Deutsche Sagen

By Brüder Grimm

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Title: Deutsche Sagen

Author: Brüder Grimm

Release date: July 24, 2025 [eBook #76558]

Language: German

Original publication: Berlin: Nicolaische Buchhandlung, 1916

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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DEUTSCHE SAGEN ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1816 so weit
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                            Deutsche Sagen.

                             Herausgegeben

                                  von

                          den Brüdern Grimm.


              +Berlin+, in der Nicolaischen Buchhandlung.

                                +1816.+




                             Unserm Bruder

                           Ludwig Emil Grimm

                         aus herzlicher Liebe

                              zugeeignet.




Vorrede.


[Sidenote: I. Wesen der Sage.]

Es wird dem Menschen von heimathswegen ein guter Engel beigegeben,
der ihn, wann er ins Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt
eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch
widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze des Vaterlands
überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohlthätige Begleitung ist
das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche
nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen
frischen und belebenden Geist nahe zu bringen streben. Jedes hat seinen
eigenen Kreis. Das Märchen ist poetischer, die Sage historischer; jenes
stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner angeborenen Blüte
und Vollendung; die Sage, von einer geringern Mannichfaltigkeit der
Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem
hafte, an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten
Namen. Aus dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem
Märchen, überall zu Hause seyn könne, sondern irgend eine Bedingung
voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvollkommener
vorhanden seyn würde. Kaum ein Flecken wird sich in ganz Deutschland
finden, wo es nicht ausführliche Märchen zu hören gäbe, manche, an
denen die Volkssagen blos dünn und sparsam gesät zu seyn pflegen.
Diese anscheinende Dürftigkeit und Unbedeutendheit zugegeben, sind sie
dafür innerlich auch weit eigenthümlicher; sie gleichen den Mundarten
der Sprache, in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus
uralten Zeiten hangen geblieben sind, während die Märchen ein ganzes
Stück alter Dichtung, so zu sagen, in einem Zuge zu uns übersetzen.
Merkwürdig stimmen auch die erzählenden Volkslieder entschieden mehr
zu den Sagen, wie zu den Märchen, die wiederum in ihrem Inhalt die
Anlage der frühesten Poesien reiner und kräftiger bewahrt haben, als
es sogar die übrig gebliebenen größeren Lieder der Vorzeit konnten.
Hieraus ergibt sich ohne alle Schwierigkeit, wie es kommt, daß fast
nur allein die Märchen Theile der urdeutschen Heldensage erhalten
haben, ohne Namen, (außer wo diese allgemein und in sich selbst
bedeutend wurden, wie der des alten Hildebrand); während in den
Liedern und Sagen unseres Volks so viele einzelne, beinahe trockene
Namen, Örter und Sitten aus der ältesten Zeit festhaften. Die Märchen
also sind theils durch ihre äußere Verbreitung, theils durch ihr
inneres Wesen dazu bestimmt, den reinen Gedanken einer kindlichen
Weltbetrachtung zu fassen, sie nähren unmittelbar, wie die Milch,
mild und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische
Schwere; dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise dienen,
eine einfachere, aber desto entschiedenere Farbe tragen, und mehr
Ernst und Nachdenken fodern. Ueber den Vorzug beider zu streiten wäre
ungeschickt; auch soll durch diese Darlegung ihrer Verschiedenheit
weder ihr Gemeinschaftliches übersehen, noch geleugnet werden, daß
sie in unendlichen Mischungen und Wendungen in einander greifen und
sich mehr oder weniger ähnlich werden. Der Geschichte stellen sich
beide, das Märchen und die Sage, gegenüber, insofern sie das sinnlich
natürliche und begreifliche stets mit dem unbegreiflichen mischen,
welches jene, wie sie unserer Bildung angemessen scheint, nicht
mehr in der Darstellung selbst verträgt, sondern es auf ihre eigene
Weise in der Betrachtung des Ganzen neu hervorzusuchen und zu ehren
weiß. Die Kinder glauben an die Wirklichkeit der Märchen, aber auch
das Volk hat noch nicht ganz aufgehört, an seine Sagen zu glauben,
und sein Verstand sondert nicht viel darin; sie werden ihm aus den
angegebenen Unterlagen genug bewiesen, d. h. das unleugbar nahe und
sichtliche Daseyn der letzteren überwiegt noch den Zweifel über das
damit verknüpfte Wunder. Diese +Eingenossenschaft~ der Sage ist
folglich gerade ihr rechtes Zeichen. Daher auch von dem, was wirkliche
Geschichte heißt, (und einmal hinter einen gewissen Kreis der Gegenwart
und des von jedem Geschlecht durchlebten tritt,) dem Volk eigentlich
nichts zugebracht werden kann, als was sich ihm auf dem Wege der Sage
vermittelt; einer in Zeit und Raum zu entrückten Begebenheit, der
dieses Erforderniß abgeht, bleibt es fremd oder läßt sie bald wieder
fallen. Wie unverbrüchlich sehen wir es dagegen an seinen eingeerbten
und hergebrachten Sagen haften, die ihm in rechter Ferne nachrücken und
sich an alle seine vertrautesten Begriffe schließen. Niemals können
sie ihm langweilig werden, weil sie ihm kein eiteles Spiel, das man
einmal wieder fahren läßt, sondern eine Nothwendigkeit scheinen, die
mit ins Haus gehört, sich von selbst versteht, und nicht anders, als
mit einer gewissen, zu allen rechtschaffenen Dingen nöthigen Andacht,
bei dem rechten Anlaß, zur Sprache kommt. Jene stete Bewegung und
dabei immerfortige Sicherheit der Volkssagen stellt sich, wenn wir
es deutlich erwägen, als eine der trostreichsten und erquickendsten
Gaben Gottes dar. Um alles menschlichen Sinnen ungewöhnliche, was
die Natur eines Landstrichs besitzt, oder wessen ihn die Geschichte
gemahnt, sammelt sich ein Duft von Sage und Lied, wie sich die Ferne
des Himmels blau anläßt und zarter, feiner Staub um Obst und Blumen
setzt. Aus dem Zusammenleben und Zusammenwohnen mit Felsen, Seen,
Trümmern, Bäumen, Pflanzen entspringt bald eine Art von Verbindung, die
sich auf die Eigenthümlichkeit jedes dieser Gegenstände gründet, und zu
gewissen Stunden ihre Wunder zu vernehmen berechtigt ist. Wie mächtig
das dadurch entstehende Band sey, zeigt an natürlichen Menschen jenes
herzzerreißende Heimweh. Ohne diese sie begleitende Poesie müßten edele
Völker vertrauern und vergehen; Sprache, Sitte und Gewohnheit würde
ihnen eitel und unbedeckt dünken, ja hinter allem, was sie besäßen,
eine gewisse Einfriedigung fehlen. Auf solche Weise verstehen wir das
Wesen und die Tugend der deutschen Volkssage, welche Angst und Warnung
vor dem Bösen und Freude an dem Guten mit gleichen Händen austheilt.
Noch geht sie an Örter und Stellen, die unsere Geschichte längst nicht
mehr erreichen kann, vielmal aber fließen sie beide zusammen und
untereinander; nur daß man zuweilen die an sich untrennbar gewordene
Sage, wie in Strömen das aufgenommene grünere Wasser eines anderen
Flusses, noch lange zu erkennen vermag.

[Sidenote: II. Treue der Sammlung.]

Das erste, was wir bei Sammlung der Sagen nicht aus den Augen gelassen
haben, ist +Treue und Wahrheit+. Als ein Hauptstück aller Geschichte
hat man diese noch stets betrachtet; wir fodern sie aber eben so gut
auch für die Poesie und erkennen sie in der wahren Poesie eben so rein.
Die Lüge ist falsch und bös; was aus ihr herkommt, muß es auch seyn.
In den Sagen und Liedern des Volks haben wir noch keine gefunden: es
läßt ihren Inhalt, wie er ist und wie es ihn weiß; dawider, daß manches
abfalle in der Länge der Zeit, wie einzelne Zweige und Äste an sonst
gesunden Bäumen vertrocknen, hat sich die Natur auch hier durch ewige
und von selbst wirkende Erneuerungen sicher gestellt. Den Grund und
Gang eines Gedichts überhaupt kann keine Menschenhand erdichten; mit
derselben fruchtlosen Kraft würde man Sprachen, und wären es kleine
Wörtchen darin, ersinnen; ein Recht oder eine Sitte alsobald neu
aufbringen, oder eine unwirkliche That in die Geschichte hinstellen
wollen. Gedichtet kann daher nur werden, was der Dichter mit Wahrheit
in seiner Seele empfunden und erlebt hat, und wozu ihm die Sprache
halb bewußt, halb unbewußt, auch die Worte offenbaren wird; woran
aber die einsam dichtenden Menschen leicht, ja fast immer verstoßen,
nämlich an dem richtigen Maaß aller Dinge, das ist der Volksdichtung
schon von selbst eingegeben. Ueberfeine Speisen widerstehen dem Volk,
und für unpoetisch muß es gelten, weil es sich seiner stillen Poesie
glücklicherweise gar nicht bewußt wird; die ungenügsamen Gebildeten
haben dafür nicht blos die wirkliche Geschichte, sondern auch das
gleich unverletzliche Gut der Sage mit Unwahrheiten zu vermengen,
zu überfüllen und überbieten getrachtet. Dennoch ist der Reiz der
unbeugsamen Wahrheit unendlich stärker und dauernder, als alle
Gespinnste, weil er nirgends Blößen gibt und die rechte Kühnheit hat.
In diesen Volkssagen steckt auch eine so rege Gewalt der Ueberraschung,
vor welcher die überspannteste Kraft der aus sich blos schöpfenden
Einbildung zuletzt immer zu Schanden wird und bei einer Vergleichung
beider würde sich ein Unterschied dargeben, wie zwischen einer geradezu
ersonnenen Pflanze und einer neu aufgefundenen wirklichen, bisher von
den Naturforschern noch unbeobachteten, welche die seltsamsten Ränder,
Blüten und Staubfäden gleich aus ihrem Innern zu rechtfertigen weiß
oder in ihnen plötzlich etwas bestätiget, was schon in andern Gewächsen
wahrgenommen worden ist. Ähnliche Vergleichungen bieten die einzelnen
Sagen untereinander, so wie mit solchen, die uns alte Schriftsteller
aufbewahrt haben, in Ueberfluß dar. Darum darf ihr Innerstes bis
ins kleinste nicht verletzt und darum müssen Sache und Thatumstände
lügenlos gesammelt werden. An die Worte war sich, so viel thunlich, zu
halten, nicht an ihnen zu kleben.

[Sidenote: III. Mannichfaltigkeit der Sammlung.]

Das zweite, eigentlich schon im ersten mitbegriffene Hauptstück, worauf
es bei einer Sammlung von Volkssagen anzukommen scheint, bestehet
darin, daß man auch ihre Mannichfaltigkeit und Eigenthümlichkeit
sich recht gewähren lasse. Denn darauf eben beruhet ihre Tiefe und
Breite, und daraus allein wird ihre Natur zu erforschen seyn. Im Epos,
Volkslied und der ganzen Sprache zeigt sich das Gleiche wieder; bald
haben jene den ganzen Satz miteinander gemein, bald einzelne Zeilen,
Redensarten, Ausdrücke; bald hebt, bald schließt es anders und bahnt
sich nur neue Mittel und Uebergänge. Die Ähnlichkeit mag noch so groß
seyn, keins wird dem andern gleich; hier ist es voll und ausgewachsen,
dort stehet es ärmer und dürftiger. Allein diese Armuth, weil sie
schuldfrei, hat in der Besonderheit fast jedesmal ihre Vergütung und
wird eine Armuthseligkeit. Sehen wir die Sprache näher an, so stuft sie
sich ewig und unendlich in unermeßlichen Folgen und Reihen ab, indem
sie uns ausgegangene neben fortblühenden Wurzeln, zusammengesetzte und
vereinfachte Wörter und solche, die sich neu bestimmen oder irgend
einem verwandten Sinn gemäß weiter ausweichen, zeigt; ja es kann diese
Beweglichkeit bis in den Ton und Fall der Silben und die einzelnen
Laute verfolgt werden. Welches unter dem Verschiedenen nun das Bessere
sey und mehr zur Sache gehöre, das ist kaum zu sagen, wo nicht ganz
unmöglich und sündlich, sofern wir nicht vergessen wollen, daß der
Grund, woraus sie alle zusammen entsprungen, die göttliche Quelle an
Maas unerhört, an Ausstrahlung unendlich selber war. Und, weil das
Sonnenlicht über Groß und Klein scheint, und jedem hilft, so weit es
seyn soll, bestehen Stärke und Schwäche, Keime, Knospen, Trümmer und
Verfall neben und durcheinander. Darum thut es nichts, daß man in
unserm Buch Ähnlichkeiten und Wiederholungen finden wird; denn die
Ansicht, daß das verschiedene Unvollständige aus einem Vollständigen
sich aufgelöst, ist uns höchst verwerflich vorgekommen, weil jenes
Vollkommene nichts irdisches seyn könnte, sondern Gott selber, in den
alles zurückfließt, seyn müßte. Hätten wir also dieser ähnlichen Sagen
nicht geschont, so wäre auch ihre Besonderheit und ihr Leben nicht zu
retten gewesen. Noch viel weniger haben wir arme Sagen reich machen
mögen, weder aus einer Zusammenfügung mehrerer kleinen, wobei zur Noth
der Stoff geblieben, Zuschnitt und Färbung aber verloren gegangen
wäre, noch gar durch unerlaubte, fremde Zuthaten, die mit nichts zu
beschönigen sind und denen der unerforschliche Gedanke des Ganzen, aus
dem jene Bruchstücke übrig waren, nothwendig fremd seyn mußte. Ein
Lesebuch soll unsere Sammlung gar nicht werden, in dem Sinn, daß man
alles, was sie enthält, hinter einander auszulesen hätte. Jedwede Sage
stehet vielmehr geschlossen für sich da, und hat mit der vorausgehenden
und nachfolgenden eigentlich nichts zu thun; wer sich darunter
aussucht, wird sich schon begnügen und vergnügen. Uebrigens braucht,
so sehr wir uns bemühten, alles lebendig verschiedene zu behüten,
kaum erinnert zu werden, daß die bloße Ergänzung einer und derselben
Sage aus mehrern Erzählungen, das heißt, die Beseitigung aller nichts
bedeutenden Abweichungen, einem ziemlich untrüglichen critischen
Gefühl, das sich von selbst einfindet, überlassen worden ist.

[Sidenote: IV. Anordnung der Sammlung.]

Auch bei Anordnung der einzelnen Sagen haben wir am liebsten der Spur
der Natur folgen wollen, die nirgends steife und offenliegende Grenzen
absteckt. In der Poesie gibt es nur einige allgemeine Abtheilungen,
alle andern sind unrecht und zwängen, allein selbst jene großen haben
noch ihre Berührung und greifen in einander über. Der Unterschied
zwischen Geschichte, Sage und Märchen gehört nun offenbar zu den
erlaubten und nicht zu versäumenden; dennoch gibt es Puncte, wo nicht
zu bestimmen ist, welches von dreien vorliege, wie z. B. Frau Holla
in den Sagen und Märchen auftritt, oder sich ein sagenhafter Umstand
auch einmal geschichtlich zugetragen haben kann. In den Sagen selbst
ist nur noch ein Unterschied, nach dem eine äußerliche Sammlung zu
fragen hätte, anerkannt worden; der nämlich, wonach wir die mehr
geschichtlich gebundenen von den mehr örtlich gebundenen trennen
und jene für den zweiten Theil des Werks zurücklegen. Die Ortssagen
aber hätten wiederum nach den Gegenden, Zeiten oder dem Inhalt
abgetheilt werden mögen. Eine örtliche Anordnung würde allerdings
gewisse landschaftliche Sagen-Reihen gebildet und dadurch hin und
wieder auf den Zug, den manche Art Sagen genommen, gewiesen haben.
Allein es ist klar, daß man sich dabey am wenigsten an die heutigen
Theilungen Deutschlands, denen zufolge z. B. Meissen: Sachsen, ein
großer Theil des wahren Sachsens aber Hannover genannt, im kleinen,
einzelnen noch viel mehr untereinander gemengt wird, hätte halten
dürfen. War also eine andere Eintheilung, nicht nach Gebirgen und
Flüssen, sondern nach der eigentlichen Richtung und Lage der deutschen
Völkerstämme, unbekümmert um unsere politischen Grenzen, aufzustellen;
so ist hierzu so wenig Sicheres und Gutes vorgearbeitet, daß gerade
eine sorgsamere Prüfung der aus gleichem Grund verschmähten und
versäumten Mundarten und Sagen des Volks erst muß dazu den Weg bahnen
helfen. Was folglich aus der Untersuchung derselben künftig einmal
mitherausgehen dürfte, kann vorläufig jetzo noch gar nicht ihre
Einrichtung bestimmen. Ferner, im allgemeinen einigen Sagen vor den
andern höheres Alter zuzuschreiben, möchte großen Schwierigkeiten
unterworfen und meistens nur ein mißverständlicher Ausdruck seyn,
weil sie sich unaufhörlich wiedergebären. Die Zwerg- und Hühnensagen
haben einen gewissen heidnischen Anstrich voraus, aber in den so
häufigen von den Teufelsbauten brauchte man blos das Wort Teufel mit
Thurst oder Riese zu tauschen, oder ein andermal bei dem Weibernamen
Jette sich nur der alten Jöten (Hühnen) gleich zu erinnern, um auch
solchen Erzählungen ein Ansehen zu leihen, das also noch in andern
Dingen außer den Namen liegt. Die Sagen von Hexen und Gespenstern
könnte man in sofern die neusten nennen, als sie sich am öftersten
erneuern, auch örtlich betrachtet am lockersten stehen; inzwischen
sind sie im Grund vielmehr nur die unvertilglichsten, wegen ihrer
stetigen Beziehung auf den Menschen und seine Handlungen, worin aber
kein Beweis ihrer Neuheit liegt. Es bewiese lediglich, daß sie auch
alle andere überdauern werden, weil die abergläubische Neigung unseres
Gemüths mehr Gutes und Böses von Hexen und Zauberern erwartet, als
von Zwergen und Riesen; weshalb merkwürdigerweise gerade jene Sagen
sich beinahe allein noch aus dem Volk Eingang unter die Gebildeten
machen. Diese Beispiele zeigen hinlänglich, wie unthunlich es gewesen
wäre, nach dergleichen Rücksichten einzelne Sagen chronologisch zu
ordnen, zudem fast in jeder die verschiedensten Elemente lebendig in
einander verwachsen sind, welche demnächst erst eine fortschreitende
Untersuchung, die nicht einmal bei der Scheidung einzelner Sagen stehen
bleiben darf, sondern selbst aus diesen wiederum Kleineres heraussuchen
muß, in das wahre Licht setzen könnte. Letzterer Grund entscheidet
endlich auch ganz gegen eine Anordnung nach dem Inhalt, indem man
z. B. alle Zwergsagen oder die von versunkenen Gegenden u. s. w.
unter eigene Abschnitte faßte. Offenbar würden blos die wenigsten
einen einzigen dieser Gegenstände befassen, da vielmehr in jeder
mannichfaltige Verwandtschaften und Berührungen mit andern anschlagen.
Daher uns bei weitem diejenige Anreihung der Sagen am natürlichsten und
vortheilhaftesten geschienen hat, welche, überall mit nöthiger Freiheit
und ohne viel herumzusuchen, unvermerkt auf einige solcher geheim und
seltsam waltenden Uebergänge führt. Dieses ist auch der nothwendig noch
überall lückenhaften Beschaffenheit der Sammlung angemessen. Häufig
wird man also in der folgenden eine deutliche oder leise Anspielung auf
die vorhergehende Sage finden; äußerlich ähnliche stehen oft beisammen,
oft hören sie auf, um bei verschiedenem Anlaß anderswo im Buch von
neuem anzuheben. Unbedenklich hätten also noch viele andere Ordnungen
derselben Erzählungen, die wir hier mittheilen, in sofern man weitere
Beziehungen berücksichtigen wollte, versucht werden können, alle aber
würden doch nur geringe Beispiele der unerschöpflichen Triebe geben,
nach denen sich Sage aus Sage und Zug aus Zug in dem Wachsthum der
Natur gestaltet.

[Sidenote: V. Erklärende Anmerkungen.]

Einen Anhang von Anmerkungen, wie wir zu den beiden Bänden der Kinder-
und Hausmärchen geliefert, haben wir dieses mal völlig weggelassen,
weil uns der Raum zu sehr beschränkt hätte und erst durch die äußere
Beendigung unserer Sammlung eine Menge von Beziehungen bequem und
erleichtert werden wird. Eine vollständige Abhandlung der deutschen
Sagenpoesie, so viel sie in unsern Kräften steht, bleibt also einer
eigenen Schrift vorbehalten, worin wir umfassende Uebersichten des
Ganzen nicht blos in jenen dreien Eintheilungen nach Ort, Zeit und
Inhalt, sondern noch in anderen versuchen wollen.

[Sidenote: VI. Quellen der Sammlung.]

Diese Sammlung hatten wir nun schon vor etwa zehn Jahren angelegt, (man
sehe Zeitung für Einsiedler oder Trösteinsamkeit. Heidelberg 1808. Nr.
19 u. 20.) seitdem unablässig gesorgt, um für sie sowohl schriftliche
Quellen in manchen allmälig selten werdenden Büchern des 16. und 17.
J.H. fleißig zu nutzen und auszuziehen, als auch vor allen Dingen
mündliche, lebendige Erzählungen zu erlangen. Unter den geschriebenen
Quellen waren uns die Arbeiten des +Johannes Prätorius+ weit die
bedeutendsten. Er schrieb in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
und verband mit geschmackloser aber scharfsichtiger Gelehrsamkeit
Sinn für Sage und Aberglauben, der ihn antrieb, beide unmittelbar aus
dem bürgerlichen Leben selbst zu schöpfen und ohne welchen, was er
gewiß nicht ahnte, seine zahlreichen Schriften der Nachwelt unwerth
und unfruchtbar scheinen würden. Ihm dankt sie zumal die Kenntniß
und Beziehung mannichfacher Sagen, welche den Lauf der Saale entlang
und an den Ufern der Elbe, bis wo sich jene in diese ausmündet, im
Magdeburgischen und in der Altmark bei dem Volke gehn.

Den Prätorius haben spätere, oft ohne ihn zu nennen, ausgeschrieben,
selten durch eigene mündliche Zusammlung sich ein gleiches Verdienst
zu erwerben gewußt. In den langen Zeitraum zwischen ihm und der
Otmarischen Sammlung (1800) fällt kein einzig Buch von Belang für
deutsche Sagen, abgesehn von bloßen Einzelnheiten. Indessen hatten
kurz davor Musäus und Frau Naubert in ihren Verarbeitungen einiger
ächten Grundsagen aus Schriften, so wie theilweise aus mündlicher
Ueberlieferung, die Neigung darauf hingezogen, wenigstens hingewiesen.
In Absicht auf Treue und Frische verdient Otmar’s Sammlung der
Harzsagen so viel Lob, daß dieses den Tadel der hin und wieder
aufgesetzten unnöthigen Bräme und Stilverzierung zudeckt. Viele sind
aber auch selbst den Worten nach untadelhaft und man darf ihnen trauen.
Seitdem hat sich die Sache zwar immer mehr geregt und ist auch zuweilen
wirklich gefördert, im Ganzen jedoch nichts Bedeutendes gesammelt
worden, außer ganz neuerlich (1815.) ein Dutzend Schweizersagen von
Wyß. Ihr Herausgeber hat sie geschickt und gewandt in größere Gedichte
versponnen; wir erkennen neben dem Talent, was er darin bewiesen,
doch eine Trübung trefflicher einfacher Poesie, die keines Behelfs
bedarf und welche wir unserm Sinn gemäß aus der Einkleidung wieder
in die nackende Wahrheit einzulösen getrachtet haben, darin auch
durch die zugefügt gewesenen Anmerkungen besonders erleichtert waren.
Dieses, so wie daß wir aus der Otmarischen Sammlung etwa eben so
viel, oder einige mehr aufgenommen, war für unsern Zweck und den uns
seinethalben vorschwebenden Grad von Vollständigkeit unentbehrlich;
theils hatten wir manche noch aus anderen Quellen zu vergleichen, zu
berichtigen und in den einfachen Stil zurückzuführen. Es sind außerdem
noch zwei andere neue Sammlungen deutscher Volkssagen anzuführen,
von Büsching (1812.) und Gottschalk (1814.), deren die erste sich
auch auf auswärtige Sagen, sodann einheimische Märchen, Legenden
und Lieder, selbst Vermuthungen über Sagen, wie Spangenbergs, mit
erstreckt, also ein sehr ausgedehntes, unbestimmtes Feld hat. Beide
zusammen verdanken mündlicher Quelle nicht über zwölf bisher ungekannte
deutsche Sagen, welche wir indessen aufgenommen haben würden, wenn
nicht jede dieser Sammlungen selbst noch im Gang wäre und eigene
Fortsetzungen versprochen hätte. Wir haben ihnen also nichts davon
angerührt, übrigens, wo wir dieselben schriftlichen Sagen längst
schon aus denselben oder verschiedenen Quellen ausgeschrieben hatten,
unsre Auszüge darum nicht hintanlegen wollen; denn nach aufrichtiger
Ueberlegung fanden wir, daß wir umsichtiger und reiflicher gesammelt
hatten. Beide geben auch vermischt mit den örtlichen Sagen die
geschichtlichen, deren wir mehrere Hunderte für den nächsten Theil
aufbehalten. Wir denken keine fremde Arbeit zu irren oder zu stören,
sondern wünschen ihnen glücklichen Fortgang, der gottschalkischen
insbesondere mehr Critik zur Ausscheidung des Verblümten und der
Falschmünze. Die dobeneckische Abhandlung endlich von dem Volksglauben
des Mittelalters (1815.) breitet sich theils über ganz Europa, theils
schränkt sie sich wieder auf das sogenannt Abergläubische und sonst
in anderer Absicht zu ihrem Schaden ein; man kann sagen: sie ist eine
mehr sinnvolle als reife, durchgearbeitete Ansicht der Volkspoesie und
eigentlich Sammlung blos nebenbei, weshalb wir auch einige Auszüge aus
Prätorius, wo wir zusammentrafen, nicht ausgelassen haben; sie wird
inzwischen dem Studium dieser Dichtungen zur Erregung und Empfehlung
gereichen. Ausdrücklich ist hier noch zu bemerken, daß wir vorsätzlich
die vielfachen Sagen von Rübezahl, die sich füglich zu einer besonderen
Sammlung eignen, so wie mehrere Rheinsagen auf die erhaltene Nachricht:
Voigt wolle solche zu Frankfurt in diesem Jahr erscheinen lassen,
zurücklegen.

[Sidenote: VII. Zweck und Wunsch.]

Wir empfehlen unser Buch den Liebhabern deutscher Poesie, Geschichte
und Sprache, und hoffen, es werde ihnen allen, schon als lautere
deutsche Kost, willkommen seyn, im festen Glauben, daß nichts mehr
auferbaue und größere Freude bei sich habe, als das Vaterländische. Ja,
eine bedeutungslos sich anlassende Entdeckung und Bemühung in unserer
einheimischen Wissenschaft kann leicht am Ende mehr Frucht bringen, als
die blendendste Bekanntwerdung und Anbauung des Fremden, weil alles
Eingebrachte zugleich auch doch etwas Unsicheres an sich trägt, sich
gern versteigt und nicht so warm zu umfassen ist. Es schien uns nunmehr
Zeit hervorzutreten und unsere Sammlung zu dem Grad von Vollständigkeit
und Mannichfaltigkeit gediehen zu seyn, der ihre unvermeidlichen Mängel
hinreichend entschuldigen könne und in unsern Lesern das Vertrauen
erwecke, daß und in wiefern wir ihre Beihilfe zur Vervollkommnung des
Werkes brauchen und nicht mißbrauchen werden. Aller Anfang ist schwer,
wir fühlen, daß uns eine große Menge von deutschen Sagen gänzlich
fehlt, und daß ein Theil der hier gegebenen genauer und besser noch aus
dem Mund des Volks zu gewinnen ist; manches in Reisebeschreibungen des
vorigen Jahrhunderts zerstreute mag gleichfalls mangeln. Die Erfahrung
beweist, daß auf Briefe und Schreiben um zu sammelnde Beiträge wenig
oder nichts erfolge, bevor durch ein Muster von Sammlung selbst
deutlich geworden seyn kann, auf welche verachtete und scheinlose Dinge
es hierbei ankommt. Aber das Geschäft des Sammelns, sobald es einer
ernstlich thun will, verlohnt sich bald der Mühe und das Finden reicht
noch am nächsten an jene unschuldige Lust der Kindheit, wann sie in
Moos und Gebüsch ein brütendes Vöglein auf seinem Nest überrascht;
es ist auch hier bei den Sagen ein leises Aufheben der Blätter und
behutsames Wegbiegen der Zweige, um das Volk nicht zu stören und um
verstohlen in die seltsam, aber bescheiden in sich geschmiegte, nach
Laub, Wiesengras und frischgefallenem Regen riechende Natur blicken zu
können. Für jede Mittheilung in diesem Sinn werden wir dankbar seyn
und danken hiermit öffentlich unserm Bruder Ferdinand Grimm und unsern
Freunden August von Haxthausen und Carove, daß sie uns schon fleißig
unterstützt haben. Cassel, am 14. März 1816.




Inhalt.

  1. Die drei Bergleute im Kuttenberg                            Seite 1

  2. Der Berg-Geist                                                    3

  3. Der Berg-Mönch im Harz                                            5

  4. Frau Hollen-Teich                                                 6

  5. Frau Holla zieht umher                                            8

  6. Frau Hollen Bad                                                   9

  7. Frau Holla und der treue Eckart                                   9

  8. Frau Holla und der Bauer                                         10

  9. Die Springwurzel                                                 11

  10. Fräulein von Boyneburg                                          13

  11. Der Pielberg                                                    16

  12. Die Schloß-Jungfrau                                             16

  13. Die Schlangen-Jungfrau                                          17

  14. Das schwere Kind                                                19

  15. Der Weinkeller bei Salurn                                       20

  16. Das Hünen-Spiel                                                 23

  17. Das Riesen-Spielzeug                                            24

  18. Riese Einheer                                                   25

  19. Riesen-Säulen                                                   26

  20. Der Köterberg                                                   27

  21. Geroldseck                                                      28

  22. Kaiser Karl zu Nürnberg                                         28

  23. Friedrich Rothbart auf dem Kyfhäuser                            29

  24. Der Birnbaum auf dem Walserfeld                                 30

  25. Der verzauberte König zu Schildheiß                             31

  26. Kaiser Carl V. Auszug                                           32

  27. Der Unterberg                                                   32

  28. Kaiser Karl im Unterberg                                        33

  29. Der Scherfenberger und der Zwerg                                34

  30. Das stille Volk zu Plesse                                       38

  31. Des kleinen Volks Hochzeit-Fest                                 39

  32. Steinverwandelte Zwerge                                         40

  33. Zwerg-Berge                                                     42

  34. Zwerge leihen Brot                                              42

  35. Der Graf von Hoia                                               44

  36. Zwerge ausgetrieben                                             45

  37. Die Wichtlein                                                   46

  38. Beschwörung der Bergmännlein                                    48

  39. Die Bergmännlein beim Tanz                                      49

  40. Das Keller-Männlein                                             50

  41. Die Ahnfrau von Ranzau                                          51

  42. Herrmann von Rosenberg                                          54

  43. Die osenberger Zwerge                                           55

  44. Das Erdmännlein und der Schäferjung                             56

  45. Der einkehrende Zwerg                                           57

  46. Zeitelmoos                                                      58

  47. Das Moosweibchen                                                59

  48. Der wilde Jäger jagt die Moosleute                              60

  49. Der Wassermann                                                  61

  50. Die wilden Frauen im Unterberge                                 63

  51. Tanz mit dem Wassermann                                         66

  52. Der Wassermann und der Bauer                                    67

  53. Der Wassermann aus der Fleischerbank                            68

  54. Der Schwimmer                                                   69

  55. Bruder Nickel                                                   70

  56. Nixen-Brunnen                                                   71

  57. Magdeburger Nixen                                               71

  58. Der Dönges-See                                                  72

  59. Mummel-See                                                      73

  60. Die Elbjungfer und das Saalweiblein                             76

  61. Wasser-Recht                                                    78

  62. Das ertrunkene Kind                                             79

  63. Schlitz-Oehrchen                                                80

  64. Die Wasser-Nixe und der Mühlknappe                              80

  65. Vor den Nixen hilft Dosten und Dorant                           81

  66. Des Nixes Beine                                                 84

  67. Die Magd bei dem Nix                                            84

  68. Die Frau von Alvensleben                                        85

  69. Die Frau von Hahn und der Nix                                   87

  70. Das Streichmaaß, der Ring und Becher                            89

  71. Der Kobold                                                      90

  72. Der Bauer mit seinem Kobold                                     93

  73. Der Kobold in der Mühle                                         93

  74. Hütchen                                                         97

  75. Hinzelmann                                                     103

  76. Klopfer                                                        128

  77. Stiefel                                                        128

  78. Ekerken                                                        129

  79. Nacht-Geist zu Kendenich                                       129

  80. Der Alp                                                        130

  81. Der Wechselbalg                                                132

  82. Die Wechselbälge im Wasser                                     134

  83. Der Alraun                                                     135

  84. ~Spiritus familiaris~                                          137

  85. Das Vogelnest                                                  140

  86. Der Brutpfennig                                                143

  87. Wechselkind mit Ruthen gestrichen                              144

  88. Schauen auf Kinder                                             145

  89. Die Roggen-Muhme                                               146

  90. Die zwei unterirdischen Weiber                                 147

  91. König Grünewald                                                148

  92. Blümelis-Alp                                                   150

  93. Die Lilie                                                      152

  94. Johann von Passau                                              153

  95. Das Hündlein von Bretta                                        154

  96. Das Dorf am Meer                                               155

  97. Die verschütteten Silbergruben                                 156

  98. Der Fundgrübner                                                157

  99. Ein gespenstiger Reuter                                        159

  100. Der falsche Eid                                               160

  101. Zwölf ungerechte Richter                                      161

  102. Die heiligen Quellen                                          161

  103. Der quillende Brunnen                                         162

  104. Hunger-Quelle                                                 163

  105. Der Lieben-Bach                                               163

  106. Der Helfenstein                                               164

  107. Die Wiege aus dem Bäumchen                                    166

  108. Hessenthal                                                    167

  109. Reinstein                                                     167

  110. Der stillstehende Fluß                                        168

  111. Arendsee                                                      168

  112. Der Ochsenberg                                                169

  113. Die Moor-Jungfern                                             170

  114. Andreas-Nacht                                                 171

  115. Der Liebhaber zum Essen eingeladen                            172

  116. Die Christnacht                                               174

  117. Das Hemdabwerfen                                              176

  118. Krystall-Schauen                                              177

  119. Zauber-Kräuter kochen                                         182

  120. Der Salzknecht in Pommern                                     184

  121. Jungfer Eli                                                   184

  122. Die weiße Frau                                                187

  123. Taube zeigt einen Schatz                                      187

  124. Taube hält den Feind ab                                       188

  125. Der Glockenguß zu Breslau                                     189

  126. Der Glockenguß zu Attendorn                                   190

  127. Die Müllerin                                                  193

  128. Johann Hübner                                                 195

  129. Eppela Gaila                                                  198

  130. Der Blumenstein                                               200

  131. Seeburger See                                                 201

  132. Der Burgsee und Burgwall                                      204

  133. Der heil. Niclas und der Dieb                                 205

  134. Riesensteine                                                  205

  135. Spuren im Steine                                              206

  136. Der Riesen-Finger                                             207

  137. Riesen aus dem Unterberge                                     208

  138. Der Jetten-Bühel zu Heidelberg                                209

  139. Riese Haym                                                    210

  140. Die tropfende Rippe                                           211

  141. Jungfrau-Sprung                                               211

  142. Der Stierenbach                                               212

  143. Die Männer im Zottenberg                                      214

  144. Verkündigung des Verderbens                                   215

  145. Das Männlein auf dem Rücken                                   217

  146. Gottschee                                                     217

  147. Die Zwerge auf dem Baum                                       221

  148. Die Zwerge auf dem Felsstein                                  221

  149. Die Füße der Zwerge                                           222

  150. Die wilden Geister                                            224

  151. Die Heilingszwerge                                            225

  152. Abzug des Zwergvolks über die Brücke                          227

  153. Der Zug der Zwerge über den Berg                              229

  154. Die Zwerge bei Dardesheim                                     230

  155. Schmidt Riechert                                              231

  156. Grinken-Schmidt                                               232

  157. Die Hirtenjungen                                              233

  158. Die Nußkerne                                                  234

  159. Der soester Schatz                                            235

  160. Das quellende Silber                                          236

  161. Goldsand auf dem Unterberg                                    238

  162. Goldkohlen                                                    239

  163. Der Brunnen zu Steinau                                        240

  164. Die fünf Kreuze                                               241

  165. Der Schwerttanz zu Weissenstein                               241

  166. Der Steintisch zu Bingenheim                                  242

  167. Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof                        243

  168. Krieg und Frieden                                             244

  169. Rodensteins Auszug                                            244

  170. Der Tannhäuser                                                246

  171. Der wilde Jäger Hackelberg                                    248

  172. Der wilde Jäger und der Schneider                             249

  173. Der Hoselberg                                                 250

  174. Des Rechenbergers Knecht                                      251

  175. Geister-Kirche                                                254

  176. Geister-Mahl                                                  257

  177. Der Dachdecker                                                259

  178. Die Spinnerin am Creuz                                        260

  179. Buttermilchthurm                                              260

  180. Der heilige Wanfried                                          261

  181. Der Hülfenberg                                                262

  182. Das Teufelsloch zu Goslar                                     263

  183. Die Teufelsmühle                                              265

  184. Der Herrgottstritt                                            266

  185. Die Sachsenhäuser Brücke zu Frankfurt                         267

  186. Der Wolf und der Tannenzapf                                   269

  187. Der Teufel von Ach                                            270

  188. Die Teufelsmauer                                              270

  189. Des Teufels Tanzplatz                                         271

  190. Die Teufelskanzel                                             272

  191. Das Teufelsohrkissen                                          272

  192. Der Teufelsfelsen                                             272

  193. Teufelsmauer                                                  273

  194. Teufelsgitter                                                 273

  195. Teufelsmühle                                                  274

  196. Teufelskirche                                                 274

  197. Teufelsstein bei Reichenbach                                  274

  198. Teufelsstein bei Cöln                                         275

  199. Süntelstein zu Osnabrück                                      275

  200. Der Lügenstein                                                276

  201. Die Felsenbrücke                                              276

  202. Das Teufelsbad bei Dassel                                     277

  203. Der Thurm zu Schartfeld                                       279

  204. Der Dom zu Cöln                                               280

  205. Des Teufels Hut                                               282

  206. Des Teufels Brand                                             282

  207. Die Teufels-Hufeisen                                          284

  208. Der Teufel führt die Braut fort                               285

  209. Das Glücksrad                                                 286

  210. Der Teufel als Fürsprecher                                    289

  211. Traum vom Schatz auf der Brücke                               290

  212. Der Kessel mit dem Schatz                                     291

  213. Der Wärwolf                                                   293

  214. Der Wärwolf-Stein                                             295

  215. Die Wärwölfe ziehen aus                                       296

  216. Der Drache fährt aus                                          297

  217. Winkelried und der Lindwurm                                   299

  218. Der Lindwurm am Brunnen                                       300

  219. Das Drachenloch                                               301

  220. Schlangenkönigin                                              302

  221. Die Jungfrau im Oselberg                                      303

  222. Der Krötenstuhl                                               304

  223. Die Wiesenjungfrau                                            305

  224. Das Niesen im Wasser                                          307

  225. Die arme Seele                                                307

  226. Die verfluchte Jungfer                                        308

  227. Das Fräulein vom Staufenberg                                  308

  228. Der Jungferstein                                              308

  229. Das steinerne Brautbett                                       309

  230. Zum Stehen verwünscht                                         310

  231. Die Bauern zu Kolbeck                                         312

  232. Der heilige Sonntag                                           313

  233. Frau Hutt                                                     314

  234. Der Kindelsberg                                               315

  235. Die Semmel-Schuhe                                             317

  236. Der Erdfall bei Hochstädt                                     318

  237. Die Brot-Schuhe                                               319

  238. Das taube Korn                                                320

  239. Der Frauensand                                                321

  240. Brot zu Stein geworden                                        326

  241. Der Binger Mäusethurm                                         328

  242. Das Bubenried                                                 329

  243. Kindelbrück                                                   330

  244. Die Kinder zu Hameln                                          330

  245. Der Rattenfänger                                              333

  246. Der Schlangenfänger                                           334

  247. Das Mäuselein                                                 335

  248. Der ausgehende Rauch                                          336

  249. Die Katze aus dem Weidenbaum                                  337

  250. Wetter und Hagel machen                                       338

  251. Der Hexen-Tanz                                                339

  252. Die Weinreben und Nasen                                       340

  253. Fest hängen                                                   341

  254. Das Noth-Hemd                                                 342

  255. Fest gemacht                                                  343

  256. Der sichere Schuß                                             344

  257. Der herumziehende Jäger                                       344

  258. Doppelte Gestalt                                              346

  259. Gespenst als Eheweib                                          347

  260. Tod des Erstgebornen                                          349

  261. Der Knabe zu Colmar                                           350

  262. Tod des Domherrn zu Merseburg                                 351

  263. Die Lilie im Kloster zu Corvei                                351

  264. Rebundus im Dom zu Lübeck                                     352

  265. Glocke läutet von selbst                                      355

  266. Todes-Gespenst                                                356

  267. Frau Berta oder die weiße Frau                                357

  268. Die wilde Berta kommt                                         358

  269. Der Türst, das Posterli und die Sträggele                     359

  270. Der Nachtjäger und die Rüttelweiber                           360

  271. Der Mann mit dem Schlackhut                                   360

  272. Der graue Hockelmann                                          361

  273. Chimmeke in Pommern                                           362

  274. Der Krischer                                                  362

  275. Die überschiffenden Mönche                                    363

  276. Der Irrwisch                                                  365

  277. Der feurige Wagen                                             366

  278. Der Räderberg                                                 366

  279. Die Lichter auf Hellebarden                                   368

  280. Das Wafeln                                                    369

  281. Weberndes Flammen-Schloß                                      369

  282. Der Feuerberg                                                 371

  283. Der feurige Mann                                              373

  284. Die verwünschten Landmesser                                   374

  285. Der verrückte Gränzstein                                      374

  286. Der Gränzstreit                                               375

  287. Der Gränzlauf                                                 375

  288. Die Alpschlacht                                               378

  289. Der Stein bei Wenthusen                                       379

  290. Die altenberger Kirche                                        379

  291. Der König im lauenburger Berg                                 380

  292. Der Schwanberg                                                381

  293. Der Robbedisser Brunnen                                       381

  294. Bamberger Wage                                                382

  295. Kaiser Friedrich zu Kaiserslautern                            382

  296. Der Hirt auf dem Kiffhäuser                                   384

  297. Die drei Telle                                                385

  298. Das Bergmännchen                                              386

  299. Die Zirbelnüsse                                               388

  300. Das Paradies der Thiere                                       388

  301. Der Gemsjäger                                                 389

  302. Die Zwerglöcher                                               390

  303. Der Zwerg und die Wunderblume                                 391

  304. Der Nix an der Kelle                                          392

  305. Schwarzach                                                    393

  306. Die drei Jungfern aus dem See                                 394

  307. Der todte Bräutigam                                           395

  308. Der ewige Jäger                                               397

  309. Hans Jagenteufel                                              398

  310. Des Hackelnberg Traum                                         399

  311. Die Tut-Osel                                                  400

  312. Die schwarzen Reuter und das Handpferd                        401

  313. Der getreu Eckhart                                            402

  314. Das Fräulein vom Willberg                                     403

  315. Der Schäfer und der Alte aus dem Berg                         405

  316. Jungfrau Ilse                                                 407

  317. Die Heiden-Jungfrau zu Glatz                                  409

  318. Der Roßtrapp und der Cretpfuhl                                411

  319. Der Mägdesprung                                               417

  320. Der Jungfernsprung                                            418

  321. Der Harrassprung                                              420

  322. Der Riese Hidde                                               420

  323. Das ilefelder Nadelöhr                                        421

  324. Die Riesen zu Lichtenberg                                     422

  325. Das Hühnenblut                                                423

  326. Es rauscht im Hühnen-Grab                                     424

  327. Todte aus den Gräbern wehren dem Feind                        424

  328. Hans Heilings Felsen                                          425

  329. Die Jungfrau mit dem Bart                                     426

  330. Die weiße Jungfrau zu Schwanau                                427

  331. Schwarzkopf und Seeburg am Mummel-See                         427

  332. Der Krämer und die Maus                                       430

  333. Die drei Schatzgräber                                         431

  334. Einladung vor Gottes Gericht                                  431

  335. Gäste vom Galgen                                              435

  336. Teufels-Brücke                                                436

  337. Die zwölf Johanneße                                           437

  338. Teufels-Graben                                                438

  339. Der Kreuzliberg                                               439

  340. Die Pferde aus dem Bodenloch                                  440

  341. Zusammenkunft der Todten                                      441

  342. Das weissagende Vöglein                                       443

  343. Der ewige Jud auf dem Matterhorn                              443

  344. Der Kessel mit Butter                                         444

  345. Trauer-Weide                                                  445

  346. Das Christus-Bild zu Wittenberg                               445

  347. Das Muttergottes-Bild am Felsen                               446

  348. Das Gnadenbild aus dem Lerchenstock zu Waldrast               447

  349. Ochsen zeigen die heilige Stätte                              449

  350. Notburga                                                      450

  351. Mauerkalk mit Wein gelöscht                                   454

  352. Der Judenstein                                                455

  353. Das von den Juden getödtete Mägdlein                          456

  354. Die vier Hufeisen                                             457

  355. Der Altar zu Seefeld                                          458

  356. Der Sterbensstein                                             459

  357. Sündliche Liebe                                               460

  358. Der schweidnitzer Rathsmann                                   460

  359. Regenbogen über Verurtheilten                                 462

  360. Gott weint mit dem Unschuldigen                               462

  361. Gottes Speise                                                 463

  362. Die drei Alten                                                464




1.

Die drei Bergleute im Kuttenberg.

Mündlich in Hessen.


In Böhmen liegt der Kuttenberg, darin arbeiteten drei Bergleute lange
Jahre und verdienten damit für Frau und Kind das Brot ehrlich. Wann sie
Morgens in den Berg gingen, so nahmen sie dreierlei mit: erstens ihr
Gebätbuch, zweitens ihr Licht, aber nur auf einen Tag mit Öhl versehen,
drittens ihr Bischen Brot, das reichte auch nur auf einen Tag. Ehe sie
die Arbeit anhuben, thaten sie ihr Gebät zu Gott, daß er sie in dem
Berge bewahren mögte und darnach fingen sie getrost und fleißig an zu
arbeiten. Es trug sich zu, als sie einen Tag gearbeitet hatten und es
bald Abend war, daß der Berg vornen einfiel und der Eingang verschüttet
wurde. Da meinten sie begraben zu seyn und sprachen: “ach Gott! wir
armen Bergleute, wir müssen nun Hungers sterben! wir haben nur einen
Tag Brot zu essen und einen Tag Öhl auf dem Licht!” Nun befahlen sie
sich Gott und dachten bald zu sterben, doch wollten sie nicht müßig
seyn, so lange sie noch Kräfte hätten, arbeiteten fort und fort und
bäteten. Also geschah es, daß ihr Licht sieben Jahr brennte und ihr
kleines Bischen Brot, von dem sie tagtäglich aßen, ward auch nicht
all, sondern blieb eben so groß und sie meinten, die sieben Jahre wären
nur ein Tag. Doch da sie sich nicht ihr Haar schneiden und den Bart
abnehmen konnten, waren diese ellen-lang gewachsen. Die Weiber hielten
unterdessen ihre Männer für todt, meinten sie würden sie nimmermehr
wiedersehen und dachten daran, andere zu heirathen.

Nun geschah es, daß einer von den dreien unter der Erde, so recht aus
Herzensgrund, wünschte: “ach! könnt ich noch einmal das Tageslicht
sehen, so wollt’ ich gerne sterben!” Der Zweite sprach: “ach! könnt
ich noch einmal daheim mit meiner Frau zu Tische sitzen und essen, so
wollt’ ich gerne sterben!” Da sprach auch der Dritte: “ach! könnt ich
nur noch ein Jahr friedlich und vergnügt mit meiner Frau leben, so
wollt’ ich gerne sterben!” Wie sie das gesprochen hatten, so krachte
der Berg gewaltig und übermächtig und sprang von einander, da ging der
erste hin zu dem Ritz und schaute hinauf und sah den blauen Himmel,
und wie er sich am Tageslicht gefreut, sank er augenblicklich todt
nieder. Der Berg aber that sich immer mehr von einander, also daß
der Riß größer ward, da arbeiteten die beiden andern fort, hackten
sich Treppen, krochen hinauf und kamen endlich heraus. Sie gingen nun
fort in ihr Dorf und in ihre Häuser und suchten ihre Weiber, aber die
wollten sie nicht mehr kennen. Sie sprachen: “habt ihr denn keine
Männer gehabt?” “Ja, antworteten jene, aber die sind schon sieben Jahre
todt und liegen im Kuttenberg begraben!” Der Zweite sprach zu seiner
Frau: “ich bin dein Mann,” aber sie wollt’ es nicht glauben, weil er
den ellenlangen Bart hatte und ganz unkenntlich war. Da sagte er: “hol
mir das Bartmesser, das oben in dem Wandschrank liegen wird und ein
Stückchen Seife dazu.” Nun nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch
sich, und als er fertig war, sah sie, daß es ihr Mann war. Sie freute
sich herzlich, holte Essen und Trinken so gut sie es hatte, deckte
den Tisch und sie setzten sich zusammen hin und aßen vergnügt mit
einander. Wie aber der Mann satt war und eben den letzten Bissen Brot
gegessen hatte, da fiel er um und war todt. Der dritte Bergmann wohnte
ein ganzes Jahr in Stille und Frieden mit seiner Frau zusammen, als es
herum war, zu derselben Stunde aber, wo er aus dem Berg gekommen war,
fiel er und seine Frau mit ihm todt hin. Also hatte Gott ihre Wünsche
ihrer Frömmigkeit wegen erfüllt.




2.

Der Berg-Geist.

+Prätor+ Weltbeschreibung I. 110. 127. 128.

+Bräuner’s+ Curiosit. 203. 206.

~+G. Agricola+ de animalib. subterr.~

Mündliche Erzählung.


Der Berg-Geist, +Meister Hämmerling+, gemeiniglich +Berg-Mönch+
genannt, zeigt sich zuweilen in der Tiefe, gewöhnlich als ein Riese
in einer schwarzen Mönchs-Kutte. In einem Bergwerk der Graubündner
Alpen erschien er oft und war besonders am Freitage geschäfftig,
das ausgegrabene Erz aus einem Eimer in den andern zu schütten; der
Eigenthümer des Bergwerks durfte sich das nicht verdrießen lassen,
wurde aber auch niemals von ihm beleidigt. Dagegen als einmal ein
Arbeiter, zornig über dies vergebliche Handthieren, den Geist schalt
und verfluchte, faßte ihn dieser mit so großer Gewalt, daß er zwar
nicht starb, aber das Antlitz sich ihm umkehrte. Im Annaberg, in der
Höhle, welche der Rosenkranz heißt, hat er zwölf Bergleute, während
der Arbeit, angehaucht, wovon sie todt liegen geblieben sind, und die
Grube ist, obgleich silberreich, nicht ferner angebaut worden. Hier
hat er sich in Gestalt eines Rosses mit langem Hals gezeigt, furchtbar
blickende Augen auf der Stirne. Zu Schneeberg ist er aber als ein
schwarzer Mönch in der St. Georgen-Grube erschienen und hat einen
Bergknappen ergriffen, von der Erde aufgehoben und oben in die Grube,
die vorzeiten gar silberreich war, so hart niedergesetzt, daß ihm seine
Glieder verletzt waren. Am Harz hat er einmal einen bösen Steiger, der
die Bergleute quälte, bestraft. Denn als dieser zu Tage fuhr stellte er
sich, ihm unsichtbar, über die Grube und als er empor kam, drückte ihm
der Geist mit den Knien den Kopf zusammen.




3.

Der Berg-Mönch im Harz.

Mündlich, am Harz.


Zwei Bergleute arbeiteten immer gemeinschaftlich. Einmal als sie
anfuhren und vor Ort kamen, sahen sie an ihrem Geleucht, daß sie
nicht genug Öhl zu einer Schicht auf den Lampen hatten. “Was fangen
wir da an?” sprachen sie mit einander, “geht uns das Öhl aus, so daß
wir im Dunkeln sollen zu Tag fahren, sind wir gewiß unglücklich, da
der Schacht schon gefährlich ist. Fahren wir aber jetzt gleich aus,
um von Haus Öhl zu holen, so straft uns der Steiger und das mit Lust,
denn er ist uns nicht gut.” Wie sie also besorgt standen, sahen sie
ganz fern in der Strecke ein Licht, das ihnen entgegen kam. Anfangs
freuten sie sich, als es aber näher kam, erschraken sie gewaltig,
denn ein ungeheurer, riesen-großer, Mann ging, ganz gebückt, in der
Strecke herauf. Er hatte eine große Kappe auf dem Kopf und war auch
sonst wie ein Mönch angethan, in der Hand aber trug er ein mächtiges
Gruben-Licht. Als er bis zu den beiden, die in Angst da still standen,
geschritten war, richtete er sich auf und sprach: “Fürchtet euch nicht,
ich will euch kein Leids anthun, vielmehr Gutes”, nahm ihr Geleucht und
schüttete Öhl von seiner Lampe darauf. Dann aber griff er ihr Gezäh
und arbeitete ihnen in einer Stunde mehr, als sie selbst in der ganzen
Woche bei allem Fleiß herausgearbeitet hätten. Nun sprach er: “sagts
keinem Menschen je, daß ihr mich gesehen habt” und schlug zuletzt
mit der Faust links an die Seitenwand; sie that sich aus einander
und die Bergleute erblickten eine lange Strecke, ganz von Gold und
Silber schimmernd. Und weil der unerwartete Glanz ihre Augen blendete,
so wendeten sie sich ab, als sie aber wieder hinschauten, war alles
verschwunden. Hätten sie ihre Bilhacke (Hacke mit einem Beil) oder
sonst irgend nur einen Theil ihres Gezähs hineingeworfen, wäre die
Strecke offen geblieben und ihnen viel Reichthum und Ehre zugekommen;
aber so war es vorbei, wie sie die Augen davon abgewendet.

Doch blieb ihnen auf ihrem Geleucht das Öhl des Berg-Geistes, das nicht
abnahm und darum noch immer ein großer Vortheil war. Aber nach Jahren,
als sie einmal am Sonnabend mit ihren guten Freunden im Wirthshaus
zechten und sich lustig machten, erzählten sie die ganze Geschichte,
und Mondtags Morgen, als sie anfuhren, war kein Öhl mehr auf der Lampe
und sie mußten nun jedesmal wieder, wie die andern, frisch aufschütten.




4.

Frau Hollen Teich.

+Schaub+ Beschr. des Meißners. Cassel 1799. 8. p. 12-14.

+Münchhausen+ Abh. über den Meißner in Hinsicht auf myth.
Alterthum. Hess. Denkwürdigk. II. 161-202.


Auf dem Hessischen Gebirg Meißner weisen mancherlei Dinge schon mit
ihren bloßen Namen das Alterthum aus, wie die Teufelslöcher, der
Schlachtrasen, und sonderlich der +Frau Hollenteich+. Dieser an der
Ecke einer Moorwiese gelegen hat gegenwärtig nur 40-50 Fuß Durchmesser;
die ganze Wiese ist mit einem halb untergegangenem Steindamm eingefaßt
und nicht selten sind auf ihr Pferde versunken.

Von dieser Holle erzählt das Volk vielerlei, gutes und böses. Weiber,
die zu ihr in den Brunnen steigen, macht sie gesund und fruchtbar;
die neugebornen Kinder stammen aus ihrem Brunnen und sie trägt sie
daraus hervor. Blumen, Obst, Kuchen, das sie unten im Teiche hat und
was in ihrem unvergleichlichen Garten wächst, theilt sie denen aus,
die ihr begegnen und zu gefallen wissen. Sie ist sehr ordentlich und
hält auf guten Haushalt; wann es bei den Menschen schneit, klopft
sie ihre Betten aus, davon die Flocken in der Luft fliegen. Faule
Spinnerinnen straft sie, indem sie ihnen den Rocken besudelt, das Garn
wirrt, oder den Flachs anzündet; Jungfrauen hingegen, die fleißig
abspinnen, schenkt sie Spindeln und spinnt selber für sie über Nacht,
daß die Spuhlen des Morgens voll sind. Faulenzerinnen zieht sie die
Bettdecken ab und legt sie nackend aufs Steinpflaster; Fleißige, die
schon frühmorgens Wasser zur Küche tragen in reingescheuerten Eimern,
finden Silbergroschen darin. Gern zieht sie Kinder in ihren Teich, die
guten macht sie zu Glückskindern, die bösen zu Wechselbälgen. Jährlich
geht sie im Land um und verleiht den Äckern Fruchtbarkeit, aber auch
erschreckt sie die Leute, wenn sie durch den Wald fährt, an der Spitze
des wütenden Heers. Bald zeigt sie sich als eine schöne weiße Frau in
oder auf der Mitte des Teichs, bald ist sie unsichtbar und man hört
blos aus der Tiefe ein Glockengeläut und finsteres Rauschen.




5.

Frau Holla zieht umher.

+Prätor.+ Weihnachtsfratzen ~prop.~ 54.


In der Weihnacht fängt Frau Holla an herumzuziehen, da legen die Mägde
ihren Spinnrocken aufs neue an, winden viel Werk oder Flachs darum und
lassen ihn über Nacht stehen. Sieht das nun Frau Holla, so freut sie
sich und sagt:

    so manches Haar,
    so manches gutes Jahr.

Diesen Umgang hält sie bis zum großen Neujahr, d. h. den Heiligen drei
Königstag, wo sie wieder umkehren muß nach ihrem Horselberg; trifft sie
dann unterwegens Flachs auf dem Rocken, zürnt sie und spricht:

    so manches Haar,
    so manches böses Jahr.

Daher reißen Feier-Abends vorher alle Mägde sorgfältig von ihren Rocken
ab, was sie nicht abgesponnen haben, damit nichts dran bleibe und ihnen
übel ausschlage. Noch besser ists aber, wenn es ihnen gelingt, alles
angelegte Werk vorher im Abspinnen herunter zu bringen.




6.

Frau Hollen Bad.

+Zeiller’s+ Sendschreiben II. 533. S. 695.

+Prätor+. Weltbeschr. I. 476.


Am Meißner in Hessen liegt ein großer Pfuhl oder See, mehrentheils trüb
von Wasser, den man Frau Hollen Bad nennt. Nach alter Leute Erzählung
wird Frau Holle zuweilen badend um die Mittagsstunde darin gesehen
und verschwindet nachher. Berg und Moore in der ganzen Umgegend sind
voll von Geistern und Reisende oder Jäger oft von ihnen verführt oder
beschädiget worden.




7.

Frau Holla und der treue Eckart.

+Prätor+. Weihnachtsfratzen propos. 55.

+Falkenstein+ thüring. Chronik I. 167.


In Thüringen liegt ein Dorf Namens Schwarza, da zog Weihnachten Frau
Holla vorüber und vorn im Haufen ging der treue Eckart und warnte
die begegneten Leute aus dem Wege zu weichen, daß ihnen kein Leid
widerfahre. Ein Paar Bauerknaben hatten gerade Bier in der Schenke
geholt, das sie nach Haus tragen wollten, als der Zug erschien, dem
sie zusahen. Die Gespenster nahmen aber die ganze breite Straße ein,
da wichen die Dorfjungen mit ihren Kannen abseits in eine Ecke; bald
nahten sich unterschiedene Weiber aus der Rotte, nahmen die Kannen und
tranken. Die Knaben schwiegen aus Furcht stille, wußten doch nicht,
wie sie ihnen zu Haus thun sollten, wenn sie mit leeren Krügen kommen
würden. Endlich trat der treue Eckart herbei und sagte: “das rieth euch
Gott, daß ihr kein Wörtchen gesprochen habt, sonst wären euch euere
Hälse umgedreht worden; gehet nun flugs heim und sagt keinem Menschen
etwas von der Geschichte, so werden eure Kannen immer voll Bier seyn
und wird ihnen nie gebrechen.” Dieses thaten die Knaben und es war so,
die Kannen wurden niemals leer, und drei Tage nahmen sie das Wort in
acht. Endlich aber konnten sies nicht länger bergen, sondern erzählten
aus Vorwitz ihren Eltern den Verlauf der Sache, da war es aus und die
Krüglein versiegten. Andere sagen, es sey dies nicht eben zu Weihnacht
geschehen, sondern auf eine andre Zeit.




8.

Frau Holla und der Bauer.

+Prätor+. Weihnachtfr. prop. 56.


Frau Holla zog einmal aus, begegnete ihr ein Bauer mit der Axt. Da
redete sie ihn mit den Worten an, daß er ihr den Wagen verkeilen oder
verschlagen sollte. Der Taglöhner that, wie sie ihm hieß und als die
Arbeit verrichtet war, sprach sie: raff die Späne auf und nimm sie zum
Trinkgeld mit; drauf fuhr sie ihres Weges. Dem Manne kamen die Späne
vergeblich und unnütz vor, darum ließ er sie meistentheils liegen, blos
ein Stück oder drei nahm er für die Langeweile mit. Wie er nach Hause
kam und in den Sack griff, waren die Späne eitel Gold, alsbald kehrte
er um, noch die andern zu holen, die er liegen gelassen; so sehr er
suchte, so war es doch zu spät und nichts mehr vorhanden.




9.

Die Springwurzel.

Mündlich auf dem Köterberg von einem Schäfer.

vgl. Altdeutsche Wälder II. 95.


Vorzeiten hütete ein Schäfersmann friedlich auf dem Köterberg, da
stand, als er sich einmal umwendete, ein prächtiges Königs-Fräulein
vor ihm und sprach: “nimm die Spring-Wurzel und folge mir nach.” Die
Spring-Wurzel erhält man dadurch, daß man einem Grünspecht (Elster oder
Wiedehopf) sein Nest mit einem Holz zukeilt; der Vogel, wie er das
bemerkt, fliegt alsbald fort und weiß die wunderbare Wurzel zu finden,
die ein Mensch noch immer vergeblich gesucht hat. Er bringt sie im
Schnabel und will sein Nest damit wieder öffnen, denn hält er sie vor
den Holzkeil, so springt er heraus, wie vom stärksten Schlag getrieben.
Hat man sich versteckt und macht nun, wie er heran kommt, einen großen
Lärm, so läßt er sie erschreckt fallen (man kann aber auch nur ein
weißes oder rothes Tuch unter das Nest breiten, so wirft er sie darauf,
sobald er sie gebraucht hat.) Eine solche Springwurzel besaß der Hirt,
ließ nun seine Thiere herumtreiben und folgte dem Fräulein. Sie führte
ihn bei einer Höhle in den Berg hinein, kamen sie zu einer Thüre oder
einem verschlossenen Gang, so mußte er seine Wurzel vorhalten und
alsbald sprang sie krachend auf. Sie gingen immer fort, bis sie etwa
in die Mitte des Bergs gelangten, da saßen noch zwei Jungfrauen und
spannen emsig; der Böse war auch da, aber ohne Macht und unten an den
Tisch, vor dem die beiden saßen, festgebunden. Ringsum war in Körben
Gold und leuchtende Edelsteine aufgehäuft und die Königstochter sprach
zu dem Schäfer, der da stand und die Schätze anlusterte: “nimm dir,
so viel du willst.” Ohne Zaudern griff er hinein und füllte seine
Taschen, so viel sie halten konnten und wie er, also reich beladen,
wieder hinaus wollte, sprach sie: “aber vergiß das Beste nicht!” Er
meinte nicht anders, als das wären die Schätze und glaubte sich gar
wohl versorgt zu haben, aber es war das Spring-Wort[1]. Wie er nun
hinaustrat, ohne die Wurzel, die er auf den Tisch gelegt, schlug das
Thor mit Schallen hinter ihm zu, hart an die Ferse, doch ohne weitern
Schaden, wiewohl er leicht sein Leben hätte einbüßen können. Die großen
Reichthümer brachte er glücklich nach Haus, aber den Eingang konnte er
nicht wieder finden.


  [1] Der erzählende Schäfer brauchte ganz gleichbedeutend die
      Spring-+Wurzel+ und das Spring-+Wort+ wie im Gefühl von der alten
      Verwandschaft beider Ausdrücke.




10.

Fräulein von Boyneburg.

Mündlich, aus Hessen.


Auf eine Zeit lebten auf der Boyneburg drei Fräulein zusammen. Der
jüngsten träumte in einer Nacht, es sey in Gottes Rath beschlossen,
daß eine von ihnen im Wetter sollte erschlagen werden. Morgens sagte
sie ihren Schwestern den Traum und als es Mittag war, stiegen schon
Wolken auf, die immer größer und schwärzer wurden, also daß Abends
ein schweres Gewitter am Himmel hinzog und ihn bald ganz zudeckte und
der Donner immer näher herbei kam. Als nun das Feuer von allen Seiten
herabfiel, sagte die älteste: “ich will Gottes Willen gehorchen, denn
mir ist der Tod bestimmt”, ließ sich einen Stuhl hinaustragen, saß
draußen einen Tag und eine Nacht und erwartete, daß der Blitz sie
träfe. Aber es traf sie keiner; da stieg am zweiten Tage die zweite
herab und sprach: “ich will Gottes Willen gehorchen, denn mir ist der
Tod bestimmt”; und saß den zweiten Tag und die zweite Nacht, die Blitze
versehrten sie auch nicht, aber das Wetter wollte nicht fortziehen. Da
sprach die dritte am dritten Tage: “nun seh ich Gottes Willen: daß ich
sterben soll”, da ließ sie den Pfarrer holen, der ihr das Abendmahl
reichen mußte, dann machte sie auch ihr Testament und stiftete, daß
an ihrem Todestage die ganze Gemeinde gespeist und beschenkt werden
sollte. Nachdem das geschehen war, ging sie getrost hinunter und setzte
sich nieder und nach wenigen Augenblicken fuhr auch ein Blitz auf sie
herab und tödtete sie.

Hernach als das Schloß nicht mehr bewohnt war, ist sie oft als ein
guter Geist gesehen worden. Ein armer Schäfer, der all sein Hab und Gut
verloren hatte und dem am andern Tage sein letztes sollte ausgepfändet
werden, weidete an der Boyneburg, da sah er im Sonnenschein an der
Schloßthüre eine schneeweiße Jungfrau sitzen. Sie hatte ein weißes
Tuch ausgebreitet, darauf lagen Knotten, die sollten in der Sonne
aufklinken. Der Schäfer verwunderte sich, an dem einsamen Ort eine
Jungfrau zu finden, trat zu ihr hin und sprach: “ei was schöne
Knotten!” nahm ein paar in die Hand, besah sie und legte sie wieder
hin. Sie sah ihn freundlich und doch traurig an, antwortete aber
nichts, da ward dem Schäfer angst, daß er fort ging, ohne sich
umzusehen und die Heerde nach Haus trieb. Es waren ihm aber ein paar
Knotten, als er darin gestanden, neben in die Schuhe gefallen, die
drückten ihn auf dem Heimweg, da setzte er sich, zog den Schuh ab und
wollte sie herauswerfen, wie er hineingriff, so fielen ihm fünf oder
sechs Goldkörner in die Hand. Der Schäfer eilte zur Boyneburg zurück,
aber die weiße Jungfrau war sammt den Knotten verschwunden; doch konnte
er sich mit dem Golde schuldenfrei machen und seinen Haushalt wieder
einrichten.

Viele Schätze sollen in der Burg noch verborgen liegen. Ein Mann war
glücklich und sah in der Mauer ein Schubfach; als er es aufzog, war
es ganz voll Gold. Eine Wittwe hatte nur eine Kuh und Ziege und weil
an der Boyneburg schöne Heiternesseln wachsen, wollte sie davon zum
Futter abschneiden, wie sie aber eben nach einem Strauch packte, glitt
sie aus und fiel tief hinab. Sie schrie und rief nach Hilfe, es war
aber niemand mehr in der einsamen Gegend, bis Abends ihre Kinder, denen
Angst geworden war, herbei kamen und ihre Stimme hörten. Sie zogen sie
an Stricken herauf und nun erzählte sie ihnen, tief da unten sey sie
vor ein Gitter gefallen, dahinter habe sie einen Tisch gesehen, der mit
Reichthümern und Silberzeug ganz beladen gewesen.




11.

Der Piel-Berg.

+Prätorius+ Glücks-Topf S. 506.


Bei Annaberg in Meissen, liegt vor der Stadt ein hoher Berg, der
Piel-Berg genannt, darauf soll vor Zeiten eine schöne Jungfrau verbannt
und verwünscht seyn, die sich noch öfters um Mittag, weshalb sich dann
niemand dort darf sehen lassen, in köstlicher Gestalt, mit prächtigen,
gelben, hinter sich geschlagenen Haaren zeigt.




12.

Die Schloß-Jungfrau.

+Falkenstein+ thüring. Chronik I. 172.


Auf dem Schloßberg unweit Ordruf in Thüringen soll sich manchmal eine
Jungfrau sehen lassen, welche ein großes Gebund Schlüssel anhängen hat.
Sie kommt dann allezeit um zwölf Uhr Mittags vom Berg herab und geht
nach dem unten im Thal befindlichen Hierlings- oder Hörlings-Brunn und
badet sich in demselben, worauf sie wiederum den Berg hinaufsteigt.
Einige wollen sie genau gesehen und betrachtet haben.




13.

Die Schlangen-Jungfrau.

+Prätor.+ Weltbeschr. I. 661-663.

+Seyfried+ in ~medulla. p.~ 477. 478.

+Kornemann+ ~mons Veneris c.~ 34. ~p.~ 189-192.


Um das Jahr 1520 war einer zu Basel im Schweizerlande mit Namen
Leonhard, sonst gemeinlich Lienimann genannt, eines Schneiders Sohn,
ein alberner und einfältiger Mensch, und dem dazu das Reden, weil er
stammerte, übel abging. Dieser war in das Schlauf-Gewölbe oder den
Gang, welcher zu Augst über Basel unter der Erde her sich erstreckt,
ein- und darin viel weiter, als jemals einem Menschen möglich gewesen,
fortgegangen und hinein gekommen und hat von wunderbarlichen Händeln
und Geschichten zu reden wissen. Denn er erzählt und es gibt noch
Leute, die es aus seinem Munde gehört haben, er habe ein geweihtes
Wachslicht genommen und angezündet und sey mit diesem in die Höhle
eingegangen. Da hätte er erstlich durch eine eiserne Pforte und darnach
aus einem Gewölbe in das andere, endlich auch durch etliche gar schöne
und luftige grüne Gärten gehen müssen. In der Mitte aber stünde ein
herrlich und wohlgebautes Schloß oder Fürstenhaus, darin wäre eine
gar schöne Jungfrau mit menschlichem Leibe bis zum Nabel, die trüge
auf ihrem Haupt eine Krone von Gold und ihre Haare hätte sie zu Felde
geschlagen; unten vom Nabel an wäre sie aber eine gräuliche Schlange.
Von derselben Jungfrau wäre er bei der Hand zu einem eisernen Kasten
geführt worden, auf welchem zwei schwarze bellende Hunde gelegen,
also daß sich niemand dem Kasten nähern dürfen, sie aber hätte ihm
die Hunde gestillt und im Zaum gehalten, und er ohne alle Hinderung
hinzugehen können. Darnach hätte sie einen Bund Schlüssel, den sie am
Hals getragen, abgenommen, den Kasten aufgeschlossen, silberne und
andere Münzen heraus geholt. Davon ihm dann die Jungfrau nicht wenig
aus sonderlicher Mildigkeit geschenkt, welche er mit sich aus der
Schluft gebracht; wie er denn auch selbige vorgezeigt und sehen lassen.
Auch habe die Jungfrau zu ihm gesprochen, sie sey von königlichem
Stamme und Geschlecht geboren, aber also in ein Ungeheuer verwünscht
und verflucht, und könne durch nichts erlöst werden, als wenn sie von
einem Jüngling, dessen Keuschheit rein und unverletzt wäre, dreimal
geküßt werde; dann würde sie ihre vorige Gestalt wieder erlangen. Ihrem
Erlöser wolle sie dafür den ganzen Schatz, der an dem Orte verborgen
gehalten würde, geben und überantworten. Er erzählte weiter, daß er die
Jungfrau bereits zweimal geküßt, da sie denn alle beide Mal, vor großer
Freude der unverhofften Erlösung, mit so gräulichen Gebärden sich
erzeigt, daß er sich gefürchtet und nicht anders gemeint, sie würde ihn
lebendig zerreißen; daher er zum drittenmal sie zu küssen nicht gewagt,
sondern weggegangen wäre. Hernach hat es sich begeben, daß ihn etliche
in ein Schand-Haus mitgenommen, wo er mit einem leichtsinnigen Weibe
gesündigt. Also vom Laster befleckt, hat er nie wieder den Eingang
zu der Schlauf-Höhle finden können; welches er zum öftern mit Weinen
beklagt.




14.

Das schwere Kind.

+Bräuner’s+ Curiosit. 274.


Im Jahr 1686. am achten Juni erblickten zwei Edelleute auf dem Wege
nach Chur in der Schweiz an einem Busch ein kleines Kind liegen, das
in Linnen eingewickelt war. Der eine hatte Mitleiden, hieß seinen
Diener absteigen und das Kind aufheben, damit man es ins nächste Dorf
mitnehmen und Sorge für es tragen könnte. Als dieser abgestiegen war,
das Kind angefaßt hatte und aufheben wollte, war er es nicht vermögend.
Die zwei Edelleute verwunderten sich hierüber und befahlen dem andern
Diener, auch abzusitzen und zu helfen. Aber beide mit gesammter Hand
waren nicht so mächtig, es nur von der Stelle zu rücken. Nachdem sie es
lange versucht, hin und her gehoben und gezogen, hat das Kind anfangen
zu sprechen und gesagt: “laßet mich liegen, denn ihr könnt mich doch
nicht von der Erde wegbringen. Das aber will ich euch sagen, daß dies
ein köstliches und fruchtbares Jahr seyn wird, aber wenig Menschen
werden es erleben.” Sobald es diese Worte ausgeredet hatte, verschwand
es. Die beiden Edelleute legten nebst ihren Dienern ihre Aussage bey
dem Rath zu Chur nieder.




15.

Der alte Weinkeller bei Salurn.

Nachr. von Geistern. Frankf. 1737. S. 66-73.


Auf dem Rathhause des tyroler Fleckens Salurn, an der Etsch, werden
zwei alte Flaschen vorgezeigt und davon erzählt: Im Jahr 1688. ging
Christoph Patzeber von St. Michael nach Salurn in Verrichtungen und
wie er bei den Trümmern der alten salurner Burg vorüberkam, wandelte
ihn Lust an, das Gemäuer näher zu betrachten. Er sah sich im obern
Theil um und fand ungefähr eine unterirdische Treppe, welche aber
ganz hell schien, so daß er hinabstieg, und in einen ansehnlichen
Keller gelangte, zu dessen beiden Seiten er große Fässer liegen sah.
Der Sonnenstrahl fiel durch die Ritzen, er konnte deutlich achtzehn
Gefäße zählen, deren jedes ihm däuchte funfzig Irten zu halten; an
denen die vorn standen, fehlte weder Hahn noch Krahn und als der Bürger
vorwitzig umdrehte, sah er mit Verwunderung einen Wein, köstlich wie
Oel, fließen. Er kostete das Getränk und fand es von solchem herrlichen
Geschmack, als er Zeitlebens nicht über die Zunge gebracht hatte. Gern
hätte er für Weib und Kind davon mitgenommen, wenn ihm ein Geschirr
zu Handen gewesen wäre; die gemeine Sage fiel ihm ein von diesem
Schloß, das schon manchen Menschen unschuldigerweise reich gemacht
haben sollte, und er sann hin und her, ob er nicht durch diesen Fund
glücklich werden möchte. Er schlug daher den Weg nach der Stadt ein,
vollbrachte sein Geschäft und kaufte sich zwei große irdene Flaschen
nebst Trichter und verfügte sich noch vor Sonnenuntergang in das alte
Schloß, wo er alles gerade so wiederfand, als das erstemal. Ungesäumt
füllte er seine beiden Flaschen mit Wein, welche etwa zwanzig Maaß
fassen konnten, hierauf wollte er den Keller verlassen. Aber im
Umdrehen sah er plötzlich an der Treppe, also daß sie ihm den Gang
sperrten, drei alte Männer an einem kleinen Tische sitzen, vor ihnen
lag eine schwarze mit Kreide beschriebene Tafel. Der Bürger erschrak
heftig, hätte gern allen Wein im Stich gelassen, hub an inbrünstig zu
beten und die Kellerherrn um Verzeihung zu bitten. Da sprach einer aus
den dreien, welcher einen langen Bart, eine Ledermütze auf dem Haupt
und einen schwarzen Rock anhatte: komm so oft du willt, so sollst
du allzeit erhalten, was dir und den deinen vonnöthen ist. Hierauf
verschwand das ganze Gesicht. Patzeber konnte frei und ungehindert
fortgehen und gelangte glücklich heim zu seinem Weibe, dem er alles
erzählte, was ihm begegnet war. Anfangs verabscheute die Frau diesen
Wein, als sie aber sah, wie ohne Schaden sich ihr Hauswirth daran
labte, versuchte sie ihn auch und gab allen ihren Hausgenossen dessen
zu trinken. Als nun der Vorrath all wurde, nahm er getrost die zwei
irdenen Krüge, ging wieder in den Keller und füllte von neuem und
das geschah etlichemal ein ganzes Jahr durch; dieser Trunk, der
einer kaiserlichen Tafel wohl gestanden hätte, kostete ihn keinen
Heller. Einmal aber besuchten ihn drei Nachbaren, denen er von seinem
Gnadentrunk zubrachte, und die ihn so trefflich fanden, daß sie
Verdacht schöpften und argwohnten, er sey auf unrechtem Wege dazu
gekommen. Weil sie ihm ohnedeß feind waren, gingen sie aufs Rathhaus
und verklagten ihn, der Bürger erschien und verhehlte nicht, wie er
zu dem Wein gelangt war, obgleich er innerlich dachte, daß er nun den
letzten geholt haben würde. Der Rath ließ von dem Wein vor Gericht
bringen und befand einstimmig, daß dergleichen im Lande nirgends
anzutreffen wäre. Also mußten sie zwar den Mann nach abgelegtem Eid
heim entlassen, gaben ihm aber auf, mit seinen Flaschen nochmals den
vorigen Weg zu unternehmen. Er machte sich auch dahin, aber weder
Treppe noch Keller war dort zu spüren und er empfing unsichtbare
Schläge, die ihn betäubt und halbtodt zu Boden streckten. Als er so
lange Zeit lag, bedäuchte ihn den vorigen Keller, aber fern in einer
Tiefe, zu erblicken, die drei Männer saßen wieder da und kreideten
still und schweigend bei einer hellen Lampe auf dem Tisch, als hätten
sie eine wichtige Rechnung zu schließen; zuletzt wischten sie alle
Ziffern aus und zogen ein Creuz über die ganze Tafel, welche sie
hernach bei Seite stellten. Einer stand auf, öffnete drei Schlösser
an einer eisernen Thür und man hörte Geld klingen. Auf einer anderen
Treppe kam dann dieser alte Mann heraus zu dem auf der Erde liegenden
Bürger, zählte ihm 30 Thaler in den Hut, ließ aber nicht den geringsten
Laut von sich hören. Hiermit verschwand das Gesicht und die salurner
Uhr aus der Ferne schlug eilf. Der Bürger raffte sich auf und kroch aus
den Mauern, auf der Höhe sah er einen ganzen Leichenzug mit Lichtern
vorbeiwallen und deutete das auf seinen eigenen Tod. Inzwischen kam
er nach und nach auf die Landstraße und wartete auf Leute, die ihn
nach Haus schleppten. Darauf berichtete er dem Rath den ganzen Verlauf
und die 30 alten Thaler bewiesen deutlich, daß sie ihm von keiner
oberirdischen Hand waren gegeben worden. Man sandte des folgenden
Tags acht beherzte Männer aus zu der Stelle, die gleichwohl nicht die
mindeste Spuren entdeckten, außer in einer Ecke der Trümmer die beiden
irdenen Flaschen liegen fanden und zum Wahrzeichen mitbrachten. Der
Patzeber starb zehen Tage darauf und mußte die Weinzeche mit seinem
Leben zahlen; das gemachte große Creuz hatte die Zahl der zehn Tage
vielleicht vorbedeutet.




16.

Hünen-Spiel.

Mündlich, aus dem Corvei’schen.


Bei Höxter liegen der Brunsberg und Wiltberg, auf welchen die Sachsen
im Kampf mit Carl dem Großen sollen ihre Burgen gehabt haben. Nach der
Sage des Volks wohnten dort ehedem Hünen, die so groß waren, daß sie
sich Morgens aus ihren Fenstern grüßend die Hände herüber und hinüber
reichten. Sie warfen sich auch, als Ballspiel, Kugeln zu und ließen
sie hin und her fliegen. Einmal fiel eine solche Kugel mitten ins Thal
herab und schlug ein gewaltiges Loch in den Erdboden, das man noch
heute sieht.




17.

Das Riesen-Spielzeug.

Mündlich von einem Förster.


Im Elsaß auf der Burg Nideck, die an einem hohen Berg bei einem
Wasserfall liegt, waren die Ritter vorzeiten große Riesen. Einmal ging
das Riesen-Fräulein herab ins Thal, wollte sehen, wie es da unten wäre
und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Wald gelegenes Ackerfeld,
das gerade von den Bauern bestellt ward. Es blieb vor Verwunderung
stehen und schaute den Pflug, die Pferde und Leute an, das ihr alles
etwas neues war. “Ei, sprach sie, und ging herzu, das nehm ich mir
mit.” Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich
mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und thats hinein. Nun
lief sie ganz vergnügt nach Haus, den Felsen hinaufspringend, wo der
Berg so jäh ist, daß ein Mensch mühsam klettern muß, da that sie einen
Schritt und war droben.

Der Ritter saß gerad am Tisch, als sie eintrat. “Ei, mein Kind, sprach
er, was bringst du da, die Freude schaut dir ja aus den Augen heraus.”
Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hineinblicken. “Was
hast du so Zappeliches darin?” “Ei Vater, gar zu artiges Spielding! so
was schönes hab ich mein Lebtag noch nicht gehabt.” Darauf nahm sie
eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch: den Pflug,
die Bauern mit ihren Pferden; lief herum, schaute es an, lachte und
schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin
und her bewegte. Der Vater aber sprach: “Kind, das ist kein Spielzeug,
da hast du was schönes angestiftet! Geh nur gleich und trags wieder
hinab ins Thal.” Das Fräulein weinte, es half aber nichts. “Mir ist der
Bauer kein Spielzeug, sagt der Ritter ernsthaftig, ich leids nicht, daß
du mir murrst, kram alles sachte wieder ein und trags an den nämlichen
Platz, wo du’s genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so
haben wir Riesen auf unserm Felsen-Nest nichts zu leben.”




18.

Riese Einheer.

+Aventin+ Bair. Chronik. Frankf. 1570. S. 285 b.


Zu Zeiten Carls des Großen lebt ein Ries’ und Recke, hieß +Einheer,+
war ein Schwab, bürtig aus Thurgau, jetzund Schweitz, der wuthe
(wadete) über alle Wasser, dorft (braucht) über keine Brücke gehen,
zoge sein Pferd bei dem Schwanz hernach, sagt allzeit: “nun Gesell, du
mußt auch hernach!” Dieser reiset auch in diesen Kaiser-Carls-Kriegen
wider die Winden (Wenden) und Haunen (Hunnen); er mähet die Leut,
gleich wie das Gras mit einer Sensen, alle nieder, hängt sie an den
Spieß, trugs über die Achseln wie Hasen und Füchs, und da er wieder
heim kam und ihn seine gute Gesellen und Nachbarn fragten, was er
ausgerichtet hättet? wie es ihm im Kriege gegangen wäre? sagt er aus
Unmuth und Zorn: “was soll ich viel von diesen Fröschlein sagen! ich
trug ihr sieben oder acht am Spieß über die Achsel, weiß nicht, was sie
quacken, ist der Mühe nicht werth, daß der Kaiser so viel Volks wider
solche Kröten und Würmlein zusammenbracht, ich wollts viel leichter
zu wegen gebracht haben!” -- Diesen Riesen nennt man Einheer, daß
(weil) er sich in Kriegen schier einem Heer vergleicht und also viel
ausrichtet. Es flohen ihm die Feinde, Winden und Haunen, meinten, es
wär der leidige Teufel.




19.

Riesen-Säulen.

+Winkelmann’s+ hessische Chronik. S. 32.

~+Melissantes+ in Orograph.~ bei Malchen-Berg.


Bei Miltenberg oder Kleinen-Haubach auf einem hohen Gebürg im Walde
sind neun gewaltige, große, steinerne Säulen zu sehen und daran die
Handgriffe, wie sie von den Riesen im Arbeiten herumgedreht worden,
damit eine Brücke über den Main zu bauen; solches haben die alten Leute
je nach und nach ihren Kindern erzählt, auch daß in dieser Gegend vor
Zeiten viele Riesen sich aufgehalten.




20.

Der Köterberg.

Mündlich von einem darauf hütenden Schäfer.


Der Köterberg, (an der Gränze des Paderbornschen, Lippeschen und
Corveischen) war sonst der Götzenberg genannt, weil die Götter der
Heiden da angebätet wurden. Er ist innen voll Gold und Schätze, die
einen armen Mann wohl reich machen könnten, wenn er dazu gelangte.
Auf der nördlichen Seite sind Höhlen, da fand einmal ein Schäfer den
Eingang und die Thüre zu den Schätzen, aber wie er eingehen wollte, in
demselben Augenblick kam ein ganz blutiger, entsetzlicher Mann übers
Feld daher gelaufen und erschreckte und verscheuchte ihn. Südlich auf
einem waldbewachsenen Hügel am Fuße des Berges stand die Harzburg,
wovon die Mauern noch zu sehen und noch vor kurzem Schlüssel gefunden
sind. Darin wohnten Hünen und gegenüber, auf dem zwei Stunden fernen
Zierenberg, stand eine andere Hünenburg. Da warfen die Riesen sich oft
Hämmer herüber und hinüber.




21.

Geroldseck.

+Philand. v. Sittewald+ Gesichte. Straßb. 1665. S. 32. 33.


Geroldseck, ein altes Schloß im Wasgau, von dem man vor Jahren her viel
Abentheuer erzählen hören: daß nämlich die uralten deutschen Helden,
die Könige Ariovist, Herman, Witechind, der hürnen Siegfried und viele
andere in demselben Schlosse zu gewisser Zeit des Jahrs gesehen würden;
welche, wann die Deutschen in den höchsten Nöthen und am Untergang
seyn würden, wieder da heraus und mit etlichen alten deutschen Völkern
denselben zu Hilf erscheinen sollten.




22.

Kaiser Karl zu Nürnberg.

~+Melissantes+ Orogr. Francof.~ 1715. ~p.~ 533.

vgl. +Struve+ hist. polit. Archiv ~I. p.~ 14.


Die Sage geht, daß Karl der Große sich zu Nürnberg auf der Burg in den
tiefen Brunnen verflucht habe und daselbst aufhalte. Sein Bart ist
durch den Steintisch gewachsen, vor welchem er sitzt.




23.

Friedrich Rothbart auf dem Kyfhäuser.

+Agricola+ Sprüchwort 710.

~+Melissantes+ Orogr. v. Kyffhausen.~

+Tenzel+ monatl. Unterr. 1689. S. 719. 720.

+Prätorius+ ~Alectryomantia~ p. 69.

Dessen Weltbeschr. I. 306. 307.


Von diesem Kaiser gehen viele Sagen im Schwange. Er soll noch nicht
todt seyn, sondern bis zum jüngsten Tage leben, auch kein rechter
Kaiser nach ihm mehr aufgekommen. Bis dahin sitzt er verholen in dem
Berg Kyfhausen und wann er hervorkommt, wird er seinen Schild hängen
an einen dürren Baum, davon wird der Baum grünen und eine beßre Zeit
werden. Zuweilen redet er mit den Leuten, die in den Berg kommen,
zuweilen läßt er sich auswärts sehen. Gewöhnlich sitzt er auf der Bank
an dem runden steinernen Tisch, hält den Kopf in der Hand und schläft,
mit dem Haupt nickt er stetig und zwinkert mit den Augen. Der Bart
ist ihm groß gewachsen, nach einigen durch den steinernen Tisch, nach
andern um den Tisch herum, dergestalt daß er dreimal um die Rundung
reichen muß, bis zu seinem Aufwachen, jetzt aber geht er erst zweimal
darum.

Ein Bauer, der 1669 aus dem Dorf Reblingen Korn nach Nordhausen fahren
wollte, wurde von einem kleinen Männchen in den Berg geführt, mußte
sein Korn ausschütten und sich dafür die Säcke mit Gold füllen. Dieser
sah nun den Kaiser sitzen, aber ganz unbeweglich.

Auch einen Schäfer führte ein Zwerg hinein, da stand der Kaiser auf und
fragte: fliegen die Raben noch um den Berg? Und auf die Bejahung des
Schäfers rief er: nun muß ich noch hundert Jahre länger schlafen.




24.

Der Birnbaum auf dem Walserfeld.

Brixener Volksbuch vom Untersberg S. 38. 39.


Bei Salzburg auf dem sogenannten Walserfeld soll dermaleinst eine
schreckliche Schlacht geschehen, wo alles hinzulaufen und ein so
furchtbares Blutbad seyn wird, daß den Streitenden das Blut vom
Fußboden in die Schuh rinnt. Da werden die bösen von den guten Menschen
erschlagen werden. Auf diesem Walserfeld steht ein ausgedorrter
Birnbaum zum Angedenken dieser letzten Schlacht; schon dreimal wurde er
umgehauen, aber seine Wurzel schlug immer aus, daß er wiederum anfing
zu grünen und ein vollkommner Baum ward. Viele Jahre bleibt er noch
dürr stehen, wann er aber zu grünen anhebt, wird die gräuliche Schlacht
bald eintreten und wann er Früchte trägt, wird sie anheben. Dann wird
der Baierfürst seinen Wappenschild daran aufhängen und niemand wissen,
was es zu bedeuten hat.




25.

Der verzauberte König zu Schildheiß.

Volksbuch vom Ritter Eginhard. S. 42 ff.


Das alte Schloß Schildheiß, in einer wüsten Wald- und Berggegend von
Deutschböhmen sollte aufs neue gebaut und wiederhergestellt werden. Als
die Werkmeister und Bauleute die Trümmer und Grundfesten untersuchten,
fanden sie Gänge, Keller und Gewölbe unter der Erden in großer Menge,
mehr als sie gedacht, in einem Gewölbe saß ein gewaltiger König im
Sessel, glänzend und schimmernd von Edelgestein und ihm zur Rechten
stund unbeweglich eine holdselige Jungfrau, die hielt dem König
das Haupt, gleich als ruhete es drinnen. Als sie nun vorwitzig und
beutegierig näher traten, wandelte sich die Jungfrau in eine Schlange,
die Feuer spie, so daß alle weichen mußten. Sie berichteten aber ihrem
Herrn von der Begebenheit, welcher alsbald vor das bezeichnete Gewölbe
ging und die Jungfrau bitterlich seufzen hörte. Nachher trat er mit
seinem Hund in die Höhle, in der sich Feuer und Rauch erzeigte, so daß
der Ritter etwas zurückwich und seinen Hund der vorausgelaufen war, für
verloren hielt. Das Feuer verlosch und wie er sich von neuem näherte,
sah er daß die Jungfrau seinen Hund unbeschädigt im Arme hielt und eine
Schrift an der Wand, die ihm Verderben drohte. Sein Muth trieb ihn
aber nachher dennoch an, das Abentheuer zu wagen und er wurde von den
Flammen verschlungen.




26.

Kaiser Carl V. Auszug.

Mündlich, aus Hessen.


Zwischen Gudensberg und Besse in Hessen liegt der Odenberg, in welchem
Kaiser Carl der Fünfte mit seinem ganzen Heer versunken ist. Ehe ein
Krieg ausbricht, thut sich der Berg auf, Kaiser Carl kommt hervor,
stößt in sein Hüft-Horn und zieht nun mit seinem ganzen Heer aus in
einen andern Berg.




27.

Der Unterberg.

Sagen der Vorzeit oder ausführliche Beschreibung von dem berühmten
salzburgischen Untersberg oder Wunderberg, wie solche Lazarus
Gitschner vor seinem Tode geoffenbart. Brixen 1782. Volksbuch.

+Franz Sartori+ Naturwunder des östreich. Kaiserthums. Wien 1807. I.
~Nro.~ 7.


Der Unterberg oder Wunderberg liegt eine kleine deutsche Meile von der
Stadt Salzburg an dem grundlosen Moos, wo vor Zeiten die Hauptstadt
Helfenburg soll gestanden haben. Er ist im Innern ganz ausgehöhlt,
mit Palästen, Kirchen, Klöstern, Gärten, Gold- und Silber-Quellen
versehen. Kleine Männlein bewahren die Schätze und wanderten sonst
oft um Mitternacht in die Stadt Salzburg, in der Domkirche daselbst
Gottesdienst zu halten.




28.

Kaiser Karl im Unterberg.

Brixener Volksbuch von 1782. S. 28. 29.


In dem Wunderberg sitzt außer andern fürstlichen und vornehmen Herrn
auch Kaiser Karl, mit goldner Krone auf dem Haupt und seinen Scepter in
der Hand. Auf dem großen Welserfeld wurde er verzückt und hat noch ganz
seine Gestalt behalten, wie er sie auf der zeitlichen Welt gehabt. Sein
Bart ist grau und lang gewachsen und bedeckt ihm das goldne Bruststück
seiner Kleidung ganz und gar. An Fest- und Ehrentagen wird der Bart auf
zwei Theile getheilt, einer liegt auf der rechten Seite, der andere auf
der linken, mit einem kostbaren Perlenband umwunden. Der Kaiser hat
ein scharfes und tiefsinniges Angesicht und erzeigt sich freundlich
und gemeinschaftlich gegen alle Untergebenen, die da mit ihm auf einer
schönen Wiese hin und her gehen. Warum er sich da aufhält und was
seines Thuns ist, weiß niemand und steht bei den Geheimnissen Gottes.

Franz Sartori erzählt, daß Kaiser Karl der Fünfte, nach andern aber
Friedrich an einem Tisch sitzt, um den sein Bart schon mehr denn
zweimal herumgewachsen ist. So wie der Bart zum drittenmal die
letzte Ecke desselben erreicht haben wird, tritt dieser Welt letzte
Zeit ein. Der Antichrist erscheint, auf den Feldern von Wals kommt
es zur Schlacht, die Engelposaunen ertönen und der jüngste Tag ist
angebrochen.




29.

Der Scherfenberger und der Zwerg.

Aus Ottokar von Horneck. Cap. 573-80. S. 539 ~a.~-544 ~a.~


Mainhard, Graf von Tirol, der auf Befehl des Kaisers Rudolf von
Habsburg Steier und Kärnthen erobert hatte und zum Herzoge von Kärnthen
ernannt war, lebte mit dem Grafen Ulrich von Heunburg in Fehde. Zu
diesem schlug sich auch Wilhelm von Scherfenberg, treulos und undankbar
gegen Mainhard. Hernach in dem Kampfe ward er vermißt und Conrad von
Aufenstein, der für Mainhard gestritten hatte, suchte ihn auf.

Sie fanden aber den Scherfenberger im Sande liegen von einem Speer
durchstochen und hatte er da sieben Wunden, doch nur eine Pein. Der
Aufensteiner fragte ihn, ob er der Herr Wilhelm wäre. “Ja, und seyd
Ihrs, der Aufensteiner, so stehet hernieder zu mir.” Da sprach der
Scherfenberger mit krankem Munde: “nehmt dieses Fingerlein; derweil
es in eurer Gewalt ist, zerrinnet Euch Reichthum und weltliche Ehre
nimmermehr;” damit reichte er es ihm von der Hand. Indem kam auch
Heinrich der Told geritten und hörte, daß es der Scherfenberger war,
der da lag. “So ist es der, sprach er, welcher seine Treue an meinem
Herrn gebrochen, das rächt nun Gott an ihm in dieser Stund.” Ein Knecht
mußte den todtwunden auf ein Pferd legen, aber er starb darauf. Da
machte der Told, daß man ihn wieder herab legte, wo er vorher gelegen
war. Darnach ward der Scherfenberger beklagt von Männern und Weibern;
mit dem Ring aber, den er dem Aufensteiner gegeben, war es auf folgende
Weise zugegangen.

Eines Tages sah der Scherfenberger von seiner Burg auf dem Feld eine
seltsame Augenweide. Auf vier langen vergüldeten Stangen trugen vier
Zwerge einen Himmel von klarem und edlem Tuche. Darunter ritt ein
Zwerg, eine goldne Krone auf dem Häuptlein, und in allen Gebärden
als ein König. Sattel und Zaum des Pferdes war mit Gold beschlagen,
Edelsteine lagen darin und so war auch alles Gewand beschaffen. Der
Scherfenberger stand und sah es an, endlich ritt er hin und nahm seinen
Hut ab. Der Zwerg gab ihm guten Morgen und sprach: “Wilhelm, Gott
grüß Euch!” “Woher kennt Ihr mich?” antwortete der Scherfenberger.
“Laß dir nicht leid seyn, sprach der Zwerg, daß du mir bekannt bist
und ich deinen Namen nenne; ich suche deine Mannheit und deine Treue,
von der mir so viel gesagt ist. Ein gewaltiger König ist mein Genosse
um ein großes Land, darum führen wir Krieg und er will mirs mit List
angewinnen. Ueber sechs Wochen ist ein Kampf zwischen uns gesprochen,
mein Feind aber ist mir zu groß, da haben alle meine Freunde mir
gerathen, dich zu gewinnen. Willst du dich des Kampfes unterwinden,
so will ich dich also stark machen, daß, ob er einen Riesen brächte,
dirs doch gelingen soll. Wisse, guter Held, ich bewahre dich mit einem
Gürtel, der dir zwanzig Männer Stärke gibt.” Der Scherfenberger
antwortete: “weil du mir so wohl traust und auf meine Mannheit dich
verläßt, so will ich zu deinem Dienste seyn, wie es auch mit mir
gehen wird, es soll alles gewagt werden.” Der Zwerg sprach: “fürchte
dich nicht, Herr Wilhelm, als wäre ich ungeheuer, nein, mir wohnt
christlicher Glaube an die Dreifaltigkeit bei und daß Gott von einer
Jungfrau menschlich geboren wurde.” Darüber ward der Scherfenberger
froh und versprach, wo nicht Tod oder Krankheit ihn abhalte, daß
er zu rechter Stunde kommen wollte. “So kommt mit Roß, Rüstung und
einem Knaben an diese Stätte hier, sagt aber niemanden etwas davon,
auch Euerm Weibe nicht, sonst ist das Ding verloren.” Da beschwur
der Scherfenberger alles. “Sieh hin, sprach nun das Gezwerg, dies
Fingerlein soll unserer Rede Zeuge seyn; du sollst es mit Freuden
besitzen, denn lebtest du tausend Jahre, so lang du es hast, zerrinnet
dir dein Gut nimmermehr. Darum sey hohen Muthes und halt deine Treue an
mir.” Damit ging es über die Heide und der Scherfenberger sah ihm nach,
bis es in den Berg verschwand.

Als er nach Haus kam, war das Essen bereit und jedermann fragte, wo er
gewesen wäre, er aber sagte nichts, doch konnt er von Stund an nicht
mehr so fröhlich gebaren wie sonst. Er ließ sein Roß besorgen, sein
Panzerhemd bessern, schickte nach dem Beichtiger, that heimlich lautere
Beichte und nahm darnach mit Andacht des Herren Leib. Die Frau suchte
von dem Beichtiger die Wahrheit an den Sachen zu erfahren, aber der
wies sie ernstlich ab. Da beschickte sie vier ihrer besten Freunde, die
führten den Priester in eine Kammer, setzten ihm das Messer an den Hals
und drohten ihm auf den Tod, bis er sagte, was er gehört hatte.

Als die Frau es nun erfahren, ließ sie die nächsten Freunde des
Scherfenberger kommen, die mußten ihn heimlich nehmen und um seinen
Vorsatz fragen. Als er aber nichts entdecken wollte, sagten sie ihm
vor den Mund, daß sie alles wüßten, und als er es an ihren Reden sah,
da bekannte er allererst die Wahrheit. Nun begannen sie seinen Vorsatz
zu schwächen und baten ihn höchlich, daß er von der Fahrt ablasse. Er
aber wollt seine Treue nicht brechen und sprach, wo er das thue, nehme
er fürder an allem Gut ab. Sein Weib aber tröstete ihn und ließ nicht
nach, bis sie ihn mit großer Bitte überredete, da zu bleiben; doch war
er unfroh.

Darauf über ein halbes Jahr ritt er eines Tages zu seiner Feste
Landstrotz hinter den seinigen zu allerletzt. Da kam der Zwerg neben
zu ihm und sprach: “wer Eure Mannheit rühmt, der hat gelogen! wie habt
Ihr mich hintergangen und verrathen! Ihr habt an mir verdient Gottes
und guter Weiber Haß. Auch sollt Ihr wissen, daß Ihr in Zukunft sieglos
seyd und wäre das gute Ringlein nicht, daß ich Euch leider gegeben
habe, Ihr müßtet mit Weib und Kind in Armuth leben.” Da griff der Zwerg
ihm an die Hand und wollts ihm abzucken, aber der Scherfenberger zog
die Hand zurück und steckte sie in die Brust; dann ritt er von ihm über
das Feld fort. Die vor ihm waren, die hatten alle nichts gesehen.




30.

Das stille Volk zu Plesse.

+Joh. Letzner+ plessisches Stammbuch.

Wunderbare Begebenheiten eines göttingischen Studenten auf dem alten
Schlosse Plesse. 1744. S. 15 ff.


Auf dem hessischen Bergschloß Plesse sind im Felsen mancherlei Quellen,
Brunnen, Schluchten und Höhlen, wo der Sage nach Zwerge wohnen und
hausen sollen, die man das +stille Volk+ nennt. Sie sind schweigsam
und gutthätig, dienen den Menschen gern, die ihnen gefallen. Geschieht
ihnen ein Leid an, so lassen sie ihren Zorn doch nicht am Menschen
aus, sondern rächen sich am Vieh, das sie plagen. Eigentlich hat dies
unterirdische Geschlecht keine Gemeinschaft mit den Menschen und treibt
inwendig sein Wesen, da hat es Stuben und Gemächer voll Gold und
Edelgestein. Steht ihm ja etwas oben auf dem Erdboden zu verrichten,
so wird das Geschäft nicht am Tage, sondern bei der Nacht vorgenommen.
Dieses Bergvolk ist von Fleisch und Bein, wie andere Menschen, zeugt
Kinder und stirbt; allein es hat die Gabe, sich unsichtbar zu machen
und durch Fels und Mauer eben so leicht zu gehen, als wir durch die
Luft. Zuweilen erscheinen sie den Menschen, führen sie mit in die
Kluft und beschenken sie, wenn sie ihnen gefallen, mit kostbaren
Sachen. Der Haupteingang ist beim tiefen Brunnen; das nahgelegene
Wirthshaus heißt: zum Rauschenwasser.




31.

Des kleinen Volks Hochzeit-Fest.

Mündlich, aus Sachsen.


Das kleine Volk auf der Eilenburg in Sachsen wollte einmal Hochzeit
halten und zog daher in der Nacht durch das Schlüsselloch und die
Fenster-Ritzen in den Saal und sie sprangen hinab auf den glatten
Fußboden, wie Erbsen auf die Tenne geschüttet werden. Davon erwachte
der alte Graf, der im hohen Himmel-Bette in dem Saal schlief und
verwunderte sich über die vielen kleinen Gesellen. Da trat einer von
ihnen, geschmückt wie ein Herold, zu ihm heran und lud ihn in ziemenden
Worten gar höflich ein, an ihrem Fest Theil zu nehmen. “Doch um eins
bitten wir, setzte er hinzu, ihr allein sollt zugegen seyn, keins von
euerm Hof-Gesinde darf sich unterstehen, das Fest mit anzuschauen, auch
nicht mit einem einzigen Blick.” Der alte Graf antwortete freundlich:
“weil ihr mich im Schlaf gestört, so will ich auch mit euch seyn.”
Nun ward ihm ein kleines Weiblein zugeführt, kleine Lampenträger
stellten sich auf und eine Heimchen-Musik hob an. Der Graf hatte Mühe,
das Weiblein beim Tanz nicht zu verlieren, das ihm so leicht daher
sprang und endlich so im Wirbel umdrehte, daß er kaum zu Athem kommen
konnte. Mitten in dem lustigen Tanz aber stand auf einmal alles still,
die Musik hörte auf und der ganze Haufe eilte nach den Thürspalten,
Maus-Löchern und wo sonst ein Schlupf-Winkel war. Das Brautpaar aber,
die Herolde und Tänzer schauten aufwärts nach einer Öffnung, die sich
oben in der Decke des Saals befand und entdeckten dort das Gesicht
der alten Gräfin, welche vorwitzig nach der lustigen Wirthschaft
herabschaute. Darauf neigten sie sich vor dem Grafen und derselbe, der
ihn eingeladen, trat wieder hervor und dankte ihm für die erzeigte
Gastfreundschaft. “Weil aber, sagte er dann, unsere Freude und unsere
Hochzeit also ist gestört worden, daß noch ein anderes menschliches
Auge darauf geblickt, so soll fortan euer Geschlecht nie mehr als
sieben Eilenburgs zählen.” Darauf drängten sie nach einander schnell
hinaus, bald war es still und der alte Graf wieder allein im finstern
Saal. Die Verwünschung ist bis auf gegenwärtige Zeit eingetroffen und
immer einer von den sechs lebenden Rittern von Eilenburg gestorben, ehe
der siebente geboren war.




32.

Steinverwandelte Zwerge.

+Spieß+ Vorrede zum Hans Heiling.


In Böhmen nicht weit von Elnbogen liegt in einem rauhen aber schönen
Thal, durch welches sich die Egger bis beinahe ans Karlsbad in
mancherlei Krümmungen durchwindet, die berühmte Zwergenhöhle. Die
Bewohner der benachbarten Dörfer und Städte erzählen davon folgendes.
Diese Felsen wurden in alten Zeiten von kleinen Berg-Zwergen bewohnt,
die im Stillen da ihr Wesen trieben. Sie thaten niemanden etwas zu
Leid, vielmehr halfen sie ihren Nachbarn in Noth und Trübsal. Lange
Zeit wurden sie von einem gewaltigen Geister-Banner beherrscht, einmal
aber, als sie eben eine Hochzeit feiern wollten und darum zu ihrer
Kirche ausgezogen waren, gerieth er in heftigen Zorn und verwandelte
sie in Stein oder vielmehr, da sie unvertilgbare Geister waren,
bannte er sie hinein. Die Reihe dieser Felsen heißt noch jetzt: +die
verwünschte Zwergen-Hochzeit+ und man sieht sie in verschiedenen
Gestalten auf den Bergspitzen stehen. In der Mitte eines der Felsen
zeigt man das Bild eines Zwergs, welcher, als die übrigen dem Bann
entfliehen wollten, zu lange im Gemach verweilte, und, indem er aus dem
Fenster nach Hilfe umherblickte, in Stein verwandelt wurde.

Auch zeigt man auf dem Rathhause zu Elnbogen noch jetzt die verbannten
ruchlosen und goldgeizigen Burggrafen in einem Klumpen klingenden
Metall. Der Sage nach soll niemand, der mit einer Todsünde befleckt
ist, diesen Klumpen in die Höhe heben können.




33.

Zwerg-Berge.

+Agricola+ Sprüchw. Bl. 171 b.


Zu Achen ist nicht weit von der Stadt ein Berg, dessen Bewohner zu
ihren Hochzeiten von den Städtern Kessel, eherne Töpfe, Schüssel und
Bratspieß entlehnen, hernachmals richtig wiederbringen. Ähnliche
Zwergberge stehen in der Gegend von Jena und in der Grafschaft
Hohenstein.




34.

Zwerge leihen Brot.

+Joh. Wolfgang Rentsch+ Beschreibung merkwürdiger Sachen und Antiquit.
des Fürstenthums Baireuth.


Der Pfarrer Hedler zu Selbitz und Marlsreuth erzählte im Jahr 1684.
folgendes. Zwischen den zweien genannten Orten liegt im Wald eine
Öffnung, die insgemein das Zwergenloch genannt wird, weil ehedessen und
vor mehr als hundert Jahren daselbst Zwerge unter der Erde gewohnet,
die von gewissen Einwohnern in Naila, die nothdürftige Nahrung
zugetragen erhalten haben.

Albert Steffel siebenzig Jahr alt und im Jahr 1680. gestorben, und Hans
Kohmann drei und sechzig Jahr alt und 1679. gestorben, zwei ehrliche,
glaubhafte Männer haben etlichemal ausgesagt, Kohmanns Großvater habe
einst auf seinem bei diesem Loch gelegenen Acker geackert und sein
Weib ihm frischgebackenes Brot zum Frühstück aufs Feld gebracht und in
ein Tüchlein gebunden am Rain hingelegt. Bald sey ein Zwerg-Weiblein
gegangen kommen und habe den Ackermann um sein Brot angesprochen: “ihr
Brot sey eben auch im Backofen, aber ihre hungrige Kinder könnten nicht
darauf warten und sie wolle es ihnen Mittags von dem ihrigen wieder
erstatten.” Der Großvater habe eingewilligt, auf den Mittag sey sie
wieder gekommen, habe ein sehr weißes Tüchlein gebreitet und darauf
einen noch warmen Laib gelegt, neben vieler Danksagung und Bitte, er
möge ohne Scheu des Brots essen und das Tuch wolle sie schon wieder
abholen. Das sey auch geschehen, dann habe sie zu ihm gesagt, es würden
jetzt so viel Hammerwerke errichtet, daß sie, dadurch beunruhigt, wohl
weichen und den geliebten Sitz verlassen müßte. Auch vertriebe sie das
Schwören und große Fluchen der Leute, wie auch die Entheiligung des
Sonntags, indem die Bauern vor der Kirche ihr Feld zu beschauen gingen,
welches ganz sündlich wäre.

Vor kurzem haben sich an einem Sonntag mehrere Bauernknechte mit
angezündeten Spänen in das Loch begeben, inwendig einen schon
verfallenen sehr niedrigen Gang gefunden; endlich einen weiten, fleißig
in den Felsen gearbeiteten Platz, viereckig, höher als Manns hoch,
auf jeder Seite viel kleine Thürlein. Darüber ist ihnen ein Grausen
angekommen und sind herausgegangen, ohne die Kämmerlein zu besehen.




35.

Der Graf von Hoia.

+Hammelmann+ oldenb. Chronik. 21. 22.

+Tenzel+ monatl. Unterr. 1609. S. 525.

+Prätorius+ Glückstopf 489. 490. u. Weltbeschr. I. 95.

+Bräuner’s+ Curiosit. 622-624.


Es ist einmal einem Grafen zur Hoia ein kleines Männlein in der Nacht
erschienen und wie sich der Graf entsetzte, hat es zu ihm gesagt, er
sollte sich nicht erschrecken, es hätte ein Wort an ihm zu werben und
zu bitten, er wolle ihm das nicht abschlagen. Der Graf antwortete, wenn
es ihm zu thun möglich und ihm und den seinen unbeschwerlich wäre,
so wollte er es gern thun. Da sprach das Männlein: “es wollen die
folgende Nacht etliche zu dir auf dein Haus kommen und Ablager halten,
denen wollest du Küche und Saal so lange leihen und deinen Dienern
gebieten, daß sie sich schlafen legen und keiner nach ihrem Thun und
Treiben sehe, auch keiner darum wisse, ohne du allein. Man wird sich
dafür dankbarlich erzeigen, du und dein Geschlecht sollens zu genießen
haben, es soll auch in dem allergeringsten weder dir noch den deinen
Leid geschehen.” Solches hat der Graf eingewilliget. Also sind sie
folgende Nacht, gleich als mit einem reisigen Zug, die Brücke hinauf
ins Haus gezogen, allesammt kleine Leute, wie man die Bergmännlein
zu beschreiben pflegt. Sie haben in der Küche gekocht, zugehauen und
aufgegeben und hat sich nicht anders ansehen lassen, als wenn eine
große Mahlzeit angerichtet würde. Darnach fast gegen Morgen, wie sie
wiederum scheiden wollen, ist das kleine Männlein abermal zum Grafen
gekommen, und hat ihm neben Danksagung gereicht ein +Schwert+, ein
+Salamander-Laken+ und einen +güldenen Ring+, in welchem ein rother
Löwe oben eingemacht; mit Anzeigung, diese drei Stücke sollte er und
seine Nachkömmlinge wohl verwahren und so lange sie dieselben bei
einander hätten, würde es einig und wohl in der Grafschaft zustehen;
sobald sie aber von einander kommen würden, sollte es ein Zeichen seyn,
daß der Grafschaft nichts Gutes vorhanden wäre: und ist der rothe Löwe
auch allzeit darnach, wann einer vom Stamm sterben sollte, erblichen.

Es sind aber zu den Zeiten, da Graf Jobst und seine Brüder unmündig
waren und Franz von Halle Statthalter im Land, die beiden Stücke, als
das Schwert und Salamander-Laken weggenommen, der Ring aber ist bei
der Herrschaft geblieben, bis an ihr Ende. Wohin er aber seit der Zeit
gekommen, weiß man nicht.




36.

Zwerge ausgetrieben.

+Christ. Lehmann+ Erzgebürg. Schauplatz c. 2. S. 187. 188.


Im Erzgebürge wurden die Zwerge durch Errichtung der Hämmer und
Pochwerke vertrieben. Sie beklagten sich schwer darüber, äußerten
jedoch, sie wollten wiederkommen, wenn die Hämmer abgingen. Unter dem
Berg Sion vor Quedlinburg ist vorzeiten ein Zwergenloch gewesen und die
Zwerge haben oft den Einwohnern zu ihren Hochzeiten viel Zinnwerk und
dergleichen gern vorgeliehen.




37.

Die Wichtlein.

+Prätor.+ Weltbeschr. I. 129-132.

+Bräuner’s+ Curiosit. 205-209.

~+G. Agricola+ de re metallica.~

+Valvassor+ Ehre von Crain I. 417.


Die Wichtlein oder Bergmännlein erscheinen gewöhnlich wie die Zwerge,
nur etwa dreiviertel Ehle groß. Sie haben die Gestalt eines alten
Mannes mit einem langen Bart, sind bekleidet wie Bergleute mit einer
weißen Hauptkappe am Hemd und einem Leder hinten, haben Laterne,
Schlägel und Hammer. Sie thun den Arbeitern kein Leid, denn wenn
sie bisweilen auch mit kleinen Steinen werfen, so fügen sie ihnen
doch selten Schaden zu, es sey denn daß sie mit Spotten und Fluchen
erzürnt und scheltig gemacht werden. Sie lassen sich vornehmlich in
den Gängen sehen, welche Erz geben oder wo gute Hoffnung dazu ist.
Daher erschrecken die Bergleute nicht vor ihnen, sondern halten es
für eine gute Anzeige, wenn sie erscheinen und sind desto fröhlicher
und fleißiger. Sie schweifen in den Gruben und Schachten herum und
scheinen gar gewaltig zu arbeiten, aber in Wahrheit thun sie nichts.
Bald ists, als durchgrüben sie einen Gang oder eine Ader, bald, als
faßten sie das Gegrabene in den Eimer, bald, als arbeiteten sie an
der Rolle und wollten etwas hinauf ziehen, aber sie necken nur die
Bergleute damit und machen sie irre. Bisweilen rufen sie, wenn man
hinkommt, ist niemand da.

Am Kuttenberg in Böhmen hat man sie oft in großer Anzahl aus den
Gruben heraus und hinein ziehen gesehen. Wenn kein Bergknappe drunten,
besonders wenn groß Unglück oder Schaden vorstand (sie klopfen dem
Bergmann dreimal den Tod an), hat man die Wichtlein hören scharren,
graben, stoßen, stampfen und andere Bergarbeiten mehr vorstellen.
Bisweilen auch, nach gewisser Maße, wie die Schmiede auf dem Ambos
pflegen, das Eisen umkehren und mit Hämmern schmieden. Eben in diesem
Bergwerke hörte man sie vielmals klopfen, hämmern und picken, als ob
drei oder vier Schmiede etwas stießen; daher sie auch von den Böhmen
+Haus-Schmiedlein+ genannt wurden. In Idria stellen ihnen die Bergleute
täglich ein Töpflein mit Speise an einen besondern Ort. Auch kaufen sie
jährlich zu gewissen Zeiten ein rothes Röcklein, der Länge nach einem
Knaben gerecht, und machen ihnen ein Geschenk damit. Unterlassen sie
es, so werden die Kleinen zornig und ungnädig.




38.

Beschwörung der Bergmännlein.

+Prätorius+ im Glückstopf. S. 177.


Zu Nürnberg ist einer gewesen, mit Namen Paul Creuz, der eine
wunderbare Beschwörung gebraucht hat. In einen gewissen Plan hat er
ein neues Tischlein gesetzt, ein weißes Tuch darauf gedeckt, zwei
Milchschüßlein drauf gesetzt, ferner: zwei Honigschüßlein, zwei
Tellerchen und neun Messerchen. Weiter hat er eine schwarze Henne
genommen und sie über einer Kohlpfanne zerrissen, so daß das Blut in
das Essen hineingetropft ist. Hernach hat er davon ein Stück gegen
Morgen, das andere gegen Abend geworfen und seine Beschwörung begonnen.
Wie dies geschehen, ist er hinter einen grünen Baum gelaufen und hat
gesehen, daß zwei Bergmännlein sich aus der Erde hervor gefunden, zu
Tisch gesetzt, und bei dem kostbaren Rauchwerke, das auch vorhanden
gewesen, gleichsam gegessen. Nun hat er ihnen Fragen vorgelegt, worauf
sie geantwortet; ja, wenn er das oft gethan, sind die kleinen Geschöpfe
so vertraut geworden, daß sie auch zu ihm ins Haus zu Gast gekommen.
Hat er nicht recht aufgewartet, so sind sie entweder nicht erschienen
oder doch bald wieder verschwunden. Er hat auch endlich ihren König zu
Wege gebracht, der dann allein gekommen in einem rothen scharlachen
Mäntlein, darunter er ein Buch gehabt, das er auf den Tisch geworfen
und seinem Banner erlaubt hat, so viel und so lange er wollte drinnen
zu lesen. Davon hat sich der Mensch große Weisheit und Geheimnisse
eingebildet.




39.

Das Bergmännlein beim Tanz.

Brixener Volksbuch.


Es zeigten alte Leute mit Wahrhaftigkeit an, daß vor etlichen Jahren zu
Glaß im Dorf, eine Stunde von dem Wunderberg und eine Stunde von der
Stadt Salzburg, Hochzeit gehalten wurde, zu welcher gegen Abend ein
Bergmännlein aus dem Wunderberge gekommen. Es ermahnte alle Gäste, in
Ehren fröhlich und lustig zu seyn und verlangte, mit tanzen zu dürfen;
das ihm auch nicht verweigert wurde. Also machte es mit einer und der
andern ehrbaren Jungfrau allzeit drei Tänze und zwar mit besonderer
Zierlichkeit, so daß die Hochzeitgäst mit Verwunderung und Freude
zuschauten. Nach dem Tanz bedankte es sich und schenkte einem jeden
der Brautleute drei Geldstücke von einer unbekannten Geldmünze, deren
jedes man zu vier Kreuzer im Werthe hielt und ermahnte sie dabei, in
Frieden und Eintracht zu hausen, christlich zu leben und bei einem
frommen Wandel ihre Kinder zum Guten zu erziehen. Diese Münze sollten
sie zu ihrem Geld legen und stets seiner gedenken, so würden sie selten
in Noth kommen; sie sollten aber dabei nicht hoffährtig werden, sondern
mit ihrem Ueberfluß ihren Nachbarn helfen.

Dieses Bergmännlein blieb bei ihnen bis zur Nachtzeit und nahm von
jedermann Trank und Speiß, die man ihm darreichte, aber nur etwas
weniges. Alsdann bedankte es sich und begehrte einen Hochzeitmann, der
es über den Fluß Salzach gegen den Berg zu schiffen sollte. Bei der
Hochzeit war ein Schiffmann, Namens Johann Ständl, der machte sich
eilfertig auf und sie gingen mit einander zur Ueberfahrt. Während
derselben begehrte der Schiffmann seinen Lohn: das Bergmännlein gab
ihm in Demuth drei Pfennige. Diesen schlechten Lohn verschmähte der
Fährmann sehr, aber das Männlein gab ihm zur Antwort, er sollte sich
das nicht verdrießen lassen, sondern die drei Pfennige wohl behalten,
so würde er an seiner Habschaft nicht Mangel leiden, wo er anders
dem Uebermuth Einhalt thue. Zugleich gab es dem Fährmann ein kleines
Steinlein, mit den Worten: “wenn du dieses an den Hals hängst, so wirst
du in dem Wasser nicht zu Grunde gehen können.” Und dieß bewährte sich
noch in demselben Jahre. Zuletzt ermahnte es ihn zu einem frommen und
demüthigen Lebenswandel und ging schnell von dannen.




40.

Das Keller-Männlein.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 172. 173. und nochmals 319. 320.


Im Jahr 1665. trug sich zu Lützen folgendes zu: in einem Haus lief ein
klein Männlein aus dem Keller hervor und sprengte vor dem Haus Wasser
aus einer Kelte oder goß sie aus. Lief darauf wieder stillschweigends
nach dem Keller, aber die Magd, die zugegen war, fürchtete sich, fiel
auf ihre Knie und betete einen Psalm. Da fiel das Männlein zugleich mit
ihr nieder, betete so lange als die Magd. Bald darauf kam Feuersbrunst
im Städtlein aus und wurden mehrere neuerbaute Häuser in Asche gelegt,
selbes Haus aber blieb unverletzt übrig. Auch soll nach solchem
Begebniß das Männchen noch einmal erschienen seyn und gesprengt haben,
allein es erfolgte an selbigem Orte nichts darauf.




41.

Die Ahnfrau von Ranzau.

+Seyfried+ in ~medulla~ p. 481. Nr. 10.

vgl. +Prätor+. Weltbeschr. I. 104. 105.


In dem hollsteinischen adlichen Geschlecht der von Ranzau gehet die
Sage: eines mals sey die Großmutter des Hauses bei Nachtzeit von der
Seite ihres Gemahls durch ein +kleines Männlein+, so ein Laternlein
getragen, erweckt worden. Das Männlein führte sie aus dem Schloß in
einen hohlen Berg zu einem kreißenden Weib. Selbiger legte sie auf
Begehren die rechte Hand auf das Haupt, worauf das Weibchen alsbald
genas. Der Führer aber führte die Ahnfrau wieder zurück ins Schloß und
gab ihr ein +Stück Gold+ zur Gabe mit dem Bedeuten, daraus dreierlei
machen zu lassen: funfzig +Rechenpfennige+, einen +Hering+ und eine
+Spille+, nach der Zahl ihrer dreien Kinder, zweier Söhne und einer
Tochter; -- auch mit der Warnung: diese Sachen wohl zu verwahren,
ansonst ihr Geschlecht in Abnahme fallen werde.

       *       *       *       *       *

Vollständiger und genauer ist diese Sage in einer französischen
Novellensammlung enthalten, die zu Brüssel 1711. unter dem Titel:
~l’amant oisif~ herauskam und steht daselbst in der vorletzten
Erzählung p. 405-411. ~la comtesse de +Falinsperk+~ (? Falkenberg),
~nouvelle allemande~, folgendes Inhalts:

Die neuvermählte Gräfin, welche aus einem dänischen Geschlecht
abstammte, ruhte an ihres Gemahles Seite, als ein Rauschen geschah:
die Bettvorhänge wurden aufgezogen und sie sah ein wunderbar schönes
+Fräuchen+, nur ellnbogengroß mit einem Licht vor ihr stehen. Dieses
Fräuchen hub an zu reden: “fürchte dich nicht, ich thue dir kein Leid
an, sondern bringe dir Glück, wenn du mir die Hülfe leistest, die mir
Noth thut. Steh auf und folge mir, wohin ich dich leiten werde, hüte
dich etwas zu essen von dem, was dir geboten wird, nimm auch kein ander
Geschenk an, außer das was ich dir reichen will und das kannst du
sicher behalten.”

Hierauf ging die Gräfin mit und der Weg führte unter die Erde. Sie
kamen in ein Gemach, das flimmerte von Gold und Edelstein und war
erfüllt mit lauter kleinen Männern und Weibern. Nicht lange, so
erschien ihr König und führte die Gräfin an ein Bett, wo die Königin
in Geburtsschmerzen lag, mit dem Ersuchen ihr beizustehn. Die Gräfin
benahm sich aufs beste und die Königin wurde glücklich eines Söhnleins
entbunden. Da entstand große Freude unter den Gästen, sie führten die
Gräfin zu einem Tisch voll der köstlichsten Speisen und drangen in sie
zu essen. Allein sie rührte nichts an, eben so wenig nahm sie von den
Edelsteinen, die in goldnen Schalen standen. Endlich wurde sie von der
ersten Führerin wieder fortgeführt und in ihr Bett zurückgebracht.

Da sprach das Bergfräuchen: “du hast unserm Reich einen großen Dienst
erwiesen, der soll dir gelohnt werden. Hier hast du drei +hölzerne
Stäbe+, die leg unter dein Kopfkissen und morgen früh werden sie in
Gold verwandelt seyn. Daraus laß machen: aus dem ersten einen +Hering+,
aus dem zweiten +Rechenpfennige+, aus dem dritten eine +Spindel+
und offenbare die ganze Geschichte niemanden auf der Welt, außer
deinem Gemahl. Ihr werdet zusammen drei Kinder zeugen, die die drei
Zweige eures Hauses seyn werden. Wer den Hering bekommt, wird viel
Kriegsglück haben, er und seine Nachkommen; wer die Pfennige, wird mit
seinen Kindern hohe Staatsämter bekleiden; wer die Kunkel, wird mit
zahlreicher Nachkommenschaft gesegnet seyn.”

Nach diesen Worten entfernte sich die Bergfrau, die Gräfin schlief
ein und als sie aufwachte, erzählte sie ihrem Gemahl die Begebenheit,
wie einen Traum. Der Graf spottete sie aus, allein als sie unter das
Kopfkissen griff, lagen da drei Goldstangen; beide erstaunten und
verfuhren genau damit, wie ihnen geheißen war.

Die Weißagung traf völlig ein und die verschiedenen Zweige des Hauses
verwahrten sorgfältig diese Schätze. Einige, die sie verloren, sind
verloschen. Die vom Zweig der Pfennige erzählen: einmal habe der König
von Dänemark einem unter ihnen einen solchen Pfennig abgefordert und
in dem Augenblick wie ihn der König empfangen, habe der, so ihn vorher
getragen, in seinen Eingeweiden heftigen Schmerz gespürt.




42.

Herrmann von Rosenberg.

Unterred. vom Reich der Geister I. 223.


Als Herrmann von Rosenberg sein Beilager hielt, erschienen die Nacht
darauf viele Erdgeister, kaum zwei Spannen lang, hatten ihre Musik bei
sich und suchten um Erlaubniß nach, die Hochzeit eines ihrer Brautpaare
ebenfalls hier begehen zu dürfen; sie gaben sich für still und
friedlich aus. Auf erhaltene Verwilligung begingen sie nun ihr Fest.




43.

Die osenberger Zwerge.

+Winkelmann+ Beschr. des oldenb. Horns Bl. 15.

+Happel+ (eines geborenen Hessen) ~rel. cur. II.~ 525.


Als Winkelmann im J. 1653. aus unserm Hessenlande nach Oldenburg
reiste und über den Osenberg kommend in dem Dorf Bümmerstett von der
Nacht übereilt wurde, erzählte ihm ein hundertjähriger Krugwirth,
daß bei seines Großvaters Zeiten das Haus treffliche Nahrung gehabt,
anjetzo wäre es aber schlecht. Wenn der Großvater gebrauet, wären
Erdmännlein vom Osenberg gekommen, hätten das Bier ganz warm aus der
Bütte abgehohlt und mit einem Geld bezahlt, das zwar unbekannt, aber
von gutem Silber gewesen. Einsmal hätte ein altes Männlein im Sommer
bei großer Wärme Bier hohlen wollen und vor Durst alsogleich getrunken,
aber zu viel, daß es davon eingeschlafen. Hernach beim Aufwachen, wie
es sah, daß es sich so verspätet hatte, hub das alte kleine Männlein
an bitterlich zu weinen: “nun wird mich mein Großvater des langen
Außenbleibens wegen schlagen.” In dieser Noth lief es auf und davon,
vergaß seinen Bierkrug mitzunehmen und kam seitdem nimmer wieder. Den
hinterlassenen Krug hätte sein (des Wirthes) Vater und er selbst auf
seine ausgesteuerte Tochter erhalten und so lang der Krug im Haus
gewesen, die Wirthschaft vollauf Nahrung gehabt. Als er aber vor kurzem
zerbrochen worden, wäre das Glück gleichsam mit zerbrochen und alles
krebsgängig.




44.

Das Erdmännlein und der Schäferjung.

+Prätor.+ Weltbeschr. I. 122.


Im Jahr 1664. hütete unfern Dresden ein Junge die Heerde des Dorfs.
Auf einmal sah er einen Stein neben sich, von mäßiger Größe, sich von
selbst in die Höhe heben und etliche Sprünge thun. Verstaunt trat er
näher zu und besah den Stein, endlich hob er ihn auf. Und indem er ihn
aufnahm, hüpfte ein jung Erdmännchen aus der Erde, stellte sich kurz
hin vor den Schäferjungen und sprach: “ich war dahin verbannt, du hast
mich erlöst und ich will dir dienen; gib mir Arbeit, daß ich etwas zu
thun habe.” Bestürzt antwortete der Junge: “nun gut, du sollst mir
helfen Schafe hüten.” Das verrichtete das Männchen sorgsam bis der
Abend kam. Da fing es an und sagte: “ich will mit dir gehen, wo du
hingehst.” Der Junge versetzte aber sogleich: “in mein Haus kann ich
dich nicht gut mitnehmen, ich habe einen Stiefvater und noch andre
Geschwister mehr, der Vater würde mich übel schlagen, wollte ich ihm
noch jemand zubringen, der ihm das Haus kleiner machte.” “Ja du hast
mich nun einmal angenommen, sprach der Geist, willst du mich selber
nicht, mußt du mir anderswo Herberg schaffen.” Da wies ihn der Junge
ins Nachbars Haus, der keine Kinder hatte. Bei diesem kehrte nun das
Erdmännchen richtig ein und konnte es der Nachbar nicht wieder los
werden.




45.

Der einkehrende Zwerg.

Volkssage des berner Oberlandes, s. +Wyß+ Volkssagen Bern 1815. S.
62-79. vgl. 315. und Alpenrosen 1813. S. 210-227.


Vom Dörflein Ralligen am Thunersee und von Schillingsdorf, einem durch
Bergfall verschütteten Ort des Grindelwaldthals, vermuthlich von andern
Orten mehr, wird erzählt: bei Sturm und Regen kam ein wandernder Zwerg
durch das Dörflein, ging von Hütte zu Hütte und pochte regentriefend
an die Thüren der Leute, aber niemand erbarmte sich und wollte ihm
öffnen, ja sie höhnten ihn noch aus dazu. Am Rand des Dorfes wohnten
zwei fromme Armen, Mann und Frau, da schlich das Zwerglein müd und matt
an seinem Stab einher, klopfte dreimal bescheidentlich ans Fensterchen,
der alte Hirt that ihm sogleich auf und bot gern und willig dem Gaste
das wenige dar, was sein Haus vermochte. Die alte Frau trug Brot auf,
Milch und Käs, ein Paar Tropfen Milch schlürfte das Zwerglein und aß
Brosamen von Brot und Käse. “Ich bins eben nicht gewohnt, sprach es, so
derbe Kost zu speisen, aber ich dank euch von Herzen und Gott lohns;
nun ich geruht habe, will ich meinen Fuß weiter setzen.” “Ei bewahre,
rief die Frau, in der Nacht in das Wetter hinaus, nehmt doch mit einem
Bettlein vorlieb.” Aber das Zwerglein schüttelte und lächelte: “droben
auf der Fluh hab ich allerhand zu schaffen und darf nicht länger
ausbleiben, morgen sollt ihr mein schon gedenken.” Damit nahms Abschied
und die Alten legten sich zur Ruhe. Der anbrechende Tag aber weckte
sie mit Unwetter und Sturm, Blitze fuhren am rothen Himmel und Ströme
Wassers ergossen sich. Da riß oben am Joch der Fluh ein gewaltiger
Fels los und rollte zum Dorf herunter, mitsammt Bäumen, Steinen
und Erde. Menschen und Vieh, alles was Athem hatte im Dorf, wurden
begraben, schon war die Woge gedrungen bis an die Hütte der beiden
Alten; zitternd und bebend traten sie vor ihre Thüre hinaus. Da sahen
sie mitten im Strom ein großes Felsenstück nahen, oben drauf hüpfte
lustig das Zwerglein, als wenn es ritte, ruderte mit einem mächtigen
Fichtenstamm und der Fels staute das Wasser und wehrte es von der Hütte
ab, daß sie unverletzt stand und die Hausleute außer Gefahr. Aber das
Zwerglein schwoll immer größer und höher, ward zu einem ungeheuern
Riesen und zerfloß in Luft, während jene auf gebogenen Knien beteten
und Gott für ihre Errettung dankten.




46.

Zeitelmoos.

Beschreibung des Fichtelbergs. Lpz. 1716. S. 90.


Auf dem Fichtelberg, zwischen Wunsiedel und Weißenstadt, liegt ein
großer Wald, Zeitelmoos genannt und daran ein großer Teich; in dieser
Gegend hausen viele Zwerge und Berggeister. Ein Mann ritt einmal bei
später Abendzeit durch den Wald und sah zwei Kinder bei einander
sitzen, ermahnte sie auch, nach Haus zu gehen und nicht länger zu
säumen. Aber diese fingen an überlaut zu lachen. Der Mann ritt fort und
eine Strecke weiter traf er dieselben Kinder wieder an, welche wieder
lachten.




47.

Das Moosweibchen.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 691. 692. aus dem Munde einer alten Frau zu
Saalfeld.

Ein Bauer aus der Gegend von Saalfeld mit Namen Hans Krepel hatte ums
Jahr 1635. Holz auf der Heide gehauen und zwar Nachmittags; da trat ein
klein Moosweibchen herzu und sagte zu ihm: “Vater, wenn ihr hernach
aufhöret und Feierabend macht, haut doch beim Umfällen des letzten
Baums ja drei Creuze in den Stamm, es wird euch gut seyn.” Nach diesen
Worten ging es weg. Der Bauer, ein grober und roher Kerl, dachte,
zu was hilft mir die Quackelei und was kehr ich mich an ein solch
Gespenste, unterließ also das Einhauen der drei Creuze und ging Abends
nach Haus. Den folgenden Tag um die nämliche Zeit kehrte er wieder
in den Wald, um weiter zu hauen; trat ihn wieder das Moosweibchen an
und sprach: “ach ihr Mann, was habt ihr gestern die drei Creuze nicht
eingehauen? es sollte euch und mir geholfen haben, denn uns jagt
der wilde Jäger Nachmittags und Nachts ohn Unterlaß und tödtet uns
jämmerlich, haben auch anders keinen Frieden vor ihm, wenn wir uns
nicht auf solche behauene Baumstämme setzen können, davon darf er uns
nicht bringen, sondern wir sind sicher.” Der Bauer sprach: “hoho, was
sollten dabei die Creuze helfen; dir zu Gefallen mach ich noch keine
dahin.” Hierauf aber fiel das Moosweibchen den Bauer an und drückte
ihn dergestalt, daß er, obgleich stark von Natur, krank und elend
wurde. Seit der Zeit folgte er der empfangenen Lehre besser, unterließ
das Creuzeinhauen niemals und es begegnete ihm nichts widerliches mehr.




48.

Der wilde Jäger jagt die Moosleute.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 693. 694. aus mündlichen Sagen im
saalfeldischen.

Auf der Heide oder im Holz an dunkeln Örtern, auch in unterirdischen
Löchern, hausen Männlein und Weiblein und liegen auf grünem Moos,
auch sind sie um und um mit Moos bekleidet. Die Sache ist so bekannt,
daß Handwerker und Drechsler sie nachbilden und feilbieten. Diesen
Moosleuten stellt aber sonderlich der wilde Jäger nach, der in der
Gegend zum öftern umzieht und man hört vielmal die Einwohner zu
einander sprechen: nun der wilde Jäger hat sich ja nächsten wieder
zujagt, daß es immer knisterte und knasterte!

Einmal war ein Bauer aus Arntschgereute nah bei Saalfeld aufs Gebirg
gegangen zu holzen, da jagte der wilde Jäger, unsichtbar, aber so,
daß er den Schall und das Hundegebell hörte. Flugs gab dem Bauer
sein Vorwitz ein, er wolle mithelfen jagen, hub an zu schreien, wie
Jäger thun, verrichtete daneben sein Tagewerk und ging dann heim.
Frühmorgens den andern Tag als er in seinen Pferdestall gehen wollte,
da war vor der Thür ein Viertel eines grünen Moosweibchens aufgehängt,
gleichsam als ein Theil oder Lohn der Jagd. Erschrocken lief der Bauer
nach Wirbach zum Edelmann von Watzdorf und erzählte die Sache, der
rieth ihm, um seiner Wohlfahrt willen, ja das Fleisch nicht anzurühren,
sonst würde ihn der Jäger hernach drum anfechten, sondern sollte es
ja hangen lassen. Dieß that er denn auch und das Wildbret kam eben so
unvermerkt wieder fort, wie es hingekommen war; auch blieb der Bauer
ohne Anfechtung.




49.

Der Wassermann.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 480-482. aus mündlicher Sage.

Gegen das Jahr 1630. erzählte in der Pfarrei zu Breulieb, eine halbe
Meile von Saalfeld, in Gegenwart des Priesters eine alte Wehmutter
folgendes, was ihrer Mutter, ebenfals Kinderfrau daselbst, begegnet sey.

Diese letzte wurde einer Nacht gerufen, schnell sich anzuziehen und
zu kreissenden Frauen mitzukommen. Es war finster, doch machte sie
sich auf und fand unten einen Mann warten, zu dem sagte sie: er möchte
nur verziehen, bis sie sich eine Leuchte genommen, dann wollte sie
nachfolgen; er aber drang auf Eile, den Weg würde er schon ohne Licht
zeigen und sie sollten nicht irren. Ja er verband ihr noch dazu die
Augen, daß die Frau erschrak und schreien wollte, allein der Mann
sprach ihr Trost ein: Leid werde ihr gar nicht widerfahren, sondern
sie könne furchtlos mitgehen. Also gingen sie miteinander; die Frau
merkte darauf, daß er mit einer Ruthe ins Wasser schlug, und sie immer
tiefer hinunter gingen, bis sie in eine Stube kamen. In der Stube war
niemand als die Schwangere. Der Gefährte that ihr nunmehr das Band von
den Augen, führte sie vors Bett und ging, nachdem er sie seiner Frauen
anbefohlen, selber hinaus. Hierauf half sie das Kindlein zur Welt
befördern, brachte die Kindbetterin zu Bett, badete das Kindlein und
verrichtete alle nothwendige Sachen dabei. Aus heimlicher Dankbarkeit
warnungsweise hob die Wöchnerin an zur Wehemutter zu sprechen: “ich
bin sowohl als ihr ein Christenmensch und entführt worden von einem
Wassermann, der mich ausgetauscht hat. Wenn ich nun ein Kind zur Welt
bringe, frißt er mirs allemal den dritten Tag; kommet nur am dritten
Tag zu eurem Teich, da werdet ihr Wasser in Blut verwandelt sehen. Wenn
mein Mann jetzt hereinkommt und euch Geld bietet, so nehmet ja nicht
mehr Geld von ihm, als ihr sonst zu kriegen pflegt, sonst dreht er
euch den Hals um, nehmt euch ja in Acht.” Indem kam der Mann, zornig
und bös aussehend, hinein, sah um sich und befand, daß alles hübsch
aufgelaufen, lobete darum die Wehemutter. Hernach warf er einen großen
Haufen Geld auf den Tisch, mit den Worten: “davon nehmt euch, so viel
ihr wollt.” Sie aber, gescheidt, antwortete etlichemal: “ich gehre
von euch nichts mehr, denn von andern, welches dann ein geringes Geld
gewesen, und gebt ihr mir das, hab ich gnug dran; oder ist euch auch
das zu viel, verlange ich gar nichts, außer daß ihr mich nach Haus
bringet.” Er hub an: “das hieß dich Gott sprechen.” Zahlte ihr so viel
Geld und geleitete sie richtig nach Haus. An den Teich zu gehen wagte
sich aber den bestimmten Tag die Wehefrau nicht, aus Furcht.




50.

Die wilden Frauen im Unterberge.

Brixener Volksbuch.


Die Grödicher Einwohner und Bauersleute zeigten an, daß zu diesen
Zeiten (um das Jahr 1753.) vielmals die wilden Frauen aus dem
Wunderberge zu den Knaben und Mägdlein, die zunächst dem Loche
innerhalb Glanegg das Waidvieh hüteten, herausgekommen und ihnen Brot
zu essen gegeben.

Mehrmals kamen die wilden Frauen zu der Ährenschneidung. Sie kamen früh
Morgens herab und Abends, da die andern Leute Feier-Abend genommen,
gingen sie, ohne die Abend-Mahlzeit mitzuessen, wiederum in den
Wunderberg hinein.

Einstens geschah auch nächst diesem Berge, daß ein kleiner Knab auf
einem Pferde saß, das sein Vater zum Umackern eingespannt hatte. Da
kamen auch die wilden Frauen aus dem Berge hervor und wollten diesen
Knaben mit Gewalt hinweg nehmen. Der Vater aber, dem die Geheimnisse
und Begebenheiten dieses Berges schon bekannt waren, eilte den Frauen
ohne Furcht zu und nahm ihnen den Knaben ab, mit den Worten: “was
erfrecht ihr euch, so oft herauszugehen und mir jetzt sogar meinen
Buben wegzunehmen? was wollt ihr mit ihm machen?” Die wilden Frauen
antworteten: “er wird bei uns bessere Pflege haben und ihm besser bei
uns gehen, als zu Haus; der Knabe wäre uns sehr lieb, es wird ihm kein
Leid widerfahren.” Allein der Vater ließ seinen Knaben nicht aus den
Händen und die wilden Frauen gingen bitterlich weinend von dannen.

Abermals kamen die wilden Frauen aus dem Wunderberge nächst der
Kugel-Mühle oder Kugelstadt genannt, so bei diesem Berge schön auf der
Anhöhe liegt und nahmen einen Knaben mit sich fort, der das Waidvieh
hütete. Diesen Knaben, den jedermann wohl kannte, sahen die Holzknechte
erst über ein Jahr in einem grünen Kleid auf einem Stock dieses Bergs
sitzen. Den folgenden Tag nahmen sie seine Eltern mit sich, Willens,
ihn am Berge aufzusuchen, aber sie gingen alle umsonst, der Knabe kam
nicht mehr zum Vorschein.

Mehrmals hat es sich begeben, daß eine wilde Frau aus dem Wunderberg
gegen das Dorf Anif ging, welches eine gute halbe Stunde vom
Berg entlegen ist. Alldort machte sie sich in die Erde Löcher und
Lagerstätte. Sie hatte ein ungemein langes und schönes Haar, das ihr
beinahe bis zu den Fußsohlen hinabreichte. Ein Bauersmann aus dem
Dorfe sah diese Frau öfter ab- und zugehen und verliebte sich in
sie, hauptsächlich wegen der Schönheit ihrer Haare. Er konnte sich
nicht erwehren zu ihr zu gehen, betrachtete sie mit Wohlgefallen
und legte sich endlich in seiner Einfalt ohne Scheu zu ihr in ihre
Lagerstätte. Es sagte eins zum andern nichts, viel weniger, daß sie
etwas ungebührliches getrieben. In der zweiten Nacht aber fragte die
wilde Frau den Bauern, ob er nicht selbst eine Frau hätte? Der Bauer
aber verläugnete seine Ehefrau und sprach nein. Diese aber machte sich
viel Gedanken, wo ihr Mann Abends hingehe und Nachts schlafen möge.
Sie spähete ihm daher nach und traf ihn auf dem Feld schlafend bei
der wilden Frau. “O behüte Gott, sprach sie zur wilden Frau, deine
schönen Haare! was thut ihr da miteinander?” Mit diesen Worten wich das
Bauersweib von ihnen und der Bauer erschrak sehr hierüber. Aber die
wilde Frau hielt dem Bauern seine treulose Verläugnung vor und sprach
zu ihm: “hätte deine Frau bösen Haß und Ärger gegen mich zu erkennen
gegeben, so würdest du jetzt unglücklich seyn und nicht mehr von dieser
Stelle kommen; aber weil deine Frau nicht bös war, so liebe sie fortan
und hause mit ihr getreu und untersteh dich nicht mehr daher zu kommen,
denn es steht geschrieben: ‘ein jeder lebe getreu mit seinem getrauten
Weibe’, obgleich die Kraft dieses Gebots einst in große Abnahme kommen
wird und damit aller zeitlicher Wohlstand der Eheleute. Nimm diesen
Schuh voll Geld von mir, geh hin und sieh dich nicht mehr um.”




51.

Tanz mit dem Wassermann.

+Valvassor+ Ehre von Crain. B. 11. u. B. 15. Cap. 19.


Zu Laibach hat in dem gleich-benannten Fluß ein Wasser-Geist gewohnt,
den man den Nix oder Wassermann hieß. Er hat sich sowohl bei Nacht den
Fischern und Schiffleuten als bei Tag andern gezeigt, daß jedermann
zu erzählen wußte, wie er aus dem Wasser hervorgestiegen sey und in
menschlicher Gestalt sich habe sehen lassen. Im Jahr 1547. am ersten
Sonntag im Julius kam nach alter Sitte zu Laibach auf dem alten Markt
bei dem Brunnen, der durch eine dabeistehende schöne Linde lustig
beschattet war, die ganze Nachbarschaft zusammen. Sie verzehrten in
freundlicher und nachbarlicher Vertraulichkeit bei klingendem Spiel
ihr Mahl und huben darauf mit dem Tanze an. Nach einer Weil trat ein
schöngestalter, wohlgekleideter Jüngling herzu, gleich als wollte er
an dem Reigen Theil nehmen. Er grüßte die ganze Versammlung höflich
und bot jedem Anwesenden freundlich die Hand, welche aber ganz weich
und eiskalt war und bei der Berührung jedem ein seltsames Grauen
erregte. Hernach zog er ein wohlaufgeschmücktes und schöngebildetes,
aber frisches und freches Mägdlein, von leichtfertigem Wandel, das
Ursula Schäferin hieß, zum Tanze auf, die sich in seine Weise auch
meisterlich zu fügen und in alle lustige Possen zu schicken wußte.
Nachdem sie eine Zeit lang miteinander wild getanzt, schweiften sie von
dem Platz, der den Reigen zu umschränken pflegte, immer weiter aus, von
jenem Lindenbaum nach dem Sitticher Hofe zu, daran vorbei, bis zu der
Laibach, wo er in Gegenwart vieler Schiffleute mit ihr hineinsprang und
beide vor ihren Augen verschwanden.

Der Lindenbaum stand bis ins Jahr 1638. wo er Alters halben umgehauen
werden mußte.




52.

Der Wassermann und der Bauer.

Mündlich, aus Deutschböhmen.


Der Wassermann schaut wie ein andrer Mensch, nur daß, wenn er den Mund
bleckt, man ihm seine grüne Zähne sieht. Auch trägt er grünen Hut. Er
zeigt sich den Mädchen, wenn sie am Teich vorübergehen, mißt Band aus
und wirfts ihnen zu.

Einmal lebte er in guter Nachbarschaft mit einem Bauer, der unweit des
Sees wohnte, besuchte ihn manchmal und bat endlich, daß der Bauer ihn
ebenfalls unten in seinem Gehäus besuchen möchte. Der Bauer thats und
ging mit. Da war unten im Wasser alles wie in einem prächtigen Palast
auf Erden, Zimmer, Säle und Kammern voll mancherlei Reichthum und
Zierrath. Der Wassermann führte den Gast aller Enden umher und wies
ihm jedes, endlich gelangten sie in ein kleines Stübchen, wo viel neue
Töpfe umgekehrt, die Öffnung bodenwärts, standen. Der Bauer fragte:
was das doch wäre? “Das sind die Seelen der Ertrunkenen, die hebe ich
unter den Töpfen auf und halte sie damit fest, daß sie nicht entwischen
können.” Der Bauer schwieg still und kam hernach wieder heraus ans
Land. Das Ding mit den Seelen wurmte ihm aber lange Zeit und er paßte
dem Wassermann auf, daß er einmal ausgegangen seyn würde. Als das
geschah, hatte der Bauer den rechten Weg hinunter sich wohl gemerkt,
stieg in das Wasserhaus und fand auch jenes Stübchen glücklich wieder;
da war er her, stülpte alle Töpfe um, einen nach dem andern, alsbald
stiegen die Seelen der ertrunkenen Menschen hinauf in die Höhe aus dem
Wasser und wurden wieder erlöst.




53.

Der Wassermann an der Fleischerbank.

Mündlich, aus Deutschböhmen.


Der Wassermann kam auch wöchentlich in die Stadt zur Fleischerbank,
sich da einzukaufen, und wie wohl seine Kleidung etwas anders war,
als der übrigen Menschen, ließ ihn doch jeder gewähren und dachte
sich weiter nichts besonders dabei. Allein er bezahlte immer nur mit
alten durchlöcherten Groschen. Daran merkte ihn zuletzt ein Fleischer
und sprach: “wart, den will ich zeichnen, daß er nicht wieder kommt.”
Jetzt, wie der Wassermann wiederkam und Fleisch kaufen wollte, ersahs
der Metzger und ritzte ihn flugs mit dem Messer in den ausgestreckten
Finger, worin er das Geld hinreichte, so daß sein Blut floß. Seit der
Zeit ist der Wassermann ganz weggeblieben.




54.

Der Schwimmer.

+Bräuner’s+ Curiosit. S. 37.


In Meissen hat es sich zugetragen, daß etliche Beckers-Knechte am
Pfingst-Fest unter der Predigt hinaus gegangen sind und oberhalb
der Ziegel-Scheune, gleich dem Baumgarten gegenüber, in der Elbe
gebadet. Einer unter ihnen, der sich auf seine Fertigkeit im Schwimmen
verlassen, hat zu seinen Gesellen gesagt, wofern sie ihm einen Thaler
aufsetzten, wollte er dreimal nach einander, unausgeruht, dies Wasser
hin und her beschwimmen. Den zwei andern kam das unglaublich vor, und
sie willigten ein. Nachdem der verwegene Mensch es zweimal vollbracht
und nun zum drittenmal nach dem Sieben-Eichen-Schloß zu hinüber
schwimmen wollte, da sprang ein großer Fisch, wie ein Lachs, vor ihm
in die Höhe und schlug ihn mit sich ins Wasser hinab, also daß er
ertrinken mußte. Man hat ihn noch selbiges Tages gesucht und oberhalb
der Brücke gefunden: am ganzen Leibe waren gezwickte Mäler, von Blut
unterlaufen, zu sehen und man konnte gar leicht die Narben erkennen,
die ihm der +Nix+ oder Wassergeist gemacht.




55.

Bruder Nickel.

~+Cluver+ germ. antiq. lib. 3. c. 27.~

+Prätor+. Weltbeschr. I. 487. 488.

vgl. +Micrälius+ B. 1. S. 16. +Zöllner’s+ Reise 259.


Auf der Insel Rügen liegt in einem dichten Walde ein tiefer See,
fischreich, aber trüb von Wasser, und kann man nicht wohl darauf
fischen. Doch aber unterstandens vor langen Jahren etliche Fischer und
hatten ihren Kahn schon auf den See gebracht. Den andern Tag hohlten
sie zu Haus ihre Netze, als sie wiederkehrten, war das Schiffel oder
der Kahn verschwunden; da schaute der eine Fischer um und sah das
Fahrzeug oben auf einem hohen Buchbaum stehen, deswegen schrie er: “wer
Teufel hat mir den Kahn auf den Baum gebracht?” Da antwortete aus der
Nähe eine Stimme, aber man sah niemand, und sprach: “das haben nicht
alle Teufel, sondern ich mit meinem Bruder Nickel gethan!”




56.

Nixen-Brunnen.

+Kornmann+ ~mons Veneris~ Cap. 43. ~p.~ 215.

~+Vormius+ mons danica lib. I.~ p. 17. 18.

~+Hornung+ cista medica p. 191.~


Nicht weit von Kirchhain in Hessen liegt ein sehr tiefer See, welcher
der +Nixen-Bronn+ heißt, und oftmals erscheinen die Nixen, an dessen
Gestad sich zu ersonnen. Die Mühle daran heißt gleichfalls die
Nixen-Mühle. Auch zu Marburg soll 1615. in der Lahn bei der Elisabether
Mühle ein Wassernix gesehen worden seyn.




57.

Magdeburger Nixen.

+Prätor.+ Weltbeschr. I. 497. 498.


Zu Magdeburg an einer Stelle der Elbe ließ sich oft die Nixe sehen,
zog die überschwimmenden Leute hinab und ersäufte sie. Kurz vor der
Zerstörung der Stadt durch Tilly schwomm ein hurtiger Schwimmer um
ein Stück Geld hinüber, als er aber herüber wollte und an den Ort
gerieth, wurde er festgehalten und hinuntergerissen. Niemand konnte ihn
retten und zuletzt schwomm sein Leichnam ans Ufer. Zuweilen soll sich
das Meerwunder am hellen Tag und bei scheinender Sonne zeigen, sich
ans Ufer setzen, oder auf die Äste anstehender Bäume und wie schöne
Jungfrauen lange, goldgelbe Haare kämmen. Wenn aber Leute nahen, hüpft
es ins Wasser. Einmal, weil das Brunnenwasser hart zu kochen ist, das
Elbwasser aber weit und mühseelig in die Stadt getragen werden muß,
wollte die Bürgerschaft eine Wasserleitung bauen lassen. Man fing an,
große Pfähle in den Fluß zu schlagen, konnte aber bald nicht weit
vorrücken. Denn man sah einen nackenden Mann in der Flut stehen, der
mit Macht alle eingesetzte Pfähle ausriß und zerstreute, so daß man den
vorgenommenen Bau wieder einstellen mußte.




58.

Der Dönges-See.

Mündlich, aus Hessen.


Bei dem Dorfe Dönges in Hessen liegt der Dönges- oder +Haut-See+,
der an einem gewissen Tage im Jahr ganz blutroth wird. Davon gibt
es folgende Sage. Einmal war im Dorfe Dönges Kirmes und dazu kamen
auch zwei fremde, unbekannte, aber schöne Jungfrauen, die mit den
Bauersburschen tanzten und sich lustig machten, aber Nachts zwölf Uhr
verschwunden waren, während doch Kirmes Tag und Nacht fortdauert. Indeß
waren sie am andern Tag wieder da und ein Bursche, dem es lieb gewesen,
wenn sie immer geblieben wären, nahm einer von ihnen während des
Tanzes die Handschuhe weg. Sie tanzten nun wieder mit, bis Mitternacht
herannahete, da wollten sie fort und die eine ging und suchte nach
ihren Handschuhen in allen Ecken. Da sie solche nirgends finden konnte,
ward sie ängstlich, als es aber während des Suchens zwölf Uhr schlug,
so liefen sie beide in größter Angst fort, gerade nach dem See und
stürzten sich hinein. Am andern Tag war der See blutroth und wird es an
selbigem noch jedesmal im Jahr. An den zurückgebliebenen Handschuhen
waren oben kleine Kronen zu sehen.

Es wird auch erzählt, daß in einer Nacht zwei Reiter vor das Haus
einer Kinderfrau kamen, sie weckten und sie mitgehen hießen. Als sie
sich weigerte, brauchten sie Gewalt, banden sie aufs Pferd und jagten
mit ihr fort zum Dönges-See, wo sie ihrer Königin in Kindes-Nöthen
Beistand leisten sollte. Sie sah viel wundersame Dinge, große Schätze
und Reichthümer, mußte aber schwören, keinem Menschen je etwas davon
zu sagen. Nachdem sie einen ganzen Tag unten geblieben war, ward sie,
reichlich beschenkt, in der Nacht wieder heraufgebracht. Nach vielen
Jahren erkrankte sie und konnte nicht sterben, bis sie dem Pfarrer
alles entdeckt hatte.




59.

Mummel-See.

+Simplicissimus+ B. 5. Cap. 10.


Im Schwarzwald, nicht weit von Baden, liegt ein See, auf einem hohen
Berg, aber unergründlich. Wenn man ungerad, Erbsen, Steinlein, oder was
anders, in ein Tuch bindet und hinein hängt, so verändert es sich in
gerad, und also, wenn man gerad hinein hängt, in ungerad. So man einen
oder mehr Steine hinunterwirft, trübt sich der heiterste Himmel und ein
Ungewitter entsteht, mit Schloßen und Sturmwinden.

Da einst etliche Hirten ihr Vieh bei dem See gehütet, so ist ein
brauner Stier daraus gestiegen, sich zu den übrigen Rindern gesellend,
alsbald aber ein Männlein nachgekommen, denselben zurückzutreiben, auch
da er nicht gehorchen wollen, hat es ihn verwünscht, bis er mitgegangen.

Ein Bauer ist zur Winterszeit über den hartgefrorenen See mit
seinen Ochsen und einigen Baumstämmen ohne Schaden gefahren, sein
nachlaufendes Hündlein aber ertrunken, nachdem das Eis unter ihm
gebrochen.

Ein Schütz hat im Vorübergehn ein Waldmännlein darauf sitzen sehen, den
Schoos voll Geld und damit spielend; als er darauf Feuer geben wollen,
so hat es sich niedergetaucht und bald gerufen: wenn er es gebeten, so
hätte es ihn leicht reich gemacht, so aber er und seine Nachkommen in
Armuth verbleiben müßten.

Eines Males ist ein Männlein auf späten Abend zu einem Bauern auf
dessen Hof gekommen, mit der Bitte um Nachtherberg. Der Bauer, in
Ermangelung von Betten, bot ihm die Stubenbank oder den Heuschober an,
allein es bat sich aus, in der Hanfräpen zu schlafen. “Meinethalben,
hat der Bauer geantwortet, wenn dir damit gedienet ist, magst du wohl
gar im Weiher oder Brunnentrog schlafen.” Auf diese Verwilligung hat
es sich gleich zwischen die Binsen und das Wasser eingegraben, als ob
es Heu wäre, sich darin zu wärmen. Frühmorgens ist es herausgekommen,
ganz mit trockenen Kleidern, und als der Bauer sein Erstaunen über den
wundersamen Gast bezeiget, hat es erwiedert: ja, es könne wohl seyn,
daß seines gleichen nicht in etlich hundert Jahren hier übernachtet.
Von solchen Reden ist es mit dem Bauer so weit ins Gespräch kommen,
daß es solchem vertraut, es sey ein Wassermännlein, welches sein
Gemahel verloren und in dem Mummelsee suchen wolle, mit der Bitte,
ihm den Weg zu zeigen. Unterweges erzählte es noch viel wunderliche
Sachen, wie es schon in viel Seen sein Weib gesucht und nicht gefunden,
wie es auch in solchen Seen beschaffen sey. Als sie zum Mummelsee
gekommen, hat es sich untergelassen, doch zuvor den Bauer zu verweilen
gebeten, so lange, bis zu seiner Wiederkunft, oder bis es ihm ein
Wahrzeichen senden werde. Wie er nun ungefähr ein Paar Stunden bei dem
See aufgewartet, so ist der Stecken, den das Männlein gehabt, sammt
ein paar Handvoll Bluts mitten im See durch das Wasser heraufgekommen
und etliche Schuh hoch in die Luft gesprungen, dabei der Bauer wohl
abnehmen können, daß solches das verheißene Wahrzeichen gewesen.

Ein Herzog zu Wirtemberg ließ ein Floß bauen, und damit auf den See
fahren, dessen Tiefe zu ergründen. Als aber die Messer schon neun
Zwirnnetz hinuntergelassen und immer noch keinen Boden gefunden
hatten, so fing das Floß gegen die Natur des Holzes zu sinken an, also
daß sie von ihrem Vorhaben ablassen und auf ihre Rettung bedacht seyn
mußten. Vom Floß sind noch Stücke am Ufer zu sehen.




60.

Die Elbjungfer und das Saalweiblein.

Mündlich aus Magdeburg.

desgl. +Prätorius+ Weltbeschr. I. 482. 483. aus Saalfeld und Halle.

+Bräuner+’s Curiositäten, aus Leipzig. S. 33. 34.


Zu Magdeburg weiß man von der schönen +Elbjungfer+, die zuweilen aus
dem Fluß heraufkam, um an dem Fleischermarkt einzukaufen. Sie trug sich
bürgerlich, aber sehr reinlich und sauber, hatte einen Korb in der Hand
und war von sittsamer Geberde. Man konnte sie in nichts von andern
Mädchen unterscheiden, außer wer genau acht gab und es wußte, der
eine Zipfel ihrer schloßen-weißen Schürze war immer naß, zum Zeichen
ihrer Abkunft aus dem Fluß. Ein junger Fleischergesell verliebte sich
in sie und ging ihr nach, bis er wußte, woher sie kam und wohin sie
zurückkehrte, endlich stieg er mit ins Wasser hinab. Einem Fischer,
der den Geliebten beistand und oben am Ufer wartete, hatte sie gesagt,
wenn ein hölzerner Teller mit einem Apfel aus dem Strom hervorkomme,
seys gut, sonst aber nicht. Bald aber schoß ein rother Strahl herauf,
zum Beweis, daß den Verwandten der Elbjungfer der Bräutigam mißfallen
und sie ihn getödtet. Es gibt aber hiervon auch abweichende andere
Erzählungen, nach welchen die Braut hinabgestiegen und der Jüngling am
Ufer sitzen geblieben war, um ihren Bescheid abzuwarten. Sie wollte
unten bei ihren Eltern um die Erlaubniß zur Heirath bitten, oder die
Sache erst ihren Brüdern sagen; statt aller Antwort erschien oben ein
Blutflecken; sie hatten sie selbst ermordet. --

Aus der +Saale+ kamen auch zuweilen die Nixfrauen in die Stadt Saalfeld
und kauften Fleisch auf der Bank. Man unterschied sie allein an den
großen und gräßlichen Augen und an dem triefenden Schweif ihrer Röcke
unten. Sie sollen vertauschte Menschenkinder seyn, statt deren die
Nixen ihre Wechselbälge oben gelassen haben. Zu +Halle+ vor dem Thore
liegt gleichfalls ein rund Wasser, der Nixteich genannt, aus dem die
Weiber kommen in die Stadt, ihre Nothdurft zu kaufen, und ebenmäßig an
ihren nassen Kleidersäumen zu erkennen sind. Sonst haben sie Kleider,
Sprache, Geld, wie wir andern auch.

Unweit +Leipzig+ ist ein Nixweiblein oft auf der Straße gesehen worden.
Es ist unter andern Bauersweibern auf den Wochenmarkt mit einem
Tragkorbe gegangen, Lebensmittel einzukaufen. Eben so ging es auch
wieder zurück, redete aber mit niemanden ein einziges Wort; grüßte
und dankte auch keinem auf der Straße, aber, wo es etwas einkaufte,
wußte es so genau, wie andere Weiber, zu dingen und zu handeln. Einmal
gingen ihr zweie auf dem Fuß nach und sahen wie sie an einem kleinen
Wasser ihren Tragkorb niedersetzte, der im Augenblick mit dem Weiblein
verschwunden war. In der Kleidung war zwischen ihr und andern kein
Unterschied, außer daß ihre Unterkleider zwei Hände breit naß waren.




61.

Wasser-Recht.

+Bräuner+’s Curiositäten S. 31.

~+Schönfeld+ de spectris. Marburgi. 1685. p. 19.~

Mündlich.


Bei Leipzig, wo die Elster in die Pleisse fällt, pflegt im Sommer das
junge Volk zu baden, aber das Wasser hat da einen betrüglichen Lauf,
zuweilen Untiefen, zuweilen Sandbänke, besonders an einem Ort, welcher
das Studentenbad genannt wird. Davon, wie von andern Flüssen, ist
gemeine Sage, daß es alle Jahr einen Menschen haben müsse, wie auch
fast jeden Sommer ein Mensch darin ertrinkt und wird davon geglaubt,
daß die Wasser-Nixe einen hinunter ziehe.

Man erzählt, daß die Nixen vorher auf dem Wasser zu tanzen pflegen,
wann einer ertrinken wird.

Kindern, die baden wollen und am Ufer stehen, rufen die Eltern in
Hessen warnend zu: “der Nöcken (Nix) mögte dich hineinziehen!”
Folgenden Kinderreim hat man:

    Nix in der Grube,
    du bist ein böser Bube,
    wasch dir deine Beinchen
    mit rothen Ziegelsteinchen!




62.

Das ertrunkene Kind.

Wilh. Meister. III. 501.

Nationalzeitung der Deutschen. 1796. S. 74.


Man pflegt vielerlei von den Wassern zu erzählen und daß der See oder
der Fluß alle Jahre ein unschuldiges Kind haben müsse; aber er leide
keinen todten Leichnam und werfe ihn früh oder spät ans Ufer aus, ja
sogar das letzte Knöchelchen, wenn es zu Grunde gesunken sey, müsse
wieder hervor. Einmal war einer Mutter ihr Kind im See ertrunken,
sie rief Gott und seine Heiligen an, ihr nur wenigstens die Gebeine
zum Begräbniß zu gönnen. Der nächste Sturm brachte den Schädel, der
folgende den Rumpf ans Ufer, und nachdem alles beisammen war, faßte die
Mutter sämmtliche Beinlein in ein Tuch und trug sie zur Kirche. Aber,
o Wunder! als sie in den Tempel trat, wurde das Bündel immer schwerer,
und endlich, als sie es auf die Stufen des Altars legte, fing das Kind
zu schreien an und machte sich zu jedermanns Erstaunen aus dem Tuche
los. Nur fehlte ein Knöchelchen des kleinen Fingers an der rechten
Hand, welches aber die Mutter nachher noch sorgfältig aufsuchte und
fand. Dies Knöchelchen wurde in der Kirche unter andern Reliquien zum
Gedächtniß aufgehoben. -- Die Schiffer und Fischerleute bei Cüstrin
in der Neumark reden ebenfalls von einem den Oderstrom beherrschenden
unbekannten Wesen, das jährlich sein bestimmtes Opfer haben müsse.
Wem nun dies Schicksal zugedacht sey, für den werde der Wassertod
unvermeidlich. Die Halloren zu Halle fürchten besonders den Johannestag.




63.

Schlitz-öhrchen.

+Jäger+ Briefe über die hohe Rhön. 1803. Th. 3. S. 12.


Leute, die unter Mellrichstadt über das Flüßchen Streu gehen, werden
durch einen Wassergeist, +Schlitz-öhrchen+ genannt, in den Fluß
getaucht und oftmals ersäuft.




64.

Die Wasser-Nixe und der Mühlknappe.

+Prätorius+ im Glückstopf. S. 505. 506. aus mündlicher Sage.


Zwei Mühlknappen gehen an einem Fluß; als der eine ungefähr übers
Wasser sieht, erblickt er eine Nixe darauf sitzend und ihre Haare
kämmend. Er faßt seine Büchse und legt an, sie zu schießen, aber die
Nixe springt in den Fluß, winkt mit den Fingern und verschwindet
darauf. Das alles war so geschwind und unvermerkt vorgegangen, daß der
andere Knappe, der voran gewandert, nichts davon gesehen und erfahren,
bis es ihm sein Gefährte bald erzählte. Drauf hat es sich begeben, daß
dieser Gefährte am dritten Tage ertrank, wie er sich hat baden wollen.




65.

Vor den Nixen hilft Dosten und Dorant.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 106-108. 531-535.

Aehnlich in +Bräuner’s+ Curiositäten. 34-36.


Eine hallische Wehmutter erzählte, daß folgendes ihrer Lehrmeisterin
begegnet: diese wurde Nachts zum Thor, welches offen stand, von einem
Manne hinaus an die Saale geführt. Unterwegs bedräute sie der Mann,
kein Wort zu sagen und ja nicht zu mucksen, sonst drehte er ihr bald
den Hals um, übrigens sollte sie nur getrost seyn. Sie gedachte an
Gott, der würde sie behüten und ergab sich drein, denn sie ginge in
ihrem Beruf. An der Saale nun that sich das Wasser auf und weiter
hinunter auch das Erdreich, sie stiegen allmälig hinab, da war ein
schöner Pallast, worin ein niedliches Weiblein lag. Der half die
Wehmutter in Kindsnöthen, unterdessen ging der Mann wieder hinaus. Nach
glücklicher Verrichtung ihres Amts, redete mitleidend das Weibchen:
“ach liebe Frau, nun jammert mich, daß ihr hier bleiben müßt, bis an
den jüngsten Tag, nehmt euch wohl in Acht; mein Mann wird euch jetzt
eine ganze Mulde voll Ducaten vorsetzen, nehmt nicht mehr, als euch
auch andre Leute zu geben pflegen für eure Mühwaltung. Weiter, wenn ihr
zur Stube hinauskommt und unterwegs seyd, greifet flugs an die Erde,
da werdet ihr +Dosten+[2] und +Dorant+[3] erfassen, solches haltet
fest und lassets aus der Hand nicht fahren. Dann werdet ihr wieder
auf freien Fuß kommen und zu eurer Stelle gerathen.” Kaum hatte sie
ausgeredet, als der Nix, gelbkraus von Haar und bläulich von Augen,
in die Stube trat; er hatte eine große Mulde voll Gold und setzte sie
in dem schönen hellen Zimmer der Wehfrau vor, sprechend: “sieh da,
nimm so viel du willt.” Darauf nahm sie einen Goldgülden. Der Nix
verzog sein Gesicht und machte grausame Augen, und sprach: “das hast
du nicht von dir selber, sondern mit eines Weibes Kalbe gepflügt, die
soll schon dafür leiden! und nun komm und geh mit mir.” Drauf war sie
aufgestanden und er führte sie hinaus; da bückte sie sich flugs und
griff in ihre Hand +Dosten und Dorant+. Der Führer sagte dazu: “das
heißt dich Gott sprechen und das hast du auch von meinem Weibe gelernt.
Nun geh nur hin, wo du herkommen bist.” Hierauf war sie aus dem Fluß
ans Ufer gewesen, ging zur Stadt ein, deren Thore noch offen standen,
und erreichte glücklich ihr Haus.

Eine andere Hebamme, bürtig aus Eschätz bei Querfurt, erzählte
nachstehendes: in ihrer Heimath war der Ehmann ausgegangen und hatte
seine Frau als Kindbetterin zu Haus lassen müssen. Um Mitternacht
kam der Nix vors Haus, nahm die Sprache ihres Mannes an und rief zum
Gartenfenster hinein: sie solle schnell herauskommen, er habe ihr
etwas sonderlichs zu weisen. Dies schien der Frau wunderlich und sie
antwortete: “komm du doch herein, aufzustehen mitten in der Nacht
schickt sich für mich nicht. Du weißt ja wo der Schlüssel liegt,
draußen im Loch über der Hausthür.” “Das weiß ich wohl, du mußt aber
herausgehen” und plagte sie so lang mit Worten, daß sie sich zuletzt
aufmachte und in den Garten trat. Das Gespenst ging aber vor ihr her
und immer tiefer hinab; sie folgte nach, bis zu einem Wasser unweit des
Hauses fließend, mittlerweile sprach der Nix:

    heb auf dein Gewand
    daß du nicht fallst in +Dosten und Dorant+

welche Kräuter eben viel im Garten wuchsen. Indem aber erblickte sie
das Wasser und fiel mit Fleiß ins Kräutich hinein, augenblicklich
verschwand der Nix und konnte ihr nichts mehr an- noch ab-gehaben.
Nach Mitternacht kehrte der Ehmann heim, fand Thür und Stube offen,
die Kindermutter nicht im Bett, hub an erbärmlich zu rufen, bis er
leise ihre Stimme im Garten vernahm und er sie aus dem Kraut wieder
ins Zimmer brachte. Die Wehemütter halten deshalb gar viel auf diese
Kräuter und legen sie allenthalben in Betten, Wiegen, Keller, tragen
es an sich und lassen andere es bei sich stecken. Die leipziger
Krautweiber führen es häufig feil zu Markte.

Einmal soll auch ein Weib um Mittag in den Keller gegangen seyn, Bier
abzulassen. Da fing ein Gespenst drinnen an und sprach:

    hättestu bei dir nicht Dosten
    wollt ich dir das Bier helfen kosten.

und man hört diesen Reim noch in andern Geschichten wiederkehren.


  [2] ~Origanum vulg.~ Wohlgemuth.

  [3] ~Marrubium vulg.~ Helfkraut, Gotteshülf.




66.

Des Nixes Beine.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 533.


Eine Wehmutter bürtig von Eschätz, eine halbe Meile von Querfurt,
erzählte: zu Mitternacht sey in Merseburg ein Weib vor ein Balbiershaus
gekommen, der nahe am Wasser gewohnet und haben dem Fenster
hineingeschrien: die Wehemutter solle doch herausgehen, welches sie
anfänglich nicht thun wollen. Endlich sey der Balbier mitgegangen,
habe ein Licht bei sich gehabt und flugs nach des befürchteten Nixes
Beinen gesehen. Darauf es sich niedergeduckt. Wie solches der Balbier
gemerkt, da hat er es greulich ausgescholten und gehen heißen, darauf
es verschwunden.




67.

Die Magd bei dem Nix.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 498. 499.


Folgendes hat sich auf einem Dorf bei Leipzig zugetragen: eine
Dienstmagd kam unter das Wasser und diente drei Jahre lang bei dem Nix.
Sie hatte es an einem guten Leben und allen Willen, ausgenommen, daß
all ihr Essen ungesalzen war. Dies nahm sie auch zur Ursache, wieder
wegzuziehen. Allein sie sagte noch weiter: “nach dieser Zeit habe ich
nicht über sieben Jahre zu leben, davon bleiben mir jetzo noch dreie.”
Sonst war sie immer traurig und simpel. Prätorius hörte die Geschichte
im Jahr 1664.




68.

Die Frau von Alvensleben.

+Tenzel+ monatl. Unterr. 1689. S. 525.

+Hammelmann+ oldenb. Chronik.

Der vielförmige Hinzelmann. S. 313-316.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. S. 95. 101-104. u. Glückstopf S. 488. aus
mündlichen Sagen und aus:

+Cyriak ~Edinus~+ poematischen Büchern, die er vom Geschlecht der
Alvensleben 1581. in 4to. herausgegeben.


Vor etlichen hundert Jahren lebte zu Calbe in dem Werder aus dem
alvenslebischen Geschlecht eine betagte, gottesfürchtige, den Leuten
gnädige und zu dienen bereitsame Edelfrau; sie stand vornämlich den
Bürgersweibern bei in schweren Kindsnöthen und wurde in solchen Fällen
von jedermänniglich begehrt und hochgeehret. Nun ereignete sich aber
folgendes: zu nächtlichen Zeiten kam eine Magd vor das Schloß, klopfte
an und rief ängstlich: sie möge ihr doch nicht zuwider seyn lassen, wo
möglich alsobald aufzustehen und mit hinaus vor die Stadt zu folgen,
wo eine schwangere Frau in Kindesnoth liege, weil die äußerste Stunde
und Gefahr da sey und ihre Frau ihrem Leibe gar keinen Rath wisse. Die
Adelfrau sprach: “es ist gleich mitten in der Nacht, alle Stadtthore
sind gesperrt, wie wollen wir hinauskommen?” Die Magd antwortete: das
Thor sey schon im voraus geöffnet, sie solle nur fortmachen, (doch sich
hüten, wie einige hinzusetzen, an dem Ort, wo sie hingeführt werden
würde, nichts zu essen noch zu trinken, auch das ihr angebotene nicht
anzurühren). Darauf stand die adliche Frau aus dem Bett, zog sich an,
kam herunter und ging mit der Magd fort, welche angeklopft hatte;
das Thor fand sie aufgethan und wie sie weiter ins Feld kamen, war
da ein schöner Gang, der mitten in einen Berg führte. Der Berg stand
aufgesperrt und ob sie wohl sah, das Ding wäre unklar, beschloß sie
doch unerschrocken weiter zu gehen, bis sie endlich vor +ein kleines
Weiblein+ gelangte, das auf dem Bette lag in großen Geburtswehen. Die
adliche Frau aber reichte ihr Hülfe (nach einigen brauchte sie nur die
Hand ihr auf den Leib zu legen) und glücklich wurde ein Kindlein zum
Tageslicht geboren. Nach geförderter Sache sehnte sie sich wieder aus
dem Berg heimzugehen, nahm von der Kindbetterin Abschied (ohne etwas
von den Speisen und Getränken, die ihr geboten waren, berührt zu haben)
und die vorige Magd gesellte sich ihr aufs neue zu und brachte sie
unverletzt nach dem Schlosse zurück. Vor dem Thorweg aber stand die
Magd still, bedankte sich höchlich in ihrer Frauen Namen und zog einen
güldenen +Ring+ vom Finger herab, den verehrte sie der adlichen Frau
mit den Worten: “nehmet dies theure Pfand wohl in acht und lasset es
nicht von euch noch von euerm Geschlecht kommen; die von Alvensleben
werden blühen, so lange sie diesen Ring besitzen, kommt er ihnen
dermaleins ab, so muß der ganze Stamm erlöschen.” Hiermit verschwand
die Magd.

Dieser Ring soll noch heutigestages richtig und eigentlich bei dem
Hause verwahrt werden und zu guter Sicherheit in Lübek hinterlegt seyn.
Andere aber behaupten, er sey bei der Theilung in zwei Linien mit Fleiß
entzwei getheilt Worden. Noch andere: die eine Hälfte sey zerschmolzen,
seitdem gehe es dem einen Stamm übel, die andere Hälfte liege bei
dem andern Stamme zu Zichtow. Auch wird erzählt: die hülfreiche Frau
war ein Ehweib, als sie drauf den folgenden Morgen ihrem Ehherrn die
Geschichte erzählt, die ihr Nachts begegnet, habe er ihrs nicht wollen
glauben, bis sie gesprochen: “ei wollt ihr mir nicht glauben, so holt
nur die Schlüssel zu jener Stube vom Tische her, darinnen wird der Ring
noch liegen.” Es befand sich so ganz richtig. Es ist ein wunderliches
um die Geschenke, die Menschen von den Geistern empfangen haben.




69.

Die Frau von Hahn und der Nix.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 100. 101.


Eine vornehme Frau von Adel aus dem Geschlechte der von Hahn wurde
einstmal durch einer Wassernixe Zofe abgerufen und genöthigt, mit
unter den Fluß zur Wehmutter zu gehen. Das Wasser theilte sich von
einander und sie geriethen auf einem lustigen Weg tief ins Erdreich
hinein, wo sie einem kleinen Weiblein in Kindesschmerzen hülfreiche
Hand leistete. Nachdem alles glücklich verrichtet und die Frau von Hahn
wegfertig war, willens nach Haus zu eilen, kam ein kleiner Wassermann
herein, langte ihr ein Geschirr voll Asche und sagte: sie solle für
ihre Mühe herausnehmen, so viel ihr beliebe. Sie aber weigerte sich und
nahm nichts; da sprach der Nix: “das heißt dich Gott sprechen, sonst
hätte ich dich wollen umbringen.” Darauf ging sie fort und wurde von
der vorigen Zofe rücklings nach Haus gebracht. Wie sie beide da waren,
zog die Magd +drei Stücke Goldes+ hervor, verehrte sie der adlichen
Frau und ermahnte: diesen Schatz wohl zu verwahren und nicht abhändig
kommen zu lassen, sonst werde ihr Haus ganz durch Armuth verderben, im
andern Fall aber Hülle und Fülle in allen Sachen haben. Drauf ging die
Zofe weg und die drei Stücke wurden unter die drei Söhne ausgetheilt;
noch heute blühen zwei Stämme des Hauses, die ihren Schatz sorgsam
aufheben; das dritte Stück hingegen soll neulich von einer Frau
verwahrlost worden seyn, drüber sie armselig in Prag verstarb und ihre
Linie eine Endschaft genommen hat.




70.

Das Streichmaß, der Ring und Becher.

~Memoires du marechal de Bassompierre († 1646.) Cologne 1666.
Vol. I. p. 4-6.~


Im Herzogthum Lothringen, als es noch lange zu Deutschland gehörte,
herrschte zwischen Nanzig und Luenstadt (~Luneville~) der letzte
Graf von Orgewiler. Er hatte keine Schwertmagen mehr und vertheilte auf
dem Todbette seine Länder unter seine drei Töchter und Schwiegersöhne.
Die älteste Tochter hatte Simons von Bestein, die mittlere Herr von
Crouy und die jüngste ein deutscher Rheingraf geheurathet. Außer den
Herrschaften theilte er noch seinen Erben drei Geschenke aus, der
ältesten Tochter einen Streichlöffel (Streichmaas), der mittleren einen
Trinkbecher und der dritten einen Kleinodring, mit der Vermahnung, daß
sie und ihre Nachkömmlinge diese Stücke sorgfältig aufheben sollten, so
würden ihre Häuser beständig glücklich seyn.

Die Sage, wie der Graf diese Stücke bekommen, erzählt der Marschall
von Bassompierre (Bassenstein), Urenkel des Simons, selbst: der Graf
war vermählt, hatte aber noch eine geheime Liebschaft mit einer
wunderbaren schönen Frau, die wöchentlich alle Mondtage in ein
Sommerhaus des Gartens zu ihm kam. Lange blieb dieser Handel seiner
Gemahlin verborgen, wann er sich entfernte, bildete er ihr ein, daß
er des Nachts im Wald auf den Anstand ginge. Aber nach ein Paar
Jahren schöpfte die Gräfin Verdacht und trachtete die rechte Wahrheit
zu erfahren. Eines Sommermorgens frühe schlich sie ihm nach und kam
in die Sommerlaube. Da sah sie ihren Gemahl schlafen in Armen eines
wunderschönen Frauenbilds, weil sie aber beide so sanfte schliefen,
wollte sie sie nicht wecken, sondern nahm ihren Schleier vom Haupt
und breitete ihn über der Schlafenden Füße. Als die schöne Buhlerin
erwachte und des Schleiers innen ward, that sie einen hellen Schrei,
hub an jämmerlich zu klagen und sagte: “hinführo, mein Liebster, sehen
wir uns nimmermehr wieder, nun muß ich hundert Meilen weit weg und
abgesondert von dir bleiben.” Damit verließ sie den Grafen, verehrte
ihm aber vorher noch obgemeldte drei Gaben für seine drei Töchter, die
möchten sie niemals abhanden kommen lassen.

Das Haus Bassenstein hatte lange Zeit durch aus der Stadt Spinal
(~Epinal~) einen Fruchtzins zu ziehen, wozu dieser Maaslöffel
(~cuilliere de la mesure~) stets gebraucht wurde.




71.

Der Kobold.

Unterredungen vom Reich der Geister I. 503.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 315-320.

+Luther’s+ Tisch-Reden S. 103.


An einigen Orten hat fast jeder Bauer, Weib, Söhne und Töchter, einen
Kobold, der allerlei Haus-Arbeit verrichtet, in der Küche Wasser
trägt, Holz haut, Bier holt, kocht, im Stall die Pferde striegelt, den
Stall mistet und dergleichen. Wo er ist, nimmt das Vieh zu und alles
gedeiht und gelingt. Noch heute sagt man sprüchwörtlich von einer Magd,
der die Arbeit recht rasch von der Hand geht: “sie hat den Kobold.” Wer
ihn aber erzürnt mag sich vorsehen.

Sie machen, eh sie in die Häuser einziehen wollen, erst eine Probe. Bei
Nachtzeit nämlich schleppen sie Säge-Späne ins Haus, in die Milchgefäße
aber bringen sie Koth von unterschiedenem Vieh. Wenn nun der Hausvater
genau achtet, daß die Späne nicht zerstreut, der Koth in den Gefäßen
gelassen und daraus die Milch genossen wird, so bleibt der Kobold im
Haus, so lange nur noch einer von den Hausbewohnern am Leben ist.

Hat die Köchin einen Kobold zu ihrem heimlichen Gehülfen angenommen,
so muß sie täglich um eine gewisse Zeit und an einem besondern Ort im
Haus ihm sein zubereitetes Schüsselchen voll gutes Essen hinsetzen und
ihren Weg wieder gehen. Thut sie das, so kann sie faullenzen, am Abend
früh zu Bette gehen und wird dennoch ihre Arbeit früh Morgens beschickt
finden. Vergißt sie das einmal, so muß sie in Zukunft nicht nur ihre
Arbeit selbst wieder thun, sondern sie hat nun auch eine unglückliche
Hand, indem sie sich im heißen Wasser verbrennt, Töpfe und Geschirr
zerbricht, das Essen umschüttet, also daß sie von ihrer Herrschaft
nothwendig ausgescholten wird. Darüber hat man den Kobold öfters
lachen und kichern gehört.

Verändert sich auch das Gesinde, so bleibt er doch, ja die abziehende
Magd muß ihn ihrer Nachfolgerin anempfehlen, damit diese sein auch
warte. Will diese nicht, so hat sie beständiges Unglück, bis sie wieder
abgeht.

Man glaubt, sie seyen rechte Menschen, in Gestalt kleiner Kinder, mit
einem bunten Röcklein. Darzu etliche setzen, daß sie theils Messer im
Rücken hätten, theils noch anders und gar gräulich gestaltet wären,
je nachdem sie so und so, mit diesem oder jenem Instrument vorzeiten
umgebracht wären, denn sie halten sie für die Seelen der vorweilen im
Hause Ermordeten.

Zuweilen ist die Magd lüstern, ihr Knechtchen, +Kurd Chimgen+ oder
+Heinzchen+, wie sie den Kobold nennen, zu sehen und wenn sie nicht
nachläßt, nennt der Geist den Ort, wo sie ihn sehen solle, heißt sie
aber zugleich einen Eimer kalt Wasser mitbringen. Da begibt sichs
dann, daß sie ihn etwa auf dem Boden auf einem Kißchen nackt liegen
sieht, und ein großes Schlacht-Messer ihm im Rücken steckt. Manche ist
so sehr erschrocken, daß sie ohnmächtig niedergefallen, worauf der
Kobold alsbald aufsprang und sie mit dem kalten Wasser über und über
begoß, damit sie wieder zu sich selbst kam. Darnach ist ihr die Lust
vergangen, den Kobold zu sehen.




72.

Der Bauer mit seinem Kobold.

+Tenzel+ monatl. Unterred. Jan. 1689. S. 145.


Ein Bauer war seines Kobolds ganz überdrüssig geworden, weil er
allerlei Unfug anrichtete, doch mogte er es anfangen, wie er immer
wollte, so konnte er ihn nicht wieder los werden. Zuletzt ward er
Raths, die Scheune anzustecken, wo der Kobold seinen Sitz hatte und ihn
zu verbrennen. Deswegen führte er erst all sein Stroh heraus und bei
dem letzten Karrn zündete er die Scheune an, nachdem er den Geist wohl
versperrt hatte. Wie sie nun schon in voller Glut stand, sah sich der
Bauer von ungefähr um, siehe, da saß der Kobold hinten auf dem Karrn
und sprach: “es war Zeit, daß wir herauskamen! es war Zeit, daß wir
herauskamen!” Mußte also wieder umkehren und den Kobold behalten.




73.

Der Kobold in der Mühle.

+Valvassor+ Ehre von Crain B. 3. Cap. 28. I. 420-421.

Aus mündlicher Erzählung.


Es machten einmal zwei Studenten von Rinteln eine Fußreise. Sie
gedachten in einem Dorfe zu übernachten, weil aber ein heftiger Regen
fiel und die Finsterniß so sehr überhand nahm, daß sie nicht weiter
konnten, gingen sie zu einer in der Nähe liegenden Mühle, klopften und
baten um Nacht-Herberge. Der Müller wollte anfangs nicht hören, endlich
gab er ihren inständigen Bitten nach, öffnete die Thüre und führte
sie in eine Stube. Sie waren beide hungrig und durstig und da auf dem
Tisch eine Schüssel mit Speise und eine Kanne mit Bier stand, baten sie
den Müller darum und waren bereitwillig, es zu bezahlen. Der Müller
aber schlugs ab, selbst nicht ein Stück Brot wollt er ihnen geben und
nur die harte Bank zum Ruh-Bett vergönnen. “Die Speise und der Trank,
sprach er, gehört dem Haus-Geist, ist euch das Leben lieb, so laßt
beides unberührt, sonst aber habt ihr kein Leid zu befürchten, lärmts
in der Nacht vielleicht, so bleibt nur still liegen und schlafen.” Mit
diesen Worten ging er hinaus und schloß die Thüre hinter sich zu.

Die zwei Studenten legten sich zum Schlafe nieder, aber etwa nach
einer Stunde griff den einen der Hunger so übermächtig an, daß er
sich aufrichtete und die Schüssel suchte. Der andere, ein Magister,
warnte ihn, er sollte dem Teufel lassen, was dem Teufel gewidmet wäre,
aber er antwortete: “ich habe ein besser Recht dazu als der Teufel,”
setzte sich an den Tisch und aß nach Herzenslust, so daß wenig von dem
Gemüse übrig blieb. Darnach faßte er die Bierkanne, that einen guten,
pommerschen Zug und nachdem er also seine Begierde etwas gestillt,
legte er sich wieder zu seinem Gesellen. Doch als ihn über eine
Weile der Durst aufs neue plagte, stand er noch einmal auf und that
einen zweiten so herzhaften Zug, daß er dem Haus-Geist nur die Neige
hinterließ. Nachdem er sichs also selbst gesegnet und wohl bekommen
geheißen, legte er sich und schlief ein.

Es blieb alles ruhig bis zu Mitternacht, aber kaum war die herum,
so kam der Kobold mit großem Lärm hereingefahren, wovon beide mit
Schrecken erwachten. Er brauste ein paar Mal in der Stube auf und ab,
dann setzte er sich, als wollte er seine Mahlzeit halten, zu dem Tisch
und sie hörten deutlich, wie er die Schüssel herbeirückte. Gleich drauf
setzte er sie, als wär er ärgerlich, hart nieder, ergriff die Kanne und
drückte den Deckel auf, ließ ihn aber gleich wieder ungestüm zuklappen.
Nun begann er seine Arbeit, wischte den Tisch, darnach die Tisch-Füße
sorgfältig ab und kehrte dann, wie mit einem Besen, den Boden fleißig
ab. Als das geschehen war, ging er noch einmal zur Schüssel und Kanne
zurück, ob es jetzt vielleicht besser damit stehe, stieß aber beides
wieder zornig hin. Darauf fuhr er in seiner Arbeit fort, kam zu den
Bänken, wusch, scheuerte, rieb sie, unten und oben; als er zu der
Stelle gelangte, wo die beiden Studenten lagen, zog er vorüber und
nahm das übrige Stück unter ihren Füßen in die Arbeit. Wie er zu Ende
war, fing er an der Bank oben zum zweitenmal an und überging auch zum
zweitenmal die Gäste. Zum drittenmal aber, als er an sie kam, strich
er dem einen, der nichts genossen hatte, über die Haare und den ganzen
Leib, ohne ihm im geringsten weh zu thun. Den andern aber packte er
an den Füßen, riß ihn von der Bank herab, zog ihn ein paarmal auf dem
Erdboden herum, bis er ihn endlich liegen ließ und hinter den Ofen
lief, wo er ihn laut auslachte. Der Student kroch zu der Bank zurück,
aber nach einer Viertelstunde begann der Kobold seine Arbeit von neuem:
kehrte, säuberte, wischte. Die beiden lagen da, in Angst zitternd, den
einen fühlte er, als er an ihn kam, ganz lind an, aber den andern warf
er wieder zur Erde und ließ hinter dem Ofen ein grobes und spottendes
Lachen hören.

Die Studenten wollten nun nicht mehr auf der Bank liegen, standen auf
und erhuben vor der verschlossenen Thüre ein lautes Geschrei, aber es
hörte niemand darauf. Sie beschlossen endlich, sich auf den platten
Boden hart nebeneinander zu legen, aber der Kobold ließ sie nicht
ruhen. Er begann sein Spiel zum drittenmal, kam und zog den schuldigen
herum und lachte ihn aus. Dieser war zuletzt wüthend geworden, zog
seinen Degen, stach und hieb in die Ecke, wo das Gelächter her
schallte, und forderte den Kobold mit Drohworten auf, hervor zu kommen.
Dann setzte er sich mit seiner Waffe auf die Bank, zu erwarten, was
weiter geschehen würde, aber der Lärm hörte auf und alles blieb ruhig.

Der Müller verwies ihnen am Morgen, daß sie seiner Ermahnung nicht
nachgelebt und die Speise nicht unangerührt gelassen; es hätte ihnen
leicht das Leben kosten können.




74.

Hütchen.

Mündliche Erzählungen.

Der vielförmige Hinzelmann 39-50.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus. 792-798.

+Prätor+. Weltbeschr. I. 324. 325.

+Joh. Weier+ ~de praestig. daemon. c.~ 22. deutsche Uebers. 64-66.

+Happel+ ~relat. curios.~ 4. 246.

Stiftische Fehde, ~+Leibnitz+ SS. RR. brunsvic. II. 791. III. 183.
258 b.~

Volks-Sagen. Eisenach. I. 127-170. IV. 209-237.


An dem Hofe des Bischof Bernhard von Hildesheim hielt sich ein Geist
auf, der sich vor jedermann in einem Bauernkleide unter dem Schein
der Freundlichkeit und Frömmigkeit sehen ließ: auf dem Haupt trug
er einen kleinen Filz-Hut, wovon man ihm den Namen +Hütchen+, auf
Niedersächsisch +Hödeken+ gegeben hatte. Er wollte die Leute gern
überreden, daß es ihm viel mehr um ihren Vortheil, als ihren Schaden zu
thun wäre, daher warnte er bald den einen vor Unglück, bald war er dem
andern in einem Vorhaben behilflich. Es schien, als trüge er Lust und
Freude an der Menschen Gemeinschaft, redete mit jedermann, fragte und
antwortete gar gesprächig und freundlich.

Zu dieser Zeit wohnte auf dem Schlosse Winzenburg ein Graf Namens
Hermann, welcher das Amt als eine eigene Grafschaft besaß. Einer seiner
Diener hatte eine schöne Frau, auf die er ein lüsternes Auge warf und
die er mit seiner Leidenschaft verfolgte, aber sie gab ihm wenig
Gehör. Da sann er endlich auf schlechte Mittel und als ihr Mann einmal
an einen weit entlegenen Ort verreist war, raubte er ihr mit Gewalt,
was sie ihm freiwillig versagte. Sie mußte das Unrecht verschweigen,
so lang ihr Mann abwesend war, bei seiner Rückkehr aber eröffnete
sie es ihm mit großem Schmerz und wehmüthigen Gebärden. Der Edelmann
glaubte, dieser Schandflecken könne nur mit dem Blute des Thäters
abgewaschen werden, und da er die Freiheit hatte, wie ihm beliebte,
in des Grafen Gemach zu gehen, so nahm er die Zeit wahr, wo dieser
noch mit seiner Gemahlin zur Ruhe lag, trat hinein, hielt ihm die
begangene That mit harten Worten vor und als er merkte, daß jener sich
aufmachen und zur Gegenwehr anschicken mögte, faßte er sein Schwert
und erstach ihn im Bette an der Seite der Gräfin. Diese entrüstete
sich aufs allerheftigste, schalt den Thäter gewaltig und da sie gerade
schwangeres Leibes war, sprach sie dräuend: “derjenige, den ich unter
dem Gürtel trage, soll diesen Mord an dir und den Deinigen rächen, daß
die ganze Nachwelt daran ein Beispiel nehmen wird.” Der Edelmann, als
er die Worte hörte, kehrte wieder um und durchstach die Gräfin wie
ihren Herrn.

Graf Hermann von Winzenburg war der letzte seines Stammes und demnach
mit seinem und der schwangern Gräfin Tod das Land ohne Herrn. Da trat
Hütchen in selbiger Morgenstunde, in welcher die That geschehen war,
vor das Bett des schlafenden Bischofs Bernhard, weckte ihn und sprach:
“steh auf, Glatzkopf, und führe dein Volk zusammen! die Grafschaft
Winzenburg ist durch die Ermordung ihres Herrn ledig und verlassen,
du kannst sie mit leichter Mühe unter deine Bothmäßigkeit bringen.”
Der Bischof stand auf, brachte sein Kriegs-Volk eilig zusammen,
und besetzte und überzog damit die Grafschaft, so daß er sie, mit
Einwilligung des Kaisers, auf ewig dem Stift Hildesheim einverleibte.

Die mündliche Sage erzählt noch eine andere, wahrscheinlich frühere
Geschichte. Ein Graf von Winzenburg hatte zwei Söhne, die in Unfrieden
lebten; um einen Streit wegen der Erbschaft abzuwenden, war mit dem
Bischof zu Hildesheim festgemacht, daß derjenige mit der Grafschaft
belehnt werden solle, welcher zuerst nach des Vaters Tod sich darum
bei dem Bischof melden würde. Als nun der Graf starb, setzte sich
der ältste Sohn gleich auf sein Pferd und ritt fort zum Bischof, der
jüngste aber hatte kein Pferd und wußte nicht, wie er sich helfen
sollte. Da trat Hütchen zu ihm und sprach: “ich will dir beistehen,
schreib einen Brief an den Bischof und melde dich darin um Belehnung,
er soll eher dort seyn, als dein Bruder auf seinem jagenden Pferd.” Da
schrieb er ihm den Brief und Hütchen nahm und trug ihn auf einem Wege,
der über Gebürge und Wälder geradausging, nach Hildesheim, und war in
einer halben Stunde schon da, lange eh der älteste herbeigeeilt kam und
gewann also dem jüngsten das Land. Dieser Pfad ist schwer zu finden
und heißt noch immer +Hütchens Renn-Pfad+.

Hütchen erschien an dem Hofe des Bischof gar oft und hat ihn,
ungefragt, vor mancherlei Gefahr gewarnt. Großen Herrn offenbarte es
die Zukunft. Bisweilen zeigte es sich, wenn es sprach, bisweilen redete
es unsichtbar. Es hatte den großen Hut aber immer so tief in den Kopf
gedrückt, daß man niemals sein Gesicht sehen konnte. Die Wächter der
Stadt hat es fleißig in Acht genommen, daß sie nicht schliefen, sondern
hurtig wachen mußten. Niemand fügte es etwas Leid zu, es wäre denn
am ersten beschimpft worden; wer seiner aber spottete, dem vergaß es
solches nicht, sondern bewies ihm wiederum einen Schimpf. Gemeinlich
ging es den Köchen und Köchinnen zur Hand, schwatzte auch vielmal mit
ihnen in der Küche. Eine Mulde im Keller war seine Schlafstätte und es
hatte ein Loch, wo es in die Erde gekrochen ist. Als man nun seiner gar
gewohnt worden und sich niemand weiter vor ihm gefürchtet hat, begann
ein Küchenjunge es zu spotten und höhnen, mit Lästerworten zu hudeln
und so oft er nur vermogte, mit Dreck aus der Küche auf es loszuwerfen
oder es mit Spül-Wasser zu begießen. Das verdroß Hütchen sehr, weshalb
es den Küchenmeister bat, den Jungen abzustrafen, damit er solche
Büberei unterwegen ließe, oder er selbst müßte die Schmach an ihm
rächen. Der Küchenmeister lachte ihn aus und sprach: “bist du ein Geist
und fürchtest dich vor dem kleinen Knaben!” Darauf antwortete Hütchen:
“weil du auf meine Bitten den Buben nicht abstrafen willst, will ich
nach wenig Tagen dir zeigen, wie ich mich vor ihm fürchte;” und ging
damit im Zorn weg. Nicht lange darauf saß der Junge nach dem Abendessen
allein in der Küche und war vor Müdigkeit eingeschlafen; da kam der
Geist, erwürgte ihn und zerhackte ihn in kleine Stücke. Dann warf er
selbige vollends in einen großen Kessel und setzte ihn ans Feuer.
Als der Küchenmeister kam und in dem Kessel Menschen-Glieder kochen
sah, auch aus den übrigen Umständen merkte, daß der Geist ein fremdes
Gericht zurichten wolle, fing er an, ihn greulich zu schelten und zu
fluchen. Hütchen, darüber noch heftiger erbittert, kam und zerdrückte
über alle Braten, die für den Bischof und dessen Hofleute am Spieße
zum Feuer gebracht waren, abscheuliche Kröten, also daß sie von Gift
und Blut träufelten. Und weil ihn der Koch deßwegen wiederum schmähete
und schändete, stieß er ihn, als er einstens aus dem Thore gehen
wollte, von der Brücke, die ziemlich hoch war, in den Graben. Weil
man auch in Sorgen stand, er mögte des Bischofs Hof und andere Häuser
anzünden, mußten alle Hüter auf den Mauern, sowohl der Stadt, als des
Schlosses, fleißig wachen. Aus dieser und andern Ursachen suchte der
Bischof Bernhard seiner los zu werden und zwang ihn endlich auch durch
Beschwörung, zu weichen.

Sonst beging der Geist noch unterschiedliche, abentheuerliche Streiche,
welche doch selten jemand schadeten. In Hildesheim war ein Mann, der
ein leichtfertiges Weib hatte, als er nun verreisen wollte, sprach er
zu Hütchen: “mein guter Gesell, gib ein wenig Achtung auf mein Weib,
dieweil ich aus bin, und siehe zu, daß alles recht zugeht.” Hütchen
that es und wie das Weib, nach der Abreise des Mannes, ihre Buhler
kommen ließ und sich mit ihnen lustig machen wollte, stellte sich der
Geist allzeit ins Mittel, verjagte sie durch Schreckgestalten oder wenn
einer sich ins Bett gelegt, warf er unsichtbarer Weise ihn so unsauber
heraus, daß ihm die Rippen krachten. So ging es einem nach dem andern,
wie sie das leichtfertige Weib in die Kammer führte, so daß keiner ihr
nahen durfte. Endlich, als der Mann wieder nach Hause kam, lief ihm der
ehrbare Hüter voller Freuden entgegen und sprach: “deine Wiederkunft
ist mir trefflich lieb, damit ich der Unruhe und Mühe, die du mir
aufgeladen hast, einmal abkomme.” Der Mann fragte: “wer bist du denn?”
Er antwortete: “ich bin Hütchen, dem du bei deiner Abreise dein Weib in
seine Hut anbefohlen. Dir zu gefallen habe ich sie diesmal gehütet und
vor dem Ehebruch bewahret, wiewohl mit großer und unablässiger Mühe.
Allein ich bitte, du wollest sie meiner Hut nicht mehr untergeben,
denn ich will lieber der Schweine in ganz Sachsen als eines einigen
solchen Weibes Hut auf mich nehmen und Gewährschaft vor sie leisten, so
vielerlei List und Ränke hat sie erdacht, mich zu hintergehen.”

Zu einer Zeit befand sich zu Hildesheim ein Geistlicher, welcher
sehr wenig gelernt hatte. Diesen traf die Reihe, daß er zu einer
Kirchenversammlung von der übrigen Geistlichkeit sollte verschickt
werden, aber er fürchtete sich, daß er in einer so ansehnlichen
Versammlung durch seine Unwissenheit Schimpf einlegen mögte. Hütchen
half ihm aus der Noth und gab ihm einen Ring, der von Lorbeer-Laub
und andern Dingen zusammen geflochten war und machte dadurch diesen
Gesandten dermaßen gelehrt und auf eine gewisse Zeit beredt, daß sich
auf der Kirchenversammlung jedermann über ihn verwunderte und ihn zu
den berühmtesten Rednern zählte.

Einem armen Nagelschmiede zu Hildesheim ließ Hütchen ein Stück Eisen
zurück, woraus goldene Nägel geschmiedet werden konnten und dessen
Tochter eine Rolle Spitzen, von der man immer abmessen konnte, ohne daß
sie sich verminderte.




75.

Hinzelmann.

Aus dem Buche: der vielförmige Hinzelmann oder umständliche und
merkwürdige Erzählung von einem Geist, der sich auf dem Hause
Hudemühlen und hernach zu Estrup im Lande Lüneburg unter vielfältigen
Gestalten und verwunderlicher Veränderung -- sehen lassen. 379 S. in
12. Von dem Pfarrer +Feldmann+ zu Eickelohe zuerst abgefaßt.


Auf dem alten Schlosse Hudemühlen, das im Lüneburgischen nicht weit
von der Aller liegt und von dem nur noch Mauern stehen, hat sich lange
Zeit ein wunderlicher Haus-Geist aufgehalten. Zuerst ließ er sich
im Jahr 1584 hören, indem er durch bloßes Poltern und Lärmen sich zu
erkennen gab. Darnach fing er an bei hellem Tag mit dem Gesinde zu
reden, welches sich vor der Stimme, die sich hören ließ, ohne daß
jemand zu sehen war, erschreckte, nach und nach aber daran gewöhnte und
nicht mehr darauf achtete. Endlich ward er ganz muthig und hub an vor
dem Haus-Herrn selbst zu reden und führte Mittags und Abends während
der Mahlzeit mit den Anwesenden, fremden und einheimischen, allerhand
Gespräche. Als sich nun die Furcht verlor, ward er gar freundlich
und zutraulich, sang, lachte und trieb allerlei Kurzweil so lang ihn
niemand bös machte; dabei war seine Stimme zart, wie die eines Knaben
oder einer Jungfrau. Als er gefragt wurde, woher er sey und was er
an diesem Ort zu schaffen habe, sagte er, daß er aus dem böhmischen
Gebürg gekommen wäre und im Böhmer-Walde seine Gesellschaft hätte, die
wolle ihn nicht leiden; daher sey er nun gezwungen, sich so lang zu
entfernen und bei guten Leuten Zuflucht zu suchen, bis seine Sachen
wieder besser ständen. Sein Name sey +Hinzelmann+, doch werde er auch
+Lüring+ genannt; er habe eine Frau, die heiße +Hille Bingels+. Wann
die Zeit gekommen, wolle er sich in seiner wahren Gestalt sehen lassen,
jetzt aber wäre es ihm nicht gelegen. Uebrigens wäre er ein guter und
ehrlicher Geselle, wie einer.

Der Haus-Herr, als er sah, daß sich der Geist je mehr und mehr zu
ihm that, empfand ein Grauen und wußte nicht, wie er ihn los werden
sollte. Auf Anrathen seiner Freunde entschloß er sich endlich, sein
Schloß auf eine Zeit zu verlassen und nach Hannover zu ziehen. Auf dem
Weg bemerkte man eine weiße Feder, die neben dem Wagen herflog, wußte
aber nicht, was sie zu bedeuten habe. Als der Edelmann zu Hannover
angelangt war, vermißte er eine goldene Kette von Werth, die er um den
Hals getragen hatte, und warf Verdacht auf das Gesinde des Haus-Wirths;
dieser aber nahm sich seiner Leute an und verlangte Genugthuung für
die ehrenrührige Anklage. Der Edelmann, der nichts beweisen konnte,
saß unmuthig in seinem Zimmer und überlegte, wie er sich aus diesem
verdrießlichen Handel ziehen könnte, als er auf einmal neben sich
Hinzelmanns Stimme hörte, der zu ihm sprach: “warum bist du so traurig?
ist dir etwas widerwärtiges begegnet, so entdecke mir’s, ich weiß dir
vielleicht Hülfe. Soll ich auf etwas rathen, so sage ich, du bist wegen
einer verlorenen Kette verdrießlich.” “Was machst du hier? antwortete
der erschrockene Edelmann, warum bist du mir gefolgt? weißt du von
der Kette?” Hinzelmann sagte: “freilich bin ich dir gefolgt und habe
dir auf der Reise Gesellschaft geleistet und war allzeit gegenwärtig.
Hast du mich nicht gesehen? ich war die weiße Feder, die neben deinem
Wagen flog. Wo die Kette ist, will ich dir sagen: such nur unter dem
Haupt-Kissen in deinem Bett, da wird sie liegen.” Als sie sich da
gefunden hatte, ward dem Edelmann der Geist noch ängstlicher und
lästiger und er redete ihn heftig an, warum er ihn durch die Kette mit
dem Hauswirth in Streit gebracht, da er doch seinetwegen schon die
Heimath verlassen. Hinzelmann antwortete: “was weichst du vor mir?
ich kann dir ja allenthalben leichtlich folgen und seyn, wo du bist!
Es ist besser, daß du in dein Eigenthum zurückkehrst und meinetwegen
nicht daraus entweichst. Du siehst wohl, wenn ich wollte, könnte ich
das deinige all hinwegnehmen, aber darauf steht mein Sinn nicht.” Der
Edelmann besann sich darauf und faßte den Entschluß zurückzugehen und
dem Geist, im Vertrauen auf Gott, keinen Fuß breit zu weichen.

Zu Hudemühlen zeigte sich Hinzelmann nun gar zuthätig und fleißig in
allerhand Arbeit. In der Küche handthierte er Nachts und wenn die
Köchin Abends nach der Mahlzeit Schüssel und Teller unabgewaschen
durch einander in einen Haufen hinsetzte, so waren sie Morgens wohl
gesäubert, glänzend wie Spiegel, in guter Ordnung hingestellt. Daher
sie sich auf ihn verlassen und gleich Abends nach der Mahlzeit ohne
Sorgen zu Ruhe legen konnte. Auch verlor sich niemals etwas in der
Küche, oder war ja etwas verlegt, so wußte es Hinzelmann gleich in der
verborgnen Ecke, wo es steckte, wieder zu finden und gab es seinem
Herrn in die Hände. Hatte man fremde Gäste zu erwarten, so ließ sich
der Geist sonderlich hören und sein Arbeiten dauerte die ganze Nacht:
da scheuerte er die Kessel, wusch die Schüsseln, säuberte Eimer
und Zuber. Die Köchin war ihm dafür dankbar, that nicht nur, was
er begehrte, sondern bereitete ihm freiwillig seine süße Milch zum
Frühstück. Auch übernahm der Geist die Aufsicht über die andern Knechte
und Mägde, gab Achtung, was ihre Verrichtung war, und bei der Arbeit
ermahnte er sie mit guten Worten fleißig zu seyn. Wenn sich aber jemand
daran nicht kehrte, ergriff er auch wohl den Stock und gab ihm damit
die Lehre. Die Mägde warnte er oft vor dem Unwillen ihrer Frau und
erinnerte sie an irgend eine Arbeit, die sie nun anfangen sollten. Eben
so geschäfftig zeigte sich der Geist auch im Stalle: er wartete der
Pferde, striegelte sie fleißig, daß sie glatt anzusehen waren wie ein
Aal, auch nahmen sie sichtbarlich zu, wie in keiner Zeit, also daß sich
jedermann darüber verwunderte.

Seine Kammer war im obersten Stockwerk zur rechten Seite und sein
Hausgeräthe bestand aus drei Stücken. Erstlich aus einem Sessel oder
Lehnstuhl, den er selbst von Stroh in allerhand Farben gar kunstreich
geflochten, voll zierlicher Figuren und Kreuze, die nicht ohne
Verwunderung anzusehen waren. Zweitens aus einem kleinen runden Tisch,
der auf sein vielfältiges Bitten verfertigt und dahin gesetzt war.
Drittens aus einer zubereiteten Bettstatt, die er gleichfalls verlangt
hatte. Man hat nie ein Merkmal gefunden, daß ein Mensch darin geruht,
nur fand man ein kleines Grüblein, als ob eine Katze da gelegen. Auch
mußte ihm das Gesinde, besonders die Köchin, täglich eine Schüssel voll
süßer Milch mit Brocken von Weißbrot zubereiten und auf sein Tischlein
stellen, welche hernach rein ausgegessen war. Zuweilen fand er sich an
der Tafel des Hausherrn ein, wo ihm an einer besonderen Stelle Stuhl
und Teller gesetzt werden mußte. Wer vorlegte, gab ihm die Speise auf
seinen Teller und ward das vergessen, so gerieth der Haus-Geist in
Zorn. Das vorgelegte verschwand und ein gefülltes Glas Wein war eine
Weile weg und wurde dann leer wieder an seine Stelle gesetzt. Doch
fand man die Speisen hernach unter den Bänken oder in einem Winkel des
Zimmers liegen.

In der Gesellschaft junger Leute war Hinzelmann lustig, sang und machte
Reime, einer der gewöhnlichsten war:

    Ortgieß läßt du mick hier gan,
    Glücke sallst du han;
    Wultu mick aver verdrieven
    Unglück warst du kriegen.

wiewohl er auch die Lieder und Sprüche anderer wiederholte zur Kurzweil
oder um sie damit aufzuziehen. Als der Pfarrer Feldmann einmal auf
Hudemühlen zu Gast geladen war und vor die Thüre kam, hörte er oben
im Saal jemand singen, jauchzen und viel Wesens treiben, weshalb er
dachte, es wären Abends vorher Fremde angekommen, die oben ihre Zimmer
hätten und sich also lustig bezeigten. Er sagte darum zu dem Hofmeier,
der auf dem Platz stand und Holz gehackt hatte: “Johann, was habt
ihr droben vor Gäste?” Der Hofmeier antwortete: “niemand fremdes,
es ist unser Hinzelmann, der sich so lustig stellt, es wird sonst
kein lebendiger Mensch im Saal seyn.” Als der Pfarrer nun in den Saal
hinaufstieg, sang ihm Hinzelmann entgegen:

    “mien Duhme (Daumen), mien Duhme,
    mien Ellboeg sind twey!”

Der Pfarrer verwunderte sich über diesen ungewöhnlichen Gesang und
sprach zu Hinzelmann: “was soll das für eine Musik seyn, damit du nun
aufgezogen kommst?” “Ei, antwortete der Geist, das Liedlein hab ich von
euch gelernt, denn ihr habt es oft gesungen und ich hab es noch vor
etlichen Tagen, als ihr an einem gewissen Ort zur Kindtauf waret, von
euch gehört.”

Hinzelmann neckte gern, ohne aber jemand Schaden dabei zu thun.
Knechte und Arbeits-Leute, wenn sie Abends beim Trank saßen, brachte
er in Handgemeng und sah ihnen dann mit Lust zu. Wenn ihnen der Kopf
ein wenig warm geworden war und es ließ einer etwa unter den Tisch
etwas fallen und bückte sich darnach, so gab er ihm rückwärts eine
gute Ohrfeige, seinen Nachbar aber zwickte er ins Bein. Da geriethen
die beiden an einander, erst mit Worten, dann mit Werken und nun
mischten sich die andern hinein, so daß jeder seine Schläge austheilte
und erhielt und am andern Morgen die blauen Augen und geschwollenen
Gesichter als Wahrzeichen überall zu sehen waren. Daran ergötzte sich
Hinzelmann von Herzen und erzählte hernach, wie er es angefangen,
um sie hintereinander zu bringen. Doch wußte er es immer so zu
stellen, daß niemand am Leben oder an der Gesundheit Schaden litt.
Auf dem fürstlichen Schlosse zu Ahlden wohnte zu der Zeit Otto Aschen
von Mandelslohe, Drost und braunschweigischer Rath; diesem spielte
Hinzelmann auch zuweilen einen Possen. Als einmal Gäste bei ihm waren,
stiftete er einen Zank, so daß sie zornig auffuhren und nach ihren
Degen greifen wollten. Keiner aber konnte den seinigen finden und
sie mußten es bei ein paar Quer-Hieben mit der dicken Faust bewenden
lassen. Dieses Streichs hat sich Hinzelmann gar sehr gefreut und mit
vielem Lachen erzählt, daß er Urheber des Zanks gewesen, vorher aber
alles tödliche Gewehr versteckt und bei Seite gebracht. Er habe dann
zugeschaut, wie ihm sein Anschlag so wohl gelungen wäre, daß sie sich
weidlich herum geschmissen.

Zu einer Zeit war ein Edelmann zu Hudemühlen eingetroffen, welcher sich
erbot, den Haus-Geist auszutreiben. Als er ihn nun in einem Gemach
merkte, dessen Thüren und Fenster überall fest geschlossen waren, ließ
er erst diese Kammer, so wie das ganze Haus, mit bewaffneten Leuten
besetzen und ging darauf selbst, von einigen begleitet, mit gezogenem
Degen hinein. Sie sahen nichts, fingen aber an links und rechts nach
allen Seiten zu hauen und zu stechen in der Meinung, den Hinzelmann,
wo er nur einen Leib habe, damit gewißlich zu erreichen und zu tödten;
indessen fühlten sie nicht, daß ihre Klingen etwas anders, als die
leere Luft durchschnitten. Wie sie glaubten, ihre Arbeit vollbracht
zu haben und müd von dem vielen Fechten hinausgehen wollten, sahen
sie, als sie die Thüre des Gemachs öffneten, eine Gestalt gleich einem
schwarzen Marder hinausspringen und hörten die Worte: “ei! ei! wie
fein habt ihr mich doch ertappt!” Hernach hat sich Hinzelmann über
diese Beleidigung bitterlich beschwert und gesagt: er würde leicht
Gelegenheit haben sich zu rächen, wenn er nicht den beiden Fräulein im
Hause Verdruß ersparen wollte. Als dieser Edelmann nicht lang darauf
in eine leere Kammer des Hauses ging, erblickte er auf einer wüsten
Bettstatt eine zusammengeringelte große Schlange liegen, die sogleich
verschwand, aber er hörte die Worte des Geistes: “bald hättest du mich
erwischt!”

Ein anderer Edelmann hatte viel von Hinzelmann erzählen gehört und war
begierig, selbst etwas von ihm zu erfahren. Als er nun nach Hudemühlen
kam, ward sein Wunsch erfüllt und der Geist ließ sich in dem Zimmer
aus einem Winkel bei einem großen Schrank hören, wo etliche leere
Wein-Krüge mit langen Hälsen hingesetzt waren. Weil nun die Stimme
zart und fein war und ein wenig heiser, gleich als spräche sie aus
einem hohlen Gefäße, so meinte der Edelmann, er sitze vielleicht in
einem dieser Krüge, lief hinzu, faßte sie und wollte sie zustopfen,
um auf diese Weise den Geist zu erhaschen. Als er damit umging, fing
Hinzelmann an überlaut zu lachen und sprach: “hätte ich nicht vorlängst
von andern Leuten gehört, daß du ein Narr wärst, so könnte ichs nun
selbst mit ansehen, weil du meinst, ich säße in den leeren Krügen und
deckst sie mit der Hand zu, als hättest du mich gefangen. Ich achte
dich nicht der Mühe werth, sonst wollt ich dich schon witzigen, daß du
eine Zeit lang meiner gedenken solltest. Aber ein wenig gebadet wirst
du doch bald werden.” Damit schwieg er und ließ sich nicht wieder
hören, so lange der Edelmann da war; ob dieser hernach wirklich ins
Wasser gefallen, wird nicht gemeldet, doch ists zu vermuthen.

Es kam auch ein Teufels-Banner, ihn auszujagen. Als dieser mit seinen
Zauber-Worten die Beschwörung anhub, war Hinzelmann zuerst still
und ließ nichts von sich hören, aber wie jener nun die kräftigsten
Sprüche gegen ihn ablesen wollte, riß er ihm das Buch aus den Händen,
zerstückelte es, daß die Blätter in dem Zimmer herum flogen, packte
den Banner dann selbst und drückte und kratzte ihn, daß er voll Angst
fortlief. Auch hierüber beklagte er sich und sprach: “ich bin ein
Christ, wie ein anderer Mensch und hoffe selig zu werden.” Als er
gefragt wurde, ob er die Kobolde und Polter-Geister kenne, antwortete
er: “was gehen mich diese an? das sind Teufels-Gespenster, zu welchen
ich nicht gehöre. Von mir hat sich niemand Böses, vielmehr alles Gute
zu versehen. Laßt mich unangefochten, so werdet ihr überall Glück
spüren: das Vieh wird gedeihen, die Güter in Aufnahme kommen und alles
wohl von Statten gehen.”

Laster und Untugenden waren ihm zuwider: einen von den Haus-Genossen
strafte er wegen seiner Kargheit oft mit harten Worten und sagte den
übrigen, daß er ihn um seines Geizes willen gar nicht leiden könnte.
Einem andern verwies er seine Hoffahrt, die er von Herzen hasse. Als
einmal zu ihm gesagt wurde, wenn er ein guter Christ seyn wolle, so
müßte er Gott anrufen und die Gebäte der Christen sprechen, fing er
an das Vater unser zu sagen und sprach es bis zur sechsten Bitte, die
Worte “erlöse uns von dem Bösen,” murmelte er nur leise. Er sagte
auch den christlichen Glauben her, aber zerrissen und stammelnd. Denn
als er zu den Worten gelangte: “ich glaube eine Vergebung der Sünden,
Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben,” brachte er sie mit
heiserer und undeutlicher Stimme hervor, also daß man ihn nicht recht
hören und verstehen konnte. Der Prediger zu Eickelohe, weiland Hr.
Marquard Feldmann, berichtet, daß sein Vater um die Zeit der Pfingsten
auf Hudemühlen zu Gast gebeten worden; da habe Hinzelmann den schönen
Gesang: “nun bitten wir den heiligen Geist” wie eine Jungfrau oder
ein junger Knabe mit sehr hoher und nicht unangenehmer Stimme bis
ganz zu Ende gesungen. Ja, nicht allein diesen, sondern viele andere
geistliche Gesänge, habe er auf Verlangen angestimmt, besonders wenn
ihn diejenigen darum begrüßt, die er für seine Freunde gehalten und mit
welchen er vertraulich gewesen.

Darum ward der Geist gewaltig bös, wenn man ihn nicht ehrlich und
nicht als einen Christen behandelte. Einmal reiste ein Edelmann aus
dem Geschlecht von Mandelsloh nach Hudemühlen. Er stand wegen seiner
Gelehrsamkeit in großem Ansehen, war Domherr bei dem Stift Verden und
Gesandter bei dem Kurfürst von Brandenburg und dem Könige von Dänemark.
Als er nun von dem Haus-Geist hörte, und daß er als ein Christ wollte
angesehen seyn, sprach er, er könnte nicht glauben, daß es gut mit ihm
stehe, er müsse ihn vielmehr für den bösen Feind und den Teufel halten,
denn Menschen solcher Art und Gestalt habe Gott nicht erschaffen, die
Engel aber lobten Gott ihren Herrn und schirmten und schützten die
Menschen; damit stimme das Poltern und Toben und die abentheuerlichen
Händel des Geistes nicht überein. Hinzelmann, der während seiner
Anwesenheit sich noch nicht hatte hören lassen, machte ein Geräusch
und sprach: “was sagst du, Barthold? (also hieß der Edelmann) bin ich
der böse Feind? Ich rathe dir, sage nicht zu viel, oder ich werde dir
ein anderes zeigen und dir weisen, daß du ein andermal ein besseres
Urtheil von mir fällen sollst.” Der Herr entsetzte sich, als er,
ohne jemand zu sehen, eine Stimme sprechen hörte, brach die Rede ab
und wollte nichts mehr von ihm hören, sondern ihn in seinen Würden
lassen. Zu einer andern Zeit kam ein Edelmann, welcher bei Tisch, als
er den Stuhl und den Teller für Hinzelmann sah, ihm nicht zutrinken
wollte. Darüber beschwerte sich der Geist und sprach: “ich bin ein so
ehrlicher und guter Gesell als dieser: warum trinkt er mich vorüber?”
Darauf antwortete der Edelmann: “weiche von hinnen und trinke mit
deinen höllischen Gesellen, hier hast du nichts zu schaffen!” Als
Hinzelmann das hörte, ward er so heftig erbittert, daß er ihn bei dem
Schnall-Riemen packte, damit er nach damaliger Sitte seinen Mantel
unter dem Halse zugeschnallt hatte, nieder zur Erde zog und also
würgte und drückte, daß allen Anwesenden angst wurde, er mögte ihn
umbringen und jener, nachdem der Geist von ihm abgelassen, sich erst
nach einigen Stunden wieder erholen konnte. Wiederum reiste einmal ein
guter Freund des Hausherrn bei Hudemühlen vorbei, trug aber Bedenken
wegen des Haus-Geistes, von dessen Schalkheit ihm vieles war erzählt
worden, einzukehren und schickte seinen Diener, um zu melden, daß er
nicht einsprechen könne. Der Haus-Herr ließ ihn inständig bitten, bei
ihm die Mittags-Mahlzeit zu nehmen, aber der Fremde entschuldigte sich
höflich damit, daß er sich nicht aufhalten dürfte; doch setzte er
hinzu, es errege ihm zu großen Schrecken, mit einem Teufels-Gespenst an
einem Tisch zu sitzen, zu essen und zu trinken. Bei dieser Unterredung
draußen hatte sich Hinzelmann auch eingefunden, denn man hörte, nachdem
sich der Fremde also geweigert, die Worte: “warte, mein guter Geselle,
die Rede soll dir schon bezahlt werden!” Als nun der Reisende fortfuhr
und auf die Brücke kam, welche über die Meisse geht, stiegen die Pferde
mit den vordern Füßen in die Höhe, verwickelten sich ins Geschirr,
daß wenig fehlte, so wäre er mit Roß und Wagen ins Wasser gestürzt.
Wie alles wieder zurecht gebracht war und der Wagen einen Schuß weit
gefahren, wurde er zwischen Eickelohe und Hudemühlen auf ebener Erde in
dem Sand umgekehrt, doch ohne daß die darin Sitzenden weiteren Schaden
nahmen.

Wie Hinzelmann gern in Gesellschaft und unter Leuten war, so hielt
er sich doch am liebsten bei den Frauen auf und war mit ihnen gar
freundlich und umgänglich. Auf Hudemühlen waren zwei Fräulein, Anna
und Katharine, welchen er besonders zugethan war, ihnen klagte er sein
Leid, wenn er war erzürnt worden und führte sonst allerhand Gespräche
mit ihnen. Wenn sie über Land reisten, wollte er sie nicht verlassen
und begleitete sie in Gestalt einer weißen Feder allenthalben. Legten
sie sich Nachts schlafen, so ruhte er unten zu ihren Füßen auf dem
Deckbett und man sah am Morgen eine kleine Grube, als ob ein Hündlein
da gelegen hätte. Beide Fräulein verheiratheten sich nicht, denn
Hinzelmann schreckte alle Freier ab. Manchmal kam es so weit, daß eben
die Verlobung sollte gehalten werden, aber der Geist wußte es doch
immer wieder rückgängig zu machen. Den einen, wenn er bei dem Fräulein
seine Worte vortragen wollte, machte er ganz irre und verwirrt,
daß er nicht wußte, was er sagen wollte. Bei dem andern erregte er
solche Angst, daß er zitterte und bebte. Gemeinlich aber machte er an
die gegenüber stehende weiße Wand eine Schrift mit großen goldenen
Buchstaben ihnen vor die Augen: “nimm Jungfer Anne und laß mir Jungfer
Katharine.” Kam aber einer und wollte sich bei Fräulein Anne beliebt
machen und um sie werben, so veränderte sich auf einmal die goldene
Schrift und lautete umgekehrt: “nimm Jungfer Katharine und laß mir
Jungfer Anne.” Wenn sich jemand nicht daran kehrte und bei seinem
Vorsatz blieb, und etwa im Hause übernachtete, quälte er ihn so und
narrte ihn im Dunkeln mit Poltern, Werfen und Toben, daß er sich aller
Heiraths-Gedanken entschlug und froh war, wenn er mit heiler Haut davon
kam. Etliche hat er, wenn sie auf dem Rückweg waren, mit den Pferden
über und über geworfen, daß sie Hals und Bein zu brechen meinten und
nicht wußten, wie ihnen geschehen. Also blieben die zwei Fräulein
unverheirathet, erreichten ein hohes Alter und starben beide innerhalb
acht Tagen.

Einmal hatte eine dieser Fräulein von Hudemühlen einen Knecht
nach Rethem geschickt, dies und jenes einzukaufen. Während dessen
Abwesenheit fing der Geist in dem Gemache der Fräulein plötzlich an
wie ein Storch zu klappern und sprach dann: “Jungfer Anne, heut magst
du deine Sachen im Mühlen-Graben wieder suchen!” Sie wußte nicht, was
das heißen sollte, bald aber trat der Knecht ein und erzählte, daß er
auf dem Heimritt unterwegs einen Storch nicht weit von sich sitzen
gesehen, auf den er aus langer Weile geschossen. Es habe auch nicht
anders geschienen, als ob er ihn getroffen, der Storch aber wäre
dennoch sitzen geblieben und, nachdem er angefangen laut zu klappern,
endlich fortgeflogen. Nun zeigte sich, daß Hinzelmann das gewußt, bald
aber traf auch seine Weißagung ein. Der Knecht, einigermaßen berauscht,
wollte sein von Schweiß und Staub bedecktes Pferd rein baden und ritt
es in das vor dem Schloß liegende Mühlen-Wasser, verfehlte aber in der
Trunkenheit des rechten Orts, gerieth in einen tiefen Abgrund und, da
er sich nicht auf dem Pferd erhalten konnte, fiel er hinab und ertrank.
Die geholten Sachen hatte er noch nicht abgelegt, daher sie sammt dem
Leichnam aus dem Wasser mußten herausgesucht werden.

Auch andern hat Hinzelmann die Zukunft voraus gesagt und sie gewarnt.
Es kam ein Oberster nach Hudemühlen, der bei dem König Christian III.
von Dänemark in besonderm Ansehen stand und in den Kriegen mit der
Stadt Lübeck tapfere Dienste geleistet hatte. Dieser war ein guter
Schütze und großer Liebhaber der Jagd, also daß er manche Stunde damit
zubrachte, in dem umliegenden Gehölze den Hirschen und wilden Sauen
nachzustellen. Als er sich eben wieder zu einer Jagd bereitete, kam
Hinzelmann und sprach: “Thomas, (das war sein Name) ich warne dich, daß
du im Schießen dich vorsiehst, sonst hast du in kurzem ein Unglück.”
Der Oberst achtete nicht darauf und meinte, das hätte nichts zu
bedeuten. Wenige Tage hernach, als er auf ein Reh losbrannte, zersprang
die Büchse von dem Schuß und schlug ihm den Daumen aus der linken
Hand. Wie es geschehen war, fand sich gleich Hinzelmann bei ihm und
sprach: “sieh, nun hast du’s, wovor ich dich gewarnt: hättest du dich
diese Zeit über des Schießens enthalten, der Unfall wäre dir nicht
begegnet.”

Es war ein andermal ein Herr von Falkenberg, auch ein Kriegsmann, zum
Besuch auf Hudemühlen angelangt. Da er ein frisches und fröhliches Herz
hatte, fing er an, den Hinzelmann zu necken und allerhand kurzweilige
Reden zu gebrauchen. Dies wollte dem Geist in die Länge nicht gefallen,
sondern er begann sich unwillig zu gebährden und fuhr endlich mit den
Worten heraus: “Falkenberg, du machst dich jetzt trefflich lustig
über mich, aber komm nur hin vor Magdeburg, da wird man dir die Kappe
ausbürsten, daß du deiner Spott-Reden vergessen wirst.” Der Edelmann
erschrak, glaubte daß mehr hinter diesen Worten stecke, brach die
Unterredung mit Hinzelmann ab und zog bald darauf fort. Nicht lange
nachher begann die Belagerung von Magdeburg unter dem Churfürst Moriz;
wobei auch dieser Herr von Falkenberg unter einem vornehmen deutschen
Fürsten zugegen war. Die Belagerten wehrten sich tapfer und gaben
Tag und Nacht mit Doppel-Haken und anderm Geschütz Feuer und es traf
sich, daß diesem Falkenberg von einer Falkonett-Kugel das Kinn ganz
hinweggeschossen wurde und er drei Tage darauf, nach den größten
Schmerzen an dieser Wunde starb.

Ein Mann aus Hudemühlen war einmal sammt andern Arbeits-Leuten und
Knechten im Feld und mähte Korn, ohne an etwas unglückliches zu denken.
Da kam Hinzelmann zu ihm auf den Acker und rief: “lauf! lauf in aller
Eile nach Haus, und hilf deinem jüngsten Söhnlein, das ist eben jetzt
mit dem Gesicht ins Feuer gefallen und hat sich sehr verbrennt.” Der
Mann legte erschrocken seine Sense nieder und eilte heim, zu sehen, ob
Hinzelmann die Wahrheit geredet. Kaum aber war er über die Thürschwelle
geschritten, als man ihm schon entgegen lief und das Unglück erzählte,
wie er denn auch sein Kind über das ganze Gesicht elendiglich verbrannt
sah. Es hatte sich auf einen kleinen Stuhl bei das Feuer gesetzt, wo
ein Kessel überhing. Als es nun mit einem Löffel hineinlangen wollte
und sich mit dem Stuhl vorwärts überbog, fiel es mit dem Gesicht mitten
ins Feuer. Indeß, weil die Mutter in der Nähe war, lief sie herzu und
riß es aus den Flammen wieder heraus, also daß es zwar etwas verbrannt
war, doch aber dem Tode noch entrissen ward. Merkwürdig ist, daß fast
in demselben Augenblick, wo das Unglück geschehen, der Geist es auch
schon dem Vater im Felde verkündigte und ihn zur Rettung aufmahnte.

Wen der Geist nicht leiden konnte, den plagte er oder strafte ihn für
seine Untugenden. Den Schreiber zu Hudemühlen beschuldigte er gar zu
großer Hoffahrt, ward ihm darum gehässig und that ihm Tag und Nacht
mancherlei Drangsal an. Einsmals erzählte er ganz fröhlich, er habe
dem hochmüthigen Schreiber eine rechtschaffene Ohrfeige gegeben. Als
man den Schreiber darum fragte, und ob der Geist bei ihm gewesen,
antwortete er: “ja mehr als zu viel ist er bei mir gewesen, er hat
mich diese Nacht gequält, daß ich vor ihm nicht zu bleiben wußte.” Er
hatte aber eine Liebschaft mit dem Kammer-Mädchen, und als er sich nun
einmal Nachts bei ihr zu einem vertraulichen Gespräch eingefunden und
sie in größter Lust beisammen saßen und meinten, daß niemand als die
vier Wände sie sehen könnte, kam der arglistige Geist, trieb sie aus
einander und stöberte den guten Schreiber unsanft zur Thüre hinaus,
ja er faßte überdem einen Besenstiel und setzte ihm nach, der über
Hals und Kopf nach seiner Kammer eilte und seine Liebe ganz vergaß.
Hinzelmann soll ein Spott-Lied auf den unglücklichen Liebhaber gemacht,
solches zur Kurzweil oft gesungen und den Durchreisenden unter Lachen
vorgesagt haben.

Es war jemand zu Hudemühlen plötzlich gegen Abend von heftigem Magenweh
angefallen und eine Magd in den Keller geschickt, einen Trunk Wein zu
holen, darin der Kranke die Arznei nehmen sollte. Als nun die Magd vor
dem Fasse saß und eben den Wein zapfen wollte, fand sich Hinzelmann
neben ihr und sprach: “du wirst dich erinnern, daß du mich vor einigen
Tagen gescholten und geschmäht hast, dafür sollst du diese Nacht zur
Strafe im Keller sitzen. Mit dem Kranken hat es ohnehin keine Noth, in
einer halben Stunde wird all sein Weh vorüber seyn und der Wein, den
du ihm brächtest, würde ihm eher schaden, als nützen. Bleib nur hier
sitzen, bis der Keller wieder aufgemacht wird.” Der Kranke wartete
lang, als der Wein nicht kam, ward eine andere hinabgeschickt, aber sie
fand den Keller außen mit einem Häng-Schloß fest verwahrt, und die Magd
darin sitzen, die ihr erzählte, daß Hinzelmann sie also eingesperrt
habe. Man wollte zwar den Keller öffnen und die Magd heraushaben,
aber es war kein Schlüssel zu dem Schloß aufzufinden, so fleißig auch
gesucht ward. Folgenden Morgen war der Keller offen und Schloß und
Schlüssel lagen vor der Thüre, so daß die Magd wieder herausgehen
konnte. Bei dem Kranken hatten, wie der Geist gesagt, nach einer halben
Stunde sich alle Schmerzen verloren.

Dem Haus-Herrn zu Hudemühlen hat sich der Geist niemals gezeigt, wenn
er ihn bat, er mögte sich, wo er wie ein Mensch gestaltet sey, vor ihm
sehen lassen, antwortete er, die Zeit wäre noch nicht gekommen, er
solle warten, bis es ihm anständig sey. Als der Herr in einer Nacht
schlaflos im Bette lag, merkte er ein Geräusch an der einen Seite
der Kammer und vermuthete, es müßte der Geist gegenwärtig seyn. Er
sprach demnach: “Hinzelmann, bist du da, so antworte mir.” “Ja ich bin
es, erwiederte er, was willst du?” Da eben vom Mondschein die Kammer
ziemlich erhellt war, däuchte den Herrn, als ob an dem Orte, wo der
Schall herkam, der Schatten einer Kindes-Gestalt zu sehen wäre. Als
er nun merkte, daß sich der Geist ganz freundlich und vertraulich
anstellte, ließ er sich mit ihm in ein Gespräch ein und sprach
endlich: “laß dich doch einmal von mir sehen und anfühlen.” Hinzelmann
aber wollte nicht. “So reich mir wenigstens deine Hand, damit ich
erkennen kann, ob du Fleisch und Bein hast, wie ein Mensch.” “Nein,
sprach Hinzelmann, ich traue dir nicht, du bist ein Schalk, du mögtest
mich ergreifen und hernach nicht wieder gehen lassen.” Nach langem
Anhalten aber und als er ihm bei Treu und Glauben versprochen, ihn
nicht zu halten, sondern alsobald wieder gehen zu lassen, sagte er:
“siehe da ist meine Hand!” Wie nun der Herr darnach griff, däuchte ihn,
als wenn er die Finger einer kleinen Kinder-Hand fühlte; der Geist
aber zog sie gar geschwind wieder zurück. Der Herr begehrte ferner, er
sollte ihn nun sein Angesicht fühlen lassen, worin er endlich willigte
und wie jener darnach tastete, kam es ihm vor, als ob er gleichsam an
Zähne oder an ein fleischloses Todten-Gerippe rührte; das Gesicht aber
zog sich ebenfalls im Augenblick zurück, also daß er seine eigentliche
Gestalt nicht wahrnehmen konnte; nur bemerkte er, daß es, wie die Hand,
kalt und ohne menschliche Lebens-Wärme war.

Die Köchin, welche mit ihm gar vertraulich war, meinte, sie dürfte ihn
wohl um etwas bitten, wo es ein anderer unterlassen müßte und als ihr
nun die Lust kam, den Hinzelmann, den sie täglich reden hörte, mit
Essen und Trinken versorgte, leiblich zu sehen, bat sie ihn inständig,
ihr das zu gewähren. Er aber wollte nicht und sagte, dazu wäre jetzt
noch nicht die Gelegenheit, nach Ablauf gewisser Zeit wollte er sich
von jedermann sehen lassen. Aber durch diese Weigerung ward ihre Lust
nur noch heftiger erregt und sie lag ihm je mehr und mehr an, ihr die
Bitte nicht zu versagen. Er sagte, sie würde den Vorwitz bereuen, wenn
er ihrer Bitte nachgeben wollte, als dies aber nichts fruchtete und
sie gar nicht abstehen wollte, sprach er endlich: “Morgen vor Aufgang
der Sonne komm in den Keller und trag in jeder Hand einen Eimer voll
Wasser, so soll dir deine Bitte gewährt werden.” Die Magd fragte:
“wozu soll das Wasser?” “Das wirst du erfahren, antwortete der Geist,
ohne das würde dir mein Anblick schädlich seyn.” Am andern Morgen war
die Köchin in aller Frühe bereit, nahm in jede Hand einen Eimer mit
Wasser und ging in den Keller hinab. Sie sah sich darin um ohne etwas
zu erblicken, als sie aber die Augen auf die Erde warf, ward sie vor
sich eine Mulde gewahr, worin ein nacktes Kind, der Größe nach etwa von
dreien Jahren, lag: in seinem Herzen steckten zwei Messer kreuzweis
übereinander und sein ganzer Leib war mit Blut beflossen. Von diesem
Anblick erschrak die Magd dermaßen, daß ihr alle Sinne vergingen und
sie ohnmächtig zur Erde fiel. Alsbald nahm der Geist das Wasser, das
sie mitgebracht und goß es ihr über den Kopf aus, wodurch sie wieder
zu sich selber kam. Sie sah sich nach der Mulde um, aber es war alles
verschwunden und sie hörte nur Hinzelmanns Stimme, der zu ihr sprach:
“siehst du nun, wie nützlich das Wasser dir gewesen, war solches nicht
bei der Hand, so wärst du hier im Keller gestorben. Ich hoffe, nun wird
deine heiße Begierde, mich zu sehen, abgekühlt seyn.” Er hat hernach
die Köchin oft mit diesem Streich geneckt und ihn Fremden mit vielem
Lachen erzählt.

Der Prediger Feldmann von Eickelohe schreibt in einem Brief vom 14.
December 1597, Hinzelmann habe eine kleine Hand, gleich der eines
Knaben oder einer Jungfrau, öfters sehen lassen, sonst aber hätte man
nichts von ihm erblicken können.

Unschuldigen, spielenden Kindern hat er sich immer gezeigt. Der Pfarrer
Feldmann wußte sich zu besinnen, daß, als er 14 bis 15 Jahr alt gewesen
und sich nicht sonderlich um ihn bekümmert, er den Geist in Gestalt
eines kleinen Knaben die Treppe gar geschwind hinaufsteigen gesehen.
Wenn sich Kinder um das Haus Hudemühlen versammelten und mit einander
spielten, fand er sich unter ihnen ein und spielte mit in der Gestalt
eines kleinen schönen Kindes, also daß alle anderen Kinder ihn deutlich
sahen und hernach daheim ihren Eltern erzählten, wie, wenn sie im Spiel
begriffen wären, ein fremdes Kindlein zu ihnen käme und mit ihnen
Kurzweil treibe. Dies bekräftigte eine Magd, die einmal in ein Gemach
getreten, wo vier oder sechs Kinder mit einander gespielt; unter diesen
hat sie ein unbekanntes Knäblein gesehen von schönem Angesicht mit
gelben, über die Schulter hängenden, krausen Haaren, in einen rothen
Sammt-Rock gekleidet, welches, wie sie es recht betrachten wollte, aus
dem Haufen sich verlor und verschwand. Auch von einem Narren, der
sich dort aufhielt und Claus hieß, hat sich Hinzelmann sehen lassen
und allerhand Kurzweil mit ihm getrieben. Wenn man den Narren nirgends
finden konnte und hernach befragte, wo er so lange gewesen, antwortete
er: “ich war bei dem kleinen Männlein und habe mit ihm gespielt.”
Fragte man weiter, wie groß das Männlein gewesen, zeigte er mit der
Hand eine Größe, wie etwa eines Kindes von vier Jahren.

Als die Zeit kam, wo der Haus-Geist wieder fortziehen wollte, ging er
zu dem Herrn und sprach: “siehe, da will ich dir etwas verehren, das
nimm wohl in acht und gedenk meiner dabei.” Damit überreichte er ihm
erstlich ein keines +Kreuz+ (es ist ungewiß nach des Verfassers Worten,
ob aus Seide oder Saiten) gar artig geflochten. Es war eines Fingers
lang, inwendig hohl und gab, wenn man es schüttelte, einen Klang von
sich. Zweitens einen +Stroh-Hut+, den er gleichfalls selbst verfertigt
hatte und worin, gar künstlich, Gestalten und Bilder durch das bunte
Stroh zu sehen waren. Drittens einen ledernen +Handschuh+ mit Perlen
besetzt, die wunderbare Figuren bildeten. Dann fügte der Geist die
Weißagung hinzu: “so lange diese Stücke unzertheilt bei deinem Hause
in guter Verwahrung bleiben, wird das ganze Geschlecht blühen und ihr
Glück immer höher steigen. Werden diese Geschenke aber zergliedert,
verloren oder verschleudert, so wird euer Geschlecht abnehmen und
sinken.” Und als er wahrnahm, daß der Herr keinen sonderlichen Werth
auf die Geschenke zu legen schien, sprach er weiter: “ich fürchte, daß
du diese Dinge nicht viel achtest und sie abhanden kommen lässest,
darum will ich dir rathen, daß du sie deinen beiden Schwestern Anne
und Katharine aufzuheben übergibst, die besser dafür sorgen werden.”
Darauf gab der Haus-Herr diese Geschenke seinen Schwestern, welche
sie annahmen und in guter Verwahrung hielten und nur aus sonderlicher
Freundschaft jemand zeigten. Nach ihrem Tode fielen sie auf den Bruder
zurück, der sie zu sich nahm und bei dem sie, so lang er lebte,
blieben. Dem Pfarrer Feldmann hat er sie bei einer vertraulichen
Unterredung auf seine Bitte gezeigt. Als dieser Herr auch starb, kamen
sie auf dessen einzige Tochter Adelheid, an L. v. H. verheirathet, mit
andern Erbschafts-Sachen und blieben eine Zeitlang in ihrem Besitz. Wo
diese Geschenke des Haus-Geistes hernach hingekommen, hat sich der Sohn
des Pfarrers Feldmann vielfach erkundigt und erfahren, daß der Strohhut
dem Kaiser Ferdinand II. sey verehrt worden, der ihn für etwas gar
wunderbares geachtet. Der lederne Handschuh war noch zu seiner Zeit in
Verwahrung eines Edelmanns. Er war kurz und reichte genau nur über die
Hand, oben über der Hand ist mit Perlen eine Schnecke gestickt. Wohin
das kleine Kreuz gekommen, blieb unbekannt.

Der Geist schied freiwillig, nachdem er vier Jahr zu Hudemühlen sich
aufgehalten, vom Jahr 1584 bis 1588. Ehe er von dannen gezogen, hat
er noch gesagt, er werde einmal wiederkommen, wenn das Geschlecht,
in Abnahme gerathe, und dann werde es aufs neue wieder blühen und
aufsteigen.




76.

Klopfer.

Fränkische Sage. Reizenstein. Leipz. 1778. I. 76.


Im Schloß zu Flügelau hauste ein guter Geist, der den Mädchen alles zu
Gefallen that; sie durften nur sagen: “Klopfer hols!” so wars da. Er
trug Briefe weg, wiegte die Kinder und brach das Obst. Aber wie man
einmal von ihm haben wollte, er sollte sich sehen lassen, und nicht
nachließ, bis ers that, fuhr er feurig durch den Rauchfang hinaus und
das ganze Schloß brannte ab, das noch nicht wieder aufgebaut ist. Es
ist kurze Zeit vor dem Schwedenkriege geschehn.




77.

Stiefel.

Mündlich.


In dem Schlosse Calenberg hauste ein kleiner Geist Namens +Stiefel+.
Er war einmal an einem Bein beschädigt worden und trug seitdem einen
großen Stiefel, der ihm das ganze Bein bedeckte, weil er fürchtete, es
mögte ihm ausgerissen werden.




78.

Ekerken.

+Weier+ von der Zauberei. VI. 15.


Bei dem Dorf Elten, eine halbe Meile von Emmerich im Herzogthum Cleve,
war ein Geist, den die gemeinen Leute +Ekerken+ (Eichhörnchen) zu
nennen pflegten. Es sprang auf der Landstraße umher und neckte und
plagte die Reisenden auf alle Weise. Etliche schlug es, andere warf
er von den Pferden ab, anderen kehrte er Karrn und Wagen unterst zu
oberst. Man sah aber mit Augen von ihm nichts, als eine menschlich
gestaltete Hand.




79.

Nacht-Geist zu Kendenich.

Mündlich, aus Cöln.


Auf dem alten Rittersitz Kendenich, etwa zwei Stunden von Cöln
am Rhein, ist ein mooriger, von Schilf und Erlensträuchen dicht
bewachsener Sumpf. Dort sitzt eine Nonne verborgen und keiner mag am
Abend an ihr vorübergehen, dem sie nicht auf den Rücken zu springen
sucht. Wen sie erreicht, der muß sie tragen, und sie treibt und jagt
ihn durch die ganze Nacht, bis er ohnmächtig zur Erde stürzt.




80.

Der Alp.

Mündliche Erzählungen.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 1-40. II. 160-162.

+Bräuner’s+ Curiositäten 126-137.


Wenn gleich vor den Alpen Fenster und Thüre verschlossen werden, so
können sie durch die kleinsten Löcher doch hereinkommen, welche sie
mit sonderlicher Lust aufsuchen. Man kann in der Stille der Nacht das
Geräusch hören, welches sie dabei in der Wand machen. Steht man nun
geschwind auf und verstopft das Loch, so müssen sie bleiben, können
auch nicht von dannen, selbst wenn Thür und Thor geöffnet würden.
Man muß ihnen hierauf das Versprechen abnehmen, daß sie diesen Ort
niemals beunruhigen wollen, bevor man sie in Freiheit setzt. Sie haben
bei solchen Gelegenheiten erbärmlich geklagt, wie sie zu Haus ihre
Kinderchen hätten, die verschmachten müßten, so sie nicht los kämen.

Der Trud oder Alp kommt oft weit her bei seinen nächtlichen Besuchen.
Einsmals sind Hirten mitten in der Nacht im Felde gewesen und haben
nicht weit von einem Wasser ihrer Herden gewartet. Da kommt ein Alp,
steigt in den Kahn, löst ihn vom Ufer ab und rudert mit einer selbst
mitgebrachten Schwinge hinüber, steigt alsdann aus, befestiget den Kahn
jenseits und verfolgt seinen Weg. Nach einer Weile kehrt er zurück und
rudert eben so herüber. Die Hirten aber, nachdem sie solchem mehrere
Nächte zugesehen und es geschehen lassen, bereden sich, diesen Kahn
wegzunehmen. Wie nun der Alp wiederkommt, so hebt er an kläglich zu
winseln und droht den Hirten, den Kahn gleich herüber zu schaffen, wenn
sie Frieden haben wollten; welches sie auch thun müssen.

Jemand, um den Alp abzuhalten, legte eine Hechel auf den Leib, aber
der Alp drehte sie gleich um und drückte ihm die Spitzen in den Leib.
Ein besseres Mittel ist es, die Schuhe vor dem Bette umzukehren, also
daß die Hacken das Spannbett am nächsten bei sich haben. Wenn er
drückt und man kann den Daumen in die Hand bringen, so muß er weichen.
Nachts reitet er oft die Pferde, so daß man ihnen Morgens anmerkt,
wie sie abgemattet sind. Mit Pferdeköpfen kann er auch vertrieben
werden. Wer vor dem Schlafengehen seinen Stuhl nicht versetzt, den
reitet der Mahr des Nachts. Gern machen sie den Leuten Weichsel-Zöpfe
(Schrötleins-Zöpfe, Mahren-Flechten), indem sie das Haar saugen und
verflechten. Wenn die Muhme ein Kind windelt, muß sie ein Kreuz machen
und einen Zipfel aufschlagen, sonst windelt es der Alp noch einmal.

Sagt man zu dem drückenden Alp:

    Trud komm Morgen,
    so will ich borgen!

weicht er alsbald und kommt am andern Morgen in Gestalt eines Menschen,
etwas zu borgen. Oder ruft man ihm nach: “komm Morgen und trink mit
mir,” so muß derjenige kommen, der ihn gesandt hat.

Nach Prätorius stoßen seine Augenbraunen in gleichen Linien zusammen,
andere erzählen, daß Leute, denen die Augenbraunen auf der Stirne
zusammengewachsen sind, andern, wenn sie Zorn oder Haß auf sie haben,
den Alp mit bloßen Gedanken zuschicken können. Er kommt dann aus den
Augenbraunen, sieht aus wie ein kleiner weißer Schmetterling und setzt
sich auf die Brust des andern Schlafenden.




81.

Der Wechselbalg.

+Bräuner’s+ Curiositäten S. 6. 7.

+Prätor.+ Weltbeschr. I. 363. 364.


Zu Heßloch, bei Odernheim im Gau gelegen, hat sichs zugetragen, daß
der Kellner eines geistlichen Herrn mit der Köchin wie seiner Ehefrau
gelebt, nur daß er sich nicht durfte öffentlich einsegnen lassen.
Sie zeugten ein Kind miteinander, aber das wollte nicht wachsen und
zunehmen, sondern es schrie Tag und Nacht und verlangte immer zu essen.
Endlich hat sich die Frau berathen und wollte es gen Neuhausen auf die
Cyriaks-Wiese tragen und wiegen lassen und aus dem Cyriaks-Brunnen ihm
zu trinken geben, so mögte es besser mit ihm werden. Denn es war damals
Glauben, ein Kind müsse dann nach neun Tagen sich zum Leben oder Tod
verändern[4]. Wie nun die Frau bei Westhofen in den Klauer kommt mit
dem Kind auf dem Rücken, welches ihr so schwer geworden, daß sie keucht
und der Schweis ihr übers Angesicht lauft, begegnet ihr ein fahrender
Schüler, der redet sie an: “ei Frau, was tragt ihr da für ein wüstes
Geschöpf, es wäre kein Wunder, wenn es euch den Hals eindrückte.” Sie
antwortete, es wäre ihr liebes Kind, das wollte nicht gedeihen und
zunehmen, daher es zu Neuhausen sollte gewogen werden. Er aber sprach:
“das ist nicht euer Kind, es ist der Teufel[5], werft ihn in den Bach!”
Als sie aber nicht wollte, sondern beharrte, es wäre ihr Kind und es
küßte, sprach er weiter: “euer Kind stehet daheim in der Stuben-Kammer
hinter der Arke in einer neuen Wiege, werfet diesen Unhold in den
Bach!” da hat sie es mit Weinen und Jammern gethan. Alsobald ist ein
Geheul und Gemurmel unter der Brücke, auf der sie stand, gehört worden,
gleich wie von Wölfen und Bären. Und als die Mutter heimgekommen, hat
sie ihr Kindlein frisch und gesund und lachend in einer neuen Wiege
gefunden.


  [4] Ein Wechselbalg wird gewöhnlich nicht älter als sieben Jahre;
      nach andern jedoch sollen sie 18-19 Jahre leben.

  [5] Denn der Teufel nimmt die rechten Kinder aus der Wiege, führt
      sie fort und legt seine dafür hinein. Daher der Name:
      +Wechselbalg+.




82.

Die Wechselbälge im Wasser.

+Kirchhof’s+ Wendunmuth V. 314. ~Nr.~ 258.

+Bräuner’s+ Curiositäten 9.

+Hildebrand+ Entdeckung der Zauberei S. 109.

+Fischart+ im wilden Teufels Heer.

+Luther’s+ Tisch-Reden 105b. 106a.


Bei Halberstadt hatte ein Bauer einen Kielkropf, der seine Mutter und
fünf Muhmen ausgesogen, dabei unmäßig gegessen hatte (denn sie essen
mehr, als zehn andere Kinder), und sich so angestellt, daß sie seiner
gar müd geworden. Es ward ihm der Rath gegeben, er solle das Kind zur
Wallfahrt gen Heckelstadt zur Jungfrau Maria geloben und daselbst
wiegen lassen. Diesem Rath folgte der gute Bauer, setzte es in einen
Rückkorb und trug es hin. Wie er aber über ein Wasser geht und auf der
Brücke ist, rufts unten im Wasser: “Kielkropf! Kielkropf!” Da antwortet
das Kind in dem Korbe, das niemals zuvor ein Wort geredet hatte: “ho!
ho!” Dessen war der Bauer ungewohnt und sehr erschrocken. Darauf fragte
der Teufel im Wasser ferner: “wo willt du hin?” Der Kielkropf oben
antwortete: “ick well gen Heckelstadt to unser leven Fruggen:

    mik laten wigen
    dat ick möge gedigen” (gedeihen).

Wie der Bauer hörte, daß der Wechselbalg ordentlich reden konnte, ward
er zornig und warf ihn sammt dem Korb ins Wasser. Da sind die zwei
Teufel zusammengefahren, haben geschrien: “ho! ho! ha!” mit einander
gespielt und sich überworfen und sind darnach verschwunden.




83.

Der Alraun.

+Simplicissimi+ Galgen-Männlein. Im dritten Theil.

+Israel Fronschmidt+ vom Galgen-Männlein.

+Rollenhagen’s+ Indian. Reisen. Magdeb. 1605. S. 271. 272.

+Bräuner’s+ Curiosit. S. 226-235.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 215. 216. Weihnachtsfr. 155. 156.

+Harsdörfer’s+ Mordgeschichten Nr. 45. S. 151.

~+Chr. Gotfr. Roth+ diss. de imagunculis Germanor. magicis, quas
Alraunas vocant. Helmst. 1737. 8.~


Es ist Sage, daß, wenn ein Erb-Dieb, dem das Stehlen durch Herkunft aus
einem Diebs-Geschlecht angeboren ist, oder dessen Mutter, als sie mit
ihm schwanger ging, gestolen, wenigstens groß Gelüsten dazu gehabt,
(nach andern, wenn er zwar ein unschuldiger Mensch, in der Tortur
aber sich für einen Dieb bekennet) und der ein reiner Jüngling ist,
gehenkt wird und das Wasser läßt (~aut sperma in terram effundit~), so
wächst an dem Ort der +Alraun+ oder das +Galgen-Männlein+. Oben hat er
breite Blätter und gelbe Blumen. Bei der Ausgrabung desselben ist große
Gefahr, denn wenn er herausgerissen wird, ächzt, heult und schreit er
so entsetzlich, daß der, welcher ihn ausgräbt, alsbald sterben muß. Um
ihn daher zu erlangen, muß man am Freitag vor Sonnen-Aufgang, nachdem
man die Ohren mit Baumwolle, Wachs oder Pech wohl verstopft, mit einem
ganz schwarzen Hund, der keinen andern Flecken am Leib haben darf,
hinausgehen, drei Kreuze über den Alraun machen und die Erde rings
herum abgraben, so daß die Wurzel nur noch mit kleinen Fasern in der
Erde stecken bleibt. Darnach muß man sie mit einer Schnur dem Hund an
den Schwanz binden, ihm ein Stück Brot zeigen und eilig davon laufen.
Der Hund, nach dem Brot gierig, folgt und zieht die Wurzel heraus,
fällt aber, von ihrem ächzenden Geschrei getroffen, alsbald todt hin.
Hierauf nimmt man sie auf, wäscht sie mit rothem Wein sauber ab,
wickelt sie in weiß und rothes Seiden-Zeug, legt sie in ein Kästlein,
badet sie alle Freitag und gibt ihr alle Neumond ein neues weißes
Hemdlein. Fragt man nun den Alraun, so antwortet er und offenbart
zukünftige und heimliche Dinge zu Wohlfahrt und Gedeihen. Der Besitzer
hat von nun an keine Feinde, kann nicht arm werden und hat er keine
Kinder, so kommt Eheseegen. Ein Stück Geld, das man ihm Nachts zulegt,
findet man am Morgen doppelt; will man lang seines Dienstes genießen
und sicher gehen, damit er nicht abstehe oder sterbe, so überlade man
ihn nicht, ein halben Thaler mag man kühnlich alle Nacht ihm zulegen,
das höchste ist ein Ducaten, doch nicht immer, sondern nur selten.

Wenn der Besitzer des Galgen-Männleins stirbt, so erbt es der jüngste
Sohn, muß aber dem Vater ein Stück Brot und ein Stück Geld in den Sarg
legen und mit begraben lassen. Stirbt der Erbe vor dem Vater, so fällt
es dem ältesten Sohn anheim, aber der jüngste muß eben so schon mit
Brot und Geld begraben werden.




84.

~Spiritus familiaris.~

+Trutz Simplex+ Leben der Landstörzerin Courage. Cap. 18. u. 23.

Der Leipziger Avanturieur. Frkft. u. Lpz. 1756. Th. 2. S. 38-42.


Er wird gemeinlich in einem wohlverschlossenen Gläslein aufbewahrt,
sieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion,
bewegt sich aber ohne Unterlaß. Wer ihn kauft, in dessen Tasche bleibt
er, er mag das Fläschlein hinlegen, wohin er will, immer kehrt es von
selbst zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze
sehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Krieg
fest wie Stahl und Eisen, also daß sein Besitzer immer den Sieg hat,
auch behütet es vor Haft und Gefängniß. Man braucht ihn nicht zu
pflegen, zu baden und kleiden, wie ein Galgen-Männlein.

Wer ihn aber behält, bis er stirbt, der muß mit ihm in die Hölle, darum
sucht ihn der Besitzer wieder zu verkaufen. Er läßt sich aber nicht
anders verkaufen, als immer wohlfeiler, damit ihm einer bleibe, der ihn
nämlich mit der geringsten Münze eingekauft hat.

Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefährlichen Geist
kennen lernte, warf ihn seinem vorigen Besitzer vor die Füße und eilte
fort; als er zu Haus ankam, fand er ihn wieder in seiner Tasche. Nicht
besser ging es ihm, als er ihn in die Donau warf.

Ein Augsburgischer Roßtäuscher und Fuhrmann zog in eine berühmte
deutsche Stadt ein. Der Weg hatte seine Thiere sehr mitgenommen, im
Thor fiel ihm ein Pferd, im Gasthaus das zweite und binnen wenig
Tagen die übrigen sechs. Er wußte sich nicht zu helfen, ging in der
Stadt umher und klagte den Leuten mit Thränen seine Noth. Nun begab
sichs, daß ein anderer Fuhrmann ihm begegnete, dem er sein Unglück
erzählte. Dieser sprach: “seyd ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel
vorschlagen, dessen ihr mir danken sollt.” Der Roßtäuscher meinte, das
wären leere Worte. “Nein, nein, Gesell, euch soll geholfen werden. Geht
in jenes Haus und fraget nach einer Gesellschaft, die er ihm nannte,
der erzählt euern Unfall und bittet um Hilfe.” Der Roßtäuscher folgte
dem Rath, ging in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach
der Gesellschaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe
wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer an
einer runden Tafel saßen. Sie redeten ihn mit Namen an und sagten:
“dir sind acht Pferde gefallen, darüber bist du niedergeschlagen und
nun kommst du, auf Anrathen eines deiner Gesellen, zu uns, um Hilfe zu
suchen: du sollst erlangen, was du begehrst.” Er mußte sich an einen
Neben-Tisch setzen und nach Verlauf weniger Minuten überreichten sie
ihm ein Schächtelein mit den Worten: “dies trage bei dir und du wirst
von Stund an reich werden, aber hüte dich, daß du die Schachtel, wo
du nicht wieder arm werden willst, niemals öffnest.” Der Roßtäuscher
fragte, was er für dieses Schächtelein zu zahlen habe, aber die Männer
wollten nichts dafür; nur mußte er seinen Namen in ein großes Buch
schreiben, wobei ihm die Hand geführt ward. Der Roßtäuscher ging heim,
kaum aber war er aus dem Haus getreten, so fand er einen ledernen Sack
mit dreihundert Ducaten, womit er sich neue Pferde kaufte. Ehe er die
Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde standen, noch
einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er sonst wohin und setzte das
Schächtlein auf die Erde, so zeigte sich da, wo Geld verloren oder
vorzeiten vergraben war, ein hervordringendes Licht, also daß er es
leicht heben konnte. Auf diese Weise erhielt er ohne Diebstal und Mord
große Schätze zusammen.

Als die Frau des Roßtäuschers von ihm vernahm, wie es zuging, erschrack
sie und sprach: “du hast etwas böses empfangen, Gott will nicht, daß
der Mensch durch solch verbotene Dinge reich werde, sondern hat gesagt,
im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Ich bitte dich
um deiner Seeligkeit willen, daß du wieder nach der Stadt zurückreisest
und der Gesellschaft deine Schachtel zustellst.” Der Mann, von diesen
Worten bewogen, entschloß sich und sendete einen Knecht mit dem
Schächtelein hin, um es zurückzuliefern, aber der Knecht brachte es
wieder mit der Nachricht zurück, daß diese Gesellschaft nicht mehr
zu finden sey, auch niemand wisse, wo sie sich gegenwärtig aufhalte.
Hierauf gab die Frau genau Acht, wo ihr Mann das Schächtlein hinsetze
und bemerkte, daß er es in einem besonders von ihm gemachten Täschchen
in dem Bund seiner Beinkleider verwahre. In einer Nacht stand sie auf,
zog es hervor und öffnete es: da flog eine schwarze sumsende Fliege
heraus und nahm ihren Weg durch das Fenster hin. Sie machte den Deckel
wieder darauf und steckte es an seinen Ort, unbesorgt, wie es ablaufen
würde. Allein von Stund an verwandelte sich all das vorige Glück in
das empfindlichste Unglück. Die Pferde fielen um oder wurden gestolen.
Das Korn auf dem Boden verdarb, das Haus brannte zu dreienmalen ab und
der eingesammelte Reichthum verschwand zusehends. Der Mann gerieth in
Schulden und ward ganz arm, so daß er in Verzweiflung erst seine Frau
mit einem Messer tödtete, dann sich selbst eine Kugel durch den Kopf
schoß.




85.

Das Vogelnest.

+Michaeler+ Vorrede zum Iwein. Wien 1786. S. 54.

+Simplicissimus+ Springinsfeld ~cap.~ 23.


Noch jetzt herrscht in mehrern Gegenden der Glaube, daß es gewisse
Vogelnester (auch Zwissel- und Zeisselnestlein genannt) gebe, die,
selbst gewöhnlich unsichtbar, jeden, der sie bei sich trägt, unsichtbar
machen. Um sie nun zu finden, muß man sie zufällig in einem Spiegel
oder Wasser erblicken. Vermuthlich hängt die Sage mit dem Namen einer
Gattung des +Zweiblatts+, ~bifoglio~, zusammen, die in fast allen
europäischen Sprachen +Vogelnest+ heißt und etwas alraunhaft zu seyn
scheint. Den näheren Verlauf ergibt der angeführte Roman des 17. J.H.
am deutlichsten, gewiß aus volksmäßiger Quelle:

Unter solchem Gespräch sah ich am Schatten oder Gegenschein eines
Baums im Wasser etwas auf der +Zwickgabel+ liegen, das ich gleichwohl
auf dem Baum selbst nicht sehen konnte, solches wies ich meinem Weib
Wunderswegen. Als sie solches betrachtet und die Zwickgabel gemerkt,
darauf es lag, kletterte sie auf den Baum und holets herunter, was wir
im Wasser gesehen hatten. Ich sah ihr gar eben zu und wurde gewahr,
daß sie in demselben Augenblick verschwand, als sie das Ding, dessen
Schatten (Abbild) wir im Wasser erblickt, in die Hand genommen hatte;
allein ich sah noch wohl ihre Gestalt im Wasser, wie sie nämlich den
Baum wieder abkletterte und ein kleines Vogelnest in der Hand hielt,
das sie vom Zwickast herunter genommen. Ich fragte sie: was sie für ein
Vogelnest hätte? Sie hingegen fragte mich: ob ich sie denn sähe? Ich
antwortete: “auf dem Baum selbst sehe ich dich nicht, aber wohl deine
Gestalt im Wasser.” “Es ist gut, sagte sie, wenn ich herunterkomme,
wirst du sehen, was ich habe.” Es kam mir gar verwunderlich vor, daß
ich mein Weib sollte reden hören, die ich doch nicht sah, und noch
seltsamer, daß ich ihren Schatten an der Sonne wandeln sah und sie
selbst nicht. Und da sie sich besser zu mir in den Schatten näherte,
so daß sie selbst keinen Schatten mehr warf, weil sie sich nunmehr
außerhalb dem Sonnenschein im Schatten befand, konnte ich gar nichts
mehr von ihr merken, außer, daß ich ein kleines Geräusch vernahm,
welches sie beides mit ihrem Fußtritt und ihrer Kleidung machte,
welches mir vorkam, als ob ein Gespenst um mich her gewesen wäre;
sie setzte sich zu mir und gab mir das Nest in die Hand, sobald ich
dasselbige empfangen, sah ich sie wiederum, hingegen sie aber mich
nicht; solches probirten wir oft mit einander und befanden jedesmal,
daß dasjenige, so das Nest in Händen hatte, ganz unsichtbar war. Drauf
wickelte sie das Nestlein in ein Nasentüchel, damit der Stein, oder
das Kraut oder Wurzel, welches sich im Nest befand und solche Wirkung
in sich hatte, nicht herausfallen sollte und etwan verloren würde, und
nachdem sie solches neben sich gelegt, sahen wir einander wiederum,
wie zuvor, ehe sie auf den Baum gestiegen; das Nestnastüchel sahen wir
nicht, konnten es aber an demjenigen Ort wohl fühlen, wohin sie es
geleget hatte.




86.

Der Brutpfenning.

+Happel+ ~relat. curios. I. 522.~


Der Brutpfenning oder Heckegroschen soll auf folgende heillose Weise
erlangt werden: die sich dem Teufel verbinden wollen, gehen auf
Weihnachts-Abend, so es beginnet zu dunkeln, nach einem Scheideweg
unter dem offenbaren Himmel. Mitten auf diesem Flecken legen sie
dreißig Pfenninge oder auch Groschen, Thaler, in einem runden Ring der
Reihe nach neben einander hin und heben an, die Stücke vorwärts und
rückwärts zu zählen. Dies Zählen muß gerade geschehen in der Zeit,
wenn man zur Messe läutet. In dem Zählen nun sucht der höllische Geist
durch allerhand schreckliche Gesichter von glühenden Ofen, seltsamen
Wagen und hauptlosen Menschen irre zu machen, denn wenn der Zählende im
geringsten wankt und stolpert, wird ihm der Hals umgedreht. Wofern er
aber richtig vor- und nachgezählt, so wirft der Teufel zu den dreißig
Stücken das ein und dreißigste in gleicher Münze hin. Dieser ein und
dreißigste Pfenning hat die Eigenschaft, daß er alle und jede Nacht
einen gleichen ausbrütet.

Eine Bäuerin zu Pantschdorf bei Wittenberg, die einen solchen
Brutpfenning hatte, wurde auf diese Art als Hexe kund gemacht: sie
mußte einmal nothwendig ausgehen und hieß die Magd, die Milch von der
gemelkten Kuh (eh sie die andern melkte) alsbald sieden, auf weiß Brot
in einer dastehenden Schüssel gießen und in eine gewisse Kiste setzen,
welche sie ihr zeigte. Die Dienstmagd vergaß das entweder oder dachte,
es wäre gleichviel, ob sie die Milch vor oder nach dem Melken der
anderen Kühe aufkochte, und that also erst ihre ganze Arbeit. Nachher
nahm sie die siedende Milch vom Feuer und in der einen Hand den Topf
haltend, mit der andern im Begriff, die bezeichnete Kiste zu öffnen,
sah sie in dieser ein pechschwarz Kalb sitzen, das den Mund aufsperrte.
Vor Schrecken goß sie die gesottene Milch in seinen Rachen und in
selbem Augenblick floh das Kalb davon und steckte das ganze Haus in
Brand. Die Frau wurde eingezogen und bekannte; ihren Brutpfenning haben
die Bauern noch lange Zeit in der gemeinen Cassa aufbewahret.




87.

Wechselkind mit Ruthen gestrichen.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 365. 366.


Im Jahr 1580. hat sich folgende wahrhaftige Geschichte begeben: nahe
bei Breslau wohnet ein nahmhaftiger Edelmann, der hat im Sommer viel
Heu und Grummet aufzumachen, dazu ihm seine Unterthanen fröhnen müssen.
Unter diesen ward auch berufen eine Kindbetterin, so kaum acht Tage im
Kindbett gelegen. Wie sie nun siehet, daß es der Junker haben wollte
und sie sich nicht weigern kann, nimmt sie ihr Kind mit ihr hinaus,
legt es auf ein Häuflein Gras, geht von ihm und wartet dem Heumachen
ab. Als sie ein gute Weile gearbeitet, und ihr Kindlein zu säugen
gehet, siehet sie es an, schreiet heftig und schlägt die Hände überm
Kopf zusammen, und klaget männiglich, dies sey nicht ihr Kind, weil es
geizig ihr die Milch entziehe und so unmenschlich heule, das sie an
ihrem Kinde nicht gewohnt sey. Wie dem allen, so behielt sie es etlich
Tag über, das hielt sich so ungebührlich, daß die gute Frau gar nahe zu
Grund gerichtet wäre. Solches klaget sie dem Junker, der sagt zu ihr:
“Frau, wenn es euch bedünket, daß dies nicht euer Kind, so thut eins
und tragt es auf die Wiese, da ihr das vorige Kind hingeleget habt, und
streichet es mit der Ruthe heftig, so werdet ihr Wunder sehen.”

Die Frau folget dem Junker, ging hinaus und strich das Wechselkind
mit der Ruthe, daß es sehr geschrien hat; da brachte der Teufel ihr
gestolen Kind und sprach: “da hasts!” und mit dem nahm er sein Kind
hinweg.

Diese Geschicht ist lautbar und beiden Jung und Alten in derselbigen
Gegend um und in Breslau landkündig.




88.

Das Schauen auf die Kinder.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 124.


Ein glaubwürdiger Bürger aus Leipzig erzählte: als sein erstes
Kind schon etliche Wochen alt gewesen, habe man es zu drei
unterschiedlichen Nächten in der Wiege aufgedeckt und in der Quer
liegend gefunden, da doch die Wiege hart vor dem Wochenbette der
Mutter gestanden. Der Vater nahm sich also vor, in der vierten Nacht
aufzubleiben und auf sein Kind gute Acht zu haben. Er harrte eine
lange Weile und wachte stetig bis nach Mitternacht, da war dem Kinde
noch nichts begegnet, deswegen, weil er +es selber betrachtet und
angeschauet hatte+. Aber indem fielen ihm die Augen ein wenig zu und
als die Mutter kurz darauf erwachte und sich umsah, war das Kind wieder
in die Quer gezogen und das Deckbett von der Wiege mitten über ihr Bett
geworfen, da sie es sonsten nur immer aufzuschlagen und zu Füßen des
Kinds in der Wiege zu legen pflegen, nach allgemeinem Gebrauche. Denke
einer in so geschwinder Eile, daß sich alle verwundern mußten. Aber
weiter hatte das Ungethüm keine Macht zum Kinde gehabt.




89.

Die Roggen-Muhme.

+Tharsander (G.W. Wegner)+ Schauplatz I. 433. 434.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 125. 126.


In der Mark Brandenburg geht unter den Landleuten eine Sage von
der Roggen-Muhme, die im Kornfeld stecke, weshalb die Kinder sich
hineinzugehen fürchten.

Im Jahr 1662 erzählte auch die saalfelder Frau dem Prätorius: ein
dortiger Edelmann habe eine Sechswöchnerin von seinen Unterthanen
gezwungen, zur Erntezeit Garben zu binden. Die Frau nahm ihr junges,
säugendes Kindlein mit auf den Acker und legte es, um die Arbeit zu
fördern, zu Boden. Ueber eine Weile sah der Edelmann, welcher zugegen
war, ein Erdweib mit einem Kinde kommen und es um das der Bäuerin
tauschen. Dieses falsche Kind hob an zu schreien, die Bäuerin eilte
herzu, es zu stillen, aber der Edelmann wehrte ihr und hieß sie
zurückbleiben, er wolle ihr schon sagen, wanns Zeit wäre. Die Frau
meinte, er thäte so der fleißigeren Arbeit wegen und fügte sich mit
großem Kummer. Das Kind schrie unterdessen unaufhörlich fort, da kam
die +Roggen-Mutter+ von neuem, nahm das weinende Kind zu sich und
legte das gestohlene wieder hin. Nachdem alles das der Edelmann mit
angesehen, rief er der Bäuerin und hieß sie nach Hause gehen. Seit der
Zeit nahm er sich vor, nun und nimmermehr eine Kindbetterin zu Diensten
zu zwingen.




90.

Die zwei unterirdischen Weiber.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 123. 124.


Folgende Begebenheit hat Prätorius von einem Studenten erfahren, dessen
Mutter gesagt hatte, sie sey zu Dessau geschehen.

Nachdem eine Frau ein Kind zur Welt gebracht, hat sie es bei sich
gelegt und ist noch vor dessen Taufe in einen tiefen Schlaf verfallen.
Zur Mitternacht sind zwei +unterirdische Weiber+ gekommen, haben Feuer
auf dem Hausheerde gemacht, einen Kessel voll Wasser übergesetzet, ihr
mitgebrachtes Kind darin gebadet und abgewaschen, solches hernach in
die Stube getragen und mit dem andern schlafenden Kind ausgetauschet.
Hierauf sind sie damit weggegangen, bei dem nächsten Berg aber um das
Kind in Streit gerathen, darüber es eine der andern zugeworfen und
gleichsam damit geballet haben, bis das Kind darüber geschrien und
die Magd im Hause erwachet. Als sie der Frauen Kind angeblickt und
die Verwechselung gemerkt, ist sie vors Haus gelaufen und hat die
Weiber noch also mit dem gestohlenen Kind handthieren gefunden, darauf
sie hinzugetreten und hat mit gefangen, sobald sie aber das Kind in
ihre Arme bekommen, ist sie eilends nach Haus gelaufen und hat die
Wechselbutte vor die Thür geleget, welche darauf die Bergfrauen wieder
zu sich genommen.




91.

König Grünewald.

Hess. Denkwürdigk. IV. 2, 295-297. vom Prof. +Schwarz+ aus der Sage
alter Leute aufgenommen.


Auf dem Christenberg in Oberhessen wohnte vor Alters ein König und
stand da sein Schloß. Und er hatte auch eine einzige Tochter, auf
die er gar viel hielt und die wunderbare Gaben besaß. Nun kam einmal
sein Feind, ein König, der hieß +Grünewald+ und belagerte ihn in
seinem Schlosse, und als die Belagerung lange dauerte, so sprach dem
König im Schlosse seine Tochter immer noch Muth ein. Das währte bis
zum Maientag. Da sah auf einmal die Tochter, wie der Tag anbrach, das
feindliche Heer herangezogen kommen mit grünen Bäumen. Da wurde es ihr
angst und bang, denn sie wußte, daß alles verloren war und sagte ihrem
Vater:

    Vater gebt euch gefangen,
    der grüne Wald kommt gegangen!

Darauf schickte sie ihr Vater ins Lager König Grünewalds, bei dem sie
ausmachte, daß sie selbst freien Abzug haben sollte und noch dazu
mitnehmen dürfte, was sie auf einen Esel packen könnte. Da nahm sie
ihren eigenen Vater, packte ihn drauf sammt ihren besten Schätzen und
zog nun fort. Und als sie eine gute Strecke in einem fortgegangen
waren, sprach die Königstochter: “hier +wollemer+ ruhen!” Daher hat ein
Dorf den Namen, das dort liegt (Wollmar, eine Stunde vom Christenberg,
in der Ebene). Bald zogen sie weiter durch Wildnisse hin ins Gebirg,
bis sie endlich einen Flecken fanden; da sagte die Königstochter:
“+hier hat’s Feld!+” und da blieben sie und bauten ein Schloß und
nannten es Hatsfeld. Dort sind noch bis auf den heutigen Tag die
Ueberbleibsel und die Stadt dabei hat auch von der Burg den Namen.
(Hatzfeld, ein Städtchen an der Eder, im Gebirg, gegen vier Stunden vom
Christenberge westlich).




92.

Blümelis-Alp.

+Scheuchzer+ Naturgesch. der Schweiz. Zürich 1746. II. 83.

+Wyß+ Volkssagen. Bern 1815. aus mündl. Ueberlieferung.


Mehr als eine Gegend der Schweiz erzählt die Sage von einer jetzt in
Eis und Felstrümmern überschütteten, vor alten Zeiten aber beblümten,
herrlichen und fruchtbaren Alpe. Zumal im Berner Oberland wird sie von
den Klariden (einem Gebirg) berichtet:

Ehmals war hier die Alpweide reichlich und herrlich, das Vieh gedieh
über alle Maaßen, jede Kuh wurde des Tages dreimal gemolken und
jedesmal gab sie zwei Eimer Milch, den Eimer von dritthalb Maas.
Dazumal lebte am Berg ein reicher, wohlhabender Hirte, und hob an,
stolz zu werden und die alte einfache Sitte des Lands zu verhöhnen.
Seine Hütte ließ er sich stattlicher einrichten und buhlte mit
Cathrine, einer schönen Magd, und im Uebermuth baute er eine Treppe ins
Haus aus seinen Käsen und die Käse legte er aus mit Butter und wusch
die Tritte sauber mit Milch. Ueber diese Treppe gingen Cathrine, seine
Liebste, und Brändel, seine Kuh, und Rhyn, sein Hund, aus und ein.

Seine fromme Mutter wußte aber nichts von dem Frevel und eines
Sonntags im Sommer wollte sie die Senne ihres Sohns besuchen. Vom Weg
ermüdet ruhte sie oben aus und bat um einen Labetrunk. Da verleitete
den Hirten die Dirne, daß er ein Milchfaß nahm, saure Milch hineinthat
und Sand darauf streute, das reichte er seiner Mutter. Die Mutter aber,
erstaunt über die ruchlose That, ging rasch den Berg hinab und unten
wandte sie sich, stand still und verfluchte die Gottlosen, daß sie Gott
strafen mögte.

Plötzlich erhob sich ein Sturm und ein Gewitter verheerte die
gesegneten Fluren. Senne und Hütte wurden verschüttet, Menschen und
Thiere verdarben. Des Hirten Geist, sammt seinem Hausgesinde, sind
verdammt, so lange, bis sie wieder erlöst worden, auf dem Gebirg
umzugehen, “ich und min Hund Rhyn, und mi Chuh Brandli und mine
Kathry, müssen ewig uf Klaride syn!” Die Erlösung hangt aber daran,
daß ein Senner auf Charfreitag die Kuh, deren Euter Dornen umgeben,
stillschweigend ausmelke. Weil aber die Kuh, der stechenden Dörner
wegen, wild ist und nicht still hält, so ist das eine schwere Sache.
Einmal hatte einer schon den halben Eimer vollgemolken, als ihm
plötzlich ein Mann auf die Schulter klopfte und fragte: “schäumts auch
wacker?” Der Melker aber vergaß sich und antwortete: “o ja!” da war
alles vorbei und Brändlein, die Kuh, verschwand aus seinen Augen.




93.

Die Lilie.

+Aug. Lercheimer+ Bedenken von der Zauberei. Bl. 14. u. 15.


Im Land zu H. war ein Edelmann, A. v. Th. genannt, der konnte
Köpfe abhauen und wieder aufsetzen. Er hatte bei sich beschlossen,
hinfort des teuflischen, gefährlichen Dings müßig zu gehen, eh er
einmal darüber in ein Unglück geriethe, wie dann doch geschahe. Bei
einer Gasterei ließ er sich von guten Gesellen überreden, diese
Ergötzlichkeit ihnen noch einmal zu guter Letzt zu zeigen. Nur wollte,
wie leicht zu erachten, niemand gern seinen Kopf dazu leihen; letztlich
ließ sich der Haus-Knecht dazu brauchen, doch mit dem gewissen Geding,
daß ihm sein Kopf wieder fest gemacht würde. Nun hieb ihm der Edelmann
den Kopf ab, aber das Wieder-Aufsetzen wollte nicht gehen. Da sprach er
zu den Gästen: “es ist einer unter euch, der mich verhindert, den will
ich vermahnt haben und gewarnt, daß er es nicht thue.” Darauf versuchte
ers abermal, konnte aber nichts ausrichten. Da vermahnte und dräute er
zum andernmal, ihn unverhindert zu lassen. Da das auch nicht half und
er beim drittenmal den Kopf nicht wieder aufsetzen konnte, ließ er auf
dem Tisch eine Lilie wachsen, der hieb er das Haupt und die Blume oben
ab. Alsbald fiel einer von den Gästen hinter sich von der Bank und war
ihm der Kopf ab. Nun setzte er dem Haus-Knecht den seinen wieder auf
und flohe aus dem Lande, bis die Sache vertragen ward und er Verzeihung
erhielt.




94.

Johann von Passau.

+Luther’s+ Tisch-Reden. 105.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 357. 358.

Wendunmuth. V. 312. Nr. 256.


Doctor Martinus Luther erzählt: ein Edelmann hatte ein schön jung Weib
gehabt, die war ihm gestorben, und auch begraben worden. Nicht lange
darnach, da liegt der Herr und der Knecht in einer Kammer beieinander,
da kommt des Nachts die verstorbene Frau und lehnet sich über des
Herren Bette, gleich als redete sie mit ihm. Da nun der Knecht sah,
daß solches zweimal nach einander geschah, fraget er den Junkherrn,
was es doch sey, daß alle Nacht ein Weibsbild in weißen Kleidern vor
sein Bett komme, da saget er nein, er schlafe die ganze Nacht aus, und
sehe nichts. Als es nun wieder Nacht ward, gibt der Junker auch acht
drauf und wachet im Bette, da kömmt die Frau wieder vor das Bett, der
Junker fraget: wer sie sey und was sie wolle? Sie antwortet: sie sey
seine Hausfrau. Er spricht: “bist du doch gestorben und begraben!”
Da antwortet sie: “ja, ich habe deines Fluchens halben und um deiner
Sünden willen sterben müssen, willst du mich aber wieder zu dir haben,
so will ich wieder deine Hausfrau werden.” Er spricht: “ja, wenns nur
seyn könnte;” aber sie bedingt aus und vermahnet ihn, er müsse nicht
fluchen, wie er denn einen sonderlichen Fluch an ihm gehabt hatte, denn
sonst würde sie bald wieder sterben; dieses sagt ihr der Mann zu, da
blieb die verstorbene Frau bei ihm, regierte im Haus, schlief bei ihm,
aß und trank mit ihm und zeugete Kinder.

Nun begibt sichs, daß einmal der Edelmann Gäste kriegt und nach
gehaltener Mahlzeit auf den Abend das Weib einen Pfefferkuchen zum Obst
aus einem Kasten holen soll und bleibet lange außen. Da wird der Mann
scheltig und fluchet den gewöhnlichen Fluch, da verschwindet die Frau
von Stund an und war mit ihr aus. Da sie nun nicht wieder kommt, gehen
sie hinauf in die Kammer, zu sehen, wo die Frau bliebe. Da liegt ihr
Rock, den sie angehabt, halb mit den Ermeln in dem Kasten, das ander
Theil aber heraußen, wie sich das Weib hatte in den Kasten gebücket,
und war das Weib verschwunden und sider der Zeit nicht gesehen worden.




95.

Das Hündlein von Bretta.

Mündlich.


In der Rheinpfalz, besonders im Kraichgau, geht unter den Leuten
das Sprichwort um, wenn von übel belohnter Treue die Rede ist: “es
geschieht dir, wie dem Hündchen zu Bretten.” Die Volkssage davon
muß schon alt seyn und namentlich spielt auch Fischart an zwei
verschiedenen Stellen darauf an.

In dem Städtchen Bretten lebte vorzeiten ein Mann, welcher ein treues
und zu mancherlei Dienst abgerichtetes Hündlein hatte, das pflegte er
auszuschicken, gab ihm einen Korb ins Maul, worin ein beschriebener
Zettel mit dem nöthigen Gelde lag, und so langte es Fleisch und
Bratwurst beim Metzger, ohne je einen Bissen davon anzurühren. Einmal
aber sandte es sein Herr, der evangelisch war, an einem Freitag zu
einem Metzger, der catholisch war und streng auf die Fasten hielt.
Als nun der Metzger auf dem Zettel eine Wurst bestellt fand, hielt er
das Hündlein fest, haute ihm den Schwanz ab und legte den in den Korb
mit den Worten: “da hast du Fleisch!” Das Hündlein aber, beschimpft
und verwundet, trug den Korb treulich über die Gasse nach Haus, legte
sich nieder und verstarb. Die ganze Stadt trauerte und das Bild eines
Hündleins ohne Schwanz wurde in Stein ausgehauen übers Stadtthor
gesetzt.

Andere erzählen so: es habe seinem armen Herrn Fleisch und Würste
gestohlen zugetragen, bis es endlich ein Fleischer ertappt und mit dem
Verlust des Schwanzes gestraft.




96.

Das Dorf am Meer.

Mündlich, aus Holstein.


Eine Heilige ging am Strand, sah nur zum Himmel und bätete, da kamen
die Bewohner des Dorfs Sonntags Nachmittag, ein jeder geputzt
in seidenen Kleidern, seinen Schatz im Arm, und spotteten ihrer
Frömmigkeit. Sie achtete nicht darauf und bat Gott, daß er ihnen diese
Sünde nicht zurechnen wolle. Am andern Morgen aber kamen zwei Ochsen
und wühlten mit ihren Hörnern in einem nahgelegenen großen Sandberg
bis es Abend war; und in der Nacht kam ein mächtiger Sturmwind und
wehte den ganzen aufgelockerten Sandberg über das Dorf hin, so daß es
ganz zugedeckt wurde und alles darin, was Athem hatte, verdarb. Wenn
die Leute aus benachbarten Dörfern herbeikamen und das verschüttete
aufgraben wollten, so war immer, was sie Tags über gearbeitet, Nachts
wieder zugeweht. Das dauert bis auf den heutigen Tag.




97.

Die verschütteten Silber-Gruben.

Mündlich, am Harz.


Die reichsten Silberbergwerke am Harz waren die schon seit langen
Jahren eingegangenen beiden Gruben: der große Johann und der goldene
Altar (bei Andreasberg?). Davon geht folgende Sage. Vorzeiten, als die
Gruben noch bebaut wurden, war ein Steiger darüber gesetzt, der hatte
einmal, als der Gewinn groß war, ein paar reiche Stufen bei Seite
gelegt, um, wenn der Bau schlechter und ärmer seyn würde, damit das
fehlende zu ersetzen und immer gleichen Gewinn hervorzubringen. Was
er also in guter Absicht gethan, das ward von andern, die es bemerkt
hatten, als ein Verbrechen angeklagt, und er zum Tode verurtheilt.
Als er nun niederkniete und ihm das Haupt sollte abgeschlagen werden,
da betheuerte und beschwur er nochmals seine Unschuld und sprach: “so
gewiß bin ich unschuldig, als mein Blut sich in Milch verwandeln und
der Bau der Grube aufhören wird; wann in dem gräflichen Haus, dem
diese beiden Bergwerke zugehören, ein Sohn geboren wird mit Glas-Augen
und mit Reh-Füßen, und er bleibt am Leben, so wird der Bau wieder
beginnen, stirbt er aber nach seiner Geburt, so bleiben sie auf ewig
verschüttet.” Als der Scharfrichter den Hieb gethan und das Haupt
herabfiel, da sprangen zwei Milchströme statt des Bluts schneeweiß aus
dem Rumpf in die Höhe und bezeugten seine Unschuld. Auch die beiden
Gruben gingen alsbald ein. Nicht lange nachher ward ein junger Graf mit
Glas-Augen und Reh-Füßen geboren, aber er starb gleich nach der Geburt
und die Silberbergwerke sind nicht wieder aufgethan, sondern bis auf
diesen Tag verschüttet.




98.

Die Fundgrübner.

+Happel+ ~relat. curios. I. 758-760.~


Die reichsten Berggänge pflegen von armen und geringen Grübnern
entdeckt zu werden, darüber es mancherlei Sagen hat. In dem böhmischen
Bergwerk auf der Eule war ein Bergmann, des Namens +der rothe Leu+, so
reich geworden, daß er König Wenzel zu Gast lud, ihm eine Tonne Goldes
schenkte, und dem König Carl hundert geharnischte Reuter ausrüstete.
Dieser rothe Leu hatte anfangs sein ganzes Vermögen zugesetzt und schon
sein Weib ihren Schleier (ihr eingebrachtes) verkaufen müssen. Eines
Tags stieß sich die Frau von ungefähr blutrünstig in die Ferse an einem
großen Knauer. Der Mann wollte ihn wegstufen und traf auf gediegenes
Gold, wodurch er plötzlich reich wurde. Aber Stolz und Hochmuth kamen
über ihn, in seinem Hause mußte alles seiden, silbern und golden seyn
und das Weib sprach: es wäre Gott unmöglich, daß sie wieder arm werden
sollten. Nach und nach wurde der rothe Leu bettelarm und starb auf dem
Misthaufen.

Im salzburger Werk zu Gastein und Rauriß lebte ein mächtiger
Fundgrübner, genannt +der alte Weitmoser+. In der Stunde, wo er seinen
Schuldnern entlaufen wollte und schon in der Thür stand, wurde ihm
reicher Ausbruch und Handstein entgegen gebracht. Die hielten Gold und
Silber, wurden mit Macht geschüttet und gaben ihm und anderen bald
große Reichthümer. Und da ihm auf seinem Sterbebette schöne Handsteine
neuerdings aus der Grube getragen wurden, sagte er doch: “der rechte
und schönste Gang ist Jesus mein Herr und Heiland, auf dem will ich
bald eingehen ins ewige Leben.”




99.

Ein gespenstiger Reuter.

H. +Speidel+ in ~notabil. polit. f.~ 397.

+Prätorius+ im Glückstopf. S. 173. 174.

+Happel+ ~relat. curios. III.~ 521.


Ein unbekannter Mann hat sich gegen das Ende des 17. Jahrhunderts
bei einem Grafen von Roggendorf zum Bereiter angegeben und wurde,
nach geleisteter Probe, zu Diensten angenommen und ihm eine ehrliche
Bestallung gemacht. Es begab sich aber, daß einer von Adel bei Hof
anlangte und mit diesem Bereiter an die Tafel gesetzt wurde. Der
Fremde ersah ihn mit Erstaunen, war traurig und wollte keine Speise zu
sich nehmen, ob ihm wohl der Graf deßwegen freundlichst zugesprochen.
Nachdem nun die Tafel aufgehoben war und der Graf den Fremden nochmals
nach der Ursache seines Trauerns befragte, erzählte er, daß dieser
Bereiter kein natürlicher Mensch, sondern vor Ostende ihm an der Seite
erschossen sey, auch von ihm, dem Erzähler, selbst zu Grabe begleitet
worden. Er gab auch alle Umstände an: des Todten Vaterland, Namen,
Alter und das traf alles mit dem, was der Bereiter von sich selbst
gesagt, ein, so daß der Graf daran nicht zweifeln konnte. Er nahm
daher Ursach, diesem Gespenst Urlaub zu geben mit Vorwenden, daß seine
Einkünfte geringert und er seine Hofhaltung einzuziehen gesonnen. Der
Bereiter sagte, daß ihn zwar der Gast verschwätzt, weil aber der
Graf nicht Ursache hätte ihn abzuschaffen, und er ihm getreue Dienste
geleistet und noch leisten wolle, bitte er ihn ferner an dem Hofe zu
erdulden. Der Graf aber beharrte auf dem einmal gegebenen Urlaub.
Deßwegen begehrte der Bereiter kein Geld, wie bedingt war, sondern ein
Pferd und Narren-Kleid mit silbernen Schellen, welches ihm der Graf
gerne geben ließ und noch mehr wollte reichen lassen, das der Bereiter
anzunehmen verweigerte.

Es fügte sich aber, daß der Graf nach Ungarn verreiste und bei Raab,
auf der Schütt, diesen Bereiter mit vielen Kuppel-Pferden in dem
Narren-Kleid antraf, welcher seinen alten Herrn, wie er ihn erblickte,
mit großen Freuden begrüßte und ein Pferd zu verehren anbot. Der Graf
bedankt sich und will es nicht nehmen, als der Bereiter aber einen
Diener ersieht, den er sonst am Hof wohl gekannt, gibt er diesem das
Pferd. Der Diener setzt sich mit Freuden drauf, hat es aber kaum
bestiegen, so springt das Pferd in die Höh und läßt ihn halb todt auf
die Erde fallen. Zugleich ist der Roßtäuscher mit seiner ganzen Kuppel
verschwunden.




100.

Der falsche Eid.

~M. +Schneider+ Titius contin. L. 11. sect. 2. cap. 3. p. 416~.


Im Odenwald beim Kloster Schönau liegt ein Ort, genannt +zum falschen
Eid+. Da hat auf eine Zeit ein Bauer geschworen, der Acker gehöre
sein, alsbald öffnete sich der Erdboden unter seinen Füßen und er
versank, daß nichts übrig blieb, als sein Stab und zwei Schuhe. Davon
hat die Stelle den Namen erhalten.

Sonst weiß man auch von Meineidigen, daß ihnen die aufgerichten
Finger erstarren und nicht mehr gebogen werden mögen, oder daß
sie verschwarzen; auch daß sie nach dem Tod der Leute zum Grab
herauswachsen.




101.

Zwölf ungerechte Richter.

~+Zeilleri+ epist. 58.~

+Hilscher+ Zungen-Sünde. S. 455.


Nah bei westphälisch Minden liegt ein Grund, davon wird erzählt, zwölf
Richter hätten den Boden einem zugesprochen, dem er nicht gehörig,
darüber sich die Erde aufgethan und sie bis an die Knie alsbald
verschluckt; wie dessen noch Wahrzeichen vorhanden sind.




102.

Die heiligen Quellen.

Morgenblatt. 1808. Nr. 247. S. 987.


Das schweizer Landvolk redet noch von den heiligen Quellen, die im
Rütli plötzlich entsprungen, als da der große Eidschwur geschah, und
wie einem der Schwörenden, der den Bund verrathen, sogleich Feuer zu
Mund und Nase ausgefahren sey, auch sein Haus von selbst angefangen
habe zu brennen.




103.

Der quillende Brunnen.

+Happel+ ~relat. curios. V. 43.~ aus ~+Mich. Piccard,+ orat. acad. 4.~


An einem Berge in Franken quillet ein Brunnen, wobei ein vornehmes
adliches Geschlecht sein Stammhaus hat. Das ganze Jahr über hat er
schönes, lauteres, überflüssiges Wasser, das nicht eher aufhöret,
als wenn jemand aus demselbigen Geschlecht soll sterben. Alsdann
vertrocknet er so gar, daß man auch fast kein Zeichen oder Spur mehr
findet, es sey jemals ein Brunn daselbst gewesen. Als zur Zeit ein
alter Herr des gedachten adlichen Stammes in fremden Landen tödlich
niederlag, und bereits achtzigjährig seinen baldigen Tod muthmaßte,
fertigte er in seine Heimath einen Boten ab, der sich erkundigen
sollte: ob der Brunn vertrockne? Bei der Ankunft des Boten war das
Wasser versiegt, allein man gebot ihm ernstlich, es dem alten Herrn zu
verschweigen, vielmehr zu sagen: der Brunn befinde sich noch richtig
und voll Wassers; damit ihm keine traurige Gedanken erweckt würden.
Da lachte der Alte und strafte sich selbst, daß er von dem Brunnen
abergläubisch zu wissen gesuchet, was im Wohlgefallen Gottes stände,
schickte sich zu einem seeligen Abschied an. Plötzlich aber wurde es
besser mit seiner Krankheit und nicht lange, so kam er dieses Lagers
völlig wieder auf. Damit der Brunnen nicht vergebens versiegte und ihm
seine seit langen Jahren eingetroffene Bedeutung bestünde, trug es sich
zu, daß des Geschlechts ein Junger von Adel von einem untreuen Pferde
abgeworfen, gleich zu der nämlichen Zeit Todes verfuhr.




104.

Hunger-Quelle.

+Dreyhaupt+ Hall. Chronik. I. 1106.

vgl. +Stalder+ Schweiz. Idiot. v. Hunger-Brunnen.


Zu Halle auf dem Markt an dem rothen Thurm ist ein Quell-Brunnen, der
an der Mitternacht-Seite zu Tag ausfließet und für eine Hunger-Quelle
ausgegeben wird, indem aus dessen starkem oder schwachem Ueberlaufen
der gemeine Mann Theurung oder wohlfeile Zeit weißagt.




105.

Der Liebenbach.

Mündlich, aus Hessen.


Die Stadt Spangenberg in Hessen erhält ihr Trinkwasser durch
einen Bach, welcher die gute Quelle des gegenüber liegenden Bergs
herbeileitet. Von der Entstehung dieses Bachs wird folgendes erzählt.
Ein Jüngling und ein Mädchen in der Stadt liebten sich herzlich, aber
die Eltern wollten lange nicht zu ihrer Verheirathung einwilligen.
Endlich gaben sie nach, unter der Bedingung, daß die Hochzeit erst
dann solle gefeiert werden, wenn die zwei Liebenden die gute, frische
Quelle von dem gegenüber liegenden Berge ganz allein herüber geleitet
hätten: dadurch würde die Stadt Trinkwasser erhalten, woran sie bisher
Mangel gelitten. Da fingen beide an, den Bach zu graben und arbeiteten
ohn Unterlaß. So haben sie vierzig Jahre gegraben, als sie aber fertig
waren, starben sie beide in demselben Augenblick.




106.

Der Helfenstein.

+Grundmann+ Geschichtschule. Görliz. 1677. S. 779-782.


Eine Meile von Trautenau in Böhmen, auf dem Riesenberg, liegt der
Helfenstein, ein hoher Fels, auf dem sonst ein Raubschloß gestanden,
nachher aber versunken ist und weiß niemand, wo die Menschen, die
darin lebten, hingekommen sind. Im Jahr 1614 war, viertelwegs davon,
zu Maeschendorf, eine junge Magd, die ging nicht weit von diesem Fels
Vieh hüten und hatte noch mehr Kinder bei sich. Zu diesen sprach sie:
“kommt, laßt uns hin zum Helfenstein, ob wir ihn vielleicht offen
finden und das große Weinfaß sehen.” Da sie hingehen, ist der Felsen
offen und eine Eisenthür aufgethan, daran ein Schloß mit vielen
Schlüsseln hängt. Aus Neugierde treten sie näher und endlich hinein.
Es ist ein ziemlich weites Vorgemach, aber hinten wieder eine Thür.
Sie gehen durch, in dem zweiten Gemach liegt allerhand Hausrath,
besonders ein groß zehneimerig Faß Wein, davon waren die meisten Tauben
abgefallen, allein es hatte sich eine Fingersdicke Haut angesetzt, so
daß der Wein nicht herauslaufen konnte. Als sie es alle vier mit Händen
angriffen, schlotterte es und gab nach, wie ein Ei mit weichen Schalen.
Indem sie nun solches betrachten, kommt ein wohlgeputzter Herr aus
einer schönen Stube, rothen Federbusch auf dem Hut, in der Hand eine
große zinnerne Kanne, Wein zu holen. Beim Thür-Aufmachen hatten sie
gesehen, daß es in der Stube lustig hergehet, an zwei Tischen schöne
Manns- und Weibsbilder, haben Musik und sind fröhlig. Der aber den Wein
zapft, heißt sie willkommen und in die Stube gehen. Sie erschrecken
und wünschen sich weit davon, doch spricht die eine, sie wären zu
unsauber und nicht angeschickt, zu so wohlgeputzten Leuten zu gehen.
Er bietet ihnen dennoch Trinken an und reicht die Kanne. Wie sie sich
entschuldigt, heißt er sie warten, bis er für sie eine andere Kanne
geholt. Als er nun weg ist, spricht die Älteste: “laßt uns hinausgehen,
es möchte nicht gut werden; man sagt, die Leute seyen in den Bergen hie
verfallen.” Da gehen sie eilends heraus, hinter sich hören sie nach
wenig Schritten ein Knallen und Fallen, daß sie heftig erschrecken.

Nach einer Stunde sagt die Älteste wieder: “laßt uns noch einmal hin
und sehen, was das gewesen ist, das so gekracht hat.” Die andern
wollten nicht, da aber die Große so kühn war, allein hinzugehen,
folgten die andern nach. Sie sehen aber weder Eingang noch eiserne
Thür, der Fels war fest zu. Wie sie das Vieh eingetrieben, erzählen sie
alles den Eltern, diese berichten es dem Verwalter; allein der Fels
blieb zu, so oft man ihn auch in Augenschein genommen.




107.

Die Wiege aus dem Bäumchen.

Wiener Litter. Zeitung. 1813. Sept. 277.

vgl. +Gottschalk+ Ritterburgen. II. 103-105. aus +Gaheis+ Wanderungen
um Wien. 1803.


Bei Baden in Oesterreich stehen die Trümmer des alten Bergschlosses
Rauheneck. In diesen soll ein großer Schatz verborgen liegen, den aber
nur der heben kann, der als Kind in einer Wiege geschaukelt seyn wird,
die aus dem Holz des Baumes gezimmert worden ist, der jetzt nur erst
als ein schwaches Reiß aus der Mauer des hohen Thurmes zu Rauheneck
sprießt. Verdorrt das Bäumchen oder wird es abgehauen, so muß die
Hebung des Schatzes warten, bis es von neuem ausschlägt und wieder
wächst.




108.

Hessenthal.

+Münchhausen+ im Freymüthigen. 1806. Nr. 47. S. 186.


Die alte Burg Schellenpyrmont liegt nun in Trümmern, da soll der Sage
nach vormals Thusneldens Sitz gewesen seyn. Thusnelde hatte einen
Vogel, der reden konnte. Eines Tags kam er aus dem Hessenthal, einem
Waldgrunde am Burgberg, herauf und schrie in einem fort:

    “Hessenthal blank, Hessenthal blank!”

damit die in dies Thal schon vorgedrungenen Römer in ihren blanken
Rüstungen anzudeuten, und die Deutschen gewannen nun Zeit, sich gegen
den Ueberfall des Feindes zu rüsten.




109.

Reinstein.

+Happel+ ~relat. curios. III.~ 784.


Unter der uralten Burg Reinstein unweit Blankenburg am Harz liegt ein
großes Felsenloch, angefüllt mit allerhand kleinen Steinen, wie man sie
sonst nicht auf Gebürgen, sondern blos in Ebenen findet. Wenn jemand
von solchen Steinen viel oder wenig nimmt, führt, oder trägt, so kommen
sie doch wieder an denselben Ort, da sie sind weggenommen worden,
so daß die Höhle immer voll von Steinen bleibt. Es soll aber noch
keinem gefrommt haben, dergleichen Steine wegzubringen. Auf dem Fels,
sonderlich um die Gegend der Höhle, hört man zur Mittagsstunde oft
Schellen läuten, zuweilen auch ein Gehämmer wie von vielen Schmieden.




110.

Der stillstehende Fluß.

+Winkelmann+ Beschr. von Hessen. S. 59.


Von der Fulde heißt es, so oft ein Fürst aus dem Lande Hessen,
sonderlich ein regierender Herr oder dessen Gemahlin bald sterben soll,
daß sie wider ihren natürlichen Lauf ganz still stehe und gleichsam
der Strom seine Trauer zu erkennen gebe. Man hält das für eine sichere
Todesanzeige und haben es die Einwohner mehrmals beobachtet.




111.

Arendsee.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 97. aus mündlicher Sage.


Von dem Arendsee in der Altmark wird folgendes erzählt: an der Stelle,
wo jetzt der See und der Ort dieses Namens liegt, stand vor Alters
ein großes Schloß. Dieses ging urplötzlich unter und nicht mehr kam
davon, als ein Mann und ein Weib. Wie die beiden nun fortgingen, sah
sich das Weib ungefähr um und ward der schleunigen Veränderung innen.
Verwundert brach sie in die Worte aus: “+Arend see!+” (Arend sieh! denn
jenes war ihres Mannes Name) und darum gab man nachher dem Städtlein
die Benennung, das an dem See auferbaut wurde. In diesem See ragt der
feinste, weiße Streusand hervor und wann die Sonne hell scheint, soll
man (wie auch beim See Brok neben dem Ossenberg) noch alle Mauern
und Gebäude des versunkenen Schlosses sehen. Einige haben einmal
vorgehabt, das Wasser zu gründen, und ein Seil eingelassen; wie sie
das herauszogen, fand sich ein Zettel dran mit dem Gebote: lasset ab
von euerem Unternehmen, sonst wird euerm Orte widerfahren, was diesem
geschehen ist.




112.

Der Ochsenberg.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 96. aus mündlicher Erzählung seiner Mutter,
die in der Gegend gebürtig war.


In der alten Mark, nicht weit vom zertrümmerten Schloß Alvensleben,
liegt ein großes, wacker lustiges, Dorf, mit Namen Ursleben. Einen
Büchsenschuß hinter dem Dorf stehet ein großer See, genannt Brock
(Bruch), an dessen Stätte war vor alten Zeiten ein schönes Schloß,
das hernach unterging und seitdem war das große Wasser aufgekommen.
Nämlich es sollen alle Leute drinnen versunken seyn, ausgenommen eine
einzige Edeljungfer, die ein Traum kurz vorher warnete. Als nun das
Vieh und die Hühner sonderlich traurige Zeichen eines bevorstehenden
großen Unglücks laut werden ließen, setzte sich diese Jungfrau auf
einen Ochsen und ritt davon. Mit genauer Noth erreichte sie einen
dabei gelegenen Hügel, hinter ihr drein sank das Schloß zusammen, und
wie sie auf dem Ochsen sitzend sich vom Hügel umsah, war das Gewässer
überall aufgestiegen. Davon heißt der Hügel noch +Ossenberg+ bis auf
den heutigen Tag.




113.

Die Moor-Jungfern.

+Jäger+ Briefe über die hohe Rhön. I. 144. II. 36-39.


Auf der Rhöne ist ein Sumpf, genannt das rothe Moor. Nach der Volkssage
stand daselbst vorzeiten ein Dorf, Namens +Poppenrode+, das ist nunmehr
versunken. Auf der Moorfläche bei Nacht schweben Lichtchen, das sind
Moor-Jungfern. An einem andern Ort ebendaselbst liegt auch das schwarze
Moor, schon in alten Urkunden so genannt, und die Sage weiß auch hier
von einem versunkenen Dorf, von welchem noch ein Pflaster übrig ist,
Namens: +die steinerne Brücke+.




114.

Andreas-Nacht.

Mündlich.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus.

+Bräuner’s+ Curiositäten S. 91-93.

+Goldschmid’s+ höll. Morpheus. Hamb. 1698. S. 173. 174.


Es ist Glaube, daß ein Mädchen in der Andreas-Nacht, Thomas-Nacht,
Christ-Nacht und Neujahrs-Nacht seinen zukünftigen Liebsten einladen
und sehen kann. Es muß einen Tisch für zwei decken, es dürfen aber
keine Gabeln dabei seyn. Was der Liebhaber beim Weggehen zurückläßt,
muß sorgfältig aufgehoben werden, er kommt dann zu derjenigen, die es
besitzt und liebt sie heftig. Es darf ihm aber nie wieder zu Gesicht
kommen, weil er sonst der Qual gedenkt, die er in jener Nacht von
übermenschlicher Gewalt gelitten und er des Zaubers sich bewußt wird,
wodurch großes Unglück entsteht.

Ein schönes Mädchen in Östreich begehrte einmal um Mitternacht, unter
den nöthigen Gebräuchen, seinen Liebsten zu sehen, worauf ein Schuster
mit einem Dolche daher trat, ihr denselben zuwarf und schnell wieder
verschwand. Sie hob den nach ihr geworfenen Dolch auf und schloß ihn in
eine Truhe. Bald kam der Schuster und hielt um sie an. Etliche Jahre
nach ihrer Verheirathung ging sie einstmals Sonntags, als die Vesper
vorbei war, zu ihrer Truhe, etwas hervorzusuchen, das sie folgenden Tag
zur Arbeit vornehmen wollte. Als sie die Truhe geöffnet, kommt ihr
Mann zu ihr und will hineinschauen; sie hält ihn ab, aber er stößt sie
mit Gewalt weg, sieht in die Truhe und erblickt seinen verlornen Dolch.
Alsbald ergreift er ihn und begehrt kurz zu wissen, wie sie solchen
bekommen, weil er ihn zu einer gewissen Zeit verloren hätte. Sie
weiß in der Bestürzung und Angst sich auf keine Ausrede zu besinnen,
sondern bekennt frei, es sey derselbe Dolch, den er ihr in jener Nacht
hinterlassen, wo sie ihn zu sehen begehrt. Da ergrimmte der Mann und
sprach mit einem fürchterlichen Fluch: “Hur! so bist du die Dirne, die
mich in jener Nacht so unmenschlich geängstiget hat!” und stößt ihr
damit den Dolch mitten durchs Herz.

Diese Sage wird an verschiedenen Orten von andern Menschen erzählt.
Mündlich: von einem Jäger, der seinen Hirschfänger zurückläßt; in dem
ersten Wochenbett schickt ihn die Frau über ihren Kasten, Weißzeug zu
holen und denkt nicht, daß dort das Zauber-Geräth liegt, das er findet
und womit er sie tödtet.




115.

Der Liebhaber zum Essen eingeladen.

+Prätorius+ Weihnachtsfratzen. ~prop.~ 53.

+Bräuner’s+ Curiositäten. 97.

+Valvassor+ Ehre von Crain. II. 479.


Zu Saalfeld in Thüringen war eine Schösserin (Steuereinnehmerin), die
sich heimlich in ihren Schreiber verliebte. Durch Zauberei aber wollte
sie ihn gewinnen, ließ ein frisches Brot backen und steckte mitten
in der heiligen Christnacht kreuzweise zwei Messer hinein, indem sie
etliche Worte dazu murmelte. Darauf kam der Schreiber aus dem Schlafe
ganz nackigt zur Stube hereingesprungen, setzte sich nieder am Tisch
und sah sie scharf an. Sie stand auf und lief davon, da zog er beide
Messer aus dem Brot und warf sie hinter ihr drein und hätte sie bald
sehr verletzet. Hernach ging er wieder zurück; eine Muhme, die in
der Stube zugegen war, erschrack so heftig, daß sie etliche Wochen
krank niederliegen mußte. Der Schreiber soll den folgenden Tag zu den
Hausleuten gesagt haben: er möchte nur gern wissen, welche Frau ihn
verwichene Nacht so geängstet habe; er wäre so abgemattet, daß er es
kaum sagen könne, denn er hätte sollen mit fortkommen und sich nicht
gnugsam erwehren können; er hätte auch bäten mögen, was er gewollt, so
wäre er getrieben worden.

Dieselbe alte Frau, die diese Geschichte erzählte, fügte hinzu: auch
zu Coburg haben einmal einige Edeljungfrauen von neunerlei Essen etwas
aufgehoben und um Mitternacht aufgestellt und sich dabei zu Tische
gesetzt. Darauf kamen ihre Liebsten alle, jeder brachte ein Messer mit
und wollten sich zu ihnen niederlassen. Darüber entsetzten sich die
Jungfrauen und flohen; einer aber nahm das Messer und warf hinterher;
sie schaute um, blickte ihn an und hob das Messer auf. Ein andermal
soll statt des eingeladenen Buhlen der leibhaftige Tod in die Stube
gekommen seyn und sein Stundenglas bei einer niedergesetzt haben, die
denn auch das Jahr über verstarb.

In Schlesien haben sich drei Hof-Fräulein in einer heiligen Nacht an
einen gedeckten Tisch gesetzt und ihre zukünftige Liebhaber erwartet,
deren jedem ein Teller hingestellt war. Sie sind auch auf diese
Einladung erschienen, aber nur zweie, die sich zu zwei Jungfrauen
gesetzt; der dritte ist ausgeblieben. Als nun die verlassene darüber
traurig und ungeduldig geworden, endlich nach langem vergeblichem
Warten aufgestanden und sich ans Fenster gestellt, hat sie gegenüber
einen Sarg erblickt, darin eine Jungfrau gelegen, ihr ganz gleich
gestaltet, worüber sie erkrankte und bald darauf starb. Nach einer
mündlichen Erzählung kommt die Todtenlade in die Stube, sie geht darauf
zu, die Bretter thun sich auf und sie fällt todt hinein.




116.

Die Christnacht.

+Prätorius+ Weihnachtsfratzen Nr. 60. 61. 64.


Abergläubische Mägde, um Träume von ihren Liebsten zu bekommen, kaufen
frühe des Tags vor dem heiligen Abend um einen Pfennig Semmel und zwar
das letzte Stößchen, das auf einem Ende zu ist. Weiter schneiden sie
ein bischen Rinde unten ab, binden es unter den rechten Arm und gehen
fleißig den ganzen Tag damit herum. Hernach beim Schlafengehen legen
sie es unter den Kopf in der Christnacht und sprechen dabei:

    “jetzt hab ich mich gelegt und Brot bei mir,
    wenn doch nun mein Feinslieb käme und äße mit mir!”

Darüber soll es geschehen, daß zur Mitternacht von solcher Semmelrinde
etwas genagt wird, und daran kann man frühmorgens erkennen, daß der
Liebste sie das Jahr über heirathen werde. Ist aber das Brot unverletzt
gelassen, so haben sie schlechte Hoffnung. Also soll es sich begeben
haben (1657 zu Leipzig), daß da ihrer zwei beieinander in einem Bette
schliefen, die eine hatte solches Brot unter sich liegen, die andere
nicht. Diese hörte Nachts ein Knarren und Nagen, fürchtete sich und
rüttelte ihre Gespielin, die aber in festem Schlaf lag und nichts
gewahr wurde, bis sie aus den Träumereien erwachte. Als sie nun Morgens
das Brot besichtigten, war ein Creuz hineingefressen. Das Weibsbild
soll bald darauf einen Soldaten zum Mann bekommen haben.

Die alte saalfelder Frau erzählte, daß andere ein Gefäß mit Wasser
nehmen und es mit einem gewissen kleinen Maaß in ein ander Gefäß
messen. Sie thun dies aber etlichemal und sehen zu, ob sie in den
wiederhohlten Bemessungen +mehr Wasser+ antreffen, als zuerst. Daraus
schließen sie, daß sie das folgende Jahr über zunehmen werden an
Haab und Gütern. Befinden sie +einerlei Maaß+, so glauben sie, daß
ihr Schicksal stillstehe, und sie weder Glück noch Unglück haben
werden. Ist aber zuletzt +weniger Wasser+, so entnehmen sie, daß ihr
gutes Wohlergehn und Gedeihen zurückgehe. Der saalfelder Frau war das
mittelste einmal zu Händen gekommen.

Andere nehmen einen Erbschlüssel und einen Knäul Zwirn, binden den
Zwirn fest an den Schlüssel und bewinden das Knäul, damit es nicht
weiter ablaufe, als sie es vorher haben laufen lassen. Sie lassen es
aber bei ein Ellen oder sechs los; dann stecken sie dies Gebäumel
zum Fenster aus und bewegen es von einer Seite zur andern an den
äußerlichen Wänden und sprechen dabei: “horch! horch!” so sollen sie
von der Seite und Gegend oder dem Orte her eine Stimme vernehmen, dahin
sie werden zu freien und zu wohnen kommen. Andere greifen zur Thüre
hinaus und haben, wenn sie die Hand hereinziehen, einige Haare von
ihrem zukünftigen Liebsten darin.




117.

Das Hemdabwerfen.

+Prätorius+ Weihnachtsfratzen. Nr. 62.


Zu Coburg saßen am Weihnachtabend mehrere Mädchen zusammen, waren
neugierig und wollten ihre künftige Liebhaber erkündigen. Nun hatten
sie Tags vorher neunerlei Holz geschnitten und als die Mitternacht kam,
machten sie ein Feuer im Gemach und die erste zog ihre Kleider ab, warf
ihr Hemd vor die Stubenthüre hinaus und sprach bei dem Feuer sitzend:

    “hier sitz ich splitterfasenackt und bloß,
    wenn doch mein Liebster käme
    und würfe mir mein Hemde in den Schooß!”

Hernach wurde ihr das Hemd wieder hereingeworfen und sie merkte auf
das Gesicht dessen, der es that; dies kam mit dem überein, der sie
nachdem freite. Die andern Mädchen kleideten sich auch aus, allein sie
fehlten darin, daß sie ihre Hemder zusammen in einen Klump gewickelt
hinauswarfen. Da konnten sich die Geister nicht finden, sondern huben
an zu lärmen und zu poltern, dermaßen, daß den Mädchen grausete. Flugs
gossen sie ihr Feuer aus und krochen zu Bette bis frühe, da lagen ihre
Hemder vor der Thüre in viel tausend kleine Fetzen zerrissen.




118.

Krystall-Schauen.

+Joh. Rüst+ Zeitverkürzung. S. 255 ff.

+Erasm. Francisci+ Sitten-Spiegel. Bl. 64 ff.

+Bräuner’s+ Curiositäten S. 72-80.


Eine schöne und adliche Jungfrau und ein edler Jüngling trugen heftige
Liebe zu einander, sie aber konnte von ihren Stief-Eltern die Erlaubniß
zur Verheirathung nicht erlangen, worüber sie beide in großer Trauer
lebten. Nun begab sich, daß ein altes Weib, welches Zutritt im Hause
hatte, zu der Jungfrau kam, sie tröstete und sprach: der, den sie
liebe, werde ihr gewiß noch zu Theil werden. Die Jungfrau, die das
gern hörte, fragte, wie sie das wissen könne? “Ei, Fräulein,” sprach
die Alte, “ich habe die Gnade von Gott, zukünftige Dinge vorher zu
entdecken, darum kann mir dieses so wenig, als viel anderes, verborgen
seyn. Euch allen Zweifel zu benehmen, will ich euch, wie es damit gehen
wird, in einem Krystall so klärlich weisen, daß ihr meine Kunst loben
sollt. Aber wir müssen eine Zeit dazu wählen, wo eure Eltern nicht
daheim sind; dann sollt ihr Wunder sehen.”

Die Jungfrau wartete, bis ihre Eltern auf ein Landgut gefahren waren
und ging dann zu dem Lehrer ihres Bruders, dem Johann Rüst, der
hernach als Dichter berühmt geworden, vertraute ihm ihr Vorhaben und
bat ihn gar sehr, mit zu gehen und dabei zu seyn, wenn sie in den
Krystall schaue. Dieser suchte ihr einen solchen Vorwitz als sündlich
auszureden, der Ursache zu großem Unglück werden könne; aber es war
vergeblich, sie blieb bei ihrem Sinn, so daß er sich endlich auf ihr
inständiges Bitten bewegen ließ, sie zu begleiten. Als sie in die
Kammer traten, war das alte Weib beschäfftigt, ihre Geräthschaften
aus einem kleinen Korbe herauszuziehen, sah aber ungern, daß dieser
Rüst die Jungfrau begleitete und sagte, sie könne ihm an den Augen
absehen, daß er von ihrer Kunst nicht viel halte. Hierauf hub sie an
und breitete ein blau seiden Tüchlein, darein wunderliche Bilder von
Drachen, Schlangen und anderm Gethier eingenäht waren, über die Tafel,
setzte auf dieses Tuch eine grüne gläserne Schale, legte darein ein
anderes goldfarbenes Seiden-Tuch und setzte endlich auf dieses eine
ziemlich große krystallene Kugel, welche sie aber mit einem weißen
Tuche wieder deckte. Dann begann sie, unter wunderlichen Gebährden,
etwas bei sich selbst zu murmeln und nachdem das geendigt war, nahm
sie mit großer Ehrerbietung die Kugel, rief die Jungfrau und ihren
Begleiter zu sich ans Fenster und hieß sie hineinschauen.

Anfangs sahen sie nichts, nun aber trat in dem Krystall die Braut
hervor in überaus köstlicher Kleidung; eben so prächtig angethan, als
wäre heut ihr Hochzeittag. So herrlich sie erschien, so sah sie doch
betrübt und traurig aus, ja ihr Antlitz hatte eine solche Todten-Farbe,
daß man sie ohne Mitleid nicht betrachten konnte. Die Jungfrau schaute
ihr Bild mit Schrecken an, der aber bald noch größer ward, als gerade
gegenüber ihr Liebster hervorkam, mit so grausamen und gräßlichen
Gesichtszügen, der sonst ein so freundlicher Mensch war, daß man hätte
erzittern mögen. Er trug, wie einer der von einer Reise kommt, Stiefel
und Sporn und hatte einen grauen Mantel mit goldnen Knöpfen um. Er
holte daraus zwei neublinkende Pistolen hervor und, indem er in jede
Hand eine faßte, richtete er die eine auf sein Herz, die andere setzte
er der Jungfrau an die Stirne. Die Zuschauer wußten vor Angst weder aus
noch ein, sahen aber, wie er die eine Pistole, die er an die Stirne
seiner Liebsten gesetzt, losdrückte, wobei sie einen dumpfen, fernen
Schall vernahmen. Nun geriethen sie in solches Grausen, daß sie sich
nicht bewegen konnten, bis sie endlich zitternd und mit schwankenden
Tritten zur Kammer hinausgelangten und sich etwas wieder erholten.

Dem alten Weib, welches nicht gedacht, daß die Sache also ablaufen
würde, war selbst nicht ganz wohl zu Muth; es eilte daher über Hals und
Kopf hinaus und ließ sich so bald nicht wieder sehen. Bei der Jungfrau
konnte der Schrecken die Liebe nicht auslöschen, aber die Stief-Eltern
beharrten auch bei dem Entschluß, ihre Einwilligung zu verweigern. Ja,
sie brachten es endlich durch Drohen und Zwang dahin, daß sie sich mit
einem vornehmen Hofbeamten in der Nachbarschaft verloben mußte: daraus
erwuchs der Jungfrau erst das rechte Herzeleid, denn sie verbrachte nun
ihre Zeit in nichts als Seufzen und Weinen, und ihr Liebster wurde fast
in die äußerste Verzweifelung gerissen.

Inzwischen ward die Hochzeit angesetzt und, da einige fürstliche
Personen zugegen seyn sollten, um so viel herrlicher zugerichtet.
Als der Tag kam, wo die Braut im größten Gepränge sollte abgeholt
werden, schickte dazu die Fürstin ihren mit sechs Pferden bespannten
Leibwagen sammt einigen Hof-Dienern und Reutern; an welchen Zug sich
die vornehmsten Anverwandte und Freunde der Braut anschlossen und
also in stattlicher Ordnung auszogen. Dieses alles hatte der erste
Liebhaber ausgekundschaftet und war als ein Verzweifelter entschlossen,
dem andern seine Liebste lebendig nicht zu überlassen. Er hatte zu
dem Ende ein paar gute Pistolen gekauft und wollte mit der einen die
Braut, mit der andern hernach sich selbst tödten. Zu dem Ort der
Ausführung war ein etwa zehn bis zwölf Schritte von dem Thor gelegenes
Haus, bei welchem die Braut vorbei mußte, von ihm ausersehen. Als nun
der ganze prächtige Zug von Wagen und Reutern, den eine große Menge
Volks begleitete, daher kam, schoß er mit der einen Pistole in den
Braut-Wagen hinein. Allein der Schuß geschah ein wenig zu früh, also
daß die Braut unversehrt blieb, einer andern Edelfrau aber, die im
Schlag saß, ihr etwas hoher Kopf-Putz herabgeschossen ward. Da diese
in Ohnmacht sank und jedermann herbei eilte, hatte der Thäter Zeit,
durch das Haus zur Hinterthür hinaus zu entfliehen und, indem er über
ein ziemlich breites Wasser glücklich sprang, sich zu retten. Sobald
die Erschrockene wieder zu sich selbst gebracht war, setzte sich der
Zug aufs neue in Bewegung und die Hochzeit wurde mit der größten Pracht
gefeiert. Doch die Braut hatte dabei ein trauriges Herz, welche nun der
Krystall-Schauung nachdachte und sich den Erfolg davon zu Gemüthe zog.
Auch war ihre Ehe unglücklich, denn ihr Mann war ein harter und böser
Mensch, der das tugendhafte und holdselige Fräulein, ungeachtet ihm ein
liebes Kind geboren ward, auf das grausamste behandelte.




119.

Zauber-Kräuter kochen.

+Bräuner+’s Curiositäten S. 58-61. aus mündlicher Erzählung.


Im Jahr 1672 hat sich zu Erfurt begeben, daß die Magd eines Schreiners
und ein Färbers-Gesell, die in einem Hause gedient, einen Liebeshandel
mit einander angefangen, welcher in Leichtfertigkeit einige Zeit
gedauert. Hernach ward der Gesell dessen überdrüssig, wanderte weiter
und ging in Langensalza bei einem Meister in Arbeit. Die Magd aber
konnte die Liebesgedanken nicht los werden und wollte ihren Buhlen
durchaus wieder haben. Am heiligen Pfingst-Tage, da alle Haus-Genossen,
der Lehr-Jung ausgenommen, in der Kirche waren, that sie gewisse
Kräuter in einen Topf, setzte ihn zum Feuer und sobald solche zu
sieden kamen, hat auch ihr Buhle zugegen seyn müssen. Nun trug sich
zu, daß, als der Topf beim Feuer stand und brodelte, der Lehr-Junge,
unwissend, was darin ist, ihn näher zur Glut rückt und seine Pfanne
mit Leim an dessen Stelle setzt. Sobald jener Topf mit den Kräutern
näher zu der Feuer-Hitze gekommen, hat sich etliche mal darin eine
Stimme vernehmen lassen und gesprochen: “komm, komm, Hansel, komm!
komm, komm, Hansel, komm!” Indem aber der Bube seinen Leim umrührt,
fällt es hinter ihm nieder wie ein Sack und als er sich umschaut, sieht
er einen jungen Kerl daliegen, der nichts als ein Hemd am Leibe hat,
worüber er ein jämmerlich Geschrei anhebt. Die Magd kam gelaufen,
auch andere im Haus wohnende Leute, zu sehen, warum der Bube so heftig
geschrien, und fanden den guten Gesellen als einen aus tiefem Schlaf
erwachten Menschen also im Hemde liegen. Indessen ermunterte er sich
etwas und erzählte auf Befragen, es wäre ein großes schwarzes Thier,
ganz zottigt, wie ein Bock gestaltet, zu ihm vor sein Bett gekommen
und habe ihn also geängstigt, daß es ihn alsbald auf seine Hörner
gefaßt und zum großen Fenster mit ihm hinausgefahren. Wie ihm weiter
geschehen, wisse er nicht, auch habe er nichts sonderliches empfunden,
nun aber befinde er sich so weit weg, denn gegen acht Uhr habe er noch
zu Langensalza im Bett gelegen und jetzt wäre es zu Erfurt kaum halber
neun. Er könne nicht anders glauben, als daß die Catharine, seine
vorige Liebste, dieses zu Wege gebracht, indem sie bei seiner Abreise
zu ihm gesprochen, wenn er nicht bald wieder zu ihr käme, wollte sie
ihn auf dem Bock holen lassen. Die Magd hat, nachdem man ihr gedroht,
sie als eine Hexe der Obrigkeit zu überantworten, anfangen herzlich zu
weinen und gestanden, daß ein altes Weib, dessen Namen sie auch nannte,
sie dazu überredet und ihr Kräuter gegeben, mit der Unterweisung: wenn
sie die sachte würde kochen lassen, müsse ihr Buhle erscheinen, er sey
auch so weit er immer wolle.




120.

Der Salz-Knecht in Pommern.

+Bräuner’s+ Curiosit. S. 67. 68.


In Pommern hatte ein Salz-Knecht ein altes Weib, das eine Zauberin war,
bei dem er nicht gerne bliebe und darum einsmals vorgab, er wolle nach
Hessen, in seine Heimath, wandern, allda seine Freunde zu besuchen.
Weil sie aber besorgte, er würde nicht wiederkommen, wollte sie ihn
nicht weglassen, nichtsdestoweniger reiste er fort. Wie er nun etliche
Tage zurückgelegt, kommt hinter ihm auf dem Weg ein schwarzer Bock,
schlupft ihm zwischen die Beine, erhebt und führt ihn wieder zurück
und zwar, nicht über die Landwege, sondern geradezu durch dick und
dünn, durch Feld und Wald, über Wasser und Land, und setzt ihn in wenig
Stunden vor dem Thor nieder, in Angst, Zittern, Schweiß und Ohnmacht.
Das Weib aber heißt ihn mit höhnischen Worten willkommen und spricht:
“schau! bist du wieder da? so soll man dich lehren daheim bleiben!”
Hierauf that sie ihm andere Kleider an und gab ihm zu essen, daß er
wieder zu sich selbst käme.




121.

Jungfer Eli.

Mündlich, aus dem Münsterland.


Vor hundert und mehr Jahren lebte in dem münsterischen Stift
Frekenhorst eine Abtissin, eine sehr fromme Frau, bei dieser diente
eine Haushälterin, Jungfer Eli genannt, die war bös und geitzig und
wenn arme Leute kamen, ein Allmosen zu bitten, trieb sie sie mit einer
Peitsche fort und band die kleine Glocke vor der Thüre fest, daß die
Armen nicht läuten konnten. Endlich ward Jungfer Eli todtkrank, man
rief den Pfarrer, sie zum Tode vorzubereiten und als der durch der
Abtissin Baumgarten ging, sah er Jungfer Eli in ihrem grünen Hütchen
mit weißen Federn auf dem Apfelbaum sitzen, wie er aber ins Haus kam,
lag sie auch wieder in ihrem Bette und war böse und gottlos, wie
immer, wollte nichts von Besserung hören, sondern drehte sich um nach
der Wand, wenn ihr der Pfarrer zureden wollte und so verschied sie.
Sobald sie die Augen schloß, zersprang die Glocke und bald darauf
fing sie an, in der Abtei zu spuken. Als eines Tags die Mägde in der
Küche saßen und Vizebohnen schnitten, fuhr sie mit Gebraus zwischen
ihnen her, gerade wie sie sonst leibte und lebte und rief: “schniet
ju nich in de Finger, schniet ju nich in de Finger!” und gingen die
Mägde zur Milch, so saß Jungfer Eli auf dem Stege und wollte sie nicht
vorbeilassen, wenn sie aber riefen: “in Gottes Namen gah wi derher”
mußte sie weichen und dann lief sie hinterher, zeigte ihnen eine schöne
Torte und sprach: “Tart! Tart!” wollten sie die nun nicht nehmen, so
warf sie die Torte mit höllischem Gelächter auf die Erde und da wars
ein Kuhfladen. Auch die Knechte sahen sie, wenn sie Holz haueten, da
flog sie immer von einem Baumzweig im Wald zum andern. Nachts polterte
sie im Hause herum, warf Töpfe und Schüsseln durcheinander und störte
die Leute aus dem Schlaf. Endlich erschien sie auch der Abtissin selbst
auf dem Wege nach Warendorf, hielt die Pferde an und wollte in den
Wagen hinein, die Abtissin aber sprach: “ich hab nichts zu schaffen mit
dir, hast du Uebel gethan, so ists nicht mein Wille gewesen,” Jungfer
Eli wollte sich aber nicht abweisen lassen. Da warf die Abtissin
einen Handschuh aus dem Wagen und befahl ihr, den wieder aufzuheben
und während sie sich bückte, trieb die Abtissin den Fuhrmann an und
sprach: “fahr zu, so schnell du kannst und wenn auch die Pferde drüber
zu Grunde gehen.” So jagte der Fuhrmann und sie kamen glücklich nach
Warendorf. Die Abtissin endlich, des vielen Lärmens überdrüssig, berief
alle Geistliche der ganzen Gegend, die sollten Jungfer Eli verbannen.
Die Geistlichen versammelten sich auf dem Herren-Chor und fingen an,
das Gespenst zu citiren, allein sie wollte nicht erscheinen und eine
Stimme rief: “he kickt, he kickt!” Da sprach die Geistlichkeit: “hier
muß jemand in der Kirche verborgen seyn, der zulauscht;” suchten und
fanden einen kleinen Knaben, der sich aus Neugierde drin versteckt
hatte. Sobald der Knabe hinausgejagt war, erschien Jungfer Eli und ward
in die Davert verbannt. Die Davert ist aber ein Wald im Münsterschen,
wo Geister umgehen und wohin alle Gespenster verwiesen werden. Alle
Jahr einmal fährt nun noch, wie die Sage geht, Jungfer Eli über die
Abtei zu Freckenhorst mit schrecklichem Gebraus und schlägt einige
Fensterscheiben ein oder dergleichen und alle vier Hochzeiten kommt sie
wieder einen Hahnenschritt näher.




122.

Die weiße Frau.

~+Schotus+ Magia univers. p.~ 339.

+Bekker’s+ bezauberte Welt. I. 289.


Die schloßweiße Frau erscheint in Wäldern und auf Wiesen, bisweilen
kommt sie in Pferdeställe mit brennenden Wachskerzen, kämmt und putzt
die Pferde und Wachstropfen fallen auf die Mähnen der Pferde. Sie soll,
wann sie ausgehet, hell sehen, in ihrer Wohnung aber blind seyn.




123.

Taube zeigt einen Schatz.

Aus Ottokar von Horneck. S. 197 ~a~. Cap. 225.


Als Herzog Heinrich von Breslau die Stadt Crakau erobert hatte, ging
er in das Münster daselbst, kniete als ein frommer Mann vor dem Altar
unserer Frauen nieder und dankte ihr, daß sie ihm Gnade erzeigt und
sein Leid in Freud gewendet hätte. Und als er aufgestanden war,
erblickte er eine Taube, sah ihrem Flug nach und bemerkte, wie sie
sich über einem Pfeiler auf das Gesims eines Bogen setzte. Dann nahm
er wahr, wie sie mit dem Schnabel in die Mauer pickte und mit den
Füßen Mörtel und Stein hinter sich schob. Bald darauf lag unten ein
Goldstück, das herabgefallen war. Der Herzog nahm es auf und sprach:
“das hat die Taube herausgestochen, deß sollte leicht noch mehr da
seyn.” Alsbald ließ er eine Leiter holen und schickte nach einem
Maurer, der sollt sehen, was sich oben fände. Der Maurer stieg hinauf,
nahm den Meißel in die Hand und bei dem ersten Schlag in die Wand
entdeckte er, daß da ein großer Schatz von Gold lag. Da rief er: “Herr,
gebt mir einen guten Lohn, hier liegt des glänzenden Goldes unmaßen
viel.” Der Herzog ließ die Mauer aufbrechen und den Hort herabnehmen,
den Gott ihm gab. Als man es wog, waren es fünfzig tausend Mark.




124.

Taube hält den Feind ab.

Mündlich, aus Höxter.


Im dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt Höxter oder Huxar im
Corvei’schen von den kaiserlichen Soldaten eingeschlossen und konnte
nicht eingenommen werden; endlich kam der Befehl, sie sollte mit
schwerem Geschütz geängstigt und gezwungen werden. Wie nun bei
einbrechender Nacht der Fähndrich die erste Kanone losbrennen wollte,
flog eine Taube und pickte ihm auf die Hand, so daß er das Zündloch
verfehlte. Da sprach er: “es ist Gottes Willen, daß ich nicht schießen
soll” und ließ ab. In der Nacht kamen die Schweden und die Kaiserlichen
mußten abziehen; so war die Stadt diesmal gerettet.




125.

Der Glockenguß zu Breslau.

Ungarischer Simplicissim. 1683. S. 43. 44.


Als die Glocke zu S. Maria Magdalena in Breslau gegossen werden sollte
und alles dazu fast fertig war, ging der Gießer zuvor zum Essen, verbot
aber dem Lehrjungen bei Leib und Leben, den Hahn am Schmelzkessel
anzurühren. Der Lehrjung aber war vorwitzig und neugierig, wie das
glühende Metall doch aussehen möge und indem er so den Krahn bewegte
und anregte, fuhr er ihm wider Willen ganz heraus und das Metall rann
und rann in die zubereitete Form. Höchst bestürzt weiß sich der arme
Jung gar nicht zu helfen, endlich wagt ers doch und geht weinend in die
Stube und bekennt seinem Meister, den er um Gotteswillen um Verzeihung
bittet. Der Meister aber wird vom Zorn ergriffen, zieht das Schwert
und ersticht den Jungen auf der Stelle. Dann eilt er hinaus, will
sehen, was noch vom Werk zu retten sey und räumt nach der Verkühlung
ab. Als er abgeräumt hatte, siehe, so war die ganze Glocke trefflich
wohl ausgegossen und ohne Fehl; voll Freuden kehrte der Meister in
die Stube zurück und sah nun erst, was für Uebels er gethan hatte.
Der Lehrjung war verblichen, der Meister wurde eingezogen und von
den Richtern zum Schwert verurtheilt. Immittelst war auch die Glocke
aufgezogen worden, da bat der Glockengießer flehentlich: ob sie nicht
noch geläutet werden dürfte, er möchte ihren Resonanz auch wohl hören,
da er sie doch zugerichtet hätte, wenn er die Ehr vor seinem letzten
End von den Herren haben könnte. Die Obrigkeit ließ ihm willfahren und
seit der Zeit wird mit dieser Glocke allen armen Sündern, wenn sie vom
Rathhaus herunterkommen, geläutet. Die Glocke ist so schwer, daß wenn
man funfzig Schläge gezogen hat, sie andere funfzig von selbst gehet.




126.

Der Glockenguß zu Attendorn.

Simplicissimus, Rathstübel cap. 8.


Zu Attendorn, einem cölnischen Städtchen in Westphalen, wohnte bei
Menschengedenken eine Wittwe, die ihren Sohn nach Holland schickte,
dort die Handlung zu lernen. Dieser stellte sich so wohl an, daß er
alle Jahr seiner Mutter von dem Erwerb schicken konnte. Einmal sandte
er ihr eine Platte von purem Gold, aber schwarz angestrichen, neben
andern Waaren. Die Mutter, von dem Werth des Geschenks unberichtet,
stellte die Platte unter eine Bank in ihrem Laden, allwo sie stehen
blieb, bis ein Glockengießer ins Land kam, bei welchem die Attendorner
eine Glocke gießen und das Metall dazu von der Bürgerschaft erbetteln
zu lassen beschlossen. Die, so das Erz sammelten, bekamen allerhand
zerbrochene eherne Häfen, und als sie vor dieser Wittib Thür kamen, gab
sie ihnen ihres Sohnes Gold, weil sie es nicht kannte und sonst kein
zerbrochen Geschirr hatte.

Der Glockengießer, so nach Arensberg verreist war, um auch dort einige
Glocken zu verfertigen, hatte einen Gesellen zu Attendorn hinterlassen,
mit Befehl, die Form zu fertigen und alle sonstige Anstalten zu
treffen, doch den Guß einzuhalten, bis zu seiner Ankunft. Als aber der
Meister nicht kam und der Gesell selbst gern eine Probe thun wollte,
so fuhr er mit dem Guß fort und verfertigte den Attendornern eine von
Gestalt und Klang so angenehme Glocke, daß sie ihm solche bei seinem
Abschied (denn er wollte zu seinem Meister nach Arensberg, ihm die
Zeitung von der glücklichen Verrichtung zu bringen) so lang nachläuten
wollten, als er sie hören könnte. Ueber das folgten ihm etliche nach,
mit Kannen in den Händen und sprachen ihm mit dem Trunk zu. Als er nun
in solcher Ehr und Fröhlichkeit bis auf die steinerne Brücke (zwischen
Attendorn und dem fürstenbergischen Schloß Schnellenberg) gelanget,
begegnet ihm sein Meister, welcher alsobald mit den Worten: “was hast
du gethan, du Bestia!” ihm eine Kugel durch den Kopf jagte. Zu den
Geleitsleuten aber sprach er: “der Kerl hat die Glocke gegossen, wie
ein anderer Schelm, er wäre erbietig, solche umzugießen und der Stadt
ein ander Werk zu machen.” Ritte darauf hinein und wiederholte seine
Reden, als ob er den Handel gar wohl ausgerichtet. Aber er wurde wegen
der Mordthat ergriffen und gefragt, was ihn doch dazu bewogen, da
sie mit der Arbeit des Gesellen doch vollkommen zufrieden gewesen?
Endlich bekannte er, wie er an dem Klang abgenommen, daß eine gute
Masse Gold bei der Glocke wäre, so er nicht dazu kommen lassen, sondern
weggezwackt haben wollte, dafern sein Gesell befohlnermaßen mit dem Guß
seine Ankunft abgewartet, weswegen er ihm den Rest gegeben.

Hierauf wurde dem Glockenmeister der Kopf abgeschlagen, dem Gesell aber
auf der Brücke, wo er sein End genommen, ein eisern Kreuz zum ewigen
Gedächtniß aufgerichtet. Unterdessen konnte niemand ersinnen, woher das
Gold zu der Glocke gekommen, bis der Wittib Sohn mit Freuden und großem
Reichthum beladen nach Haus kehrte und vergeblich betrauerte, daß sein
Gold zween um das Leben gebracht, einen unschuldig und einen schuldig,
gleichwohl hat er dieses Gold nicht wieder verlangt, weil ihn Gott
anderwärts reichlich gesegnet.

Längst hernach hat das Wetter in den Kirchthurm geschlagen und wie
sonst alles verzehret, außer dem Gemäuer, auch die Glocke geschmelzt.
Worauf in der Asche Erz gefunden worden, welches an Gehalt den
Goldgülden gleich gewesen, woraus derselbige Thurm wieder hergestellt
und mit Blei gedeckt worden.




127.

Die Müllerin.

Mündlich, aus Oestreich und nach einem fliegenden Blatt.


Zwischen Ems und Wels in Oestreich auf einer einsamen Mühle lebte ein
Müller, der war an einem Sonntag Morgen, nach üblicher Weise, mit
allen seinen Knechten in die Kirche gegangen und nur seine Frau, die
ihre Niederkunft bald erwartete, daheim geblieben. Als die Müllerin so
allein saß, kam die Hebamme, gleichsam zum Besuch, zu sehen, wie es
mit ihr stehe. Die Müllerin war ihr freundlich, trug etwas auf und sie
setzten sich zusammen an den Tisch. Während sie aßen, ließ die Hebamme
das Messer fallen und sprach: “hebt mir einmal das Messer auf!” “Ei!
antwortete die Müllerin, ihr redet wunderlich, ihr wißt doch, daß mir
das Bücken saurer wird, als euch,” doch ließ sie’s hingehen, hob das
Messer auf, reichte es ihr, und wie sie es reichte, noch im Bücken,
faßte die Hebamme das Messer in die Faust, zückte und sprach: “nun
gebt mir euer Geld, das baar bei euch liegt, oder ich stech euch die
kalte Klinge in die Brust!” Die Müllerin erschrack, faßte sich aber
und sagte: “kommt mit mir hinüber in die Kammer, da liegt im Schrank,
was wir haben, und nehmts.” Die Hebamme folgte ihr, nahm das Geld
aus dem Schrank und, weil es ihrer Habsucht nicht genug war, suchte
sie noch weiter in andern Gefächern. Diesen Augenblick benutzte die
Müllerin, trat schnell hinaus und schloß die Thüre fest zu, und da
vor den Fenstern starke eiserne Gitter standen, so war die Hebamme in
der Kammer eingefangen. Nun rief die Frau ihr siebenjähriges Söhnlein
und sprach: “eil dich und lauf zum Vater in die Kirche, ich bät ihn,
eilends mit seinen Knechten heimzukommen, ich wär in großer Gefahr.”
Das Kind lief fort, aber nicht weit von der Mühle traf es auf den Mann
der Hebamme, der verabredetermaßen kam, den Raub fortzutragen. Als er
das Kind sah, faßte er’s und riß es mit sich zur Mühle zurück. Die
Müllerin, die, ihren Mann erwartend, am Fenster stand, sah ihn kommen,
verschloß alsbald die Hausthüre und schob alle Riegel vor. Als der
Mann heran war, rief er, sie sollte ihm die Thüre öffnen und, da sie
es nicht that, stieß er wüthend dagegen und hoffte sie einzutreten.
Die Müllerin schrie nun mit allen Kräften zu einem Fenster hinaus nach
Hülfe, aber, weil die Mühle zu fern, auch mit Gebüsch umwachsen lag,
ward sie von niemand gehört. Indeß wich die Thüre den Stößen des Mannes
nicht und da er sah, in welche Gefahr er und seine Frau gerathe, wenn
er sich so lang aufhalte, bis der Müller aus der Kirche komme, zog er
sein Messer und rief der Müllerin: “wo ihr nicht gleich öffnet, so
stech ich das Kind vor euern Augen nieder und zünde die Mühle euch
über dem Kopf an;” faßte auch das Kind, daß es laut zu schreien
anfing. Da eilte die Müllerin und wollte die Thüre öffnen, aber wie sie
davor stand, ging ihr der Gedanken durchs Herz, daß der Mörder sie nur
herauslocken wolle, um sie selbst und mit ihr das Kind in ihrem Leibe
zu tödten, so daß sie ein paar Augenblicke schwankte. Der Mann zauderte
nicht, stach dem Knaben das Messer in die Brust, lief dann um die Mühle
und suchte einen Eingang. Da fiel der Müllerin, die von dem allem
nichts wußte, ein, sie wollte die Räder in Bewegung setzen, vielleicht
lockte das am Sonntag ungewöhnliche Klappern Menschen zu ihrer Hülfe
herbei. Der Mörder aber wollte gerade durch das stehende Rad in die
Mühle sich eindrängen, hatte eben den Fuß auf eine Speiche gesetzt und
wär ohne Zweifel hineingeschlüpft, als in dem nämlichen Augenblick,
nach Gottes wundervoller Schickung, das losgelassene Rad anhub sich zu
drehen, ihn hinunterschlug und jämmerlich zermalmte.

Bald darauf kam der Müller mit seinen Knechten heim. Als er die Kammer
aufschloß, worin die Hebamme gefangen war, lag sie todt auf der Erde
und war vor Angst und Schrecken vom Schlag gerührt.




128.

Johann Hübner.

Stilling’s Leben. I. 51-54.


Auf dem Geissenberge in Westphalen stehen noch die Mauern von einer
Burg, da vor Alters Räuber gewohnt. Sie gingen Nachts in’s Land
umher, stahlen den Leuten das Vieh und trieben es dort in den Hof, wo
ein großer Stall war und darnach verkauften sie’s weit weg an fremde
Leute. der letzte Räuber, der hier gewohnt hat, hieß +Johann Hübner+.
Er hatte eiserne Kleider an und war stärker als alle andere Männer im
ganzen Land. Er hatte nur ein Auge und einen großen krausen Bart und
Haare. Am Tage saß er mit seinen Knechten in einer Ecke, wo man noch
das zerbrochene Fenster sieht, da tranken sie zusammen. Johann Hübner
sah mit dem einen Auge sehr weit durchs ganze Land umher; wenn er dann
einen Reuter sah, da rief er: “heloh! da reitet ein Reuter! ein schönes
Roß! Heloh!” Dann zogen sie hinaus, gaben acht, wann er kam, nahmen
ihm das Roß und schlugen ihn todt. Nun war ein Fürst von Dillenburg,
der schwarze Christian genannt, ein sehr starker Mann, der hörte viel
von den Räubereien des Johann Hübners, denn die Bauern kamen immer
und klagten über ihn. Dieser schwarze Christian hatte einen klugen
Knecht, der hieß +Hanns Flick+, den schickte er über Land, dem Johann
Hübner aufzupassen. Der Fürst aber lag hinten im Giller und hielt sich
da mit seinen Reutern verborgen, dahin brachten ihm auch die Bauern
Brot und Butter und Käse. Hanns Flick aber kannte den Johann Hübner
nicht, streifte im Land umher und fragte ihn aus. Endlich kam er an
eine Schmiede, wo Pferde beschlagen wurden, da stunden viele Wagenräder
an der Wand, die auch beschlagen werden sollten. Auf dieselben hatte
sich ein Mann mit dem Rücken gelehnt, der hatte nur ein Auge und ein
eisernes Wams an. Hanns Flick ging zu ihm und sagte: “Gott grüß dich,
eiserner Wams-Mann mit einem Auge! heißest du nicht Johann Hübner vom
Geissenberg?” Der Mann antwortete: “Johann Hübner vom Geissenberg liegt
auf dem Rad.” Hanns Flick verstunde das Rad auf dem Gerichtsplatz und
sagte: “war das kürzlich?” “Ja, sprach der Mann, erst heut.” Hanns
Flick glaubte doch nicht recht und blieb bei der Schmiede und gab auf
den Mann acht, der auf dem Rade lag. Der Mann sagte dem Schmied ins
Ohr, er sollte ihm sein Pferd verkehrt beschlagen, so daß das vorderste
Ende des Hufeisens hinten käme. Der Schmied that es und Johann Hübner
ritt weg. Wie er aufsaß, sagte er dem Hanns Flick: “Gott grüß dich,
braver Kerl, sage deinem Herrn, er solle mir Fäuste schicken, aber
keine Leute, die hinter den Ohren lausen.” Hanns Flick blieb stehen und
sah, wo er übers Feld in den Wald ritt, lief ihm nach, um zu sehen, wo
er bliebe. Er wollte seiner Spur nachgehen, aber Johann Hübner ritt
hin und her, die Kreuz und Queer und Hanns Flick wurde bald in den
Fußtapfen des Pferdes irre, denn wo jener hingeritten war, da gingen
die Fußtapfen zurück. Also verlor er ihn bald und wußte nicht, wo er
geblieben war. Endlich aber ertappte er ihn doch, wie er Nachts bei
Mondenschein mit seinen Knechten auf der Heide im Wald lag und geraubt
Vieh hütete. Da eilte er und sagte es dem Fürsten Christian, der ritt
in der Stille mit seinen Kerlen unten durch den Wald und sie hatten den
Pferden Moos unter die Füße gebunden. So kamen sie nah herbei, sprangen
auf ihn zu und kämpften miteinander. Der schwarze Christian und Johann
Hübner schlugen sich auf die eisernen Hüte und Wämser, daß es klang,
endlich aber blieb Johann Hübner todt und der Fürst zog in das Schloß
auf dem Geissenberg. Den Johann Hübner begruben sie in einer Ecke, der
Fürst legte viel Holz um den großen Thurm und sie untergruben ihn auch.
Am Abend, als im Dorfe die Kühe gemolken wurden, fiel der Thurm um und
das ganze Land zitterte von dem Fall. Man sieht noch die Steine den
Berg hinunter liegen. Der Johann Hübner erscheint oft um Mitternacht,
mit seinem einen Auge sitzt er auf einem schwarzen Pferd und reitet um
den Wall herum.




129.

Eppela Gaila.

+Fischart+ im Garg. (springen) über Eppelins Heuwagen.

+Rentsch+ Antiquitäten des Burggrafthums oberhalb Gebirg, aus einer ihm
1684 vom Pfarrer Meyer zu Muggendorf mitgetheilten Nachricht.

Beschreibung des Fichtelbergs. Lpz. 1716. S. 149.

+Edward Brown+ sonderbare Reisen S. 67.

+E.M. Arndt+ Bruchst. einer Reise von Baireuth nach Wien im Sommer
1798. Leipz. 1801. 8. S. 27. 28. 96.

Eppelein von Gailingen, ein Schauspiel von +Hansing+. Leipz. 1795. 8.


Vor nicht lang sangen die nürnberger Gassenbuben noch diesen alten Reim:

    Eppela Gaila von Dramaus
    reit allzeit zum vierzehnt aus;

und:

    Da reit der Nürnberger Feind aus
    Eppela Gaila von Dramaus.

In alten Zeiten wohnte im Baireuthischen bei Drameysel (einem kleinen,
nach Muggendorf eingepfarrten Dörfchen) +Eppelin von Gailing+, ein
kühner Ritter, der raubte und heerte dort herum und sonderlich
aufgesessen war er den Nürnbergern, denen schadete er, wo er mochte. Er
verstand aber das Zaubern und zumal so hatt’ er ein Rößlein, das konnte
wohl reiten und traben, damit setzte er in hohen Sprüngen über Felsen
und Risse und sprengte es über den Fluß Wiesent, ohne das Wasser zu
rühren, und über Heuwagen auf der Wiese ritt er, daß seines Rosses Huf
kein Hälmlein verletzte. Zu Gailenreuth lag sein Hauptsitz, aber rings
herum hatte er noch andere seiner Burgen und im Nu wie der Wind flog er
von einer zur andern. Von einer Bergseite war er flugs an der gegenüber
stehenden und ritt oftmals nach Sanct Lorenz in Muggendorf. Zu Nürnberg
hielten ihn weder Burgmauern auf, noch der breite Stadtgraben und
viel ander Abentheuer hat er ausgeübt. Endlich aber fingen ihn die
Nürnberger und zu Neumarkt ward er mit seinen Helfershelfern an den
Galgen gehängt. In der nürnberger Burg stehen noch seine Waffen zur
Schau und an der Mauer ist noch die Spur vom Huf seines Pferdes zu
sehen, die sich eingedrückt hatte, als er darüber sprang.




130.

Der Blumenstein.

Kurhess. Magazin 1804. Nr. 30.


Als auf dem Blumenstein bei Rotenburg in Hessen noch Ritter lebten,
wettete eines Abends ein junges, muthiges Bauernmädchen in dem
benachbarten Dorf Höhnebach, daß es um Mitternacht bei Mondschein
hinaus auf die furchtbare Burg gehen und ein Ziegelstück herabholen
wollte. Sie wagte auch den Gang, holte das Wahrzeichen und wollte
eben wieder zurückgehen, als ihr ein Hufschlag in der stillen Nacht
entgegenklang. Schnell sprang sie unter die Zugbrücke und kaum stand
sie darunter, so kam auch schon der Ritter herein und hatte eine schöne
Jungfrau vor sich, die er geraubt und deren köstliche Kleidungsstücke
er hinten aufgepackt hatte. Indem er über die Brücke ritt, fiel ein
Bündel davon herab, den hob das Bauernmädchen auf und eilte schnell
damit fort. Kaum aber hatte sie die Hälfte des Spisses, eines Berges,
der zwischen Höhnebach und dem Blumenstein liegt, erstiegen, so
hörte sie, wie der Ritter schon wieder über die Zugbrücke ausritt
und wahrscheinlich den verlorenen Bündel suchen wollte. Da blieb ihr
nichts übrig, als den Weg zu verlassen und sich in den dicken Wald
zu verbergen, bis er vorüber war. Und so rettete es seine Beute und
brachte das Wahrzeichen glücklich nach Haus.




131.

Seeburger See.

Neues hanöv. Magazin 1807. St. 13. u. St. 40.


Zwei kleine Stunden von Göttingen liegt der seeburger See. Er
vermindert sich jährlich, ist jetzt 30-40 Fuß tief und von einer guten
halben Stunde Umkreis. In der Gegend sind noch mehr Erdfälle und
gefährliche Tiefen, die auf das Daseyn eines unterirdischen Flusses
vermuthen lassen. Die Fischer erzählen folgende Sage.

In alten Zeiten stand da, wo jetzt der See ist, eine stolze Burg, auf
welcher ein Graf, Namens Isang, wohnte, der ein wildes und gottloses
Leben führte. Einmal brach er durch die heiligen Mauern des Klosters
Lindau, raubte eine Nonne und zwang sie, ihm zu Willen zu seyn. Kaum
war die Sünde geschehen, so entdeckte sich, daß diejenige, die er in
Schande gebracht, seine bis dahin ihm verborgen gebliebene Schwester
war. Zwar erschrack er und schickte sie mit reicher Buße ins Kloster
zurück, aber sein Herz bekehrte sich doch nicht zu Gott, sondern er
begann aufs neue nach seinen Lüsten zu leben. Nun geschah es, daß er
einmal seinen Diener zum Fischmeister schickte, einen Aal zu holen, der
Fischmeister aber dafür eine silber-weiße Schlange gab. Der Graf, der
etwas von der Thier-Sprache verstand, war damit gar wohl zufrieden,
denn er wußte, daß, wer von einer solchen Schlange esse, zu allen
Geheimnissen jener Sprache gelange. Er hieß sie zubereiten, verbot
aber dem Diener bei Lebensstrafe, nichts davon zu genießen. Darauf aß
er so viel, als er vermogte, aber ein weniges blieb übrig und wurde auf
der Schüssel wieder hinausgetragen; da konnte der vom Verbot gereizte
Diener seiner Lust nicht widerstehen und aß es. Dem Grafen aber fielen
nach dem Genuß alsbald alle je begangenen Sünden und Frevel aufs
Herz und standen so hell vor ihm, daß die Gedanken sich nicht davon
abwenden konnten und er vor Angst sich nicht zu lassen wußte. “Mir
ist so heiß, sprach er, als wenn ich die Hölle angeblasen hätte!” Er
ging hinab in den Garten, da trat ihm ein Bote entgegen und sprach:
“eben ist eure Schwester an den Folgen der Sünde, zu der ihr sie
gezwungen habt, gestorben.” Der Graf wendete sich in seiner Angst nach
dem Schloßhof zurück, aber da ging alles Gethier, das darin war: die
Hühner, Enten, Gänse, auf und ab und sprachen untereinander von seinem
ruchlosen Leben und entsetzlichen Frevel, den er all vollbracht, und
die Sperlinge und die Tauben auf dem Dache mengten sich in das Gespräch
und riefen Antwort herab. “Nun aber, sagten sie, haben die Sünden ihr
volles Maas und das Ende ist gekommen: in kurzer Stunde werden die
prächtigen Thürme umfallen und die ganze Burg wird versunken seyn.”
Eben als der Hahn gewaltig auf dem Dache krähte, trat der Diener, der
von der Schlange gegessen hatte, herzu und der Graf, der ihn versuchen
wollte, fragte: “was ruft der Hahn?” Der Diener, der in der Angst
sich vergaß und es wohl verstand, antwortete: “er ruft: eil! eil! eh
die Sonne untergeht, willst du dein Leben retten, eil! eil! aber zieh
allein!” “O du Verräther, sprach der Graf, so hast du doch von der
Schlange gegessen, packe zusammen, was du hast, wir wollen entfliehen.”
Der Diener lief hastig ins Schloß, aber der Graf sattelte sich selbst
sein Pferd und schon war er aufgesessen und wollte hinaus, als der
Diener zurückkam, leichen-blaß und athemlos ihm in die Zügel fiel und
flehentlich bat, ihn mitzunehmen. Der Graf schaute auf und als er sah,
wie die letzte Sonnen-Röthe an den Spitzen der Berge glühte und hörte,
wie der Hahn laut kreischte: “eil! eil! eh die Sonne untergeht, aber
zieh allein!” da nahm er sein Schwert, zerspaltete ihm den Kopf und
sprengte über die Zugbrücke hinaus. Er ritt auf eine kleine Anhöhe bei
dem Städtchen Gieboldehausen, da schaute er sich um, und als er die
Thurmspitzen seines Schlosses noch im Abendroth glänzen sah, däuchte
ihm alles ein Traum und eine Betäubung seiner Sinne. Plötzlich aber
fing die Erde an, unter seinen Füßen zu zittern, erschrocken ritt er
weiter und als er zum zweitenmal sich umschaute, waren Wall, Mauern und
Thürme verschwunden und an des Schlosses Stelle ein großer See.

Nach dieser wundervollen Errettung bekehrte sich der Graf und büßte
seine Sünden im Kloster Gieboldehausen, welchem er seine übrigen
reichen Besitzungen schenkte. Nach seiner Verordnung werden noch jetzt
reuigen Sündern an einem gewissen Tage Seelenmessen gelesen. In dem
Dorfe Berenshausen stiftete er den Chor und die Altarstühle, worüber
sogar noch ein Schenkungs-Brief da seyn soll. Auch werden noch jetzt
aus dem See behauene Quadern und Eichenbohlen herausgeholt; vor einiger
Zeit sogar zwei silberne Töpfe mit erhabenen Kränzen in getriebener
Arbeit, von denen der Wirth in Seeburg einen gekauft hat.




132.

Der Burgsee und Burgwall.

+Kosegarten+ Rhapsodien. II. 110.


In der Stubniz auf der pommerschen Insel Rügen liegt ein mächtiger
Erdwall, von hohen Buchen bewachsen und einen langrunden Kreis
umschließend, in dessen Mitte mancherlei Baumwurzeln und Steine
verstreut liegen. Hart neben dem östlichen Rande des Walles fließt
in einem runden und tiefen Kessel ein See, der +schwarze See+, oder
+Burgsee+ genannt. Jener Wall heißt der +Burgwall+. Nach der Landsage
soll in diesem Wall vor alten Zeiten der Teufel angebetet und zu seinem
Dienst eine Jungfrau unterhalten worden seyn. Wann er der Jungfrau
überdrüssig wurde, so führten sie seine Priester zu dem schwarzen See
und ersäuften sie darin.




133.

Der heil. Niclas und der Dieb.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 200. 201. aus

+Michael Saxe+ ~alphab. hist. p.~ 383.


Zu Greifswald in Pommern stund in einer Kirche St. Niclasen Bild. Eines
Nachts brach ein Dieb ein, wollte den Gotteskasten berauben und rief
den Heiligen an: “o heiliger Niclaus, ist das Geld mein oder dein?
komm, laß uns wettlaufen darum, wer zuerst zum Gotteskasten kommt,
soll gewonnen haben.” Hub damit zu laufen an, aber das Bild lief auch
und überlief den Dieb zum drittenmal; der antwortete und sprach: “mein
heil. Niclaus, du hasts redlicher gewonnen, aber das Geld ist dir doch
nicht nutz, bist von Holz und bedarfst keines; ich wills nehmen und
guten Muth dabei haben.” -- Bald darauf geschah, daß dieser Räuber
starb und begraben wurde, da kamen die Teufel aus der Hölle, holten
den Leib aus dem Grab, warfen ihn bei den beraubten Gotteskasten
und hängten ihn zuletzt vor der Stadt an eine Windmühle auf. Diese
Windmühle soll nachher immer links umgelaufen seyn.




134.

Riesensteine.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 591-593.


Man findet hin und wieder greuliche Steine, worin die Male von Händen
und Füßen eingedrückt sind und wovon die Sage ist, dieses rühre von
Riesen her, die sich vor Alters damit geworfen, oder darauf gestanden.
Ein solcher Stein liegt zu Leipzig beim Kuhthurm am Wege und die Spur
einer großen Hand mit sechs Fingern steht daraufgedruckt. Ein anderer
großer Stein ist auf dem Wege von Leipzig nach dem Dorf Hohentiegel zu
finden, dem Dorfe näher als der Stadt, darauf man ein Schmarre sieht,
als wäre sie mit einem Schlachtschwerte eingehauen.

Als Salzwedel vor uralters hart belagert wurde von einem grausamen
Feind, der sie doch nicht einbekommen mochte, weil Engel auf der
Stadtmauer hin und hergegangen, die Pfeile auffingen und die Stadt
behüteten; da erbitterte der Feldherr und wie im Lager ein großer Stein
vor ihm lag, zog er sein Schlachtschwert und sprach: “soll ich die
Stadt nicht gewinnen, so gebe Gott, daß ich in diesen Stein haue, wie
in einen Butterweck.” Als er nun hieb, gab der Stein nach, als ob er
ganz weich wäre. Dieser Stein wurde dem Prätorius an derselben Stelle
im Jahr 1649 gezeigt, auf dem Wege zwischen Salzwedel und Tielsen, und
er betastete ihn und sah mit eigenen Augen die tiefe Spalte, die er
durch die Mitte hatte.




135.

Spuren im Stein.

Mündlich, aus Hessen.


Bei der Mindner Glashütte ist ein Wald, der heißt der Geismar-Wald, da
hat vor dem dreißigjährigen Krieg eine Stadt Namens Geismar gestanden.
Daneben ist ein anderer Berg, welcher der Todtenberg heißt und dabei
ist eine Schlacht vorgefallen. Der Feldherr war anfänglich geschlagen,
hatte sich in den Geismar-Wald zurückgezogen, saß da auf einem Stein
und dachte nach, was zu thun am besten wäre. Da kam einer seiner
Hauptleute und wollte ihn bereden, die Schlacht von neuem anzufangen
und den Feind muthig anzugreifen, wo er jetzt noch siege, sey alles
gerettet. Der Feldherr aber antwortete: “nein, ich kann so wenig
siegen, als dieser Stein, auf dem ich sitze, weich werden kann!” Mit
diesen Worten stand er auf, aber seine Beine und selbst die Hand, womit
er sich beim Aufstehen auf den Stein gestützt, waren darin eingedrückt.
Wie er das Wunder sah, ließ er zur Schlacht blasen, griff den Feind mit
frischer Tapferkeit an und siegte. Noch heut zu Tag steht der Stein und
man sieht die Spuren darin ausgedrückt.




136.

Der Riesen-Finger.

vgl. Taschenbuch für Freundschaft und Liebe 1815. S. 279-281.


Am Strand der Saale, besonders aber in der Nähe von Jena, lebte ein
wilder und böser Riese; auf den Bergen hielt er seine Mahlzeit und auf
dem Landgrafenberg heißt noch ein Stück der Löffel, weil er da seinen
Löffel fallen ließ. Er war auch gegen seine Mutter gottlos und wenn
sie ihm Vorwürfe über sein wüstes Leben machte, so schalt er sie und
schmähte und ging nur noch ärger mit den Menschen um, die er Zwerge
hieß. Einmal, als sie ihn wieder ermahnte, ward er so wüthend, daß er
mit den Fäusten nach ihr schlug. Aber bei diesem Gräuel verfinsterte
sich der Tag zu schwarzer Nacht, ein Sturm zog daher und der Donner
krachte so fürchterlich, daß der Riese niederstürzte. Alsbald fielen
die Berge über ihn her und bedeckten ihn, aber zur Strafe wuchs der
kleine Finger ihm aus dem Grabe heraus. Dieser Finger aber ist ein
langer schmaler Thurm auf dem Hausberg, den man jetzt den Fuchsthurm
heißt.




137.

Riesen aus dem Unterberge.

Brixener Volksbuch.


Alte Männer aus dem Dorfe Feldkirchen, zwei Stunden von Salzburg, haben
im Jahr 1645 erzählt, als sie noch unschuldige Buben gewesen, hätten
sie aus dem Wunderberge Riesen herabgehen gesehen, die sich an die
nächst dieses Berges stehende Grödicher Pfarrkirche angelehnt, daselbst
mit Männern und Weibern gesprochen, dieselben eines christlichen
Lebens und zu guter Zucht ihrer Kinder ermahnt, damit diese einem
bevorstehenden Unglück entgingen. Sodann hätten sich diese Riesen
wiederum nach ihrem Wunderberg begeben. Die Grödicher Leute waren von
den Riesen oft ermahnt, durch erbauliches Leben sich gegen verdientes
Unglück zu sichern.




138.

Der Jetten-Bühel zu Heidelberg.

~+Freher+ orig. palat.~ I. 50.

+Kaiser+ Schauplatz von Heidelberg S. 19. 20. u. 169. 170. und andere.


Der Hügel bei Heidelberg, auf dem jetzt das Schloß stehet, wurde sonst
der +Jetten-Hügel+ genannt und dort wohnte ein altes Weib, Namens
Jetta, in einer Capelle, von der man noch Ueberreste gesehen, als der
Pfalzgraf Friedrich Kurfürst geworden war und ein schönes Schloß (1544)
baute, das der neue Hof hieß. Diese Jetta war wegen ihres Wahrsagens
sehr berühmt, kam aber selten aus ihrer Capelle und gab denen, die sie
befragten, die Antwort zum Fenster heraus, ohne daß sie sich sehen
ließ. Unter andern verkündigte sie, wie sie es in seltsamen Versen
vorbrachte, es wäre über ihren Hügel beschlossen, daß er in künftigen
Zeiten von königlichen Männern, welche sie mit Namen nannte, sollte
bewohnt, beehrt und geziert und das Thal unter demselben mit vielem
Volk besetzt werden.

Als Jetta einst bei einem schönen Tag nach dem Brunnen ging, der sehr
lustig am Fuß des Geißbergs nah am Dorf Schlürbach, eine halbe Stunde
von Heidelberg liegt und trinken wollte, wurde sie von einem Wolf, der
Junge hatte, zerrissen. Daher er noch jetzt der +Wolfsbrunnen+ heißt.
Nah dabei ist unter der Erde ein gewölbter Gang, von dem Volk das
Heidenloch genannt.




139.

Riese Haym.

+Matth. Holzwart+ Lustgart. newer deutscher Poeterei. Strasb. 1568.
~f.~ S. 164-166.

~+Pighius+ hercules prodic.~ 167.

vgl. +Joh. Müller+ Schweiz. Gesch. I. 98. N. 81.


Es war vor Zeiten ein Riese, genannt +Haym+ oder +Haymon+. Als nun ein
giftiger Drache in der Wildniß des Innthals hauste und den Einwohnern
großen Schaden that, so machte sich Haymon auf, suchte und tödtete ihn.
Dafür unterwarfen sich die Bewohner des Innthals seiner Herrschaft.
Darnach erwarb er noch größern Ruhm, indem er die Brücke über den Inn,
daher die Stadt Innsbruck den Namen führt, fester baute, weshalb sich
viel fremde Leut unter ihn begaben. Der Bischof von Chur aber taufte
ihn und Haymon erbaute zu Christi Ehren das Kloster Wilten, wo er bis
an sein Ende lebte und begraben liegt.

Zu Wilten ist sein Grab zu sehen, vierzehen Schuh, drei Zwergfinger
lang, auf dem Grab ist seine Gestalt in Rüstung aus Holz geschnitten.
Auch zeigt man in der Sacristei die Drachen-Zunge, sammt einem alten
Kelch, worauf die Passion abgebildet ist, den man vor mehr als 1100
Jahren, wie man das Fundament des Klosters grub, in der Erde gefunden,
also daß der Kelch bald nach Christi Himmelfahrt gemacht war. Neben
Haymes Grab hängt eine Tafel, worauf sein Leben beschrieben steht.




140.

Die tropfende Rippe.

Wiener Litter. Zeitung. 1813. Febr. col. 191. 192.


Im Cillerkreise der Steiermark liegt ein Ort Oberburg, auf slavisch
Gornigrad, in dessen Kirche hangt eine ungeheure Rippe, dergleichen
kein jetzt bekanntes Landthier hat. Man weiß nicht, wann sie
ausgegraben worden, die Volkssage schreibt sie einer +Heidenjungfrau+
(slavisch: ajdowska dekliza) zu, mit der Anmerkung, daß von dieser
Rippe alljährlich ein einziger Tropfen abfällt und der jüngste Tag in
der Zeit komme, wo sie ganz vertröpfelt seyn wird.




141.

Jungfrau-Sprung.

Nach +Abraham+ a St. +Clara.+


Unweit Grätz in Steier liegt ein Ort, insgemein die Wand genannt,
daselbst ist ein hoher Berg, welcher den Namen +Jungfrausprung+ schon
von etlichen hundert Jahren her führt. Als nämlich auf eine Zeit ein
üppiger und gottloser Gesell einem ehrbaren Bauer-Mägdlein lang und
ungestüm nachstrebte und er sie zuletzt nach vielen Ausspähungen auf
besagtem Berg ertappte, erschrack sie und wagte einen Sprung. Sie
sprang von dem Berg über den ganzen Fluß, Mur genannt, bis auf einen
andern hohen Bühel jenseits. Davon heißt der Berg Jungfrausprung.




142.

Der Stierenbach.

~+Scheuchzer+ iter alp. p. 12.~ u. Kupfertafel 11.

Alpenrosen. 1813. S. 28. 29.


Mitten durch das Thal der Surenalp ergießt sich der +Stierenbach+,
der aus dem Surenersee entspringt und einer gemeinen Sage nach, die
sowohl die Leute in Uri, als in Engelsberg erzählen, durch folgende
Geschichte den Namen erhalten haben soll. Vor mehrern hundert Jahren
lebte hier ein Alpenhirt, der in seiner Heerde ein Lamm hatte, worauf
er besonders viel hielt und dem er so zugethan war, daß er darauf
verfiel, es taufen zu lassen und ihm einen Christennamen beizulegen.
Was geschieht? Der Himmel, um diesen Frevel zu rächen, wandelte das
Lamm in ein scheußliches Gespenst, welches bei Tag und Nacht auf der
fruchtbaren Alpe umherging, alle Gräser und Kräuter abweidete und
den Strich so verheerte, daß die Engelsberger fürder kein Vieh mehr
darauf halten konnten. Zu denen von Uri kam aber ungefähr ein fahrender
Schüler und rieth, wie sie das Unthier zu vertreiben hätten. Nämlich
sie sollten neun Jahr lang ein Stier-Kalb mit purer Milch auffüttern,
das erste Jahr von einer einzigen Kuh, das zweite von der Milch zweier,
das dritte dreier Kühe und so fort; nach Ablauf der neun Jahre den
solchergestalt mit Milch auferzogenen Ochsen durch eine reine Jungfrau
auf die Alpe führen lassen. Die Urer hofften auf guten Lohn von den
Engelsbergern und nährten einen solchen Stier auf der Alpe Waldnacht,
wo man noch heut zu Tag seinen Stall weist, genannt den +Stiergaden+.
Wie nun der Stier zu seinen Jahren gekommen war, leitete ihn eine
unbefleckte Jungfrau über den Felsengrat und ließ ihn da laufen. Der
Stier, als er sich frei sah, ging sogleich auf das Gespenst los und
fing einen Kampf mit ihm an. Der Streit war so hart und wüthig, daß
der Stier zwar das Ungeheuer zuletzt überwand, aber der Schweiß von
seinem Leib heruntertroff. Da stürzte er zu einem vorbeifließenden
Bach und trank so viel Wasser, daß er auf der Stelle des Todes war.
Davon hat der Bach seitdem den Namen +Stierenbach+ und außerdem zeigen
die Einwohner noch jetzo die Felsen und Steine vor, in denen sich die
Hinterklauen des Stiers, während des heftigen Kampfes, eingedrückt
haben.




143.

Die Männer im Zottenberg.

+Seyfried’s+ ~medulla. p.~ 478-481.

~+Nic. Henelius ab Hennenfeld+~ in ~Silesiographia renovata c. 11. §.
13.~

Beschreibung des Fichtelbergs. Leipz. 1716. S. 59-63.

+Valvassor+ Ehre von Crain I. 247.


Im 16. Jahrhundert lebte in Schweidnitz ein Mann, Johannes Beer
genannt. Im Jahr 1570, als er seiner Gewohnheit nach zu seiner
Lust auf den nah gelegenen Zottenberg ging, bemerkte er zum
erstenmal eine Oeffnung, aus der ihm beim Eingang ein gewaltiger
Wind entgegenwehte. Erschrocken ging er zurück, bald darauf aber,
am Sonntag Quasimodogeniti, beschloß er von neuem die Höhle zu
untersuchen. Er kam in einen engen, geraden Felsengang, ging einem
fernschimmernden Lichtstrahl nach und gelangte endlich zu einer
beschlossenen Thüre, in der eine Glasscheibe war, die jenes wundersame
Licht warf. Auf dreimaliges Anklopfen ward ihm geöffnet und er sah
in der Höhle an einem runden Tisch drei lange abgemergelte Männer in
altdeutscher Tracht sitzen, betrübte und zitternde. Vor ihnen lag ein
schwarzsammtenes, goldbeschlagenes Buch. Hierauf redete er sie mit:
“~pax vobis!~” an und bekam zur Antwort: “~hic nulla pax!~” Weiter
vorschreitend rief er nochmals: “~pax vobis in nomine domini!~”
erzitternd mit kleiner Stimme versetzten sie: “~hic non pax.~” Indem
er vor den Tisch kam, wiederholte er: “~pax vobis in nomine domini
nostri Jesu Christi!”~ worauf sie verstummten und ihm jenes Buch
vorlegten, welches geöffnet den Titel hatte: ~liber obedientiae~. Auf
Beer’s Frage: wer sie wären? gaben sie zur Antwort: sie kennten sich
selber nicht. “Was sie hier machten?” -- “Sie erwarteten in Schrecken
das jüngste Gericht und den Lohn ihrer Thaten.” -- “Was sie bei
Leibes-Leben getrieben?” Hier zeigten sie auf einen Vorhang, hinter dem
allerlei Mordgewehre hingen, Menschen-Gerippe und Hirnschädel. “Ob sie
sich zu diesen bösen Werken bekennten?” -- “Ja!” -- “Ob es gute oder
böse?” -- “Böse.” -- “Ob sie ihnen leid wären?” Hierauf schwiegen sie
still, aber erzitterten: “sie wüßtens nicht!”

Die schlesische Chronik gedenkt eines Raubschlosses auf dem
Zottenberge, dessen Ruinen noch zu sehen sind.




144.

Verkündigung des Verderbens.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 38.


Als die Magdeburger im Jahr 1550 am 22. September mit dem Herzog Georg
von Mecklenburg Schlacht halten sollten, ist ihnen bei ihrem Auszuge
vor dem Dorf Barleben, eine Meile Wegs von der Stadt ein langer,
ansehnlicher, alter Mann, der Kleidung nach einem Bauersmanne nicht
unähnlich, begegnet und hat gefragt, wo sie mit dem Kriegs-Volk und der
Kriegs-Rüstung hinausgedächten? Und da er ihres Vorhabens berichtet
worden, hat er sie gleich mit aufgehobenen Händen herzlich gebäten
und gewarnt, von ihrem Vorsatze abzustehen, wieder heim zu kehren,
ihre Stadt in Acht zu nehmen und ja des Orts und sonderlich in dieser
Zeit nichts zu beginnen, weil eben auch vor zweihundert Jahren die
Magdeburger auf den St. Moriz Tag und an demselben Orte, an dem Wasser
Ohra geschlagen worden; wie ein jeder, der es wüßte, in der Tafel der
St. Johannes Kirche zu Magdeburg lesen könnte. Und würde ihnen, wofern
sie fortführen, gewiß auch diesmal glücklicher nicht ergehen. Ob nun
wohl etliche sich über das Wesen und die Rede des Mannes verwunderten,
so haben doch ihrer sehr viel ihn gespottet und die Warnung höhnisch
verlacht, von welchen Spöttern hernach doch keiner in der Schlacht
unerschlagen oder ungefangen geblieben seyn soll. Man sagt, er sey
als ein gar alter eis-grauer Mann erschienen, aber solches schönen,
holdseligen, röthlichen und jungen Angesichtes, daß es zu verwundern
gewesen. Und demnach es leider gefolgt, wie er geweißagt, hat man
allenthalben Nachforschung nach solchem Manne gehabt, aber niemand
erfahren können, der ihn zuvor oder nachher gesehen hätte.




145.

Das Männlein auf dem Rücken.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 584. 585.


Als im März 1669 nach Torgau hin ein Seiler seines Wegs gewandelt, hat
er einen Knaben auf dem Felde angetroffen, der auf der Erde zum Spiel
niedergesessen und ein Bret vor sich gehabt. Wie nun der Seiler solches
im Ueberschreiten verrückt, hat das Knäblein gesprochen: “warum stoßt
ihr mir mein Bret fort? mein Vater wirds euch danken!” Der Seiler
geht immer weiter und nach hundert Schritten begegnet ihm ein klein
Männlein, mit grauem Bart und ziemlichem Alter, von ihm begehrend,
daß er es tragen möge, weil es zum Gehen ermüdet sey. Diese Anmaßung
verlacht der Seiler, allein es springet auf seine Schultern, so daß
er es ins nächste Dorf hocken muß. Nach zehn Tagen stirbt der Seiler.
Als darüber sein Sohn kläglich jammert, kommt das kleine Bübchen zu
ihm, mit dem Bericht, er solle sich zufrieden geben, es sey dem Vater
sehr wohl geschehen. Weiter wolle er ihn, benebenst der Mutter, bald
nachholen, denn es würde in Meißen eine schlimme Zeit erfolgen.




146.

Gottschee.

Volks-Sagen. Eisenach. 1795. 173-188.


In der unter-crainischen Stadt Gottschee wohnen Deutsche, die
sich in Sprache, Tracht und Sitten sehr von den anderen Crainern
unterscheiden. Nahe dabei liegt eine alte, denselben Namen tragende
und dem Fürsten Auersperg zuhörende Burg, von der die umwohnenden
Leute mancherlei Dinge erzählen. Noch jetzt wohnt ein Jägersmann mit
seinen Hausleuten in dem bewohnbaren Theil der verfallenen Burg und
dessen Vorfahren einem soll einmal ganz besonders mit den da hausenden
Geistern folgendes begegnet seyn.

Die Frau dieses Jägers war in die Stadt hinunter gegangen, er selbst,
von Schläfrigkeit befallen, hatte sich unter eine Eiche vor dem Schloß
gestreckt. Plötzlich so sah er den ältesten seiner beiden Knaben, die
er schlafend im Haus verlassen, auf sich zukommen, wie als wenn er
geführt würde. Zwar keinen Führer erblickte er, aber das fünfjährige
Kind hielt die Linke stets in der Richtung, als ob es von jemanden
daran gefaßt wäre. Mit schnellen Schritten eilte es vorbei und einem
jähen Abgrund zu. Erschrocken sprang der Vater auf, sein Kind zu
retten Willens, faßte es rasch und mühte sich, die linke Hand von
dem unsichtbaren Führer loszumachen. Mit nicht geringer Anstrengung
bewerkstelligte er das zuletzt und riß die Hand des Kindes los aus
einer andern, die der Jäger nicht sah, aber eiskalt zu seyn fühlte.
Das Kind war übrigens unerschrocken und erzählte: wie daß ein alter
Mann gekommen sey, mit langem Bart, rothen Augen, in schwarze Kleider
angethan und ein ledernes Käppchen auf, habe sich freundlich angestellt
und ihm viel schöne Sachen versprochen, wenn es mit ihm gehen wolle,
darauf sey es ihm an der Hand gefolgt.

Abends desselben Tags hörte der Jäger sich bei seinem Namen rufen; als
er die Thüre aufmachte, stand der nämliche Alte draußen und winkte.
Der Jäger folgte und wurde an eben denselben Abgrund geleitet. Der
Felsen that sich auf, sie stiegen eine Steintreppe ab. Unterwegs
begegnete ihnen eine Schlange, nachher gelangten sie in eine immer
heller werdende Gruft. Sieben Greise, mit kahlen Häuptern, in tiefem
Schweigen saßen in einem länglichten Raume. Weiter ging der Jäger
durch einen engen Gang in ein kleines Gewölbe, wo er einen kleinen
Sarg stehen sah, dann in ein größeres, wo ihm der Greis 28 große
Särge zeigte, in den Särgen lagen Leichname beiderlei Geschlechts.
Unter den Verblichenen fand er einige bekannte Gesichter, wovon er
sich jedoch nicht zu erinnern wußte, wo sie ihm vorgekommen waren.
Nach diesem wurde der Jäger in einen hellerleuchteten Saal geführt,
worin 38 Menschen saßen, worunter vier sehr junge Frauen, und ein
Fest begingen. Allein alle waren todtenblaß und keiner sprach ein
Wort. Durch eine rothe Thür führte der Alte den Jäger zu einer Reihe
altfränkisch gekleideter Leute, deren verschiedene der Jäger auch zu
erkennen meinte, der Greis küßte den ersten und den letzten. Nunmehr
beschwor der Jäger den Führer, ihm zu sagen, wer diese alle seyen und
ob ein Lebendiger ihnen die noch entbehrte Ruhe wiedergeben könne?
“Lauter Bewohner dieses Schlosses sind es, versetzte hohlstimmig der
Alte, die weitere Bewandniß kannst du aber jetzt noch nicht erfahren,
sondern wirst es demnächst einmal.” Nach diesen Worten wurde der Jäger
sanft hinausgeschoben und merkte, daß er in einem naßfeuchten Gewölbe
war. Er fand eine alte verfallene Treppe und diese in die Höhe steigend
gelangte er in einen etwas weiteren Raum, von wo aus er durch ein
kleines Loch vergnügt den Himmel und die Sterne erblickte. Ein starkes
Seil, woran er stieß und das Rauschen von Wasser ließ ihn muthmaßen,
er befinde sich auf dem Grunde einer hinter dem Schlosse befindlichen
Cisterne, von wo aus man das Wasser mittelst eines Rades hinaufwand.
Allein unglücklicherweise kam niemand in drei ganzen Tagen zum Brunnen,
erst am Abend des vierten ging des Jägers Frau hin, die sehr staunte,
als sie in dem schweren Eimer ihren todtgeglaubten Mann herauszog.

Die Verheißung des alten Wegweisers blieb indessen unerfüllt, doch
erfuhr der Jäger, daß er ihn in dem Vorgeben, diese Geister seyen
die alten Schloßbewohner, nicht belogen hätte. Denn als er einige
Zeit darauf in dem fürstlichen Saal die Bilder der Ahnen betrachtete,
erkannte er in ihren Gesichtszügen die in der Höhle gesehenen Leute und
Leichen wieder.




147.

Die Zwerge auf dem Baum.

Mündlich aus dem Haslithal, in +Wyß+ Volkssagen S. 320.


Des Sommers kam die Schaar der Zwerge häufig aus den Flühen herab
ins Thal und gesellte sich entweder hülfreich oder doch zuschauend
den arbeitenden Menschen, namentlich zu den Mädern im Heuer (der
Heuernte). Da setzten sie sich denn wohl vergnügt auf den langen und
dicken Ast eines Ahorns ins schattige Laub. Einmal aber kamen boshafte
Leute und sägten bei Nacht den Ast durch, daß er blos noch schwach am
Stamme hielt, und als die arglosen Geschöpfe sich am Morgen darauf
niederließen, krachte der Ast vollends entzwei, die Zwerge stürzten auf
den Grund, wurden ausgelacht, erzürnten sich heftig und schrien:

    O wie ist der Himmel so hoch
    und die Untreu’ so groß!
    heut hierher und nimmermehr!

Sie hielten Wort und ließen sich im Lande niemals wiedersehen.




148.

Die Zwerge auf dem Felsstein.

Mündlich aus der Gegend von Gadmen mitgetheilt durch +Wyß+ S. 320.


Es war der Zwerglein Gewohnheit, sich auf einen großen Felsstein zu
setzen und von da den Heuern zuzuschauen. Aber ein Paar Schälke
machten Feuer auf den Stein, ließen ihn glühend werden und fegten dann
alle Kohlen hinweg. Am Morgen kam das winzige Volk und verbrannte sich
jämmerlich; rief voll Zornes:

    “O böse Welt, o böse Welt!”

und schrie um Rache und verschwand auf ewig.




149.

Die Füße der Zwerge.

Aus dem Mund eines bernerischen Bauern mitgetheilt in +Wyß+
Volkssagen S. 101-118.


Vor alten Zeiten wohnten die Menschen im Thal und rings um sie in
Klüften und Höhlen die Zwerge, freundlich und gut mit den Leuten, denen
sie manch schwere Arbeit Nachts verrichteten; wenn nun das Landvolk
frühmorgens mit Wagen und Geräthe herbeizog und erstaunte, daß alles
schon gethan war, steckten die Zwerge im Gesträuch und lachten hell
auf. Oftmals zürnten die Bauern, wenn sie ihr noch nicht ganz zeitiges
Getreide auf dem Acker niedergeschnitten fanden, aber als bald Hagel
und Gewitter hereinbrach und sie wohl sahen, daß vielleicht kein
Hälmlein dem Verderben entronnen seyn würde, da dankten sie innig dem
voraussichtigen Zwergvolk. Endlich aber verscherzten die Menschen
durch ihren Frevel die Huld und Gunst der Zwerge, sie entflohen und
seitdem hat sie kein Aug wieder erblickt. Die Ursache war diese: ein
Hirt hatte oben am Berg einen trefflichen Kirschbaum stehen. Als die
Früchte eines Sommers reiften, begab sich, daß dreimal hintereinander
Nachts der Baum geleert wurde und alles Obst auf die Bänke und Hürden
getragen war, wo der Hirt sonst die Kirschen aufzubewahren pflegte. Die
Leute im Dorf sprachen: “das thut niemand anders, als die redlichen
Zwerglein, die kommen bei Nacht in langen Mänteln mit bedeckten Füßen
daher getrippelt, leise wie Vögel und schaffen den Menschen emsig ihr
Tagwerk. Schon vielmal hat man sie heimlich belauscht, allein man
stört sie nicht, sondern läßt sie kommen und gehen.” Durch diese Reden
wurde der Hirt neugierig und hätte gern gewußt, warum die Zwerge so
sorgfältig ihre Füße bärgen und ob diese anders gestaltet wären, als
Menschenfüße. Da nun das nächste Jahr wieder der Sommer und die Zeit
kam, daß die Zwerge heimlich die Kirschen abbrachen und in den Speicher
trugen, nahm der Hirt einen Sack voll Asche und streute die rings um
den Baum herum aus. Den andern Morgen mit Tagesanbruch eilte er zur
Stelle hin, der Baum war richtig leer gepflückt, und er sah unten in
der Asche die Spuren von vielen Gänsfüßen eingedrückt. Da lachte der
Hirt und spottete, daß der Zwerge Geheimniß verrathen war. Bald aber
zerbrachen und verwüsteten diese ihre Häuser und flohen tiefer in den
Berg hinab, grollen dem Menschengeschlecht und versagen ihm ihre Hülfe.
Jener Hirt, der sie verrathen hatte, wurde siech und blödsinnig fortan
bis an sein Lebensende.




150.

Die wilden Geister.

+Hormaier’s+ Geschichte Tyrols. I. 141. 142.


Unter den vicentinischen und veronesischen Deutschen wagts von der
zweiten Hälfte December bis gegen das Ende der ersten Jännerhälfte
selbst der kühnsten Jäger keiner, die Wildbahn zu besuchen. Sie
fürchten den +wilden Mann+ und die +Waldfrau+. Die Hirten treiben zu
dieser Zeit das Vieh nicht, Kinder hohlen das Wasser in irdenen Gefäßen
von der nächsten Quelle und die Heerden werden im Stall getränkt. Auch
spinnen die Weiber der +Waldfrau+ ein Stück Haar am Rocken und werfen
es ihr ins Feuer, um sie zu versühnen. Am Vorabend des Festes wird
die Hausküche und jeder Ort, wo ein Rauchfang ist oder eine Öffnung
aus der Luft herabfährt, mit Asche bestreut. Dann achtet man auf die
+Fußtritte+ in der Asche und sieht an ihrer Lage, Größe und zumal
daran: ob sie ein- oder ausgehen? welche gute oder böse Geister das
Haus besuchen.




151.

Die Heilingszwerge.

+Spieß+ Vorrede zu seinem Hans Heiling.


Am Fluß Eger zwischen dem Hof Wildenau und dem Schlosse Aicha ragen
ungeheuer große Felsen hervor, die man vor Alters den +Heilingsfelsen+
nannte. Am Fuß derselben erblickt man eine Höhle, inwendig gewölbt,
auswendig aber nur durch eine kleine Oeffnung, in die man den Leib
gebückt kriechen muß, erkennbar. Diese Höhle wurde von kleinen
Zwerglein bewohnt, über die zuletzt ein unbekannter alter Mann, des
Namens +Heiling+, als Fürst geherrscht haben soll. Einmal vorzeiten
ging ein Weib aus dem Dorfe Taschwitz bürtig, am Vorabend von Peter
Pauli, in den Forst und wollte Beeren suchen; es wurde ihr Nacht und
sie sah neben diesem Felsen ein schönes Haus stehen. Sie trat hinein
und als sie die Thüre öffnete, saß ein alter Mann an einem Tische,
schrieb emsig und eifrig. Die Frau bat um Herberge und wurde willig
angenommen. Außer dem alten Mann war aber kein lebendes Wesen im
ganzen Gemach, allein es rumorte heftig in allen Ecken, der Frau ward
greulich und schauerlich und sie fragte den Alten: “wo bin ich denn
eigentlich?” Der Alte versetzte: “daß er Heiling heiße, bald aber auch
abreisen werde, denn zwei Drittel meiner Zwerge sind schon fort und
entflohen.” Diese sonderbare Antwort machte das Weib nur noch unruhiger
und sie wollte mehr fragen, allein er gebot ihr Stillschweigen und
sagte nebenbei: “wäret ihr nicht gerade in dieser merkwürdigen Stunde
gekommen, solltet ihr nimmer Herberge gefunden haben.” Die furchtsame
Frau kroch demüthig in einen Winkel und schlief sanft und wie sie den
Morgen mitten unter den Felssteinen erwachte, glaubte sie geträumt zu
haben, denn nirgends war ein Gebäude da zu ersehen. Froh und zufrieden,
daß ihr in der gefährlichen Gegend kein Leid widerfahren sey, eilte
sie nach ihrem Dorfe zurück, es war alles so verändert und seltsam.
Im Dorf waren die Häuser neu und anders aufgebaut, die Leute, die ihr
begegneten, kannte sie nicht und wurde auch nicht von ihnen erkannt.
Mit Mühe fand sie endlich die Hütte, wo sie sonst wohnte, und auch die
war besser gebaut; nur dieselbe Eiche beschattete sie noch, welche
einst ihr Großvater dahin gepflanzt hatte. Aber wie sie in die Stube
treten wollte, ward sie von den unbekannten Bewohnern als eine Fremde
vor die Thüre gewiesen und lief weinend und klagend im Dorf umher. Die
Leute hielten sie für wahnwitzig und führten sie vor die Obrigkeit, wo
sie verhört und ihre Sache untersucht wurde; siehe da, es fand sich in
den Gedenk- und Kirchenbüchern, daß grad vor hundert Jahren an eben
diesem Tag eine Frau ihres Namens, welche nach dem Forst in die Beeren
gegangen, nicht wieder heimgekehrt sey und auch nicht mehr zu finden
gewesen war. Es war also deutlich erwiesen, daß sie volle hundert Jahr
im Felsen geschlafen hatte und die Zeit über nicht älter geworden war.
Sie lebte nun ihre übrigen Jahre ruhig und sorgenlos aus und wurde von
der ganzen Gemeinde anständig verpflegt zum Lohn für die Zauberei, die
sie hatte erdulden müssen.




152.

Der Abzug des Zwergvolks über die Brücke.

+Otmar+’s Volkssagen.


Die kleinen Höhlen in den Felsen, welche man auf der Südseite des
Harzes, sonderlich in einigen Gegenden der Grafschaft Hohenstein
findet, und die größtentheils so niedrig sind, daß erwachsene Menschen
nur hineinkriechen können, theils aber einen räumigen Aufenthaltsort
für größere Gesellschaften darbieten, waren einst von Zwergen bewohnt
und heißen nach ihnen noch jetzt Zwerglöcher. Zwischen Walkenried
und Neuhof in der Grafschaft Hohenstein hatten einst die Zwerge zwei
Königreiche. Ein Bewohner jener Gegend merkte einmal, daß seine
Feldfrüchte alle Nächte beraubt wurden, ohne daß er den Thäter
entdecken konnte. Endlich ging er auf den Rath einer weisen Frau bei
einbrechender Nacht an seinem Erbsenfelde auf und ab und schlug mit
einem dünnen Stabe über dasselbe in die bloße Luft hinein. Es dauerte
nicht lange, so standen einige Zwerge leibhaftig vor ihm. Er hatte
ihnen die unsichtbar machenden Nebelkappen abgeschlagen. Zitternd
fielen die Zwerge vor ihm nieder und bekannten: daß ihr Volk es
sey, welches die Felder der Landesbewohner beraubte, wozu aber die
äußerste Noth sie zwänge. Die Nachricht von den eingefangenen Zwergen
brachte die ganze Gegend in Bewegung. Das Zwergvolk sandte endlich
Abgeordnete und bot Lösung für sich und die gefangenen Brüder, und
wollte dann auf immer das Land verlassen. Doch die Art des Abzuges
erregte neuen Streit. Die Landeseinwohner wollten die Zwerge nicht mit
ihren gesammelten und versteckten Schätzen abziehen lassen und das
Zwergvolk wollte bei seinem Abzuge nicht gesehen seyn. Endlich kam
man dahin überein, daß die Zwerge über eine schmale Brücke bei Neuhof
ziehen, und daß jeder von ihnen in ein dorthin gestelltes Gefäß einen
bestimmten Theil seines Vermögens, als Abzugszoll werfen sollte, ohne
daß einer der Landesbewohner zugegen wäre. Dies geschah. Doch einige
Neugierige hatten sich unter die Brücke gesteckt, um den Zug der Zwerge
wenigstens zu hören. Und so hörten sie denn viele Stunden lang das
Getrappel der kleinen Menschen; es war ihnen als wenn eine sehr große
Heerde Schaafe über die Brücke ging. -- Seit dieser letzten großen
Auswanderung des Zwergvolks lassen sich nur selten einzelne Zwerge
sehen. Doch zu den Zeiten der Elterväter stahlen zuweilen einige in den
Berghöhlen zurückgebliebene aus den Häusern der Landesbewohner kleine
kaum geborene Kinder, die sie mit Wechselbälgen vertauschten.




153.

Der Zug der Zwerge über den Berg.

+Otmar’s+ Volkssagen.


Auch auf der Nordseite des Harzes wohnten einst viele tausend
Zwerge oder Kröpel, in den Felsklüften und den noch vorhandenen
Zwerglöchern. Bei Seehausen, einem magdeburgischen Städtchen, zeigt
man ebenfalls solche Kröppellöcher. Aber nur selten erschienen sie den
Landesbewohnern in sichtbarer Gestalt, gewöhnlich wandelten sie, durch
ihre Nebelkappen geschützt, ungesehen und ganz unbemerkt unter ihnen
umher. Manche dieser Zwerge waren gutartig und den Landesbewohnern
unter gewissen Umständen sehr behülflich; bei Hochzeiten und Kindtaufen
borgten sie mancherlei Tischgeräthe aus den Höhlen der Zwerge. Nur
durfte sie niemand zum Zorn reizen, sonst wurden sie tückisch und
bösartig und thaten dem, der sie beleidigte, allen möglichen Schaden
an. In dem Thal zwischen Blankenburg und Quedlinburg bemerkte einmal
ein Becker, daß ihm immer einige der gebackenen Brote fehlten und doch
war der Dieb nicht zu entdecken. Dieser beständig fortdauernde geheime
Diebstahl machte, daß der Mann allmählig verarmte. Endlich kam er auf
den Verdacht, die Zwerge könnten an seinem Unheil Schuld seyn. Er
schlug also mit einem Geflechte von schwanken Reisern so lange um sich
her, bis er die Nebelkappen einiger Zwerge traf, die sich nun nicht
mehr verbergen konnten. Es wurde Lärm. Man ertappte bald noch mehrere
Zwerge auf Diebereien und nöthigte endlich den ganzen Ueberrest des
Zwergvolkes auszuwandern. Um aber die Landeseinwohner einigermaßen für
das gestohlene zu entschädigen und zugleich die Zahl der Auswandernden
überrechnen zu können, wurde auf dem jetzt sogenannten Kirchberg bei
dem Dorfe Thale, wo sonst Wendhausen lag, ein groß Gefäß hingestellt,
worin jeder Zwerg ein Stück Geld werfen mußte. Dieses Faß fand sich
nach dem Abzuge der Zwerge ganz mit alten Münzen angefüllt. So groß
war ihre Zahl. Das Zwergvolk zog über Wahrnstedt (unweit Quedlinburg)
immer nach Morgen zu. Seit dieser Zeit sind die Zwerge aus der Gegend
verschwunden. Selten ließ sich seitdem hier und da ein einzelner sehen.




154.

Die Zwerge bei Dardesheim.

+Otmar+.


Dardesheim ist ein Städtchen zwischen Halberstadt und Braunschweig.
Dicht an seiner nordöstlichen Seite fließt ein Quell des schönsten
Wassers, welcher der +Smansborn+ (Leßmannsborn) heißt und aus einem
Berge quillt, in dem vormals die Zwerge wohnten. Wenn die ehmaligen
Einwohner der Gegend ein Feierkleid oder zu einer Hochzeit ein seltenes
Geräthe brauchten, so gingen sie vor diesen Zwergberg, klopften
dreimal an und sagten mit deutlicher, vernehmlicher Stimme ihr
Anliegen, und

    frühmorgens eh die Sonn aufgeht,
    schon alles vor dem Berge steht.

Die Zwerge fanden sich hinlänglich belohnt, wenn ihnen etwas von den
festlichen Speisen vor den Berg hingesetzt wurde. Nachher allmälig
störten Streitigkeiten das gute Vernehmen des Zwergvolks und der
Landeseinwohner. Anfangs auf kurze Zeit, aber endlich wanderten die
Zwerge aus, weil ihnen die Neckworte und Spöttereien vieler Bauern
unerträglich waren, so wie der Undank für erwiesene Gefälligkeiten.
Seit der Zeit sieht und hört man keine Zwerge mehr.




155.

Schmidt Riechert.

+Otmar+.


Den dardesheimer Zwergberg zieht auf der östlichen Seite ein Stück
Acker hinan. Dieses Feld hatte einst ein Schmidt, Namens +Riechert+,
mit Erbsen bestellt. Er bemerkte, als sie am wohlschmeckendsten waren,
daß sie häufig ausgepflückt wurden. Um dem Erbsendieb aufzulauern,
baute sich Riechert ein Hüttchen auf seinen Acker und wachte Tags und
Nachts dabei; bei Tage entdeckte er keine Veränderung, aber alle Morgen
sah er, daß seines Wachens unerachtet über Nacht das Feld bestohlen
war. Voll Verdruß über seine mißlungene Mühe, beschloß er, die noch
übrigen Erbsen auf dem Acker auszudreschen. Mit Tagesanbruch begann
Schmidt Riechert seine Arbeit. Aber noch hatte er nicht die Hälfte der
Erbsen ausgedroschen, so hörte er ein klägliches Schreien, und beim
Nachsuchen fand er auf der Erde unter den Erbsen einen der Zwerge, dem
er mit seinem Dreschflegel den Schädel eingeschlagen hatte, und der nun
sichtbar wurde, weil ihm seine Nebelkappe verloren gegangen war. Der
Zwerg floh eilends in den Berg zurück.




156.

Grinken-Schmidt.

Mündlich, im Münsterland.


In den Detterberge, drei Stunden von Mönster, do wuhrnde vor ollen
Tieden en wilden Man, de hedde Grinken-Schmidt, un de lag in en deip
Lok unner de Erde, dat is nu ganz met Greß un Strüker bewassen; men man
kann doch noch seihn, wo et west is. In düt Lok hadde he sine Schmiede,
un he mock so eislike-rohre Saken, de duerden ewig, un sine Schlörter
konn kien Mensk orpen kriegen sonner Schlürtel. An de Kerkendöhr to
Nienberge sall auk en Schlott von em sien, do sind de Deiwe all vör
west, men se könnt et nich to Schande maken. Wenn der denn ne Hochtied
was, queimen de Bueren un lenden von Grienken en Spitt, do mosten se
em en Broden vör gierwen. Kam auk es en Buer vör dat Lok un sede:
“Grinken-Schmidt, giff mi en Spitt” -- “krigst kien Spitt, giff mi en
Broden” -- “krigst kinen Broden, holt dien Spitt.” Do word Grienken so
hellig aße der to, un reep: “wahr du, dat ik kienen Broden nierme.” De
Buer gonk den Berg enbilink no sin Hues, do lag sien beste Perd in en
Stall un een Been was em utrierten, dat was Grinken-Schmidt sien Broden.

       *       *       *       *       *

+wuhrnde, nierme, utrierten+: wohnte, nehme, ausgerissen.
+eislike-rohr+: sehr rar. +sunner+: ohne. +Spitt+: Spieß. +Broden+:
Braten. +so hellig aße der to+: so böse als möglich. +enbilink+:
entlang.




157.

Die Hirtenjungen.

+Spieß+ Vorrede zum Hans Heiling.


Am Johannistag kamen zwei Hirtenknaben, indem sie den jungen Vögeln
nachstellten, in die Gegend des Heilingsfelsen und erblickten unten
an demselben eine kleine Thüre offenstehen. Die Neugierde trieb sie
hinein; in der Ecke standen zwei große Truhen, eine geöffnet, die
andere verschlossen. In der offnen lag ein großer Haufen Geld, sie
griffen hastig danach und füllten ihre Brotsäcklein voll. Drauf kams
ihnen greulich; sie eilten nach der Thüre, glücklich trat der erste
durch. Als aber der zweite folgte, knarrten die Angel fürchterlich,
er machte einen jähen großen Sprung nach der Schwelle, die Thüre fuhr
schnell zu und riß ihm noch den hölzernen Absatz seines linken Schuhes
ab. So kam er noch heil davon und sie brachten das Geld ihren erfreuten
Eltern heim.




158.

Die Nußkerne.

Mündlich, aus dem Corvei’schen.


Zwei junge Bursche, der Peter und Knipping zu Wehren im Corvei’schen,
wollten Vogelnester suchen, der Peter aber, weil er erstaunend faul
war, nachdem er ein wenig umgeschaut, legte sich unter einen Baum und
schlief ein. Auf einmal wars ihm, als packte ihn einer an den Ohren,
so daß er aufwachte und herumsah, aber niemand erblickte. Also legte
er den Kopf wieder und schlief aufs neue ein. Da kams zum zweitenmal
und packte ihn an den Ohren, als er aber niemand gewahr werden konnte,
schlief er zum drittenmal ein. Aber zum drittenmal ward er wieder
gezupft, da war er das Ding müde, stand auf und wollte sich einen
andern Ort suchen, wo er in Ruhe liegen könnte. Auf einmal aber sah er
vor sich das Fräulein von Willberg gehen, das knackte Nüsse entzwei
und steckte die Schalen in die Tasche und warf die Kerne auf die Erde.
Als die Nüsse zu Ende gingen, war sie verschwunden. Der Peter aber war
immer hinter ihr hergegangen, hatte die Nüsse aufgelesen und gegessen.
Darauf kehrte er um, suchte den Knipping und erzählte ihm alles, was er
gesehen hatte. Da gingen sie nach Haus, holten noch andere zur Hilfe
und fingen an, da, wo das Fräulein verschwunden war, zu graben und
kamen auf eine alte Küche, darin noch altes Kochgeräth stand, endlich
in einen Keller mit Tonnen voll Geld. Sie nahmen so viel, als sie
tragen konnten und wollten den andern Tag wieder kommen, aber alles war
fort und sie konnten die Stätte gar nicht wieder finden, sie mochten
suchen, wie sie wollten. Der Peter baute sich von seinem Geld ein Haus,
darin er noch lebt.




159.

Der soester Schatz.

+Simplicissimus+ Buch ~III. cap.~ 13.


Im dreißigjährigen Krieg befand sich unweit der Stadt Soest in
Westphalen ein altes Gemäuer, von dem die Sage ging, daß darin eine
eiserne Truhe voll Geldes wäre, welche ein schwarzer Hund hütete,
sammt einer verfluchten Jungfrau. Nach der Erzählung der Großeltern
werde einstens ein fremder Edelmann ins Land kommen, die Jungfrau
erlösen und mit einem feurigen Schlüssel den Kasten eröffnen. Mehrere
fahrende Schüler und Teufelsbanner hätten sich bei Mannsgedenken
dahin begeben, um zu graben, wären aber so seltsam empfangen und
abgewiesen worden, daß es seithero niemand weiter gelüstet; besonders
nach ihrer Eröffnung, daß der Schatz keinem zu Theil werden könne,
der nur ein einziges mal Weibermilch getrunken. Vor kurzer Zeit noch
wäre ein Mägdlein aus ihrem Dorf nebst etlichen Geisen an den Ort zu
weiden gewesen, und, als deren eine sich in das Gemäuer verlaufen,
nachgefolgt. Da sey eine Jungfrau inwendig im Hof gewesen und habe es
angeredet: was es da zu schaffen? auch nach erhaltenem Bescheid, auf
ein Körblein Kirschen weisend, weiter gesagt: “so gehe und nimm dort
von dem, was du vor dir siehest, mit sammt deiner Gais, komm aber
nicht wieder, noch sieh dich um, damit dir nichts Arges beschehe!”
Darauf habe das erschrockene Kind sieben Kirschen ertappet und sey in
Angst aus der Mauer gekommen; die Kirschen seyen aber sogleich zu Geld
geworden.




160.

Das quellende Silber.

+Happel+ ~relat. curios. III.~ 529.


Im Februar des Jahrs 1605. unter dem Herzog Heinrich Julius von
Braunschweig trug sich zu, daß eine Meile Wegs von Quedlinburg, zum
Thal genannt, ein armer Bauer seine Tochter in den nächsten Busch
schickte, Brenn-Holz aufzulesen Das Mädchen nahm dazu einen Trag-Korb
und einen Hand-Korb mit und als es beide angefüllt hatte und nach
Haus gehen wollte, trat ein weißgekleidetes Männlein zu ihm hin und
fragte: “was trägst du da?” “Aufgelesenes Holz, antwortete das Mädchen,
zum Heizen und Kochen.” “Schütte das Holz aus, sprach weiter das
Männlein, nimm deine Körbe und folge mir; ich will dir etwas zeigen,
das besser und nützlicher ist, als das Holz.” Nahm es dabei an der
Hand, führte es zurück an einen Hügel und zeigte ihm einen Platz, etwa
zweier gewöhnlichen Tische breit, ein schön lauter Silber von kleiner
und großer Münze von mäßiger Dicke, darauf ein Bild, wie eine Maria
gestaltet und rings herum ein Gepräge von uralter Schrift. Als dieses
Silber in großer Menge gleichsam aus der Erde hervorquoll, entsetzte
sich das Mägdlein davor und wich zurück; wollte auch nicht seinen
Hand-Korb von Holz ausschütten. Hierauf thats das weiße Männlein
selbst, füllte ihn mit dem Geld und gab ihn dem Mägdlein und sprach:
“das wird dir besser seyn, als Holz.” Es nahm ihn voll Bestürzung und
als das Männlein begehrte, es sollte auch seinen Trag-Korb ausschütten
und Silber hinein fassen, wehrte es ab und sprach: “es müsse auch Holz
mit heim bringen, denn es wären kleine Kinder daheim, die müßten eine
warme Stube haben und dann müßte auch Holz zum Kochen da seyn.” Damit
war das Männlein zufrieden und sprach: “nun so ziehe damit hin” und
verschwand darauf.

Das Mädchen brachte den Korb voll Silber nach Haus und erzählte,
was ihm begegnet war. Nun liefen die Bauern haufenweis mit Hacken
und anderm Geräth in das Wäldchen und wollten sich ihren Theil vom
Schatz auch holen, aber niemand konnte den Ort finden, wo das Silber
hervorgequollen war.

Der Fürst von Braunschweig hat sich von dem geprägten Silber ein Pfund
holen lassen, so wie sich auch ein Bürger aus Halberstadt, N. Everkan,
eins gelöst.




161.

Goldsand auf dem Unterberg.

Brixener Volksbuch.


Im Jahr 1753. ging ein ganz mittelloser, beim Hofwirth zu St. Zeno
stehender Dienstknecht, Namens Paul Mayr, auf den Berg. Als er unweit
dem Brunnenthal fast die halbe Höhe erreicht hatte, kam er zu einer
Steinklippe, worunter ein Häuflein Sand lag. Weil er schon so manches
gehört hatte und nicht zweifelte, daß es Goldsand wäre, füllte er sich
alle Taschen damit und wollte voll Freude nach Haus gehen; aber in dem
Augenblick stand ein fremder Mann vor seinem Angesicht und sprach:
“was tragst du da?” Der Knecht wußte vor Schrecken und Furcht nichts
zu antworten, aber der fremde Mann ergriff ihn, leerte ihm die Taschen
aus und sprach: “jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, sondern einen
andern und sofern du dich hier wieder sehen läßt, wirst du nicht mehr
lebend davon kommen.” Der gute Knecht ging heim, aber das Gold reizte
ihn also, daß er beschloß, den Sand noch einmal zu suchen, und einen
guten Gesellen mitnahm. Es war aber alles umsonst und dieser Ort ließ
sich nimmermehr finden.

Ein andermal verspätete sich ein Holzmeister auf dem Berge und mußte
in einer Höhle die Nacht zubringen. Anderen Tages kam er zu einer
Steinklippe, aus welcher ein glänzend schwerer Goldsand herabrieselte.
Weil er aber kein Geschirr bei sich hatte, ging er ein ander Mal hinauf
und setzte das Krüglein unter. Und als er mit dem angefüllten Krüglein
hinweg ging, sah er unweit dieses Orts eine Thüre sich öffnen, durch
die er schaute, und da kam es ihm natürlich vor, als sehe er in den
Berg hinein und darin eine besondere Welt mit einem Tageslicht, wie
wir es haben. Die Thüre blieb aber kaum eine Minute lang offen; wie
sie zuschlug, hallte es in den Berg hinein, wie in ein großes Weinfaß.
Dieses Krüglein hat er sich allzeit angefüllt nach Haus tragen können,
nach seinem Tode aber ist an dem Gold kein Seegen gewesen. Jene Thüre
hat in folgender Zeit niemand wieder gesehen.




162.

Gold-Kohlen.

Brixener Volksbuch.


Im Jahr 1753 ging von Salzburg eine Kräutel-Brockerin auf den
Wunderberg; als sie eine Zeit lang auf demselben herumgegangen war,
kam sie zu einer Steinwand, da lagen Brocken, grau und schwarz, als wie
Kohlen. Sie nahm davon etliche zu sich und als sie nach Haus gekommen,
merkte sie, daß in solchen klares Gold vermischt war. Sie kehrte
alsbald wieder zurück auf den Berg, mehr davon zu holen, konnte aber
alles Suchens ungeachtet den Ort nicht mehr finden.




163.

Der Brunnen zu Steinau.

+Bange+ thüring. Chronik. Bl. 105.


Im Jahr 1271. waren dem Abt Berold zu Fulda seine eignen Unterthanen
feind und verschworen sich wider sein Leben. Als er einmal in der St.
Jacobs Capelle Messe las, überfielen ihn die Herrn von Steinau, von
Eberstein, Albrecht von Brandau, Ebert von Spala, und Ritter Conrad
und erschlugen ihn. Bald hernach wurden diese Räuber selbdreißig, mit
zwanzig Pferden, zu Hasselstein auf dem Kirchenraub betrappt, mit dem
Schwert hingerichtet und ihre Wohnungen zerbrochen. Dieser That halben
haben die Herrn von Steinau in ihrem Wappen hernachmals drei Räder
mit drei Scheermessern führen müssen und an der Stätte, da sie das
Verbündniß über den Abt gemacht, nämlich bei Steinau (an der Straße im
Hanauischen) an einem Brunnen auf einem Rasen wächst noch zur Zeit kein
Gras.




164.

Die fünf Kreuze.

Mündlich, aus Höxter.


Vor dem Klausthor in Höxter, welches nach Pyrmont führt, gleich linker
Hand stehen an dem Wege fünf alte Steine, welche die fünf Kreuze
heißen, vermuthlich weil es versunkene Kreuze sind. Nun geht die
Sage, es seyen fünf Hühnen dabei erschlagen worden; nach andern fünf
Grafen von Reischach; wieder nach andern sind fünf Bürger von Tilly im
dreißigjährigen Krieg aufgehängt worden.




165.

Der Schwerttanz zu Weißenstein.

+Winkelmann+ hess. Chronik S. 375. aus dem Mund alter Leute.


Unfern Marburg liegt ein Dorf Wehre und dabei ein spitzer Berg, auf
dem vor alten Zeiten eine Raubburg gestanden haben soll, genannt der
Weißenstein, und Trümmer davon sind noch übrig. Aus diesem Schloß
wurde den Umliegenden großer Schaden zugefügt, allein man konnte den
Räubern nicht beikommen, wegen der Feste der Mauer und Höhe des Bergs.
Endlich verfielen die Bauern aus Wehre auf eine List. Sie versahen sich
heimlich mit allerhand Wehr und Waffen, gingen zum Schloß hinauf und
gaben den Edelleuten vor, daß sie ihnen einen Schwerttanz[6] bringen
wollten. Unter diesem Schein wurden sie eingelassen; da entblößten
sie ihre Waffen und hieben das Raubvolk tapfer nieder, bis sich die
Edelleute auf Gnaden ergaben und von den Bauern sammt der Burg ihrem
Landesfürsten überliefert wurden.


  [6] Die Sitte des hessischen Schwerttanzes, sammt dem Lied der
      Schwerttänzer wird anderswo mitgetheilt werden.




166.

Der Steintisch zu Bingenheim.

+Winkelmann+ Beschr. von Hessen S. 184. aus dem Mund des dauernheimer
Pastors Draud.


In dem hessischen Ort Bingenheim in der Wetterau wurden ehmals vor
dem Rathhaus unter der Linde jährlich drei Zentgerichte gehalten,
wozu sich viel vornehmer Adel, der in der fuldischen Mark angesessen
war, leiblich einfand. Unter der Linde stand ein steinerner Tisch,
von dem erzählt wurde: er sey aus dem hohen Berg, einem gegen Staden
hin gelegenen Walde, dahin gebracht worden. In diesem Walde hätten
früherhin wilde Leute gehaust, deren Handgriffe man noch in den Steinen
sähe und von denen sich noch drei ausgehöhlte Steinsitze vorfänden. Im
Jahr 1604. bei Sommerszeit habe man in gedachtem Wald an hellem Tag
drei Leute in weißer Gestalt umwandern sehen.




167.

Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof.

+Widmann+ in der Höfer Chronik.


Vor diesem Sterben (der Pest zu Hof im Jahr 1519.) hat sich bei Nacht
ein großer, schwarzer, langer Mann in der Mordgasse sehen lassen,
welcher mit seinen ausgebreiteten Schenkeln die zwei Seiten der Gassen
betreten und mit dem Kopf hoch über die Häuser gereicht hat; welchen
meine Ahnfrau Walburg Widmännin, da sie einen Abend durch gedachte
Gasse gehen müssen, selbst gesehen, daß er den einen Fuß bei der
Einfurt des Wirthshauses, den andern gegenüber auf der andern Seite bei
dem großen Haus gehabt. Als sie aber vor Schrecken nicht gewußt, ob
sie zurück oder fortgehen sollen, hat sie es in Gottes Namen gewagt,
ein Kreuz vor sich gemacht, und ist mitten durch die Gasse und also
zwischen seinen Beinen hindurch gegangen, weil sie ohne das besorgen
müssen, solch Gespenst mögte ihr nacheilen. Da sie kaum hindurch
gekommen, schlägt das Gespenst seine beiden Beine hinter ihr so hart
zusammen, daß sich ein solch groß Geprassel erhebet, als wann die
Häuser der ganzen Mordgasse einfielen. Es folgte darauf die große Pest
und fing das Sterben in der Mordgasse am ersten an.




168.

Krieg und Frieden.

+Gottfr. Schulz+ Chronik. S. 542.

+Bräuner’s + Curiositäten S. 279.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 665.


Im Jahr 1644. am achtzehnten August zog Kurfürst Johann Georg der Erste
an der Stadt Chemnitz vorbei. Da fingen seine Leute in dem Gehölz der
Gegend ein wildes Weiblein, das nur eine Elle groß, sonst aber recht
menschlich gestaltet war. Angesicht, Hände und Füße waren glatt, aber
der übrige Leib rauch. Es fing an zu reden und sagte: “ich verkündige
und bringe den Frieden im Lande.” Der Kurfürst befahl, man sollte
es wieder frei gehen lassen, weil vor etwa fünf und zwanzig Jahren
auch ein Männlein von gleicher Gestalt gefangen worden, welches den
Unfrieden und Krieg verkündiget.




169.

Rodensteins Auszug.

Mündlich.

vgl. Zeitung f. die eleg. Welt. 1811. Nr. 126.

und Reichsanzeiger 1806. Nr. 129. 160. 198. 206.


Nah an dem zum gräflich erbachischen Amt Reichenberg gehörigen Dorf
Oberkainsbach, umweit dem Odenwald, liegen auf einem Berge die Trümmer
des alten Schlosses Schnellerts; gegenüber eine Stunde davon, in
der rodsteiner Mark, lebten ehemals die Herrn von Rodenstein, deren
männlicher Stamm erloschen ist. Noch sind die Ruinen ihres alten
Raubschlosses zu sehen.

Der letzte Besitzer desselben hat sich besonders durch seine Macht,
durch die Menge seiner Knechte und des erlangten Reichthums berühmt
gemacht; von ihm geht folgende Sage. Wenn ein Krieg bevorsteht, so
zieht er von seinem gewöhnlichen Aufenthalts-Ort Schnellerts bei
grauender Nacht aus, begleitet von seinem Hausgesind und schmetternden
Trompeten. Er zieht durch Hecken und Gesträuche, durch die Hofraithe
und Scheune Simon Daum’s zu Oberkainsbach bis nach dem Rodenstein,
flüchtet gleichsam als wolle er das seinige in Sicherheit bringen.
Man hat das Knarren der Wagen und ein ho! ho! Schreien, die Pferde
anzutreiben, ja selbst die einzelnen Worte gehört, die einherziehendem
Kriegsvolk vom Anführer zugerufen werden und womit ihm befohlen wird.
Zeigen sich Hoffnungen zum Frieden, dann kehrt er in gleichem Zuge vom
Rodenstein nach dem Schnellerts zurück, doch in ruhiger Stille und man
kann dann gewiß seyn, daß der Frieden wirklich abgeschlossen wird[7].
Ehe Napoleon im Frühjahr 1815. landete, war bestimmt die Sage, der
Rodensteiner sey wieder in die Kriegburg ausgezogen.


  [7] Bei dem erbachischen Amt Reichenberg zu Reichelsheim hat man
      viele Personen deshalb abgehört; die Protokolle fangen mit
      dem Jahr 1742 an und endigen mit 1764. Im Juli 1792 war ein
      Auszug. Im Jahr 1816 erneuern sich in der Rheingegend ähnliche
      Gerüchte und Aussagen. Einige nennen statt des Rodensteiners den
      +Lindenschmied+, von dem das bekannte Volkslied anhebt: “es ist
      noch nicht lang, daß es geschah, daß man den Lindenschmied reiten
      sah auf seinem hohen Rosse, er ritt den Rheinstrom auf und ab, er
      hats gar wohl genossen.” Andere sagen, daß Schnellert aus seiner
      Burg nach dem Rodenstein auszöge, um seinen geschwornen Todfeind,
      den Rodensteiner, auch noch als Geist zu befehden.




170.

Der Tannhäuser.

Nach dem alten Volkslied in +Prätorius+ Blocksberg. Lpzg. 1668. S.
19-25.

+Agricola+ Sprichwort 667. p. m. 322 b.


Der edle Tannhäuser, ein deutscher Ritter, hatte viele Länder
durchfahren und war auch in Frau Venus Berg zu den schönen Frauen
gerathen, das große Wunder zu schauen. Und als er eine Weile darin
gehaust hatte, fröhlich und guter Dinge, trieb ihn endlich sein
Gewissen, wieder herauszugehen in die Welt und begehrte Urlaub. Frau
Venus aber bot alles auf, um ihn wanken zu machen: sie wolle ihm eine
ihrer Gespielen geben zum ehlichen Weibe und er möge gedenken an ihren
rothen Mund, der lache zu allen Stunden. Tannhäuser antwortete: kein
ander Weib gehre er, als die er sich in den Sinn genommen, wolle nicht
ewig in der Hölle brennen und gleichgültig sey ihm ihr rother Mund,
könne nicht länger bleiben, denn sein Leben wäre krank geworden. Und
da wollte ihn die Teufelin in ihr Kämmerlein locken, der Minne zu
pflegen, allein der edle Ritter schalt sie laut und rief die himmlische
Jungfrau an, daß sie ihn scheiden lassen mußte. Reuevoll zog er
die Straße nach Rom zu Papst Urban, dem wollte er alle seine Sünde
beichten, damit ihm Buße aufgelegt würde und seine Seele gerettet wäre.
Wie er aber beichtete, daß er auch ein ganzes Jahr bei Frauen Venus im
Berg gewesen, da sprach der Papst: “wann dieser dürre Stecken grünen
wird, den ich in der Hand halte, sollen dir deine Sünden verziehen
seyn, und nicht anders.” Der Tannhäuser sagte: “und hätte ich nur noch
ein Jahr leben sollen auf Erden, so wollte ich solche Reu und Buße
gethan haben, daß sich Gott erbarmt hätte;” und vor Jammer und Leid,
daß ihn der Papst verdammte, zog er wieder fort aus der Stadt und von
neuem in den teuflischen Berg, ewig und immerdar drinnen zu wohnen.
Frau Venus aber hieß ihn willkommen, wie man einen langabwesenden
Buhlen empfängt; danach wohl auf den dritten Tag hub der Stecken an zu
grünen und der Papst sandte Botschaft in alle Land, sich zu erkundigen,
wohin der edle Tannhäuser gekommen wäre. Es war aber nun zu spät, er
saß im Berg und hatte sich sein Lieb erkoren, daselbst muß er nun
sitzen, bis zum jüngsten Tag, wo ihn Gott vielleicht anderswohin weisen
wird. Und kein Priester soll einem sündigen Menschen Mißtrost geben,
sondern verzeihen, wenn er sich anbietet zu Buß und Reue.




171.

Der wilde Jäger Hackelberg.

+Hans Kirchhof+ im Wendunmuth. IV. Nr. 283. S. 342. 343.


Vorzeiten soll im Braunschweiger Land ein Jägermeister gewesen seyn,
+Hackelberg+ genannt, welcher zum Waidwerk und Jagen solch große
Lust getragen, daß, da er jetzt an seinem Todbett lag, und vom Jagen
so ungern abgeschieden, er von Gott soll begehrt und gebeten haben
(ohnzweifellich aus Ursach seines christlichen und gottseeligen Lebens
halber, so er bisher geführt), daß er für sein Theil Himmelreich bis
zum jüngsten Tag am Sölling mögt jagen. Auch deßwegen in ermeldte
Wildniß und Wald sich zu begraben befohlen, wie geschehen. Und wird
ihm sein gottloser, ja teuflischer Wunsch verhängt, denn vielmal wird
ein gräulich und erschrecklich Hornblasen und Hundsgebell die Nacht
gehört: jetzt hie, ein andermal anderswo in dieser Wildniß, wie mich
diejenigen, die solch Gefährd auch selbst angehört, berichtet. Zudem
soll es gewiß seyn, daß, wenn man Nachts ein solch Jagen vermerkt und
am folgenden Tag gejagd wird, einer ein Arm, Bein, wo nicht den Hals
gar bricht, oder sonst ein Unglück sich zuträgt.

Ich bin selbst (ist mir recht im Jahr 1558), als ich von Einbeck übern
Sölling nach Ußlar geritten und mich verirrte, auf des Hackelbergers
Grab ungefähr gestoßen. War ein Platz, wie eine Wiese, doch von
unartigem Gewächs und Schilf in der Wildniß, etwas länger denn breit,
mehr denn ein Acker zu achten; darauf kein Baum sonst stund wie um die
Ende. Der Platz kehrte sich mit der Länge nach Aufgang der Sonne, unten
am Ende lag die Zwerch, ein erhabener rother (ich halt Wacken-) Stein,
bei acht oder neun Schuhen lang und fünfe, wie mich däuchte, breit. Er
war aber nicht, wie ein anderer Stein, gegen Osten, sondern mit dem
einen Vorhaupt gegen Süden, mit dem andern gegen Norden gekehret.

Man sagte mir, es vermögte niemand dieses Grab aus Vorwitz oder mit
Fleiß, wie hoch er sich deß unterstünde, zu finden, käme aber jemand
ungefähr, lägen etliche gräuliche schwarze Hunde daneben. Solches
Gespensts und Wusts ward ich aber im geringsten nicht gewahr, sonst
hatte ich wenig Haare meines Haupts, die nicht empor stiegen.




172.

Der wilde Jäger und der Schneider.

Mündlich, aus Münster.


Ein Schneider saß einmal auf seinem Tische am Fenster und arbeitete,
da fuhr der wilde Jäger mit seinen Hunden über das Haus her und das
war ein Lärmen und Bellen, als wenn die Welt verginge. Man sagt sonst
den Schneidern nach, sie seyen furchtsam, aber dieser war es nicht,
denn er spottete des wilden Jägers und schrie: “huhu, huhu, kliffklaff,
kliffklaff!” und hetzte die Hunde noch mehr an; da kam aber ein
Pferdefuß ins Fenster hereingefahren und schlug den Schneider vom
Tische herab, daß er wie todt niederfiel. Als er wieder zur Besinnung
kam, hörte er eine fürchterliche Stimme:

    wust du met mi jagen,
    dan sost du auk met mi knagen!

ich weiß gewiß, er wird nie wieder den wilden Jäger geneckt haben.




173.

Der Hoselberg[8].

+Bange+ thüring. Chronik ~fol.~ 57.

+Kornmann+ ~mons Veneris~ Cap. 74. p. 374.

+Seyfried+ ~medulla~ p. 482.

vgl. +Agricola+ Sprüchwort 301.


Im Lande zu Thüringen nicht fern von Eisenach liegt ein Berg,
genannt der +Höselberg+, worin der Teufel haust und zu dem die Hexen
wallfahrten. Zuweilen erschallt jämmerliches Heulen und Schreien her
daraus, das die Teufel und armen Seelen ausstoßen; im Jahr 1398. am
hellen Tage erhoben sich bei Eisenach drei große Feuer, brannten eine
Zeitlang in der Luft, thaten sich zusammen und wieder von einander und
fuhren endlich alle drei in diesen Berg. Fuhrleute, die ein andermal
mit Wein vorbeigefahren kamen, lockte der böse Feind mit einem Gesicht
hinein und wies ihnen etliche bekannte Leute, die bereits in der
höllischen Flamme saßen.

Die Sage erzählt: einmal habe ein König von Engelland mit seiner
Gemahlin, Namens Reinschweig, gelebt, die er aus einem geringen Stand,
blos ihrer Tugend willen, zur Königin erhoben. Als nun der König
gestorben war, den sie aus der Maßen lieb hatte, wollte sie ihrer Treu
an ihm nicht vergessen, sondern gab Almosen und betete für die Erlösung
seiner Seele. Da war gesagt, daß ihr Herr sein Fegfeuer zu Thüringen im
Höselberg hätte, also zog die fromme Königin nach Deutschland und baute
sich unten am Berg eine Capelle, um zu beten, und rings umher entstand
ein Dorf. Da erschienen ihr die bösen Geister, und sie nannte den Ort
+Satansstedt+, woraus man nach und nach +Sattelstedt+ gemacht hat.


  [8] Man findet gleichbedeutig: Horsel- Hursel- Hosel- Oselberg. Die
      eigentliche Ableitung von Ursel, Usel ~(favilla)~ liegt nahe.




174.

Des Rechenbergers Knecht.

+Agricola+ im Sprüchw. 301. Bl. 172.

+Kirchhof’s+ Wendunmuth ~V. Nr.~ 247-249. S. 304. 305.

+Luther’s+ Tisch-Reden. 106.


Es sagte im Jahr 1520. Herr Hans von Rechenberg in Beiseyn Sebastians
Schlick und anderer viel ehrlicher und rechtlicher Leute, wie seinem
Vater und ihm ein Knecht zur Zeit, da König Matthias in Ungarn gegen
den Türken gestritten, treulich und wohl gedienet hätte viel Jahr, also
daß sie nie einen bessern Knecht gehabt. Auf eine Zeit aber ward ihm
Botschaft an einen großen Herrn auszurichten vertrauet und da Herr Hans
meinte, der Knecht wäre längst hinweg, ging er von ohngefähr in den
Stall, da fand er den Knecht auf der Streu bei den Pferden liegen und
schlafen, ward zornig und sprach, wie das käme? Der Knecht stand auf
und zog einen Brief aus dem Busen, sagte: “da ist die Antwort.” Nun war
der Weg ferne und unmöglich einem Menschen, daß er da sollte gewesen
seyn. Dabei ward der Knecht erkannt, daß es ein Geist gewesen wäre.
Bald nach diesem wurde er auf eine Zeit bedrängt von den Feinden, da
hob der Knecht an: “Herr, erschrecket nicht, gebt eilends die Flucht,
ich aber will zurückreiten und Kundschaft von den Feinden nehmen.”
Der Knecht kam wieder, klingelte und klapperte feindlich in seinen
vollgepfropften Taschen. “Was hast du da?” sprach der Herr. “Ich hab
allen ihren Pferden die Eisen abgebrochen und weggenommen, die bring
ich hier.” Damit schüttete er die Hufeisen aus und die Feinde konnten
Herrn Hansen nicht verfolgen.

Herr Hans von Rechenberg sagte auch: der Knecht wäre zuletzt wegkommen,
niemand wüßte wohin, nachdem man ihn erkannt hätte.

Kirchhof, welcher von einem andern Edelmann, der sich aus dem Stegreif
ernährt, die Sage erzählt, hat noch folgende Züge. Einmal ritt sein
Herr fort und befahl ihm ein Pferd, das ihm sehr lieb war: er sollt
dessen fleißig warten. Als der Junker weg war, führte der Knecht das
Pferd auf einen hohen Thurm, höher denn zehn Stufen; wie aber der Herr
wieder kam, vernahm und kannte es ihn im Hineinreiten, steckte den Kopf
oben im Thurm zum Fenster hinaus und fing an zu schreien, daß er sich
gar sehr verwunderte und es mit Stricken und Seilen mußte vom Thurm
herablassen.

Auf eine andere Zeit lag der Edelmann um eines Todschlags willen
gefangen und rief den Knecht an, daß er ihm hülfe. Sprach der Knecht:
“obschon es schwer ist, will ichs doch thun, doch müßt ihr nicht viel
mit den Händen vor mir flattern und Schirmstreich brauchen.” Damit
meinte er ein Kreuz vor sich machen und sich segnen. Der Edelmann
sprach, er sollte nur fortfahren, er wollte sich damit recht halten.
Was geschah? Er nahm ihn mit Ketten und Fesseln, führte ihn in der Luft
daher; wie sich aber der Edelmann in der Höhe fürchtet und schwindelt
und rief: “hilf Gott! hilf! wo bin ich!” ließ er ihn herunter in einen
Pfuhl fallen, kam heim und zeigte es der Frau an, daß sie ihn holen und
heilen ließ, wie sie that.




175.

Geister-Kirche.

+Widmann’s+ Höfer Chronik.

Mündliche Erzählungen aus dem Paderbörnischen.


Um das Jahr 1516 hat sich eine wunderbare, doch wahrhaftige Geschichte
in St. Lorenz Kirche und auf desselben Kirchhof zugetragen. Als eine
andächtige, alte, fromme Frau, ihrer Gewohnheit nach, einsmals früh
Morgens vor Tag hinaus gen St. Lorenz in die Engelmesse gehen wollen,
in der Meinung, es sey die rechte Zeit, kommt sie um Mitternacht vor
das obere Thor, findet es offen und geht also hinaus in die Kirche,
wo sie dann einen alten, unbekannten Pfaffen die Messe vor dem Altar
verrichten sieht. Viele Leut, mehrers Theils unbekannte, sitzen hin und
wieder in den Stühlen zu beiden Seiten, eines Theils ohne Köpf, auch
unter denselben etliche, die unlängst verstorben waren und die sie in
ihrem Leben wohl gekannt hatte.

Das Weib setzt sich mit großer Furcht und Schrecken in der Stühle einen
und, weil sie nichts denn verstorbene Leute, bekannte und unbekannte,
siehet, vermeint, es wären der Verstorbenen Seelen; weiß auch nicht,
ob sie wieder aus der Kirche gehen oder drinnen bleiben soll, weil
sie viel zu früh kommen wär, und Haut und Haar ihr zu Berge steigen.
Da geht eine aus dem Haufen, welche bei Leben, wie sie meinte, ihre
Gevatterin gewesen und vor dreien Wochen gestorben war, ohne Zweifel
ein guter Engel Gottes, hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen (Mantel),
beutet ihr einen guten Morgen und spricht: “ei! liebe Gevatterin,
behüt uns der allmächtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch
um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt eben acht auf, wann
der Priester wandelt oder segnet, so laufet, wie ihr laufen könnt und
sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben.” Darauf sie,
als der Priester wandeln will, aus der Kirche geeilet, so sehr sie
gekonnt, und hat hinter ihr ein gewaltig Prasseln, als wann die ganze
Kirche einfiele, gehöret, ist ihr auch alles Gespenst aus der Kirche
nachgelaufen und hat sie noch auf dem Kirchhof erwischt, ihr auch die
Kursen (wie die Weiber damals trugen) vom Hals gerissen, welche sie
dann hinter sich gelassen und ist sie also unversehret davon kommen und
entronnen. Da sie nun wiederum zum obern Thor kommt und herein in die
Stadt gehen will, findet sie es noch verschlossen, dann es etwa um ein
Uhr nach Mitternacht gewesen: mußt derowegen wohl bei dreien Stunden
in einem Haus verharren bis das Thor geöffnet wird und kann hieraus
vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen
habe und daß die Schweine, die sie anfangs vor dem Thor gesehen und
gehört, gleich als wenn es Zeit wäre, das Vieh auszutreiben, nichts
anders, dann der leidige Teufel gewesen. Doch, weil es ein beherztes
Weib ohne das gewesen und sie dem Unglück entgangen, hat sie sich
des Dings nicht mehr angenommen, sondern ist zu Haus gegangen und
am Leben unbeschädigt blieben, obwohl sie wegen des eingenommenen
Schreckens zwei Tag zu Bett hat liegen müssen. Denselben Morgen aber,
da ihr solches zu Handen gestoßen, hat sie, als es nun Tag worden,
auf den Kirchhof hinausgeschicket und nach ihrer Kursen, ob dieselbe
noch vorhanden, umsehen und suchen lassen; da ist dieselbe zu kleinen
Stücklein zerrissen gefunden worden, also daß auf jedem Grabe ein
kleines Flecklein gelegen, darob sich die Leut, die haufenweis
derohalben hinaus auf den Kirchhof liefen, nicht wenig wunderten.

Diese Geschichte ist unsern Eltern sehr wohl bekannt gewesen, da
man nicht allein hie in der Stadt, sondern auch auf dem Land in den
benachbarten Orten und Flecken davon zu sagen gewußt, wie dann noch
heutiges Tags Leute gefunden werden, die es vor der Zeit von ihren
Eltern gehört und vernommen haben. --

Nach mündlichen Erzählungen hat es sich in der Nacht vor dem
Aller-Seelen-Tag zugetragen, an welchem die Kirche feierlich das
Gedächtniß der abgeschiedenen Seelen begeht. Als die Messe zu Ende ist,
verschwindet plötzlich alles Volk aus der Kirche, so voll sie vorher
war, und sie wird ganz leer und finster. Sie sucht ängstlich den Weg
zur Kirchthüre und wie sie heraustritt, schlägt die Glocke im Thurm ein
Uhr und die Thüre fährt mit solcher Gewalt gleich hinter ihr zu, daß
ihr schwarzer Regenmantel eingeklemmt wird. Sie läßt ihn, eilt fort und
als sie am Morgen kommt, ihn zu holen, ist er zerrissen und auf jedem
Grabhügel liegt ein Stücklein davon.




176.

Geister-Mahl.

+Bräuner’s+ Curiositäten S. 336-340.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus. S. 426.


Als König Friedrich der Dritte von Dänemark eine öffentliche
Zusammenkunft nach Flensburg ausgeschrieben, trug sich zu, daß ein
dazu herbeigereister Edelmann, weil er spät am Abend anlangte, in
dem Gasthaus keinen Platz finden konnte. Der Wirth sagte ihm, alle
Zimmer wären besetzt, bis auf ein einziges großes, darin aber die
Nacht zuzubringen wolle er ihm selbst nicht anrathen, weil es nicht
geheuer und Geister darin ihr Wesen trieben. Der Edelmann gab seinen
unerschrockenen Muth lächelnd zu erkennen und sagte, er fürchte keine
Gespenster und begehre nur ein Licht, damit er, was sich etwa zeige,
besser sehen könne. Der Wirth brachte ihm das Licht, welches der
Edelmann auf den Tisch setzte und sich mit wachenden Augen versichern
wollte, daß Geister nicht zu sehen wären. Die Nacht war noch nicht
halb herum, als es anfing, im Zimmer hier und dort sich zu regen und
rühren und bald ein Rascheln über das andere sich hören ließ. Er hatte
anfangs Muth, sich wider den anschauernden Schrecken fest zu halten,
bald aber, als das Geräusch immer wuchs, ward die Furcht Meister, so
daß er zu zittern anfing, er mogte widerstreben, wie er wollte. Nach
diesem Vorspiel von Getöse und Getümmel kam durch ein Kamin, welches im
Zimmer war, das Bein eines Menschen herabgefallen, bald auch ein Arm,
dann Leib, Brust und alle Glieder, zuletzt, wie nichts mehr fehlte,
der Kopf. Alsbald setzten sich die Theile nach ihrer Ordnung zusammen
und ein ganz menschlicher Leib, einem Hof-Diener ähnlich, hob sich
auf. Jetzt fielen immer mehr und mehr Glieder herab, die sich schnell
zu menschlicher Gestalt vereinigten, bis endlich die Thüre des Zimmers
aufging und der helle Haufen eines völligen königlichen Hofstaats
eintrat.

Der Edelmann, der bisher wie erstarrt am Tisch gestanden, als er sah,
daß der Zug sich näherte, eilte zitternd in einen Winkel des Zimmers;
zur Thür hinaus konnte er vor dem Zuge nicht.

Er sah nun, wie mit ganz unglaublicher Behendigkeit die Geister eine
Tafel deckten; alsbald köstliche Gerichte herbeitrugen und silberne
und goldene Becher aufsetzten. Wie das geschehen war, kam einer zu ihm
gegangen und begehrte, er solle sich als ein Gast und Fremdling zu
ihnen mit an die Tafel setzen und mit ihrer Bewirthung vorlieb nehmen.
Als er sich weigerte, ward ihm ein großer silberner Becher dargereicht,
daraus Bescheid zu thun. Der Edelmann, der vor Bestürzung sich nicht
zu fassen wußte, nahm den Becher und es schien auch, als würde man
ihn sonst dazu nöthigen, aber als er ihn ansetzte, kam ihn ein so
innerliches, Mark und Bein durchdringendes Grausen an, daß er Gott um
Schutz und Schirm laut anrief. Kaum hatte er das Gebät gesprochen, so
war in einem Augenblick alle Pracht, Lärm und das ganze glänzende Mahl
mit den herrlich scheinenden stolzen Geistern verschwunden.

Indessen blieb der silberne Becher in seiner Hand, und wenn auch alle
Speisen verschwunden waren, blieb doch das silberne Geschirr auf
der Tafel stehen, auch das eine Licht, das der Wirth ihm gebracht.
Der Edelmann freute sich und glaubte, das alles sey ihm gewonnenes
Eigenthum, allein der Wirth that Einspruch, bis es dem König zu Ohren
kam, welcher erklärte, daß das Silber ihm heimgefallen wäre und es zu
seinen Handen nehmen ließ. Woher es gekommen, hat man nicht erfahren
können, indem auch nicht, wie gewöhnlich, Wappen und Namen eingegraben
war.




177.

Der Dachdecker.

Mündlich.


Ein junger Dachdecker sollte sein Meisterstück machen und auf der
Spitze eines glücklich fertigen Thurms die Rede halten. Mitten im
Spruch aber fing er an zu stocken und rief plötzlich seinem unten unter
vielem Volk stehenden Vater zu: “Vater, die Dörfer, Berge und Wälder
dort, die kommen zu mir her!” Da fiel der Vater sogleich nieder auf die
Knie und betete für die Seele seines Sohns und ermahnte die Leute, ein
gleiches zu thun. Bald auch stürzte der Sohn todt herab. -- Es soll
auch nach ihren Rechten dem Vater zukommen, wenn der Sohn das erstemal
vor ihm aufsteigt und anfängt irr zu reden, ihn gleich zu fassen und
selbst herabzuwerfen, damit er im Sturz nicht selbst mit gerissen wird.




178.

Die Spinnerin am Creuz.

Mündlich, in Oestreich.


Dicht bei Wien, wenn man die Vorstadt Landstraße hinausgeht, stehet
ein steinernes, gut gearbeitetes Heiligenbild, unbedenklich über
zwei Jahrhunderte alt. Davon geht die Sage: eine arme Frau habe zu
Gottes Ehren dieses Heilthum wollen aufrichten lassen, und also so
lang gesponnen, bis sie für ihren Verdienst nach und nach das zum Bau
nöthige Geld zusammengebracht.




179.

Buttermilchthurm.

+Fricke’s+ Kupferwerk von Marienburg, nach mündl. Sagen.


Vom Buttermilchthurm zu Marienburg in Preußen wird erzählt, einstmal
habe der Deutschmeister auf einem nahgelegenen Dorfe etwas Buttermilch
für sich fordern lassen. Allein die Bauern spotteten seines Boten und
sandten Tags drauf zwei Männer in die Burg, die brachten ein ganzes
Faß voll Buttermilch getragen. Erzürnt sperrte der Deutschmeister die
beiden Bauern in einen Thurm und zwang sie, so lang drin zu bleiben,
bis sie die Milch sämmtlich aus dem Faß gegessen hätten. Seitdem hat
der Burgthurm den Namen.

Andere aber berichten folgendes: Die Einwohner eines benachbarten Dorfs
mußten bis zu dem Bauplatz einen Weg mit Mariengroschen legen und so
viel Buttermilch herbeischaffen, als zur Bereitung des Kalks, statt
Wassers, nöthig war und mit diesem Mörtel wurde hernach der Thurm
aufgemauert.




180.

Der heilige Winfried.

Hess. Denkwürdigk. II. 3. 4.


Als der heil. Winfried, genannt Bonifacius, die Hessen bekehren wollte,
kam er auf einen Berg, wo ein heidnisches Gotteshaus stand, das ließ er
umreißen und die erste christliche Kirche bauen. Seitdem heißt der Berg
+Christenberg+, (vier Stunden von Marburg) und zweihundert Schritte von
der Kirche weisen die Leute noch heutigestags einen Fußtritt im Stein,
der von Bonifacius herrührt, als er vor heiligem Eifer auf den Boden
stampfte. Wie er nach Thüringen kam, ließ er zu Großvargula eine Kirche
bauen, die er selbst einweihen sollte. Da steckte er seinen dürren Stab
in die Erde, trat in die Kirche und las die Messe; nach vollbrachtem
Gottesdienst hatte der Stab gegrünt und Sprossen getrieben.




181.

Der Hülfenberg.

Mündlich in Hessen, vergl. ~+Sagittarius+~ thür. Heidenthum S. 165. 166.


Eine Stunde von Wanfried liegt der Hülfenberg, auf diesen Berg befahl
der heilige Bonifaz eine Capelle zu bauen. Unter dem Bauen kam nun
oft ein Mann gegangen, der fragte: was es denn geben sollte? Die
Zimmerleute antworteten immer: “ei, eine Scheuer solls geben.” Da ging
er wieder seiner Wege. Zuletzt aber wurde die Kirche immer mehr fertig
und der Altar aufgebaut und das Creuz glücklich gesteckt. Wie nun der
böse Feind wiederkam und das alles sehen mußte, ergrimmte er und fuhr
aus, oben durch den Giebel; und das Loch, das er da gemacht, ist noch
bis den heutigen Tag zu sehen und kann nimmer zugebaut werden. Auch ist
er inwendig in den Berg gefahren und suchte die Kirche zu zertrümmern,
es war aber eitel und vergebens. Das Loch, worin er verschwand, nennt
man das +Stuffensloch+, (wie den ganzen Berg auch Stuffensberg) und
es soll zu Zeiten daraus dampfen und Nebel aufsteigen. Von dieser
Capelle wird weiter erzählt: sie sey einer Heiligen geweiht, rühre
ein Kranker deren Gewand an, so genese er zur Stunde. Diese Heilige
aber wäre vordem eine wunderschöne Prinzessin gewesen, in die sich ihr
eigener Vater verliebt. In der Noth hätte sie aber zu Gott im Himmel
um Beistand gebätet, da wäre ihr plötzlich ein Bart gewachsen und ihre
irdische Schönheit zu Ende gegangen.




182.

Das Teufelsloch zu Goslar.

+Müchler+ Spiele müß. Stunden. 1810. Th. 4.


In der Kirchenmauer zu Goslar sieht man einen Spalt und erzählt davon
so: Der Bischof von Hildesheim und der Abt von Fuld hatten einmal einen
heftigen Rangstreit, jeder wollte in der Kirche neben dem Kaiser sitzen
und der Bischof behauptete den ersten Weihnachtstag die Ehrenstelle. Da
bestellte der Abt heimlich bewaffnete Männer in die Kirche, die sollten
ihn den morgenden Tag mit Gewalt in Besitz seines Rechtes setzen. Dem
Bischof wurde das aber verkundschaftet und ordnete sich auch gewappnete
Männer hin. Tags drauf erneuerten sie den Rangstreit, erst mit Worten,
dann mit der That, die gewaffneten Ritter traten hervor und fochten;
die Kirche glich einer Wahlstätte, das Blut floß stromweise zur Kirche
hinaus auf den Gottesacker. Drei Tage dauerte der Streit und während
des Kampfes stieß der Teufel ein Loch in die Wand und stellte sich
den Kämpfern dar. Er entflammte sie zum Zorn und von den gefallenen
Helden hohlte er manche Seele ab. So lang der Kampf währte, blieb der
Teufel auch da, hernach verschwand er wieder, als nichts mehr für ihn
zu thun war. Man versuchte hernachmals, das Loch in der Kirche wieder
zuzumauern und das gelang bis auf den letzten Stein; sobald man diesen
einsetzte, fiel alles wieder ein und das Loch stand ganz offen da. Man
besprach und besprengte es vergebens mit Weihwasser, endlich wandte man
sich an den Herzog von Braunschweig und erbat sich dessen Baumeister.
Diese Baumeister mauerten eine schwarze Katze mit ein und beim
Einsetzen des letzten Steins bedienten sie sich der Worte: “willst du
nicht sitzen in Gottes Namen, so sitz ins Teufels Namen!” Dieses wirkte
und der Teufel verhielt sich ruhig, blos bekam in der folgenden Nacht
die Mauer eine Ritze, die noch zu sehen ist bis auf den heutigen Tag.

Nach Aug. Lercheimer von der Zauberei, sollen der Bischof und Abt
darüber gestritten haben, wer dem Erzbischof von Mainz zunächst
sitzen dürfe. Nachdem der Streit gestillet war, habe man in der Messe
ausgesungen: “~hunc diem gloriosum fecisti~.” Da fiel der Teufel
unterm Gewölb mit grober, lauter Stimme ein und sang: “~hunc diem
bellicosum ego feci~.”




183.

Die Teufelsmühle.

+Otmar+ S. 189-194.

Quedlinburger Sammlung.


Auf dem Gipfel des Rammberges liegen theils zerstreute, theils
geschichtete Granitblöcke, welche man des Teufels Mühle heißt. Ein
Müller hatte sich am Abhang des Bergs eine Windmühle erbaut, der es
aber zuweilen an Wind fehlte. Da wünschte er sich oft eine, die oben
auf dem Berggipfel stünde und beständig im Gang bliebe. Menschenhänden
war sie aber unmöglich zu erbauen. Weil der Müller keine Ruh darüber
hatte, erschien ihm der Teufel und sie dingten lange mit einander.
Endlich verschrieb ihm der Müller seine Seele gegen dreißig Jahre
langes Leben und eine tadelfreie Mühle von sechs Gängen, auf dem Gipfel
des Rammbergs, die aber in der nächstfolgenden Nacht vor Hahnenschrei
fix und fertig gebaut seyn müßte. Der Teufel hielt sein Wort und hohlte
nach Mitternacht den Müller ab, daß er die fertige Mühle besichtigen
und übernehmen wolle. Der Müller fand alles in vollkommner Ordnung und
war zitternd bereit, sie zu übernehmen, als er eben noch entdeckte, daß
einer von den unentbehrlichen Steinen fehlte. Der Teufel gestand den
Mangel und wollte ihn augenblicklich ersetzen. Und schon schwebte er
durch die Lüfte mit dem Stein, da krähte der Hahn auf der untern Mühle.
Wüthend faßte der böse Feind das Gebäude, riß Flügel, Räder und Wellen
herab und streute sie weit umher. Dann schleuderte er auch die Felsen,
daß sie den Rammberg bedeckten. Nur ein kleiner Theil der Grundlage
blieb stehen zum Angedenken seiner Mühle.




184.

Der Herrgottstritt.

Würtenbergisch. +Lang’s+ Taschenbuch für 1800. S. 129-136.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 599.

+Zeiller+ ~II. epist~. 60.

+Seyfried’s+ ~medulla~. p. 429.

vgl. +Sattler+ Topographie Würtembergs.


Auf einem Felsen des Alb bei Heuberg, in einem anmuthigen, von der Rems
durchflossenen Thal, liegen Trümmer der Burg +Rosenstein+, und unlängst
sah man da Spur eines schönen menschlichen Fußes im Stein, den aber die
Regierung mit Pulver hat versprengen lassen, weil Aberglauben damit
getrieben wurde. Gegenüber auf dem +Scheulberg+[9] stehet die ähnliche
Spur eines Tritts landeinwärts, wie die auf dem Rosenstein auswärts.
Gegenüber im Walde ist die Capelle der wunderthätigen Maria vom
Beißwang[10]. Links eine Kluft, geheißen +Teufelsklinge+, aus der bei
anhaltendem Regen trübes Wasser fließt; hinterm Schloß ein gehöhlter
Felsen, Namens +Scheuer+.

Vor grauer Zeit zeigte von diesem Berge herab der Versucher Christo die
schöne Gegend und bot sie ihm an, wenn er vor ihm kniebeugen wollte.
Alsbald befahl Christus der Herr ihm, zu entweichen und der Satan
stürzte den Berg hinab. Allein er wurde verflucht, tausend Jahre in
Ketten und Banden in der Teufelsklinge zu liegen und das trübe Wasser,
das noch daraus strömt, sind seine teuflischen Thränen. Christus
that aber einen mächtigen Schritt übers Gebirg und wo er seine Füße
hingesetzt, drückten sich die Spuren ein[11].

Später lang darauf bauten die Herrn von Rosenstein hier eine Burg und
waren Raubritter, welche das Raubgut in der Scheuer bargen. Einmal gab
ihnen der Teufel ein, daß sie die Waldcapelle stürmen möchten. Kaum
aber waren sie mit dem Kirchengut heimgekehrt, als sich ein ungeheurer
Sturm hob und das ganze Raubnest zertrümmerte. Indem hörte man den
Teufel laut lachen.


  [9]  Bey Seyfried: Schawelberg. Jenes der linke, dieses der rechte
       Fuß.

  [10] Gestiftet von Friedrich mit dem Biß in der Wange.

  [11] Zeiller erzählt abweichend: Christus auf der Flucht vor den
       Juden habe die Merkzeichen eingedrückt. Die Leute holen sich
       allda Augenwasser.




185.

Die Sachsenhäuser Brücke zu Frankfurt.

Mündlich, aus Frankfurt.


In der Mitte der Sachsenhäuser Brücke sind zwei Bogen oben zum Theil
nur mit Holz zugelegt, damit dies in Kriegszeiten weggenommen und die
Verbindung leicht, ohne etwas zu sprengen, gehemmt werden kann. Davon
gibt es folgende Sage.

Der Baumeister hatte sich verbindlich gemacht, die Brücke bis zu einer
bestimmten Zeit zu vollenden. Als diese herannahte, sah er, daß es
unmöglich war, und, wie nur noch zwei Tage übrig waren, rief er in der
Angst den Teufel an und bat um seinen Beistand. Der Teufel erschien
und erbot sich, die Brücke in der letzten Nacht fertig zu bauen, wenn
ihm der Baumeister dafür das erste lebendige Wesen, das darüber ging,
überliefern wollte. Der Vertrag wurde geschlossen und der Teufel baute
in der letzten Nacht, ohne daß ein Menschenauge in der Finsterniß
sehen konnte, wie es zuging, die Brücke ganz richtig fertig. Als nun
der erste Morgen anbrach, kam der Baumeister und trieb einen Hahn über
die Brücke vor sich her und überlieferte ihn dem Teufel. Dieser aber
hatte eine menschliche Seele gewollt und wie er sich also betrogen
sah, packte er zornig den Hahn, zerriß ihn und warf ihn durch die
Brücke, wovon die zwei Löcher entstanden sind, die bis auf den heutigen
Tag nicht können zugemauert werden, weil alles in der Nacht wieder
zusammenfällt, was Tags daran gearbeitet ist. Ein goldner Hahn auf
einer Eisenstange steht aber noch jetzt zum Wahrzeichen auf der Brücke.




186.

Der Wolf und der Tannenzapf.

Mündlich.


Zu Achen im Dom zeigt man an dem einen Flügel des ehernen Kirchenthors
einen Spalt und das Bild eines Wolfs nebst einem Tannenzapfen, beide
gleichfalls aus Erz gegossen. Die Sage davon lautet: vor Zeiten,
als man diese Kirche zu bauen angefangen, habe man mitten im Werk
einhalten müssen aus Mangel an Geld. Nachdem nun die Trümmer eine
Weile so dagestanden, sey der Teufel zu den Rathsherrn gekommen,
mit dem Erbieten, das benöthigte Geld zu geben unter der Bedingung,
daß die erste Seele, die bei der Einweihung der Kirche in die Thüre
hineinträte, sein eigen würde. Der Rath habe lang gezaudert, endlich
doch eingewilligt und versprochen, den Inhalt der Bedingung geheim
zu halten. Darauf sey mit dem Höllengeld das Gotteshaus herrlich
ausgebaut, immittelst aber auch das Geheimniß ruchtbar geworden.
Niemand wollte also die Kirche zuerst betreten und man sann endlich
eine List aus. Man fing einen Wolf im Wald, trug ihn zum Hauptthor der
Kirche und an dem Festtag, als die Glocken zu läuten anhuben, ließ man
ihn los und hineinlaufen. Wie ein Sturmwind fuhr der Teufel hinterdrein
und erwischte das, was ihm nach dem Vertrag gehörte. Als er aber
merkte, daß er betrogen war und man ihm eine bloße Wolfsseele geliefert
hatte, erzürnte er und warf das eherne Thor so gewaltig zu, daß der
eine Flügel sprang und den Spalt bis auf den heutigen Tag behalten
hat. Zum Andenken goß man den Wolf und seine Seele, die dem Tannenzapf
ähnlich seyn soll. -- Andere erzählen es von einer sündhaften Frau, die
man für das Wohl der ganzen Stadt dem Teufel geopfert habe und erklären
die Frucht durch eine Artischocke, welche der Frauen arme Seele
bedeuten soll.




187.

Der Teufel von Ach.

+Agricola+ Sprichw. 301.

+Schottel+ Grammat. S. 1134.


Zu Achen steht ein großer Thurm in der Stadtmauer, genannt
+Ponellenthurm+, darin sich der Teufel mit viel Wunders-Geschrei,
Glockenklingen und anderm Unfug oftmals sehen und hören läßt, und ist
die Sage, er sey hinein verbannt und da muß er bleiben, bis an den
jüngsten Tag. Darum, wenn man daselbst von unmöglichen Dingen redet, so
sagt man: “ja es wird geschehen, wann der Teufel von Ach kommt,” das
ist, nimmermehr.




188.

Die Teufelsmauer.

~+Döderlin+ de antiqq. in Nordgavia romanis p.~ 29.


Von der nordgauer Pfahlhecke erzählten die Bauern um Oberndorf und
Otmannsfeld: der Teufel habe von Gott dem Herrn einen Theil der Erde
gefordert und dieser insoweit dreingewilligt: dasjenige Stück Lands,
das er vor Hahnenkrat mit Mauer umschlossen habe, solle ihm zufallen.
Der böse Feind habe sich stracks ans Werk gemacht, doch eh er die
letzte Hand angelegt und den Schlußstein aufgesetzt, der Hahn gekrähet.
Vor Zorn nun, daß das Geding und seine Hoffnung zunicht geworden, sey
er ungestüm über das ganze Werk hergefallen und habe alle Steine übern
Haufen geworfen. Noch jetzt spuke es auf dieser Teufelsmauer.




189.

Des Teufels Tanzplatz.

+Otmar+ S. 175-178.


Auf dem nördlichen Harz, zwischen Blankenburg und Quedlinburg, siehet
man südwärts vom Dorfe Thale eine Felsenfläche, die das Volk: des
Teufels Tanzplatz nennt und nicht weit davon Trümmer einer alten
Mauer, denen gegenüber nordwärts vom Dorfe sich ein großes Felsenriff
erhebt. Jene Trümmer und dieses Riff nennt das Volk: Teufelsmauer. Der
Teufel stritt lange mit dem lieben Gott um die Herrschaft der Erde.
Endlich wurde eine Theilung des damals bewohnten Landes verabredet. Die
Felsen, wo jetzt der Tanzplatz ist, sollten die Grenze scheiden und der
Teufel erbaute unter lautem Jubeltanz seine Mauer. Aber bald erhub der
Nimmersatte neuen Zank, der damit endigte, daß ihm noch das am Fuße
jenes Felsens belegene Thal zugegeben wurde. Darauf thürmte er noch
eine zweite Teufelsmauer.




190.

Die Teufelscanzel.

Homilien des Teufels. Frankf. 1800.


Unweit Baden steht eine Felsenreihe. Die Leute nennen sie Teufelscanzel
und behaupten, der böse Feind habe einsmals darauf geprediget.




191.

Das Teufelsohrkissen.

Morgenblatt. 1811. Nr. 208. S. 830.


Am Fuße des Schlosses Bentheim stehen einige sonderbare, glatte Felsen.
Einer derselben, oben flach, wie ein aufrechtstehender runder Pfühl,
wird Teufelsohrkissen genannt, weil der Teufel einmal drauf geschlafen
habe. Die Spuren seines Ohrs drückten sich in den Stein und sind noch
sichtbar darauf.




192.

Der Teufelsfelsen.

Beschreibung des Fichtelbergs. Leipz. 1716. S. 128. 129.


Die Fichtelberger erzählen: es habe der Satan den Herrn Christus auf
den Cößeinfelsen geführt und ihm die Reiche der Welt gezeigt, auch
alle zu schenken verheißen, wenn er ihn anbeten wolle, außer die Dörfer
N. und R. nicht, welche sein Leibgeding. --

Die Einwohner dieser Dörfer sind rauh und mißgestalt; die Gegend dabei
ist unfreundlich und heißt Türkei und Tartarei bei einigen Leuten.




193.

Teufelsmauer.

+Arndt’s+ Reise von Baireuth nach Wien. Leipz. 1801. S. 169. 170.


Diese Teufelsmauer lauft an der Donau hinter Mölk nach Wien zu. Einst
wollte der Teufel die Donau zumauern, aber die Steine entglitten ihm
immer, wenn er sie zusammenfügen wollte.




194.

Teufelsgitter.

Mündlich.


Zu Wismar in der Marienkirche um den Taufstein herum geht ein
überkünstliches Gitter, das sollte ein Schmidt bauen. Als er sich
aber dran zerarbeitete und es nicht konnte zustand bringen, brach er
unmuthig aus: “ich wollte, daß es der Teufel fertig machen müßte!” Auf
diesen Wunsch kam der Teufel und baute das Gegitter fertig.




195.

Teufelsmühle.

~Tradit. Corbeienses p.~ 559.

+Jäger+ Briefe über die hohe Rhön. II. 51.


Im Wolfenbüttelischen zwischen Pestorf und Grave an der Weser liegt
eine Mühle, die der Teufel, der Volkssage nach, gebaut und durch ein
Felsenwasser das Rad in Trieb gesetzt. Eine +Teufelsmühle+ liegt auch
auf der Rhöne.




196.

Teufelskirche.

+Jäger+ Briefe über die hohe Rhön. II. 49.

+Melissantes+ Bergschlösser S. 181.


Auf der Rhöne stehen oben Basaltfelsen gethürmt. Der Teufel, als man im
Thal eine Kirche bauen wollte, zürnte und trug alle Bausteine hin auf
den Berg, wo er sie nebeneinander aufstellte und kein Mensch sie wieder
heruntertragen konnte.

Man erzählt, da wo der Teufel seinen Stein einmal hingelegt habe, könne
man ihn nicht wegbringen, denn so oft man ihn auch wegnehme, lege der
Teufel einen andern oder denselben wieder eben dahin.




197.

Teufelsstein bei Reichenbach.

+Winkelmann’s+ hessische Chronik S. 34.


Nicht weit von Reichenbach, dem hohen Steine gegenüber, in einem Walde
liegt der Teufelsstein. Er sieht aus, als wären etliche hundert
Karrn Steine kunstreich zusammengeschüttet, indem sich wunderbarlich
Gemächer, Keller und Kammern von selbst gebildet, in welchen bei
schweren und langen Kriegen die Bewohner der Gegend mit ihrem ganzen
Haushalt gewohnt. Diesen Stein soll der Teufel in einer einzigen Nacht,
nach der gemeinen Sage, also gebildet haben.




198.

Teufelsstein zu Cöln.

Rhein. Antiquarius S. 725.


Zu Cöln bei der Kirche liegt ein schwerer Stein, genannt Teufelsstein,
man sieht darauf noch die Kralle des bösen Feindes eingedruckt. Er
warf ihn nach der Capelle der heiligen drei Könige und wollte sie
niederschmettern, es ist ihm aber mißlungen.




199.

Süntelstein zu Osnabrück.

+Strodtmann+ Idioticon S. 236.


Bei Osnabrück liegt ein uralter Stein, dreizehn Fuß aus der Erde
ragend, von dem die Bauern sagen, der Teufel hätte ihn durch die
Luft geführt und fallen lassen. Sie zeigen auch die Stelle daran, in
welcher die Kette gesessen, woran er ihn gehalten, nennen ihn den
+Süntelstein+.




200.

Der Lügenstein.

+Otmar’s+ Volkssagen.


Auf dem Domplatz zu Halberstadt liegt ein runder Fels von ziemlichem
Umfang, den das Volk nennet den Lügenstein. Der Vater der Lügen
hatte, als der tiefe Grund zu der Domkirche gelegt wurde, große
Felsen hinzugetragen, weil er hoffte, hier ein Haus für sein Reich
entstehen zu sehen. Aber als das Gebäude aufstieg und er merkte, daß
es eine christliche Kirche werden würde, da beschloß er, es wieder zu
zerstören. Mit einem ungeheuern Felsstein schwebte er herab, Gerüst
und Mauer zu zerschmettern. Allein man besänftigte ihn schnell durch
das Versprechen, ein Weinhaus dicht neben die Kirche zu bauen. Da
wendete er den Stein, so daß er neben dem Dom auf dem geebneten Platz
niederfiel. Noch sieht man daran die Höhle, die der glühende Daumen
seiner Hand beim Tragen eindrückte.




201.

Die Felsenbrücke.

Mündlich, aus Oberwallis.


Ein Hirt wollte Abends spat seine Geliebte besuchen und der Weg
führte ihn über die Visper, da wo sie in einer tiefen Felsenschlucht
rauscht, worüber nur eine schmale Bretterbrücke hängt. Da sah er,
der Chilthbube, was ihm sonst niemals widerfahren war, einen Haufen
schwarze Kohlen mitten auf der Brücke liegen, daß sie den Weg
versperrten; ihm war dabei nicht recht zu Muthe, doch faßte er sich
ein Herz und that einen tüchtigen Sprung über den tiefen Abgrund von
dem einen Ende glücklich bis zu dem andern. Der Teufel, der aus dem
Dampf des zerstobenen Kohlenhaufens auffuhr, rief ihm nach: “das war
dir gerathen, denn wärst du zurückgetreten, hätt ich dir den Hals
umgedreht, und wärst du auf die Kohlen getreten, so hättest du unter
ihnen versinken und in die Schlucht stürzen müssen.” Zum Glück hatte
der Hirt, trotz der Gedanken an seine Geliebte, nicht unterlassen,
vor dem Capellchen der Mutter Gottes hinter St. Niklas, an dem er
vorbeikam, wie immer sein Ave zu beten.




202.

Das Teufelsbad bei Dassel.

+Letzner+ Dasselische Chronik. Erfurt 1596. Buch V. c. 13. Buch
VIII. ~c.~ 9.


Unweit Dassel, in einem grundlosen Meerpfuhl, welcher der bedessische
oder bessoische heißt, soll eine schöne und wohlklingende Glocke
liegen, die der leibhaftige Teufel aus der Kirche zum Portenhagen
dahin geführt hat, und von der die alten Leute viel wunderbare Dinge
erzählen. Sie ist von lauterem Golde und der böse Feind brachte sie aus
Neid weg, damit sich die Menschen ihrer nicht mehr zum Gottesdienst
bedienen können, weil sie besonders kräftig und heilig gewesen. Ein
Taucher erbot sich, hinabzufahren und sie mit Stricken zu fassen, dann
sollten die Leute oben getrost ziehen und ihrer Glocke wieder mächtig
werden. Allein er kam unverrichteter Sachen heraus und sagte, daß unten
in der Tiefe des Meerpfuhls eine grüne Wiese wäre, wo die Glocke auf
einem Tisch stehe und ein schwarzer Hund dabei liege, welcher nicht
gestatten wolle, sie anzurühren. Auch habe sich daneben ein Meerweib
ganz erschrecklich sehen und hören lassen, die gesagt: es wäre viel
zu früh, diese Glocke von dannen abzuholen. Ein achtzigjähriger Mann
erzählte von diesem Teufelsbad: einen Sonnabend habe ein Bauer aus
Leuthorst unfern des Pfuhls länger als Brauch gewesen, nachdem man
schon zur Vesper geläutet, gepflügt, und beides Pferde und Jungen
mit Fluchen und Schlägen genöthigt. Da sey ein großer, schwarzer und
starker Gaul aus dem Wasser ans Land gestiegen. Der gottlose und
tobende Bauer habe ihn genommen und ins Teufels Namen vor die andern
Pferde gespannt, in der Meinung, nicht ehnder Feierabend zu machen, bis
der Acker herumgepflüget wäre. Der Junge hub an zu weinen und wollte
lieber nach Haus, aber der Bauer fuhr ihn hart an. Da soll der schwarze
Gaul frisch und gewaltig die armen ausgemergelten Pferde, mitsammt
Pflug, Jung und Bauer, in das grundlose Loch und Teufelsbad gezogen
haben und nimmermehr von Menschen gesehen worden seyn. Wer den Teufel
fordert, muß ihm auch Werk schaffen.




203.

Der Thurm zu Schartfeld.

+Letzner+ Dasselsche Chronik. Buch VI. ~c. 1.~


Von dem Thurm auf Schartfeld berichten viel alter Leute, daß er keine
Dachung leide, der Teufel darin hausen und Nachts viel Gerumpels droben
seyn solle. Vorzeiten trug Kaiser Heinrich der Vierte unziemliche
Liebe zu eines Herrn auf Schartfeld Ehweib, konnte lange seinen Willen
nicht vollführen. Da kam er ins Kloster Pölde in der Grafschaft
Lutterberg und ein Mönch machte ihm einen Anschlag. Er ließ den Herrn
von Schartfeld zu sich fordern ins Kloster, und trug ihm eine weite
Reise mit einer Werbung auf. Der Ritter war dem Kaiser unterthan und
gehorsam. Tags darauf zog der Kaiser mit dem Mönch in weltlichen
Kleidern auf die Jagd, kam insgeheim vor das Haus Schartfeld und wurde
von dem Mönch bis vor der Edelfrau Kemenate geleitet. Da überfiel
sie Heinrich und nöthigte sie zu seinem Willen. Da soll der Teufel
die Dachung vom Thurm abgeworfen und in der Luft hinfahrend über den
Mönch geschrien haben, daß er an dieser Unthat schuldiger sey, als
der Kaiser. Der Mönch war seit der Zeit im Kloster stets traurig und
unfroh.




204.

Der Dom zu Cöln.

Mündliche Erzählungen aus der Stadt.


Als der Bau des Doms zu Cöln begann, wollte man gerade auch eine
Wasserleitung ausführen. Da vermaß sich der Baumeister und sprach:
“eher soll das große Münster vollendet seyn, als der geringe
Wasserbau!” Das sprach er, weil er allein wußte, wo zu diesem die
Quelle sprang, und er das Geheimniß niemanden, als seiner Frau
entdeckt, ihr aber zugleich bei Leib und Leben geboten hatte, es wohl
zu bewahren. Der Bau des Doms fing an und hatte guten Fortgang, aber
die Wasserleitung konnte nicht angefangen werden, weil der Meister
vergeblich die Quelle suchte. Als dessen Frau nun sah, wie er sich
darüber grämte, versprach sie ihm Hilfe, ging zu der Frau des andern
Baumeisters und lockte ihr durch List endlich das Geheimniß heraus,
wonach die Quelle gerade unter dem Thurm des Münsters sprang; ja, jene
bezeichnete selbst den Stein, der sie zudeckte. Nun war ihrem Manne
geholfen; folgenden Tags ging er zu dem Stein, klopfte darauf und
sogleich drang das Wasser hervor. Als der Baumeister sein Geheimniß
verrathen sah und mit seinem stolzen Versprechen zu Schanden werden
mußte, weil die Wasserleitung ohne Zweifel nun in kurzer Zeit zu Stande
kam, verfluchte er zornig den Bau, daß er nimmermehr sollte vollendet
werden, und starb darauf vor Traurigkeit. Hat man fortbauen wollen,
so war, was an einem Tag zusammengebracht und aufgemauert stand, am
andern Morgen eingefallen, und wenn es noch so gut eingefügt war und
aufs festeste haftete, also daß von nun an kein einziger Stein mehr
hinzugekommen ist.

Andere erzählen abweichend. Der Teufel war neidig auf das stolze
und heilige Werk, das Herr Gerhard, der Baumeister, erfunden und
begonnen hatte. Um doch nicht ganz leer dabei auszugehn, oder gar die
Vollendung des Doms noch zu verhindern, ging er mit Herrn Gerhard die
Wette ein: er wolle ehr einen Bach von Trier nach Cöln, bis an den
Dom, geleitet, als Herr Gerhard seinen Bau vollendet haben; doch müsse
ihm, wenn er gewänne, des Meisters Seele zugehören. Herr Gerhard war
nicht säumig, aber der Teufel kann teufelsschnell arbeiten. Eines Tags
stieg der Meister auf den Thurm, der schon so hoch war, als er noch
heut zu Tag ist, und das erste, was er von oben herab gewahrte, waren
Enten, die schnatternd von dem Bach, den der Teufel herbeigeleitet
hatte, aufflogen. Da sprach der Meister in grimmem Zorn: “zwar hast
du, Teufel, mich gewonnen, doch sollst du mich nicht lebendig haben!”
So sprach er und stürzte sich Hals über Kopf den Thurm herunter, in
Gestalt eines Hundes sprang schnell der Teufel hintennach, wie beides
in Stein gehauen noch wirklich am Thurme zu schauen ist. Auch soll,
wenn man sich mit dem Ohr auf die Erde legt, noch heute der Bach zu
hören seyn, wie er unter dem Dome wegfließt.

Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters
Frau Buhlschaft treiben läßt, wodurch er vermuthlich, wie in der
ersten, hinter das Baugeheimniß ihres Mannes kam.




205.

Des Teufels Hut.

vgl. Taschenbuch für Liebe und Freundschaft 1816. S. 237. 238.


Nicht weit von Altenburg bei dem Dorfe Ehrenberg liegt ein mächtiger
Stein, so groß und schwer, daß ihn hundert Pferde nicht fortziehen
würden. Vorzeiten trieb der Teufel sein Spiel damit, indem er ihn auf
den Kopf sich legte, damit herumging und ihn als einen Hut trug. Einmal
sprach er in Stolz und Hochmuth: “wer kann wie ich diesen Stein tragen?
selbst der ihn erschaffen, vermags nicht und läßt ihn liegen, wo er
liegt!” Da erschien Christus der Herr, nahm den Stein, steckte ihn an
seinen kleinen Finger und trug ihn daran. Beschämt und gedemüthigt wich
der Teufel und ließ sich nie wieder an diesem Orte erblicken. Und noch
heute sieht man in dem Stein den Eindruck von des Teufels Haupt und von
des Herrn Finger.




206.

Des Teufels Brand.

~+Erasm. Rotterodam+. epist. fam. L. 27. c.~ 20.

~+Nic. Remigii+ daemonolatria p.~ 335. 336.


Es liegt ein Städtlein im Schweizerland mit Namen Schiltach, welches
im Jahr 1533 am zehnten April plötzlich in den Grund abgebrannt
ist. Man sagt, daß dieser Brand folgender Weise, wie die Bürger des
Orts vor der Obrigkeit zu Freiburg angezeigt, entstanden sey. Es hat
sich in einem Hause oben hören lassen, als ob jemand mit linder,
lispelnder Stimme einem andern zuriefe und winkete, er solle schweigen.
Der Hausherr meint, es habe sich ein Dieb verborgen, geht hinauf,
findet aber niemand. Darauf hat er es wiederum von einem höheren
Gemach her vernommen, er geht auch dahin und vermeint den Dieb zu
greifen. Wie aber niemand vorhanden ist, hört er endlich die Stimme
im Schornstein. Da denkt er, es müsse ein Teufels-Gespenst seyn und
spricht den seinigen, die sich fürchten, zu, sie sollten getrost und
unverzagt seyn, Gott werde sie beschirmen. Darauf bat er zwei Priester
zu kommen, damit sie den Geist beschwüren. Als diese nun fragten, wer
er sey, antwortete er: “der Teufel.” Als sie weiter fragten, was sein
Beginnen sey, antwortete er: “ich will die Stadt in Grund verderben!”
Da bedräuen sie ihn, aber der Teufel spricht: “euere Drohworte gehen
mich nichts an, einer von euch ist ein liederlicher Bube; alle beide
aber seyd ihr Diebe.” Bald darauf hat er ein Weib, mit welchem jener
Geistliche vierzehn Jahre zusammengelebt, hinauf in die Luft geführt,
oben auf einen Schornstein gesetzt, ihr einen Kessel gegeben und
sie geheißen, ihn umkehren und ausschütten. Wie sie das gethan, ist
der ganze Flecken vom Feuer ergriffen worden und in einer Stunde
abgebrannt.




207.

Die Teufels-Hufeisen.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 362.

Einigermaßen ausführlicher und mit andern Umständen erzählt in
+Francisci+ lust. Schaubühne Th. I. S. 801. und in der Zungensünde S.
173-175.


Zu Schwarzenstein, eine halbe Meile von Rastenburg in Preußen, hangen
zwei große Hufeisen in der Kirche, davon eine gemeine Sage ist: es war
daselbst eine Krügerin (Bierwirthin), die den Leuten das Bier sehr übel
zumaß, die soll der Teufel des Nachts vor die Schmiede geritten haben.
Ungestüm weckte er den Schmied auf und rief: “Meister, beschlagt mir
mein Pferd!” Der Schmied war nun gerade der Bierschenkin Gevatter,
daher, als er sich über sie hermachte, raunte sie ihm heimlich zu:
“Gevattermann, seyd doch nicht so rasch!” Der Schmied, der sie für ein
Pferd angesehen, erschrack heftig, als er diese Stimme hörte, die ihm
bekannt däuchte und gerieth aus Furcht in Zittern. Dadurch verschob
sich der Beschlag und der Hahn krähte. Der Teufel mußte zwar das
Reißaus nehmen, allein die Krügerin ist lange nachher krank geblieben.
Sollte der Teufel alle Bierschenken, die da knapp messen, beschlagen
lassen, würde das Eisen gar theuer werden.




208.

Der Teufel führt die Braut fort.

+Godelmann+ von Zauberern, Hexen und Unholden übers. von +Nigrin+.
1592. S. 9. lat. Ausg. ~de magis &c. Francof~. 1591. ~p.~ 12-13.

+Hilscher’s+ Zungen-Sünde. S. 200. 201.


In Sachsen hatte eine reiche Jungfrau einem schönen, aber armen
Jüngling, die Ehe verheißen. Dieser, weil er sahe, was kommen würde, da
sie reich und nach ihrer Art wankelmüthig war, sprach zu ihr, sie werde
ihm nicht Glauben halten. Sie fing an sich zu verschwören mit diesen
Worten: “wann ich einen andern denn dich nehme, so hole mich der Teufel
auf der Hochzeit!” Was geschieht? Nach geringer Zeit wird sie anderes
Sinnes und verspricht sich einem andern mit Verachtung des ersten
Bräutigams, welcher sie ein- oder etliche Mal der Verheißung und des
großen Schwurs erinnerte. Aber sie schlug alles in den Wind, verließ
den ersten und hielt Hochzeit mit dem andern.

Am hochzeitlichen Tage, als die Verwandten, Freunde und Gäste fröhlich
waren, ward die Braut, da ihr das Gewissen aufwachte, trauriger,
als sie sonst zu seyn pflegte. Endlich kommen zwei Edelleute in das
Brauthaus geritten, werden als fremde, geladene Gäste empfangen und
zu Tisch geführt. Nach Essens Zeit wird dem einen von Ehren wegen,
als einem Fremden, der Vorreigen mit der Braut gebracht, mit welcher
er einen Reihen oder zwei thät und sie endlich vor ihren Eltern und
Freunden mit großem Seufzen und Heulen zur Thür hinaus in die Luft
führte.

Des andern Tages suchten die betrübten Eltern und Freunde die Braut,
daß sie sie, wo sie etwan herabgefallen, begraben mögten. Siehe!
da begegneten ihnen eben die Gesellen und brachten die Kleider und
Kleinode wieder mit diesen Worten: “über diese Dinge hatten wir von
Gott keine Gewalt empfangen, sondern über die Braut.”




209.

Das Glücksrad.

+Grundmann+ Geschichtschule S. 228-230.

+~D.~ Siegfried ~Saccus~+, aus dem Munde eines der Schatzgräber selbst,
zu Magdeburg.

+Prätorius+ Wünschelruthe 88. 90.


Zwölf Landsknechte kamen aus dem ditmarser Krieg und hatten wenig
vor sich gebracht. Da sie nun traurig und kleinmüthig im Land umher
strichen und heut nicht wußten, was sie morgen zu beißen hatten,
begegnete ihnen ein Grauröcklein, that seinen Gruß und fragte: “woher
des Wegs und wohin?” Sie aber sagten: “daher aus dem Krieg und dahin,
wo wir reich werden sollen, können aber den Ort nicht finden.” Das
Grauröcklein sagte: “die Kunst soll euch offenbar werden, wenn ihr mir
folgen wollt, begehr auch nichts dafür zu haben.” Die Landsknechte
meinten: was es denn wäre? “Man heißt es das Glücksrad, das steht mir
zu Gebot und wen ich darauf bringe, der lernt wahrsagen den Leuten und
graben den Schatz aus der Erde; doch nicht anders vermag ich euch drauf
zu setzen, als mit dem Beding, daß ich Macht und Gewalt habe, einen aus
eurem Haufen mit mir wegzuführen.”

Sie begehrten nun zu wissen: welchen von ihnen er zu nehmen Willens
sey? Der Graurock antwortete: “zu welchem ich Lust trage, das wird sich
hernach zeigen, voraus weiß ichs nicht.” Drauf nahmen die Landsknechte
eine lange Ueberlegung, sollten sie’s thun oder aber lassen? schlossen
endlich: sterben muß der Mensch doch einmal, wie nun, so wir in
Dietmarsen gefallen wären in der Schlacht, oder die Pest uns weggerafft
hätte; wir wollen dies wagen, was viel leichter ist und nur einen
einzigen trifft. Ergaben sich also miteinander in des Mannes Hand, mit
dem Beding, daß er sie aufs Glücksrad brächte und dafür zum Lohn einen
aus ihnen hinhätte, den, der ihm dazu gefiele.

Nach diesem so führte sie der Graurock hin an die Stelle, wo sein Rad
stund, das war so groß, daß wie sie alle darauf kamen, jeglicher drei
Klaftern weit ab vom andern saß; eins aber verbot er ihnen: daß ja
keiner den andern ansähe, so lange sie auf dem Rad säßen, wer das nicht
thue, dem bräche er den Hals. Als sie nun ordnungsmäßig aufgesessen,
packte der Meister das Rad mit den Klauen, die er beides an Händen und
Füßen hatte, und hub zu drehen an bis es umgedreht war, zwölf Stunden
nacheinander und alle Stunden einmal. Ihnen aber däuchte, als ob unter
ihnen helles Wasser sey, gleich einem Spiegel, worin sie alles sehen
konnten, was sie vorhatten, gutes oder böses und wen sie von Leuten da
sahen, erkannten sie und wußten ihre Namen zu nennen. Ueber ihnen aber
war es wie Feuer und glühende Zapfen hingen herab.

Wie sie nun zwölf Stunden ausgehalten hatten, rückte der Glücksmeister
einen feinen jungen Menschen vom Rade, der eines Burgermeisters Sohn
aus Meissen war und führte ihn mitten durch die Feuerflamme mit sich
hin. Die elf andern wußten nicht wie ihnen geschehen und sanken betäubt
nieder in tiefen Schlaf, und als sie etliche Stunden lang unter freiem
Himmel gelegen, wachten sie auf, aber ihre Kleider auf dem Leibe und
ihre Hemder die waren ganz mürb geworden und zerfielen beim Angreifen,
von der großen Hitze wegen, die auf dem Rad gewesen war.

Darauf erhoben sie sich und gingen jeder seines Wegs, in der Hoffnung,
ihr Lebtag alles gnug und eitel Glück zu haben, waren aber nach wie vor
arm und mußten das Brot vor anderer Leute Hausthüre suchen.




210.

Der Teufel als Fürsprecher.

~D.~ +Mengering+ Soldaten-Teufel. Cap. 8. S. 153.

+Hilscher+ Zungen-Sünde. S. 189.

+Luther’s+ Tisch-Reden S. 113.

+Prätorius+ Wünschelruthe 101-103.


In der Mark geschah es, daß ein Landsknecht seinem Wirth Geld
aufzuheben gab und als er es wiederforderte, dieser etwas empfangen
zu haben ableugnete. Da der Landsknecht darüber mit ihm uneins ward
und das Haus stürmte, ließ ihn der Wirth gefänglich einziehen und
wollte ihn übertäuben, damit er das Geld behielte. Er klagte daher den
Landsknecht zu Haut und Haar, zu Hals und Bauch an, als einen, der
ihm seinen Haus-Frieden gebrochen hätte. Da kam der Teufel zu ihm ins
Gefängniß und sprach: “Morgen wird man dich vor Gericht führen und dir
den Kopf abschlagen, darum daß du den Haus-Frieden gebrochen hast,
willst du mein seyn mit Leib und Seel, so will ich dir davon helfen.”
Aber der Landsknecht wollte nicht. Da sprach der Teufel: “so thue ihm
also: wann du vor Gericht kommst und man dich hart anklagt, so beruhe
darauf, daß du dem Wirth das Geld gegeben und sprich, du seyest übel
beredt, man wolle dir vergönnen einen Fürsprecher zu haben, der dir
das Wort rede. Alsdann will ich nicht weit stehen in einem blauen Hut
mit weißer Feder und dir deine Sache führen.” Dies geschah also; aber
da der Wirth hartnäckig leugnete, so sagte des Landsknechts Anwalt
im blauen Hut: “lieber Wirth, wie magst du es doch leugnen! das Geld
liegt in deinem Bette unter dem Haupt-Pfühl: Richter und Schöffen,
schicket hin, so werdet ihr es befinden.” Da verschwur sich der Wirth
und sprach: “hab ich das Geld empfangen, so führe mich der Teufel
hinweg!” Als nun das Geld gefunden und gebracht war, sprach der im
blauen Hütlein mit weißer Feder: “ich wußte wohl, ich sollte einen
davon haben, entweder den Wirth oder den Gast;” drehte damit dem Wirth
den Kopf um und führte ihn in der Luft davon.




211.

Traum vom Schatz auf der Brücke.

+Agricola+ Sprichwort 623.

Der ungewissenhafte Apotheker S. 132.

+Prätorius+ Wünschelruthe 372. 373.


Es hat auf ein Zeit einem getraumt, er solle gen Regensburg gehen auf
die Brücken, da sollt er reich werden. Er ist auch hingangen und da er
einen Tag oder vierzehn allda gangen hat, ist ein reicher Kaufmann zu
ihm kommen, der sich wunderte, was er alle Tag auf der Brücke mache und
ihn fragte: was er da suche? Dieser antwortete: “es hat mir getraumt,
ich soll gen Regensburg auf die Brücke gehen, da würde ich reich
werden.” “Ach, sagte der Kaufmann, was redest du von Träumen, Träume
sind Schäume und Lügen; mir hat auch getraumt, daß unter jenem großen
Baume (und zeigte ihm den Baum) ein großer Kessel mit Geld begraben
sey, aber ich acht sein nicht, denn Träume sind Schäume.” Da ging der
andere hin, grub unter dem Baum ein, fand einen großen Schatz, der ihn
reich machte und sein Traum wurde ihm bestätigt.

Agricola fügt hinzu: “das hab ich oftmals von meinem lieben Vater
gehört.” Es wird aber auch von andern Städten erzählt, wie von Lübeck
(Kempen), wo einem Beckerknecht träumt, er werde einen Schatz auf der
Brücke finden. Als er oft darauf hin und hergeht, redet ihn ein Bettler
an und fragt nach der Ursache, und sagt hernach, ihm habe getraumt,
daß auf dem Kirchhof zu Möllen unter einer Linde (zu Dordrecht unter
einem Strauche) ein Schatz liege, aber er wolle den Weg nicht daran
wenden. Der Beckerknecht antwortet: “ja es träumt einem oft närrisch
Ding, ich will mich meines Traums begeben und euch meinen Brückenschatz
vermachen;” geht aber hin und hebt den Schatz unter der Linde.




212.

Der Kessel mit dem Schatz.

Mündlich, aus Bibesheim und aus Wernigerode.


An einem Winterabend saß vor vielen Jahren der Wagnermeister Wolf
zu Großbieberau im Odenwald mit Kindern und Gesinde beim Ofen und
sprach von diesem und jenem. Da ward auf einmal ein verwunderlich
Geräusch vernommen und siehe, es drückte sich unter dem Stubenofen
plötzlich ein großer Kessel voll Geldes hervor. Hätte nun gleich einer
stillschweigends ein wenig Brot oder einen Erdschollen darauf geworfen,
dann wäre es gut gewesen; aber nein, der Böse war dabei und da mußt es
wohl verkehrt gehen. Des Wagners Töchterlein hatte nie so viel Geld
beisammen gesehen und rief laut: “blitz, Vater, was Geld, was Geld!”
Der Vater kehrte sich nicht ans Schreien, weil er besser wußte, was
hier zu thun wäre. Schnell nahm er’s Heft vom großen Naben-Bohrer und
steckt es rasch durch den Kesselring. Doch es war vorbei, der Kessel
versank und nur der Ring blieb zurück. Vor ungefähr zwanzig Jahren
wurde der Kesselring noch gezeigt.

Zu Quedlinburg steht ein Haus, in dessen Grundtiefen sich große
Goldschätze befinden sollen. Vor Jahren wohnte ein Kupferschmidt darin,
dessen Frau den Lehrjungen verschiedenes Handwerksgeräth in Ordnung
bringen hieß, besonders sollte er einen großen Kessel im Hintergebäude
rein machen. Als am Abend der Junge mit der Arbeit zu Ende gekommen war
und jetzt zum großen Kessel trat, fand er diesen bis oben gefüllt mit
glänzenden Goldstücken. Vor Freude erschrocken, griff er einige Stücke
heraus, eilte damit zur Meisterin und erzählte ihr, was er gesehen. Sie
lief mit hin, aber noch waren beide nicht über die Schwelle der Thüre
zum Hintergebäude gekommen, als sie ein plötzliches Krachen, Rauschen
und Klingen hörten; und drinnen sahen sie noch, wie sich der große
Kessel in seiner alten Fuge bewegte und dann still stand. Als sie aber
hinzutraten, war er schon wieder leer und das Gold hinabgesunken.




213.

Der Wärwolf.

Mündlich in Hessen.

vgl. +Bräuner’s+ Curiosit. S. 252. 253.

~+Nic. Remigii+ daemonolatria &c. Francof.~ 1598. ~p.~ 263. 264.


Ein Soldat erzählte folgende Geschichte, die seinem eigenen Großvater
begegnet seyn soll. Dieser, sein Großvater, sey einmal zu Wald
holzhauen gegangen, mit einem Gevatter und noch einem dritten, welchen
dritten man immer im Verdacht gehabt, daß es nicht ganz richtig mit ihm
gewesen; doch so hätte man nichts gewisses davon zu sagen gewußt. Nun
hätten die dreie ihre Arbeit gethan und wären müde geworden, worauf
dieser dritte vorgeschlagen: ob sie nicht ein bischen ausschlafen
wollten. Das sey denn nun so geschehen, jeder hätte sich nieder an den
Boden gelegt; er, der Großvater, aber nur so gethan, als schlief er und
die Augen ein wenig aufgemacht. Da hätte der dritte erst recht um sich
gesehen, ob die andern auch schliefen und als er solches geglaubt, auf
einmal den Gürtel abgeworfen und wäre ein Wärwolf gewesen, doch sehe
ein solcher Wärwolf nicht ganz aus, wie ein natürlicher Wolf, sondern
etwas anders. Darauf wäre er weggelaufen zu einer nahen Wiese, wo
gerade ein jung Füllen gegraset, das hätte er angefallen und gefressen
mit Haut und Haar. Hernach wäre er zurückgekommen, hätte den Gürtel
wieder umgethan und nun, wie vor, in menschlicher Gestalt dagelegen.
Nach einer kleinen Weile, als sie alle zusammen aufgestanden, wären sie
heim nach der Stadt gegangen und wie sie eben am Schlagbaum gewesen,
hätte jener Dritte über Magenweh geklagt. Da hätte ihm der Großvater
heimlich ins Ohr geraunt: “das will ich wohl glauben, wenn man ein
Pferd mit Haut und Haar in den Leib gegessen hat;” -- jener aber
geantwortet: “hättest du mir das im Wald gesagt, so solltest du es
jetzo nicht mehr sagen.”

Ein Weib hatte die Gestalt eines Wärwolfs angenommen und war also
einem Schäfer, den sie gehaßt, in die Heerde gefallen und hatte ihm
großen Schaden gethan. Der Schäfer aber verwundete den Wolf durch einen
Beil-Wurf in die Hüfte, so daß er in ein Gebüsch kroch. Da ging der
Schäfer ihm nach und gedachte ihn ganz zu überwältigen, aber er fand
ein Weib, beschäfftigt, mit einem abgerissenen Stück ihres Kleides das
aus der Wunde strömende Blut zu stillen.

Zu Lüttich wurden im Jahr 1610 zwei Zauberer hingerichtet, weil sie
sich in Wärwölfe verwandelt und viel Kinder getödtet. Sie hatten einen
Knaben bei sich von zwölf Jahren, welchen der Teufel zum Raben machte,
wenn sie Raub zerrissen und gefressen.




214.

Der Wärwolf-Stein.

+Otmar+ S. 270-276.


Bei dem magdeburgischen Dorfe Eggenstedt, unweit Sommerschenburg und
Schöningen, erhebt sich auf dem Anger nach Seehausen zu ein großer
Stein, den das Volk den +Wolf-+ oder +Wärwolfs-Stein+ nennet. Vor
langer, langer Zeit hielt sich an dem brandsleber Holze, das sonst
mit dem Hackel und dem Harz zusammenhing, ein Unbekannter auf, von
dem man nie erfahren hat, wer er sey, noch woher er stamme. Ueberall
bekannt unter dem Namen des +Alten+ kam er öfters ohne Aufsehen
in die Dörfer, bot seine Dienste an und verrichtete sie zu der
Landleute Zufriedenheit. Besonders pflegte er die Hütung der Schafe
zu übernehmen. Es geschah, daß in der Heerde des Schäfers Melle zu
Neindorf ein niedliches, buntes Lamm fiel; der Unbekannte bat den
Schäfer dringend und ohn Ablaß, es ihm zu schenken. Der Schäfer
wollt’ es nicht lassen. Am Tag der Schur brauchte Melle den Alten,
der ihm dabei half; bei seiner Zurückkunft fand er zwar alles in
Ordnung und die Arbeit gethan, aber weder den Alten noch das bunte
Lamm. Niemand wußte geraume Zeitlang von dem Alten. Endlich stand er
einmal unerwartet vor dem Melle, welcher im Kattenthal weidete und
rief höhnisch: “guten Tag, Melle, dein bunt Lamm läßt dich grüßen!”
Ergrimmt griff der Schäfer seinen Krummstab und wollte sich rächen.
Da wandelte plötzlich der Unbekannte die Gestalt und sprang ihm als
Wärwolf entgegen. Der Schäfer erschrack, aber seine Hunde fielen
wüthend auf den Wolf, welcher entfloh; verfolgt rann er durch Wald und
Thal bis in die Nähe von Eggenstadt. Die Hunde umringten ihn da und
der Schäfer rief: “nun sollst du sterben!” Da stand der Alte wieder
in Menschengestalt, flehte bittend um Schonung und erbot sich zu
allem. Aber wüthend stürzte der Schäfer mit seinem Stock auf ihn ein,
-- urplötzlich stand vor ihm ein aufsprießender Dornstrauch. Auch so
schonte der Rachsüchtige nicht, sondern zerhieb grausam die Zweige.
Noch einmal wandelte sich der Unbekannte in einen Menschen und bat um
sein Leben. Allein der hartherzige Melle blieb unerbittlich. Da suchte
er als Wärwolf zu entfliehen, aber ein Streich des Melle streckte
ihn todt zur Erde. Wo er fiel und beigescharrt wurde, bezeichnet ein
Felsstein den Ort und heißt nach ihm auf ewige Zeiten.




215.

Die Wärwölfe ziehen aus.

~+Pucerus+ de divinatione p.~ 170.

+Bräuner’s+ Curiositäten 251. 255.


In Liefland ist folgende Sage. Wann der Christ-Tag verflossen ist,
so geht ein Junge, der mit einem Bein hinkt, herum und fordert alle
dem Bösen ergebene, deren eine große Anzahl ist, zusammen und heißt
sie nachfolgen. Zaudern etliche darunter und sind säumig, so ist
ein anderer großer langer Mann da, der mit einer von Eisen-Drath und
Kettlein geflochtenen Peitsche auf sie haut und mit Zwang forttreibt.
Er soll so grausam auf die Leute peitschen, daß man nach langer Zeit
Flecken und Narben auf ihrem Leib sehen kann, wovon sie viel Schmerzen
empfinden.

Sobald sie anheben, ihm zu folgen, gewinnt es das Ansehen, als ob sie
ihre vorige Gestalt ablegten und in Wölfe verwandelt würden. Da kommen
ihrer ein paar tausende zusammen: der Führer, mit der eisernen Geissel
in der Hand, geht voran. Wenn sie nun aufs Feld geführt sind, fallen
sie das Vieh grausam an und zerreißen, was sie nur ergreifen können,
womit sie großen Schaden thun. Doch Menschen zu verletzen, ist ihnen
nicht vergönnt. Kommen sie an ein Wasser, so schlägt der Führer mit
seiner Ruthe oder Geissel hinein und theilt es voneinander, so daß sie
trockenes Fußes übergehen können. Sind zwölf Tage verflossen, so legen
sie die Wärwolfs-Gestalt ab und werden wieder zu Menschen.




216.

Der Drache fährt aus.

~+Scheuchzer+ itinera per alpinas regiones. III.~ 386. 387. 396.

+Valvassor+ Ehre von Crain III. c. 32.

+Seyfried+ in ~medulla p.~ 629. N. 5.

vgl. ~Gesta rom. c.~ 114.


Das Alpenvolk in der Schweitz hat noch viele Sagen bewahrt von Drachen
und Würmern, die vor alter Zeit auf dem Gebirge hausten und oftmals
verheerend in die Thäler herabkamen. Noch jetzt, wenn ein ungestümer
Waldstrom über die Berge stürzt, Bäume und Felsen mit sich reißt,
pflegt es in einem tiefsinnigen Sprüchwort zu sagen: +“es ist ein Drach
ausgefahren.”+ Folgende Geschichte ist eine der merkwürdigsten:

Ein Binder aus Lucern ging aus, Daubenholz für seine Fässer zu suchen.
Er verirrte sich in eine wüste, einsame Gegend, die Nacht brach ein
und er fiel plötzlich in eine tiefe Grube, die jedoch unten schlammig
war, wie in einen Brunnen hinab. Zu beiden Seiten auf dem Boden waren
Eingänge in große Höhlen; als er diese genauer untersuchen wollte,
stießen ihm zu seinem großen Schrecken zwei scheußliche Drachen
auf. Der Mann betete eifrig, die Drachen umschlangen seinen Leib
verschiedenemal, aber sie thaten ihm kein Leid. Ein Tag verstrich und
mehrere, er mußte vom 6. November bis zum 10. April in Gesellschaft
der Drachen harren. Er nährte sich gleich ihnen von einer salzigten
Feuchtigkeit, die aus den Felsenwänden schwitzte. Als nun die
Drachen witterten, daß die Winterzeit vorüber war, beschlossen sie
auszufliegen. Der eine that es mit großem Rauschen und während der
andere sich gleichfalls dazu bereitete, ergriff der unglückseelige
Faßbinder des Drachen Schwanz, hielt fest daran und kam aus dem
Brunnen mit heraus. Oben ließ er los, wurde frei und begab sich wieder
in die Stadt. Zum Andenken ließ er die ganze Begebenheit auf einen
Priesterschmuck sticken, der noch jetzt in des heil. Leodagars Kirche
zu Lucern zu sehen ist. Nach den Kirchenbüchern hat sich die Geschichte
im Jahr 1420 zugetragen.




217.

Winkelried und der Lindwurm.

+Etterlin’s+ Chronik. Basel 1764. S. 12. 13.

~+Stumpf+ chron. Helvet. VII. cap.~ 2.

+Joh. Müller+ Schweiz. Gesch. I. 514.

~+Scheuchzer+ l. c. p.~ 389. 390.


In Unterwalden beim Dorf Wyler hauste in der uralten Zeit ein
scheußlicher Lindwurm, welcher alles was er ankam, Vieh und Menschen
tödtete und den ganzen Strich verödete, dergestalt, daß der Ort
selbst davon den Namen +Ödwyler+ empfing. Da begab es sich, daß
ein Eingeborener, +Winkelried+ geheißen, als er einer schweren
Mordthat halben landesflüchtig werden müssen, sich erbot, den Drachen
anzugreifen und umzubringen, unter der Bedingung, wenn man ihn nachher
wieder in seine Heimath lassen würde. Da wurden die Leute froh und
erlaubten ihm wieder in das Land; er wagt’ es und überwand das
Ungeheuer, indem er ihm einen Bündel Dörner in den aufgesperrten Rachen
stieß. Während es nun suchte diesen auszuspeien und nicht konnte,
versäumte das Thier seine Vertheidigung, und der Held nutzte die
Blößen. Frohlockend warf er den Arm auf, womit er das bluttriefende
Schwert hielt und zeigte den Einwohnern die Siegesthat, da floß das
giftige Drachenblut auf den Arm und an die bloße Haut und er mußte
alsbald das Leben lassen. Aber das Land war errettet und ausgesöhnt;
noch heutigestags zeigt man des Thieres Wohnung im Felsen und nennt sie
die Drachenhöhle.




218.

Der Lindwurm am Brunnen.

Mündlich von einem Bauer aus Oberbirbach.


Zu Frankenstein, einem alten Schlosse anderthalb Stunden weit von
Darmstadt, hausten vor alten Zeiten drei Brüder zusammen, deren
Grabsteine man noch heutiges Tags in der oberbirbacher Kirche siehet.
Der eine der Brüder hieß Hans und er ist ausgehauen, wie er auf einem
Lindwurm steht. Unten im Dorfe fließt ein Brunnen, in dem sich sowohl
die Leute aus dem Dorf als aus dem Schloß ihr Wasser holen müssen;
dicht neben den Brunnen hatte sich ein gräßlicher Lindwurm gelagert,
und die Leute konnten nicht anders Wasser schöpfen, als dadurch, daß
sie ihm täglich ein Schaf oder ein Rindvieh brachten; so lang der
Drache daran fraß, durften die Einwohner zum Brunnen. Um diesen Unfug
aufzuheben, beschloß Ritter Hans, den Kampf zu wagen; lange stritt
er, endlich gelang es ihm, dem Wurme den Kopf abzuhauen. Nun wollte
er auch den Rumpf des Unthiers, der noch zappelte, mit der Lanze
durchstechen, da kringelte sich der spitzige Schweif um des Ritters
rechtes Bein und stach ihn gerade in die Kniekehle, die einzige Stelle,
welche der Panzer nicht deckte. Der ganze Wurm war giftig und Hans von
Frankenstein mußte sein Leben lassen.




219.

Das Drachenloch.

~+Scheuchzer+ l. c. III. p.~ 383. 384.

~+Cysati+~ Beschr. des IV. Waldstädtersee p. 175. aus ~+Jac. Man.+
hist. Austriae~.

~+Athanas. Kircher+ mund. subt. VIII. p.~ 94. aus +Cysat+.

~+Wagner+ hist. nat. Helvetiae p.~ 246.

+Joh. Müller+ Schweizer-Gesch. II. 440. Not. 692.


Bei Burgdorf im Bernischen liegt eine Höhle, genannt das Drachenloch,
worin man vor alten Zeiten bei Erbauung der Burg zwei ungeheure Drachen
gefunden haben soll. Die Sage berichtet: Als im Jahr 712. zwei Gebrüder
+Syntram+ und +Beltram+ (nach andern Guntram und Waltram genannt),
Herzöge von Lensburg, ausgingen zu jagen, stießen sie in wilder und
wüster Waldung auf einen hohlen Berg. In der Höhlung lag ein ungeheurer
Drache, der das Land weit umher verödete. Als er die Menschen gewahrte,
fuhr er in Sprüngen auf sie los und im Augenblick verschlang er
Bertram, den jüngeren Bruder, lebendig. Syntram aber setzte sich kühn
zur Wehr und bezwang nach heißem Kampf das wilde Gethier, in dessen
gespaltenem Leib sein Bruder noch ganz lebendig lag. Zum Andenken
ließen die Fürsten am Orte selbst eine Capelle der heil. Margaretha
gewidmet bauen und die Geschichte abmahlen, wo sie annoch zu sehen ist.




220.

Die Schlangenkönigin.

+Wyß+ S. 148-184.


Ein Hirtenmädchen fand oben auf dem Fels eine kranke Schlange liegen,
die wollte verschmachten. Da reichte es ihr mitleidig seinen Milchkrug,
die Schlange leckte begierig und kam sichtbar zu Kräften. Das Mädchen
ging weg und bald drauf geschah es, daß ihr Liebhaber um sie warb,
allein ihrem reichen, stolzen Vater zu arm war und spöttisch abgewiesen
wurde, bis er auch einmal so viel Heerden besäße, wie der alte Hirt.
Von der Zeit an hatte der alte Hirt kein Glück mehr, sondern lauter
Unfall; man wollte des Nachts einen feurigen Drachen über seinen Fluren
sehen und sein Gut verdarb. Der arme Jüngling war nun eben so reich und
warb nochmals um seine Geliebte, die wurde ihm jetzt zu Theil. An dem
Hochzeittag trat eine Schlange ins Zimmer, auf deren gewundenem Schweif
eine schöne Jungfrau saß, die sprach, daß sie es wäre, der einstmal die
gute Hirtin in der Hungersnoth ihre Milch gegeben, und aus Dankbarkeit
nahm sie ihre glänzende Krone vom Haupt ab und warf sie der Braut in
den Schooß. Sodann verschwand sie, aber die jungen Leute hatten großen
Segen in ihrer Wirthschaft und wurden bald wohlhabend.




221.

Die Jungfrau im Oselberg.

~+Crusii+ analecta paralipom. c. 17. p. 68.~


Zwischen Dinkelsbühl und Hahnkamm stand auf dem Oselberg vor alten
Zeiten ein Schloß, wo eine einige Jungfrau gelebt, die ihrem Vater
als Wittiber Haus hielt und den Schlüssel zu allen Gemächern in ihrer
Gewalt gehabt. Endlich ist sie mit den Mauern verfallen und umkommen,
und das Geschrei kam aus, daß ihr Geist um das Gemäuer schwebe und
Nachts an den vier Quatembern in Gestalt einer Fräulein, die ein
Schlüsselbund an der Seite trägt, erscheine. Dagegen sagen alte Bauern
dieser Orte aus, von ihren Vätern gehört zu haben, diese Jungfer sey
eines alten Heiden Tochter gewesen und in eine abscheuliche Schlange
verwünscht worden; auch werde sie in Weise einer Schlange, mit
Frauenhaupt und Brust, ein Gebund Schlüssel am Hals, zu jener Zeit
gesehen.




222.

Der Krötenstuhl[12].

Die Brautschau, ein Mährlein von C.F.W. Magdeburg 1796.


Auf Nothweiler, einer elsäßischen Burg im Wasgau, lebte vor alten
Zeiten die schöne Tochter eines Herzogs, die aber so stolz war, daß sie
keinen ihrer vielen Freier gut genug fand und viele umsonst das Leben
verlieren mußten. Zur Strafe wurde sie dafür verwünscht und muß so
lang auf einem öden Felsen hausen, bis sie erlöst wird. Nur einmal die
Woche, nämlich den Freitag, darf sie sichtbar erscheinen, aber einmal
in Gestalt einer Schlange, das zweitemal als Kröte und das drittemal
als Jungfrau in ihrer natürlichen Art. Jeden Freitag wascht sie sich
auf dem Felsen, der noch heutigestags der +Krötenstuhl+ heißt, an einem
Quellborn und sieht sich dabei in die Weite um, ob niemand nahe, der
sie erlöse. Wer das Wagstück unternehmen will, der findet oben auf dem
Krötenstuhl eine Muschel mit drei Wahrzeichen: einer Schlangenschuppe,
einem Stück Krötenhaut und einer gelben Haarlocke. Diese drei Dinge bei
sich tragend, muß er einen Freitag Mittag in die wüste Burg steigen,
warten bis sie sich zu waschen kommt und sie drei Wochen hintereinander
in jeder ihrer Erscheinungen auf den Mund küssen, ohne zu entfliehen.
Wer das aushält, bringt sie zur Ruhe und empfängt alle ihre Schätze.
Mancher hat schon die Merkzeichen gefunden und sich in die Trümmer der
alten Burg gewagt, und viele sind vor Furcht und Greuel umgekommen.
Einmal hatte ein kühner Bursch schon den Mund der Schlange berührt und
wollte auf die andre Erscheinung warten, da ergriff ihn Entsetzen und
er rannte bergab; zornig und raschelnd verfolgte sie ihn als Kröte bis
auf den Krötenstuhl. Sie bleibt übrigens die Länge der Zeit hindurch
wie sie war und altert nimmer. Als Schlange ist sie am gräßlichsten und
nach dem Spruch des Volks “groß wie ein Wieschbaum (Heubaum), als Krott
groß wie ein Bachofen und da spaucht sie Feuer.”


  [12] In den gemeinen Mundarten heißt der Waldschwamm: +Kröten+-, oder
       +Paddenstuhl+.




223.

Die Wiesenjungfrau.

Mündlich, aus Hessen.


Ein Bube von Auerbach an der Bergstraße hütete seines Vaters Kühe
auf der schmalen Thalwiese, von der man das alte Schloß sehen kann.
Da schlug ihn auf einmal von hintenher eine weiche Hand sanft an den
Backen, daß er sich umdrehte, und siehe, eine wunderschöne Jungfrau
stand vor ihm, von Kopf zu den Füßen weiß gekleidet, und wollte eben
den Mund aufthun, ihn anzureden. Aber der Bub erschrack, wie vor dem
Teufel selbst, und nahm das Reißaus ins Dorf hinein. Weil indessen
sein Vater bloß die eine Wiese hatte, mußte er die Kühe immer wieder
zu derselben Weide treiben, er mochte wollen oder nicht. Es währte
lange Zeit, und der Junge hatte die Erscheinung bald vergessen, da
raschelte etwas in den Blättern an einem schwülen Sommertag und er
sah eine kleine Schlange kriechen, die trug eine blaue Blume in ihrem
Mund und fing plötzlich zu sprechen an: “hör, guter Jung, du könntest
mich erlösen, wenn du diese Blume nähmest, die ich trage, und die ein
Schlüssel ist zu meinem Kämmerlein droben im Schloß, da würdest du
Gelds die Fülle finden.” Aber der Hirtenbub erschrack, da er sie reden
hörte, und lief wieder nach Haus. Und an einem der letzten Herbsttage
hütete er wieder auf der Wiese, da zeigte sie sich zum drittenmal
in der Gestalt der ersten weißen Jungfrau und gab ihm wieder einen
Backenstreich, bat auch flehentlich, er möchte sie doch erlösen, wozu
sie ihm alle Mittel und Wege angab. All ihr Bitten war für nichts und
wider nichts, denn die Furcht überwältigte den Buben, daß er sich
kreuzte und segnete und wollte nichts mit dem Gespenst zu thun haben.
Da hohlte die Jungfrau einen tiefen Seufzer und sprach: “weh, daß ich
mein Vertrauen auf dich gesetzt habe; nun muß ich neuerdings harren
und warten, bis auf der Wiese ein Kirschenbaum wachsen und aus des
Kirschenbaums Holz eine Wiege gemacht seyn wird. Nur das Kind, das in
der Wiege zuerst gewiegt werden wird, kann mich dereinst erlösen.”
Darauf verschwand sie und der Bub, heißt es, sey nicht gar alt
geworden; woran er gestorben, weiß man nicht.




224.

Das Niesen im Wasser.

Mündlich, aus Hessen.


An einem Brücklein, das über die Auerbach geht, hörte jemand etwas im
Wasser dreimal niesen, da sprach er dreimal: “Gott helf!” und damit
wurde der Geist eines Knaben erlöst, der schon dreißig Jahre auf diese
Worte gelauert hatte. Oberhalb demselben Brücklein hörte, nach einer
andern Erzählung, ein anderer dreimal aus dem Bach herausniesen.
Zweimal sagte er: “Gott helf!” beim drittenmal aber: “der Teufel hohl
dich!” Da that das Wasser einen Wall, wie wenn sich einer mit Gewalt
darin umdrehte.




225.

Die arme Seele.

Mündlich, aus Paderborn.


Et sit en arme Seele unner de Brügge för Haxthusen-Hove to Paderborn,
de prustet unnerwielen. Wenn nu ter sülvtigen Tiet en Wage der över
färt un de Fohrmann segd nich: “Gott seegen!” so mot de Wage ümfallen.
Un hät oll manig Mann Arm un Bein terbroken.




226.

Die verfluchte Jungfer.

Eisenacher Volks-Sagen II. 179. 180.


Unweit Eisenach in einer Felsenhöhle zeigt sich zuweilen um die
Mittagsstunde ein Fräulein, die nur dadurch erlöst werden kann, daß ihr
jemand auf dreimaliges Niesen dreimal: “helf Gott!” zuruft. Sie war
eine halsstarrige Tochter und wurde vorzeiten von ihrer guten Mutter im
Zorn dahin verwünscht.




227.

Das Fräulein von Staufenberg.

+Otmar’s+ Sammlung.


Auf dem Harz bei Zorge, einem braunschweigischen Dorfe, liegt der
Staufenberg, ehdem mit einer Burg bebaut. Man sieht jetzo eine Klippe
da, auf der ein Menschenfuß eingedrückt stehet. Diese Fußtapfe drückte
einst die Tochter des alten Burgherrn in den Fels, auf dem sie oft
lange stand, weil es ihr Lieblingsplätzchen war. Noch von Zeit zu
Zeit zeigt sich dort das verzauberte Fräulein in ihren goldgelben,
geringelten Haaren.




228.

Der Jungferstein.

~+Melissantes+ Orograph. h. v.~


In Meißen, unweit der Festung Königstein, liegt ein Felsen, genannt
Jungferstein, auch Pfaffenstein. Einst verfluchte eine Mutter ihre
Tochter, welche Sonntags nicht zur Kirche, sondern in die Heidelbeeren
gegangen war. Da wurde die Tochter zu Stein und ist ihr Bild gegen
Mittag noch zu sehen.

Im dreißigjährigen Krieg flüchteten dahin die Leute vor den Soldaten.




229.

Das steinerne Brautbett.

+Spieß+ Biograph. der Wahnsinn. Th. 3. u. 4. aus der Volkssage.


In Deutschböhmen thürmt sich ein Felsen, dessen Spitze in zwei Theile
getheilt gleichsam ein Lager und Bett oben bildet. Davon hört man
sagen: es habe sonst da ein Schloß gestanden, worin eine Edelfrau mit
ihrer einzigen Tochter lebte. Diese liebte wider den Willen der Mutter
einen jungen Herrn aus der Nachbarschaft und die Mutter wollte niemals
leiden, daß sie ihn heirathete. Aber die Tochter übertrat das Gebot und
versprach sich heimlich ihrem Liebhaber, mit der Bedingung, daß sie
auf den Tod der Mutter warten und sich dann vermählen wollten. Allein
die Mutter erfuhr noch vor ihrem Tode das Verlöbniß, sprach einen
strengen Fluch aus und bat Gott inbrünstig, daß er ihn hören und der
Tochter Brautbett in einen Stein verwandeln möge. Die Mutter starb, die
ungehorsame Tochter reichte dem Bräutigam die Hand und die Hochzeit
wurde mit großer Pracht auf dem Felsenschloß gefeiert. Um Mitternacht,
wie sie in die Brautkammer gingen, hörte die Nachbarschaft ringsumher
einen fürchterlichen Donner schlagen. Am Morgen war das Schloß
verschwunden, kein Weg und Steg führte zum Felsen und auf dem Gipfel
saß die Braut in dem steinernen Bette, welches man noch jetzt deutlich
sehen und betrachten kann. Kein Mensch konnte sie erretten, und jeder
der versuchen wollte, die Steile zu erklettern, stürzte herab. So mußte
sie verhungern und verschmachten; ihren todten Leichnam fraßen die
Raben.




230.

Zum Stehen verwünscht.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 659-661.


Im Jahr Christi 1545. begab sichs zu Freiberg in Meißen, daß Lorenz
Richter, ein Weber seines Handwerks, in der Wein-Gasse wohnend,
seinem Sohn, einem Knaben von vierzehn Jahren, befahl, etwas eilend
zu thun; der aber verweilte sich, blieb in der Stube stehen und ging
nicht bald dem Worte nach. Deßwegen der Vater entrüstet wurde und im
Zorn ihm fluchte: “ei stehe, daß du nimmermehr könnst fortgehen!” Auf
diese Verwünschung blieb der Knabe alsbald stehen, konnte von der
Stelle nicht kommen und stand so fort drei ganzer Jahre an dem Ort,
also daß er tiefe Gruben in die Dielen eindrückte, und ward ihm ein
Pult untergesetzt, darauf er mit Haupt und Armen sich lehnen und
ruhen konnte. Weil aber die Stelle, wo er stand, nicht weit von der
Stubenthüre und auch nahe am Ofen war, und deshalb den Leuten, welche
hineinkamen, sehr hinderlich, so haben die Geistlichen der Stadt auf
vorhergehendes fleißiges Gebät ihn von selbem Ort erhoben und gegenüber
in den andern Winkel glücklich und ohne Schaden, wiewohl mit großer
Mühe, fortgebracht. Denn wenn man ihn sonst forttragen wollen, ist er
alsbald mit unsäglichen Schmerzen befallen und wie ganz rasend worden.
An diesem Ort, nachdem er niedergesetzt worden, ist er ferner bis ins
vierte Jahr gestanden und hat die Dielen noch tiefer durchgetreten.
Man hatte nachgehends einen Umhang um ihn geschlagen, damit ihn die
aus- und eingehenden nicht also sehen konnten, welches auf sein Bitten
geschehen, weil er gern allein gewesen ist und vor stäter Traurigkeit
nicht viel geredet. Endlich hat der gütige Gott die Strafe in etwas
gemildert, so daß er das letzte halbe Jahr sitzen und sich in das Bett,
das neben ihn gestellt worden, hat niederlegen können. Fragte ihn
jemand, was er mache, so gab er gemeinlich zur Antwort, er leide Gottes
Züchtigung wegen seiner Sünden, setze alles in dessen Willen und halte
sich an das Verdienst seines Herrn Jesu Christi, worauf er hoffe selig
zu werden. Er hat sonst gar elend ausgesehen, war blaß und bleich von
Angesicht, am Leibe gar schmächtig und abgezehrt, im Essen und Trinken
mäßig, also daß es zur Speise oft Nöthigens bedurfte. Nach Ausgang
des siebten Jahrs ist er dieses seines betrübten Zustandes den elften
September 1552 gnädig entbunden worden, indem er eines vernünftigen
und natürlichen Todes in wahrer Bekenntniß und Glauben an Jesum
Christum selig entschlafen. Die Fußstapfen sieht man auf heutigen Tag
in obgedachter Gasse und Haus, (dessen jetziger Zeit Severin Tränkner
Besitzer ist), in der obern Stube, da sich diese Geschichte begeben,
die erste bei dem Ofen, die andere in der Kammer nächst dabei, weil
nachgehender Zeit die Stuben unterschieden worden.




231.

Die Bauern zu Kolbeck.

+Bange+ thüring. Chronik. Bl. 39.

+Becherer+ thüring. Chronik S. 193. 194.

+Gerstenberg+ bei ~+Schminke+ mon. hass. I.~ 88. 89.

+Spangenberg+ Brautpredigt 45.


Im Jahr 1012. war ein Bauer im Dorf Kolbeke bei Halberstadt, der hieß
Albrecht, der machte in der Christnacht einen Tanz mit andern funfzehn
Bauern, dieweil man Messe hielt, außen auf dem Kirchhof und waren drei
Weibsbilder unter ihnen. Und da der Pfarrherr heraustrat und sie darum
strafte, sprach jener: “mich heißet (man) Albrecht, so heißet dich
Ruprecht; du bist drinne frölich, so laß uns hausen frölich seyn; du
singst drinnen deine Leisen, so laß uns unsern Reihen singen.” Sprach
der Pfarrherr: “so wolle Gott und der Herr S. Magnus, daß ihr ein ganz
Jahr also tanzen müsset!” Das geschah, und Gott gab den Worten Kraft,
so daß weder Regen noch Frost ihre Häupter berührte, noch sie Hitze,
Hunger und Durst empfanden, sondern sie tanzten allum und ihre Schuhe
zerschlissen auch nicht. Da lief einer (der Küster) zu und wollte seine
Schwester aus dem Tanze ziehen, da folgten ihm ihre Arme. Als das Jahr
vorüber war, kam der Bischof von Cöln, Heribert, und erlösete sie aus
dem Bann; da starben ihrer vier sobald, die andern wurden sehr krank,
und man sagt, daß sie sich in die Erde fast an den Mittel (d. h. an
den Gürtel) sollen getanzt haben, und ein tiefer Graben in dem Grund
ausgehöhlt wurde, der noch zu sehen ist. Der Landesherr ließ zum
Zeichen so viel Steine darum setzen, als Menschen mitgetanzt hatten.




232.

Der heilige Sonntag.

+Harsdörfer’s+ Mordgeschichten Nr. 120, 3.


Zu Kindstadt in Franken pflag eine Spinnerin des Sonntags über
zu spinnen und zwang auch ihre Mägde dazu. Einsten dauchte sie
miteinander, es ginge Feuer aus ihren Spinnrocken, thäte ihnen aber
weiter kein Leid. Den folgenden Sonntag kam das Feuer wahrhaftig in den
Rocken, wurde doch wieder gelöscht. Weil sies aber nicht achtete, ging
den dritten Sonntag das ganze Haus an vom Flachs und verbrann die Frau
mit zweien Kindern, aber durch Gottes Gnade wurde ein kleines Kind in
der Wiegen erhalten, daß ihm kein Leid geschahe.

Man sagt auch, einem Bauer, der Sonntags in die Mühle ging, sein
Getreid zu mahlen, sey es zu Aschen geworden, einem andern Scheuer und
Korn abgebrunnen. Einer wollte auf den heiligen Tag pflügen und die
Pflugschaar mit einem Eisen scheuern, das Eisen wuchs ihm an die Hand
und mußte es zwei Jahr in großem Schmerz tragen, bis ihn Gott nach
vielem brünstigen Gebet von der Plage erledigte.




233.

Frau Hütt.

vgl. Morgenblatt. 1811. Nr. 28.


In uralten Zeiten lebte im Tirolerland eine mächtige Riesen-Königin,
+Frau Hütt+ genannt und wohnte auf den Gebürgen über Innsbruck, die
jetzt grau und kahl sind, aber damals voll Wälder, reicher Äcker und
grüner Wiesen waren. Auf eine Zeit kam ihr kleiner Sohn heim, weinte
und jammerte, Schlamm bedeckte ihm Gesicht und Hände, dazu sah sein
Kleid schwarz aus, wie ein Köhlerkittel. Er hatte sich eine Tanne zum
Stecken-Pferd abknicken wollen, weil der Baum aber am Rande eines
Morastes stand, so war das Erdreich unter ihm gewichen und er bis zum
Haupt in den Moder gesunken, doch hatte er sich noch glücklich heraus
geholfen. Frau Hütt tröstete ihn, versprach ihm ein neues schönes
Röcklein und rief einen Diener, der sollte weiche Brosamen nehmen und
ihm damit Gesicht und Hände reinigen. Kaum aber hatte dieser angefangen
mit der heiligen Gottes-Gabe also sündlich umzugehen, so zog ein
schweres, schwarzes Gewitter daher, das den Himmel ganz zudeckte und
ein entsetzlicher Donner schlug ein. Als es wieder sich aufgehellt,
da waren die reichen Kornäcker, grünen Wiesen und Wälder und die
Wohnung der Frau Hütt verschwunden und überall war nur eine Wüste mit
zerstreuten Steinen, wo kein Grashalm mehr wachsen konnte, in der Mitte
aber stand Frau Hütt, die Riesenkönigin, versteinert und wird so stehen
bis zum jüngsten Tag.

In vielen Gegenden Tirols, besonders in der Nähe von Innsbruck, wird
bösen und muthwilligen Kindern die Sage zur Warnung erzählt, wenn sie
sich mit Brot werfen oder sonst Uebermuth damit treiben. “Spart eure
Brosamen, heißt es, für die Armen, damit es euch nicht ergehe, wie der
Frau Hütt.”




234.

Der Kindelsberg.

Stilling’s Leben. II. 24—29.


Hinter dem Geisenberg in Westphalen ragt ein hoher Berg mit dreien
Köpfen hervor, davon heißt der mittelste noch der +Kindelsberg+, da
stand vor alten Zeiten ein Schloß, das gleichen Namen führte, und in
dem Schloß wohnten Ritter, die waren gottlose Leute. Zur Rechten hatten
sie ein sehr schönes Silber-Bergwerk, davon wurden sie stockreich und
von dem Reichthum wurden sie so übermüthig, daß sie sich silberne Kegel
machten, und wenn sie spielten, so warfen sie diese Kegel mit silbernen
Kugeln. Der Uebermuth ging aber noch weiter, denn sie bucken sich
große Kuchen von Semmelmehl, wie Kutschenräder, machten mitten Löcher
darein und steckten sie an die Achsen. Das war eine himmelschreiende
Sünde, denn so viele Menschen hatten kein Brot zu essen. Gott ward es
endlich auch müde. Eines Abends spät kam ein weißes Männchen ins Schloß
und sagte an, daß sie alle binnen dreien Tagen sterben müßten und zum
Wahrzeichen gab er ihnen, daß diese Nacht eine Kuh zwei Lämmer werfen
würde. Das traf auch ein, aber niemand kehrte sich daran, als der
jüngste Sohn, der Ritter Siegmund hieß, und eine Tochter, die eine gar
schöne Jungfrau war. Diese bäteten Tag und Nacht. Die andern starben
an der Pest, aber diese beiden blieben am Leben. Nun war aber auf dem
Geisenberg ein junger kühner Ritter, der ritt beständig ein großes
schwarzes Pferd und hieß darum der Ritter mit dem schwarzen Pferd. Er
war ein gottloser Mensch, der immer raubte und mordete. Dieser Ritter
gewann die schöne Jungfrau auf dem Kindelsberg lieb und wollte sie zur
Ehe haben, sie schlug es ihm aber beständig ab, weil sie einem jungen
Grafen von der Mark verlobt war, der mit ihrem Bruder in den Krieg
gezogen war und dem sie treu bleiben wollte. Als aber der Graf immer
nicht aus dem Krieg zurückkam und der Ritter mit dem schwarzen Pferd
sehr um sie warb, so sagte sie endlich: “wenn die grüne Linde hier
vor meinem Fenster wird dürr seyn, so will ich dir gewogen werden.”
Der Ritter mit dem schwarzen Pferde suchte so lang in dem Lande, bis
er eine dürre Linde fand, so groß wie jene grüne, und in einer Nacht
bei Mondenschein grub er diese aus und setzte die dürre dafür hin. Als
nun die schöne Jungfrau aufwachte, so war’s so hell vor ihrem Fenster,
da lief sie hin und sah erschrocken, daß eine dürre Linde da stand.
Weinend setzte sie sich unter die Linde und als der Ritter nun kam und
ihr Herz verlangte, sprach sie in ihrer Noth: “ich kann dich nimmermehr
lieben.” Da ward der Ritter mit dem schwarzen Pferd zornig und stach
sie todt. Der Bräutigam kam noch denselben Tag zurück, machte ihr ein
Grab und setzte eine Linde dabei und einen großen Stein, der noch zu
sehen ist.




235.

Die Semmel-Schuhe.

Mündlich, aus Deutschböhmen.


Im Klatauer Kreis, eine Viertelstunde vom Dorf Oberkamenz, stand auf
dem Hradekberg ein Schloß, davon noch einige Trümmer bleiben. Vor
alter Zeit ließ der Burgherr eine Brücke bauen, die bis nach Stankau,
welches eine Stunde Wegs weit ist, führte und die Brücke war der Weg,
den sie zur Kirche gehen mußten. Dieser Burgherr hatte eine junge,
hochmüthige Tochter, die war so vom Stolz besessen, daß sie Semmeln
aushöhlen ließ und statt der Schuhe anzog. Als sie nun einmal auf
jener Brücke mit solchen Schuhen zur Kirche ging und eben auf die
letzte Stufe trat, so soll sie und das ganze Schloß versunken seyn.
Ihre Fußstapfe sieht man noch jetzt in einem Stein, welcher eine Stufe
dieser Brücke war, deutlich eingedruckt.




236.

Der Erdfall bei Hochstädt.

+Behrens+ curiöser Harzwald S. 85. 86.


Im brandenburgischen Amt Klettenberg gegen den Unterharz, unfern des
Dorfs Hochstädt, sieht man einen See und einen Erdfall, von dem die
Einwohner folgende Sage haben: in vorigen Zeiten sey an der Stelle des
Sees eine Grasweide gewesen. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh,
und als die andern sahen, daß einer unter ihnen weiß Brot aß, bekamen
sie auch Lust, davon zu genießen und forderten es dem Jungen ab. Dieser
wollte ihnen aber nichts mittheilen, denn er bedürfe es zur Stillung
seines eigenen Hungers. Darüber erzürnten sie, fluchten ihren Herrn,
daß sie ihnen blos gemeines schwarz-Hausbacken-Brot gäben, warfen ihr
Brot frevelhaft zur Erde, tratens mit Füßen und geisseltens mit ihren
Peitschen. Alsbald kam Blut aus dem Brot geflossen, da erschracken die
Knechte, wußten nicht wohin sich wenden; der unschuldige aber (den, wie
einige hinzufügen, ein alter unbekannter, dazu kommender Mann gewarnt
haben soll) schwang sich zu Pferd und entfloh dem Verderben. Zu spät
wollten die andern nachfolgen, sie konnten nicht mehr von der Stelle
und plötzlich ging der ganze Platz unter. Die bösen Buben sammt ihren
Pferden wurden tief in die Erde verschlungen und nichts von ihnen kam
je wieder ans Tageslicht. Andere erzählen anders. Auch sollen aus dem
See Pflanzen mit Blättern, wie Hufeisen, wachsen.




237.

Die Brot-Schuhe.

Mündlich, aus Deutschböhmen.


Einer Bürgersfrau war ihr junges Kind gestorben, das ihr Augapfel war,
und wußte gar nicht genug, was sie ihm noch liebs und guts anthun
sollte, eh es unter die Erde käme und sie’s nimmermehr sehen würde. Und
wie sie’s nun im Sarg auf das beste putzte und kleidete, so däuchten
ihr die Schühlein doch nicht gut genug und nahm das weißeste Mehl,
was sie hatte, machte einen Teig und buck dem Kind welche von Brot. In
diesen Schuhen wurde das Kind begraben, allein es ließ der Mutter nicht
Rast noch Ruh, sondern erschien ihr jammervoll, bis sein Sarg wieder
ausgegraben wurde und die Schühlein aus Brot von den Füßen genommen und
andere ordentliche angezogen waren. Von da an stillte es sich.




238.

Das taube Korn.

Holländ. gemeine Sage. +Grabner+ Reise in die Niederlande. Gotha 1792.
S. 58-60.

+Winsheim+ fries. Chronik. Bl. 147. 148.


Zu Stavoren in Friesland waren die Einwohner durch ihren Reichthum
stolz und übermüthig geworden, daß sie Hausflur und Thüren mit Gold
beschlagen ließen, den ärmeren Städten der Nachbarschaft zum Trotz.
Von diesen wurden sie daher nicht anders genannt, als: “die verwöhnten
Kinder von Stavoren.” Unter ihnen war besonders eine alte geitzhälsige
Witwe, die trug einem Danzigfahrer auf, das beste was er laden könne,
für ihre Rechnung mitzubringen. Der Schiffer wußte nichts bessers, als
er nahm einige tausend Lasten schönes polnisch Getraid, denn zur Zeit
der Abreise hatte die Frucht gar hoch gestanden in Friesland. Unterwegs
aber begegnete ihm nichts wie Sturm und Unwetter und nöthigten ihn zu
Bornholm überwintern, dergestalt daß wie er Frühjahrs endlich daheim
anlangte, das Korn gänzlich im Preise gefallen war und die Witwe
zornig die sämmtliche Ladung vor der Stadt in die See werfen ließ. Was
geschah? An derselben Stelle that sich seit der Zeit eine mächtige
Sandbank empor, geheißen der +Frauensand+, drauf nichts als taubes
Korn (Wunderkorn, Dünenhelm, weil es die Dünen wider die See helmt
[schützt], ~arundo arenaria~) wuchs und die Sandbank lag vor dem Hafen,
den sie sperrte, und der ganze Hafen ging zu Grunde. So wuchs an der
Sünde der alten Frau die Buße für die ganze Stadt auf.




239.

Der Frauensand.

Mündlich aus Holland mitgetheilt.


Westlich im Südersee wachsen mitten aus dem Meer Gräser und Halme
hervor an der Stelle, wo die Kirchthürme und stolzen Häuser der
vormaligen Stadt Stavoren in tiefer Flut begraben liegen. Der Reichthum
hatte ihre Bewohner ruchlos gemacht, und als das Maaß ihrer Uebelthaten
erfüllt war, gingen sie bald zu Grunde. Fischer und Schiffer am Strand
des Südersees haben die Sage von Mund zu Mund fortbewahrt.

Die vermögendste aller Insassen der Stadt Stavoren war eine sichere
Jungfrau, deren Namen man nicht mehr nennt. Stolz auf ihr Geld und Gut,
hart gegen die Menschen, strebte sie blos, ihre Schätze immer noch zu
vermehren. Flüche und gotteslästerliche Reden hörte man viel aus ihrem
Munde. Auch die übrigen Bürger dieser unmäßig reichen Stadt, zu deren
Zeit man Amsterdam noch nicht nannte, und Rotterdam ein kleines Dorf
war, hatten den Weg der Tugend verlassen.

Eines Tags rief diese Jungfrau ihren Schiffmeister und befahl ihm
auszufahren und eine Ladung des edelsten und besten mitzubringen,
was auf der Welt wäre. Vergebens forderte der Seemann, gewohnt an
pünctliche und bestimmte Aufträge, nähere Weisung; die Jungfrau bestand
zornig auf ihrem Wort und hieß ihn alsbald in die See stechen. Der
Schiffmeister fuhr unschlüssig und unsicher ab, er wußte nicht, wie
er dem Geheiß seiner Frau, deren bösen, strengen Sinn er wohl kannte,
nachkommen möchte und überlegte hin und her, was zu thun. Endlich
dachte er: ich will ihr eine Ladung des köstlichsten Weizen bringen,
was ist schöners und edlers zu finden auf Erden, als dieß herrliche
Korn, dessen kein Mensch entbehren kann? Also steuerte er nach Danzig,
befrachtete sein Schiff mit ausgesuchtem Weizen und kehrte alsdann,
immer noch unruhig und furchtsam vor dem Ausgang, wieder in seine
Heimath zurück. “Wie, Schiffmeister, rief ihm die Jungfrau entgegen, du
bist schon hier? ich glaubte dich an der Küste von Africa, um Gold und
Elfenbein zu handeln, laß sehen, was du geladen hast.” Zögernd, denn an
ihren Reden sah er schon, wie wenig sein Einkauf ihr behagen würde,
antwortete er: “meine Frau, ich führe euch zu dem köstlichsten Weizen,
der auf dem ganzen Erdreich mag gefunden werden.” “Weizen, sprach sie,
so elendes Zeug bringst du mir?” -- “ich dachte das wäre so elend
nicht, was uns unser tägliches und gesundes Brot gibt” -- “ich will dir
zeigen, wie verächtlich mir deine Ladung ist; von welcher Seite ist das
Schiff geladen?” -- “von der rechten Seite (Stuurboordszyde),” sprach
der Schiffmeister. -- “Wohlan, so befehl ich dir, daß du zur Stunde die
ganze Ladung auf der linken Seite (Bakboord) in die See schüttest; ich
komme selbst hin und sehe, ob mein Befehl erfüllt worden.”

Der Seemann zauderte einen Befehl auszuführen, der sich so greulich an
der Gabe Gottes versündigte und berief in Eile alle arme und dürftige
Leute aus der Stadt an die Stelle, wo das Schiff lag, durch deren
Anblick er seine Herrin zu bewegen hoffte. Sie kam und frug: “wie ist
mein Befehl ausgerichtet?” Da fiel eine Schaar von Armen auf die Knie
vor ihr und baten, daß sie ihnen das Korn austheilen möchte, lieber als
es vom Meer verschlingen zu lassen. Aber das Herz der Jungfrau war hart
wie Stein und sie erneuerte den Befehl, die ganze Ladung schleunig über
Bord zu werfen. Da bezwang sich der Schiffmeister länger nicht und rief
laut: “nein, diese Bosheit kann Gott nicht ungerächt lassen, wenn es
wahr ist, daß der Himmel das Gute lohnt und das Böse straft; ein Tag
wird kommen, wo ihr gerne die edlen Körner, die ihr so verspielt, eins
nach dem andern auflesen möchtet, euren Hunger damit zu stillen!” “Wie,
rief sie mit höllischem Gelächter, ich soll dürftig werden können? ich
soll in Armuth und Brotmangel fallen? So wahr das geschieht, so wahr
sollen auch meine Augen diesen Ring wieder erblicken, den ich hier in
die Tiefe der See werfe.” Bei diesem Wort zog sie einen kostbaren Ring
vom Finger und warf ihn in die Wellen. Die ganze Ladung des Schiffes
und aller Weizen, der darauf war, wurde also in die See ausgeschüttet.

Was geschieht? Einige Tage darauf ging die Magd dieser Frauen zu Markt,
kaufte einen Schelfisch und wollte ihn in der Küche zurichten; als sie
ihn aufschnitt, fand sie darin einen kostbaren Ring und zeigte ihn
ihrer Frauen. Wie ihn die Meisterin sah, erkannte sie ihn sogleich
für ihren Ring, den sie neulich ins Meer geworfen hatte, erbleichte
und fühlte die Vorboten der Strafe in ihrem Gewissen. Wie groß war
aber ihr Schrecken, als in demselben Augenblick die Botschaft eintraf,
ihre ganze aus Morgenland kommende Flotte wäre gestrandet! Wenige
Tage darauf kam die neue Zeitung von untergegangenen Schiffen, worauf
sie noch reiche Ladungen hatte. Ein anderes Schiff raubten ihr die
Mohren und Türken; der Fall einiger Kaufhäuser, worin sie verwickelt
war, vollendete bald ihr Unglück und kaum war ein Jahr verflossen, so
erfüllte sich die schreckliche Drohung des Schiffmeisters in allen
Stücken. Arm und von keinem betrauert, von vielen verhöhnt, sank sie
je länger je mehr in Noth und Elend, hungrig bettelte sie Brot vor den
Thüren und bekam oft keinen Bissen, endlich verkümmerte sie und starb
verzweifelnd.

Der Weizen aber, der in das Meer geschüttet worden war, sproß und
wuchs das folgende Jahr, doch trug er taube Ähren. Niemand achtete das
Warnungszeichen, allein die Ruchlosheit von Stavoren nahm von Jahr
zu Jahr überhand, da zog Gott der Herr seine schirmende Hand ab von
der bösen Stadt. Auf eine Zeit schöpfte man Hering und Butt aus den
Ziehbrunnen und in der Nacht öffnete sich die See und verschwalg mehr
als drei Viertel der Stadt in rauschender Flut. Noch beinah jedes Jahr
versinken einige Hütten der Insassen und es ist seit der Zeit kein
Seegen und kein wohlhabender Mann in Stavoren zu finden. Noch immer
wächst jährlich an derselben Stelle ein Gras aus dem Wasser, das kein
Kräuterkenner kennt, das keine Blüte trägt und sonst nirgends mehr auf
Erden gefunden wird. Der Halm treibt lang und hoch, die Ähre gleicht
der Waizenähre, ist aber taub und ohne Körner. Die Sandbank, worauf es
grünt, liegt entlangs der Stadt Stavoren und trägt keinen andern Namen
als den des +Frauensands+.




240.

Brot zu Stein geworden.

~+Melissantes+~ Handb. f. Bürger u. Bauern. Fft. u. Lpg. 1744. S. 128.

+Ernst+ Gemüthsergötzlichkeit S. 946.

Rheinischer Antiquar. S. 864.

Mündliche Sage aus Landshut.

Aus Danzig in +Mart. Zeiller’s+ Handbuch von allerlei nützl. Sachen und
Denkwürdigkeiten. Ulm 1655. S. 27.


Man hat an viel Orten, namentlich in Westphalen, die Sagen, daß zur
Zeit großer Theuerung eine hartherzige Schwester ihre arme Schwester,
die für sich und ihre Kindlein Brot gebeten, mit den Worten abgewiesen:
“und wenn ich Brot hätte, wollte ich, daß es zu Stein würde!” -- worauf
sich ihr Brotvorrath alsbald in Stein verwandelt. Zu Leiden in Holland
hebt man in der großen Peterskirche ein solches Steinbrot auf und zeigt
es den Leuten zur Bewährung der Geschichte.

Im Jahr 1579 hatte ein dortmunder Becker in der Hungersnoth viel Korn
aufgekauft und freute sich, damit recht zu wuchern. Als er aber mitten
in diesem Geschäft war, ist ihm sein Brot im ganzen Hause eines Tages
zu Stein worden und wie er einen Laib ergriffen und mit dem Messer
aufschneiden wollen, Blut daraus geflossen. Darüber hat er sich alsbald
in seiner Kammer erhängt.

In der dem heiligen Kastulus geweihten Hauptkirche zu Landshut hängt
mit silberner Einfassung ein runder Stein in Gestalt eines Brotes,
in dessen Oberfläche sich vier kleine Höhlungen befinden. Davon geht
folgende Sage. Kurz vor seinem Tode kam der heil. Kastulus als ein
armer Mann zu einer Wittwe in der Stadt und bat um ein Almosen. Die
Frau hieß ihre Tochter, das einzige Brot, das sie noch übrig hatten,
dem Dürftigen reichen. Die Tochter, die es ungern weggab, wollte vorher
noch eilig einige Stücke abbrechen, aber in dem Augenblick verwandelte
sich das, dem Heiligen schon eigene, Brot in Stein und man erblickt
noch jetzt darin die eingedrückten Finger deutlich.

Zur Zeit einer großen Theurung ging ein armes Weib, ein Kind auf dem
Arm, eins neben sich herlaufend und nach Brot laut schreiend, durch
eine Straße der Stadt Danzig. Da begegnete ihr ein Mönch aus dem
Kloster Oliva, den sie flehentlich um ein Bischen Brot für ihre Kinder
bat. Der Mönch aber sagte: “ich habe keins.” Die Frau sprach: “ach ich
sehe, daß ihr in euerm Busen Brot stecken habt.” “Ei, das ist nur ein
Stein, die Hunde damit zu werfen,” antwortete der Mönch und ging fort.
Nach einer Weile wollte er sein Brot holen und essen, aber er fand,
daß es sich wirklich in Stein verwandelt hatte. Er erschrack, bekannte
seine Sünde und gab den Stein ab, der noch jetzt in der Klosterkirche
dort hängt.




241.

Der binger Mäusethurm.

+Bange+ thür. Chronik Bl. 35 b.


Zu Bingen ragt mitten aus dem Rhein ein hoher Thurm, von dem
nachstehende Sage umgeht. Im Jahr 974. ward große Theuerung in
Deutschland, daß die Menschen aus Noth Katzen und Hunde aßen und doch
viel Leute Hungers sturben. Da war ein Bischof zu Mainz, der hieß Hatto
der andere, ein Geizhals, dachte nur daran, seinen Schatz zu mehren und
sah zu, wie die armen Leute auf der Gasse niederfielen und bei Haufen
zu den Brotbänken liefen und das Brot nahmen mit Gewalt. Aber kein
Erbarmen kam in den Bischof, sondern er sprach: “lasset alle Arme und
Dürftige sammlen in einer Scheune vor der Stadt, ich will sie speisen.”
Und wie sie in die Scheune gegangen waren, schloß er die Thüre zu,
steckte mit Feuer an und verbrannte die Scheune sammt den armen Leuten.
Als nun die Menschen unter den Flammen wimmerten und jammerten, rief
Bischof Hatto: “hört, hört, wie die Mäuse pfeifen!” Allein Gott der
Herr plagte ihn bald, daß die Mäuse Tag und Nacht über ihn liefen und
an ihm fraßen, und vermochte sich mit aller seiner Gewalt nicht wider
sie behalten und bewahren. Da wußte er endlich keinen andern Rath, als
er ließ einen Thurm bei Bingen mitten in den Rhein bauen, der noch
heutiges Tags zu sehen ist, und meinte sich darin zu fristen, aber die
Mäuse schwummen durch den Strom heran, erklommen den Thurm und fraßen
den Bischof lebendig auf.




242.

Das Bubenried.

Mündlich, aus dem Odenwald.


In der großbieberauer Gemarkung liegt ein Thal gegen Ueberau zu, das
nennen die Leute das Bubenried und gehen nicht bei nächtlicher Weile
dadurch, ohne daß ihnen die Hühnerhaut ankommt. Vor Zeiten, als Krieg
und Hungersnoth im Reich war, gingen zwei Bettelbuben von Ueberau
zurück, die hatten sich immer zu einander gehalten und in dem Thal
pflegten sie immer ihr Almosen zu theilen. Sie hatten heute nur ein
paar Blechpfennige gekriegt, aber dem einen hatte der reiche Schulz ein
Armenlaibchen geschenkt, “das könne er mit seinem Gesellen theilen.”
Wie nun alles andere redlich getheilt war und der Bub das Brot aus dem
Schubfach zog, roch es ihm so lieblich in die Nase, daß er’s für sich
allein behalten und dem andern nichts davon geben wollte. Da nahm der
Friede sein Ende, sie zankten sich und von den Worten kams zum Raufen
und Balgen, und als keiner den andern zwingen konnte, riß sich jeder
einen Pfahl aus dem Pferch. Der böse Feind führte ihnen die Kolben
und jeder Bub schlug den andern todt. Drei Nächte lang nach dem Mord
regte sich kein Blatt und sang kein Vogel im Ried, und seitdem ists da
ungeheuer und man hört die Buben wimmern und winseln.




243.

Kindelbrück.

Mündlich.


Diese thüringische Landstadt soll daher ihren Namen haben: es seyen vor
Zeiten zwei kleine Kinder auf Steckenpferden auf der Brücke, die über
die Wipper führt, geritten und ins Wasser gefallen.




244.

Die Kinder zu Hameln.

+Sam. Erich+ der hamelschen Kinder Ausgang.

+Kirchmayer+ vom unglücklichen Ausgang der hamel. Kinder. Dresd. u.
Lpzg. 1702. 8.

+Joh. Weier+ von Teufels-Gespenstern I. c. 16.

~+Meibom+ SS. RR. GG. III. p. 80.~

~+Hondorf+ prompt. exempl. Tit. de educ. liberor.~

+Becherer+ thüring. Chronik S. 366. 367.

+Seyfried’s+ ~medulla p. 476.~

+Hübner’s+ Geogr. III. Hamb. 1736. S. 611-613.

~+Verstegan+ decayed intelligence. London 1634. p. 85. 86.~

Die hamelsche Chronik u. a. m.


Im Jahr 1284 ließ sich zu Hameln ein wunderlicher Mann sehen. Er hatte
einen Rock von vielfarbigem, buntem Tuch an, weshalben er +Bundting+
soll geheißen haben, und gab sich für einen Rattenfänger aus, indem
er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und
Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und versicherten
ihm einen bestimmten Lohn. Der Rattenfänger zog demnach ein Pfeifchen
heraus und pfiff, da kamen alsobald die Ratten und Mäuse aus allen
Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun
meinte, es wäre keine zurück, ging er hinaus und der ganze Haufe
folgte ihm, und so führte er sie an die Weser; dort schürzte er seine
Kleider und trat in das Wasser, worauf ihm alle die Thiere folgten und
hineinstürzend ertranken.

Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie der
versprochene Lohn und sie verweigerten ihn dem Manne unter allerlei
Ausflüchten, so daß er zornig und erbittert wegging. Am 26sten Juni auf
Johannis und Pauli Tag, Morgens früh sieben Uhr, nach andern zu Mittag,
erschien er wieder, jetzt in Gestalt eines Jägers erschrecklichen
Angesichts mit einem rothen, wunderlichen Hut und ließ seine Pfeife in
den Gassen hören. Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern
Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an, in großer Anzahl
gelaufen, worunter auch die schon erwachsene Tochter des Burgermeisters
war. Der ganze Schwarm folgte ihm nach und er führte sie hinaus in
einen Berg, wo er mit ihnen verschwand. Dies hatte ein Kinder-Mädchen
gesehen, welches mit einem Kind auf dem Arm von fern nachgezogen war,
darnach umkehrte und das Gerücht in die Stadt brachte. Die Eltern
liefen haufenweis vor alle Thore und suchten mit betrübtem Herzen ihre
Kinder; die Mütter erhoben ein jämmerliches Schreien und Weinen. Von
Stund an wurden Boten zu Wasser und Land an alle Orte herumgeschickt,
zu erkundigen, ob man die Kinder, oder auch nur etliche gesehen, aber
alles vergeblich. Es waren im Ganzen hundert und dreißig verloren. Zwei
sollen, wie einige sagen, sich verspätet und zurückgekommen seyn, wovon
aber das eine blind, das andere stumm gewesen, also daß das blinde den
Ort nicht hat zeigen können, aber wohl erzählen, wie sie dem Spielmann
gefolgt wären; das stumme aber den Ort gewiesen, ob es gleich nichts
gehört. Ein Knäblein war im Hemd mitgelaufen und kehrte um, seinen Rock
zu hohlen, wodurch es dem Unglück entgangen; denn als es zurückkam,
waren die andern schon in der Grube eines Hügels, die noch gezeigt
wird, verschwunden.

Die Straße, wodurch die Kinder zum Thor hinausgegangen, hieß noch
in der Mitte des 18. J.H. (wohl noch heute) die +bunge-lose+
(trommel-tonlose, stille), weil kein Tanz darin geschehen, noch
Saiten-Spiel durfte gerührt werden. Ja, wenn eine Braut mit Musik
zur Kirche gebracht ward, mußten die Spiel-Leute über die Gasse hin
stillschweigen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder verschwanden, heißt
der Poppenberg, wo links und rechts zwei Steine in Kreuzform sind
aufgerichtet worden. Einige sagen, die Kinder wären in eine Höhle
geführt worden und in Siebenbürgen wieder herausgekommen.

Die Bürger von Hameln haben die Begebenheit in ihr Stadtbuch
einzeichnen lassen und pflegten in ihren Ausschreiben nach dem Verlust
ihrer Kinder Jahr und Tag zu zählen. Nach Seyfried ist der 22ste statt
des 26sten Juni im Stadtbuch angegeben. An dem Rath-Haus standen
folgende Zeilen:

  Im Jahr 1284 na Christi gebort tho Hamel worden uthgevort hundert und
  dreißig Kinder dasülvest geborn dorch einen Piper under den Köppen
  verlorn.

Und an der neuen Pforte:

  ~Centum ter denos cum magus ab urbe puellos duxerat ante annos
  CCLXXII condita porta fuit.~

Im Jahr 1572 ließ der Burgermeister die Geschichte in die
Kirchenfenster abbilden mit der nöthigen Ueberschrift, welche
größtentheils unleserlich geworden. Auch ist eine Münze darauf geprägt.




245.

Der Rattenfänger.

Mündlich, aus Deutschböhmen.


Der Rattenfänger weiß einen gewissen Ton, pfeift er den neunmal, so
ziehen ihm alle Ratten nach, wohin er sie haben will, in Teich oder
Pfütze.

Einmal konnte man in einem Dorf der Ratten gar nicht los werden und
ließ endlich den Fänger hohlen. Der richtete nun einen Haselstock so
zu, daß alle Ratten dran gebannt waren und wer den Stock ergriff,
dem mußten sie nach; er wartete aber bis Sonntags und legte ihn vor
die Kirchenthür. Als nun die Leute vom Gottesdienst heimkamen, ging
auch ein Müller vorbei und sah gerade den hübschen Stock liegen,
sprach: “das gibt mir einen feinen Spazirstock.” Also nahm er ihn zur
Hand und ging dem Dorf hinaus, seiner Mühle zu. Indem so huben schon
einzelne Ratten an aus ihren Ritzen und Winkeln zu laufen und sprangen
querfeldein immer näher und näher, und wie mein Müller, der von nichts
ahnte und den Stock immer behielt, auf die Wiese kam, liefen sie ihm
aus allen Löchern nach, über Acker und Feld und liefen ihm bald zuvor,
waren eher in seinem Haus als er selbst und blieben nach der Zeit bei
ihm zur unausstehlichen Plage.




246.

Der Schlangenfänger.

+Joh. Weier+ von Teufels-Gespenstern S. 95.


Zu Salzburg rühmte sich ein Zauberer, er wollte alle Schlangen, die
in derselben Gegend auf eine Meil Wegs wären, in eine Grube zusammen
bringen und tödten. Als er es aber versuchen wollte, kam zuletzt
eine große, alte Schlange hervorgekrochen, welche, da er sie mit
Zauber-Worten in die Grube zu zwingen wagte, aufsprang, ihn umringelte,
also, daß sie wie ein Gürtel sich um seine Weiche wand, darnach in die
Grube schleifte und umbrachte.




247.

Das Mäuselein.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 40. 41. vgl. II. 161.


In Thüringen bei Saalfeld auf einem vornehmen Edelsitze zu Wirbach
hat sich Anfangs des 17. Jahrhunderts folgendes begeben. Das Gesinde
schälte Obst in der Stube, einer Magd kam der Schlaf an, sie ging von
den andern weg und legte sich abseits, doch nicht weit davon, auf eine
Bank nieder, um zu ruhen. Wie sie eine Weile still gelegen, kroch ihr
zum offenen Maule heraus ein rothes Mäuselein. Die Leute sahen es
meistentheils und zeigten es sich untereinander. Das Mäuslein lief
eilig nach dem gerade geklefften Fenster, schlich hinaus und blieb eine
Zeitlang aus. Dadurch wurde eine vorwitzige Zofe neugierig gemacht,
so sehr es ihr die andern verboten, ging hin zu der entseelten Magd,
rüttelte und schüttelte an ihr, bewegte sie auch an eine andre Stelle
etwas fürder, ging dann wieder davon. Bald darnach kam das Mäuselein
wieder, lief nach der vorigen bekannten Stelle, da es aus der Magd Maul
gekrochen war, lief hin und her und wie es nicht ankommen konnte,
noch sich zurecht finden, verschwand es. Die Magd aber war todt und
blieb todt. Jene Vorwitzige bereute es vergebens. Im übrigen war auf
demselben Hof ein Knecht vorhermals oft von der Trud gedrückt worden
und konnte keinen Frieden haben, dies hörte mit dem Tod der Magd auf.




248.

Der ausgehende Rauch.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 161.


Zu Hersfeld dienten zwei Mägde in einem Haus, die pflegten jeden
Abend, eh sie zu Bette schlafen gingen, eine Zeitlang in der Stube
stillzusitzen. Den Hausherrn nahm das endlich Wunder, er blieb daher
einmal auf, verbarg sich im Zimmer und wollte die Sache ablauern. Wie
die Mägde nun sich beim Tisch allein sitzen sahen, hob die eine an und
sagte:

    “Geist thue dich entzücken
    und thue jenen Knecht drücken!”

Drauf stieg ihr und der andern Magd gleichsam ein schwarzer Rauch aus
dem Halse und kroch zum Fenster hinaus; die Mägde fielen zugleich in
tiefen Schlaf. Da ging der Hausvater zu der einen, rief sie mit Namen
und schüttelte sie, aber vergebens, sie blieb unbeweglich. Endlich ging
er davon und ließ sie, des Morgens darauf war diejenige Magd todt, die
er gerüttelt hatte, die andere aber, die er nicht angerührt, blieb
lebendig.




249.

Die Katze aus dem Weidenbaum.

Der ungewissenhafte Apotheker S. 895.


Ein Bauernknecht von Straßleben erzählte, wie daß in ihrem Dorfe eine
gewisse Magd wäre, dieselbe hätte sich zuweilen vom Tanze hinweg
verloren, daß niemand gewußt, wo sie hinkommen, bis sie eine feine
Weile hernach sich wieder eingefunden. Einmal beredete er sich mit
andern Knechten, dieser Magd nachzugehn. Als sie nun Sonntags wieder
zum Tanze kam und sich mit den Knechten erlustigte, ging sie auch
wieder ab. Etliche schlichen ihr nach, sie ging das Wirthshaus hinaus
aufs Feld und lief ohne Umsehen fort, einer hohlen Weide zu, in welche
sie sich versteckte. Die Knechte folgten nach, begierig zu sehen, ob
sie lang in der Weide verharren würde und warteten an einem Ort, wo
sie wohl verborgen standen. Eine kleine Weile drauf merkten sie, daß
eine Katze aus der Weide sprang und immer querfeldein nach Langendorf
lief. Nun traten die Knechte näher zur Weide, da lehnte das Mensch
oder vielmehr ihr Leib ganz erstarret und sie vermochten ihn weder mit
Rütteln noch Schütteln zum Leben bringen. Ihnen kommt ein Grauen an,
sie lassen den Leib stehen und gehen an ihren vorigen Ort. Nach einiger
Zeit spüren sie, daß die Katze den ersten Weg zurückgeht, in die Weide
einschlüpft, die Magd aus der Weide kriecht und nach dem Dorfe zugeht.




250.

Wetter und Hagel machen.

+Godelmann+ von Zauberern übers. von +Nigrin+. V. 1. S. 83.

+Luther’s+ Tisch-Reden. 104.

+Kirchhof’s+ Wendunmuth V. Nr. 261. S. 316.

+Lercheimer+ S. 50 ff.


Im Jahr 1553 sind zu Berlin zwei Zauber-Weiber gefangen worden, welche
sich unterstanden, Eis zu machen, die Frucht damit zu verderben.
Und diese Weiber hatten ihrer Nachbarin ein Kindlein gestolen und
dasselbige zerstückelt gekocht. Ist durch Gottes Schickung geschehen,
daß die Mutter, ihr Kind suchend, dazu kommt und ihres verlorenen
Kindes Gliederlein in ein Töpfchen gelegt siehet. Da nun die beiden
Weiber gefangen und peinlich gefragt worden, haben sie gesagt, wenn ihr
Geköch fortgegangen, so wäre ein großer Frost mit Eis kommen, also daß
alle Frucht verderbt wäre.

Zu einer Zeit waren in einem Wirthshause zwei Zauberinnen zusammen
gekommen, die hatten zwei Gelten oder Kübel mit Wasser an einen
besondern Ort gesetzt und rathschlagten miteinander: ob es dem Korne
oder dem Weine sollt gelten. Der Wirth, der auf einem heimlichen Winkel
stand, hörte das mit an und Abends, als sich die zwei Weiber zu Bett
gelegt, nahm er die Gelten und goß sie über sie hin; da ward das Wasser
zu Eis, so daß beide von Stund an zu Tod froren.

Eine arme Witfrau, die nicht wußte, wie sie ihre Kinder nähren sollte,
ging in den Wald, Holz zu lesen und bedachte ihr Unglück. Da stand der
Böse in eines Försters Gestalt und fragte: warum sie so traurig? ob
ihr der Mann abgestorben? Sie antwortete: “ja.” Er sprach: “willt du
mich nehmen und mir gehorsamen, will ich dir Gelds die Fülle geben.”
Er überredete sie mit vielen Worten, daß sie zuletzt wich, Gott
absagte und mit dem Teufel buhlte. Nach Monatsfrist kam ihr Buhler
wieder und reichte ihr einen Besen zu, darauf sie ritten durch Dick
und Dünn, Trocken und Naß auf den Berg zu einem Tanz. Da waren noch
andre Weiber mehr, deren sie aber nur zwei kannte und die eine gab dem
Spielmann zwölf Pfenning Lohn. Nach dem Tanze wurden die Hexen eins und
thaten zusammen Ähren, Rebenlaub und Eichblätter, damit Korn, Trauben
und Eicheln zu verderben; es gelang aber nicht recht damit, und das
Hagelwetter traf nicht, was es treffen sollte, sondern fuhr nebenbei.
Ihr selbst brachte sie damit ein Schaf um, darum daß es zu spät heimkam.




251.

Der Hexen-Tanz.

~+Nic. Remigii+ daemonolatria p. 109.~


Eine Frau von Hembach hatte ihren kaum sechszehnjährigen Sohn Johannes
mit zu der Hexen-Versammlung geführt und weil er hatte pfeifen lernen,
verlangte sie, er sollte ihnen zu ihrem Tanze pfeifen, und damit man es
besser hören könnte, auf den nächsten Baum steigen. Der Knabe gehorchte
und stieg auf den Baum, indem er nun daher pfiffe und ihrem Tanz mit
Fleiß zusahe, vielleicht weil ihm alles so wunderseltsam däuchte, denn
da geht es auf närrische Weise zu, sprach er: “behüt, lieber Gott,
woher kommt so viel närrisches und unsinniges Gesinde!” Kaum aber hatte
er diese Worte ausgeredet, so fiel er vom Baum herab, verrenkte sich
eine Schulter und rief, sie sollten ihm zu Hilfe kommen, aber da war
niemand, ohn’ er allein.




252.

Die Wein-Reben und Nasen.

+Aug. Lercheimer+ Bedenken von der Zauberei. Bl. 19.


An dem Hofe zu H. war ein Geselle, der seinen Gästen ein seltsam
schimpflich Gaukelwerk machte. Nachdem sie gegessen hatten, begehrten
sie, darum sie vornehmlich kommen waren, daß er ihnen zur Lust ein
Gaukel-Spiel vorbringe. Da ließ er aus dem Tisch eine Rebe wachsen mit
zeitigen Trauben, deren vor jedem eine hing: hieß jeglichen die seinige
mit der Hand angreifen und halten und mit der andern das Messer auf den
Stengel setzen, als wenn er sie abschneiden wollte; aber er sollte bei
Leibe nicht schneiden. Darnach ging er aus der Stube, kam wieder: da
saßen sie alle und hielten sich ein jeglicher selber bei der Nase und
das Messer darauf. Hätten sie geschnitten, hätte ein jeder sich selbst
die Nase verwundet.




253.

Fest hängen.

+Joh. Weier+ von Teufels-Gespenstern S. 105.


Zu Magdeburg war zu einer Zeit ein seltsamer Zauberer, welcher in
Gegenwart einer Menge Zuschauer, von denen er ein großes Geld gehoben,
ein wunderkleines Rößlein, das im Ring herumtanzte, zeigte und, wenn
sich das Spiel dem Ende näherte, klagte, wie er bei der undankbaren
Welt so gar nichts Nutzes schaffen könnte, dieweil jedermann so karg
wäre, daß er sich Bettelns kaum erwehren mögte. Deshalb wollte er
von ihnen Urlaub nehmen und den allernächsten Weg gen Himmel, ob
vielleicht seine Sache daselbst besser würde, fahren. Und als er
diese Worte gesprochen, warf er ein Seil in die Höhe, welchem das
Rößlein ohne allen Verzug stracks nachfuhre, der Zauberer erwischte es
beim Wadel, seine Frau ihn bei den Füßen, die Magd die Frau bei den
Kleidern, also daß sie alle, als wären sie zusammen geschmiedet, nach
einander ob sich dahin fuhren. Als nun das Volk da stand, das Maul
offen hatte und dieser Sache, wie wohl zu gedenken, erstaunt war, kam
ohn alle Gefähr ein Bürger daher, welchem, als er fragte, was sie da
stünden, geantwortet ward, der Gaukler wäre mit dem Rößlein in die
Luft gefahren. Darauf er berichtete, er habe ihn eben zu gegen seiner
Herberge gesehen daher gehn.




254.

Das Noth-Hemd.

+Joh. Weier+ von Teufels-Gespenstern B. 8. Cap. 18.

+Zedler’s+ Universal-Lexicon ~h. v.~

Der ungewissenhafte Apotheker S. 650.


Das Noth-Hemd wird auf folgende Weise zubereitet. In der Christ-Nacht
müssen zwei unschuldige Mägdlein, die noch nicht sieben Jahr alt sind,
linnen Garn spinnen, weben und ein Hemd daraus zusammen nähen. Auf der
Brust hat es zwei Häupter, eins auf der rechten Seite mit einem langen
Barte und einem Helm, eins auf der linken mit einer Krone, wie sie der
Teufel trägt. Zu beiden Seiten wird es mit einem Kreuze bewahrt. Das
Hemd ist so lang, daß es den Menschen vom Hals an bis zum halben Leib
bedeckt.

Wer ein solches Noth-Hemd im Krieg trägt, ist sicher vor Stich, Hieb,
Schuß und anderm Zufall, daher es Kaiser und Fürsten hochhielten.
Auch Gebärende ziehen es an, um schneller und leichter entbunden zu
werden. ~Contra vero tale indusium, viro tamen +mortuo+ ereptum, a
foeminis luxuriosis quaeri ferunt, quo indutae non amplius gravescere
perhibentur.~




255.

Fest gemacht.

+Bräuner’s+ Curiositäten S. 365.

+Luther’s+ Tisch-Reden S. 109.


Ein vornehmer Kriegsmann ging bei einer harten Belagerung mit zwei
andern außerhalb den Laufgräben auf und ab. Von der Festung herab wurde
heftig auf ihn gefeuert, er aber fuhr mit seinem Befehlshaber-Stab
links und rechts umher und hieß die beiden, an ihn halten und nicht
ausweichen; wovon alle Kugeln abseits fuhren und weder ihn noch die
andern beiden treffen oder verwunden konnten.

Ein General, welcher in eine Stadt aus einem Treffen fliehen mußte,
schüttelte die Büchsenkugeln wie Erbsen häufig aus dem Ermel, deren
keine ihn hatte verletzen können.

Meister Peter, Bartscheerer zu Wittenberg, hatte einen Schwiegersohn,
der Landsknecht im Krieg gewesen. Er hatte die Kunst verstanden, sich
sicher und unverwundbar zu machen. Ferner hat er auch seinen Tod vorher
gesehen und gesagt: “mein Schwäher solls thun.” Deßgleichen soll er
denselben Tag zu seinem Weib gesagt haben: “kauf ein, du wirst heute
Gäste bekommen, das ist: Zuseher.” Welches also geschahe, denn da ihn
sein Schwager erstach, lief jedermann in des Bartscheerers Haus und
wollt den todten Menschen sehen.




256.

Der sichere Schuß.

+Aug. Lercheimer+ Bedenken von der Zauberei Bl. 12.


Ein Büchsen-Meister, den ich gekannt, vermaß sich, er wolle alles
treffen, was ihm nur innerhalb Schusses wäre, daß ers erreichen könnte,
ob ers gleich nicht sähe. Der ließ sich brauchen in der Stadt W. bei
der Belagerung. Davor hielt in einem Wäldlein ein vornehmer Oberster
und Herr, den er nicht sahe, erbot sich, er wollte ihn erschießen; aber
es ward ihm gesagt, er sollts nicht thun. Da schoß er durch den Baum,
darunter er hielt auf seinem Roß und zu Morgen aß. Valvassor (Ehre
von Crain I. 676.) gedenkt eines vornehmen Herrn, welcher täglich nur
drei unfehlbare Schüsse hatte, damit aber konnte er, was man ihm nur
nannte, sicher treffen. Ein solcher Schütz kann sich aufgeben lassen,
was er schießen soll, Hirsch, Reh oder Hasen, und braucht dann nur aufs
Gerathewohl die Flinte zum Fenster hinaus abzudrücken, so muß das Wild
fallen.




257.

Der herumziehende Jäger.

Mündlich, aus Paderborn und Münster.


Es trug sich zu, daß in einem großen Walde der Förster, welcher die
Aufsicht darüber führte, todt geschossen wurde. Der Edelmann, dem
der Wald gehörte, gab einem andern den Dienst, aber dem widerfuhr
ein gleiches und so noch einigen, die auf einander folgten, bis sich
niemand mehr fand, der den gefährlichen Wald übernehmen wollte. Sobald
nämlich der neue Förster hineintrat, hörte man ganz in der Ferne einen
Schuß fallen, und gleich auch streckte eine mitten auf die Stirne
treffende Kugel ihn nieder; es war aber keine Spur ausfindig zu machen,
woher und von wem sie kam.

Gleichwohl meldete sich nach ein paar Jahren ein herumziehender Jäger
wieder um den Dienst. Der Edelmann verbarg ihm nicht, was geschehen
war und setzte noch ausdrücklich hinzu, so lieb es ihm wäre, den Wald
wieder unter Aufsicht zu wissen, könnte er ihm doch selbst nicht zu
dem gefährlichen Amte rathen. Der Jäger antwortete zuversichtlich, er
wolle sich vor dem unsichtbaren Scharfschützen schon Rath schaffen
und übernahm den Wald. Andern Tags, als er, von mehrern begleitet,
zuerst hineingeführt wurde, hörte man, wie er eintrat, schon in der
Ferne den Schuß fallen. Alsbald warf der Jäger seinen Hut in die Höhe,
der dann, von einer Kugel getroffen, wieder herabfiel. “Nun,” sprach
er, “ist aber die Reihe an mir,” lud seine Büchse und schoß sie mit
den Worten: “die Kugel bringt die Antwort!” in die Luft. Darauf bat
er seine Gefährten, mitzugehen und den Thäter zu suchen. Nach langem
Herumstreifen fanden sie endlich in einer an dem gegenseitigen Ende des
Waldes gelegenen Mühle den Müller todt und von der Kugel des Jägers auf
die Stirne getroffen.

Dieser herumziehende Jäger blieb noch einige Zeit in Diensten des
Edelmanns, doch weil er das Wild festbannen und die Feldhühner aus der
Tasche fliegen lassen konnte, auch in ganz unglaublicher Entfernung
immer sicher traf und andere dergleichen unbegreifliche Kunststücke
verstand, so bekam der Edelmann eine Art Grausen vor ihm und entließ
ihn bei einem schicklichen Vorwande aus seinem Dienst.




258.

Doppelte Gestalt.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus S. 1097.

+Bräuner’s+ Curiosit. S. 351. 352.


Ein Landfahrer kam zu einem Edelmann, der mit langwieriger Ohnmacht und
Schwachheit behaftet war und sagte zu ihm: “ihr seyd verzaubert, soll
ich euch das Weib vor Augen bringen, das euch das Uebel angethan?” Als
der Edelmann einwilligte, sprach jener: “welches Weib morgen in euer
Haus kommt, sich auf den Herd zum Feuer stellt und den Kesselhaken mit
der Hand angreift und hält, die ist es, welche euch das Leid angethan.”
Am andern Tag kam die Frau eines seiner Unterthanen, der neben ihm
wohnte, ein ehrliches und frommes Weib und stellte sich dahin genau
auf die Weise, wie der Landfahrer vorhergesagt hatte. Der Edelmann
verwunderte sich gar sehr, daß eine so ehrbare, gottesfürchtige Frau,
der er nicht übel wollte, so böse Dinge treiben sollte und fing an
zu zweifeln, ob es auch recht zugehe. Er gab darum seinem Diener
heimlichen Befehl, hinzulaufen und zu sehen, ob diese Nachbarin zu
Hause sey oder nicht. Als dieser hinkommt, sitzt die Frau über ihrer
Arbeit und hechelt Flachs. Er heißt sie zum Herrn kommen, sie spricht:
“es wird sich ja nicht schicken, daß ich so staubig und ungeputzt vor
den Junker trete.” Der Diener aber sagt, es habe nichts zu bedeuten,
sie solle nur eilig mit ihm gehen. Sobald sie nun in des Herrn Thüre
trat, verschwand die andere als ein Gespenst aus dem Saal und der Herr
dankte Gott, daß er ihm in den Sinn gegeben, den Diener hinzuschicken,
sonst hätte er auf des Teufels Trug vertraut und die unschuldige Frau
verbrennen lassen.




259.

Gespenst als Eheweib.

+Bräuner’s+ Curiositäten 353-355.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus. 1097. 1098.


Zur Zeit des Herzogs Johann Casimir von Coburg wohnte dessen
Stallmeister G. P. v. Z. zuerst in der Spital-Gasse, hierauf in dem
Hause, welches nach ihm ~D.~ Frommann bezogen, dann in dem großen
Hause bei der Vorstadt, die Rosenau genannt, endlich im Schloß, darüber
er Schloß-Hauptmann war. Zu so vielfachem Wechsel zwang ihn ein
Gespenst, welches seiner noch lebenden Ehefrau völlig gleich sah, also
daß er, wenn er in die neue Wohnung kam und am Tisch saß, bisweilen
darüber zweifelte, welches seine rechte leibhafte Frau wäre, denn es
folgte ihm, wenn er gleich aus dem Hause zog, doch allenthalben nach.
Als ihm eben seine Frau vorschlug, in die Wohnung, die hernach jener
Doctor inne hatte, zu ziehen, dem Gespenst auszuweichen, hub es an
mit lauter Stimme zu reden und sprach: “du ziehest gleich hin, wo
du willst, so ziehe ich dir nach, wenn auch durch die ganze Welt.”
Und das waren keine bloße Drohworte, denn nachdem der Stallmeister
ausgezogen war, ist die Thüre des Hinterhauses wie mit übermäßiger
Gewalt zugeschlagen worden und von der Zeit an hat sich das Gespenst
nie wieder in dem verlassenen Hause sehen lassen, sondern ist in dem
neubezogenen wieder erschienen.

Wie die Edelfrau Kleidung anlegte, in derselben ist auch das Gespenst
erschienen, es mogte ein Feierkleid oder ein alltägliches seyn, und
welche Farbe als es nur wollte; weswegen sie niemals allein in ihren
Haus-Geschäften, sondern von jemand begleitet, ging. Gemeinlich ist
es in der Mittagszeit zwischen elf und zwölf Uhr erschienen. Wenn ein
Geistlicher da war, so kam es nicht zum Vorschein. Als einmal der
Beichtvater Johann Prüscher eingeladen war und ihn beim Abschied der
Edelmann mit seiner Frau und seiner Schwester an die Treppe geleitete,
stieg es von unten die Treppe hinauf und faßte durch ein hölzernes
Gitter des Fräuleins Schürz und verschwand, als dieses zu schreien
anfing. Einsmals ist es auf der Küchen-Schwelle mit dem Arm gelegen und
als die Köchin gefragt: “was willst du?” hat es geantwortet: “deine
Frau will ich.” Sonst hat es der Edelfrau keinen Schaden zugefügt.
Dem Fräulein aber, des Edelmanns Schwester, ist es gefährlich gewesen
und hat ihm einmal einen solchen Streich ins Gesicht gegeben, daß die
Backe davon aufgeschwollen ist und es in des Vaters Haus zurückkehren
mußte. Endlich hat sich das Gespenst verloren und es ist ruhig im Hause
geworden.




260.

Tod des Erstgebornen.

Mündlich.


In einem vornehmen Geschlecht hat es sich vor ein paar hundert Jahren
zugetragen, daß das erste Kind, ein Söhnlein, Morgens bei der Amme im
Bett todt gefunden wurde. Man verdachte sie, es absichtlich erdrückt
zu haben und ob sie gleich ihre Unschuld betheuerte, so ward sie doch
zum Tod verurtheilt. Als sie nun niederkniete und eben den Streich
empfangen sollte, sprach sie noch einmal: “ich bin so gewiß unschuldig,
als in Zukunft jedesmal der Erstgeborene dieses Geschlechts sterben
wird.” Nachdem sie dieses gesprochen, flog eine weiße Taube über ihr
Haupt hin; darauf ward sie gerichtet. Die Weissagung aber kam in
Erfüllung und der älteste Sohn aus diesem Hause ist noch immer in
früher Jugend gestorben.




261.

Der Knabe zu Colmar.

Mündlich.


Bei Pfeffel in Colmar war ein Kind im Hause, das wollte nie über einen
gewissen Flecken im Hausgarten gehen, auf dem seine Cameraden ruhig
spielten. Diese wußten nicht warum und zogen es einmal mit Gewalt
dahin; da sträubten ihm die Haare empor und kalter Schweiß brach aus
seinem Leibe. Wie der Knabe von der Ohnmacht endlich zu sich kam, wurde
er um die Ursache befragt, wollte lange nichts gestehen, endlich auf
vieles Zureden sagte er: “es liegt an der Stelle ein Mensch begraben,
dessen Hände so und so liegen, dessen Beine so und so gestellt sind
(welches er alles genau beschrieb) und am Finger der einen Hand hat er
einen Ring.” Man grub nach, der Platz war mit Gras bewachsen und drei
Fuß unter der Erde tief fand sich ein Gerippe in der beschriebenen
Lage und am benannten Finger ein Ring. Man beerdigte es ordentlich
und seitdem ging der Knabe, dem man weder davon noch vom Ausgraben
das mindeste gesagt, ruhig auf den Flecken. -- Dies Kind hatte die
Eigenschaft, daß es an dem Ort, wo Todte lagen, immer ihre ganze
Gestalt in Dünsten aufsteigen sah und in allem erkannte. Der vielen
schrecklichen Erscheinungen wegen härmte es sich ab und verzehrte
schnell sein Leben.




262.

Tod des Domherrn zu Merseburg.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus 1056.


Von langer Zeit her ward in der Stiftskirche zu Merseburg drei Wochen
vor dem Absterben eines jeglichen Domherrn bei der Nacht ein großer
Tumult gehört, indem auf dem Stuhl dessen, welcher sterben sollte, ein
solcher Schlag geschah, als ob ein starker Mann aus allen Kräften mit
geschlossener Faust einen gewaltsamen Streich thäte. Sobald solches
die Wächter vernommen, deren etliche sowohl bei Tag als bei Nacht in
der Kirche gewacht und wegen der stattlichen Kleinodien, die darinnen
vorhanden waren, die Runde gemacht, haben sie es gleich andern Tags
hernach dem Capitel angezeigt. Und solches ist dem Domherrn, dessen
Stuhl der Schlag getroffen, eine persönliche Vertagung gewesen, daß er
in dreien Wochen an den blassen Reigen müßte.




263.

Die Lilie im Kloster zu Corvei.

~+Gab. Bucelin+ Germania sacra II. 1642.

Notitiae S. R. I. procerum III. c. 19. p. 334.

+Höxar+ in elegiis. Paderb. 1600.~

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus 1054. 1055.

Altdeutsche Wälder II. 185-187.


Das Kloster der Abtei zu Corvei an der Weser hat von Gott die
sonderbare Gnade gehabt, daß, so oft einer aus den Brüdern sterben
sollte, er drei Tage zuvor, ehe er verschieden, eine Vorwarnung
bekommen, vermittelst einer +Lilie+ an einem ehrenen Kranze, der im
Chor hing. Denn dieselbe Lilie kam allzeit wunderbarlich herab und
erschien in dem Stuhl desjenigen Bruders, dessen Lebens-Ende vorhanden
war; also daß dieser dabei unfehlbar merkte und versichert war, er
würde in dreien Tagen von der Welt scheiden. Dieses Wunder soll etliche
hundert Jahre gewährt haben, bis ein junger Ordensbruder, als er auf
diese Weise seiner herannahenden Sterbestunde ermahnt worden, solche
Erinnerung verachtet und die Lilie in eines alten Geistlichen Stuhl
versetzt hat: der Meinung, es würde das Sterben dem Alten besser
anstehen, als dem Jungen. Wie der gute alte Bruder die Lilie erblickt,
ist er darüber, als über einen Geruch des Todes, so hart erschrocken,
daß er in eine Krankheit, doch gleichwohl nicht ins Grab gefallen,
sondern bald wieder gesund, dagegen der junge Warnungs-Verächter am
dritten Tag durch einen jählingen Tod dahin gerissen worden.




264.

Rebundus im Dom zu Lübeck.

~+Ph. H. Friedlieb+ medulla theologica.~

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus 1057-1065. aus mündl. Sage.


Wenn in alten Zeiten ein Domherr zu Lübeck bald sterben sollte, so
fand sich Morgens unter seinem Stuhlkissen im Chor eine +weiße Rose+,
daher es Sitte war, daß jeder, wie er anlangte, sein Kissen gleich
umwendete, zu schauen, ob diese Grabes-Verkündigung darunter liege. Es
geschah, daß einer von den Domherrn, Namens +Rebundus+, eines Morgens
diese Rose unter seinem Kissen fand, und weil sie seinen Augen mehr
ein schmerzlicher Dornstachel, als eine Rose war, nahm er sie behend
weg und steckte sie unter das Stuhlkissen seines nächsten Beisitzers,
obgleich dieser schon darunter nachgesehen und nichts gefunden hatte.
Rebundus fragte darauf, ob er nicht sein Kissen umkehren wollte? der
andere entgegnete, daß er es schon gethan habe; aber Rebundus sagte
weiter: er habe wohl nicht recht zugeschaut und solle noch einmal
nachsehen, denn ihm bedünke, es habe etwas Weißes darunter geschimmert,
als er dahin geblickt. Hierauf wendete der Domherr sein Kissen um
und fand die Grab-Blume; doch sprach er zornig: das sey Betrug, denn
er habe gleich Anfangs fleißig genug zugeschaut und unter seinem
Sitz keine Rose gefunden. Damit schob und stieß er sie dem Rebundus
wieder unter sein Kissen, dieser aber wollte sie nicht wieder sich
aufdrängen lassen, also daß sie einer dem andern zuwarf und ein Streit
und heftiges Gezänk zwischen ihnen entstand. Als sich das Capitel ins
Mittel schlug und sie aus einander bringen, Rebundus aber durchaus
nicht eingestehen wollte, daß er die Rose am ersten gehabt, sondern auf
seinem unwahrhaftigen Vorgeben beharrte, hub endlich der andere, aus
verbitterter Ungeduld, an zu wünschen: “Gott wolle geben, daß der von
uns beiden, welcher Unrecht hat, statt der Rosen in Zukunft zum Zeichen
werde und wann ein Domherr sterben soll, in seinem Grabe klopfen möge,
bis an den jüngsten Tag!” Rebundus, der diese Verwünschung wie einen
leeren Wind achtete, sprach frevellich dazu: “Amen! es sey also!”

Da nun Rebundus nicht lange darnach starb, hat es von dem an unter
seinem Grabsteine, so oft eines Domherrn Ende sich nahte, entsetzlich
geklopft, und es ist das Sprichwort entstanden: “Rebundus hat sich
gerührt, es wird ein Domherr sterben!” Eigentlich ist es kein bloßes
Klopfen, sondern es geschehen unter seinem sehr großen, langen und
breiten Grabstein drei Schläge, die nicht viel gelinder krachen, als
ob das Wetter einschlüge oder dreimal ein Karthaunen-Schuß geschähe.
Beim dritten Schlag dringt über dem Gewölbe der Schall der Länge nach
durch die ganze Kirche mit so starkem Krachen, daß man denken sollte,
das Gewölbe würde ein- und die Kirche übern Haufen fallen. Es wird
dann nicht blos in der Kirche, sondern auch in den umstehenden Häusern
vernehmlich gehört.

Einmal hat sich Rebundus an einem Sonntage, zwischen neun und zehn
Uhr mitten unter der Predigt geregt und so gewaltig angeschlagen, daß
etliche Handwerksgesellen, welche eben auf dem Grabstein gestanden
und die Predigt angehört, theils durch starke Erbebung des Steins,
theils aus Schrecken, nicht anders herabgeprellt wurden, als ob sie
der Donner weggeschlagen hätte. Beim dritten entsetzlichen Schlag
wollte jedermann zur Kirche hinaus fliehen, in der Meinung, sie
würde einstürzen, der Prediger aber ermunterte sich und rief der
Gemeinde zu, da zu bleiben und sich nicht zu fürchten; es wäre nur ein
Teufels-Gespenst, das den Gottesdienst stören wolle, das müsse man
verachten und ihm im Glauben Trotz bieten. Nach etlichen Wochen ist des
Dechants Sohn verblichen, denn Rebundus tobte auch, wenn eines Domherrn
naher Verwandter bald zu Grabe kommen wird.




265.

Glocke läutet von selbst.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus 1035. 1036. 1039.


In einer berühmten Reichsstadt hat im Jahr 1686 am 27sten März die
sogenannte Markt-Glocke von sich selbst drei Schläge gethan, worauf
bald hernach ein Herr des Raths, welcher zugleich auch Marktherr war,
gestorben.

In einem Hause fing sechs oder sieben Wochen vor dem Tode des Hausherrn
eine überaus helle Glocke an zu läuten und zwar zu zweien verschiedenen
Malen. Da der Hausherr damals noch frisch und gesund, seine Ehefrau
aber bettlägrig war, so verbot er dem Gesinde, ihr etwas davon zu
sagen, besorgend, sie mögte erschrecken, von schwermüthiger Einbildung
noch kränker werden und gar davon sterben. Aber diese Anzeigung hatte
ihn selbst gemeint, denn er kam ins Grab, seine Frau aber erholte sich
wieder zu völliger Gesundheit. Siebzehn Wochen nachher, als sie ihres
seeligen Eheherrn Kleider und Mäntel reinigt und ausbürstet, fängt
vor ihren Augen und Ohren die Tennen-Glocke an sich zu schwingen und
ihren gewöhnlichen Klang zu geben. Acht Tage hernach erkrankt ihr
ältester Sohn und stirbt in wenig Tagen. Als diese Wittwe sich wieder
verheirathete und mit ihrem zweiten Mann etliche Kinder zeugte, sind
diese, wenige Wochen nach der Geburt, gleich den Märzblumen verwelkt
und begraben. Da dann jedesmal jene Glocke dreimal nach einander stark
angezogen wurde, obgleich das Zimmer, darin sie gehangen, versperrt
war, so daß niemand den Drath erreichen konnte.

Einige glauben, dieses Läuten (welches oft nicht von den Kranken und
Sterblägrigen, sondern nur von andern gehört wird) geschehe von bösen
Geistern, andere dagegen: von guten Engeln. Wiederum andere sagen, es
komme von dem Schutz-Geist, welcher den Menschen warnen und erinnern
wollte, daß er sich zu seinem heraneilenden Ende bereite.




266.

Todes-Gespenst.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus S. 419. u. 1044.


Zu Schwatz und Innsbruck in Tirol läßt sich zur Sterbenszeit ein
Gespenst sehen, bald klein, bald groß, wie ein Haus. Zu welchem
Fenster es hinein schaut, aus demselben Hause sterben die Leute.




267.

Frau Berta oder die weiße Frau.

~+Joh. Jac. Rohde+ de celebri spectro, quod vulgo~ die weiße Frau
~nominant.~ Königsberg 1723. 4.

+Stilling’s+ Theorie der Geisterkunde. S. 351-359.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus. S. 59-92.

vgl. Volksmärchen der Frau +Naubert+. Bd. III.


Die +weiße Frau+ erscheint in den Schlössern mehrerer fürstlichen
Häuser, namentlich zu Neuhaus in Böhmen, zu Berlin, Baireuth, Darmstadt
und Carlsruhe und in allen, deren Geschlechter nach und nach durch
Verheirathung mit dem ihren verwandt geworden sind. Sie thut niemanden
zu Leide, neigt ihr Haupt vor wem sie begegnet, spricht nichts und
ihr Besuch bedeutet einen nahen Todesfall, manchmal auch etwas
fröhliches, wenn sie nämlich keinen schwarzen Handschuh an hat. Sie
trägt ein Schlüsselbund und eine weiße Schleierhaube. Nach einigen
soll sie im Leben +Perchta von Rosenberg+ geheißen, zu Neuhaus in
Böhmen gewohnt haben und mit Johann von Lichtenstein, einem bösen,
störrischen Mann, vermählt gewesen seyn. Nach ihres Gemahls Tode lebte
sie in Witwenschaft zu Neuhaus und fing an zu großer Beschwerde ihrer
Unterthanen, die ihr fröhnen mußten, ein Schloß zu bauen. Unter der
Arbeit rief sie ihnen zu, fleißig zu seyn: “wann das Schloß zu stand
seyn wird, will ich euch und euern Leuten einen süßen Brei vorsetzen,”
denn dieser Redensart bedienten sich die Alten, wenn sie jemand zu Gast
luden. Den Herbst nach Vollendung des Baus hielt sie nicht nur ihr
Wort, sondern stiftete auch, daß auf ewige Zeiten hin alle Rosenberge
ihren Leuten ein solches Mahl geben sollten. Dieses ist bisher
fortgeschehen[13] und unterbleibt es, so erscheint sie mit zürnenden
Mienen. Zuweilen soll sie in fürstliche Kinderstuben Nachts, wenn
die Ammen Schlaf befällt, kommen, die Kinder wiegen und vertraulich
umtragen. Einmal als eine unwissende Kinderfrau erschrocken fragte:
“was hast du mit dem Kinde zu schaffen?” und sie mit Worten schalt,
soll sie doch gesagt haben: “ich bin keine Fremde in diesem Haus wie
du, sondern gehöre ihm zu; dieses Kind stammt von meinen Kindeskindern.
Weil ihr mir aber keine Ehre erwiesen habt, will ich nicht mehr hier
einkehren.”


  [13] Der Brei wird aus Erbsen und Heidegrütz gekocht, auch jedesmal
       Fische dazu gegeben.




268.

Die wilde Berta kommt.

~+Crusii+ annal. suev. p. I. lib. XII. c. 6. p. 329.; p. II. l. VIII.
c. 7. p. 266.~

+Flögel+ Gesch. des Grotesken. S. 23.

Journal von und für Deutschland. 1790. Bd. 2. S. 26 ff.


In Schwaben, Franken und Thüringen ruft man halsstarrigen Kindern zu:
“schweig oder die wilde Berta kommt!” Andere nennen sie Bildabertha,
Hildabertha, auch wohl: die eiserne Bertha. Sie erscheint als eine
wilde Frau mit zottigen Haaren und besudelt dem Mädchen, das den
letzten Tag im Jahre seinen Flachs nicht abspinnt, den Rocken. Viele
Leute essen diesen Tag Klöße und Hering. Sonst, behaupten sie, käme
die Perchta oder Prechta, schnitte ihnen den Bauch auf, nähme das
erstgenossene heraus und thue Heckerling hinein. Dann nähe sie mit
einer Pflugschar statt der Nadel und mit einer Röhmkette statt des
Zwirns den Schnitt wieder zu.




269.

Der Türst, das Posterli und die Sträggele.

+Stalder+ Idiot. I. 208. 209. 329. II. 405.


Wann der Sturm Nachts im Walde heult und tobt, sagt das Volk im
Luzernergau: “der Türst, oder der +Dürst+ jagt!” Im Entlebuch weiß
man dagegen von dem +Posterli+, einer Unholdin, deren Jagd die
Einwohner Donnerstag vor Weihnachten in einem großen Aufzug, mit Lärm
und Geräusch, jährlich vorstellen. In der Stadt Luzern heißt die
+Sträggele+ eine Hexe, welche in der Frohnfastennacht am Mittwoch vor
den heiligen Weihnachten herumspukt und die Mädchen, wenn sie ihr
Tagewerk nicht gesponnen, auf mancherlei Art schert; daher auch diese
Nacht die +Sträggele-Nacht+ genannt wird.




270.

Der Nachtjäger und die Rüttelweiber.

+Prätorius+ Rübezahl II. 134-136.


Die Einwohner des Riesengebirgs hören bei nächtlichen Zeiten oft
Jägerruf, Hornblasen und Geräusch von wilden Thieren; dann sagen sie:
“der Nachtjäger jagt.” Kleine Kinder fürchten sich davor und werden
geschweiget, wenn man ihnen zuruft: “sey still, hörest du nicht
den Nachtjäger jagen?” Er jagt aber besonders die +Rüttelweiber+,
welche kleine mit Moos bekleidete Weiblein seyn sollen, verfolgt und
ängstigt sie ohn’ Unterlaß. Es sey dann, daß sie an einen Stamm eines
abgehauenen Baumes gerathen, und zwar eines solchen, wozu der Hölzer
(Holzbauer) “+Gott waels+!” (Gott walte es) gesprochen hat. Auf solchem
Holz haben sie Ruhe. Sollte er aber, als er die Axt zum erstenmal an
den Baum gelegt, gesagt haben: “waels Gott!” (so daß er das Wort Gott
hintan gesetzt), so gibt ein solcher Stamm keinem Rüttelweibchen Ruh
und Frieden, sondern es muß vor dem Nachtjäger auf stetiger Flucht seyn.




271.

Der Mann mit dem Schlackhut.

Mündlich, aus Beerfelden im Erbachischen.


Es hat vor ein Paar Jahren noch eine alte Frau eines der Zimmer des
verfallenen Freyensteins bewohnt. Eines Abends trat zu ihr ganz
unbefangen in die Stube herein ein Mann, der einen grauen Rock, einen
großen Schlackhut und einen langen Bart trug. Er hing seinen Hut an den
Nagel, saß, ohne sich um jemand zu bekümmern, nieder an Tisch, zog ein
kurz Tabakspfeifchen aus dem Sack und rauchte. So blieb dieser Graue
immer hinter seinem Tisch sitzen. Die Alte konnte seinen Abgang nicht
erwarten und legte sich ins Bett. Morgens war das Gespenst geschwunden.
-- Des Schulzen Sohn verzählte: “den ersten Christtagmorgen, während
Amt in der Kirche gehalten wurde, saß meine Frähle (Großmutter) in
unsrer Stube und bätete. Als sie einmal vom Buch aufsah und gerade nach
dem Schloßgarten guckte, erblickte sie oben einen Mann in grauer Kutte
und einem Schlackhut stehen, der hackte von Zeit zu Zeit. So haben wir
und alle Nachbarn ihn gesehen. Als die Sonne unterging, verschwand er.”




272.

Der graue Hockelmann.

Mündlich, an der Bergstraße.


Vor vielen Jahren ging einmal ein Bauer aus Auerbach Abends unten
am Schloßberg vorüber. Da wurde er plötzlich von einem grauen Manne
angehalten und gezwungen, ihn bis hinauf in das Schloß zu hockeln.
Auf einer dunkeln Stiege des Schlosses wurde der Bauer den andern Tag
gefunden, wie einer der sich übermüdet. Er starb kurze Zeit darauf.




273.

Chimmeke in Pommern.

+Micrälius+ B. III. Cap. 64.


Auf dem Schlosse Loyz soll ein Poltergeist, den die alten Pommern
+Chimmeke+ nennen, einen Küchenbuben klein gehackt und in einen irdenen
Topf gesteckt haben, weil er ihm die Milch, die dem Geist in der Zeit
des Aberglaubens alle Abend mußte hingesetzt werden, verzehrt hatte.
Diesen Topf oder Grapen, worin Chimmeke sein Müthlein gekühlet, hat man
lange Zeit vorgezeiget.




274.

Der Krischer.

Aus einem Amtsbericht in der erbacher Cämmerei.


Johann Peter Kriechbaum, Schultheiß der oberkainsbacher Zent, erzählte
den 12. März 1753: im Bezirk, genannt die Spreng, halte sich ein Geist
oder Gespenst auf, so allerhand Gekreisch, als wie ein Reh, Fuchs,
Hirsch, Esel, Hund, Schwein und anderer Thiere, auch gleich allerhand
Vögel führe, dahero es von den Leuten der Krischer geheißen werde. Es
habe schon viele irre geleitet und getraue niemand, sonders die Hirten
nicht, sich über Nacht in dasigen Wiesen aufzuhalten. Ihm sey neulich
selbst begegnet, als er Nachts auf seine Wiese in der Spreng gegangen
und das Wasser zum Wässern aufgewendet, da habe ein Schwein in dem
Wäldchen auf der langenbrombacher Seite geschrien, als ob ihm das
Messer im Hals stäcke. Das Gespenst gehe bis in den Holler Wald, wo man
vor 16 Jahren Kohlen brennen lassen, über welches die Kohlenbrenner
damals sehr geklagt und daß sie vielfältig von ihm geängstigt würden,
indem es ihnen in Gestalt eines Esels erschienen. Ein gleiches habe
der verstorbene Johann Peter Weber versichert, der in der Nacht Kohlen
allda geladen, um sie auf den michelstädter Hammer zu führen. Heinrich
Germann, der alte Centschultheiß, versicherte, als er einstmalen
die Ochsen in seiner Sprengswiese gehütet, wäre ein Fuchs auf ihn
zugelaufen gekommen, nach dem er mit der Peitsche geschlagen, worauf er
augenblicks verschwunden.




275.

Die überschiffenden Mönche.

Nach +Melanchthon’s+ Erzählung reimsweise gestellt von +Georg Sabinus+
und abgedruckt bei +Weier+ von der Zauberei ~l. c.~ 17.


In der Stadt Speier lebte vorzeiten ein Fischer. Als dieser einer Nacht
an den Rhein kam und sein Garn ausstellen wollte, trat ein Mann auf
ihn zu, der trug eine schwarze Kutte in Weise der Mönche und nachdem
ihn der Fischer ehrsam gegrüßt hatte, sprach er: “ich komm ein Bote
fernher und möchte gern über den Rhein.” “Tritt in meinen Nachen ein
zu mir, antwortete der Fischer, ich will dich überfahren.” Da er nun
diesen übergesetzt hatte und zurückkehrte, standen noch fünf andere
Mönche am Gestade, die begehrten auch zu schiffen und der Fischer frug
bescheiden: was sie doch bei so eitler Nacht reisten? “Die Noth treibt
uns, versetzte einer der Mönche, die Welt ist uns feind, so nimm du
dich unser an und Gottes Lohn dafür.” Der Fischer verlangte zu wissen:
was sie ihm geben wollten für seine Arbeit? Sie sagten: “jetzo sind wir
arm, wenn es uns wieder besser geht, sollst du unsere Dankbarkeit schon
spüren.” Also stieß der Schiffer ab, wie aber der Nachen mitten auf den
Rhein kam, hob sich ein fürchterlicher Sturm. Wasserwellen bedeckten
das Schiff und der Fischer erblaßte. “Was ist das,” dachte er bei sich,
“bei Sonnenniedergang war der Himmel klar und lauter und schön schien
der Mond, woher dieses schnelle Unwetter?” Und wie er seine Hände hob,
zu Gott zu beten, rief einer der Mönche: “was liegst du Gott mit Beten
in den Ohren, steuere dein Schiff.” Bei den Worten riß er ihm das
Ruder aus der Hand und fing an den armen Fischer zu schlagen. Halbtodt
lag er im Nachen, der Tag begann zu dämmern und die schwarzen Männer
verschwanden. Der Himmel war klar, wie vorher, der Schiffer ermannte
sich, fuhr zurück und erreichte mit Noth seine Wohnung. Des andern Tags
begegneten dieselben Mönche einem früh aus Speier reisenden Boten in
einem rasselnden, schwarz bedeckten Wagen, der aber nur drei Räder und
einen langnasigten Fuhrmann hatte. Bestürzt stand er still, ließ den
Wagen vorüber und sah bald, daß er sich mit Prasseln und Flammen in
die Lüfte verlor, dabei vernahm man Schwerterklingen, als ob ein Heer
zusammenginge. Der Bote wandte sich, kehrte zur Stadt und zeigte alles
an; man schloß aus diesem Gesicht auf Zwietracht unter den deutschen
Fürsten.




276.

Der Irrwisch.

Mündlich, aus Hänlein.


An der Bergstraße zu Hänlein, auch in der Gegend von Lorsch, nennt
man die Irrlichter: +Heerwische+; sie sollen nur in der Adventszeit
erscheinen und man hat einen Spottreim auf sie: “Heerwisch, ho ho,
brennst wie Haberstroh, schlag mich blitzeblo!” Vor länger als dreißig
Jahren, wird erzählt, sah ein Mädchen Abends einen Heerwisch und rief
ihm den Spottreim entgegen. Aber er lief auf das Mädchen gerade zu und
als es floh und in das Haus zu seinen Eltern flüchtete, folgte er ihr
auf der Ferse nach, trat mit ihr zugleich ins Zimmer hinein und schlug
alle Leute, die darin waren, mit seinen feurigen Flügeln, daß ihnen
Hören und Sehen verging.




277.

Die feurigen Wagen.

Mündlich, aus dem Odenwald.


Conrad Schäfer aus Gammelsbach erzählte: “ich habe vor einigen Jahren
Frucht auf der Hirschhörnerhöhe nicht weit von Freienstein, dem alten
Schloß, gehütet. Nachts um zwölfe begegneten mir zwei feurige Kutschen
mit gräßlichem Gerassel: jede mit vier feurigen Rossen bespannt. Der
Zug kam gerade vom Freienstein. Er ist mir öfter begegnet und hat mich
jedesmal gewaltig erschreckt; denn es saßen Leute in den Kutschen,
denen die Flamme aus Maul und Augen schlug.”




278.

Räderberg.

Mündlich.


Ein Metzger von Nassau ging aus, zu kaufen. Auf der Landstraße stößt er
bald auf eine dahin fahrende Kutsche und geht ihr nach, den Gleisen in
Gedanken folgend. Mit einmal hält sie an und vor einem schönen großen
Landhaus, mitten auf der Heerstraße, das er aber sonst noch niemals
erblickt, so oft er auch dieses Wegs gekommen. Drei Mönche steigen
aus dem Wagen und der erstaunte Metzger folgt ihnen unbemerkt in das
hellerleuchtete Haus. Erst gehen sie in ein Zimmer, einem die Communion
zu reichen, und nachher in einen Saal, wo große Gesellschaft um
einen Tisch sitzt, in lautem Lärmen und Schreien ein Mahl verzehrend.
Plötzlich bemerkt der Obensitzende den fremden Metzger und sogleich
ist alles still und verstummt. Da steht der Oberste auf und bringt
dem Metzger einen Weinbecher mit den Worten: “noch einen Tag!” Der
Metzger erschauert und will nicht trinken. Bald hernach erhebt sich
ein Zweiter, tritt den Metzger mit einem Becher an und spricht wieder:
“noch ein Tag!” Er schlägt ihn wieder aus. Nachdem kommt ein Dritter
mit dem Becher und denselben Worten: “noch ein Tag!” Nunmehr trinkt
der Metzger. Aber kurz darauf nähert sich demselben ein Vierter aus
der Gesellschaft, den Wein nochmals darbietend. Der Metzger erschrickt
heftiglich, und als er ein Kreuz vor sich gemacht, verschwindet
auf einmal die ganze Erscheinung und er befindet sich in dichter
Dunkelheit. Wie endlich der Morgen anbricht, sieht sich der Metzger
auf dem Räderberg, weit weg von der Landstraße, geht einen steinigten,
mühsamen Weg zurück in seine Vaterstadt, entdeckt dem Pfarrer die
Begebenheit und stirbt genau in drei Tagen.

Die Sage war schon lang verbreitet, daß auf jenem Berg ein Kloster
gestanden, dessen Trümmer noch jetzt zu sehen sind, dessen Orden aber
ausgestorben wäre.




279.

Die Lichter auf Hellebarden.

+Happel+ ~relat. curios. II. 771. 772.~


Von dem uralten hanauischen Schloß Lichtenberg auf einem hohen Felsen
im Unterelsaß, eine Stunde von Ingweiler belegen, wird erzählt: so oft
sich Sturm und Ungewitter rege, daß man auf den Dächern und Knöpfen des
Schlosses, ja selbst auf den Spitzen der Hellebarden viele kleine blaue
Lichter erblicke. Dies hat sich seit langen Jahren also befunden und
nach einigen selbst dem alten Schloß den Namen gegeben.

Zwei Bauern gingen aus dem Dorf Langenstein (nah bei Kirchhain in
Oberhessen) nach Embsdorf zu, mit ihren Heugabeln auf den Schultern.
Unterwegs erblickte der eine unversehens ein Lichtlein auf der Partisan
seines Gefährten, der nahm sie herunter und strich lachend den Glanz
mit den Fingern ab, daß er verschwand. Wie sie hundert Schritte weiter
gingen, saß das Lichtlein wieder an der vorigen Stelle und wurde
nochmals abgestrichen. Aber bald darauf stellte es sich zum drittenmal
ein, da stieß der andere Bauer einige harte Worte aus, strich es
jenem nochmals ab und darauf kam es nicht wieder. Acht Tage hernach
zu derselben Stelle, wo der eine dem andern das Licht zum drittenmal
abgestrichen hatte, trafen sich diese beiden Bauern, die sonst alte
gute Freunde gewesen, verunwilligten sich und von den Worten zu
Schlägen kommend erstach der eine den andern.




280.

Das Wafeln.

+Kosegarten+ Rhapsodien. II. 76.

+Zölner’s+ Reise durch Pommern. 1797. I. 316. 516.


An der Ost-See glauben die Leute den Schiffbruch, das Stranden, oftmals
vorherzusehen, indem solche Schiffe vorher spuckten, einige Tage oder
Wochen, an dem Ort, wo sie verunglücken, bei Nachtzeit wie dunkle
Luftgebilde erschienen, alle Theile des Schiffs, Rumpf, Tauwerk, Maste,
Segel in bloßem Feuer vorgestellt. Dies nennen sie +wafeln+.

Es wafeln auch Menschen, die ertrinken, Häuser, die abbrennen werden
und Orte, die untergehen. Sonntags hört man noch unter dem Wasser die
Glocken versunkener Städte klingen.




281.

Weberndes Flammen-Schloß.

Der abentheuerliche Jean Rebhu. 1679. Th. II. S. 8-11.


In Tirol auf einem hohen Berg liegt ein altes Schloß, in welchem alle
Nacht ein Feuer brennt; die Flamme ist so groß, daß sie über die Mauern
hinausschlägt und man sie weit und breit sehen kann. Es trug sich zu,
daß eine arme Frau, der es an Holz mangelte, auf diesem Schloß-Berge
abgefallene Reiser zusammen suchte und endlich zu dem Schloß-Thor
kam, wo sie aus Vorwitz sich umschaute und endlich hineintrat, nicht
ohne Mühe, weil alles zerfallen und nicht leicht weiter zu kommen
war. Als sie in den Hof gelangte, sah sie eine Gesellschaft von Herrn
und Frauen da an einer großen Tafel sitzen und essen. Diener warteten
auf, wechselten Teller, trugen Speisen auf und ab und schenkten Wein
ein. Wie sie so stand, kam einer der Diener und holte sie herbei,
da ward ihr ein Stück Gold in das Schürz-Tuch geworfen, worauf in
einem Augenblick alles verschwunden war und die arme Frau erschreckt
den Rückweg suchte. Als sie aber den Hof hinausgekommen, stand da
ein Kriegsmann mit brennender Lunte, den Kopf hatte er nicht auf dem
Hals sitzen, sondern hielt ihn unter dem Arme. Der hub an zu reden
und verbot der Frau, keinem Menschen was sie gesehen und erfahren zu
offenbaren, es würde ihr sonst übel ergehen. Die Frau kam, noch voller
Angst, nach Haus, brachte das Gold mit, aber sie sagte nicht, woher sie
es empfangen. Als die Obrigkeit davon hörte, ward sie vorgefordert,
aber sie wollte kein Wort sich verlauten lassen und entschuldigte sich
damit, daß wenn sie etwas sagte, ihr großes Uebel daraus zuwachsen
würde. Nachdem man schärfer mit ihr verfuhr, entdeckte sie dennoch
alles, was ihr in dem Flammen-Schloß begegnet war, haarklein. In dem
Augenblick aber, wo sie ihre Aussage beendigt, war sie hinweg entrückt
und niemand hat erfahren können, wo sie hingekommen ist.

Es hatte sich aber an diesem Ort ein junger Edelmann ins zweite Jahr
aufgehalten, ein Ritter und wohlerfahren in allen Dingen. Nachdem
er den Hergang dieser Sache erkündet, machte er sich tief in der
Nacht mit seinem Diener zu Fuß auf den Weg nach dem Berg. Sie stiegen
mit großer Mühe hinauf und wurden sechsmal von einer Stimme davon
abgemahnt: sie würdens sonst mit großem Schaden erfahren müssen. Ohne
aber darauf zu achten, gingen sie immer zu und gelangten endlich vor
das Thor. Da stand jener Kriegsmann wieder als Schildwache und rief,
wie gebräuchlich: “wer da?” Der Edelmann, ein frischer Herr, gab zur
Antwort: “ich bins.” Das Gespenst fragte weiter: “wer bist du?” Der
Edelmann aber gab diesmal keine Antwort, sondern hieß den Diener das
Schwert herlangen. Als dieses geschehen, kam ein schwarzer Reuter aus
dem Schloß geritten, gegen welchen sich der Edelmann wehren wollte;
der Reuter aber schwang ihn auf sein Pferd und ritt mit ihm in den Hof
hinein und der Kriegsmann jagte den Diener den Berg hinab. Der Edelmann
ist nirgends zu finden gewesen.




282.

Der Feuerberg.

Mündlich, aus Wernigerode.


Einige Stunden von Halberstadt liegt ein ehemals kahler, jetzt
mit hohen Tannen und Eichen bewachsener Berg, der von vielen der
+Feuerberg+ genannt wird. In seinen Tiefen soll der Teufel sein Wesen
treiben und alles in hellen Flammen brennen. Vor alten Zeiten wohnte
in der Gegend von Halberstadt ein Graf, der bös und raubgierig war und
die Bewohner des Landes rings herum drückte, wo er nur konnte. Einem
Schäfer war er viel Geld seit langen Jahren schuldig, jedesmal aber,
wenn dieser kam und darum mahnte, gab er ihm schnöde und abweisende
Antworten. Auf einmal verschwand der Graf und es hieß, er wär gestorben
in fernen Landen. Der Schäfer ging betrübt zu Felde und klagte über
seinen Verlust, denn die Erben und Hinterlassenen des Grafen wollten
von seiner Foderung nichts wissen und jagten ihn, als er sich meldete,
die Burg hinab. Da geschah es, daß, als er zu einer Zeit im Walde war,
eine Gestalt zu ihm trat und sprach: “willst du deinen alten Schuldner
sehen, so folge mir nach.” Der Schäfer folgte und ward durch den Wald
geführt bis zu einem hohen, nackten Berg, der sich alsbald vor beiden
mit Getöse öffnete, sie aufnahm und sich wieder schloß. Innen war
alles ein Feuer. Der zitternde Schäfer erblickte den Grafen, sitzend
auf einem Stuhle, um welchen sich, wie an den glühenden Wänden und
auf dem Boden, tausend Flammen wälzten. Der Sünder schrie: “willst du
Geld haben, Schäfer, so nimm dieses Tuch und bringe es den Meinigen;
sage ihnen, wie du mich im Höllenfeuer sitzen gesehen, in dem ich bis
in Ewigkeit leiden muß.” Hierauf riß er ein Tuch von seinem Haupt und
gab es dem Schäfer und aus seinen Augen und Händen sprühten Funken.
Der Schäfer eilte mit schwankenden Füßen, von seinem Führer geleitet,
zurück, der Berg that sich wieder auf und verschloß sich hinter ihm.
Mit dem Tuch ging er dann auf des Grafen Burg, zeigte es und erzählte,
was er gesehen; worauf sie ihm gern sein Geld gaben.




283.

Der feurige Mann.

~+Bothonis+ chronicon brunsvic. pictur.~ bei ~+Leibniz+ SS. RR. BB.
III. 337.~

Mündlich, aus dem Erbachischen.


In düssem Jare (1125) sach me einen furigen Man twischen den Borgen
twen, de de heten Gelichghen (Gleichen), dat was in der rechten
Middernacht. De Man gingk von einer Borch to der anderen unde brande
alse ein Blase, alse ein glonich Für; düt segen de Wechters, und dede
dat in dren Nechten unde nig mer.

Georg Miltenberger, im sogenannten Hoppelrain bei Kailbach Amts
Freienstein wohnhaft, erzählte: “in der ersten Adventssonntagsnacht,
zwischen 11 und 12 Uhr, nicht weit von meinem Hause, sah ich einen
ganz in Feuer brennenden Mann. An seinem Leibe konnte man alle Rippen
zählen. Er hielt seine Straße von einem Marktstein zum andern, bis er
nach Mitternacht plötzlich verschwand. Viel Menschen sind durch ihn
in Furcht und Schrecken gerathen, weil er durch Maul und Nase Feuer
ausspie und in einer fliehenden Schnelligkeit hin und her flog, die
Kreuz und die Quer.”




284.

Die verwünschten Landmesser.

Mündlich, aus Meckelnburg.


Die Irrwische, welche Nachts an den Ufern und Feldrainen hin und her
streifen, sollen ehdem Landmesser gewesen seyn und die Marken trüglich
gemessen haben. Darum sind sie verdammt, nach ihrem Leben umzugehen und
die Grenzen zu hüten.




285.

Der verrückte Grenzstein.

+Erasm. Francisci+ höll. Proteus S. 422.


Auf dem Feld um Eger herum läßt sich nicht selten ein Gespenst in
Gestalt eines Mannsbildes sehen, welches die Leute den Junker Ludwig
nennen. Ehedessen soll einer dieses Namens da gelebt und die Grenz-
und Marksteine des Feldes betrüglich verrückt haben. Bald nach seinem
Tode fing er nun an zu wandern und hat viel Leute durch seine Begegnung
erschreckt. Noch in jüngern Zeiten erfuhr das ein Mädchen aus der
Stadt. Es ging einmal allein vor dem Thore und gerieth von ungefähr
in die berüchtigte Gegend. An der Stätte, wo der Markstein, wie man
sagt, verrückt seyn soll, wandelte ihr ein Mann entgegen, gerade so
aussehend, als man ihr schon mehrmals die Erscheinung des bösen Junkers
beschrieben hatte. Er ging auf sie an, griff ihr mit der Faust an die
Brust und verschwand. In tiefster Entsetzung ging das Mädchen heim zu
den Ihrigen und sprach: “ich hab mein Theil.” Da fand man ihre Brust,
da wo der Geist sie angerührt hatte, schwarz geworden. Sie legte sich
gleich zu Bette und verschied dritten Tags darauf.




286.

Der Grenzstreit.

Mündlich, aus Hessen.


Zu Wilmshausen, einem hessischen Dorf unweit Münden, war vormals
Uneinigkeit zwischen der Gemeinde und einer benachbarten über ihre
Grenze entsprungen. Man wußte sie nicht recht mehr auszumitteln. Also
kam man übereins, einen Krebs zu nehmen und ihn über das streitige
Ackerfeld laufen zu lassen, folgte seinen Spuren und legte die
Marksteine danach. Weil er nun so wunderlich in die Kreuz und Quer
lief, ist daselbst eine sonderbare Grenze mit mancherlei Ecken und
Winkeln bis auf heutigen Tag.




287.

Der Grenzlauf.

+Wyß+ a. a. O. S. 80-100. vgl. 317.


Ueber den Klußpaß und die Bergscheide hinaus vom Schächenthale weg
erstreckt sich das Urner Gebiet am Fletschbache fort und in Glarus
hinüber. Einst stritten die Urner mit den Glarnern bitter um ihre
Landesgrenze, beleidigten und schädigten einander täglich. Da ward
von den Biedermännern der Ausspruch gethan: zur Tag- und Nachtgleiche
solle von jedem Theil frühmorgens, sobald der Hahn krähe, ein
rüstiger, kundiger Felsgänger ausgesandt werden, und jedweder nach dem
jenseitigen Gebiet zulaufen und da, wo sich beide Männer begegneten,
die Grenzscheide festgesetzt bleiben, das kürzere Theil möge nun
fallen dießeits oder jenseits. Die Leute wurden gewählt und man dachte
besonders darauf, einen solchen Hahn zu halten, der sich nicht verkrähe
und die Morgenstunde auf das allerfrühste ansagte. Und die Urner
nahmen einen Hahn, setzten ihn in einen Korb und gaben ihm sparsam zu
essen und saufen, weil sie glaubten, Hunger und Durst werde ihn früher
wecken. Dagegen die Glarner fütterten und mästeten ihren Hahn, daß
er freudig und hoffärtig den Morgen grüßen könne, und dachten damit
am besten zu fahren. Als nun der Herbst kam und der bestimmte Tag
erschien, da geschah es, daß zu Altdorf der schmachtende Hahn zuerst
erkrähte, kaum wie es dämmerte, und froh brach der urner Felsenklimmer
auf, der Marke zu laufend. Allein im Linthal drüben stand schon die
volle Morgenröthe am Himmel, die Sterne waren verblichen und der fette
Hahn schlief noch in guter Ruh. Traurig umgab ihn die ganze Gemeinde,
aber es galt die Redlichkeit und keiner wagte es, ihn aufzuwecken;
endlich schwang er die Flügel und krähte. Aber dem glarner Läufer
wirds schwer seyn, dem urner den Vorsprung wieder abzugewinnen!
Ängstlich sprang er, und schaute gegen das Scheideck, wehe da sah er
oben am Giebel des Grats den Mann schreiten und schon bergabwärts
niederkommen; aber der Glarner schwang die Fersen und wollte seinem
Volke noch vom Lande retten, so viel als möglich. Und bald stießen
die Männer auf einander und der von Uri rief: “hier ist die Grenze!”
“Nachbar,” sprach betrübt der von Glarus, “sey gerecht und gib mir
noch ein Stück von dem Weidland, das du errungen hast!” Doch der Urner
wollte nicht, aber der Glarner ließ ihm nicht Ruh, bis er barmherzig
wurde und sagte: “so viel will ich dir noch gewähren, als du mich an
deinem Hals tragend bergan laufst.” Da faßte ihn der rechtschaffene
Sennhirt von Glarus und klomm noch ein Stück Felsen hinauf, und manche
Tritte gelangen ihm noch, aber plötzlich versiegte ihm der Athem und
todt sank er zu Boden. Und noch heutiges Tags wird das Grenzbächlein
gezeigt, bis zu welchem der einsinkende Glarner den siegreichen Urner
getragen habe. In Uri war große Freude ob ihres Gewinnstes, aber auch
die zu Glarus gaben ihrem Hirten die verdiente Ehre und bewahrten seine
große Treue in steter Erinnerung.




288.

Die Alpschlacht.

+Stalder+ Fragmente über Entlebuch. Zürich 1797. I. S. 81-85.


Die Obwaldner und Entlebucher Hirten stritten sich um einige Weiden,
aber die Obwaldner waren im Besitz und trieben ihr Vieh darauf. Weil
sie etwa von ihren muthigen Gegnern einen Ueberfall besorgten, stellten
sie Wächter zu ihrer Heerde. Die geschwinden und feinen Entlebucher
dachten auf einen Streich; nachdem sie sich eine Zeitlang still und
ruhig verhalten hatten und die treuherzigen Obwaldner wenig Böses
ahnten, sondern statt Wache zu haben, sich die Langeweile mit Spielen
verkürzten, schlichen kühne entlebucher Hirten auf die schlechtbewahrte
Trift, banden dem Vieh ganz leise die klingenden Schellen ab und
führten den Raub eilig zur Seite. Einer aus ihnen mußte zurückbleiben
und so lange mit den Kühglocken läuten, bis die Räuber vor aller Gefahr
sicher wären. Er thats, warf dann all den Klumpen von Schellen auf
den Boden und sprang unter lautem Hohngelächter mit überflügelnden
Schritten fort. Die Obwaldner horchten auf und sahen das Unglück. Sie
wollten sich rächen, sammelten bald einen Haufen Volks und überfielen
jählings die Entlebucher, welche sich aber darauf vorbereitet hatten.
Die Obwaldner wetzten ihren Schimpf nicht aus, sondern wurden noch
dazu geschlagen; das ihnen damals abgewonnene Fähnlein bewahren die
Entlebucher noch heutiges Tags in ihrer Heimlichkeit (einem alten
Thurm im Dorfe Schüpfen) und der Ort, wo das kleine Gefecht sich
ereignete, wird auch diesen Augenblick noch immer die Alpschlacht
genannt.




289.

Der Stein bei Wenthusen.

Quedlinburger Sammlung. S. 150. 154.


Wenthusen im Quedlinburgischen war vorzeiten ein Frauenkloster und kam
nachher an die Grafen von Regenstein, nach deren Absterben an andere
Herrn. Man gibt vor, es läge auf diesem Gut von Klosterzeiten her noch
ein Stein, der stets unberührt und unbeschädigt liegen bleiben müßte,
wo nicht dem Besitzer ein großes Unglück widerfahren sollte. Einer
derselben soll ihn aus Neugierde haben wegnehmen lassen, aber dafür auf
alle mögliche Art und Weise so lange gequält worden seyn, bis der Stein
wieder auf seiner rechten Stelle gelegen habe.




290.

Die altenberger Kirche.

+J.B. Heller’s+ Merkwürdigk. Thüringens. I. 59. 466.

+Falkenstein+ thür. Chronik II. 273. Anm. b. III. 1272.


Oberhalb dem Dorfe Altenberg im Thüringer Wald liegt auf einem hohen
Berg luftig zwischen Bäumen das Kirchlein des Orts, die Johannes-Kirche
genannt. Wegen des beschwerlichen Wegs dahin, besonders im Winter
bei Glatteis und wenn Leichen oder Kinder zur Taufe hinauf zu tragen
waren, wollten, nach der Sage, die Altenberger die Kirche abbrechen und
unten im Dorfe aufrichten, aber sie waren es nicht vermögend. Denn was
sie heute abgetragen und ins Thal herabgebracht hatten, fanden sie am
andern Morgen wieder an seiner Stelle in gehöriger Ordnung oben auf der
Capelle, also daß sie von ihrem Vorhaben abstehen mußten.

Diese Kirche hat der heil. Bonifacius gestiftet und auf dem Berge
öfters geprediget. Einmal als er es dort unter freiem Himmel
that, geschah es, daß eine große Menge Raben, Dohlen und Krähen
herbeigeflogen kamen und ein solches Gekrächz und Geschrei anfingen,
daß die Worte des heil. Bonifacius nicht mehr konnten verstanden
werden. Da bat er Gott, daß er solchen Vögeln in diese Gegend zu kommen
nimmermehr erlaube. Seine Bitte wurde ihm gewährt und man hat sie
hernach nie wieder an diesem Orte gesehen.




291.

Der König im lauenburger Berg.

+Kornmann+ ~mons Veneris~.

+Seyfried’s+ ~medulla p.~ 482.

+Valvassor+ Ehre von Crain I. 247.


Auf einem Berg bei der Lauenburg in Cassuben fand man 1596. eine
ungeheure Kluft. Der Rath hatte zwei Missethäter doch zum Tod
verurtheilt und schenkte ihnen unter der Bedingung das Leben, daß sie
diesen Abgrund besteigen und besichtigen sollten. Als diese hinein
gefahren waren, erblickten sie unten auf dem Grund einen schönen
Garten, darin stand ein Baum mit lieblich-weißer Blüte; doch durften
sie nicht daran rühren. Ein Kind war da, das führte sie über einen
weiten Plan hin zu einem Schloß. Aus dem Schloß ertönte mancherlei
Saitenspiel, wie sie eintraten, saß da ein König auf silbernem Stuhl,
in der einen Hand einen goldnen Scepter, in der andern einen Brief. Das
Kind mußte den Brief den beiden Missethätern überreichen.




292.

Der Schwanberg.

+Agricola+ Sprichw. 389. 390.


Man hat gesagt bei Menschen Gezeiten her und niemand weiß, von wem
es ausgekommen ist: “es soll der +Schwanberg+ noch mitten in Schweiz
liegen,” das ist ganz Deutschland wird Schweiz werden. Diese Sage ist
gemein und ungeachtet.




293.

Der Robbedisser Brunn.

+Letzner+ Dasselische Chronik. B. ~VIII. c.~ 10.


Wenn man von Dassel über die Höhe, Bier genannt, und über den Kirchberg
gehen will, hat man zur linken Hand einen Ort Namens Robbedissen,
wo ein Quellbrunn fließt. Von diesem, von dem schwarzen Grund hinter
dem Gericht und der großen Pappel vor Eilenhausen haben die Leute der
Gegend den festen Glauben: wann der robbedisser Brunn seine Stätte
verrücke, der schwarze Grund der andern Erde gleich werde, und der
große eilenhäuser Pappelbaum verdorre und vergehe, alsdann werde in der
Schöffe, einem Feld zwischen Eilenhausen und Markoldendorf, eine große,
blutige Schlacht gehalten werden.




294.

Bamberger Wage.

~+Manlii+ loc. comm. collect. p. 46.~


Zu Bamberg, auf Kaiser Heinrichs Grab, ist die Gerechtigkeit mit einer
Wagschale in der Hand eingehauen. Die Zunge der Wage steht aber nicht
in der Mitte, sondern neigt etwas auf eine Seite. Es gehet hierüber ein
altes Gerücht, daß, sobald das Zünglein ins Gleiche komme, die Welt
untergehen werde.




295.

Kaiser Friedrich zu Kaiserslautern.

+Georg Draud+ fürstliche Tischreden. I.

vgl. +Fischart+ Gargantua 266~b~.


Etliche wollen, daß Kaiser Friedrich, als er aus der Gefangenschaft bei
den Türken befreit worden, gen Kaiserslautern gekommen und daselbst
seine Wohnung lange Zeit gehabt. Er baute dort das Schloß, dabei einen
schönen See oder Weiher, noch jetzt der Kaisersee genannt, darin soll
er einmal einen großen Karpfen gefangen und ihm zum Gedächtniß einen
güldenen Ring von seinem Finger an ein Ohr gehangen haben. Derselbige
Fisch soll, wie man sagt, ungefangen in dem Weiher bleiben, bis auf
Kaiser Friedrichs Zukunft. Auf eine Zeit, als man den Weiher gefischt,
hat man zwei Karpfen gefangen, die mit güldenen Ketten um die Hälse
zusammen verschlossen gewesen, welche noch bei Menschen-Gedächtniß zu
Kaiserslautern an der Metzler-Pforte in Stein gehauen sind. Nicht weit
vom Schloß war ein schöner Thiergarten gebauet, damit der Kaiser alle
wunderbarliche Thier vom Schloß aus sehen konnte, woraus aber seit der
Zeit ein Weiher und Schieß-Graben gemacht worden. Auch hängt in diesem
Schloß des Kaisers Bett an vier eisernen Ketten und, als man sagt,
so man das Bett zu Abend wohl gebettet, war es des Morgens wiederum
zerbrochen, so daß deutlich jemand über Nacht darin gelegen zu haben
schien.

Ferner: zu Kaiserslautern ist ein Felsen, darin eine große Höhle oder
Loch, so wunderbarlich, daß niemand weiß, wo es Grund hat. Doch ist
allenthalben das gemeine Gerücht gewesen, daß Kaiser Friedrich, der
Verlorne, seine Wohnung darin haben sollte. Nun hat man einen an einem
Seil hinabgelassen und oben an das Loch eine Schelle gehangen, wann
er nicht weiter könne, daß er damit läute, so wolle man ihn wieder
heraufziehen. Als er hinab gekommen, hat er den Kaiser Friedrich in
einem güldenen Sessel sitzen sehen, mit einem großen Barte. Der Kaiser
hat ihm zugesprochen und gesagt, er solle mit niemand hier reden, so
werde ihm nichts geschehen, und solle seinem Herrn erzählen, daß er ihn
hier gesehen. Darauf hat er sich weiter umgeschaut und einen schönen
weiten Plan erblickt und viel Leut, die um den Kaiser standen. Endlich
hat er seine Schelle geläutet, ist ohne Schaden wieder hinauf gekommen
und hat seinem Herrn die Botschaft gesagt.




296.

Der Hirt auf dem Kiffhäuser.

+Georg Draud+ fürstliche Tischreden I.


Etliche sprechen, daß bei Frankenhausen in Thüringen ein Berg liege,
darin Kaiser Friedrich seine Wohnung habe und vielmal gesehen worden.
Ein Schafhirt, der auf dem Berge hütete und die Sage gehört hatte,
fing an auf seiner Sackpfeife zu pfeifen und als er meinte, er habe
ein gutes Hofrecht gemacht, rief er überlaut: “Kaiser Friedrich, das
sey dir geschenkt!” Da soll sich der Kaiser hervorgethan, dem Schäfer
offenbart und zu ihm gesprochen haben: “Gott grüß dich, Männlein, wem
zu Ehren hast du gepfiffen?” “Dem Kaiser Friedrich,” antwortete der
Schäfer. Der Kaiser sprach weiter: “hast du das gethan, so komm mit
mir, er soll dir darum lohnen.” Der Hirt sagte: “ich darf nicht von
den Schafen gehen.” Der Kaiser aber antwortete: “folge mir nach,
den Schafen soll kein Schaden geschehen.” Der Hirt folgte ihm und
der Kaiser Friedrich nahm ihn bei der Hand und führte ihn nicht weit
von den Schafen zu einem Loch in den Berg hinein. Sie kamen zu einer
eisernen Thür, die alsbald aufging, nun zeigte sich ein schöner, großer
Saal, darin waren viel Herrn und tapfre Diener, die ihm Ehre erzeigten.
Nachfolgends erwiese sich der Kaiser auch freundlich gegen ihn und
fragte, was er für einen Lohn begehre, daß er ihm gepfiffen? Der Hirt
antwortete: “keinen.” Da sprach aber der Kaiser: “geh hin und nimm von
meinem güldnen Handfaß den einen Fuß zum Lohn.” Das that der Schäfer,
wie ihm befohlen ward, und wollte darauf von dannen scheiden, da
zeigte ihm der Kaiser noch viel seltsame Waffen, Harnische, Schwerter
und Büchsen und sprach, er sollte den Leuten sagen, daß er mit diesen
Waffen das heilige Grab gewinnen werde. Hierauf ließ er den Hirt wieder
hinaus geleiten, der nahm den Fuß mit, brachte ihn den andern Tag zu
einem Goldschmied, der ihn für ächtes Gold anerkannte und ihm abkaufte.




297.

Die drei Telle.

Journal des Luxus und der Moden. Januar 1805. S. 38.


In der wilden Berggegend der Schweitz um den Waldstättersee ist nach
dem Glauben der Leute und Hirten eine Felskluft, worin die drei
Befreier des Landes, die +drei Tellen+ genannt, schlafen. Sie sind mit
ihrer uralten Kleidung angethan, und werden wieder auferstehen und
rettend hervorgehen, wann die Zeit der Noth fürs Vaterland kommt. Aber
der Zugang der Höhle ist nur für den glücklichen Finder.

Ein Hirtenjung erzählte folgendes einem Reisenden: sein Vater, eine
verlaufene Ziege in den Felsenschluchten suchend, sey in diese Höhle
gekommen und gleich, wie er gemerkt, daß die drei drin schlafenden
Männer die drei Tellen seyen, habe auf einmal der alte eigentliche Tell
sich aufgerichtet und gefragt: “welche Zeit ists auf der Welt?” und auf
des Hirten erschrockene Antwort: “es ist hoch am Mittag” gesprochen:
“es ist noch nicht an der Zeit, daß wir kommen,” und sey darauf wieder
eingeschlafen. Der Vater, als er mit seinen Gesellen, die Telle für die
Noth des Vaterlands zu wecken, nachher oft die Höhle gesucht, habe sie
doch nie wieder finden können.




298.

Das Bergmännchen.

+Wyß+ a. a. O. S. 1-12. vgl. 305. 308. aus mündl. Sage.


In der Schweitz hat es im Volk viele Erzählungen von Berggeistern,
nicht blos auf dem Gebirg allein, sondern auch unten am Belp, zu
Gelterfingen und Rümlingen im Bernerland. Diese Bergmänner sind auch
Hirten, aber nicht Ziegen, Schafe und Kühe sind ihr Vieh, sondern
Gemsen und aus der Gemsenmilch machen sie Käse, die so lange wieder
wachsen und ganz werden, wenn man sie angeschnitten oder angebissen,
bis man sie unvorsichtiger Weise völlig und auf einmal, ohne Reste
zu lassen, verzehrt. Still und friedlich wohnt das Zwergvolk in den
innersten Felsklüften und arbeitet emsig fort, selten erscheinen sie
den Menschen, oder ihre Erscheinung bedeutet ein Leid und ein Unglück;
außer wenn man sie auf den Matten tanzen sieht, welches ein gesegnetes
Jahr anzeigt. Verirrte Lämmer führen sie oft den Leuten nach Haus und
arme Kinder, die nach Holz gehen, finden zuweilen Näpfe mit Milch im
Wald stehen, auch Körbchen mit Beeren, die ihnen die Zwerge hinstellen.

Vorzeiten pflügte einmal ein Hirt mit seinem Knechte den Acker, da sah
man neben aus der Felswand dampfen und rauchen. “Da kochen und sieden
die Zwerge, sprach der Knecht, und wir leiden schweren Hunger, hätten
wir doch auch ein Schüsselchen voll davon.” Und wie sie das Pflugsterz
umkehrten, siehe, da lag in der Furche ein weißes Laken gebreitet
und darauf stand ein Teller mit frischgebackenem Kuchen und sie aßen
dankbar und wurden satt. Abends beim Heimgehen war Teller und Messer
verschwunden, blos das Tischtuch lag noch da, das der Bauer mit nach
Haus nahm.




299.

Die Zirbelnüsse.

Mündlich, aus Oberwallis.


Die Frucht der Arven oder Zirbeln, einer auf den Alpen wachsenden
Gattung Tannen (~Pinus cembra~), hat einen röthlichen, wohl und
süßschmeckenden Kern, fast wie Mandelnüsse sind. Allein man kann blos
selten und mit Mühe dazu gelangen, weil die Bäume meistens einzeln
über Felsenhängen und Abgründen, selten im Wald beisammen stehen.
Die Bewohner geben allgemein vor: die Meisterschaft habe diesen Baum
verwünscht und unfruchtbar gemacht, darum weil die Dienerschaft zur
Zeit, wo sie auf dem Feld fleißig arbeiten sollen, sich damit abgegeben
hätte, ihres lieblichen Geschmacks wegen diese Nüsse abzuwerfen und zu
essen, worüber alle nöthige Arbeit versäumt oder schlecht gethan worden
wäre.




300.

Das Paradies der Thiere.

Mündlich, aus Oberwallis im Visperthal.


Oben auf den hohen und unersteiglichen Felsen und Schneerücken des
Mattenbergs soll ein gewisser Bezirk liegen, worin die schönsten Gemsen
und Steinböcke, außerdem aber noch andere wunderbare und seltsame
Thiere, wie im Paradies zusammen hausen und weiden. Nur alle zwanzig
Jahre kann es einem Menschen gelingen, in diesen Ort zu kommen und
wieder unter zwanzig Gemsenjägern nur einem einzigen. Sie dürfen
aber kein Thier mit herunter bringen. Die Jäger wissen manches von
der Herrlichkeit dieses Orts zu erzählen, auch daß daselbst in den
Bäumen die Namen vieler Menschen eingeschnitten ständen, die nach
und nach dort gewesen wären. Einer soll auch einmal eine prächtige
Steinbockshaut mit herausgebracht haben.




301.

Der Gemsjäger.

+Wyß+ a. a. O. S. 43-61. vgl. 312.


Ein Gemsjäger stieg auf und kam zu dem Felsgrat und immer weiter
klimmend, als er je vorher gelangt war, stand plötzlich ein häßlicher
Zwerg vor ihm, der sprach zornig: “warum erlegst du mir lange schon
meine Gemsen und lässest mir nicht meine Heerde? jetzt sollst du’s
mit deinem Blute theuer bezahlen!” Der Jäger erbleichte und wäre
bald hinabgestürzt, doch faßte er sich noch und bat den Zwerg um
Verzeihung, denn er habe nicht gewußt, daß ihm diese Gemsen gehörten.
Der Zwerg sprach: “gut, aber laß dich hier nicht wieder blicken, so
verheiß ich dir, daß du jeden siebenten Tag Morgenfrüh vor deiner
Hütte ein geschlachtetes Gemsthier hangen finden sollst, aber hüte
dich mir und schone die andern.” Der Zwerg verschwand und der Jäger
ging nachdenklich heim und die ruhige Lebensart behagte ihm wenig. Am
siebenten Morgen hing eine fette Gemse in den Aesten eines Baums vor
seiner Hütte, davon zehrte er ganz vergnügt und die nächste Woche gings
eben so und dauerte ein Paar Monate fort. Allein zuletzt verdroß den
Jäger seiner Faulheit und er wollte lieber selber Gemsen jagen, möge
erfolgen, was da werde, als sich den Braten zutragen lassen. Da stieg
er auf und nicht lange, so erblickte er einen stolzen Leitbock, legte
an und zielte. Und als ihm nirgends der böse Zwerg erschien, wollte er
eben losdrücken, da war der Zwerg hinten her geschlichen und riß den
Jäger am Knöchel des Fußes nieder, daß er zerschmettert in den Abgrund
sank.

Andere erzählen: es habe der Zwerg dem Jäger ein Gemskäslein geschenkt,
an dem er wohl sein Lebelang hätte genug haben mögen, er es aber
unvorsichtig einmal aufgegessen oder ein unkundiger Gast ihm den
Rest verschlungen. Aus Armuth habe er demnach wieder die Gemsjagd
unternommen und sey vom Zwerg in die Fluh gestürzt worden.




302.

Die Zwerglöcher.

+Behrens+ curiöser Harzwald S. 37. 75. 76.


Am Harz in der Grafschaft Hohenstein, sodann zwischen Elbingerode und
dem Rübenland, findet man oben in den Felsenhöhlen an der Decke runde
und andere Öffnungen, die der gemeine Mann +Zwerglöcher+ nennt, wo
die Zwerge vor Alters, vermittelst einer Leiter, ein- und ausgestiegen
seyn sollen. Diese Zwerge erzeigten den Einwohnern zu Elbingerode
alle Güte. Fiel eine Hochzeit in der Stadt vor, so gingen die Eltern
oder Anverwandten der Verlobten nach solchen Höhlen und verlangten
von den Zwergen messingne und kupferne Kessel, eherne Töpfe, zinnerne
Schüssel und Teller und ander nöthiges Küchengeschirr mehr. Darauf
traten sie ein wenig abwärts, und gleich hernach stellten die Zwerge
die gefoderten Sachen vor den Eingang der Höhle hin. Die Leute nahmen
sie sodann weg und mit nach Haus; wann aber die Hochzeit vorbei war,
brachten sie alles wieder zur selben Stelle, setzten zur Dankbarkeit
etwas Speise dabei.




303.

Der Zwerg und die Wunderblume.

+Otmar+ S. 145-150.


Ein junger, armer Schäfer aus Sittendorf an der südlichen Seite des
Harzes in der goldnen Aue gelegen, trieb einst am Fuß des Kyffhäusers
und stieg immer trauriger den Berg hinan. Auf der Höhe fand er eine
wunderschöne Blume, dergleichen er noch nie gesehen, pflückte und
steckte sie an den Hut, seiner Braut ein Geschenk damit zu machen.
Wie er so weiter ging, fand er oben auf der alten Burg ein Gewölbe
offenstehen, blos der Eingang war etwas verschüttet. Er trat hinein,
sah viel kleine glänzende Steine auf der Erde liegen und steckte seine
Taschen ganz voll damit. Nun wollte er wieder ins Freie, als eine
dumpfe Stimme erscholl: “vergiß das Beste nicht!” Er wußte aber nicht
wie ihm geschah und wie er herauskam aus dem Gewölbe. Kaum sah er die
Sonne und seine Heerde wieder, schlug die Thür, die er vorher gar nicht
wahrgenommen, hinter ihm zu. Als der Schäfer nach seinem Hut faßte, war
ihm die Blume abgefallen beim Stolpern. Urplötzlich stand ein Zwerg vor
ihm: “wo hast du die Wunderblume, welche du fandest?” “Verloren,” sagte
betrübt der Schäfer. “Dir war sie bestimmt,” sprach der Zwerg, “und sie
ist mehr werth, denn die ganze Rothenburg.” Wie der Schäfer zu Haus in
seine Taschen griff, waren die glimmernden Steine lauter Goldstücke.
Die Blume ist verschwunden und wird von den Bergleuten bis auf heutigen
Tag gesucht, in den Gewölben des Kyffhäusers nicht allein, sondern
auch auf der Questenburg und selbst auf der Nordseite des Harzes, weil
verborgene Schätze rucken.




304.

Der Nix an der Kelle.

+Otmar’s+ Volkssagen. vgl. +Behrens+ S. 82.


An der Kelle, einem kleinen See, unweit Werne im Hohensteinischen,
wohnten sonst Nixen. Einmal hohlte der Nix des Nachts die Hebamme
aus einem Dorfe und brachte sie unter großen Versprechungen zu der
Untiefe hin, wo er mit seinem Weibe wohnte. Er führte sie hinab in
das unterirdische Gemach, wo die Hebamme ihr Amt verrichtete. Der
Nix belohnte sie reichlich. Eh sie aber wegging, winkte ihr die
Kindbetterin und klagte heimlich mit einem Thränenstrom, daß der Nix
das neugeborene Kind bald würgen würde. Und wirklich sah die Hebamme
einige Minuten nachher auf der Oberfläche des Wassers einen blutrothen
Strahl. Das Kind war ermordet.




305.

Schwarzach.

Badische Wochenschrift 1807. St. 17. Sp. 268. und St. 34. Sp. 543.


Von der alten Burg Schwarzach in der Pfalz hat es zweierlei Sagen. Ein
Ritter lebte da vorzeiten, dessen Töchterlein, als sie am See auf der
Wiese spielte, von einer großen Schlange, die aus dem Felsen kam, in
den See gezogen wurde. Der Vater ging tagtäglich ans Ufer und klagte.
Einmal glaubte er eine Stimme aus dem Wasser zu vernehmen und er rief
laut: “gib mir ein Zeichen, mein Töchterlein!” Da schlug ein Glöcklein
an. Fortan hörte er es jeden Tag schallen, und einmal lautete es heller
und der Ritter vernahm die Worte: “ich lebe, mein Vater, bin aber an
die Wasserwelt gebannt; lang hab ich mich gewehrt, aber der erste Trunk
hat mich um die Freiheit gebracht; hüte dich vor diesem Trunk.” Der
Vater blieb traurig stehen, da traten zwei Knaben zu und reichten ihm
aus einem güldenen Becher zu trinken. Er kostete ihn kaum, so stürzte
er in den See und sank unter.

Eine andre Erzählung erwähnt eines alten, blinden Ritters, der mit
seinen neun Töchtern auf Schwarzach lebte. Nah dabei hauste ein Räuber
im Wald, der den Töchtern lange vergeblich nachstellte. Eines Tags kam
er in Pilgrimkleidern und sagte den Jungfrauen: “wenn ihr euren Vater
heilen wollt, so weiß ich drunten in der kalten Klinge ein Kraut dafür,
das muß gebrochen werden, eh die Sonne aufgeht.” Die Töchter baten, daß
er es ihnen zeige. Als sie nun frühmorgens hinab in die kalte Klinge
kamen, mordete sie der Bösewicht alle neun und begrub sie zur Stelle.
Der Vater starb. Dreißig Jahre später trieb den Mörder die Reue, daß er
die Todtengebeine ausgraben und in geweihte Erde legen ließ.




306.

Die drei Jungfern aus dem See.

Badische Wochenschrift 1806. St. 21. Sp. 342.


Zu Epfenbach bei Sinzheim traten seit der Leute Gedenken jeden Abend
drei wunderschöne, weißgekleidete Jungfrauen in die Spinnstube des
Dorfs. Sie brachten immer neue Lieder und Weisen mit, wußten hübsche
Märchen und Spiele, auch ihre Rocken und Spindeln hatten etwas eignes
und keine Spinnerin konnte so fein und behend den Faden drehen. Aber
mit dem Schlag elf standen sie auf, packten ihre Rocken zusammen und
ließen sich durch keine Bitte einen Augenblick länger halten. Man
wußte nicht, woher sie kamen, noch wohin sie gingen; man nannte sie
nur: die Jungfern aus dem See, oder die Schwestern aus dem See. Die
Bursche sahen sie gern und verliebten sich in sie, zu allermeist des
Schulmeisters Sohn. Der konnte nicht satt werden, sie zu hören und mit
ihnen zu sprechen, und nichts that ihm leider, als daß sie jeden Abend
schon so früh aufbrachen. Da verfiel er einmal auf den Gedanken und
stellte die Dorfuhr eine Stunde zurück und Abends im steten Gespräch
und Scherz merkte kein Mensch den Verzug der Stunde. Und als die Glocke
eilf schlug, es aber schon eigentlich zwölf war, standen die drei
Jungfern auf, legten die Rocken zusammen und gingen fort. Den folgenden
Morgen kamen etliche Leute am See vorbei; da hörten sie wimmern und
sahen drei blutige Stellen oben auf der Fläche. Seit der Zeit kamen die
Schwestern nimmermehr zur Stube. Des Schulmeisters Sohn zehrte ab und
starb kurz darnach.




307.

Der todte Bräutigam.

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 105-109.


Ein Adlicher verlobte sich zu Magdeburg mit einer schönen Fräulein.
Da geschahs, daß der Bräutigam in die Elbe fiel, wo man ihn drei
Tage suchte und nicht finden konnte. Die ganze Verwandtschaft war in
tiefer Bekümmerniß, endlich kam ein Schwarzkünstler zu der Liebsten
Eltern und sprach: “den ihr suchet, hat die Nixe unterm Wasser und
wird ihn auch lebendig nicht loslassen, es sey dann, daß eure Tochter
und ihr Liebster Leib und Seele der Nixe verschwören, oder daß eure
Tochter sich flugs an seiner Statt von den Nixen das Leben nehmen
lasse, oder auch, daß der Bräutigam sich der Nixe verspreche, welches
er aber jetzund nicht thun will.” Die Braut wollte sich gleich für
ihren Liebsten stellen, allein die Eltern bewilligten es nicht, sondern
drangen in den Zauberer, daß er den Bräutigam schaffen solle, lebendig
oder todt. Bald darauf fand man seinen Leichnam am Ufer liegen, ganz
voll blauer Flecken. -- Ein ähnliches soll sich mit dem Bräutigam einer
Fräulein von Arnheim begeben haben, der auch im Wasser umgekommen war.
Weil man aber die Stelle nicht wußte, brachte ein Zauberer durch seine
Kunst zuwege, daß der Leichnam dreimal aus dem Wasser hervorsprang,
worauf man an dem Ort suchte und den Todten im Grunde des Flusses fand.




308.

Der ewige Jäger.

Nach einem Meistergesang +Michael Beham’s+, ~MS. Vatic.~ 312. Bl. 165.
mitgetheilt in der Sammlung für altd. Lit. u. Kunst von +Hagen+ u. a.
S. 43-45.


Graf Eberhard von Würtenberg ritt eines Tages allein in den grünen Wald
aus und wollte zu seiner Kurzweil jagen. Plötzlich hörte er ein starkes
Brausen und Lärmen, wie wenn ein Weidmann vorüber käme; erschrack
heftig und fragte, nachdem er vom Roß gestanden und auf eines Baumes
Tolde getreten war, den Geist: ob er ihm schaden wolle? “Nein,” sprach
die Gestalt, “ich bin gleich dir ein Mensch und stehe vor dir ganz
allein, war vordem ein Herr. An dem Jagen hatte ich aber solche Lust,
daß ich Gott anflehte, er möge mich jagen lassen, bis zu dem jüngsten
Tag. Mein Wunsch wurde leider erhört und schon fünfthalb hundert Jahre
jage ich an einem und demselben Hirsch. Mein Geschlecht und mein Adel
sind aber noch niemanden offenbart worden.” Graf Eberhard sagte: “zeig
mir dein Angesicht, ob ich dich etwan erkennen möge?” Da entblößte sich
der Geist, sein Antlitz war kaum faustgroß, verdorrt, wie eine Rübe
und gerunzelt, als ein Schwamm. Darauf ritt er dem Hirsch nach und
verschwand, der Graf kehrte heim in sein Land zurück.




309.

Hans Jagenteufel.

Journal von und für Deutschl. 1787. II. Nr. 27.

+Prätorius+ Weltbeschr. II. 69-72.


Man glaubt: wer eine der Enthauptung würdige Unthat verrichte, die bei
seinen Lebzeiten nicht herauskomme, der müsse nach dem Tod mit dem Kopf
unterm Arm umgehen.

Im Jahr 1644. ging ein Weib aus Dresden eines Sonntags früh in einen
nahen Wald, daselbst Eicheln zu lesen. In der Heide an einem Grund
nicht weit von dem Orte, das verlorene Wasser genannt, hörte sie
stark mit dem Jägerhorn blasen, darauf that es einen harten Fall, als
ob ein Baum fiele. Das Weib erschrack und barg ihr Säcklein Eicheln
ins Gestrüpf, bald darauf blies das Horn wieder und als sie umsah,
erblickte sie auf einem Grauschimmel in langem grauen Rock einen Mann
ohne Kopf reiten, er trug Stiefel und Sporn und hatte ein Hifthorn über
dem Rücken hangen. Weil er aber ruhig vorbei ritt, faßte sie wieder
Muth, las ihre Eicheln fort und kehrte Abends ungestört heim. Neun Tage
später kam die Frau in gleicher Absicht in dieselbe Gegend und als
sie am Försterberg niedersaß, einen Apfel zu schälen, rief hinter ihr
eine Stimme: “habt ihr den Sack voll Eicheln und seyd nicht gepfändet
worden?” “Nein,” sprach sie, “die Förster sind fromm und haben mir
nichts gethan, Gott, biß mir Sünder gnädig!” -- mit diesen Worten
drehte sie sich um, da stand derselbe Graurock, aber ohne Pferd, wieder
und hielt den Kopf mit bräunlichem, krausendem Haar unter dem Arm. Die
Frau fuhr zusammen, das Gespenst aber sprach: “hieran thut ihr wohl,
Gott um Vergebung eurer Sünden zu bitten, mir hats nicht so wohl werden
können.” Darauf erzählte es: vor 130 Jahren habe er gelebt und wie sein
Vater Hans Jagenteufel geheißen. Sein Vater habe ihn oft ermahnt, den
armen Leuten nicht zu scharf zu seyn, er aber die Lehre in den Wind
geschlagen und dem Saufen und Trinken obgelegen und Böses genug gethan.
Darum müsse er nun als ein verdammter Geist umwandern.




310.

Des Hackelnberg Traum.

+Otmar+ S. 249. 250.


Hans von Hackelnberg war braunschweigischer Oberjägermeister und ein
gewaltiger Weidmann. Einer Nacht hatte er auf der Harzburg einen
schweren Traum; es däuchte ihm, als ob er mit einem furchtbaren Eber
kämpfe, der ihn nach langem Streit zuletzt besiegte. Diesen Traum
konnte er gar nicht aus den Gedanken wieder los werden. Einige Zeit
darnach stieß er im Vorharz wirklich auf einen Eber, dem im Traum
gesehenen ähnlich. Er griff ihn an; der Kampf blieb lang unentschieden;
endlich gewann Hans und streckte den Feind zu Boden nieder. Froh, als
er ihn so zu seinen Füßen erblickte, stieß er mit dem Fuß nach den
schrecklichen Hauern des Ebers und rief aus: “du sollst es mir noch
nicht thun!” Aber er hatte mit solcher Gewalt gestoßen, daß der scharfe
Zahn den Stiefel durchdrang und den Fuß verwundete. Erst achtete
Hackelnberg der Wunde nicht und setzte die Jagd fort. Bei seiner
Zurückkunft aber war der Fuß schon so geschwollen, daß der Stiefel
vom Bein getrennt werden mußte. Er eilte nach Wolfenbüttel zurück;
die Erschütterung des Wagens wirkte so schädlich, daß er mit genauer
Mühe das Hospital zu Wülperode erreichte und bald daselbst starb. Auf
seinem Grabe liegt ein Stein, der einen geharnischten Ritter auf einem
Maulthier vorstellt.




311.

Die Tut-Osel.

+Otmar+ S. 241 ff.


Mitternachts wann in Sturm und Regen der Hackelnberg “fatscht”[14]
und auf dem Wagen mit Pferd und Hunden durch den Thüringerwald, den
Harz und am liebsten durch den Hackel zieht, pflegt ihm eine Nachteule
voranzufliegen, welche das Volk: die +Tut-Osel+ nennt. Wanderer, denen
sie aufstößt, werfen sich still auf den Bauch und lassen den wilden
Jäger über sich wegfahren; und bald hören sie Hundebellen und den
Waidruf: hu hu! -- In einem fernen Kloster zu Thüringen lebte vorzeiten
eine Nonne, +Ursel+ geheißen, die störte mit ihrem heulenden Gesang
noch bei Lebzeiten den Chor; daher nannte man sie +Tut-Ursel+. Noch
ärger wurde es nach ihrem Tode, denn von elf Uhr Abends steckte sie
den Kopf durch ein Loch des Kirchthurms und tutete kläglich und alle
Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Gesang der Schwestern.
Einige Tage ertrugen sie es; den dritten Morgen aber sagte eine voll
Angst leise zu ihrer Nachbarin: “das ist gewiß die Ursel!” Da schwieg
plötzlich aller Gesang, ihre Haare sträubten sich zu Berge und die
Nonnen stürzten aus der Kirche, laut schreiend: “Tut-Ursel, Tut-Ursel!”
Und keine Strafe konnte eine Nonne bewegen, die Kirche zu betreten, bis
endlich ein berühmter Teufelsbanner aus einem Capucinerkloster an der
Donau gehohlt wurde. Der bannte Tut-Ursel in Gestalt einer Ohreule in
die Dummburg auf den Harz. Hier traf sie den Hackelnberg und fand an
seinem huhu! so groß Gefallen, als er an ihrem uhu! und so ziehen sie
beide zusammen auf die Luftjagd.


  [14] fatschen braucht man, wenn die Füße der Pferde im zähen Koth und
       Moor schnalzen.




312.

Die schwarzen Reuter und das Handpferd.

Hanauer Landcalender vom Jahr 1730.

+Hilscher+ vom wüthenden Heer. Dresden 1702. S. 31. 32.


Es soll vorzeiten der Rechenberger, ein Raub- und Diebsritter, mit
seinem Knecht eines Nachts auf Beute ausgeritten seyn. Da begegnete
ihnen ein Heer schwarzer Reuter; er wich aus, konnte sich aber nicht
enthalten, den letzten im Zug, der ein schön gesattelt, leeres
Handpferd führte, zu fragen: wer diese wären, die da vorübergeritten?
Der Reuter versetzte: “+das wütende Heer+.” Drauf hielt auch der Knecht
an und frug: wem doch das schöne Handpferd wäre? Dem wurde zur Antwort:
“seines Herrn treustem Knecht, welcher übers Jahr todt seyn und auf
diesem Pferd reiten werde.” Dieses +Rechenbergers Knecht+ wollte sich
nun bekehren und dingte sich zu einem Abt als Stallknecht. Binnen
Jahresfrist wurde er mit seinem Nebenknecht uneins, der ihn erstach.




313.

Der getreu Eckhart.

Vorrede des Heldenbuchs, ganz zuletzt.

+Agricola+ Sprichw. 667.

Hanauischer Landcalender a. a. O.


Man sagt von dem treuen Eckhart, daß er vor dem Venusberg oder
Höselberg sitze und alle Leute warne, die hineingehen wollen. Johann
Kennerer, Pfarrherr zu Mansfeld, seines Alters über achtzig Jahr,
erzählte, daß zu Eisleben und im ganzen Lande Mansfeld das +wütend
Heer+ vorübergezogen sey, alle Jahr auf den Faßnacht Dornstag und die
Leute sind zugelaufen und haben darauf gewartet; nicht anders, als
sollte ein großer mächtiger Kaiser oder König vorüberziehen. Vor dem
Haufen ist ein alter Mann hergangen mit einem weißen Stab, hat sich
selbs den +treuen Eckhart+ geheißen. Dieser Mann hat die Leute heißen
aus dem Wege weichen, auch etliche Leute gar heimgehen, sie würden
sonst Schaden nehmen. Nach diesem Mann haben etliche geritten, etliche
gegangen und es sind Leute gesehen worden, die neulich an den Orten
gestorben waren, auch der eins Theils noch lebten. Einer hat geritten
auf einem Pferde mit zwein Füßen. Der ander ist auf einem Rade gebunden
gelegen und das Rad ist von selbs umgelaufen. Der dritte hat einen
Schenkel über die Achsel genommen und hat gleich sehr gelaufen. Ein
ander hat kein Kopf gehabt und der Stück ohn Maßen. In Franken ists
noch neulich geschehen und zu Heidelberg am Neckar hat mans oft im Jahr
gesehen. Das wütende Heer erscheint in Einöden, in der Luft und im
Finstern, mit Hundegebell, Blasen auf Waldhörnern und Brüllen wilder
Thiere; auch siehet man dabei Hasen laufen und höret Schweine grunzen.




314.

Das Fräulein vom Willberg.

Mündlich, aus dem Corvei’schen.


Ein Mann aus Wehren bei Höxter ging nach der Amelungs-Mühle, Korn
zu malen; auf dem Rückweg wollt er sich ein wenig am Teich im Lau
ausruhen. Da kam ein Fräulein von dem Willberg, welcher Godelheim
gegenüber liegt, herab, trat zu ihm und sprach: “bringt mir zwei Eimer
voll Wasser oben auf die Stolle (Spitze) vom Willberg, dann sollt ihr
gute Belohnung haben.” Er trug ihr das Wasser hinauf; oben aber sprach
sie: “Morgen um diese Stunde kommt wieder und bringt den Busch Blumen
mit, welchen der Schäfer vom Osterberge auf seinem Hut trägt.” Der
Mann foderte den andern Tag die Blumen von dem Osterbergs-Schäfer und
erhielt sie, doch erst nach vielem Bitten. Darauf ging er wieder zu
der Stolle des Willbergs, da stand das Fräulein, führte ihn zu einer
eisernen Thüre und sprach: “halte den Blumen-Busch vors Schloß.” Wie er
das that, sprang die Thüre gleich auf und sie traten hinein; da saß in
der Berghöhle ein klein Männlein vor dem Tisch, dessen Bart ganz durch
den steinernen Tisch gewachsen war, ringsherum aber standen große,
übermächtige Schätze. Der Schäfer legte vor Freude seinen Blumen-Busch
auf den Tisch und fing an, sich die Taschen mit Gold zu füllen. Das
Fräulein aber sprach zu ihm: “vergeßt das Beste nicht!” Der Mann sah
sich um und glaubte, damit wäre ein großer Kronleuchter gemeint, wie er
aber darnach griff, kam unter dem Tisch eine Hand hervor und schlug ihm
ins Angesicht. Das Fräulein sprach nochmals: “vergeßt das Beste nicht!”
Er hatte aber nichts, als die Schätze im Sinn und an den Blumen-Busch
dachte er gar nicht. Als er seine Taschen gefüllt hatte, wollte er
wieder fort, kaum aber war er zur Thüre hinaus, so schlug sie mit
entsetzlichem Krachen zu. Nun wollt’ er seine Schätze ausladen, aber er
hatte nichts, als Papier in der Tasche; da fiel ihm der Blumen-Busch
ein und nun sah er, daß dieser das Beste gewesen und ging traurig den
Berg herunter nach Haus.




315.

Der Schäfer und der Alte aus dem Berg.

Mündlich, aus Wernigerode.


Nicht weit von der Stadt Wernigerode befindet sich in einem Thale eine
Vertiefung in steinigem Erdboden, welche das Weinkeller-Loch genannt
wird und worin große Schätze liegen sollen. Vor vielen Jahren weidete
ein armer Schäfer, ein frommer und stiller Mann, dort seine Heerde.
Einmal, als es eben Abend werden wollte, trat ein greiser Mann zu
ihm und sprach: “folge mir, so will ich dir Schätze zeigen, davon du
dir nehmen kannst, so viel du Lust hast.” Der Schäfer überließ dem
Hund die Bewachung der Heerde und folgte dem Alten. In einer kleinen
Entfernung that sich plötzlich der Boden auf, sie traten beide ein
und stiegen in die Tiefe, bis sie zu einem Gemach kamen, in welchem
die größten Schätze von Gold und edlen Steinen aufgethürmt lagen. Der
Schäfer wählte sich einen Goldklumpen und jemand, den er nicht sah,
sprach zu ihm: “bringe das Gold dem Goldschmidt in die Stadt, der
wird dich reichlich bezahlen.” Darauf leitete ihn sein Führer wieder
zum Ausgang und der Schäfer that, wie ihm geheißen war und erhielt von
dem Goldschmidt eine große Menge Geldes. Erfreut brachte er es seinem
Vater, dieser sprach: “versuche noch einmal in die Tiefe zu steigen.”
“Ja, Vater,” antwortete der Schäfer, “ich habe dort meine Handschuhe
liegen lassen, wollt ihr mitgehen, so will ich sie holen.” In der
Nacht machten sich beide auf, fanden die Stelle und den geöffneten
Boden und gelangten zu den unterirdischen Schätzen. Es lag noch alles,
wie das erstemal, auch die Handschuhe des Schäfers waren da; beide
luden so viel in ihre Taschen, als sie tragen konnten und gingen dann
wieder heraus, worauf sich der Eingang mit lautem Krachen hinter ihnen
schloß. Die folgende Nacht wollten sie es zum drittenmal wagen, aber
sie suchten lange hin und her, ohne die Stelle des Eingangs, oder auch
nur eine Spur, zu entdecken. Da trat ihnen der alte Mann entgegen und
sprach zum Schäfer: “hättest du deine Handschuhe nicht mitgenommen,
sondern unten liegen gelassen, so würdest du auch zum drittenmal
den Eingang gefunden haben, denn dreimal sollte er dir zugänglich
und geöffnet seyn; nun aber ist er dir auf immer unsichtbar und
verschlossen.” Geister, heißt es, können das, was in ihrer Wohnung von
den irdischen Menschen zurückgelassen worden, nicht behalten und haben
nicht Ruh, bis es jene wieder zu sich genommen.




316.

Jungfrau Ilse.

+Otmar+ S. 171-174.

Quedlinb. Sammlung. S. 204. 205.


Der +Ilsenstein+ ist einer der größten Felsen des Harzgebirges, liegt
auf der Nordseite in der Grafschaft Wernigerode unweit Ilsenburg am Fuß
des Brockens und wird von der Ilse bespült. Ihm gegenüber ein ähnlicher
Fels, dessen Schichten zu diesem passen und bei einer Erderschütterung
davon getrennt zu seyn scheinen.

Bei der Sündfluth flohen zwei Geliebte dem Brocken zu, um der immer
höher steigenden allgemeinen Ueberschwemmung zu entrinnen. Eh
sie noch denselben erreichten und gerade auf einem andern Felsen
zusammenstanden, spaltete sich solcher und wollte sie trennen. Auf
der linken Seite, dem Brocken zugewandt, stand die Jungfrau; auf der
rechten der Jüngling und miteinander stürzten sie umschlungen in
die Fluten. Die Jungfrau hieß +Ilse+. Noch alle Morgen schließt sie
den Ilsenstein auf, sich in der Ilse zu baden. Nur wenigen ist es
vergönnt, sie zu sehen, aber wer sie kennt, preist sie. Einst fand
sie frühmorgens ein Köhler, grüßte sie freundlich und folgte ihrem
Winken bis vor den Fels; vor dem Fels nahm sie ihm seinen Ranzen ab,
ging hinein damit und brachte ihn gefüllt zurück. Doch befahl sie
dem Köhler, er sollte ihn erst in seiner Hütte öffnen. Die Schwere
fiel ihm auf und als er auf der Ilsenbrücke war, konnt er sich nicht
länger enthalten, machte den Ranzen auf und sah Eicheln und Tannäpfel.
Unwillig schüttelte er sie in den Strom, sobald sie aber die Steine der
Ilse berührten, vernahm er ein Klingeln und sah mit Schrecken, daß er
Gold verschüttet hatte. Der nun sorgfältig aufbewahrte Ueberrest in den
Ecken des Sacks machte ihn aber noch reich genug. -- Nach einer andern
Sage stand auf dem Ilsenstein vorzeiten eines Harzkönigs Schloß, der
eine sehr schöne Tochter Namens Ilse hatte. Nah dabei hauste eine Hexe,
deren Tochter über alle Maßen häßlich aussah. Eine Menge Freier warben
um Ilse, aber niemand begehrte die Hexentochter, da zürnte die Hexe
und wandte durch Zauber das Schloß in einen Felsen, an dessen Fuße sie
eine nur der Königstochter sichtbare Thüre anbrachte. Aus dieser Thüre
schreitet noch jetzo alle Morgen die verzauberte Ilse und badet sich
im Flusse, der nach ihr heißt. Ist ein Mensch so glücklich und sieht
sie im Bade, so führt sie ihn mit ins Schloß, bewirthet ihn köstlich
und entläßt ihn reichlich beschenkt. Aber die neidische Hexe macht, daß
sie nur an einigen Tagen des Jahrs im Bad sichtbar ist. Nur derjenige
vermag sie zu erlösen, der mit ihr zu gleicher Zeit im Flusse badet und
ihr an Schönheit und Tugend gleicht.




317.

Die Heidenjungfrau zu Glatz.

+Aelurius+ glätzische Chronik. Lpzg. 1625. 4. S. 124-128. vgl. S. 86.


Alte und junge Leute zu Glatz erzählten: in der heidnischen Zeit
habe da eine gottlose, zauberhafte Jungfrau das Land beherrscht, die
mit ihrem Ranzenbogen vom Schloß herab bis zur großen eisersdorfer
Linde geschossen, als sie mit ihrem Bruder gewettet: wer den Pfeil
am weitesten schießen könnte. Des Bruders Pfeil reichte kaum auf
den halben Weg, und die Jungfrau gewann. An dieser Linde stehet die
Grenze, und sie soll so alt seyn, wie der Heidenthurm zu Glatz und
wenn sie gleich einmal oder das ander verdorret, so ist sie doch immer
ausgewachsen und stehet noch. Auf der Linde saß einmal die Wahrsagerin
und weissagte von der Stadt viel zukünftige Dinge: der Türk werde bis
nach Glatz dringen, aber wenn er über die steinerne Brücke auf den
Ring einziehe, eine schwere Niederlage erleiden durch die vom Schloß
herab auf ihn ziehenden Christen; solches werde aber nicht geschehen,
bevor ein Haufen Kraniche durch die Brotbänke geflogen. -- Zum Zeichen,
daß die Jungfrau ihren Bruder mit dem Bogen überschossen, setzte man
auf der Meile hinter dem Graben zween spitzige Steine. Weil sie aber
mit ihrem eigenen Bruder unerlaubte Liebe gepflogen, war sie vom Volk
verabscheut und es wurde ihr nach dem Leben getrachtet, allein sie
wußte durch ihre Zauberkunst und Stärke, da sie oftmals aus Kurzweile
ein ganzes Hufeisen zerriß, stets zu entrinnen. Zuletzt jedoch blieb
sie gefangen und in einem großen Saal, welcher bei dem Thor, dadurch
man aus dem Niederschloß ins Oberschloß gehet, vermauert. Da kam sie
ums Leben und zum Andenken stehet ihr Bildniß links deßelben Thors
an der Mauer über den tiefen Graben in Stein ausgehauen und wird bis
auf den heutigen Tag allen fremden Leuten gezeigt. Außerdem hing ihr
Gemählde im grünen Schloßsaal und in der Schloßkirche an einem eisernen
Nagel in der Wand schön gelbes Haar, etlichemal aufgeflochten nach der
Länge. Die Leute nennen es allgemein: das Haar der Heidenjungfrau; es
hanget so hoch, daß es ein großer Mann auf der Erden stehend mit der
Hand erreichen kann, ungefähr drei Schritt von der Thüre weit. Sie soll
in der Gestalt und Kleidung, wie sie abgemalet wird, öfters im Schlosse
erscheinen, beleidiget doch niemanden, außer wer sie höhnt und spottet,
oder ihre Haarflechte aus der Kirche wegzunehmen gedenkt. Zu einem
Soldat, der sie verspottet, kam sie auf die Schildwache und gab ihm mit
kalter Hand einen Backenstreich. Einem andern, der das Haar entwendet,
erschien sie Nachts, kratzte und krengelte ihn bis nahe an den Tod,
wenn er nicht schnell durch seinen Rottgesellen das Haar wieder an den
alten Ort hätte tragen lassen.




318.

Der Roßtrapp und der Cretpfuhl.

+Behrens+ Harzwald S. 121. und 130.

+Seyfried+ ~in medulla p. 428.

+Melissantes+ Orograph. h. v.~

+Otmar+ S. 181-186.

Quedlinburger Samml. S. 125-128. 147. 148.


Den Roßtrapp oder die Roßtrappe nennt man einen Felsen mit einer
eirunden Vertiefung, welche einige Aehnlichkeit mit dem Eindruck eines
riesenmäßigen Pferdehufs hat, in dem hohen Vorgebirge des Nordharzes,
hinter Thale. Davon folgende abweichende Sagen:

1) Eines Hühnenkönigs Tochter stellte vor Zeiten die Wette an, mit
ihrem Pferde über den tiefen Abgrund, Creful genannt, von einem Felsen
zum andern zu springen. Zweimal hatte sie es glücklich verrichtet, beim
drittenmale aber schlug das Roß rückwärts über und stürzte mit ihr in
die Schlucht hinab. Darin befindet sie sich immer noch. Ein Taucher
hatte sie einmal einigen zu Gefallen um ein Trinkgeld so weit außer
Wasser gebracht, daß man etwas von der Krone sehen konnte, die sie
auf dem Haupt getragen. Als er zum drittenmal dran sollte, wagte ers
anfänglich nicht, entschloß sich zuletzt doch und vermeldete dabei:
“wenn aus dem Wasser ein Blutstrahl steigt, so hat mich die Jungfrau
umgebracht; dann eilet alle davon, daß ihr nicht auch in Gefahr
gerathet.” Wie er sagte, geschahs, ein Blutstrahl stieg auf.

2) Vor Alters wohnte ein König auf den herumgelegenen alten Schlössern,
der eine sehr schöne Tochter hatte. Diese wollte ein Prinz, der sich in
sie verliebte, entführen und verband sich dazu mit dem Teufel, durch
dessen schwarze Kunst er ein Pferd aus der Hölle bekam. So entführte
er sie und beim Uebersetzen von Fels zu Felsen schlug das Roß mit dem
Hufeisen dieses Wahrzeichen ein.

3) Eine Königstochter wohnte am Harz und hatte wider den Willen ihres
Vaters eine geheime Liebschaft. Um sich vor seinem Zorn zu retten, floh
sie, nahm die Königskrone mit und wollte sich in den Felsen bergen. Auf
dem Felsen jenseits, gegenüber dem Roßtrapp, sollen noch die Radenägel
ihres Fuhrwerks eingedrückt seyn. Sie wurde verfolgt und umringt. Es
war keine Rettung übrig als einen Sprung ans andre Ufer zu wagen. Die
Jungfrau sah das, da tanzte sie noch einmal zu guter Letzt, als wäre
es ihr Hochzeittag und davon bekam der Fels den Namen +Tanzplatz+.
Dann that sie glücklich den großen Sprung; wo ihr Roß den ersten Fuß
hinsetzte, drückte sich sein Huf ein, fortan hieß dieser Fels der
+Roßtrapp+. In der Luft war ihr aber die unschätzbare Krone vom Haupt
gefallen in einen tiefen Strudel der Bode, davon das +Kronenloch+
benannt. Da liegt sie noch auf den heutigen Tag.

4) Vor tausend und mehr Jahren, ehe noch die Raubritter die Hoymburg,
Leuenburg, Steckelnburg und Winzenburg erbauten, war das Land rings
um den Harz von Riesen bewohnt, die Heiden und Zauberer waren,
Raub, Mord und Gewaltthat übten. Sechzigjährige Eichen rissen sie
sammt den Wurzeln aus und fochten damit. Was sich entgegenstellte,
wurde mit Keulen niedergeschlagen und die Weiber in Gefangenschaft
fortgeschleppt, wo sie Tag und Nacht dienen mußten. In dem Boheimer
Walde hauste dazumal ein Riese, +Bodo+ genannt. Alles war ihm
unterthan, nur +Emma+, die Königstochter vom Riesengebirge, die konnte
er nicht zu seiner Liebe zwingen. Stärke noch List halfen ihm nichts,
denn sie stand mit einem mächtigen Geiste im Bund. Einst aber ersah
sie Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte sogleich seinen
Zelter, der meilenlange Fluren im Augenblick übersprang, er schwur,
Emma zu fahen oder zu sterben. Fast hätt’ er sie erreicht, als sie
ihn aber zwei Meilen weit von sich erblickte und an den Thorflügeln
eines zerstörten Städtleins, welche er im Schild führte, erkannte, da
schwenkte sie schnell das Roß. Und von ihren Spornen getrieben flog
es über Berge, Klippen und Wälder durch Thüringen in die Gebirge des
Harzes. Oft hörte sie einige Meilen hinter sich das schnaubende Roß
Bodos und jagte dann den nimmermüden Zelter zu neuen Sprüngen auf.
Jetzt stand ihr Roß verschnaufend auf dem furchtbaren Fels, der Teufels
+Tanzplatz+ heißt. Angstvoll blickte Emma in die Tiefe, denn mehr als
tausend Fuß ging senkrecht die Felsenmauer herab zum Abgrund. Tief
rauschte der Strom unten und kreiste in furchtbaren Wirbeln. Der
entgegenstehende Fels schien noch entfernter und kaum Raum zu haben für
einen Vorderfuß des Rosses. Von neuem hörte sie Bodos Roß schnauben, in
der Angst rief sie die Geister ihrer Väter zu Hülfe und ohne Besinnung
drückte sie ihrem Zelter die ellenlangen Spornen in die Seite. Und
das Roß sprang über den Abgrund, glücklich auf die spitze Klippe und
schlug seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, daß die Funken
stoben. Das ist jener Roßtrapp. Die Zeit hat die Vertiefung kleiner
gemacht, aber kein Regen kann sie ganz verwischen. Emma war gerettet,
aber die centnerschwere goldne Königskrone fiel während des Sprungs von
ihrem Haupt in die Tiefe. Bodo, in blinder Hitze nachsetzend, stürzte
in den Strudel und gab dem Fluß den Namen. (Die Bode ergießt sich
mit der Emme und Saale in die Elbe.) Hier als schwarzer Hund bewacht
er die goldne Krone der Riesentochter, daß kein Gelddurstiger sie
heraushohle. Ein Taucher wagte es einst unter großen Versprechungen.
Er stieg in die Tiefe, fand die Krone und hob sie in die Höhe, daß das
zahllos versammelte Volk schon die Spitzen golden schimmern sah. Aber
zu schwer, entsank sie zweimal seinen Händen. Das Volk rief ihm zu, das
drittemal hinabzusteigen. Er thats und ein Blutstrahl sprang hoch in
die Höhe. Der Taucher kam nimmer wieder auf. Jetzo deckt tiefe Nacht
und Stille den Ungrund, kein Vogel fliegt darüber. Nur um Mitternacht
hört man oft in der Ferne das dumpfe Hundegeheul des Heiden. Der
Strudel heißt: der +Kreetpfuhl+[15] und der Fels, wo Emma die Hülfe
der Höllengeister erflehte, des Teufels +Tanzplatz+.

5) In Böhmen lebte vorzeiten eine Königstochter, um die ein gewaltiger
Riese warb. Der König, aus Furcht seiner Macht und Stärke, sagte sie
ihm zu. Weil sie aber schon einen andern Liebhaber hatte, der aus dem
Stamm der Menschen war, so widersetzte sie sich dem Bräutigam und dem
Befehl ihres Vaters. Aufgebracht wollte der König Gewalt brauchen und
setzte die Hochzeit gleich auf den nächsten Tag. Mit weinenden Augen
klagte sie das ihrem Geliebten, der zu schneller Flucht rieth und sich
in der finstern Nacht einstellte, die getroffene Verabredung ins Werk
zu setzen. Es hielt aber schwer zu entfliehen, die Marställe des Königs
waren verschlossen und alle Stallmeister ihm treu und ergeben. Zwar
stand des Riesen ungeheurer Rappe in einem für ihn eigends erbauten
Stalle, wie sollte aber eine schwache Frauenhand das mehr denn zehn
Ellen hohe Unthier leiten und lenken? und wie war ihm beizukommen, da
es an einer gewaltig dicken Kette lag, die ihm statt Halfters diente
und dazu mit einem großen Schlosse verwahrt war, dessen Schlüssel
der Riese bei sich trug? Der Geliebte half aber aus, er stellte eine
Leiter ans Pferd und hieß die Königstochter hinaufsteigen; dann that
er einen mächtigen Schwerteshieb auf die Kette, daß sie von einander
sprang, schwang sich selbst hinten auf und in einem Flug gings auf und
davon. Die kluge Jungfrau hatte ihre Kleinode mitgenommen, dazu ihres
Vaters goldne Krone aufs Haupt gesetzt. Während sie nun auf Gerathewohl
forteilten, fiels dem Riesen ein, in dieser Nacht auszureiten. Der
Mond schien hell und er stand auf, sein Roß zu satteln. Erstaunt sah
er den Stall leer, es gab Lärm im ganzen Schlosse und als man die
Königstochter aufwecken wollte, war sie auch verschwunden. Ohne sich
lange zu besinnen, bestieg der Bräutigam das erste beste Pferd und
jagte über Stock und Block. Ein großer Spürhund witterte den Weg,
den die Verliebten genommen hatten; nahe am Harzwalde kam der Riese
hinter sie. Da hatte aber auch die Jungfrau den Verfolger erblickt,
wandte den Rappen flugs und sprengte waldein, bis der Abgrund, in
welchem die Bode fließt, ihren Weg durchschneidet. Der Rappe stutzt
einen Augenblick und die Liebenden sind in großer Gefahr. Sie blickt
hinterwärts und in strengem Gallop nahet der Riese, da stößt sie muthig
dem Rappen in die Rippen. Mit einem gewaltigen Sprung, der den Eindruck
eines Hinterhufes im Felsen läßt, setzt er über und die Liebenden
sind gerettet. Denn die Mähre des nacheilenden Riesen springt seiner
Schwere wegen zu kurz und beide mit gräßlichem Geprassel fallen in den
Abgrund. Auf dem jenseitigen Rand stehet die Königstochter und tanzt
vor Freuden. Davon heißt die Stätte noch jetzt +Tanzplatz+. Doch hat
sie im Taumel des Sprungs die Krone verloren, die in den Kessel der
Bode gefallen ist. Da liegt sie noch heut zu Tag, von einem großen
Hunde mit glühenden Augen bewacht. Schwimmer, die der Gewinn geblendet,
haben sie mit eigner Lebensgefahr aus der Tiefe zu hohlen gesucht, aber
beim Wiederkommen ausgesagt: daß es vergebens sey, der große Hund sinke
immer tiefer, so wie sie ihm nahe kämen und die goldne Krone stehe
nicht mehr zu erlangen.


  [15] d. h. Teufelspfuhl, wie die nördlichen Harzbewohner +Kreetkind+
       ein Teufelskind nennen.




319.

Der Mägdesprung.

Quedlinburger Sammlung S. 67.

+Otmar+ S. 195-198. vgl. S. 53.

+Behrens+ Harzwald S. 131.

+Seyfried+ in ~medulla p. 428.

+Melissantes+ orograph. h. v.~


Zwischen Ballenstedt und Harzgerode in dem Selkethal zeigt das Volk
auf einen hohen, durch eine Säule ausgezeichneten Felsen, auf eine
Vertiefung im Gestein, die einige Ähnlichkeit mit der Fußtapfe eines
Menschen hat und 80 bis 100 Fuß weiter auf eine zweite Fußtapfe. Die
Sage davon ist aber verschieden.

Eine Hühnin oder Riesentochter erging sich einst auf dem Rücken des
Harzes von dem Petersberge herkommend. Als sie die Felsen erreicht
hatte, die jetzt über den Hüttenwerken stehen, erblickte sie ihre
Gespielin, die ihr winkte, auf der Spitze des Rammberges. Lange stand
sie so zögernd, denn ihren Standort und den nächsten Berggipfel
trennte ein breites Thal. Sie blieb hier so lange, daß sich ihre
Fußtapfe ellentief in den Felsen drückte, wovon heut zu Tag noch die
schwachen Spuren zu sehn sind. Ihres Zögerns lachte höhnisch ein Knecht
des Menschenvolks, das diese Gegend bewohnte, und der bei Harzgerode
pflügte. Die Hühnin merkte das, streckte ihre Hand aus und hob den
Knecht sammt Pflug und Pferden in die Höhe, nahm alles zusammen in ihr
Obergewand und sprang damit über das Thal weg und in einigen Schritten
hatte sie ihre Gespielin erreicht.

Oft hört man erzählen: die Königstochter sey in ihrem Wagen gefahren
kommen und habe auf das jenseitige Gebirg gewollt. Flugs that sie den
Wagen nebst den Pferden in die Schürze und sprang von einem Berg nach
dem andern.

Endlich werden die Fußtritte einer Bauerdirne zugeschrieben, die zu
ihrem Liebhaber, einem Schäfer, jenseits den Sprung gemacht und beim
Ansatz so gewaltig aufgetreten habe, daß sich ihre Spur eindrückte.
Auch ein Ziegenbock scheint hierbei im Spiel gewesen zu seyn.




320.

Der Jungfernsprung.

+Peschek’s+ Oybin bei Zittau. Leipz. 1804. S. 33. 34.


In der Lausitz unfern der böhmischen Grenze ragt ein steiler Felsen,
Oybin genannt, hervor, auf dem man den Jungfernsprung zu zeigen und
davon zu erzählen pflegt: vorzeiten sey eine Jungfrau in das jetzt
zertrümmerte Bergkloster zum Besuch gekommen. Ein Bruder sollte sie
herumführen und ihr die Gänge und Wunder der Felsengegend zeigen; da
weckte ihre Schönheit sündhafte Lust in ihm und sträflich streckte er
seine Arme nach ihr aus. Sie aber floh und flüchtete von dem Mönche
verfolgt den verschlungenen Pfad entlang; plötzlich stand sie vor einer
tiefen Kluft des Berges und sprang keusch und muthig in den Abgrund.
Engel des Herrn faßten und trugen sie sanft ohne einigen Schaden hinab.

Andere behaupten: ein Jäger habe auf dem Oybin ein schönes
Bauernmädchen wandeln sehen und sey auf sie losgeeilt. Wie ein gejagtes
Reh stürzte sie durch die Felsengänge, die Schlucht öffnete sich vor
ihren Augen und sie sprang unversehrt nieder bis auf den Boden.

Noch andere berichten: es habe ein rasches Mädchen mit ihren
Gespielinnen gewettet, über die Kluft wegzuspringen. Im Sprung aber
glischte ihr Fuß aus dem glatten Pantoffel und sie wäre zerschmettert
worden, wo sie nicht glücklicherweise ihr Reifrock allenthalben
geschützt und ganz sanft bis in die Tiefe hinunter gebracht hätte.




321.

Der Harrassprung.

+Körner’s+ Nachlaß 2. 71-74.


Bei Lichtenwalde im sächsischen Erzgebirge zeigt man an dem
Zschopauthal eine Stelle, genannt der +Harrassprung+, wo vor Zeiten ein
Ritter, von seinen Feinden verfolgt, die steile Felsenwand hinunter in
den Abgrund geritten seyn soll. Das Roß wurde zerschmettert, aber der
Held entkam glücklich auf das jenseitige Ufer.




322.

Der Riese Hidde.

+Pierius Winsemius+ Geschiedenisse van Friesland. Franeker 1622. ~fol.~
Buch III. S. 93.


Zu Carls des Großen Zeit lebte ein Friese Namens +Hidde+, groß von Leib
und ein starker Mann, ging ins Land Braunschweig und wurde vom Herzog
zum Vogt seiner Wälder und Bäume gemacht. Als er einmal durch die
Wildniß ging, stieß er auf eine Löwin mit ihren jungen Welpen im Nest,
tödtete die Alte und brachte die Jungen, als Wölfe die er gefangen
habe, dem Herzog an Hof. Diesem gefiel die Einfalt des Mannes, welcher
keinen Unterschied machte zwischen Löwen und Wölfen und begabte ihn mit
vielen Ländereien in der Gegend der Elbe. Da baute er sich ein Wohnhaus
und nannte es +Hiddesacker+ nach seinem Namen.




323.

Das ilefelder Nadelöhr.

+Behrens+ cur. Harzwald S. 126. 127.


Bei dem Kloster Ilefeld, zur linken Hand gleich bei dem Harzfahrwege,
steht aus einem hohen Berg ein starker Stein hervor, der in seiner
Mitte eine enge und schmale durchgehende Höhle hat. Alle Knechte aus
Nordhausen und den umliegenden Örtern, wann sie das erstemal in den
Harzwald hinter Ilefeld nach Brennholz fahren, müssen durch dieses
Nadelöhr dreimal kriechen, mit großer Müh und Beschwerde, und werden
beim Ein- und Auskriechen von ihren Cameraden dazu mit Peitschenstielen
tapfer abgeschlagen. Wollen sie die Kurzweil nicht ausstehen, so müssen
sie sich mit Gelde loskaufen. Die Obrigkeit hat diese Sitte schon
mehrmals bei ziemlicher Strafe, aber fruchtlos verboten und der Knecht,
der sich dem Brauch entziehen will, hat vor seinen Cameraden keinen
Frieden und wird nicht bei ihnen gelitten. Vom Ursprung dieses Steins
gibt der gemeine Mann vor: ein +Hühne+ sey einsmals etliche Meilen Wegs
gereist; als er nun hinter Ilefeld gekommen, habe er gefühlt, daß ihn
etwas in dem einen Schuh drücke, ihn also ausgezogen und diesen Stein
drin gefunden. Darauf habe er den Stein an den Ort, wo er noch liege,
geworfen.




324.

Die Riesen zu Lichtenberg.

Mündlich, aus dem Odenwald.


Der Lichtenberg ist ein Bergschloß, das man späterhin aus den uralten
Trümmern wieder erneuert hat, und in allen Dörfern, die in seiner
Nähe liegen, lebt noch die Sage fort, daß es hier vor alten Zeiten
Riesen gegeben habe. Unter den Steinen befinden sich manche, die keine
Menschenkraft den jähen Berg hinauf hätte tragen können. Ein Riese
schleppte einen über achtzig Centner schweren Block auf seiner Schulter
herbei, aber er zerbrach ihm unterwegs und blieb eine Stunde von
Lichtenberg auf der Höhe liegen; er wird noch heut zu Tag Riesenstein
genannt. Im Schloß wird ein Knochen, anderthalb Schuh im Umfang haltend
und mit einem andern, einen halben Schuh dicken, einen Fuß langen
Bein verwachsen, aufbewahrt; auch soll daselbst vor fünf und zwanzig
Jahren noch eine ungeheure Bettlade außer den Knochen zu sehen gewesen
seyn. Es wird auch wiederum erzählt, daß die Riesenfrau einmal weiter
als gewöhnlich von dem Lichtenberg weggegangen sey und einen Bauer
getroffen habe, der mit Ochsen seinen Acker pflügte. Das hatte sie noch
nie gesehn, nahm also Bauer, Pflug und Ochsen zusammen in ihre Schürze
und brachte es ihrem Mann aufs Schloß mit den Worten: “sieh einmal
Mann, was ich für schöne Thierchen gefunden habe.”




325.

Das Hühnenblut.

+Otmar+ S. 267-270.


Zwischen dem magdeburgischen Städtchen Egeln und dem Dorfe Westeregeln,
unweit des Hakels, findet sich in einer flachen Vertiefung rothes
Wasser, welches das Volk: +Hühnenblut+ nennet. Ein Hühne floh verfolgt
von einem andern, überschritt die Elbe und als er in die Gegend kam,
wo jetzo Egeln liegt, blieb er mit einem Fuße, den er nicht genug
aufhob, an der Thurmspitze der alten Burg hangen, stolperte, erhielt
sich noch ein Paar tausend Fuß zwischen Fall und Aufstehen, stürzte
aber endlich nieder. Seine Nase traf gerade auf einen großen Feldstein
bei Westeregeln mit solcher Gewalt, daß er das Nasenbein zerschmetterte
und ihm ein Strom von Blut entstürzte, dessen Ueberreste noch jetzt zu
sehen sind.

Nach einer zweiten Erzählung, wohnte der Hühne in der Gegend von
Westeregeln. Oft machte er sich das Vergnügen, über das Dorf und seine
kleinen Bewohner wegzuspringen. Bei einem Sprung aber ritzte er seine
große Zehe an der Thurmspitze, die er berührte. Das Blut sprützte aus
der Wunde in einem tausendfüßigen Bogen, bis in die Lache, in der sich
das nieversiegende Hühnenblut sammelte.




326.

Es rauscht im Hühnengrab.

+Micrälius+ Pomm. Gesch. B. ~II. c.~ 52.


Bei Cößlin in Pommern zeigt man einen Hühnenberg, und man hat da ein
großes Horn, ein großes Schwert und ungeheure Knochen ausgegraben.
Auch in Vorpommern sollen vor Zeiten Riesen gewesen seyn. In der
Gegend von Greifswalde ließ man 1594. solche Hühnengräber “kleuben und
abschlichten,” da fanden die Steinmetzen Leiber elf und wohl sechszehn
Schuh lang, und Krüge daneben. Wie sie aber an einen andern Graben,
dem vorigen gleich, kamen und ihn auch versuchen wollten, soll sich
ihrem Vorgeben nach ein Getümmel, als wenn etwas mit Schlüsseln um sie
herrauschte und tanzte, haben vernehmen lassen. Da standen sie ab vom
Stören des Grabs.




327.

Todte aus den Gräbern wehren dem Feind.

+Otmar’s+ Samml.


Wehrstedt, ein Dorf nahe bei Halberstadt, hat nach der Sage seinen
Namen davon erhalten, daß bei einem gefahrvollen Ueberfall fremder
Heiden, da die Landesbewohner der Uebermacht schon unterlagen, die
Todten aus den Gräbern aufstanden, diese Unholde tapfer abwehrten und
so ihre Kinder retteten.




328.

Hans Heilings Felsen.

+Körner’s+ Nachlaß 2. 132-152. aus der deutschböhmischen Volkssage,
vgl. 174.


An der Eger, dem Dorfe Aich gegenüber, ragen seltsame Felsen empor,
die das Volk: Hans Heilings Felsen nennt und wovon es heißt: vor
alten Zeiten habe ein gewisser Mann, Namens Hans Heiling, im Lande
gelebt, der genug Geld und Gut besessen, aber sich jeden Freitag
in sein Haus verschlossen und diesen Tag über unsichtbar geblieben
sey. Dieser Heiling stand mit dem Bösen im Bunde und floh, wo er ein
Kreuz sah. Einst soll er sich in ein schönes Mädchen verliebt haben,
die ihm auch anfangs zugesagt, hernach aber wieder verweigert worden
war. Als diese mit ihrem Bräutigam und vielen Gästen Hochzeit hielt,
erschien Mitternachts zwölf Uhr Heiling plötzlich unter ihnen und rief
laut: “Teufel, ich lösche dir deine Dienstzeit, wenn du mir diese
vernichtest!” Der Teufel antwortete: “so bist du mein” und verwandelte
alle Hochzeitleute in Felsensteine. Braut und Bräutigam stehen da,
wie sie sich umarmen; die übrigen mit gefaltenen Händen. Hans Heiling
stürzte vom Felsen in die Eger hinab, die ihn zischend verschlang und
kein Auge hat ihn wieder gesehen. Noch jetzt zeigt man die Steinbilder,
die Liebenden, den Brautvater und die Gäste; auch die Stelle, wo
Heiling hinabstürzte.




329.

Die Jungfrau mit dem Bart.

+Prätorius+ Wünschelruthe S. 152-153. aus mündl. Erzählung.

vgl. Kinder- und Haus-Märchen II. 66.


Zu Salfeld mitten im Fluß steht eine Kirche, zu welcher man durch eine
Treppe von der nahgelegenen Brücke eingeht, worin aber nicht mehr
gepredigt wird. An dieser Kirche ist als Beiwappen oder Zeichen der
Stadt in Stein ausgehauen eine gekreuzigte Nonne, vor welcher ein Mann
mit einer Geige kniet, der neben sich einen Pantoffel liegen hat. Davon
wird folgendes erzählt. Die Nonne war eine Königs-Tochter und lebte zu
Salfeld in einem Kloster. Wegen ihrer großen Schönheit verliebte sich
ein König in sie und wollte nicht nachlassen, bis sie ihn zum Gemahl
nähme. Sie blieb ihrem Gelübde treu und weigerte sich beständig, als
er aber immer von neuem in sie drang und sie sich seiner nicht mehr
zu erwehren wußte, bat sie endlich Gott, daß er zu ihrer Rettung die
Schönheit des Leibes von ihr nähme und ihr Ungestaltheit verliehe; Gott
erhörte die Bitte und von Stund an wuchs ihr ein langer, häßlicher
Bart. Als der König das sah, gerieth er in Wuth und ließ sie ans Kreuz
schlagen.

Aber sie starb nicht gleich, sondern mußte in unbeschreiblichen
Schmerzen etliche Tage am Kreuz schmachten. Da kam in dieser Zeit aus
sonderlichem Mitleiden ein Spielmann, der ihr die Schmerzen lindern
und die Todes-Noth versüßen wollte. Der hub an und spielte auf seiner
Geige, so gut er vermogte, und als er nicht mehr stehen konnte vor
Müdigkeit, da kniete er nieder und ließ seine tröstliche Musik ohn
Unterlaß erschallen. Der heiligen Jungfrau aber gefiel das so gut,
daß sie ihm zum Lohn und Angedenken einen köstlichen, mit Gold und
Edelstein gestickten Pantoffel von dem einen Fuß herabfallen ließ.




330.

Die weiße Jungfrau zu Schwanau.

+Joh. Müller+ Schweiz. Gesch. II. 3.


Die freien Schweizer brachen die Burg Schwanau auf dem lowerzer See,
weil darin der böse und grausame Vogt des Kaisers wohnte. Einmal
jährlich erschüttert bei nächtlicher Stille ein Donner die Trümmer und
ertönt im Thurm Klaggeschrei; rings um die Mauer wird der Vogt von dem
weißgekleideten Mädchen, das er entehrt hatte, verfolgt, bis er mit
Geheule sich in den See stürzt. Drei Schwestern flohen vor der Vögte
Lust in des Rigi Klüfte und sind nimmer wieder herausgekommen. Sanct
Michels Capelle bezeichnet den Ort.




331.

Schwarzkopf und Seeburg am Mummel-See.

Erzählungen und Märchen von +Gustav+. Lpzg. 1804.


Der Mummel-See liegt im tiefen Murgthale rings von ehemaligen Burgen
umgeben; gegen einander stehen die Ueberreste der ehemaligen Festen
+Schwarzkopf+ und +Seeburg+. Die Sage erzählt, daß jeden Tag, wann
Dämmerung die Bergspitzen verhüllt, von der Seite des Seeburger
Burghofes dreizehn Stück Rothwild zu einem Pförtchen herein, über den
Platz, und zu dem entgegengesetzten flügellosen Burgthore hinaus eilen.
Geübte Wildschützen bekamen von diesen Thieren immer eins, aber nie
mehr in ihre Gewalt. Die andern Kugeln gingen fehl, oder fuhren in die
Hunde. Kein Jäger schoß seit der Zeit auf ein anderes Thier, als das in
diesem Zuge lief und sich durch Größe und Schönheit auszeichnete. Von
diesem täglichen Zuge ist jedoch der Freitag ausgenommen, der deswegen
den noch jetzt üblichen Namen Jäger-Sabbath erhielt und an welchem
niemand die Seeburg betritt. Aber an diesem Tage, um die Mitternacht,
wird eine andere Erscheinung gesehen. Zwölf Nonnen, in ihrer Mitte ein
blutender Mann, in dessen Leib zwölf Dolche stecken, kommen durch die
kleine Waldpforte in den Hof und wandeln still dem großen Burgthore zu.
In diesem Augenblick erscheint aus dem Portale eine ähnliche Reihe,
bestehend in zwölf ganz schwarzen Männern, aus deren Leibern Funken
sprühen und überall brennende Flecken hervorlodern; sie wandeln dicht
an den Nonnen und ihrem blutigen Begleiter vorüber, in ihrer Mitte
aber schleicht eine weibliche Gestalt. Dieses Gesicht erklärt die Sage
auf folgende Weise: in der Seeburg lebten zwölf Brüder, Raub-Grafen,
und bei ihnen eine gute Schwester; auf dem Schwarzkopf aber ein edler
Ritter mit zwölf Schwestern. Es geschah, daß die zwölf Seeburger in
einer Nacht die zwölf Schwestern vom Schwarzkopf entführten, dagegen
aber auch der Schwarzkopfer die einzige Schwester der zwölf Raubgrafen
in seine Gewalt bekam. Beide Theile trafen in der Ebene des Murgthals
auf einander und es entstand ein Kampf, in welchem die Seeburger bald
die Oberhand erhielten und den Schwarzkopfer gefangen nahmen. Sie
führten ihn auf die Burg und jeder von den Zwölfen stieß ihm einen
Dolch vor den Augen seiner sterbenden Geliebten, ihrer Schwester, in
die Brust. Bald darnach befreiten sich die zwölf geraubten Schwestern
aus ihren Gemächern, suchten die zwölf Dolche aus der Brust ihres
Bruders und tödteten in der Nacht sämmtliche Mord-Grafen. Sie
flüchteten nach der That, wurden aber von den Knechten ereilt und
getödtet. Als hierauf das Schloß durch Feuer zerstört ward, da sah
man die Mauern, in welchen die Jungfrauen geschmachtet, sich öffnen,
zwölf weibliche Gestalten, jede mit einem Kindlein auf dem Arm, traten
hervor, schritten zu dem Mummel-See und stürzten sich in seine Fluten.
Nachher hat das Wasser die zertrümmerte Burg verschlungen, in welcher
Gestalt sie noch hervorragt.

Ein armer Mann, der in der Nähe des Mummel-Sees wohnte und oftmals für
die Geister des Wassers gebätet hatte, verlor seine Frau durch den
Tod. Abends darauf hörte er in der Kammer, wo sie auf Spänen lag, eine
leise Musik ertönen. Er öffnete ein wenig die Thüre und schaute hinein
und sah sechs Jungfrauen, die mit Lichtlein in den Händen um die Todte
standen; am folgenden Abend waren es eben so viel Jünglinge, die bei
der Leiche wachten und sie sehr traurig betrachteten.




332.

Der Krämer und die Maus.

+Wenzel+ dramat. Erzählungen.


Vor langen Jahren ging ein armer Krämer durch den Böhmerwald gen
Reichenau. Er war müd geworden und setzte sich, ein Stückchen Brot zu
verzehren; das einzige, was er für den Hunger hatte. Während er aß,
sah er zu seinen Füßen ein Mäuschen herumkriechen, das sich endlich
vor ihn hinsetzte und aufschaute, als erwartete es etwas. Gutmüthig
warf er ihm einige Bröcklein von seinem Brot hin, so noth es ihm selber
that, die es auch gleich wegnagte. Dann gab er ihm, so lang er noch
etwas hatte, immer sein kleines Theil, so daß sie ordentlich zusammen
Mahlzeit hielten. Nun stand der Krämer auf, einen Trunk Wasser an
einer nahen Quelle zu thun; als er wieder zurückkam, siehe, da lag ein
Goldstück auf der Erde und eben kam die Maus mit einem zweiten, legte
es dabei und lief fort, das dritte zu holen. Der Krämer ging nach und
sah, wie sie in ein Loch lief und daraus das Gold hervorbrachte. Da
nahm er seinen Stock, öffnete den Boden und fand einen großen Schatz
von lauter alten Goldstücken. Er hob ihn heraus und sah sich dann nach
dem Mäuslein um, aber das war verschwunden. Nun trug er voll Freude das
Gold nach Reichenau, theilte es halb unter die Armen und ließ von der
andern Hälfte eine Kirche daselbst bauen. Diese Geschichte ward zum
ewigen Andenken in Stein gehauen und ist noch am heutigen Tage in der
Dreieinigkeitskirche zu Reichenau in Böhmen zu sehen.




333.

Die drei Schatzgräber.

+Falkenstein+ thüring. Chronik I. 219.


Unter der St. Dionysien Kirche, nicht weit von Erfurt, sollte ein
großer Schatz liegen, welchen drei Männer miteinander zu heben sich
vornahmen, nämlich ein Schmidt, ein Schneider und ein Hirt oder
Schäfer. Aber der böse Geist, der den Schatz bewachte, tödtete sie
alle dreie. Ihre Häupter wurden an dem Gesims der Kirche unterm Dache
in Stein ausgehauen, nebst einem Hufeisen, einer Scheere und einem
Schäferstock oder einer Weinmeisters-Hippe.




334.

Einladung vor Gottes Gericht.

~+Casp. Henneberg+ chronicon Prussiae. p. 254.~

+Prätorius+ Weltbeschr. I. 285-288.


Zu Leuneburg in Preußen war ein sehr behender Dieb, der einem ein Pferd
stehlen konnte, wie vorsichtig man auch war. Nun hatte ein Dorfpfarrer
ein schönes Pferd, das er dem Fischmeister zu Angerburg verkauft,
aber noch nicht gewährt. Da wettete der Dieb, er wolle dieses auch
stehlen und darnach aufhören; aber der Pfarrer erfuhr es und ließ es so
verwahren und verschließen, daß er nicht dazu kommen konnte. Indeß ritt
der Pfarrer mit dem Pferd einmal in die Stadt, da kam der Dieb auch in
Bettlerskleidern mit zweien Krücken in die Herberge. Und als er merkt,
daß der Pfarrer schier wollte auf seyn, macht er sich zuvor auf das
Feld, wirft die Krücken auf einen Baum, legt sich darunter und erwartet
den Pfarrer. Dieser kommt hernach, wohl bezecht, findet den Bettler da
liegen und sagt: “Bruder, auf! auf! es kommt die Nacht herbei, geh zu
Leuten, die Wölfe mögten dich zerreißen.” Der Dieb antwortet: “ach!
lieber Herr, es waren böse Buben eben hier, die haben mir meine Krücken
auf den Baum geworfen, nun muß ich allhier verderben und sterben, denn
ohne Krücken kann ich nirgend hinkommen.” Der Pfarrer erbarmt sich
seiner, springt vom Pferde, gibt es dem Schalk, am Zügel zu halten,
zieht seinen Reitrock aus, legt ihn aufs Pferd und steigt dann auf
den Baum, die Krücken abzugewinnen. Indessen springt der Dieb auf das
Pferd, rennt davon, wirft die Bauerskleider weg und läßt den Pfarrer zu
Fuß nach Hause gehen. Diesen Diebstahl erfährt der Pfleger, läßt den
Dieb greifen und an den Galgen henken. Jedermann wußte nun von seiner
Listigkeit und Behendigkeit zu erzählen.

Einsmals ritten etliche Edelleute, wohl bezecht, an dem Galgen vorbei,
redeten von des Diebs Verschlagenheit und lachten darüber. Einer von
ihnen war auch ein wüster und spöttischer Mensch, der rief hinauf:
“o du behender und kluger Dieb, du mußt ja viel wissen! komm auf den
Donnerstag mit deinen Gesellen zu mir zu Gaste und lehre mich auch
Listigkeit.” Deß lachten die andern.

Auf den Donnerstag, als der Edelmann die Nacht über getrunken hatte,
lag er lang schlafend, da kommen die Diebe Glocke neun des Morgens
mit ihren Ketten in den Hof, gehen zur Frau, grüßen sie und sagen,
der Junker habe sie zu Gast gebeten, sie solle ihn aufwecken. Dessen
erschrickt sie gar hart, geht vor des Junkers Bett und sagt: “ach! ich
habe euch längst gesagt, ihr würdet mit euerm Trinken und spöttischen
Reden Schande einlegen, steht auf und empfanget eure Gäste;” und
erzählt, was sie in der Stube gesagt hätten.

Er erschrickt, steht auf, heißt sie willkommen und daß sie sich setzen
sollten. Er läßt Essen vortragen, so viel er in Eile vermag, welches
alles verschwindet. Unterdessen sagt der Edelmann zu dem Pferdedieb:
“lieber, es ist deiner Behendigkeit viel gelachet worden, aber jetzund
ist mirs nicht lächerlich, doch verwundert mich, wie du so behend
bist gewesen, da du doch ein grober Mensch scheinest.” Der antwortet:
“der Satan, wann er sieht, daß ein Mensch Gottes Wort verläßt, kann
einen leicht behend machen.” Der Edelmann fragte andere Dinge, darauf
jener antwortete, bis die Mahlzeit entschieden war. Da stunden sie
auf, dankten ihm und sprachen: “so bitten wir euch auch zu Gottes
himmlischem Gericht, an das Holz, da wir um unserer Missethat willen
von der Welt getödtet worden: da sollt ihr mit uns aufnehmen das
Gericht zeitlicher Schmach und dies soll seyn heut über vier Wochen.”
Und schieden also von ihm.

Der Edelmann erschrack sehr und ward heftig betrübt. Er sagte es vielen
Leuten, der eine sprach dies der andere jenes dazu. Er aber tröstete
sich dessen, daß er niemanden etwas genommen und daß jener Tag auf
Allerheiligen-Tag fiel, auf welchen um des Fests willen man nicht
zu richten pflegt. Doch blieb er zu Hause und lud Gäste, so etwas
geschähe, daß er Zeugniß hätte, er wäre nicht auskommen. Denn damals
war die Rauberei im Lande, sonderlich Gregor Maternen Reiterei, aus
welchen einer den Hauscomthur D. Eberhard von Emden erstochen hatte.
Derhalben der Comthur Befehl bekam, wo solche Reiter und Compans zu
finden wären, man sollte sie fangen und richten, ohn einige Audienz.
Nun war der Mörder verkundschaftet und der Comthur eilte ihm mit den
seinigen nach. Und weil jenes Edelmannes der letzte Tag war und dazu
Allerheiligen-Fest, gedacht er, nun wär er frei, wollte sich einmal
gegen Abend auf das lange Einsitzen etwas erlustigen und ritt ins
Feld. Indessen als seiner des Comthurs Leute gewahr werden, däucht
sie, es sey des Mörders Pferd und Kleid und reiten flugs auf ihn zu.
Der Reuter stellt sich zur Wehr und ersticht einen jungen Edelmann,
des Comthurs Freund und wird deshalb gefangen. Sie bringen ihn vor
Leuneburg, geben einem Litthauen Geld, der hängt ihn zu seinen Gästen
an den Galgen. Und wollte ihm nicht helfen, daß er sagte, er käme aus
seiner Behausung erst geritten, sondern muß hören: “mit ihm fort, eh
andere kommen und sich seiner annehmen, denn er will sich nur also
ausreden!”




335.

Gäste vom Galgen.

+Bräuner’s+ Curiositäten S. 296-298.


Ein Wirth einer ansehnlichen Stadt reiste mit zwei Weinhändlern aus
dem Weingebürge, wo sie einen ansehnlichen Vorrath Wein eingekauft
hatten, wieder heim und ihr Weg führte sie am Galgen vorbei und obwohl
sie berauscht waren, sahen sie doch und bemerkten drei Gehenkte,
welche schon lange Jahre gerichtet waren. Da rief einer von den zwei
Weinhändlern: “du, Bären-Wirth, diese drei Gesellen, die da hängen,
sind auch deine Gäste gewesen.” -- “Hei! sagte der Wirth in tollem
Muthe, sie können heut zu Nacht zu mir kommen und mit mir essen!” Was
geschieht? Als der Wirth also trunken anlangt, vom Pferd absteigt, in
seine Wohnstube geht und sich niedersetzt, kommt eine gewaltige Angst
über ihn, so daß er nicht im Stande ist, jemand zu rufen. Indeß tritt
der Hausknecht herein, ihm die Stiefel abzuziehen, da findet er seinen
Herrn halb todt im Sessel liegen. Er ruft alsbald die Frau und als sie
ihren Mann mit starken Sachen ein wenig wieder erquickt, fragt sie, was
ihm zugestoßen sey. Darauf erzählt er ihr, im Vorbeireiten habe er die
drei Gehängten zu Gast geladen und da er in seine Stube gekommen, seyen
diese drei in der entsetzlichen Gestalt, wie sie am Galgen hängen, in
das Zimmer getreten, hätten sich an den Tisch gesetzt und ihm immer
gewinkt, daß er herbei kommen solle. Da sey endlich der Hausknecht
hereingetreten, worauf die Geister alle drei verschwunden. Dieses wurde
für eine bloße Einbildung des Wirths ausgegeben, weil ihm trunkener
Weise eingefallen, was er im Vorbeireiten den Sündern zugerufen, aber
er legte sich zu Bett und starb am dritten Tage.




336.

Teufels-Brücke.

Mündlich.


Ein Schweizer-Hirte, der öfters sein Mädchen besuchte, mußte sich
immer durch die Reuß mühsam durcharbeiten, um hinüber zu gelangen,
oder einen großen Umweg nehmen. Es trug sich zu, daß er einmal auf
einer außerordentlichen Höhe stand und ärgerlich sprach: “ich wollte
der Teufel wäre da und baute mir eine Brücke hinüber.” Augenblicklich
stand der Teufel bei ihm und sagte: “versprichst du mir das erste
Lebendige, das darüber geht, so will ich dir eine Brücke dahin bauen,
auf welcher du stets hinüber und herüber kannst.” Der Hirte willigte
ein; in wenig Augenblicken war die Brücke fertig, aber jener trieb eine
Gemse vor sich her und ging hinten nach. Der betrogene Teufel ließ
alsbald die Stücke des zerrissenen Thiers aus der Höhe herunter fallen.




337.

Die zwölf Johanneße.

+Falkenstein+ thüring. Chronik I. 218.


Ein fränkischer König hatte zwölf Jünglinge, die wurden die deutschen
Schüler genannt, und hieß jeglicher +Johannes+. Sie fuhren auf einer
Glücksscheibe durch alle Länder und konnten binnen vier und zwanzig
Stunden erfahren, was in der ganzen Welt geschehen war. Das berichteten
sie dann dem Könige. Der Teufel aber ließ alle Jahre einen von der
Scheibe herabfallen und nahm ihn zum Zoll. Den letzten ließ er auf den
Petersberg bei Erfurt fallen, der zuvor der Berbersberg genannt war.
Der König bekümmerte sich, wo doch der letzte hingekommen wäre, und
als er erfuhr, daß es ein schöner Berg sey, auf den er herabgefallen,
ließ er eine Capelle daselbst bauen und nannte sie ~Corpus Christi~;
setzte auch einen Einsiedler hinein. Es war aber damals schiffbar
Wasser rings umher und nichts angebaut und an der Capelle hing eine
Leuchte, darnach sich jeder richtete, bis das Wasser an der Sachsenburg
abgestochen wurde.




338.

Teufels-Graben.

Mündlich.


In der Nähe des Dorfes Rappersdorf, das nicht weit von der Stadt
Strehlen in Niederschlesien liegt, erblickt man in flachem Boden einen
tiefen Graben, gegen einen etwas entfernten Bach laufend, welcher vom
Volk der +Teufels-Graben+ genannt wird. Ein Bauer aus Rappersdorf
war sehr in Noth, weil er nicht wußte, wie er das überhand nehmende
Regen-Wasser von seinen Feldern ableiten solle. Da erschien der Teufel
vor ihm und sprach: “gib mir sieben Arbeiter zur Hülfe, so will ich
dir noch in dieser Nacht einen Graben machen, der alles Wasser von
deinen Äckern abzieht und fertig seyn soll, eh der Morgen graut.”
Der Bauer willigte ein und überlieferte dem Teufel die Arbeiter mit
ihren Werkzeugen. Als er am folgenden Tag hinausging, die Arbeit zu
besichtigen, war zwar der große breite Graben vollendet, aber die
Arbeitsleute waren verschwunden, bis man die zerrissenen Glieder dieser
Unglücklichen auf den Feldern rings umher zerstreut fand.




339.

Der Kreuzliberg.

Kleine Reminiscenzen und Gemählde. Zürch 1806.


Auf einer Burg in der Nähe von Baaden im Aargau lebte eine
Königstochter, welche oft zu einem nah gelegenen Hügel ging, da im
Schatten des Gebüsches zu ruhen. Diesen Berg aber bewohnten innen
Geister und er ward einmal bei einem furchtbaren Wetter von ihnen
verwüstet und zerrissen. Die Königstochter, als sie wieder hinzukam,
beschloß in die geöffnete Tiefe hinabzusteigen, um sie beschauen zu
können. Sie trat, als es Nacht wurde, hinein, wurde aber alsbald von
wilden, entsetzlichen Gestalten ergriffen und über eine große Menge
Fässer immer tiefer und weiter in den Abgrund gezogen. Folgenden Tags
fand man sie auf einer Anhöhe in der Nähe des verwüsteten Bergs, die
Füße in die Erde gewurzelt, die Arme in zwei Baumäste ausgewachsen und
den Leib einem Steine ähnlich. Durch ein Wunderbild, das man aus dem
nahen Kloster herbeibrachte, wurde sie aus diesem furchtbaren Zustande
wieder erlöst und zur Burg zurückgeführt. Auf den Gipfel des Bergs
setzte man ein Kreuz, und noch jetzt heißt dieser der +Kreuzliberg+ und
die Tiefe mit den Fässern des +Teufels Keller+.




340.

Die Pferde aus dem Bodenloch.

~+Merssaeus (Cratepolius)+ catalogus episcop. Coloniens.~

~+Greg. Horst+~ in s. Zusätzen zu ~+Marc. Donatus+ hist. medica mirab.
cap. 9. p. 707.~

~+Balth. Bebelius+ diss. de bis mortuis p. 9.~

Rhein. Antiquarius S. 728-730.

Cölner Taschenbuch für altdeutsche Kunst 1816.


Richmuth von Adocht, eines reichen Burgermeisters zu Cöln Ehefrau,
starb und wurde begraben. Der Todtengräber hatte gesehen, daß sie
einen köstlichen Ring am Finger trug, die Begierde trieb ihn Nachts
zu dem Grab, das er öffnete, Willens den Ring abzuziehen. Kaum aber
hatte er den Sargdeckel aufgemacht, so sah er, daß der Leichnam die
Hand zusammendrückte und aus dem Sarg steigen wollte. Erschrocken floh
er. Die Frau wand sich aus den Grabtüchern los, trat heraus und ging
gerades Schritts auf ihr Haus zu, wo sie den bekannten Hausknecht bei
Namen rief, daß er schnell die Thüre öffnen sollte und erzählte ihm mit
wenig Worten, was ihr widerfahren. Der Hausknecht trat zu seinem Herrn
und sprach: “unsere Frau steht unten vor der Thüre und will eingelassen
seyn.” “Ach, sagte der Herr, das ist unmöglich, eh das möglich wäre,
eher würden meine Schimmel oben auf dem Heuboden stehen!” Kaum hatte er
das Wort ausgeredet, so trappelte es auf der Treppe und dem Boden und
siehe, die sechs Schimmel standen oben alle beisammen. Die Frau hatte
nicht nachgelassen mit Klopfen, nun glaubte der Burgermeister, daß
sie wirklich da wäre; mit Freuden wurde ihr aufgethan und sie wieder
völlig zum Leben gebracht. Den andern Tag schauten die Pferde noch aus
dem Bodenloch und man mußte ein großes Gerüste anlegen, um sie wieder
lebendig und heil herabzubringen. Zum Andenken der Geschichte hat man
Pferde ausgestopft, die aus diesem Haus zum Boden herausgucken. Auch
ist sie in der Apostelkirche abgemahlt, wo man überdem einen langen
leinenen Vorhang zeigt, den Frau Richmuth nachher mit eigner Hand
gesponnen und dahin verehrt hat. Denn sie lebte noch sieben Jahre.




341.

Zusammenkunft der Todten.

Mündlich, aus Hessen.


Eine Königin war gestorben und lag in einem schwarz ausgehängten
Trauersaal auf dem Prachtbette. Nachts wurde der Saal mit Wachskerzen
hell erleuchtet und in einem Vorzimmer befand sich die Wache: ein
Hauptmann mit neun und vierzig Mann. Gegen Mitternacht hört dieser,
wie ein sechsspänniger Wagen rasch vor das Schloß fährt, geht hinab
und eine in Trauer gekleidete Frau, von edlem und vornehmem Anstande,
kommt ihm entgegen und bittet um die Erlaubniß, eine kurze Zeit bei der
Todten verweilen zu dürfen. Er stellt ihr vor, daß er nicht die Macht
habe, dies zu bewilligen, sie nennt aber ihren wohlbekannten Namen und
sagt, als Oberhofmeisterin der Verstorbenen gebühre ihr das Recht,
sie noch einmal, eh sie beerdigt werde, zu sehen. Er ist unschlüssig,
aber sie dringt so lange, daß er nichts schickliches mehr einzuwenden
weiß und sie hineinführt. Er selbst, nachdem er die Thüre des Saals
wieder zugemacht, geht haußen auf und ab. Nach einiger Zeit bleibt
er vor der Thüre stehen, horcht und blickt durchs Schlüsselloch, da
sieht er, wie die todte Königin aufrecht sitzt und leise zu der Frau
spricht, doch mit verschlossenen Augen und ohne eine andere Belebung
der Gesichtszüge, als daß die Lippen sich ein wenig bewegen. Er heißt
die Soldaten, einen nach dem andern, hineinsehen und jeder erblickt
dasselbe; endlich naht er selbst wieder, da legt sich die Todte eben
langsam auf das Prachtbett zurück. Gleich darnach kommt die Frau wieder
heraus und wird vom Hauptmann hinab geführt; dieser fühlt, indem er
sie in den Wagen hebt, daß ihre Hand eiskalt ist. Der Wagen eilt,
so schnell er gekommen, wieder fort und der Hauptmann sieht, wie in
der Ferne die Pferde Feuerfunken ausathmen. Am andern Morgen kommt
die Nachricht, daß die Oberhofmeisterin, welche mehrere Stunden weit
auf einem Landhause wohnte, um Mitternacht und gerade in der Stunde
gestorben ist, wo sie bei der Todten war.




342.

Das weissagende Vöglein.

+Micrälius+ Pomm. Gesch. Buch IV. S. 159.


Im Jahr 1624. hörte man in der Luft rufen: “weh, weh über Pommerland!”
Am 14. Juli ging des Leinenwebers Frau von Colbatz nach Selow, mit
Namen Barbara Sellentius, daselbst Fische zu kaufen. Da sie auf dem
Rückwege nach Colbatz unterwegs war, hörte sie den Steig herunter am
Berge ein Geschrei von Vögeln, und wie sie besser hinankam, schallte
ihr die Stimme entgegen: “höre, höre!” Sie sah mittlerweile ein klein
weiß Vögelein, einer Schwalben groß, auf einer Eiche sitzend, das
redete sie mit deutlichen, klaren Worten an: “sage dem Hauptmann, daß
er soll dem Fürsten sagen, die Anrennung, die er kriegen wird, soll
er in Güte vertragen, oder es wird über ihn ausgehen; und soll also
richten, daß ers vor Gott und der Welt verantworten kann!”




343.

Der ewige Jud auf dem Matterhorn.

Mündlich, aus Oberwallis.


Der Matterberg unter dem Matterhorn ist ein hoher Gletscher des
Walliserlands, auf welchem die Visper entspringt. Der Leutsage nach
soll daselbst vor Zeiten eine ansehnliche Stadt gelegen haben. Durch
diese kam einmal der +laufende Jud+[16] gegangen und sprach: “wenn
ich zum zweitenmal hier durch wandere, werden da, wo jetzt Häuser
und Gassen sind, Bäume wachsen und Steine liegen. Und wenn mich zum
drittenmal der Weg daher führt, wird nichts da seyn, als Schnee und
Eis.” Jetzo ist schon nichts mehr da zu sehen, als Schnee und Eis.


  [16] So nennen viele Schweizer den ewigen Juden.




344.

Der Kessel mit Butter.

Mündlich, aus Oberwallis.


Unter einem Berg des Visperthales, nicht weit von Alt-Tesch, soll ein
ganzes Dorf mit Kirche und Häusern vergraben liegen, und die Ursache
dieses Unglücks wird so erzählt: eine Bäuerin stand vorzeiten an ihrem
Heerd und hatte einen Kessel mit Anke, welche sie auslassen wollte,
über dem Feuer hangen; der Kessel war gerade halb voll Sud. Da kam ein
Mann des Weges vorbei und sprach sie an, daß sie ihm etwas von der Anke
zu seiner Speise geben möchte. Die Frau war aber hartherzig und sagte:
“ich brauch alles für mich selber und kann nichts davon verschenken.”
Da wandte sich der Mann und sprach: “hättest du mir ein weniges
gegeben, so wollte ich deinen Kessel so begabt haben, daß er stets bis
zum Rand voll gewesen und nimmer leer geworden wäre.” Dieser Mann war
unser Herrgott selber. Das Dorf aber war seit der Zeit verflucht und
wurde von einem Bergsturz ganz überschüttet, so daß nichts mehr davon
am Licht ist, als die Fläche des Kirchen-Altars, der ehdem im Ort
gestanden; +über+ den fließt nämlich jetzt das Bächlein, das vorher
+unter+ ihm hingeflossen und sich nun durch die Schlucht der Felsen
windet.




345.

Trauer-Weide.

Mündlich.


Unser Herr Jesus Christus ward bei seiner Kreuzigung mit Ruthen
gegeiselt, die von einem Weidenbaume genommen waren. Seit dieser Zeit
senkt dieser Baum seine Zweige trauernd zur Erde und kann sie nicht
mehr himmelwärts aufrichten. Das ist nun der Trauer-Weidenbaum.




346.

Das Christus-Bild zu Wittenberg.

Mündlich.


Zu Wittenberg soll sich ein Christus-Bild befinden, welches die
wunderbare Eigenschaft hat, daß es immer einen Zoll größer ist, als
der, welcher davor steht und es anschaut; es mag nun der größte oder
der kleinste Mensch seyn.




347.

Das Muttergottes-Bild am Felsen.

Mündlich, aus Oberwallis.


Im Visperthal an einer schroffen Felsenwand des Rätibergs hinter
St. Niklas stehet hoch oben, den Augen kaum sichtbar, ein kleines
Marienbild im Stein. Es stand sonst unten am Weg in einem jetzt leeren
Capellchen, daß die vorbeigehenden Leute davor beten konnten. Einmal
aber geschahs, daß ein gottloser Mensch, dessen Wünsche unerhört
geblieben waren, Koth nahm und das heilige Bild damit bewarf; es weinte
Thränen: als er aber den Frevel wiederholte, da eilte es fort, hoch an
die Wand hinauf und wollte sich auf das Flehen der Leute nicht wieder
herunter begeben. Den Fels hinanzuklimmen und es zurückzuhohlen, war
ganz unmöglich; eher, dachten die Leute, könnten sie ihm oben vom
Gipfel herab nahen, erstiegen den Berg und wollten einen Mann mit
starken Stricken umwunden so weit hernieder schweben lassen, bis er vor
das Bild käme und es in Empfang nehmen könnte. Allein im Herunterlassen
wurde der Strick, woran sie ihn oben festhielten, unten zu immer dünner
und dünner, ja als er eben dem Bild nah kam, so dünn wie ein Haar,
daß den Menschen eine schreckliche Angst befiel und er hinaufrief:
sie sollten ihn um Gotteswillen zurückziehen, sonst wär er verloren.
Also zogen sie ihn wieder hinauf und die Seile erlangten zusehends die
vorige Stärke. Da mußten die Leute von dem Gnadenbild abstehen und
bekamen es nimmer wieder.




348.

Das Gnadenbild aus dem Lerchenstock zu Waldrast.

Tyroler Sammler V. 1809. S. 251-265. aus der Volkssage und dem
waldraster Protocoll.


Im Jahr 1392. sandte die große Frau im Himmel einen Engel aus nach
Tyrol in die Waldrast auf dem Serlesberg. Der trat vor einen hohlen
Lerchenstock und sprach zu ihm im Namen der Gottesmutter:

  “du Stock sollst der Frauen im Himmel Bild fruchten!”

Das Bild wuchs nun im Stock und zwei fromme Hirtenknaben, Hänsle und
Peterle aus dem Dorfe Mizens, gewahrten sein zuerst im Jahr 1407.
Verwundert liefen sie hinab zu den Bauern und erzählten: “gehet auf das
Gebirg, da stehet etwas wunderbarliches im hohlen Stock, wir trauten
uns nicht es anzurühren.” Das heilige Bild wurde nun erkannt, mit einer
Säge aus dem Stock geschnitten und einstweilen nach Matrey gebracht.
Da stund es, bis daß ihm eine eigene Kirche zur Waldrast selbst
gebauet wurde, dazu bediente sich U. L. F. eines armen Holzhackers
Namens Lusch, gesessen zu Matrey. Als der eines Pfingsttags Nacht an
seinem Bett lag und schlief, kam eine Stimme, redete zu dreienmalen
und sprach: “schläfst du oder wachst du?” Und beim drittenmal erwachte
er und frug: “wer bist du oder was willst du?” Die Stimme sprach: “du
sollst aufbringen eine Capelle in der Ehre U. L. F. auf der Waldrast.”
Da sprach der Holzhauer: “das will ich nit thun.” Aber die Stimme
kehrte wieder zu der andern Pfingsttagnacht und redete mit ihm in der
Maas als zuvor. Da sprach er: “ich bin zu arm dazu.” Da kam die Stimme
zu der dritten Pfingsttagnacht abermal an sein Bett und redete als vor.
Also hatte er dreier Nacht keine vor Sorgen geschlafen und antwortete
der Stimme: “wie meinest du’s, daß du nicht von mir willt lassen?” Da
sprach die Stimme: “du sollt es thun.” Da sprach er: “ich will sein
nit thun!” Da nahm es ihn und hob ihn gerad auf in die Höhe und sagte:
“du sollt es nun thun, berathe dich drum!” Da gedacht er: “o ich armer
Mann, was rath ich, daß ichs recht thue?” und sprach, er wollte es
thun, wo er nur die rechte Stätte wüßte. Die Stimme sprach: “im Wald
ist ein grüner Fleck im Moose, da leg dich nieder und raste, so wird
dir wohl kund gethan die rechte Stätte.” Der Holzhauer machte sich auf,
legte sich hin auf das Moos und rastete, (davon heißt der Ort: die Rast
im Walde, +Waldrast+.) Wie er entschlafen war, hörte er im Schlaf zwei
Glöckel. Da wachte er und sah vor sich auf dem Flecken, da jetzund
die Kirch stehet, eine Frau in weißen Kleideren und hätte ein Kind
am Arm, deß ward ihm nur ein Blick[17]. Da gedachte er: allmächtiger
Gott, da ist freilich die rechte Statt! und ging auf die Statt, da er
das Bild gesehen hatte, und merkts aus, nach dem als er vermeinte eine
Kirche zu machen, und die Glöckel klungen, bis er ausgemerkt hatte,
hernach hörte er sie nicht mehr. Da sprach er: “lieber Gott, wie soll
ichs verbringen? ich bin arm und habe kein Gut, da ich solchen Bau mit
verbringen möge.” Da sprach wiederum die Stimme: “so geh zu frommen
Leuten, die geben dir wohl alsoviel, daß du es verbringst. Und wann es
beschiehet, daß man es weihen soll, da wird es stillstehen 36 Jahr,
darnach wird es fürgäng und werden große Zeichen da geschehen zu ewigen
Zeiten.” Und da er die Capelle anfangen wollte zu machen, ging er zu
seinem Beichtvater und thät ihm das kund. Da schuf er ihn vor den
Bischof Ulrich gen Brixen, da ging er zu fünfmalen gen Brixen, daß ihm
der Bischof den Bau und die Capelle zu machen erlaubte. Das thät der
Bischof und ist beschehen am Erchtag (Dienstag) vor S. Pancratius im
Jahr 1409.


  [17] d. h. er sah die Erscheinung nur einen Augenblick.




349.

Ochsen zeigen die heilige Stätte.

+Kasthofen+ in den Alpenrosen 1813. S. 188.


Bei Matten, einem Dorfe unweit der Mündung des Fermelthals in der
Schweiz, liegt ein gewaltiges zerstörtes steinernes Gebäude, davon
geht folgende Sage: Vor alten Zeiten wollte die Gemeinde dem heiligen
Stephan eine Kirche bauen und man ersah den Platz aus, wo das Mauerwerk
steht. Aber jede Nacht wurde zum Schrecken aller wiederum zerstört, was
den Tag über die fleißigen Thal-Leute aufgeführt hatten. Da beschloß
die Gemeinde unter Gebäten die Werkzeuge des Kirchenbaus einem ins Joch
gespannten Ochsenpaare aufzulegen, wo das stillstehen würde, wollten
sie Gottes Finger darin erblicken und die Kirche an dem Ort aufbauen.
Die Thiere gingen über den Fluß und blieben da stehen, wo nun die
Kirche St. Stephan vollendet ward.




350.

Notburga.

Notburga, eine heilige Magd auf dem Schloß Rottenburg. Auf öffentl.
Schaubühne vorgestellt den 17. Septbr. 1738.

Süddeutsche Miscellen 1813. März Nr. 26.

Miscellen für die neuste Weltkunde 1810. Nr. 44.


Im untern Innthale Tirols liegt das Schloß +Rottenburg+, auf welchem
vor alten Zeiten bei einer adlichen Herrschaft eine fromme Magd diente,
+Notburga+ genannt. Sie ward mildthätig und theilte, so viel sie
immer konnte, unter die Armen aus und weil die habsüchtige Herrschaft
damit unzufrieden war, schlugen sie das fromme Mägdlein und jagten es
endlich fort. Es begab sich zu armen Bauersleuten auf den nah gelegenen
Berg +Eben+; Gott aber strafte die böse Frau auf Rottenburg mit einem
jähen Tod. Der Mann fühlte nun das der Notburga angethane Unrecht und
holte sie von dem Berge Eben wieder zu sich nach Rottenburg, wo sie
ein frommes Leben führte, bis die Engel kamen und sie in den Himmel
abholten. Zwei Ochsen trugen ihren Leichnam über den Innstrom und
obgleich sein Wasser sonst wild tobt, so war er doch, als die Heilige
sich näherte, ganz sanft und still. Sie wurde in der Capelle des heil.
Ruprecht beigesetzt.

Am Neckar geht eine andere Sage. Noch stehen an diesem Flusse Thürme
und Mauern der alten Burg +Hornberg+, darauf wohnte vorzeiten ein
mächtiger König mit seiner schönen und frommen Tochter +Notburga+.
Diese liebte einen Ritter und hatte sich mit ihm verlobt; er war aber
ausgezogen in fremde Lande und nicht wiedergekommen. Da beweinte sie
Tag und Nacht seinen Tod und schlug jeden andern Freier aus, ihr Vater
aber war hartherzig und achtete wenig auf ihre Trauer. Einmal sprach
er zu ihr: “bereite deinen Hochzeitschmuck, in drei Tagen kommt ein
Bräutigam, den ich dir ausgewählt habe.” Notburga aber sprach in ihrem
Herzen: “eh will ich fortgehen, so weit der Himmel blau ist, als ich
meine Treue brechen sollte.”

In der Nacht darauf, als der Mond aufgegangen war, rief sie einen
treuen Diener und sprach zu ihm: “führe mich die Waldhöhe hinüber nach
der Capelle St. Michael, da will ich, verborgen vor meinem Vater, im
Dienste Gottes das Leben beschließen.” Als sie auf der Höhe waren,
rauschten die Blätter und ein schneeweißer Hirsch kam herzu und stand
neben Notburga still. Da setzte sie sich auf seinen Rücken, hielt sich
an sein Geweih und ward schnell von ihm fortgetragen. Der Diener sah,
wie der Hirsch mit ihr über den Neckar leicht und sicher hinüberschwamm
und drüben verschwand.

Am andern Morgen, als der König seine Tochter nicht fand, ließ er sie
überall suchen und schickte Boten nach allen Gegenden aus, aber sie
kehrten zurück, ohne eine Spur gefunden zu haben; und der treue Diener
wollte sie nicht verrathen. Aber als es Mittagszeit war, kam der weiße
Hirsch auf Hornberg zu ihm und als er ihm Brot reichen wollte, neigte
er seinen Kopf, damit er es ihm an das Geweih stecken mögte. Dann
sprang er fort und brachte es der Notburga hinaus in die Wildniß und
so kam er jeden Tag und erhielt Speise für sie; viele sahen es, aber
niemand wußte, was es zu bedeuten hatte, als der treue Diener.

Endlich bemerkte der König den weißen Hirsch und zwang dem Alten das
Geheimniß ab. Andern Tags zur Mittagszeit setzte er sich zu Pferd und
als der Hirsch wieder die Speise zu holen kam und damit forteilte,
jagte er ihm nach, durch den Fluß hindurch, bis zu einer Felsenhöhle,
in welche das Thier sprang. Der König stieg ab und ging hinein, da
fand er seine Tochter, mit gefaltenen Händen vor einem Kreuz kniend,
und neben ihr ruhte der weiße Hirsch. Da sie vom Sonnenlicht nicht
mehr berührt worden, war sie todtenblaß, also daß er vor ihrer Gestalt
erschrack. Dann sprach er: “kehre mit nach Hornberg zurück;” aber sie
antwortete: “ich habe Gott mein Leben gelobt und suche nichts mehr
bei den Menschen.” Was er noch sonst sprach, sie war nicht zu bewegen
und gab keine andere Antwort. Da gerieth er in Zorn und wollte sie
wegziehen, aber sie hielt sich am Kreuz, und als er Gewalt brauchte,
löste sich der Arm, an welchem er sie gefaßt, vom Leibe und blieb in
seiner Hand. Da ergriff ihn ein Grausen, daß er fort eilte und sich
nimmer wieder der Höhle zu nähern begehrte.

Als die Leute hörten, was geschehen war, verehrten sie Notburga als
eine Heilige. Büßende Sünder schickte der Einsiedler bei der St.
Michael-Capelle, wenn sie bei ihm Hilfe suchten, zu ihr: sie bätete
mit ihnen und nahm die schwere Last von ihrem Herzen. Im Herbst, als
die Blätter fielen, kamen die Engel und trugen ihre Seele in den
Himmel; die Leiche hüllten sie in ein Todten-Gewand und schmückten
sie, obgleich alle Blumen verwelkt waren, mit blühenden Rosen. Zwei
schneeweiße Stiere, die noch kein Joch auf dem Nacken gehabt, trugen
sie über den Fluß ohne die Hufe zu benetzen und die Glocken in den
nahliegenden Kirchen fingen von selbst an zu läuten. So ward der
Leichnam zur St. Michael-Capelle gebracht und dort begraben. In der
Kirche des Dorfs Hochhausen am Neckar steht noch heute das Bild der
heil. Notburga in Stein gehauen. Auch die Notburga-Höhle, gemeinlich
Jungfern-Höhle geheißen, ist noch zu sehen und jedem Kind bekannt.

Nach einer andern Erzählung war es König Dagobert, der zu Mosbach Hof
gehalten, welchem seine Tochter Notburga entfloh, weil er sie mit
einem heidnischen Wenden vermählen wollte. Sie ward mit Kräutern und
Wurzeln von einer Schlange in der Felsenhöhle ernährt, bis sie darin
starb. Schweifende Irrlichter verriethen das verstolene Grab und die
Königstochter ward erkannt. Den mit ihrer Leiche beladenen Wagen zogen
zwei Stiere fort und blieben an dem Orte stehen, wo sie jetzt begraben
liegt und den eine Kirche umschließt. Hier geschehen noch viele
Wunder. Das Bild der Schlange befindet sich gleichfalls an dem Stein
zu Hochhausen. Auf einem Altargemälde daselbst ist aber Notburga mit
ihren schönen Haaren vorgestellt, wie sie zur Sättigung der väterlichen
Rachgierde enthauptet wird.




351.

Mauerkalk mit Wein gelöscht.

~+Cuspinianus+ hist. Austr. ex relatione seniorum.~

+Aelurius+ glätzische Chronik. Buch ~II. cap. 2. p. 97.~


Im Jahr 1450. wuchsen zu Oestreich so sauere Trauben, daß die meisten
Bürgersleute den gekelterten Wein in die offene Straße ausschütteten,
weil sie ihn seiner Herbheit halben nicht trinken mochten. Diesen
Wein nannte man +Reifbeißer+; nach einigen, weil der Reif die Trauben
verderbt, nach andern, weil der Wein die Dauben und Reife der
Fässer mit seiner Schärfe gebissen hätte. Da ließ Friedrich III.,
römischer König, ein Gebot ausgehen, daß niemand so die Gabe Gottes
vergießen solle und wer den Wein nicht trinken möge, habe ihn auf den
Stephanskirchhof zu führen, da solle der Kalk im Wein gelöscht und die
Kirche damit gebaut werden.

Zu Glatz, gegen dem böhmischen Thor wärts, stehet ein alter Thurm, rund
und ziemlich hoch; man nennet ihn Heidenthurm, weil er vor uralten
Zeiten im Heidenthum erbaut worden. Er hat starke Mauern und soll der
Kalk dazu mit eitel Wein zubereitet worden seyn.




352.

Der Judenstein.

Mündlich, aus Wien.

Des tirol. Adlers immergrünendes Ehrenkränzel. durch F.A. Grafen von
+Brandis+. Botzen 1678. 4. S. 128.

+Schmiedt’s+ heiliger Ehren-Glanz der Grafschaft Tirol. Augsburg 1732.
4. II. 154-167.


Im Jahr 1462 ist es zu Tirol im Dorfe Rinn geschehen, daß etliche Juden
einen armen Bauer durch eine große Menge Geld dahin brachten, ihnen
sein kleines Kind hinzugeben. Sie nahmen es mit hinaus in den Wald und
marterten es dort auf einem großen Stein, seitdem der +Judenstein+
genannt, auf die entsetzlichste Weise zu todt. Den zerstochenen
Leichnam hingen sie darnach an einen unfern einer Brücke stehenden
Birkenbaum. Die Mutter des Kindes arbeitete gerade im Felde, als der
Mord geschah; auf einmal kamen ihr Gedanken an ihr Kind und ihr wurde,
ohne daß sie wußte warum, so angst: indem fielen auch drei frische
Blutstropfen nach einander auf ihre Hand. Voll Herzensbangigkeit eilte
sie heim und begehrte nach ihrem Kind. Der Mann zog sie in die Kammer,
gestand, was er gethan und wollte ihr nun das schöne Geld zeigen,
das sie aus aller Armuth befreie, aber es war all in Laub verwandelt.
Da ward der Vater wahnsinnig und grämte sich todt, aber die Mutter
ging aus und suchte ihr Kindlein, und als sie es an dem Baume hangend
gefunden, nahm sie es unter heißen Thränen herab und trug es in die
Kirche nach Rinn. Noch jetzt liegt es dort und wird vom Volk als ein
heiliges Kind betrachtet. Auch der Judenstein ist dorthin gebracht.
Der Sage nach hieb ein Hirt den Baum ab, an dem das Kindlein gehangen,
aber, als er ihn nach Haus tragen wollte, brach er ein Bein und mußte
daran sterben.




353.

Das von den Juden getödtete Mägdlein.

~+Thomae Cantipratani+ bonum universale de apibus. Duaci 1627. 8. p.
303.~

vgl. +Gehre’s+ pforzheimer Chronik S. 18-24.


Im Jahr 1267. war zu Pforzheim eine alte Frau, die verkaufte den Juden
aus Geitz ein unschuldiges, siebenjähriges Mädchen. Die Juden stopften
ihm den Mund, daß es nicht schreien konnte, schnitten ihm die Adern auf
und umwanden es, um sein Blut aufzufangen, mit Tüchern. Das arme Kind
starb bald unter der Marter und sie warfens in die Enz, eine Last von
Steinen oben drauf. Nach wenig Tagen reckte Margrethchen ihr Händlein
über dem fließenden Wasser in die Höhe; das sahen die Fischer und
entsetzten sich; bald lief das Volk zusammen und auch der Markgraf
selbst. Es gelang den Schiffern, das Kind herauszuziehen, das noch
lebte, aber nachdem es Rache über seine Mörder gerufen, in den Tod
verschied. Der Argwohn traf die Juden, alle wurden zusammengefodert und
wie sie dem Leichnam nahten, floß aus den offenen Wunden stromweise das
Blut. Die Juden und auch das alte Weib bekannten die Unthat und wurden
hingerichtet. Beim Eingang der Schloßkirche zu Pforzheim, da wo man die
Glockenseile zum Geläut ziehet, stehet der Sarg des Kindes mit einer
Inschrift. Unter der Schifferzunft hat sich von Kind zu Kind einstimmig
die Sage fortgepflanzt, daß damals der Markgraf ihren Vorfahren zur
Belohnung die Wachtfreiheit, “so lang Sonne und Mond leuchten” in der
Stadt Pforzheim und zugleich das Vorrecht verliehen habe, daß alle
Jahre am Fastnachtsmarkt vier und zwanzig Schiffer mit Waffen und
klingendem Spiel aufziehen und an diesem Tag Stadt und Markt allein
bewachen sollen. Dies gilt auf den heutigen Tag.




354.

Die vier Hufeisen.

+Otmar+ S. 115-118.


Zu Ellrich waren ehdem an der Thüre der alten Kirche vier ungeheure
Hufeisen festgenagelt und wurden von allen Leuten angestaunt; seit die
Kirche eingefallen ist, werden sie in des Pfarrers Wohnung aufbewahrt.
Vor alten Zeiten soll Ernst Graf zu Klettenberg eines Sonntagmorgens
nach Ellrich geritten seyn, um dort durch Trinken den ausgesetzten
Ehrenpreis einer Goldkette zu gewinnen. Er erlangte auch den Dank vor
vielen andern und die Kette über den Hals angethan wollte er durch
das Städtlein nach Klettenberg zurückkehren. In der Vorstadt hörte er
in der Niclaskirche die Vesper singen; im Taumel reitet er durch die
Gemeinde bis vor den Altar; kaum betritt das Roß dessen Stufen, so
fallen ihm plötzlich alle vier Hufeisen ab und es sinkt sammt seinem
Reiter nieder.




355.

Der Altar zu Seefeld.

Mündlich, aus Wien.

Von dem hoch und weitberühmten Wunderzeichen, so sich mit dem Altar in
Seefeld in Tirol im Jahr 1384. zugetragen. Dillingen. 1580. und Innsbr.
1603. 4.


In Tirol nicht weit von Innsbruck liegt Seefeld, eine alte Burg, wo im
vierzehnten Jahrhundert Oswald Müller, ein stolzer und frecher Ritter
wohnte. Dieser verging sich im Uebermuthe so weit, daß er im Jahr 1384
an einem grünen Donnerstag mit der ihm, im Angesicht des Landvolks und
seiner Knechte in der Kirche gereichten Hostie nicht vorlieb nehmen
wollte, sondern eine größere, wie sie die Priester sonst haben, vom
Capellan für sich foderte. Kaum hatte er sie empfangen, so hub der
steinharte Grund vor dem Altar an, unter seinen Füßen zu wanken. In der
Angst suchte er sich mit beiden Händen am eisernen Geländer zu halten,
aber es gab nach, als ob es von Wachs wäre, also daß sich die Fugen
seiner Faust deutlich ins Eisen drückten. Ehe der Ritter ganz versank,
ergriff ihn die Reue, der Priester nahm ihm die Hostie wieder aus dem
Mund, welche sich, wie sie des Sünders Zunge berührt, alsbald mit Blut
überzogen hatte. Bald darauf stiftete er an der Stätte ein Kloster und
wurde selbst als Laie hineingenommen. Noch heute ist der Griff auf dem
Eisen zu sehen und von der ganzen Geschichte ein Gemählde vorhanden.

Seine Frau, als sie von dem heimkehrenden Volk erfuhr, was sich in der
Kirche zugetragen, glaubte nicht daran, sondern sprach: “das ist so
wenig wahr, als aus dem dürren und verfaulten Stock da Rosen blühen
können.” Aber Gott gab ein Zeichen seiner Allmacht und alsbald grünte
der trockne Stock und kamen schöne Rosen, aber schneeweiße, hervor.
Die Sünderin riß die Rosen ab und warf sie zu Boden, in demselben
Augenblick ergriff sie der Wahnsinn und sie rannte die Berge auf und
ab, bis sie andern Tags todt zur Erde sank.




356.

Der Sterbensstein.

Kleine Gemälde der Schweiz von +Appenzeller+. Winterthur 1810. S. 172.


In Oberhasli auf dem Weg nach Gadmen, unweit Mayringen, liegt am
Kirchetbuel, einer engen Felsschlucht, durch welche vor Jahrhunderten
sich die trübe Aar wälzte, ein Stein auf der Erde, in welchem sich
eine von einer Menschenhand eingedrückte Form von mehrern Fingern
zeigt. Vorzeiten, erzählt das Volk, fiel hier eine Mordthat vor; die
Unglückliche suchte sich daran festzuhalten und drückte die Spuren des
gewaltsamen Sterbens dem Stein ein.




357.

Sündliche Liebe.

+Falkenstein+ thüring. Chronik I. 218. 219.


Auf dem Petersberge bei Erfurt ist ein Begräbniß von Bruder und
Schwester, die auf dem etwas erhabenen Leichensteine abgebildet sind.
Die Schwester war so schön, daß der Bruder, als er eine Zeitlang in
der Fremde zugebracht und wiederkam, eine heftige Liebe zu ihr faßte
und mit ihr sündigte. Beiden riß alsbald der Teufel das Haupt ab. Auf
dem Leichensteine wurden ihre Bildnisse ausgehauen, aber die Köpfe
verschwanden auch hier von den Leibern und es blieb nur der Stachel,
woran sie befestiget waren. Man setzte andere von Messing darauf, aber
auch diese kamen fort, ja, wenn man nur mit Kreide Gesichter darüber
zeichnete, so war andern Tags alles wieder ausgelöscht.




358.

Der schweidnitzer Rathsmann.

+Lucä+ schles. Denkwürdigk. Fft. 1689. 4. S. 920. 921.


Es lebte vorzeiten ein Rathsherr zu Schweidnitz, der mehr das Gold
liebte als Gott, und eine Dohle abgerichtet hatte, durch eine
ausgebrochene Glasscheibe des vergitterten Fensters in die seinem
Hause grad gegenüber liegende Rathskämmerei einzufliegen und ihm ein
Stück Geld daraus zu hohlen. Das geschah jeden Abend und sie brachte
ihm eine der goldnen oder silbernen Münzen, die gerade von der
Stadt Einkünften auf dem Tische lagen, mit ihrem Schnabel getragen.
Die andern Rathsbedienten gewahrten endlich der Verminderung des
Schatzes, beschlossen dem Dieb aufzulauern und fanden bald, daß die
Dohle nach Sonnenuntergang geflogen kam und ein Goldstück wegpickte.
Sie zeichneten darauf einige Stücke und legten sie hin, die von der
Dohle nach und nach gleichfalls abgeholt wurden. Nun saß der ganze
Rath zusammen, trug die Sache vor und schloß dahin, falls man den
Dieb herausbringen würde, so sollte er oben auf den Kranz des hohen
Rathhausthurms gesetzt und verurtheilt werden, entweder oben zu
verhungern oder bis auf den Erdboden herabzusteigen. Unterdessen wurde
in des verdächtigen Rathsherrn Wohnung geschickt und nicht nur der
fliegende Bote, sondern auch die gezeichneten Goldstücke gefunden. Der
Missethäter bekannte sein Verbrechen, unterwarf sich willig dem Spruch,
den man, angesehen sein hohes Alter, lindern wollte, welches er nicht
zugab, sondern stieg vor aller Leute Augen mit Angst und Zittern auf
den Kranz des Thurms. Beim Absteigen unterwärts kam er aber bald auf
ein steinern Gelender, konnte weder vor noch hinter sich und mußte
stehen bleiben. Zehn Tage und Nächte stand der alte, arme Greis da zur
Schau, daß es einen erbarmte, ohne Speis und Trank, bis er endlich vor
großem Hunger sein eigen Fleisch von den Händen und Armen abnagte und
reu- und bußfertig durch solchen grausamen, unerhörten Tod sein Leben
endigte. Statt des Leichnams wurde in der Folge sein steinernes Bild
nebst dem der Dohle auf jenes Thurmgelender gesetzt. 1642 wehte es ein
Sturmwind herunter, aber der Kopf davon soll noch auf dem Rathhaus
vorhanden seyn.




359.

Regenbogen über Verurtheilten.

+Westenrieder’s+ histor. Kalender 1803.


Als im Juni 1621. zu Prag sieben und zwanzig angesehene Männer, welche
in den böhmischen Aufruhr verwickelt waren, sollten hingerichtet
werden, rief einer derselben, Joh. Kutnauer, Bürgerhauptmann in der
Altstadt, inständig zum Himmel empor, daß ihm und seinen Mitbürgern
ein Zeichen der Gnade gegeben werde, und mit so viel Vertrauen, daß
er sprach, er zweifle gar nicht, ein solches zu erhalten. Als nun
der Vollzug der Todesstrafen eben beginnen sollte, erschien nach
einem kleinen Regen, über dem sogenannten Lorenz-Berge ein kreuzweis
übereinander gehender Regenbogen, der bei einer Stunde zum Troste der
Verurtheilten stehen blieb.




360.

Gott weint mit dem Unschuldigen.

Mündlich, aus Hessen.


In Hanau ward zu einer Zeit eine Frau wegen eines schweren Verbrechens
angeklagt und zum Tod verurtheilt. Als sie auf den Richtplatz kam,
sprach sie: “wie der Schein auch gegen mich gezeugt hat, ich bin
unschuldig, so gewiß, als Gott jetzt mit mir weinen wird.” Worauf es
von heiterem Himmel zu regnen anfing. Sie ward gerichtet, aber später
kam ihre Unschuld an den Tag.




361.

Gottes Speise.

+Luther’s+ Tisch-Reden S. 90 b. 91 a.


Nicht weit von Zwickau im Voigtlande hat sich in einem Dorf zugetragen,
daß die Eltern ihren Sohn, einen jungen Knaben, in den Wald geschickt,
die Ochsen, so allda an der Weide gegangen, heimzutreiben. Als aber
der Knabe sich etwas gesäumt, hat ihn die Nacht überfallen, ist auch
dieselbe Nacht ein großer tiefer Schnee herabgekommen, der allenthalben
die Berge bedeckt hat, daß der Knabe vor dem Schnee nicht hat können
aus dem Wald gelangen. Und als er auch des folgenden Tags nicht heim
kommen, sind die Eltern nicht so sehr der Ochsen, als des Knaben wegen,
nicht wenig bekümmert gewesen und haben doch vor dem großen Schnee
nicht in den Wald dringen können. Am dritten Tag, nachdem der Schnee
zum Theil abgeflossen, sind sie hinausgegangen, den Knaben zu suchen,
welchen sie endlich gefunden an einem sonnigten Hügel sitzen, an dem
gar kein Schnee gelegen. Der Knab, nachdem er die Eltern gesehen, hat
sie angelacht und als sie ihn gefragt, warum er nicht heimgekommen?
hat er geantwortet, er hätte warten wollen, bis es Abend würde; hat
nicht gewußt, daß schon ein Tag vergangen war, ist ihm auch kein Leid
widerfahren. Da man ihn auch gefragt, ob er etwas gegessen hätte, hat
er berichtet, es sey ein Mann zu ihm kommen, der ihm Käs und Brot
gegeben habe. Ist also dieser Knabe sonder Zweifel durch einen Engel
Gottes gespeist und erhalten worden.




362.

Die drei Alten.

Mitgetheilt von +Schmidt+ aus Lübek, im Freimüthigen 1809. Nr. 1.


Im Herzogthum Schleswig, in der Landschaft Angeln, leben noch Leute,
die sich erinnern, nachstehende Erzählung aus dem Munde des vor einiger
Zeit verstorbenen, durch mehrere gelehrte Arbeiten bekannten Pastor
Oest gehört zu haben; nur weiß man nicht, ob die Sache ihm selbst, oder
einem benachbarten Prediger begegnet sey. Mitten im 18. Jahrhundert
geschah es, daß der neue Prediger die Markung seines Kirchsprengels
umritt, um sich mit seinen Verhältnissen genau bekannt zu machen. In
einer entlegenen Gegend stehet ein einsamer Bauernhof, der Weg führt
hart am Vorhof der Wohnung vorbei. Auf der Bank sitzt ein Greis mit
schneeweißem Haar und weint bitterlich. Der Pfarrer wünscht ihm guten
Abend und fragt: was ihm fehle? “Ach,” gibt der Alte Antwort, “mein
Vater hat mich so geschlagen.” Befremdet bindet der Prediger sein
Pferd an und tritt ins Haus, da begegnet ihm auf der Flur ein Alter,
noch viel greiser als der erste, von erzürnter Gebärde und in heftiger
Bewegung. Der Prediger spricht ihn freundlich an und fragt nach der
Ursache des Zürnens. Der Greis spricht: “ei, der Junge hat meinen Vater
fallen lassen!” Damit öffnet er die Stubenthüre, der Pfarrer verstummt
vor Erstaunen und sieht einen vor Alter ganz zusammengedrückten, aber
noch rührigen Greis im Lehnstuhl hinterm Ofen sitzen.

       *       *       *       *       *


+Druckfehler.+

S. 71. Zeile 3. Statt ~Vormius mons.~ lies: ~+Wormius monim+~. S. 137.
-- 10. von unten st. behütet +es+ l. behütet +er+.

       *       *       *       *       *






*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DEUTSCHE SAGEN ***


    

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