Erschwerung des Fortkommens auf dem völlig durchweichten,
schlammigen Boden. An manchen Stellen stand das Wasser zwei Fuß hoch und
auch an ein Ausweichen war bei dem dichten Baumwuchs auf der Strecke
nicht zu denken. Die Gesammtstrecke von Schoschong bis zu dem Punkte, an
welchem der Reisende den Limpopo auf seinem Zuge nach Südosten trifft,
ist ein einziger Wald. Manche Stellen zeigten salzhaltigen Grund und
auch Salzseen waren nicht selten. Der südlichere Theil an den Ufern des
Sirorume ist etwas hügelig und hier ist der Wald tiefsandig. Zur
Winterszeit hat diese drei Tagereisen beanspruchende Strecke nur an zwei
Stellen Süßwasser.

Während der Fahrt am 17. beobachtete ich zum ersten Male ein
hühnerartiges Federwild, welches in Süd-Afrika allgemein »det fasant«
genannt wird. Ich hörte ein lautes, schrilles Gackern in einem dichten
Niederbusch und bald darauf erschien der Schreier, ein bräunlicher
Vogel, (Francolinus nudicollis) auf einem Baumstumpf. Er gehört zu den
rebhuhnartigen Vögeln und ist über einen großen Theil der bewaldeten und
bebuschten, wasserreichen Thalpartien der von mir besuchten Gegenden
Süd-Afrika's verbreitet, auch in Süd-Central-Afrika sehr häufig.
Paarweise oder in kleinen Ketten lebend, wacht der Hahn treu über das
Wohl der Seinen, schreit bei jeder Gelegenheit, während des Scharrens,
wenn er sich umsehen will, sich ein Feind nähert, oder wenn er Abends
die Lagerstätte im gewohnten Busch oder Baum aufsucht. Durch sein
Geschrei und weil er sich, wenn auch nur für wenige Momente, auf
hervorragende Gegenstände setzt, wird er oft des Jägers Beute.

Am 18. passirten wir einen einige hundert Schritte langen, ellyptisch
geformten, flachen, kaum zwei Fuß tiefen Salzsee, der mit einer stark
salzhaltigen, milchigen Flüssigkeit gefüllt war. Nur an seinem
nördlichen Ende ist in trockenen Jahren in Felsenlöchern Trinkwasser zu
finden. Still lag die milchig-graue Fluth des todten See's von einem
breiten, hellgrünen Rasenbande umsäumt in einer mäßigen Vertiefung des
Waldes vor uns. Kein grüner Binsenhalm, kein Blatt der Seerose
schaukelte sich darin. Hier waren es Bäume, die das sich sanft erhebende
Ufer bekränzten, dort undurchdringliches Gebüsch, wo nur gebeugt und
mühselig zwischen den Stämmchen die flüchtige Deukergazelle wandeln
mochte--in den übrigen Uferpartien neigten sich von dem Niederwalde die
kurzen schattigen, einer gemeinschaftlichen Wurzel mehrfach
entsprossenen Akazienbäumchen herab und Blumen wucherten überall--daß
der todte See in der Vertiefung einer duftenden bebuschten und
bewaldeten Au begraben zu sein schien. Später nannte ich den Salzsee dem
jetzigen, edlen Bamangwato-Könige zu Ehren »Khama's Salzsee« (Khama's
Saltpan). Am Rande des See's fand ich Grünsteinstücke und Chalcedone,
sowie an der nahen, dicht mit Dornbäumen bebuschten Bodenerhebung
Quarzit und weiterhin Kalkfelsen vor. Zahlreiche Spuren deuteten auf die
Anwesenheit kleinerer Gazellen, Gnu's, Zebra's und Giraffen, welche in
den westlich und östlich nach dem Limpopo sich ausbreitenden bewaldeten
Ebenen reichliche Weide finden.

Unter den Bäumen fiel mir namentlich einer auf, dessen vortreffliches
Holz ich noch später kennen lernen sollte; es ist dies eine den Boers
als Knopidorn bekannte und bis zu 50 Fuß Höhe meist gerade wachsende,
selten gabelig verästelte Mimose. Die grau bis gelblichgraue Rinde ist
mit ein bis zwei Zoll langen Auswüchsen versehen, welche an ihrer meist
stumpfen Spitze hakenförmig gekrümmte, kleine und scharfe Dornen tragen.
Ihr Holz wird als Bauholz, namentlich aber zu Wagnerarbeiten verwendet.

Nachmittags gelangte ich zu einigen Salzlachen, in denen ich zu meinem
Erstaunen Fische--eine mir bekannte Species--äußerst verkümmert vorfand.
Bei der Lage der Tümpel auf der Höhe des Hochplateau's läßt sich ihr
hiesiges Vorkommen nicht anders erklären, als daß sie durch Vögel hieher
übertragen worden waren. Der Abend überraschte uns in dem Thale des
oberen Sirorume, dort, wo er sich über einige interessante
Sandsteinbänke in ein offenes Thal Bahn bricht, um dann eine südliche,
später eine Ostsüdost-Richtung nach dem Limpopo zu verfolgen. Als wir am
nächsten Tage den tiefsandigen Wald, in dem inneren Bogen des Sirorume
durchzogen, wurden wir vom Wagen aus auf eine Spur aufmerksam, welche
durch das Gras führte; das hohe Gras schien wie mit einer zwei Meter
breiten Walze niedergedrückt worden zu sein--die Stelle näher
untersuchend fanden wir Elephantenspuren. Zwei nach dem
Transvaal-Gebiete ziehende Bamangwato berichteten uns, daß diese Spuren
von einer kleinen Heerde der großen, kleinzähnigen Elephanten
herrührten, welche hier an der Grenze von Sekhomo's und Seschele's
Gebiet »wechsle«. Es mußte jene Heerde sein, von der ich schon vernommen
und die sich auch hier noch zwei Jahre aufhielt, bis sie von den
Damara-Emigranten vernichtet wurde.

Vor uns in ziemlich geringer Entfernung wand sich das Thal des Sirorume,
darüber hinaus nach Westen und Süden lag unabsehbar ein dichter
Niederwald. Bald darauf stiegen wir zum zweiten Male in das Thal des
Sirorume, von den Engländern _the Brack reeds_ genannt, herab. Das Bett
des Flusses ist hier meilenweit auf- und abwärts flach und ein einziges
mit bohem Schilf bewachsenes Moor. Dreimal passirte ich diese Strecke
und jedesmal fand ich die Gegend überraschend reich an der bekannten
Buffadder. Alle unsere Mühe Trinkwasser zu finden war vergebens und so
zwang mich die Wassernoth und der herabgeschmolzene Mehlvorrath
weiterzureisen.

[Illustration: Khama's Salzsee.]

Am 21. endlich stießen wir auf der Höhe des bewaldeten Plateau's auf
eine jener unverhofft anzutreffenden Regenlachen, deren Vorkommen ich
bereits bei der Schilderung meiner ersten Reise erwähnt habe.

Auf unserer Weiterfahrt am 18. hatten wir Gelegenheit, zwei Buffaddern,
Puffotter (Vipera arietans), einen Meter lange, armdicke Exemplare mit
herzförmigem Kopf und zwei sehr langen und stark gekrümmten Giftzähnen
zu erlegen. Das Schuppenkleid dieser Schlangen variirt in der Farbe
zwischen gelblich- bis dunkelbraun und ist schräg nach abwärts,
abwechselnd hell und dunkel gebändert. Vom Meere bis zum Zambesi
verbreitet, bewohnt sie unstreitig gewisse Striche häufiger als andere.
So fand ich namentlich dicht bebuschte, besonders mit Dornbüschen
bewachsene Partien dichter von dieser Schlange bevölkert. Eben diese
Partien werden auch seltener von den Schlangenadlern aufgesucht. Die
meisten Exemplare lagen träge am Rande von Gebüschen und Pfaden
tellerförmig zusammengerollt. Ihre Trägheit und Unbeholfenheit ist
merkwürdig--denn ich sah sie in Wasserlöchern liegen, aus denen sie sich
nicht mehr emporwinden konnte. Ihrer stark nach rückwärts gekrümmten
Giftzähne halber, kann die Buffadder nicht gleich den gewöhnlichen
Species verwunden, sie muß vielmehr um dies zu thun, ihren Vorderkörper
nach rückwärts krümmen, den Kopf senken und sich mit dem halben oder
ganzen Körper auf ihr Opfer werfen. Dies vermag sie auf mehrere Fuß
Entfernung hin und mir sind namentlich Beispiele dieses Angriffs aus der
Cap-Colonie und Natal bekannt. Außer dieser finden wir noch eine zweite
Eigenthümlichkeit, die mehrmals schon, und dies namentlich in der
westlichen Cap-Colonie, beobachtet wurde und welche ich mir in folgender
Weise zu erklären suche. Zufällig trifft hier ein Landmann, dort ein
Jäger oder ein Hirt auf eine dieser Schlangen. Nicht ihr Anblick,
sondern ein eigenthümlicher Ton, der zwischen Fauchen und Aechzen die
Mitte hält, wird die Aufmerksamkeit desselben erregen. Diesem fauchenden
Aechzen nachforschend, findet der Beobachter eine Buffadder vor sich,
welche sich hin- und herwindet, hin- und herschlägt und sich wiederholt
krümmt. Bei näherem Herantreten sieht er, daß der Leib des Thieres
durchlöchert ist und aus diesen Oeffnungen sich die kleine Brut einen
Weg nach Außen zu bahnen sucht. Jene, welche dies beobachtet, waren und
sind der Ansicht, daß die »Brut« auf diese Weise zur Welt gebracht
wurde, d.h. daß sie sich selbst aus dem Mutterleibe herausfresse; ich
konnte dieser Ansicht nicht beipflichten und wurde darin später durch
den Bericht eines gebildeten Augenzeugen bestärkt. Unter den Schlangen,
die ich in Süd-Afrika kennen gelernt, ist die Buffadder durch die
Anhänglichkeit an ihre Brut wohlbekannt. Bei Gefahr, die sie außerhalb
ihres Schlupfwinkels überrascht, bläst sie sich auf und droht dem Feinde
mit weit aufgesperrtem Rachen. Dabei geschieht es nun--doch bleibt es
mir ein Räthsel, ob das Thier dies absichtlich thut oder nicht--daß ein
Theil der herumschlängelnden über und unter der Mutter hingleitenden,
sich an sie schmiegenden Brut in dem weiten Rachen verschwindet. Die
Mutter bläst sich noch mehr auf, wobei die Jungen bald darauf sich
gewaltsam einen Ausweg nach außen bahnen, nachdem ihnen zum Theile oder
insgesammt vielleicht durch das Schließen der Kinnladen der Mutter der
natürliche Ausweg benommen wurde.

Von den Buffadder-Höhen am Unterlaufe des Sirorume herabfahrend, kamen
wir in das Thal des Limpopo (auch Ouri und Krokodil-River genannt); die
hügelige Gegend am linken Ufer desselben geht nach Westen in ein
bewaldetes Hochplateau über, während das rechte und flache theils
bewaldete, theils prairienartige Ebenen besäumt. Das Bett des 12-30
Meter breiten Flusses ist sandig, das Ufer steil geböscht und mit
undurchdringlichem Gebüsch oder mit hohem Gras bewachsen. Am Ufer fand
ich häufig Krokodil-, sowie einige Flußpferdspuren, an den freieren und
lehmigen Uferstellen Löwen- und Leopardenspuren und in dem anliegenden
Walde konnten wir folgende Wildarten theils beobachten, theils deren
Anwesenheit an den frischen Spuren erkennen: Kudu's, Roenantilopen,
Wasserböcke, Buschböcke, Hartebeeste, Gnu's, Giraffen und Zebra's.

Wir waren noch nicht weit das Limpopothal nach aufwärts gefahren, als
wir erstaunt ein Gefährte vor uns erblickten. Es war ein mit Mehl schwer
beladener Wagen, Eigenthum eines Baharutse in Linokana, der den Ertrag
seiner Felder nach Schoschong bringen wollte, um ihn da an die Händler
oder an die Bamangwato's zu verkaufen. Ein auf südafrikanischen Wegen
häufiger Unfall, ein Achsenbruch, nöthigte dem armen Manne an dieser
Stelle einen unfreiwilligen, dreiwöchentlichen Aufenthalt auf, denn so
lange währte es, bis seine Diener aus Linokana Ersatz herbeischaffen
konnten.

Am 22. langten wir an der Mündung des Notuany, eines im westlichen
Maricodistrict des Transvaal-Gebietes entspringenden, nur nach heftigem
Regen und selbst dann nur stellenweise fließenden etwa 150 engl. Meilen
langen Flusses an. Sein Bett ist tief, grubenförmig, und an seinen
bewaldeten Ufern finden sich hie und da große, stets wasserhaltende
Lachen, welche zahlreiche Fische und oft auch Krokodile beherbergen. Zur
Zeit unseres Besuches floß der aus Westen zahlreiche Sand-River
aufnehmende Notuany, und da seine Mündung stark verschilft war, dachten
wir, daß die Saurier nicht über Land in den Fluß gelangen könnten und
gönnten uns an der ziemlich tiefen Furth die Wohlthat eines Bades.

In dem südlichen Winkel der Notuany-Mündung finden wir, wie an mehreren
anderen Stellen im Limpopothale, ein »Dornfeld«, d.h. eine umfangreiche
ebene und humusreiche Strecke, die mit bis sechs Fuß hohen _Acacia
horrida_-Gebüschen bewachsen ist. Es sind dies Strecken, deren
Bodengattung das Herz eines europäischen Landwirthes erfreuen müßten,
die hier aber lange Jahre noch brach liegen werden. Auf meinen Ausflügen
während des zweitägigen Aufenthaltes am Notuany schoß ich einen grauen
Uhu und einen Aasgeier. Thier- und Pflanzenleben boten mir reichlichen
Stoff zu den interessantesten Studien.

Im Jahre 1870 hatte einer der Schoschonger Händler zwei Wägen unter der
Oberaufsicht von drei Colonial-Halbcastmännern und eines ihnen
untergeordneten Bamangwato-Dieners nach Zeerust gesendet. Eine ihrer
Raststellen war an der Furth des Notuany-Flusses. Da es die Wagenführer
für gut fanden, in der Tageshitze nicht zu reisen, so betrug die Rast
mehrere Stunden, welche Zeit sich einer der Halbcast mit einem Ausflug
verkürzen wollte und zu diesem Zwecke von einer Meute Hunde gefolgt auf
die Jagd zog. Längs des Ufers vordringend, sah er sich bald von seinen
vierfüßigen Freunden verlassen, die eine Wildspur aufgenommen zu haben
und ihr nun kläffend zu folgen schienen. Er achtete anfangs nicht
darauf, als es ihm jedoch däuchte, daß sie mit vereinten Kräften auf
eine bestimmte Stelle anschlugen, nahm er diese Richtung auf und näherte
sich vorsichtig derselben. Dichtes Gebüsch, hie und da ein Baum und
hochbegraste Lichtungen bildeten die Scenerie seiner nächsten Umgebung.

[Illustration: Löwe von Hunden umringt.]

Je deutlicher das Gebell ihm entgegendrang, um so rüstiger schritt er
darauf los und sah sich nach einer Viertelstunde einem seltsamen
Schauspiele gegenüber. Von der kläffenden Meute umringt, saß einige
Schritte vor ihm ein ausgewachsener, dunkel bemähnter Löwe, der seinen
mächtigen Schädel bald nach dieser, bald nach jener Seite wendete und
dem das heisere Kriegsgeschrei der Hunde kein besonderes Vergnügen zu
bereiten schien. Der Jäger schlich sich gedeckt durch einen Busch, bis
auf 50 Schritte heran und konnte nun das Zähnefletschen des Löwen sehen
und sein dumpfes Brummen vernehmen. Der Mann legte an, doch in dem
Augenblicke als er losdrücken will, springt der größte der Hunde, der in
Schoschong als ein Hyänenwürger bekannt war, vorwärts, um den König des
Waldes zu fassen. Das arme Thier büßte seinen Muth mit dem Tode, ein
blitzschneller Hieb mit der Pratze schlug ihn nieder. Seine Brust und
der Unterleib zeigten eine klaffende Wunde, aus der die Eingeweide
hingen. Nach allen Seiten stoben daraufhin die Hunde auseinander, auch
des Schützen Hand zitterte fühlbar und er mußte niederknieen, und mit
aller Kraft das Gewehr an die Schulter und Wange pressen, um einen
sicheren Schuß zu erzielen. Der Löwe war aufgestanden und beschnupperte
sein zuckendes Opfer--da traf ihn die Kugel, wie eingegossen saß sie
unter dem Blatte in der Brust und der königliche Räuber fiel auf
derselben Stelle, an der er seinen verwegenen Angreifer getödtet hatte.

Am 24., als wir uns der Marico-Mündung näherten und einige der hier
zahlreichen den Weg kreuzenden, nach dem Limpopo zu führenden engen
Regenschluchten passirten, brach die in Schoschong gezimmerte Achse,
doch gelang es dieselbe noch so weit herzustellen, daß sie bis zur
nächsten Transvaal-Farm Dienste leistete. Am folgenden Tage hatte ich
Gelegenheit, zwei Heerden der schönen, im Buschlande in den Wäldern
nördlich vom Molapo bis in's centrale Afrika wohnenden, hier an
Häufigkeit den südlichen Bläßbock der Grasebenen vertretenden Pallah's
zu treffen. Unsere Weiterfahrt war durch anhaltende Regen gehindert und
da wir noch immer in der Niederung des Limpopo und später jener des
Maricothales aufwärts zogen und es in den letzten Wochen hier ebenso
stark wie in Schoschong geregnet haben mußte, so reisten wir fast die
Hälfte der Strecke hindurch durch Wasserlachen und Sumpfland, ohne
selbst zu unserem Nachtlager eine trockene Stelle ausfindig machen zu
können.

Auf einer großen Wiesenfläche zu unserer Linken (am linken Maricoufer)
wurden wir auf der Morgenfahrt des 26. von einem seltenen Anblick
überrascht. Mehr denn die Hälfte der Au, einige hundert Schritte im
Gevierte messend, glich einem einzigen feuerrothen Teppich, ringsum von
dem üppigen Grün der Wiesenflur und dem dunklen Grün der Mimosen-Büsche
und Bäume umrahmt. Dieses herrliche Bild war durch blühende Aloën
hervorgerufen, welche aus dem Kranze ihrer fleischigen und bedornten
Blätter, die bis drei und vier Fuß hohen, oben armleuchterförmig
verästelten Aehrenblüthen tragenden Stengel emporhoben. In den dichteren
Büschen beobachtete ich manche derselben mit einer schön
schwefelgelbblüthigen Schlingpflanze überladen.

Die Anstrengungen der Reise, die Fieberluft der durchzogenen Gegenden
und die feuchten Nachtlager der letzten Tage blieben nicht ohne Folgen
für meine Gesundheit, am 28. hatte sich mein Zustand derart
verschlimmert, daß wir die Reise unterbrechen mußten. Die allgemeine
Abspannung hatte in einem solchen Grade zugenommen, daß ich nicht im
Stande war, vom Wagen herabzuklimmen, sondern von den Gefährten
heruntergehoben werden mußte. Nach 1½ Stunden trat heftiges Erbrechen
ein, der Kopf schien mir centnerschwer, und ich war unfähig, auf die
Fragen der mich bestürmenden Freunde zu antworten. Allmälig schwand die
Kraft der Sinne und ich verfiel in ein zweistündiges Delirium, aus dem
ich auf einen Moment--Dank der Hilfe meiner Gefährten--erwachte. Die
drei Männer knieten an meiner Seite und frottirten mich mit kühlem
Wasser. Freund E. schluchzte laut und F. lief wie sinnlos umher. Nur
nach der aufopfernden Pflege des um mich besorgten Freundes Eberwald,
und nachdem ich mir, des heftigen Blutandranges zum Kopfe halber, mit
Noth zur Ader gelassen hatte, trat eine merkliche Besserung ein. Die
rührende Sorgfalt und Theilnahme Eberwalds zeigte sich mir bei dieser
Gelegenheit im schönsten Lichte und machte mir den Freund um so werther.
Das eiserne Gebot der Notwendigkeit, die afrikanische Natur, hatten
indeß den besten Einfluß auf meine Genesung, am dritten Tage war ich
wieder so weit hergestellt, daß wir die Reise fortsetzen konnten.

Am 3. verließen wir das eigentliche Thal des Marico[1] überschritten den
Sattel und kamen in einen nur nach dem Marico zu offenen Kessel, der von
dem Betschuanaspruit durchkreuzt, im Süden von der interessanten Gruppe
der Berthahöhen gebildet wird. An ihren südwestlichen Ausläufern liegt
Tschune-Tschune (engl. Tshwene-Tshwene), die Stadt der unter dem
Häuptling Matlapin stehenden Batloka, die auf dem Gebiete Seschele's
liegt, das von der Sirorume-Mündung bis an die Dwarsberge reicht. In dem
Niederwald im Kessel, namentlich gegen Tschune-Tschune, fand ich den
Morula-Baum mit reifen Früchten.

    1: Ich beobachtete am Marico-Ufer Granit- und Gneisfelsen mit
    aufsteigenden mächtigen Quarzadern, die von großen
    Goldglimmerplättchen durchzogen waren.

Am 4. trafen wir im Weichbilde der Stadt ein. Die Stadt selbst war
ziemlich reinlich gehalten. Die Gehöfte und Hütten waren größer und
geräumiger als jene der meisten Betschuana's und hie und da von Gärtchen
umgeben. Auf den Feldern stand nur noch hie und da etwas Korn, Mais und
Kafirzuckerrohr. Ich hielt vor der Stadt, da mir von Batloka's bedeutet
wurde, daß der Morena betrunken sei und es in der Stadt lustig hergehe.
Von dem Hochplateau, aus dem sich der letztgenannte Höhencomplex erhebt,
herabsteigend, fanden wir an dem Abfall desselben in dem harten grauen
Kalksteinfelsen mehrere tiefe Löcher, welche kühles Quellwasser
enthielten. Von diesen Quellen bot sich uns ein überraschender Anblick.
Vor uns lag ein mehrere Meilen breites, leicht bewaldetes Thal, das sich
gegen Osten nach dem Marico zog und im Süden von einem langen bebuschten
und bewaldeten, zahllose Kuppen aufweisenden Höhenzuge, den Dwarsbergen,
begrenzt war. Jenseits derselben lag bereits das Gebiet der
Transvaal-Republik. Den Paß, über den ich die Dwarsberge am 6.
überschritt, nannte ich Schweinfurths-, den nächsten westlichen
Rohlfs-Paß. Von der Sattelhöhe desselben erblickten wir auf einer
namentlich nach Osten gegen den Marico sich ausbreitenden Ebene die
erste Farm. Am jenseitigen Fuße der Höhen begegneten wir einem nach dem
Damaralande auswandernden Boer.

Auf der Farm Brackfontein angelangt, entdeckte ich zu meiner freudigsten
Ueberraschung, daß der Eigenthümer ein Schmied war, und ich nun die
Schäden an meinem Wagen ausbessern lassen konnte. Der Einladung seiner
beiden Söhne, sie auf die Jagd zu begleiten, konnte ich mit Rücksicht
auf meine Reconvalescenz nicht folgen, obwohl der Reichthum der Gegend
an Wild verlockend war. In den dichter bebuschten Partien an den
Dwarsbergen gab es Gazellen und Kudu-Antilopen, in den leicht bewaldeten
Partien an ihrem Fuße und auf den Grasebenen nach Osten und Süden
Heerden der beiden Gnu-Arten, Zebras, Springböcke und zuweilen wurden
auch Säbel-Antilopen und Strauße sichtbar. Fourier, der Farmer, erwähnte
auch, daß Löwen zur Winterszeit die Gegend beunruhigen und erzählte mir
mehrere Jagdabenteuer, von welchen ich eines hier anführen will, das er
und seine benachbarten Farmer im Maschonalande erlebten.

[Illustration: Elephant und Boer.]

Auf einem gemeinschaftlich unternommenen Jagdausfluge im Gebiete der
Tsetsefliege hatten dieselben eine Elephantenheerde aufgespürt; da sich
die Spuren plötzlich theilten, folgte Fourier mit seinen
Matabele-Dienern den zahlreicheren, während sein Freund die riesige
eines männlichen Thieres aufnahm. Er war auch der erste, der seiner
Beute nach einem halbstündigem Marsche ansichtig wurde. Fourier hörte
auch dessen Schuß und kehrte, nachdem sein Bemühen, die Heerde
aufzufinden, erfolglos war, zu seinem Freunde zurück, er fand ihn, doch
nur als Leiche, wieder. Auf den Boden gestreckt, sein Gesicht mit Blut
befleckt, das aus Mund, Nase und den Ohren floß. Vor ihm lag sein
Gewehr[1] mit geborstenem Kolben und etwa 30 Schritte in gleicher
Richtung unter einem Baume der Cadaver eines großen männlichen
Elephanten. Während der Erzählung des Farmers hatte ich eines der
riesigen, unbeholfenen und schweren, stark verrosteten Vierpfünder in
die Hand genommen, die Innenfläche (Backenfläche) war mit Schafwolle
ausgefüttert und mit einer weichen Haut überzogen.

    1: Das Gewehr, von ¼pfündigem Kaliber, wird, da vier Kugeln auf ein
    Pfund gehen, von den Boers Vierpfünder genannt.

Von Brackfontein wandte ich mich am 12. nach Süden, um--das sogenannte
»Bushveldt« (Buschfeld) durchkreuzend--die in dem eigentlichen
Marico-Höhennetze liegende Eingebornenstadt Linokana aufzusuchen.

Ohne vorläufig auf eine nähere Beschreibung des Bushveldts einzugehen,
will ich hier nur erwähnen, daß es von einem bewaldeten Hügelland
gebildet wird, das zahlreiche mit den Dwarsbergen zusammenhängende,
niedere Kämme, sandige Bodenerhebungen, isolirte Hügel und zahlreiche
Thäler aufweist und dessen Boden mit üppigem Grase bewachsen ist. Bevor
ich es durch den Buyspaß (Buysport) verließ, berührte ich die Farmen
Markfontein, Sandfontein, Witfontein. Der Eigenthühmer der
erstgenannten, Zwart, hatte die ziemlich umfangreiche, große Farm um 300
£ St. erstanden. Auch Zwart war ein alter Elephantenjäger und hatte das
Damaraland und die Zambesi-Fälle auf seinen Streifzügen besucht. In
Sandfontein wohnte in einem Hartebeest-Häuschen ein Holländer, der für
Herrn Taylor, den Kaufmann bei Seschele, die Verfrachtung der Waaren
besorgte. Wir wurden von ihm und seiner freundlichen, alten Mutter,
trotzdem daß er hier nur mit den Seinen periodisch einige Tage im Monat
wohnte, auf das Beste bewirthet.

[Illustration: Buysport, Felsenthor im Bushveldt.]

Abends erreichten wir den erwähnten Buysport (Paß) und überschritten ihn
am folgenden Tage (15. März). Der Buyspaß gehört zu den anziehendsten
Partien des Marico-Höhennetzes. Ein Spruit, der in kleinen, tiefen
Lachen das ganze Jahr hindurch Wasser in seinem felsigen Bette birgt,
muß einigemal gekreuzt werden, und wenn auch das Fortkommen dadurch sehr
erschwert wird und die größte Vorsicht erheischt, so bietet sich dem
Auge in dem bald von bewaldeten, bald schroff abfallenden oder
stufenförmigen Felsenblöcken eingeengten Flußthale ein so pittoreskes
und schönes Bild dar, daß man die Mühen der Reise durch den Paß nicht
scheut, und dies um so mehr, als der Naturfreund sich reichlich belohnt
findet.

[Illustration: Baharutse Wasser schöpfend.]

Buschböcke, Roibock-Gazellen, Klippspringer, Paviane und Meerkatzen
gehören nebst kleineren katzenartigen Raubthieren und dem Hyrax zu den
gewöhnlicheren Erscheinungen unter den größeren Vierfüßlern, doch trifft
man auch zuweilen Leoparden, Luchse und Kudu's. Der Reichthum an Vögeln,
Schlangen, Insecten und Pflanzen ist überraschend. Nebst dem schon hie
und da erwähnten Wildgeflügel--mit Ausnahme der Trappen und der
trappenähnlichen Otis--fand ich Wachteln, zwei mir neue Drosselarten,
einen Wendehals, zwei Mandelkrähen-Arten etc.

Das Hochplateau, das wir nach Passirung des Passes betraten, war ein
herrliches Wiesenland und von zahlreichen bebauten Flächen bedeckt, nach
Westen und Osten senkt es sich zu den Notuany- und Zeerust-Höhen herab.
Diese Höhen einige Meilen in südwestlicher Richtung herabfahrend, kamen
wir in das Thal des obern Notuany, das von dem unmittelbar vor uns
einmündenden Matebethal durch einen Höhenzug theilweise getrennt und zur
Hälfte seiner Ausdehnung bebaut war. Diese Felder bildeten das
Wahrzeichen Linokana's, einer Baharutsestadt, von deren blühendem
Ackerbau ich schon in Moschaneng, Molopolole und an anderen Orten
vernommen hatte. Der Notuany, den wir einige Meilen oberhalb seiner
Quellen überschritten, floß in einem grabenförmigen Bette und war mit
einigen Holzstämmen neu nothdürftig überbrückt, über welchen höchst
primitiven und gefährlichen Bau wir den Wagen übersetzen mußten. Wir
fuhren in das Thal des Matebeflüßchens und kamen bald in den Thalkessel
von Linokana, in dessen Mitte, sowie an dessen nördlichem und östlichem
Rande der Höhen die gleichnamige Eingebornenstadt erbaut ist.

In den zahlreichen Schilfrohrdickichten am Matebeflüßchen macht sich
eine reiche Thierwelt bemerklich. Der Abend und der Morgen sind die
Zeiten, an denen wir ihrem Treiben lauschen, die graue Wildkatze im
Beschleichen der Schnepfen und der langschwänzigen Capfinken, den
Wasserleguan und seltener auch den Caracal beobachten können, den
letzteren doch nur dann, wenn es ihm in seinem Felsengeklüfte an Nahrung
gebricht und er sich gezwungen sieht, in das Thal herabzusteigen, wo ihm
dann die Schilfrohrdickichte reiche Beute und einen sicheren
Schlupfwinkel bieten.

Gleich beim Betreten des östlichen Thalkessels fällt uns neben den
wohlbebauten Feldern eine dichte Baumgruppe am nördlichen Ende der Stadt
auf, aus welcher Baumgruppe sich namentlich einige schlanke und weithin
sichtbare Eucalyptus-Bäume[1] bemerkbar machen. Sie beschatten mehrere
im europäischen Style erbaute Häuschen, die einem freundlichen und
zuvorkommenden Manne als Wohnstätte dienten, der mit seinem Beispiele so
wohlthätig auf die Baharutse eingewirkt hat, daß diese jetzt unter den
Transvaal-Betschuana's die bedeutenden Ackerbauer und wohl auch die
wohlhabendsten sind. Thomas Jensen ist der Name dieses Missionärs, ein
Mitglied der Hermannsburger Missionsgesellschaft; er nahm uns freundlich
auf, führte mich zum Häuptling Moilo (oder Moiloa) und zu den anderen an
den Bergen wohnenden Häuptlingen, Tschukuru etc. Moiloa war eine hohe
Greisengestalt, freundlich, obgleich mit harten Gesichtszügen, er war
ein treuer Unterthan der Transvaal-Republik, besorgt um das Wohl seiner
Unterthanen und überragte in mehrfacher Hinsicht die Herrscher der
Nachbarreiche. Er stellte mir seine Söhne vor, von denen er keinen der
Nachfolge auf den Thron fähig bezeichnete, übrigens war der in
Moschaneng lebende Sohn eines verstorbenen Verwandten, als Ursprosse des
alten Königshauses aller Betschuana's, der Baharutse in Linokana, der
rechtmäßige zukünftige Häuptling.

    1: Dieselben hatten bei einer Höhe von über 60 Fuß einen
    Stamm-Durchmesser von zwei Fuß.

In jedem größeren Gehöfte in der Stadt fand ich einen Pflug und überall
ragten Wagendächer zwischen den kegelförmigen Grasdächern hervor. Dem
Rathschlage Rev. Jensens folgend, haben es die Baharutse verstanden, die
an den westlichen Höhen des Thalkessels entspringende Quelle des
Matebeflüßchens auszunützen; sie wird theilweise durch die Stadt, doch
auch in mehreren Armen durch die Felder und Obstgärten geleitet und
sowohl zur Bewässerung des angebauten Landes, als auch als Wasserleitung
für häusliche Zwecke in Anspruch genommen. Die erwachsene männliche
Bevölkerung zahlte zehn Shillinge Kopfsteuer an die Transvaal-Republik
und war im Kriegsfalle verpflichtet, Männer und Zugthiere beizustellen.
Rev. Jensen war mit der Inempfangnahme der Kopfsteuer betraut und
lieferte sie an die Regierung ab, wofür ihm keine Vergütung irgend einer
Art zu Theil wurde, obgleich er jährlich an 400 £ St. abgab.

Um das Missionsgehöfte ziehen sich die Gärten und Felder, in denen Mais
und Weizen angebaut wird und Pfirsiche, Aprikosen, Birnen, Feigen,
Orangen und Zitronen gedeihen, deren Ertrag eine willkommene Beisteuer
zu dem allzu bescheidenen Gehalt des Missionärs bildet. In dem kleinen
Blumengärtchen begrüßten wir alte Bekannte aus der trauten Heimat, da
gab es mehrere Arten von Rosen, theils einzeln, theils als Hecken
gezogen, Schwertlilien, die buntfarbigen, duftenden Nelken, den
Pfeifenstrauch, verblühte Tulpen, Hyazinthen etc.

Das Familienleben des Missionärs unter den hohen Bluegum-Bäumen am
Matebeflüßchen glich einer stillen, glücklichen Idylle, und war um so
beachtenswerther, als sie den dunklen Nebenmenschen ein leuchtendes
Vorbild war. Rev. Jensen theilte uns auch mit, daß sicheren Nachrichten
zufolge, die über Capstadt von Zanzibar gekommen waren, Livingstone
einem Ruhr-Anfall am Bangweolo-See erlegen sei, was unsere allgemeine
Freude über die freundliche Aufnahme nicht wenig trübte. Von Rev. Jensen
erfuhr ich, daß der erste Begleiter Livingstone's auf seinen
Missionsreisen in Linokana noch lebe.

Der Häuptling Moiloa beklagte sich bei mir durch Rev. Jensen über das
Betragen einiger Weißen, die in die Stadt gekommen waren, namentlich
eines Photographen von Gewerbe (eines Amerikaners) und eines Engländers,
der sich C.H. nannte. Rev. Jensen berichtete mir eine höchst
interessante Heilung von Schlangenbiß, die er an einem Bewohner
Linokana's beobachtet hatte. Ein Mann war während des Holzfällens von
einer Cobra gebissen worden. In seiner Angst laut schreiend, ließ er
Beil und Pfähle im Stiche und lief aus Leibeskräften über Stock und
Stein nach dem Missionshause zu. Verwundert sieht Jensen einen über und
über mit Schaum bedeckten Mann heranstürzen, der, bei ihm angekommen,
vor Ermattung niederfällt und kein Wort zu stammeln im Stande ist. Als
er nach einiger Zeit zu sich kommt und die Wunde vorzeigt, war ihre
nächste Umgebung nur etwas geschwollen, allein der Mann fühlte sich ganz
wohl und ward gesund, ohne ein Medicament genommen zu haben. Der heftige
und reichliche Schweiß hatte zweifellos das Gift aus dem Körper
getrieben.

[Illustration: Scene aus dem Leben der Baharutse.]

Die Baharutse besitzen zahlreiche Heerden, obgleich sie jährlich eine
bedeutende Anzahl durch die herrschende Lungenseuche verlieren.[1]

    1: Nur durch von der Regierung erlassene Maßregeln und durch die
    Einführung von Acid. sulphuricum dilutum als Specificum, wird man
    mach meinem Dafürhalten diesem Uebel kräftig entgegenwirken und
    damit ein großes Capital, das jährlich im Transvaal-Gebiete nutzlos
    verloren geht, vielleicht retten können.

Linokana (=ein kleiner Fluß--Li=der--noka=Fluß--nokana=Flüßchen) wurde
früher, aber nur zu Lebzeiten des Häuptlings Moiloa und ihm zu Ehren
Moiloa genannt. Für den Sammler ist, wie Karl Mauch dies bestätigt hat,
ein mehrwöchentlicher Aufenthalt in Linokana sehr lohnend. Mit Ausnahme
der Mamalia sind naturhistorische Objecte aller Art reichhaltig
vertreten.[1] Die Höhen, von denen der nördliche der To- (Elephanten-),
der östliche Po- (Büffel-) Berg genannt werden, die Wiesen und
morastigen Partien des Matebethales, die bewaldeten des Notuany zeigen
eine große Reichhaltigkeit an Vögeln, unter denen namentlich Raubvögel,
langschwänzige Finken, Bienenfänger, grünliche Tauben und Purpurreiher
etc. auffallen.

    1: Eisenhaltiger Schiefer sowie der harte graue Transvaal-Kalkstein
    mit Kalkspath, Blei-, Eisen-, und Kupfererzen durchschlossen und
    ganze Hügel von Petrefacten, der letzten Periode angehörend, welche
    deutlich auf ein Vorhandensein heißer Quellen schließen lassen,
    werden die mineralogischen Sammlungen bereichern.

In früheren Zeiten hatte Moiloa große Treibjagden veranstaltet, welche
auf der westlichen Hochebene abgehalten wurden. Er ließ große Flächen
derselben umzingeln und die Treiber das aufgescheuchte Wild gegen den
Abfall der Hochebene nach Linokana zu treiben, wo es von den Schützen
erwartet und zum großen Theile erlegt wurde.

Am 16. verließ ich Moiloa's freundliche Ackerbauer und schlug eine
südliche Richtung ein, um nach Zeerust zu gelangen. Wir kamen am selben
Tage bis zur nächsten schönen Farm, die dem Fieldeornet Martin Zwart
gehörte, und den wir eben mit der Destillation von Pfirsichbranntwein
beschäftigt fanden. M. Zwart besaß hier zwei Farmen, hatte mehrere an
der Grenze verkauft und befand sich trotzdem in keineswegs rosigen
Verhältnissen. Gleich vielen anderen einst wohlhabenden Farmern ließ die
leidenschaftlich betriebene Jagd auch ihn nicht aufkommen. Er war 21
Jahre lang Jachter (Jagter-Jäger) gewesen, während welcher Glanz- und
zugleich Verarmungsperiode er 294 Elephanten erlegt hatte.

[Illustration: Südafrikanische Trappe.]

Im Notuanythal aufwärts zu den Quellen dieses Flusses ziehend, unternahm
ich eine Excursion, nach der Farm des Oosthuisen, der hier mit mehreren
Verwandten in einem schönen Thalkessel wohnte. Seine Farm ist
nennenswerth reich an Kupfererzen, welche auch hier zuvor von den
Eingebornen gewonnen, geschmolzen und zu Armringen etc. verarbeitet
wurden; ebenso wie man an den Höhen unfern der Matebequellen bei
Linokana Stellen findet, an denen Eisenerze in ähnlicher Weise
verarbeitet wurden. Oosthuisen beschäftigte sich namentlich mit Mais-,
Weizen- und Tabakbau und dem Gerben von Thierfellen, die er den aus dem
Inneren heimkehrenden Jägern abgekauft hatte. Nach Zwarts Farm
zurückgekehrt, fuhren wir zwei Stunden später in das nahe liegende
Zeerust, den Sitz der Behörde für den District Marico. Damals nur aus
circa 40 Häusern bestehend, hatte das Städtchen eine mit hoher Mauer
umfriedete holländische Kirche, welche bei der früheren Unsicherheit der
Gegend, der holländischen Bevölkerung der nächsten Umgebung als
Zufluchtsort diente.

[Illustration: Tschukuru, Häuptling der Baharutse.]

Zeerust liegt am kleinen Marico, der sich nach Osten durch die Höhen
Bahn bricht, um sich mit dem großen Marico zu vereinigen. Der
Marico-District ist zum größten Theile ein von zahlreichen fließenden
Bächlein und Flüßchen durchzogenes und äußerst fruchtbare Thäler
besitzendes Höhenland, das auch verhältnißmäßig besser als die meisten
übrigen Transvaal-Districte angebaut ist. Ein Theil ist mit einem
Mimosen- und anderem Niederwald bedeckt und in seiner Gesammtheit ein
gutes Weideland für Pferde und Rinder. Die Farmen stehen hier auch
dichter und wir sehen die Gartencultur ziemlich schwunghaft betrieben,
daß wir jedoch trotz Allem die Wohlhabenheit nur auf gewisse Farmen
concentrirt fanden, rührt daher, daß sich die Besitzer der meisten
derselben der Elephantenjagd ergeben hatten und dabei die Erträgnisse
des fruchtbaren Bodens an dieses so beschwerdenreiche Vergnügen
vergeudeten. Das von den Betschuana-Königen erlassene Jagdverbot wird
diese Jäger zwingen, daheim bei ihren Pflügen zu bleiben, was ihre
materielle Lage heben und in einigen Jahren dem Reisenden nur ein Bild
allgemeiner Wohlhabenheit im Marico-District bieten wird.

Am 19. verließ ich Zeerust im Thale des kleinen Marico aufwärts nach
Süden. Nachdem wir eine Anzahl von Farmen, die theils im Thale und in
den Seitenthälern, theils an den Abhängen liegen und Quarifontein,
Quaggafontein, Kafirkraal, Graffel und Deukfontein etc. heißen, passirt
hatten, gelangten wir auf das Hooge-Veldt (Hohe Feld), eine der größten
Grasebenen des südafrikanischen Hochplateaus. Im Osten waren die
Zwart-Ruggens (schwarzen Höhenrücken) sichtbar. Die wildreiche Ebene ist
der östliche Theil der zwischen dem Molapo- und dem Hart-River liegenden
Wildebenen jenes Hochlandes, in dem der Hart-River, der Molapo und der
Marico mit vielen ihrer Nebenflüsse entspringen und denen der bei
Wonderfontein beschriebene und sonst oft erwähnte graue
Transvaal-Kalkstein als Grundlage dient. Auf diesem Hochplateau, dem
östlichen Theil des Hooge-Veldt, stießen wir blos auf zwei Farmen, Pit-
und Witfontein, welche in kleinen Vertiefungen lagen, die nach dem
Hart-River zu führen schienen.

Auf einer der Farmen klagte mir der Eigenthümer über die Dreistigkeit
der Hyänen. Eine solche war einige Wochen zuvor Abends, als der
Eigenthümer in der Stube saß, in dieselbe eingedrungen. Der Mann, der
eben eine holländische Zeitung las, dachte, es sei ein Hund, als ihn
sein unter dem Tische liegender Hund, der auf den frechen Eindringling
lossprang, eines Anderen belehrte. Auf Pitfontein fanden wir Löwenspuren
und die Söhne des Farmers erzählten uns, daß eine der in dem umzäunten
Felde arbeitenden Barolong-Dienerinnen zwei Tage zuvor, Früh am Morgen
einen Löwen gesehen hätte. Auch war am selben Tage eines ihrer Kälber im
»veldt« (auf der Ebene) von einem Löwen getödtet gefunden worden. Nach
diesen Mittheilungen zu schließen, mußten es Löwen vom Maretsane- und
Konanaspruit gewesen sein, welche vom Westen her ähnliche Besuche diesen
Farmen und den wildreichen Ebenen abzustatten pflegten.

Auf Witfontein klagte man über die Unverschämtheit eines Mannes, der in
Potschefstroom wohne und zeitweilig das Land bereise, um unter dem
Vorwande, neue Quellen aufzufinden, den Bauern schweres Geld ablocke.
Nach der Beschreibung der Leute hatten wir dem Mann begegnet, als wir
eben das Hochplateau betraten. Es war ein verschmitzt aussehender Alter,
das Prototyp eines echten Transvaal-Raubritters, mit einem
hoffnungsvollen Sprossen und einem Betschuana, der den zweirädrigen von
zwei Ochsen gezogenen Karren lenkte.

Am 22. März begannen wir allmälig herabzusteigen und betraten das Thal
des Makoksspruit, an dem Makoks-(Eingebornen-)Kraal liegt. Im Thale fand
ich eine Farm und in dem Farmer den Verwandten eines Mannes, den ich in
den Diamantenfeldern behandelt. Obgleich sehr verarmt, bemühten sich die
Leute uns zu bewirthen. Am folgenden Tage erreichten wir das Thal des
oberen Schoenspruit, der reichlich floß und in dessem Thale sich eine
Farm an die andere reihte. Zwischen dem Schoenspruit und Potschefstroom
hatten wir mehrere flache Höhenrücken zu überschreiten, welche
südwestliche Ausläufer des Hooge-Veldts sind und die Moi-River und
Schoen-Zuflüsse begleiten.

Unter den in meinem Tagebuche verzeichneten Löwenjagden finde ich
einige, welche sich auf dem Terrain zwischen Zeerust und Potschefstroom
abspielten. Die interessanteste derselben, welche mir in dem Urwalde des
östlichen Bamangwatolandes von dem im Jakobsdaler District ansässigen
Elephantenjäger David Jakobs mitgetheilt wurde, will ich hier
wiedererzählen.

Im Jahre 1863, während der in der Transvaal-Republik herrschenden
Unruhen hatten sich auch die Bewohner des Marico-Districtes an denselben
betheiligt und so war ein Haufen der Farmer zu Pferde nach
Potschefstroom abgezogen. Unter diesen befanden sich die zwei berühmten
Elephantenjäger J.W. van Viljoen und Pit Jakobs, dann der Erzähler und
17 andere Boers. Auf ihrem Wege dahin waren sie bis zu Makoks-Kraal
gekommen, als unweit desselben die Reiter nahe am Wege eine
ausgewachsene Löwin im hohen Grase liegen sahen. Viljoen, ein Löwenjäger
à la Gordon leitete den sofortigen Angriff ein und die übrigen, seine
Erfahrenheit in diesen Dingen wohl kennend, fügten sich willig. Er ließ
absatteln, die Pferde mit den Zügeln aneinander binden und dann die
Männer mit ihren Gewehren eine Stellung zwischen dem Raubthiere und den
Pferden einnehmen, in dieser waren sie etwa 100 Schritte von demselben
entfernt. Viljoen erlaubte sich bei solchen Gelegenheiten immer einen
Spaß; so oft er mit Jemandem jagte und dabei zufällig einem Löwen
begegnete, stellte er immer den Muth seines oder seiner Begleiter auf
die Probe. Van Viljoen, der seitlich von seinen Begleitern stand,
benützte den Moment, wo deren Augen auf die Pferde gerichtet waren, um
sich nach der Löwin zu wenden, und um sie herauszufordern, eine Kugel
über sie hinwegfliegen zu lassen. Seine Absicht gelang vollkommen. Die
Löwin kam zähnefletschend bedächtig herangeschritten. Auf 40 Schritte
Entfernung traf sie der Schuß eines der Jäger am Ohr und nun kam sie
rascher heran. Als das Raubthier die Entfernung schon um 20 Meter
verkürzt hatte, geriethen die Männer in's Schwanken--Viljoen stand ruhig
etwa 18 Meter von dem Thiere entfernt und fixirte bald das Thier, bald
die auf dasselbe gerichteten Mündungen der Gewehre seiner Genossen--da
blitzte es auf, sechs Schüsse fielen und die Löwin that keinen Schritt
näher--fünf Kugeln waren ihr in die Brust gedrungen.

»Nun, da haben sich Deine Freunde wacker gehalten,« sagte ich zu David
Jakobs.

»Nun, es war nicht so arg mit ihnen, denn als die Löwin näher kam,
kehrten sich einige von ihnen nach den Pferden um, d.h. sie wollten sich
empfehlen, allein die Pferde, welche die Löwin gewittert, hatten sich
ängstlich aneinander gepreßt und waren um volle 20 Schritte
zurückgewichen, so mußten die Genossen bleiben, die Löwin hätte ihnen
den Rückzug abgeschnitten.

Auf dem Wege vom Schoenspruit nach Potschefstroom entdeckte ich auf der
ersten Höhe ein interessantes Felsenthor und mehrere senkrecht aus der
Erde meist halbkreisförmig aufsteigende, kammförmige Quarzit-Wälle. Die
zwischen denselben gelegene Farm führt den Namen Klip-Port und eine der
nächsten Farmen Klip-(Stein-)Fontein; auch hier fand ich massenhaft
schönen, ein wellenförmiges Geschiebe bildenden mit Quarzit
durchschossenen Eisenschiefer, wie wir es an den Quarzitfelsen auf
Klip-Port beobachtet. Auch weiterhin gegen Potschefstroom zu, hatten wir
enge Thäler und felsige Höhen zu überschreiten.

Am selben Tage Nachmittags langten wir in Potschefstroom an. Meinem
Vorhaben gemäß verkaufte ich daselbst zwei Zugthiere, da mein Baargeld
völlig erschöpft war. Freund E. und B. sagten mir hier Lebewohl, um sich
nach den in Schwung gekommenen Goldfeldern des Leydenburger Districtes
zu begeben und ihr Glück, das sie vergebens in den Diamantenfeldern
gesucht, nochmals zu erproben; auch F. verließ mich hier.

Am 28. brach ich von Potschefstroom auf und erreichte Tags darauf
Klerksdorp. Auf dieser 34 englische Meilen langen Strecke begegnete ich
auffallend vielen Wägen. Es waren Kaufleute und Diamantensucher, sowie
Kantinjers, welche Leydenburg mit den Diamantenfeldern zu vertauschen
gesonnen waren und nun nach Gold lechzten, ebenso wie kurz zuvor
Diamanten ihr Losungswort war. Ich verließ Klerksdorp noch am Abend
desselben Tages und fuhr bis zum Estherspruit.

Am 30. begegneten wir der Passenger cart, dem zwischen den
Diamantenfeldern und Leydenburg verkehrenden, auch die Transvaalpost
befördernden Omnibus.

An der Furth des Maqwasispruit wurde mir eine angenehme Ueberraschung
bereitet. Die Zugthiere an der Tränke beaufsichtigend, schlug plötzlich
der Ruf: »Doctor, mein Gott, Doctor, sind Sie es?« an mein Ohr. Ich sah
auf und blickte in das freundliche Gesicht der Frau P., eine jener
Frauen, in deren Höfchen ich in Dutoitspan am Hill gewohnt. Sie war
immer so gütig gegen mich, daß ich sie Mutter nannte. Ihr Mann wie ihr
Bruder hatten sich aufgemacht, um ihr Glück, das sie in den
Diamantenfeldern vollkommen im Stich gelassen, nun in den Goldfeldern zu
versuchen.

Am 1. April überschritt ich den Bamboesspruit und 17 Meilen unterhalb
Christiana den Vaal an Blignauts (sprich Blechnots) Fähre und langte am
7. April 1874 in Dutoitspan an. Die Gesammtauslagen dieser zweiten Reise
überstiegen 9000 fl. Unter den mitgebrachten, mehr als 20 Kisten
füllenden Gegenständen waren die ethnographischen Objecte, 400 an der
Zahl, am besten vertreten, ihnen folgten, der Zahl und dem Werthe nach:
Insecten, Pflanzen, Hörner, Reptilien, Säugethierfelle, Mineralien,
Vogelbälge, anatomische Präparate, Spinnen und Krustenthiere,
Weichthiere und Versteinerungen. Auch in kartographischer Hinsicht
konnte ich während dieser zweiten Reise der Aufnahme meiner Routen mehr
Muße widmen; leider verhinderten mich theils Wassermangel, theils
verschiedene Unfälle, die der geehrte Leser bereits kennt, an einer
umfassenderen Verwirklichung meiner diesbezüglichen Absichten.




XIII.

Dritter Aufenthalt in den Diamantenfeldern.


So war ich denn zum dritten Male in Dutoitspan angelangt, gleich wie
nach meiner ersten Ankunft in den trostlosesten pecuniären
Verhältnissen. Gleich am Tage nach meiner Ankunft wurde mir von einem
Attorney (Notar) das Good for zur Zahlung präsentirt, das ich vor der
Abreise für den später entlaufenen M. gegeben und hatte bald darauf den
weiteren Betrag von 117 £ St. zu bezahlen. So mußte ich denn die meisten
Carossen und Straußenfedern sowie meinen Wagen und Gespann um jeden
Preis losschlagen. Auch in anderer Hinsicht hatte ich mit manchen
Schwierigkeiten zu kämpfen, umsomehr, als es länger denn einen Monat
währte, bis ich mir wieder eine nennenswerthe Praxis verschafft hatte.

Ich miethete mir in einer der Nebenstraßen Dutoitspans ein aus Lehm
aufgeführtes, aus einem Zimmer bestehendes, mit galvanisirtem Eisenblech
gedecktes Häuschen, dem eine aus gleichem Material errichtete Bude
angebaut war, zu welchem auch ein Hof mit einem Brunnen und ein nach
zwei Seiten hin offener Pferdestall gehörte und bezahlte für diese
weitläufigen Appartements 5 £ St. monatliche Miethe. Im Juni hatte ich
mir wieder eine ansehnliche Praxis erworben und war genöthigt, mir ein
Reitpferd, einen Monat später zwei Ponnies zu einem Cabriolet
anzuschaffen. In den Wintermonaten des Jahres 1874 gab es eine böse Zeit
für die Central-Diggings, die Masern waren ausgebrochen, 40 Visiten
täglich waren mehrere Wochen hindurch an der Tagesordnung, manche Woche
stieg die Zahl derselben auf 52.

Mit dem Aufblühen meiner Praxis begannen bei mir auch schon die
Vorbereitungen zu meiner dritten und großen Reise. Ich schaffte mir
einen neuen Wagen und zehn ausgesuchte, kräftige Zugthiere an; von allen
Seiten trugen sich mir Begleiter an, doch diesmal hatte ich es mir
vorgenommen, mit der größten Vorsicht meine Auswahl zu treffen.

Eine große Erleichterung während meines dritten Aufenthaltes in den
Central-Diggings erfuhr ich durch meinen Cap'schen Halfcast-Diener mit
Namen Jan van Stahl, der englisch und holländisch schreiben konnte, es
auch bald begriff, mir die Medikamente bereiten zu helfen und überdies
ein ausgezeichneter Eincassierer war. In einem der vielen Kaufläden
lernte ich einen jungen Commis kennen, der mir seine Berufsgenossen an
Bildung zu überragen schien und auch sonst ein einnehmendes Wesen hatte.
Ich machte ihm daher, als ich mich seines Charakters versichert hielt,
den Antrag, mit mir zu gehen, und einen Monat darauf kam er auch
thatsächlich zu mir, da sein Brodherr das Geschäft aufgegeben hatte.
Theunissen, so hieß mein neuer Gefährte, wurde bald mein Freund, und
obwohl wir über ein Jahr bei einander wohnten und lebten, hatte ich mich
nicht eher ernstlich über ihn zu beklagen, als am Zambesi, woselbst er
mich im Stiche ließ, da er der ihm vom Fieber drohenden Gefahr entgehen
wollte. In Dutoitspan hatte er sich bald in das Zubereiten der
Medicamente gefunden und da er eine ziemlich gute Kenntniß der
Landwirthschaft besaß, war mir oft sein Rath, namentlich was die Wahl
der Zugthiere etc. betraf, von nicht unerheblichem Nutzen. Der Diener
van Stahl hatte keine Lust mit in's Innere zu reisen--die Löwen waren
ihm zu schreckliche Gestalten--dagegen entschloß sich der Hirte Pit
Dreyer mitzugehen.

Vor und während der Zeit meines dritten Aufenthaltes hatten die
Verhältnisse in den Diamantenfeldern einen großen Umschwung erfahren.
Mehr denn ein Viertel der einstigen weißen Bevölkerung hatte sie
verlassen, war nach der Colonie, nach dem Oranje-Freistaat (ihrer
früheren Heimat), nach Europa etc. zurückgekehrt oder nach den
Transvaaler Goldfeldern ausgewandert. Man begann namentlich in Kimberley
größere Sorgfalt auf die eisernen und hölzernen Wohnungen zu verwenden.
Doch zeigte sich ein guter Theil der Bevölkerung mit dem ersten
Gouverneur der Provinz unzufrieden, welche Mißstimmung während meiner
dritten Reise zu einer Revolte ausartete. Die Diamanten waren im Preise
seit dem Jahre 1872 gesunken, da aber dies nicht mit den Claims der Fall
war, verwendete man größere Capitalien und bessere Maschinerien, um der
Edelsteine habhaft zu werden.

[Illustration: Mein Wohnhaus in Dutoitspan.]

Vor dem Antritte meiner dritten Reise begab ich mich im November 1874
nach dem Vaal-River und schlug hier, Delportshope und der
Hart-Rivermündung gegenüber, zu meiner Erholung für 14 Tage mein Lager
auf. Kleine Jagdausflüge und das Sammeln naturhistorischer Objecte
füllten diese Tage bald aus.

[Illustration: Koles-Kopje im Jahre 1875.]

Nach Dutoitspan zurückgekehrt, erhielt ich aus Prag die erfreuliche
Nachricht, daß die auf der ersten Versuchsreise und während meines
Aufenthaltes in den Diamantenfeldern gesammelten Objecte, mit Ausnahme
einiger beschädigter Vogelbälge und Insecten, vollkommen erhalten in der
Heimat eingetroffen waren.

Ich hatte mich mit Kleidern auf 2½ Jahre, mit Lebensmitteln auf zehn
Monate versehen, in den wildreichen Gegenden hoffte ich genügende Mengen
Fleisch zu gewinnen, um nicht Noth zu leiden. Schließlich traf ich
Vorsorge, daß mir meine Correspondenz nach Zeerust im Marico-District
nachgesendet werde.




Anhang.


1) Das Museum, um dessen Gründung und Hebung sich namentlich die Herren
Grey, Fairbridge und der frühere österreichische Consul, Herr Adler,
hohe Verdienste erworben haben, steht mit seiner Hauptfaçade dem
Tafelberge zugewendet. Es enthält theils inländische, theils auch
eingetauschte oder geschenkte ethnographische und naturwissenschaftliche
Gegenstände, ferner eine kleine Gemäldesammlung und eine bedeutende
Bibliothek. Aus der Vorhalle, in der dem Besucher der ausgestopfte Balg
eines aus der südlichen Polarzone herrührenden See-Elephanten und
Gemälde von den Victoriafällen des Zambesi besonders in die Augen
fallen, tritt man zur rechten in die Bibliothek, zur Linken in den
großen Saal ein, der zwei Gallerien aufweist, und die ethnographischen
und zoologischen Sammlungen enthält. Die ersteren sind ziemlich
bedeutend, von den letzteren namentlich die Sammlung afrikanischer
Mamalia, Aves, Crustaceen und Lepidoptera nennenswerth. Das Museum steht
unter der Leitung eines Kurators, R. Trimen, welcher sich nicht nur um
das Museum große Verdienste, sondern auch als Erforscher der
südafrikanischen Lepidoptera einen Weltnamen in diesem Fache erworben
hat. Auch der sich anschließende botanische Garten ist in jeder
Beziehung nennenswerth, wenn er auch vielleicht nicht so viel zur
Pflanzencultur beiträgt als wie jener in Grahamstown, der unter den
sogenannten botanischen Gärten Süd-Afrika's, deren es mehrere gibt, wohl
der bedeutendste ist. Diese Gärten sind wie in Europa theils vom Staate,
theils von den Städten, in deren Nähe sie errichtet sind, theils durch
freiwillige Beiträge unterhalten und sollen Erholungsorte vorstellen,
wobei jedoch auch besondere Rücksicht auf Pflanzen- und Baumcultur
genommen wird, so daß aus ihnen die für öffentliche Anlagen und neu zu
errichtende botanische Gärten nöthigen Setzlinge bezogen werden und sie
auch im Stande sind, den Bedarf an Pflanzen, Sträuchern und Bäumen für
Privatgärtner und Farmer zu decken. In diesen Gärten werden jedoch auch
exotische Gewächse mit vorzüglichem Erfolge cultivirt und gedeihen
namentlich australische Baumarten, ferner Gewächse aus Mauritius,
Madagaskar und Süd-Amerika. Vor Allem scheinen namentlich die
australischen Eucalyptus-Arten sehr gut fortkommen zu wollen.

2) Port Elizabeth ist der bedeutendste Hafenplatz in der Cap-Colonie,
dann folgt Capstadt, East London, Port Alfred etc., und ist der Handel
in demselben meist in den Händen englischer und deutscher Kaufleute. Bei
meiner Ankunft im Jahre 1872 wurden aus Port Elizabeth in der ersten
Jahreshälfte 280.000 Centner Schafwolle im Werthe von 2,500.000 £ St.,
Diamanten im Werthe von über 1,000.000 £ St., Elfenbein und
Straußenfedern im Werthe von über 100.000 £ St., Felle und Häute im
Werthe von über 300.000 £ St., ferner:

                        im zweiten Quartale des Jahres
                              1878         1879
Aloë   .  .  .  .  .         9.150        3.625 Pfund
Mehl      .  .  .  .            --        5.000   "
Hafer     .  .  .  .         4.500          120   "
Straußenfedern     .        15.403       15.347   "
Eingesalzene Fische          1.000           --   "
Angorahaar      .  .        79.555      268.690   "
Rindshäute      .  .        17.476       14.172 Stück
Rindshorn       .  .        23.519       34.208   "
Pferde    .  .  .  .            --          188   "
Elfenbein    .  .  .        30.771       12.258   "
Schaffelle   .  .  .       250.922      203.741   "
Ziegenfelle  .  .  .       147.798       89.680   "
Branntwein      .  .            --           15 Gallonen
Castantia-Wein     .            --           76   "
Wolle     .  .  .  .        57.753.42    66.036.66 Centner
im Werthe von      .       524.730      509.538 £ St. ausgeführt.

Die Zoll-Einnahmen dieses Hafenamtes betrugen im Oktober 1879 39.915 £.
St.; gewiß eine sehr beträchtliche Summe, wenn man bedenkt, daß Port
Elizabeth kaum 20.000 Einwohner besitzen dürfte.

3) Bezüglich ihrer Lage gilt Grahamstown oder die Stadt der »Settlers«
als die schönste Stadt der Cap-Colonie. Malerisch breitet sie sich an
den Ufern des Oberlaufes des Kowieflüßchens am Abfalle der ersten Stufe
des südafrikanischen Hochplateaus aus. Grahamstown ist der Sitz eines
katholischen und englischen (Hochkirche) Bischofs und besitzt mehrere
Bildungsanstalten. Es ist mit Port Elizabeth durch die Bahn verbunden
und soll nun auch mit seinem Hafen Port Alfred durch einen
Schienenstrang in engere Beziehung treten, welcher der Stadt große
Vortheile bieten würde. Unter den Sehenswürdigkeiten steht der
Cathedralthurm obenan (an der Kirche selbst wird gebaut), es ist der
schönste in Süd-Afrika und mit den größten Glocken versehen; um die
Förderung des Baues hat sich der dem Dome vorstehende Rev. Dean Williams
hoch verdient gemacht. Sehenswerth sind ferner: ein Gebäudecomplex des
früheren Militärkommando's für Süd-Afrika mit einem Paradeplatz und dem
sich anschließenden botanischen Garten, ferner am entgegengesetzten
Stadtende die Irrenanstalt und das im provisorischen Stadthause in der
Bathurststraße untergebrachte Museum. Es wird von der Stadt und durch
Beiträge von Privaten unterhalten und besitzt viele Versteinerungen,
meist von Dr. Atherstone für dasselbe erworben, ferner eine reichhaltige
ornithologische Sammlung und ein bedeutendes Herbarium. Im Allgemeinen
sind alle naturwissenschaftlichen Fächer, auch das ethnographische,
ziemlich gut vertreten. Im Hofraum werden einige lebende Thiere
gehalten.

4 u. 5) Cradock gehört zu den bedeutenderen Städten der Colonie und wird
in allernächster Zeit durch die Bahn mit Port Elizabeth verbunden sein.
Die Stadt besitzt eine Merkwürdigkeit, die holländische Kirche, die mehr
einem Rathhause als einer Kirche ähnelt und mit einem Kostenaufwande von
30.000 £ St. erbaut wurde.

Von großer Bedeutung für Cradock ist die Gilfillanbrücke, eine
Eisenconstruction auf drei Pfeilern ruhend. Sie wurde im Jahre 1874 von
dem tückischen Fish-River hinweggespült und ist seitdem um sechs Fuß
höher angelegt worden. Nahe an der Stadt, theilweise auf ihrem Gebiet
wie auf der nahen Farm des Herrn von Rensburg finden sich warme,
schwefelhaltige Quellen, der Boden ihrer nächsten Umgebung zeigt tiefe
Lagen von Asche. Zwei Wollwäschereien sind hier angelegt. Der District
Cradock ist einer der bedeutendsten in der Colonie und namentlich durch
seine Zucht von Angoraziegen und Straußen ausgezeichnet. Er ist einer
der Gebirgs-Districte und stellenweise ungewöhnlich reich an fossilen
Ueberresten des Dicyuodon. In Cradock selbst wohnte der um die Geologie
des Districtes so hochverdiente Dr. Grey, leider hat ihn der Tod zu
früh, bevor er noch seine Forschungen beenden konnte, der Wissenschaft
entrissen.

6) Colesberg, auf der Hauptstraße von Port Elizabeth nach den
Diamantenfeldern gelegen, hat in den letzten Jahren bedeutend gewonnen.
Auf meiner Hinreise hielt ich mich hier nur zwei Stunden, auf der
Heimreise dagegen fünf Tage auf.

7) Jagersfontein hat in den allerletzten Jahren, namentlich durch die
Rührigkeit der Kaufleute in Fauresmith bedeutend gewonnen.

8) Der Wunsch und die Absicht, Thiere, welche in der Regel in der
Gefangenschaft schwer zu erhalten sind, vor meinen Augen gedeihen zu
sehen, bewog mich zur Anlage eines kleinen Thiergartens, in welchem ich
unter anderen Thieren Proteles Lalandii, das Erdferkel, Schuppenthiere,
Rohrrüßler etc. hielt. Nach dem Erstgenannten fahndete ich mehrere Jahre
vergebens, bis ich endlich zwei Thiere von einem Elfenbeinhändler
erstand und sie in einer etwa sieben Meter großen aus Faßdauben
errichteten Umzäunung verwahrte. Am nächsten Morgen fand ich nur mehr
ein Thier, das andere, obgleich noch ganz jung, hatte sich nachtsüber
den Weg nach Außen aufzuscharren gewußt und war, wie die angestellten
Nachforschungen erwiesen, von Hunden zerrissen worden. Das Ueberlebende
wollte lange Zeit durchaus keine Nahrung zu sich nehmen. Das kleine
Gebiß dieses merkwürdigen Raubtieres weist es auf Termiten an und so
blieb mir nichts übrig, als ihm mit Gewalt die Nahrung,--zerhacktes, in
Milch eingeweichtes Fleisch--hinzubringen. Nach einigen Tagen, nachdem
ich den Boden des geräumigen Zwingers mit Steinen pflastern ließ, fraß
es diese Nahrung aus meiner Hohlhand, ließ ich sie jedoch in einer Tasse
in oder an seinem Baue, so rührte es dieselbe nicht an. So ging es durch
volle vier Monate, dreimal des Tages hatte ich das Thier eigenhändig zu
füttern. Allmälig wurde das Thier in mancher Hinsicht zahmer, es fauchte
nur mehr zuweilen, wobei es seine Mähne hoch aufzurichten pflegte. Da
sich während meines vierten Aufenthaltes in den Diamantenfeldern die
Zahl meiner Patienten von Woche zu Woche steigerte, sah ich mich
gezwungen, die Behandlung der meisten meiner Thiere und auch die
Fütterung des Proteles einem meiner schwarzen Diener zu übergeben. Ich
gab mich der Hoffnung hin, das Thier werde durch den Hunger genöthigt
werden, selbst die Nahrung aufzusuchen, hatte mich jedoch getäuscht, es
ließ dieselbe drei Tage gänzlich unberührt und biß mich, als ich ihm am
vierten Tage mit Gewalt einige kleine Stückchen Fleisch in den Schlund
einführte. Zwei Tage später war das Thier verhungert.

9) Die Salzpfanne (Salzsee) an der Hallwaterfarm besitzt zwei Buchten,
eine nach Norden und eine nach Westen, am Südufer erhebt sich ein aus
dem nie fehlenden schäligen Kalk bestehender Hügel, sonst sind ihre Ufer
flach und sehr steinig, das Gestein meist Grünstein in Form von Blöcken
mit mandelartigen, rosarothen Chalcedoneinschlüssen. Bis auf die Mitte
ausgetrocknet, war sie an der tiefsten Stelle höchstens zwei Fuß tief,
so daß die Bodenfläche sehr eben erschien, doch konnte man deutlich
wahrnehmen, daß dieser kleine Salzsee in früheren Perioden einen höheren
Wasserstand besaß als gegenwärtig. An den Buchten münden kleine, nur
nach heutigen, in der nächsten Umgebung niedergefallenen Regengüssen
fließende Bäche. Es scheint mir, daß dieser, wie die meisten übrigen
Salzseen, tief in das Terrain eingebettet war, da sie nur in abflußlosen
Landstrichen vorkommen. Das in den Bachbetten nach der Pfanne strömende
Wasser, das bisweilen selbst kleine Felsenplatten mitreißt, laugt den
salzhaltigen Boden aus, und da das Wasser sehr schnell verdunstet,
concentrirt sich der Salzgehalt während der Trockenheit in den
übrigbleibenden Lachen und macht den Inhalt derselben ungenießbar. Die
nächste Umgebung der Savanne ist bebuscht, namentlich dicht nach Norden
und Nordwest, in welcher Richtung sich ein Kameeldornwald anschließt.
Wir forschten nach den Stellen, d.h. nach den Ruinen, die man uns als
Reste von Monopotapa bezeichnet hatte, allein wir fanden von denselben
auch nicht die geringsten Anzeichen, dagegen in einigen Gruben
gesimsartig geformte Schieferplatten. Dieselben trugen keinerlei Spur
menschlicher Arbeit an sich, es sind Schieferlagen, welche meist in
horizontaler Lage aufeinander geschichtet sind und auf welche in dieser
Lage eine Strömung zu verschiedenen Perioden mit einer verschiedenen
Stärke einwirkte. Da wo die Schieferplatten der Quere nach gespalten
waren, drang das Wasser ein und erzeugte die rundlichen Scheiben, die
als Fragmente von Säulen angesehen wurden. Die meisten Schieferplatten
haben in der Mitte eine härtere Struktur, man möchte sagen, daß sie
schalig sind, und daher rührt auch die an manchen beobachtete
Linsenform. In geognostischer Beziehung von großem Interesse ist der Ort
vorläufig, so lange nicht Nachgrabungen zu einem entsprechenden
Resultate führen, für den Archäologen von keiner Bedeutung. Ich glaube,
daß Nachgrabungen, die ich an dieser Stelle zu veranstalten hoffe, uns
neue Aufschlüsse über die Geologie Südfrika's bieten werden. Vorläufig
ist der Traum von der glänzenden Vergangenheit zerstoben und nur die
prosaische Wirklichkeit geblieben, daß die Pfanne gutes Salz liefert. In
letzterer Zeit machten die durch das Glück der Zulu's in den ersten
Kämpfen aufgestachelten und kühner gewordenen Koranna's die Gegend so
unsicher, und betrugen sich den Gerichtsbeamten gegenüber so
unverschämt, daß bewaffnete Mannschaft gegen sie abgesendet werden
mußte, um die Diebe zu fassen. Leider wurden diese von den Koranna's mit
den Waffen in der Hand empfangen, wobei ein Weißer das Leben verlor,
bevor den beraubten Farmern und dem verhöhnten Gesetze Genugthuung
verschafft werden konnte.

10) Die Carotiden waren unverletzt, dagegen die äußeren Kehlkopfarterien
schwer verletzt. Ich verband vorerst die Arterien und nähte sodann den
durchschnittenen Adamsapfel zusammen. Der Zustand des Verwundeten war
ein sehr bedenklicher und Piämie zu fürchten. Ich gab kleine Dosen von
Chinin, 1/10 Gramm in flüssiger Form jede drei Stunden, ferner Tinctura
Aconiti Napellus einen Tropfen alle vier Stunden mit Wasser, sowie
dreimal des Tages die in meiner südafrikanischen Praxis als
ausgezeichnet befundene Tinctura ferri sesquichlorati in zweitropfigen
Dosen.

Als ich am dritten Morgen zu meinem Kranken kam, hörte ich schon beim
Eintreten in's Zimmer einen starken Luftstrom durch die Kehlkopfwunde
mit dem eigenthümlichen Geräusch entweichen. Der Kranke war während der
Nacht wieder in Hallucinationen verfallen und hatte sich den Kehlkopf,
sowie den rechten Flügel der äußeren Wunde aufgerissen. Ich entfernte
mit Hilfe der Pincette und der Scheere die zerrissenen Kehlkopftheile,
wodurch eine klaffende Oeffnung in der vorderen Wand des Adamsapfels
entstand, ätzte mit Lapis die umliegenden mir als schlecht erscheinenden
Fleischstellen, wusch die Wunde aus und applicirte eine schwache
Höllensteinlösung. Schon am nächsten Tage nahm das Fieber ab und der
Kranke besserte sich von diesem Augenblicke an, ohne ein einziges Mal
eine Verschlechterung seines Zustandes zu erfahren. Sechs Wochen später
war die vordere Kehlkopfwand bis auf eine bohnengroße Oeffnung
geschlossen und nach acht Wochen vom Tage der Behandlung an, war die
Wunde geschlossen bis auf eine erbsengroße Vertiefung, eine vollkommen
seichte Narbe zurücklassend. Die Stimme des Kranken war weniger laut,
doch auch nicht heiser zu nennen.

11) Nachdem Gassibone sein Gebiet der Transvaal-Republik angeboten und
diese es auch angenommen, fürchtete sich Mankuruana, daß er ein
Unterthan dieses Staates werden müsse, und bot sein nördlich vom
Hart-River bis gegen den unteren Molapo sich erstreckendes Gebiet, mit
Ausnahmne einer kleinen Strecke bei Taung, der englischen Regierung an,
die es nicht annahm. Ich erlaubte mir, als dies geschah, die
Colonial-Regierung auf Mankuruana's Charakter aufmerksam zu machen,
hauptsächlich darauf, daß man seiner Erklärung von »Loyalität und
Freundschaft« nur wenig glauben schenken dürfe. Die Folge betätigte
meine Ansicht: sowie der Transvaal-Staat englisch geworden war, änderte
er sein Spiel, erst in allerletzter Zeit zeigte er sich abermals
freundlicher und englisch gesinnt, dies jedoch nur, nachdem sich seiner
Vasallen, Mora von Kuruman zu Ungerechtigkeiten den Weißen gegenüber
hinreißen ließ und dafür gezüchtigt wurde.

12) Als in der Mitte der Fünfziger Jahre die Freistaatboers in einem
Kampfe mit dem im Südosten wohnenden Basutokönig Moschesch begriffen
waren, benützten einige südlich vom Vaal wohnende Koranna's mit ihrem
Häuptling Kousop (Kusop) die durch diesen Krieg hervorgerufene
Entblößung der nordwestlichen Freistaatfarmen von der männlichen
Bevölkerung, die zu dem Kriege abcommandirt war, um hinterlistiger Weise
die ihnen zunächstgelegenen Niederlassungen der Weißen zu überfallen,
und nachdenm sie die Frauen und Kinder getödtet, mit den gesammten
Heerden in ihre Heimat zu flüchten, und da sie sich nach dieser
ruchlosen That im Freistaate nicht sicher fühlten, ihre Niederlassung zu
verlassen und über den Vaalfluß zu setzen. Kusop begab sich zu
Gassibone, dem Vater des von mir besuchten Chefs der Batlapinen, und
nachdem er ihm von seiner Beute Geschenke abgegeben, erhielt er von
diesem die Erlaubniß--da Gassibone als der Paramont Chef das eigentliche
Oberhaupt der Batlapinen anerkannt war--sich in seinem Gebiete
niederzulassen. Als die Batlapinen die schönen Heerden sahen, die Kusop
geraubt, waren sie, als ihnen die Söhne des alten Gassibone, Pohu'tsive
und Bojong, den Befehl ertheilten, sofort bereit, sich zu einem Raubzuge
nach dem Freistaate zu rüsten, an welchen sich auch ein benachbarter
Chef der Bamairen »Motlabane« betheiligte und auf welchem auch die
Transvaalfarmen im Osten überfallen wurden. Da der Krieg mit Moschesch
noch nicht beendet war und der Überfall nach der Ostseite plötzlich
geschah, fanden die wilden Horden weder im Freistaate noch im
Transvaalgebiete erheblichen Widerstand und kehrten mit zahlloser Beute
beladen in ihre zwischen dem unteren Hart- und dem mittleren Vaal-River
gelegenen Wohnsitze zurück. So wie sich jedoch die Nachricht von diesen
Ueberfällen im Freistaate und dem Transvaalgebiete verbreitete, rüsteten
sich alle jene der Farmer, die nur abkommen konnten, gegen Kusop, er
wurde im Kampfe getödtet und ihm ein Theil der geraubten Heerden nebst
seinen eigenen abgenommen. Die übrig gebliebenen seiner Leute flüchteten
sich gegen Mamusa, oder folgten den Farmern, um in deren Dienste zu
treten. Pohu'tsive, der die Vergeltung seiner räuberischen That an
seines Vaters Kraal fürchtete, dachte, daß es besser wäre, die
holländischen Farmer, bevor sie noch ihre Farmen erreichen konnten,
anzugreifen, zu vernichten und ihnen die Heerden abzujagen. Sein Plan
ging dahin, die Truppe der Weißen zu umzingeln. Doch die Angreifer
wurden zurückschlagen, zerstreut, ihre Reihen nach allen Seiten
durchbrochen, und der Führer getödtet, bevor er seines Vaters Kraal
erreichen konnte. Ohne den Angriff Gassibone's des Vaters abzuwarten,
griffen nun die Farmer, die außerdem durch Zuzug verstärkt worden waren,
ihn, sowie seinen Bundesgenossen Motlabane an und schlugen beide, der
erstere wurde später enthauptet. Die so zerstreuten Koranna's,
Batlapinen und Bamairen flüchteten nach Taung, und da es manchen noch
glückte, mit den gestohlenen Heerden zu entkonmmen, so folgten die
Krieger in ihren Spuren bis nach Taung. Mahura, der König der östlichen
Batlapinen, hatte jene Raubzüge der übrigen südlichen Batlapinen nicht
gebilligt, allein er zeigte sich nicht willig, die zu ihm geflohenen
Stammesgenossen mit ihrem geraubten Gute auszuliefern. Darum setzte er
sich zur Wehre, nahm den Kampf auf und stellte sich den Farmern
entgegen. Er wurde geschlagen und seine Leute flüchteten sich in die
felsigen Höhlen über der Stadt, nach der holländischen Version sie zu
vertheidigen trachtend, nach der eigenen nun von den unten campirenden
Boers, wo sie sich blicken ließen, niedergeschossen zu werden.
Der Sieg über Taung führte zu einem Frieden, den die Söhne
Mahura's im Namen ihres Vaters mit + unterzeichneten, die
Friedensbedingungen waren überspannte und grausame, da doch Mahura's
Batlapinen sich keiner Räubereien gegen die Boers schuldig gemacht
hatten. Die Strafe lautete auf Auslieferung einiger der Freibeuter und
die Zahlung von 8000 Stück Rindvieh, 390 Pferden und 500 Musketen, eine
Kontribution, welche die vereinigten Batlapinenstämme zu jener Zeit
nicht aufbringen konnten.

13) Mankuruana's Batlapinenreich stellt gleich den übrigen nördlich
liegenden Betschuanareichen ein Parallelogramm dar, dessen lange Seiten
von West bei Nord nach Ost bei Süd und von West nach Ost laufen. Die
östliche Grenze dieser Reiche wird theilweise vom Hart-River, theilweise
vom Marico-District der Transvaal-Republik, dem unteren Maricolaufe,
sowie von dem centralen Limpopo gebildet, die westliche erstreckt sich
tief in das Kalabari-Bushveldt bis nach Groß-Namaqualand. Die
regierenden Stämme der Betschuana's, die Batlapinen, Barolongen,
Banquaketsen und Bakwena's, sowie einige ihnen verwandte Stämme, denen
gestattet wurde, im Lande zu wohnen, die Bamairen, Botlaro's, Baharutse,
Makhosi, Manupi, Batloka und Bakhatla wohnen in dem östlichen Theile des
Gebietes, in Gegenden die wasserreich sind, während die wasserarmen,
theilweise centralen, theilweise westlichen Striche von ihren Dienern,
den Makalahari's, den Barwa's und Masarwa's, bewohnt werden. Die
Makalahari, auch Bakalahari genannt, können, wenn sie dem Könige
langjährige gute Dienste erwiesen, sowie wenn sie ihren Herren durch
glückliche Jagden viel Nutzen brachten, von diesen frei erklärt werden,
es wird ihnen dann gestattet, in der Residenz des Königs oder eines
Unterchefs zu wohnen und sie werden als Batlapinen oder Barolongen etc.
betrachtet und behandelt. Rev. Mackenzie, der seit 20 Jahren Gelegenheit
hatte, das Verhältniß zwischen beiden Stämmen, den Dienern und Herren,
zu beobachten, bemerkte, daß die Diener auch Bakhalahatsane oder
Bathu-hela (»Menschen«, oder »gleich anderen Menschen«) von den
letzteren genannt werden. Unter den Betschuana-Reichen ist das
Mankuruan's das kleinste, und bisher das am wenigsten ergiebige gewesen,
doch wenn der Stamm durch die gegenwärtigen, von Seite der Regierung in
Griqualand-West ergriffenen Maßregeln arbeitsamer geworden, wird er
durch Ackerbau und Viehzucht leicht emporkommen können, wobei ihm die
Nähe der Diamantenfelder besonders zu Gute kommt.

14) In den Diamantenfeldern war die Ansicht allgemein verbreitet, daß
die in denselben arbeitenden Schwarzen ihren Chefs Diamanten von den
Feldern in die Heimat mitzubringen verpflichtet wurden. Ich glaube
nicht, daß dies regelmäßig geschieht und von allen Eingebornen-Chefs
gefordert wird, doch von manchen Häuptlingen, wie von Secoccuni und
anderen geschah es _ganz sicher_; daß jedoch viele Betschuana's ihre
Makalahari- und Barwadiener nach den Diamantenfeldern zur Arbeit senden,
ohne daß deren Häuptlinge von diesen Diebstählen wissen, ist ebenso
gewiß. Die Haupturheber der zahllosen an den Diggers von Seite ihrer
farbigen Diener begangenen Diebstähle sind jedoch weniger die
unwissenden Eingebornen, sondern jene Bande von verkommenen Weißen und
Halfcasts, welche eine wahre Plage der Diamantenfelder sind, und
trotzdem viele von ihnen von dem Arme der Gerechtigkeit erreicht wurden,
ihr Unwesen noch lange forttrieben. Die Behörde hält sich natürlich in
erster Linie an den factischen Verbrecher, sie trachtet aber auch den
Anstifter zu eruiren. In dem Falle in dem ein Weißer oder Halfcast der
Schuldige war, wird der Dieb dies sofort eingestehen, dagegen wohl nie,
wenn der Dieb von seinen Angehörigen, von seinen gleichfarbigen Herren
daheim, nach dem Diamanten-District _»zur Arbeit«_ gesendet wurde. Die
Meisten erdulden ihre Strafe, ihre Lasches und ihr bis dreijähriges
Gefängniß, ohne etwas zu verrathen, daheim hätten sie im
entgegengesetzten Falle die Rache ihrer Herren zu fürchten.

15) Die ethnographischen Verhältnisse auf dem Gebiete zwischen dem
Konana-, Hart- und Vaal-River lassen erkennen, daß sich das
Koranna-Element vom Süden nach Norden ausgebreitet hat. Ich glaube, daß
die Hottentotten, die längs der Westküste nach dem Süden zogen und den
westlichen Theil der Cap-Colonie bevölkerten, sich theilten, d.h. durch
Streitigkeiten und Kriege unter sich verfielen und theils gezwungen
theils freiwillig jene Gebiete verließen, wobei ein Theil im Thale des
Oranje-Rivers nach aufwärts zog (das folgen der Flüsse ist ein
Charakteristicum in der Verbreitung des Hottentotten-Stammes) und sich
endlich in den fruchtbaren Gefilden an der Vereinigung des gelben und
schwarzen Gariep (Oranje- und Vaal-Rivers) niederließ. Die veränderte
Lebensweise, Einwirkung des Klima's, sowie deren theilweise Vermischung
mit den Buschmännern im Süden und Osten, mit den Barwa's im Norden,
vielleicht auch mit den Stämmen im Westen erzeugte jene Veränderungen,
welche diesen am Oranje-River angesiedelten Stamm charakterisiren, ihn
von den eigentlichen Hottentotten schieden und zum Griqua stempelten.
(Ich glaube, daß der Linguist leicht den Namen Griqua wie Koranna aus
der Hottentottensprache herleiten könnte, was gewiß von Wichtigkeit sein
würde.) Diese Griqua haben durch diese Veränderung ihres ursprünglichen
Elementes nicht gewonnen, physisch und psychisch stehen sie unter ihren
Stammvätern ebenso wie die Koranna's wieder unter den Griqua's, die ich
als eine Abzweigung der letzteren halte, welche ähnlich wie jene der
Griqua's von den Hottentotten vor sich gegangen sein mußte. Die
Koranna's zogen den Vaal aufwärts, bis sie gegen das jetzige Bloemhof
von dem Betschuana-Elemente, den Bamairen, Barolongen, Batlapinen etc.
zum Stillstand gebracht wurden. Diese sie zwischen den Hart- und
Vaal-River drängende Barriere durchbrachen sie zwischen Christiana und
dem Hart-River, da, wo zwischen den verschiedenen Stämmen der Batlapinen
ein von allen beanspruchtes, von keinem aber in Besitz genommenes Land
lag und setzten sich am Mamusahügel fest. Von Mamusa gingen sie auf das
obere Mokarathal (rechter Nebenfluß des Hart-Rivers) über und von da
sogar noch nördlicher in das Thal und Gebiet des Konanaspruit, der nach
Norden nach dem Maretsane fließt. Hier mußten sie die Obergewalt der
Barolongen anerkennen und mischten sich theilweise mit diesem
Betschuanastamme diese Abkömmlinge fand ich physisch und intellektuell
höherstehend als die Koranna's und Griqua's.

16) Die theilweise Verschmelzung des Koranna-Elementes mit dem der
Barolongen in Konana hatte theilweise zur Folge, daß die Wohnungen im
Style der Betschuana's aufgeführt, reinliche Gehöfte darstellten. Ein
ziemlich großer Theil der Bevölkerung hatte sich schon an den Gebrauch
europäischer Kleidung gewöhnt. Dagegen konnte man jedoch auch deutlich
beobachten, daß Frechheit eine der Untugenden ihrer Bewohner war und
diese war dadurch begründet, daß viele derselben längere Zeit in den
River-Diggings als Diener und zwar in der ärgsten Zeit, unmittelbar
nachdem die Diamantenfelder aufgefunden wurden, gearbeitet hatten. Daß
sie nicht auch den Branntweingebrauch hierher verschleppt, war in dem
Verbote von Seite des Herrschers dieser Landstriche, des Königs Montsua,
begründet. Auf meiner Fahrt von Konana nach Molema's Town traf ich drei
Eingeborne, welche gemeinschaftlich einen Hinterlader ihr Eigenthum
nannten. Darüber erstaunt, wurde ich belehrt, daß dies hier zu Lande
häufig vorkomme: die Miteigenthümer gehen dann gemeinschaftlich auf die
Jagd und einen Tag benützt ihn der Eine, am nächsten der Zweite u.s.w.
Die Beute wird ohne Rücksicht auf die Leistungen der einzelnen Jäger zu
gleichen Theilen vertheilt. Schießen sie zwei oder blos ein Zebra, so
theilen sich zwei in das Fleisch, der Dritte nimmt das Fell. Doch
häufiger geschieht es, daß jeder der Eigenthümer tourweise mit seinen
Dienern während einiger Wochen der Jagd obliegt.

17) Aus den Fellen der beiden letzteren werden Carossen verfertigt und
dem Könige verehrt oder an die in Moschaneng wohnenden Händler verkauft,
d.h. gegen Waaren ausgetauscht, um von diesen wieder nach Süden gesendet
und hier als Bett- oder Sophadecken, oder als Zimmerschmuck feilgeboten
zu werden. Für eine Caracal-Carosse von zehn Fellen, welche in
Süd-Afrika als Roikat-Karossen bekannt sind, erhält der Eingeborne
Waaren im Werthe von 3 £. St., in Moschaneng z.B. folgende Gegenstände:
1. Zwei Wolldecken und eine Hose; 2. einen Rock, eine Banmwolldecke,
sechs farbige Tücher, oder 3. zehn Pfund Schießpulver. Beim
Wiederverkaufe begehrt der Trader 4 £. St. in barem Gelde, in der
Colonie 4-10 £. St., oder 5 £. St. in Waaren. Eine aus vier
Leopardenfellen gearbeitete Carosse wurde mit einer Muskete, zwei Sack
Schießpulver, 10-15 Pfund Blei, einer Dose Zündhütchen und einem kleinen
Geschenk als Zugabe bezahlt, und in Moschaneng für 9 £. St. in der
Colonie für 10-13 £. St. in Barem feilgeboten. Gegenwärtig, wo durch das
Waffen-Einfuhrsverbot die Gewehre entfallen, würde der Kaufpreis einen
Anzug, zwei Wolldecken, ein Paar Stiefel und ein großes Frauentuch, oder
mit der Zugabe eines Schafes zu der Carosse, einen Pflug betragen. Eine
Carosse aus Silberschakalfellen (Canis mesomelas), gewöhnlich aus 14
Fellen gearbeitet, hat in Moschaneng einen Werth von 4-10 £ St., eine
aus 30 Klippdachsfellen, einen solchen von 3-10 £. St., eine Carosse aus
den Fellen der gewöhnlichen bläulich-grauen Wildkatze 3-10 £. St., eine
aus 16 Proteles-Lalandiifellen 4 £. St., eine aus 6 Tharifellen 8 £. St.
und eine aus 32 Genettafellen einen Werth von 4-10 £. St. Die schönsten
Carossen (für das Auge) sind die Silberschakal-Decken, die schönsten
Felle liefern die Batlapinenländer und der südlich vom Molapo liegende
Theil der von den Barolongen bewohnten Striche.

18) Während meines Aufenthaltes in Moschaneng hatte ich Eingeborne und
Weisse in folgenden Krankheitsfällen zu behandeln:

      Person          Krankheit              Ursache                 Anmerkung

                      Chron. Rheumatismus
Montsua, König der    mit Ablagerungen in    Verkülung d. Nässe
    Barolongen        den Kniegelenken

Seine älteste Frau    Marasmus

Eine zweite Frau      Pneumonie beid. Lungen Verkülung d. Nässe

Eine dritte Frau      Herzvergrößerung,           "               Rheumatismus
                      Aortenstenose.                              vorhergehend

Des Königs Bruder     Lumbago                     "

König Chatsitsive     Ischias                     "

Prediger Jan Leschumo Coprostasie                ---

Seine Frau            Herzvergrößerung,     Verkühlung d. Nässe   Rheumatismus
                      Isufficienz der Aorta                       vorhergehend

Sein Sohn             Tuberculosis beid. Lungen  ---              selten

Pit, ein Barolonge    Ischias (seit 17 Jahren)  eine alte Wunde

Eine Barolongin       Reconvalescent nach   Verkühlung d. Nässe
                      einer Pneumonie

Jan, ein Barolonge    Abscesse am linken    Verwundung durch
                      Fussrücken,           einen eingetriebenen
                      Cariöse Knochen       Dorn

Ein Weißer Händler    4 tägiges Intermittens,      Fieber         häufig unter
      Kanja           Leberverhärtung,                            den Weißen
                      Hydrothorax Hydropericardium

19) Zu den unwirschesten Gesellen der afrikanischen Katzenwelt gehört
unstreitig der Caracal (Caracal melanotis) von den Boers det Roikat
genannt. Dicht bebuschte Felsenpartien, dichtbelaubte, hohe Bäume an
schwer zugänglichen Flußufern sind seine Lieblings-Aufenthaltsorte, an
denen er zusammengekauert, anscheinend schlummernd, doch die Umgebung
ringsum wohlbeachtend, den Tag zubringt. Kleines Wild wird von dem
Caracal mit Tatzenhieben erschlagen oder betäubt. Seine Muskelkraft ist
bedeutend größer als man bei der Größe des Thieres vermuthen würde. Ob
seines röthlichen Felles weiß er sich leichter dem Auge des Menschen zu
entziehen als der Thari und gelingt es selten, ihn zu erlegen. Sein Fell
wird zu sehr gesuchten Carossen verarbeitet, doch da es zu lange währt,
bis ein Betschuana so viele Felle erwirbt, um eine ordentliche Carosse
verfertigen zu können, kommen nur kleine, acht bis zehn Felle
enthaltende Roikat-Carossen in den Handel. Ich brachte einen Caracal
nach Europa mit, er befindet sich gegenwärtig in dem Zoologischen Garten
zu London. Er hatte an dem Fish-River-Rand, einen dicht bebuschten sich
zum Fish-River neigenden Abhang zwischen Grahamstown und Cradock seine
Heimat und war ein Geschenk des Rev. Dean Williams von Grahamstown.

20) Ich möchte unter den Ruinen von Mosilili's Stadt namentlich die
gewölbten Innenbauten hervorheben und dabei schon auf den Unterschied
zwischen den Bauarten der Barolongen und Batlapinen hinweisen. Die Wände
der Häuptlingswohnung und der übrigen Hütten waren 3-5 Fuß hoch, die
Wanddicke an der Basis 5, oben 4-4¾ Zoll. Sie bestanden aus einer
Innenlage und einer Umhüllung, welche die erstere deckte. Die letztere
bestand aus einem aus Thon und Sand gearbeiteten Cement und der Innenbau
aus einer Reihe von in die Erde eingetriebenen und nur an und
nebeneinander befestigten Stäben, Ruthen, Schilfrohr, doch auch
trockenem Zuckerrohr und Kafirkornstengeln, auf welche der Cement
aufgetragen wurde. Die Bauten waren so elastisch, daß wir eine ganze
Rundwand durchschütteln konnten, ohne daß Sprünge entstanden oder die
Mauer vielleicht eingestürzt wäre. An einigen Hütten fand ich, daß man
den Cement auf die innere Holzlage dünn aufgetragen hatte, dann ihn
trocknen ließ und eine zweite Lage anbrachte und so weiter. Wir konnten
sechs deutlich unterscheidbare Lagen wahrnehmen, wobei die Basis der
Mauer 12 Zoll, die obere Kante 6 Zoll breit war. An manchen der
Gehöftsmauern fanden wir kleine aus größeren Steinen oder Dornenästen
aufgeführte zwei bis vier Fuß hohe Umzäunungen, welche als Ställe
dienten. Der Boden in dem Höfchen war festgestampft, oder wir fanden ihn
mit Cement, oder auch mit Rinder-Ererementen überdeckt, in einigen
wenigen mit ungebrannten, in dem des Königs mit gebrannten Ziegelsteinen
gepflastert. In vielen Gehöften war dies mit Steinplatten geschehen und
in manchen eine Cementlage auf die Steinplatten aufgetragen worden. In
einem Höfchen beobachtete ich ein erhöhtes, mit Topfscherben ausgelegtes
Trottoir. Neben der inneren Mauer lief in einem andern Gehöfte eine um
drei bis vier Zoll erhöhte, cementirte Stufe, welche wohl den hier
Versammelten als Sitz zu dienen hatte. Der Durchmesser der Häuschen war
6-12 Fuß. Bei den meisten war das Dach durch die Verwitterung der Aeste
(Pfähle), bei manchen durch Feuer zerstört. Ich fand nur zwei gedeckt
und in dem einen ein Betschuanaskelett. Es mochte wohl ein alter Mann
gewesen sein, den man mitzunehmen nicht werth gefunden und der hier
Hungers gestorben war, oder ein Wanderer, der in der Hütte ein
Nachtlager gesucht und von einer Schlange gebissen, hier verschmachten
mußte. Dem Schädel nach schien es mir ein Banquaketse zu sein; ich
räumte ihm eine Stelle unter meinen anatomischen Präparaten ein.
Topfscherben, Ueberreste von hölzernen Stampfblöcken, Schüsseln, Löffeln
waren überall zu sehen, auch jene glatten Steine, zwischen denen der
Rauchtabak zu Schnupftabak zerstäubt wird. Was mir besonders auffiel,
war der verschiedenfach geformte Eingang in diese Häuschen, einmal
viereckig, dann oben spitzig zulaufend oder abgerundet, oder aber unten
eng und oben breiter, gewöhnlich 1¼-1½ Fuß breit und 1¾-3 Fuß hoch. Die
Räume der Wohnung des Häuptlings waren die umfangreichsten, doch das
auffälligste in der Ruinenstadt waren die kegelförmigen, aus zwei bis
drei Absätzen bestehenden den Schmelzöfen nicht unähnlichen, gedeckten,
aus eisenhaltigem Thon ausgeführten und in die obbeschriebenen
gewöhnlichen Wohnungen eingebauten Kammern. Diese Kammern waren noch
einmal so hoch, als die sie ringförmig (concentrisch) umgebende Mauer
des Häuschens, allein das Dach des letzteren deckte auch den inneren
Bau, indem seine Spitze auf der Kuppe des letzteren aufruhte. Ich fand
diese Innenbauten auch bei den Bakwena's, ohne mich jedoch vergewissert
zu haben, ob sie Pilani dorthin übertragen hat, was ich jedoch
bezweifeln möchte, schöner und geräumiger auch bei den am zentralen
Zambesi wohnenden Marutse im Gebrauch.





End of the Project Gutenberg EBook of Sieben Jahre in Süd-Afrika. Erster
Band., by Emil Holub

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SIEBEN JAHRE IN SÜD-AFRIKA. ***

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