Die Wiedertäufer von Münster: Drama in 5 Akten

By Bernhard Kellermann

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Kellermann

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Title: Die Wiedertäufer von Münster
       Drama in 5 Akten

Author: Bernhard Kellermann

Release Date: October 16, 2021 [eBook #66548]

Language: German


Produced by: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team at
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE WIEDERTÄUFER VON MÜNSTER ***




                                  Die
                        Wiedertäufer von Münster


                            Drama in 5 Akten
                                  von
                          Bernhard Kellermann


                                  1925
                      S. Fischer · Verlag · Berlin


                        Erste bis dritte Auflage
                        Alle Rechte vorbehalten
                Bühnen und Vereinen gegenüber Manuskript
   Aufführungsrechte sind nur durch S. Fischer, Verlag, AG., Berlin,
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           Copyright 1925 by S. Fischer, Verlag, AG., Berlin




                          Personen des Dramas


           Johann von Leyden, „König der neuen Christenheit“ 
           Knipperdolling, sein Statthalter                  
           Rottmann              }                           
           Tilbeck               }                           
           Redecker              }  Räte, Hauptleute,        
           Gert tom Kloster      }  Prediger                 
           Bernhard Krechting    }  und Propheten            
           Roll                  }  am Hofe Johanns          
           Clopris               }                           
           Dusentschur           }                           
           Divara, Johanns Gemahlin                          
           Hille Feiken, eine Bäuerin                        
           Wenzel von der Langenstraaten, Divaras Kammerherr 
           Hänslein, ein Irrer                               
           Bischof Franz von Iburg und Münster               
           Johann von Raesfeld, bischöflicher Kämmerer       
           Dr. Melchior, bischöflicher Geheimschreiber       
           Graf Seedorf, Gesandter des Kurfürsten von Sachsen
           Meinhard von Hamm, bischöflicher Feldoberst       
           Ein bischöflicher Offizier                        
           Der große Mönch                                   
           Ein gefangener Bürger                             
           Johann Krechting, ein Bürger                      

                        Ein Schenk. Ein Schmied.
               Offiziere, Landsknechte, Boten, Gesellen.
                     Mägde, Mädchen, Kinder, Volk.




                               Erster Akt


                  Münster. Rathausplatz. Gegen Abend.

   Offene Vorhalle des Rathauses in gotischem Stil. Dahinter ein
   Platz, der in der Mitte von den Stufen und dem Portal einer
   Kirche abgeschlossen wird. Die Halle ist nach allen Seiten offen,
   nur links stößt sie an die Mauer des Rathauses. Eine schmale Tür
   führt in den Rathauskeller. Davor ein runder Tisch mit ein paar
                            plumpen Bänken.

   Während der Vorhang steigt, hört man das ferne Tuten von
                Kriegshörnern, wirren Lärm und Geschrei.

   Zwei Gesellen mit Spießen kommen von rechts und pochen heftig mit
   den Schäften der Spieße gegen die Tür. Schweißtriefend, atemlos,
                                freudig.

ERSTER GESELLE. Auf! Heraus! Schenk!

ZWEITER GESELLE. Mach auf, Hannes!

DER RATSCHENK (erscheint im Tor, ein kahlköpfiger, schon etwas
kindischer Greis).

ERSTER GESELLE. Der Statthalter befiehlt –

ZWEITER GESELLE. Knipperdolling schickt uns –

ERSTER GESELLE. Das große Faß Würzburger Stein sollst du anschlagen.

ZWEITER GESELLE. Jeder Bürger und Knecht soll einen tüchtigen Trunk
vorfinden, wenn er von den Wällen kommt. So befiehlt Knipperdolling.

DER SCHENK. Ihr Gesellen –? Ist es schon soweit? (Mit kindischer
Freude.) Sind die Bischöflichen ins Laufen gekommen?

ERSTER GESELLE. Wie eine Herde Säue, in die der Blitz schlägt.

ZWEITER GESELLE. Bis hinaus zu den Blockhäusern ist nichts als ein
einziges Laufen. Mein Leben lang habe ich ein solch wüstes Laufen nicht
gesehen!

DER SCHENK (bricht in ein kindisches Lachen aus, während er die Arme
emporstreckt): Großer Gott über den Sternen!

ERSTER GESELLE (im Abgehen): Nun führen sie noch einen Haufen hessischer
Knechte gegen das Martinitor heran.

DER SCHENK. Es geht ein Gerücht, ihr Gesellen, König Johann sei
verwundet?

ZWEITER GESELLE (abgehend, lacht): Weißt du denn nicht, du Narr, daß
keine irdische Waffe Johann auch nur die Haut ritzen kann?

                       Beide Gesellen schnell ab.

DER SCHENK (lacht kindisch und verschwindet in der Türe).

   Bewaffnete, darunter Halbwüchsige und Knaben, eilten während der
   vorigen Szene über den Platz. Wehender, undeutlicher Gesang von
                       Frauenstimmen war hörbar.

DIVARA – (schön, mit pechschwarzen, glatten Haaren – betritt nun
stürmischen Schritts, zuweilen rückwärts gehend, die Halle. In Raserei
und Verzücktheit. Zuweilen tanzend. Ihr Kleid ist an den Schultern
zerrissen. Schreiend, ein Beil in der Hand): Packt zu! In die Speichen!
Frauen von Münster! Werft euch in die Räder!

   Eine Rotte von Weibern, aufgelöst, halbnackt, schweißtriefend,
   aber fröhlich, lachend und singend, zerrt an Seilen eine
   Feldschlange auf plumpen Holzrädern über den Platz. Einzelne
   werfen sich in die Speichen. Es folgen Weiber mit Spießen, Äxten,
                  Bündeln von Pechkränzen und Fackeln.

DIE WEIBER. Divara! Divara!

DIVARA. Wir wollen dem Bischof Franz den Abend segnen! Vorwärts,
rascher! Weiber Zions! Seht, es läuft von selbst, das Geschütz, es
springt, es tanzt. (Sie zerrt selbst an einem Seil.)

DIE WEIBER (singen. Die Worte sind kaum vernehmbar, wie ein Singsang):
Ein Liedlein will ich singen, o Herr zu deinem Preis ...

   Während die Weiber das Geschütz vorüberrollen, erscheinen von
   rechts zwei Träger mit einer Bahre, auf der ein Verwundeter
   liegt, Jakob der Schmied. Er hält noch jetzt einen mächtigen
   Schmiedehammer in der Hand. Wie ein Schmied gekleidet. Sie wollen
                      ihn durch die Halle tragen.

DER SCHMIED. Halt! Ich bin am Ziel! (Sie stellen ab. Der Hammer entfällt
seiner Hand. Er richtet sich auf.)

ERSTER TRÄGER (schreit dem Sterbenden ins Ohr): Tüchtig hast du mit dem
Hammer in sie geschlagen, Jakob!

ZWEITER TRÄGER (schreit ins andere Ohr): Hast du noch etwas zu
bestellen, Jakob? Bei den Kindern?

DER SCHMIED. Habe nichts mehr zu bestellen auf dieser Erden. (Der Schenk
bringt einen Trunk. Der Sterbende wehrt ab. Seine Augen sind visionär in
die Weite gerichtet.) War all mein Leben lang nichts als ein einfacher
Hufschmied, o Herr! Nimm mich an in Gnaden, du – du mein Gott! – Ah! Ich
sehe dich! Dein Glanz verbrennt mich wie Wollust! Hosiannah! (Er
stirbt.)

ERSTER TRÄGER. Heimgegangen ist der Schmiede-Jakob!

ZWEITER TRÄGER. Selig bist du, Bruder. Gebe Gott, daß ich dir bald folge
in die Herrlichkeit!

                            Beide rasch ab.

(Eine Gruppe von Männern tritt rasch in die Halle. Laut, lachend,
erregt, etwas prahlerisch, mit Spuren eines harten Kampfes. Sie tragen
Teile von Harnischen und Waffen der verschiedensten Art, einige sind
verwundet. Sie werfen zum Teil die Waffen ab. Händeschütteln,
Umarmungen, Küsse. Durcheinander): Brüder, Brüder! Münster! Es lebe
Münster!

                   *       *       *       *       *

ROTTMANN, (groß, ernst, würdevoll, früher Prediger in Münster. Redner
und Sachverwalter am Hofe Johanns.)

TILBECK, (früher Bürgermeister, klein, grau, Falkenkopf, Hofmeister
Johanns).

REDECKER, (Handwerker, Hauptmann).

GERT TOM KLOSTER, (Handwerker, Hauptmann).

BERNHARD KRECHTING, (früher Pfarrer, Prediger Johanns).

DUSENTSCHUR, (Prophet, fast nackt, Hose, zerfetztes Hemd, rote wirre
Haare, barfüßig. Er hinkt etwas.)

                   *       *       *       *       *

DUSENTSCHUR (mit schriller Stimme, hin und her eilend): Den schwarzen
Tod in den Rachen des Bischofs! Tod und Schweiß in den Rachen der
Ungläubigen!

KRECHTING. Bischof Franz wird heute nacht böse Träume haben, Bruder
Dusentschur. Die wilde Hölle wird ihn jagen, so wahr ich Bernhard
Krechting heiße und früher Prediger im Gildehaus war.

DUSENTSCHUR (fanatisch): So soll es in Zukunft allen ergehen, die sich
vermessen, die Hand zu legen an die Mauern der heiligen Stadt Münster,
die Gott auserwählt hat! Gottes Atem soll sie zu Asche verbrennen!

ROTTMANN (erschüttert): Lobsinget dem Herrn! Preiset den Allgütigen!
(Mit einem Blick zum Himmel, betend.) Vater im Himmel! (Er bedeckt das
Gesicht erschüttert mit den Händen.)

GERT TOM KLOSTER (lachend): Bruder Dusentschur hat sie mit der Hand
abgewürgt wie Katzen.

REDECKER. Er war wie ein Würgengel Gottes in ihren Reihen.

GERT TOM KLOSTER. Der Herr sei mir gnädig, ich möchte Dusentschur nicht
vor den Wällen von Münster in Feindschaft begegnen.

DUSENTSCHUR (feierlich, gläubig): Ich brauche keine Waffe! Der Herr ist
meine Waffe!

KRECHTING. Ich habe Dusentschur bei den Vorwerken gesehen. In einem
Haufen von bischöflichen Reitern. Dusentschur, beim Himmel, durch
welches Wunder bist du wiedergekommen?

DUSENTSCHUR (mit funkelnden Augen): So wahr ich Dusentschur bin,
Goldschmied aus Warendorf – und habe viele Ketten geschmiedet – so will
ich eine Kette schmieden und den Bischof Franz will ich binden und vor
den Stufen von Gottes Thron will ich den Satan niederlegen!

TILBECK (schreit vor Freude, streckt die Arme zum Himmel): Geschlagen,
geschlagen hat sie der Herr mit Roß und Wagen!

ROTTMANN. Du hast sie mit der Sense gemäht, Gert. Bist verwundet? Laß
dich verbinden.

GERT TOM KLOSTER. Ich habe sie gemäht wie das hohe Schilf, Bruder
Rottmann. So, wie das Schilf. (Er stellt die Sense in die Ecke.) Laß das
Blut nur fließen, es fließt zur Ehre Gottes.

DER SCHENK (bietet Wein an): Werte Herren und Freunde!

GERT TOM KLOSTER. Gib Dusentschur einen Trunk. Schenk.

DUSENTSCHUR (sofort erregt): Sauft wie die Schweine! Schwemmt euch den
Bauch voll. Ihr könnt noch immer nicht von den heidnischen Gebräuchen
lassen. Eher will ich verrecken wie ein räudiger Hund –

GERT TOM KLOSTER (lacht): Hast du je gesehen, Bruder Dusentschur, daß
Schweine Wein trinken? (Lachen.)

KRECHTING. Wer liegt da?

ROTTMANN. Ihr Freunde! Einer unserer Brüder, der heimgegangen ist in das
ewige Reich.

                     Sie scharen sich um den Toten.

TILBECK. Jakob – der Schmiede-Jakob.

REDECKER. Unser lieber Freund Jakob. Er wird kein Eisen mehr hämmern und
keinen Spieß mehr schmieden.

DUSENTSCHUR. Freue dich! Ein Bote Münsters mehr im Himmel! Bringe den
Gruß des neuen Zion in das himmlische Jerusalem, Bruder!

ROTTMANN (verleugnet in diesem Augenblick nicht den Prediger): Bruder
Jakob! Oh, Ihr Freunde! Er war der Getreuesten einer! Von Anfang an hat
er für die köstliche Sache gewirkt. Ihr Freunde, die ihr erst später
nach Münster gekommen seid – Bruder Gert, Dusentschur, Krechting – wie
solltet ihr ermessen können, was er uns war? (Steht in Trauer.)

TILBECK. Jahr für Jahr ging der Kampf hin und her zwischen den Parteien
in der Stadt Münster, ehe Gott sie in unsere Hand gab. Es war ein
jämmerliches und elendes Streiten und Gezeter unter den Bürgern, Gilden,
Sippen, Familien. Hier Bischöfliche, hier Reformierte, hier wir – die
Bruderschaft des Evangeliums. Der Himmel selbst konnte wahrhaftige
Tränen weinen, so ging es in der Stadt Münster zu –

REDECKER. Sie trieben uns mitten in der Nacht aus den Häusern und warfen
uns ins Gefängnis.

TILBECK. Bruder Jakob stellte sich als erster mit seiner Zunft auf
unsere Seite. Ehre ihm! Ehre!

ROTTMANN. Gegen Recht und Vereinbarung hatte mir der Rat der Stadt,
obschon freies religiöses Bekenntnis allen Bürgern verbrieft war, die
Kanzel von St. Lamberti verboten, Brüder! Da kam er! Ja – du bist
gekommen, Jakob, hast deine Gesellen um dich geschart und Wache gehalten
in der Kirche, während ich das reine Evangelium verkündete. Ihr Freunde,
kein Bischöflicher wagte sich heran! Gegen Recht und Gesetz verwies der
Rat mich, Clopris, Stralen und Roll aus der Stadt – Roll selbst, unseren
lieben Bruder – Roll, der jetzt als unser Gesandter in Holland weilt –

EINIGE. Roll! Roll!

ROTTMANN. Die Stadtknechte führten uns zum Servatiustor hinaus bis zum
Siechenhaus. So geschehen im Januar bei so scharfem Frost, daß die
Sperlinge tot aus der Luft fielen. Da ist wieder er gekommen – ja,
Bruder Jakob, wiederum bist du mit deinen Gesellen gekommen und hast uns
nach Münster zurückgebracht. Das war ein Geschrei und ein Gewoge und ein
Triumph in den Straßen!

TILBECK. Und ein mächtiger Prediger war er, unser Bruder Jakob, wenn der
Geist über ihn kam. Predigte furchtlos, ob sie ihn auch mit dem blanken
Schwerte bedrohten. Als einer der ersten hat er die Taufe genommen.

ROTTMANN. Wacker hast du geschmiedet an der Rüstung des lebendigen
Gottes! Du hast den Ambos geschlagen und die Bälge getreten, bis die
Funken emporsprangen über der Stadt Münster. Bis die Funken hinausstoben
über das ganze münsterische Land und über die Erde dahinflogen!

                      Der Tote wird fortgetragen.

KNIPPERDOLLING (erscheint mit mehreren Hauptleuten von rechts. Er trägt
einen Kettenpanzer, eine Stahlhaube und ein riesiges Schwert.
Schwert und Stahlhaube wirft er einem jungen Knecht zu. Er ist
schweißüberströmt, das Gesicht geschwärzt und rußig. Ein mächtiger
schwerer Mann, herkulisch gebaut, stets in prächtiger Laune. Brüllt
außer sich vor Freude): Der Bischof geschlagen, Freunde und Kameraden!
Geschlagen ist Bischof Franz! (Er lacht laut und brüllend.)

ALLE. Knipperdolling! Knipperdolling!

KNIPPERDOLLING. Seiner fürstlichen Gnaden haben wir den Hinteren
weidlich gegerbt, diesmal, und verdroschen, ihr Freunde! Und das Maul
seiner Heiligkeit haben wir mit Stückkugeln gestopft, daß er das große
Kotzen kriegte. Nun kann ich ruhig dahinfahren, wenn es sein soll.

SCHENK. Wirst noch manchmal vor die Wälle gehen, Knipperdolling und
ihnen die Geschütze vernageln!

KNIPPERDOLLING (ergreift einen Humpen und macht mächtige Züge): Tod dem
Bischof Franz von Iburg und Münster! – Tod dem Luther in Wittenberg, dem
Heuchler und Fürstenknecht! – Tod den Ungläubigen, die Gott nur mit dem
Maule und schönen Worten dienen. (Alle): Tod! Tod! Schlage sie nieder,
Herr! (Er hebt den Humpen): Münster, die heilige Stadt. (Leert ihn.)

ALLE (durcheinander): Münster! Münster! Das neue Zion! Die heilige
Stadt!

KNIPPERDOLLING (wischt sich den Schweiß ab): Ich habe heute mehr Schweiß
vergossen als Wasser in der Werse ist. Fast wundere ich mich, Freunde,
daß das Wasser, das mir aus der Haut lief, die Bischöflichen nicht von
den Wällen schwemmte. (Zu Dusentschur, der auffällig unruhig um ihn
herumging und nun mit gespreizten Beinen steht und ihn anstarrt):
Weshalb glotzt du mich so an, Bruder Dusentschur! Gefalle ich dir nicht?

DUSENTSCHUR. Nicht dich glotze ich an, Bruder Knipperdolling, oberster
Hauptmann des Königs. Sondern dein Panzerhemd glotze ich an. Bist ja
gerüstet wie ein bischöflicher Feldoberst!

KNIPPERDOLLING (gutmütig): Nichts kann man dir zu Gefallen tun,
Dusentschur.

DUSENTSCHUR. Trage ich eine Rüstung? Trägt König Johann eine Rüstung?
Nur die Heiden tragen Rüstungen und stählerne Schienen. Ich brauche auch
kein Schwert, Knipperdolling.

KNIPPERDOLLING. Die Männer sind nicht alle gleich, Dusentschur. Der eine
liebt es, in Hose und Hemd in die Schlacht zu gehen – der andere liebt
es, mit eisernen Schienen und einem Schwert zu prahlen. Zu diesen gehöre
ich, Dusentschur. Du weißt ja, Knipperdolling hat ein eitles Herz. –
Freunde und Brüder, da mich Johann zum obersten Stadthauptmann
eingesetzt hat – Dank euch für euren Eifer am heutigen Tage. Ich wüßte
nicht zu sagen, wer von euch am tapfersten gestritten hat für die Sache
Gottes. Fünf Angriffe haben die Bischöflichen unternommen, fünfmal haben
sie sich an den Wällen die Schädel zertrümmert. Ein Gelächter für die
Himmlischen, eine Freude dem Auge Gottes! Freunde! Es wird gemeldet, daß
vierzig bischöfliche Offiziere und Hauptleute und sechshundert Knechte
am Platz blieben. (Bewegung. Rufe: Münster, Münster!) Die Zimmergesellen
haben am Jüdefelder Tor den bischöflichen Feldobersten Meinhard von Hamm
und seinen Fähnrich gefangengenommen!

EINIGE. Meinhard von Hamm?

ANDERE. Her! Der Werwolf von Hamm!

DUSENTSCHUR. Her mit ihm, daß ich ihn mit meinen Händen in Stücke
zerreiße!

KNIPPERDOLLING. Ich habe befohlen, daß man ihn ohne Verzug vorführe. –
Zweihundert bischöfliche Knechte sind in unsere Gefangenschaft gefallen.
Ich ließ sie in den Lambertifriedhof sperren und habe angeordnet, daß
die Frauen sie bewachen.

TILBECK (schrill lachend): So ist es gewiß, daß keiner entkommen wird!
(Lachen.)

GERT TOM KLOSTER. So wahr ich lebe, ich möchte nicht gegen die Weiber
von Münster kämpfen!

KNIPPERDOLLING. Auch ich nicht, Gert. Und niemand wird sagen, daß
Knipperdolling die Hose voll hat, wenn geschossen wird.

TILBECK. Ich sah sie am oberen Wall kämpfen, Brüder, ihr Brüder! Sie
gossen den bischöflichen Knechten kochenden Kalk über die Hauben.
Pechkränze warfen sie ihnen um die Hälse, daß die Bärte in Flammen
aufgingen. Und mit brennenden Holzscheiten schlugen sie auf sie ein, daß
die Funken spritzten.

ROTTMANN. Und Divara, Johanns Gattin? Habt ihr Divara gesehen?

DIE MEISTEN. Divara!

ROTTMANN. Sie stürzte mit ihren Weibern bis zu den Laufgräben vor und
schlug mit dem Beil um sich. So wahr ich lebe, ich hätte es nicht für
möglich gehalten. Divara, die kaum ein Huhn schlachten kann!

DUSENTSCHUR (mit Schärfe): Johann! Weshalb spricht niemand von Johann?

KNIPPERDOLLING (besänftigend): Wir alle wissen, Dusentschur, daß Johann
der tapferste und kühnste Streiter der Brüderschaft ist.

TILBECK. In Wahrheit, er war überall!

ROTTMANN. Fast sieht es so aus, als habe er dreifache Gestalt angenommen
im Kampfe. Wie ein Racheengel Gottes fuhr er dahin!

DUSENTSCHUR (erregt): Ich aber sah es mit diesen meinen Augen: Die
Knechte von Cleve schossen ein Geschütz auf Johann ab. Die Kugel fuhr
auf Johann zu – dicht vor ihm aber sprang sie im Bogen in die Höhe.

KNIPPERDOLLING (gutmütig spottend): Die Cleveschen haben wohl schlecht
gezielt oder das Rohr war verbogen?

DUSENTSCHUR (beachtet Knipperdolling nicht): Ich aber sah es mit diesen
meinen Augen! Brüder! Glanz war in der Luft, wo Johann kämpfte. Und ein
Gefunkel und Blitzen, wo er ging. Die himmlischen Heerscharen stritten
an Johanns Seite.

EINIGE (begeistert): Wahr! Wahr! Johann!

KNIPPERDOLLING. Freund Redecker, und auch du, Bruder Krechting, geht zu
den Wallmeistern. Es gibt heute keinen Schlaf in den Quartieren. Die
Wälle sollen ohne Verzug wieder instand gesetzt werden. Die hessische
Kartaune hat mächtige Löcher geschlagen. Steine und Pech auf die Wälle
und alle Wachen dreifach besetzt! Sagt: ich werde diese Nacht überall
sein und Knipperdolling wird über sie kommen wie das sausende Wetter!
Die jungen Burschen sollen unsere toten Brüder in die Stadt bringen, die
Heiden aber sollen sie den Ratten zum Fraß lassen.

                       Krechting und Redecker ab.

   Während der vorherigen Szene sind dann und wann Bewaffnete über
   den Marktplatz geeilt. Nun wird ein Mann, über dessen Kopf ein
   Sack gestülpt ist, über den Platz geführt. Der Verhüllte ist der
                             Prophet Roll.

ROTTMANN. Halt, Freunde, wen bringt ihr hier?

ERSTER KNECHT. Ein Bote von auswärts!

ZWEITER KNECHT. Ist König Johann hier? Er will König Johann sprechen.
Die Torwache ließ ihm den Kopf verhüllen.

KNIPPERDOLLING. Führt ihn hierher! – Wer bist du? Was willst du?

ROLL. Täusche ich mich nicht, so höre ich des lieben Knipperdollings
Stimme.

TILBECK. Er scheint deinen Baß ja gut zu kennen, Hauptmann!

ROLL. Bist du es, Bruder Tilbeck?

KNIPPERDOLLING. Nehmt ihm den Sack ab!

ROLL (wehrt ab): Solltet ihr meine Stimme nicht mehr kennen? (Staunen.)

DUSENTSCHUR (schreit): Roll! Roll!

ROLL. Das war Dusentschur! Bruder Dusentschur!

ALLE (durcheinander): Roll? Ist es Roll? Ist es möglich? Roll!

ROLL (nimmt den Sack ab): Friede sei mit euch, Brüder! (Er verbeugt sich
tief.)

            Laute und freudige Begrüßung. Umarmungen, Küsse.

ALLE (durcheinander): Roll! Bruder! Willkommen! Willkommen in Münster!
(Roll ist ein mittelgroßer Mann von etwa 40 Jahren. Blaß, dünner Bart.
Er ist die volkstümliche Christuserscheinung. Seine Stimme ist sanft,
seine Gesten sind weich und beschwörend. Seine Augen schwärmerisch und
von großer Güte. Sein Gebaren verrät auch jetzt noch den früheren
Karmelitermönch.)

DUSENTSCHUR (gebärdet sich am unsinnigsten): Macht Platz für Bruder
Roll! Er ist müde und bestaubt. Bruder Roll ist heimgekehrt! Die lichten
Engel Gottes haben ihn auf ihren Händen getragen! Macht Platz für den
Geliebten! (Führt ihn an der Hand zum Tisch.)

ROLL. Erlaubt, daß ich die Lippen netze. Zwei Nächte und zwei Tage bin
ich auf den Beinen, ohne zu ruhen.

KNIPPERDOLLING. So sage eines, Roll, wie bist du durch das bischöfliche
Lager gekommen?

ROLL. Der Bischof hat die Bauern aufgeboten, die Verwundeten in die
Dörfer zu fahren. Auf solch einem Bauernwagen kam ich ins Lager. Es ist
eine solche Verwirrung im Lager draußen, daß jeder kreuz und quer gehen
kann, ohne daß man ihn beachtet.

ALLE (durcheinander): Erzähle, Roll. Berichte! Wo warst du? Wo kommst du
her? Wie steht es draußen?

ROLL. Laßt mich Atem holen, Freunde. Ich war in Köln, ich war in
Lüttich, ich war in Groningen, ich war in Amsterdam, ich war in Leyden,
ich war in Friesland, in Bremen, ich war im Lübeckschen.

KNIPPERDOLLING. Bei allen Teufeln, Heinrich, bist du geflogen?

ROLL. Oft schien es mir, als trügen mich Fittiche dahin. Habe wenig
geschlafen in den drei Monaten.

KRECHTING. Berichte! Wie geht es in der Brüderschaft?

ROLL (mit leuchtenden Augen und zitternder Stimme): Ich bringe so gute
Nachrichten, daß ich zittere, soll ich berichten. Gottes Gnade ist mit
uns.

ALLE (durcheinander): Brüder! Sprich, Roll. Unendlich ist die Gnade des
Herrn.

ROLL. So laßt mich mit den betrüblichen Nachrichten beginnen, Freunde. –
In Herzogenbusch, ihr Freunde, wurde ein Zug unserer Brüder von den
Reitern des Herzogs von Geldern umzingelt und niedergemacht. (Bewegung.)
In Amsterdam wurden sechs unserer Brüder enthauptet. Der Rat von
Amsterdam ließ ihre Köpfe auf Speere stecken und am Hafen aufstellen, so
daß alle Schiffe, die ein- und ausfahren, die Köpfe unserer armen Brüder
sehen müssen.

ALLE (verhüllen das Antlitz): Wehe!

DUSENTSCHUR. Räche! Räche! Rott aus! Rott aus!

ROLL (schwärmerisch): An anderen Orten aber hat Gott uns in Gnaden
aufgenommen. Aus Köln, aus Cleve, Jülich, Holland, Friesland sind unsere
Brüder in großen Scharen unterwegs mit Pferden und Wagen, Frauen und
Kindern. Von Amsterdam sollen dieser Tage zwölf Schiffe abgehen.

ROTTMANN (leise): Herrlich erstrahlst du in deinem Glanze, Gott im
Himmel.

ROLL. Viele Tausende habe ich selbst getauft und ihre Seelen dem Heil
zugeführt. Das Werk der Propheten und Prediger, die Johann aussandte,
war gesegnet. In Harlem sah man feurige Männer durch die Luft fliegen
und viele Brüder und Schwestern nahmen dort die Taufe. Länder und Städte
erbeben unter dem Hauche des Evangeliums. Wie ein Feuer breitet sich die
Lehre des Heils über die Länder aus. Die Verstocktesten brechen in
Tränen aus und die Sündigsten fallen in die Knie und flehen um
Erleuchtung. Der Sieg der reinen Lehre wird offenbar! Alle Länder
ringsum sind in heller Erregung. Die Städte Deventer und Telgte sollen
in der Hand unserer Brüder sein, so hörte ich. Wunder geschehen. Männer
und Frauen und Kinder sprechen mit prophetischen Zungen. Die Bäume
blühen allerorts zum zweitenmal. (Emphatisch): Und weit über das
Münsterische Land sieht man den Stern leuchten, der jede Nacht über
Münster funkelt.

                        Jubel: Münster! Münster!

ROLL (zieht einen Beutel aus dem Wams): Und hier! Von den Brüdern und
Schwestern! Ringe und Geschmeide der Bauern und Bäuerinnen, der
Zimmerleute, Tuchweber, Schuhmacher, Zinngießer. Ohrgehänge, Ketten,
Goldgulden, Spangen und Schnallen. (Wirft den Beutel auf den Tisch.)
Hätte ich alles tragen können, was sie gaben, so wäre es ein großer Sack
geworden. Die Brüder wollen uns auf ihren Wagen Kleider und Schuhe
bringen, Leder, Fässer voll Pulver und Blei, Säcke voller Korn, alles
was die Stadt Münster brauchen kann. Tausende von Rindern wollen sie mit
sich treiben auf den Landstraßen. So gelobten sie.

ALLE (jubeln durcheinander): Bruder Roll! Münster! Münster!

EIN BOTE (laut): König Johann bittet dich, Bruder Roll.

KNIPPERDOLLING. Gehe, Roll. Johann sieht es nicht gerne, daß wir
Nachrichten früher erhalten als er. Geleitet ihn!

TILBECK (zu einem Gesellen, der rasch in die Halle tritt): Was bringst
du, Freund?

GESELLE. Der bischöfliche Feldoberst Meinhard von Hamm!

KNIPPERDOLLING. Ihr Freunde! – Führt ihn hierher!

DUSENTSCHUR. Tummele dich, Geselle!

ROTTMANN. Wahr und wahrhaftig, heute ist Münsters großer Gnadentag!

   Ein Haufe von Gesellen (Zimmerleute) bringen Meinhard von Hamm
   und seinen Fähnrich Graf Wenzel von der Langenstraaten in
   die Halle. Meinhard ist ein Mann von etwa 50 Jahren, grau,
   entschlossenes hartes Gesicht, dünnes Schnurrbärtchen, Fliege,
   kleines Spitzbärtchen. Im Harnisch, ohne Haube. Er ist ohne jede
                                Furcht.

   Wenzel, sein Fähnrich, ist ein hübscher, junger, zarter Mann von
   knapp 19 Jahren. Er ist völlig erschöpft und kreidebleich.
   Beiden sind die Hände lose mit langen Stricken gefesselt. Mit
   fröhlichem, nicht bösartigem Lärm treiben die Gesellen sie mit
                      ihren Spießen in die Halle.

DIE GESELLEN. Vorwärts, ihr Herren! Munter! Munter!

ALLE (wenden sich den Gefangenen zu und empfangen sie mit lautem
Gelächter; durcheinander): Der Meinhard von Hamm! Wie er leibt und lebt.
Der große Meinhard. Der Werwolf von Hamm.

DUSENTSCHUR (geht mit verkrampften Händen auf Meinhard zu): Es gibt
Täufer zu köpfen und zu brennen! (Man hält ihn zurück.)

TILBECK. Schön willkommen, Ritter Meinhard, in Münster.

KNIPPERDOLLING. Hat dich der Teufel auf einer Stückkugel auf den
Rathausplatz von Münster getragen, Meinhard?

GERT TOM KLOSTER. Hole einen Sessel aus der Ratsstube für den Ritter,
Hannes. (Gelächter.)

        Meinhard betrachtet die Täufer hochmütig und furchtlos.

MEINHARD. Ihr Hanswürste! Ihr könnt mich alle zusammen –! Das könnt ihr.

                           Großes Gelächter.

KNIPPERDOLLING. Ein männliches Wort, Meinhard. Es ist uns jetzt nur die
Zeit etwas knapp. Wir sind gesonnen, ein kurzes Gespräch mit dir zu
führen, Meinhard. Du kennst mich doch wohl noch? Oder bist du zu stolz
geworden, seit dich der Bischof zum Feldobersten gemacht hat?

MEINHARD. Ich bin ja oft genug im Jahr nach Münster geritten. Damals
warst du noch nicht „Königlicher Statthalter“, Knipperdolling. Damals
hast du noch Barchent und Tuch und Leinwand verkauft und dein Laden war
am Prinzipalmarkt.

KNIPPERDOLLING. Er ist heute noch da, Meinhard. Nur gibt es nichts mehr
zu kaufen dort. Es wird bei uns nicht mehr gefeilscht und gehandelt um
Geld und gewuchert. Du weißt ja, daß wir alles gemein haben in der Stadt
Münster. Das Tuch und Linnen habe ich an die Brüderschaft gegeben, und
wir haben Hosen, Wämser und Hemden daraus geschnitten.

MEINHARD. Ihr habt ja einen solch gewaltigen Schneider in der Stadt!

DUSENTSCHUR. Schlag ihn auf sein großes Maul, Knipperdolling!

GERT TOM KLOSTER. Schmäh’ das Handwerk nicht! War nicht Christus ein
Zimmermann?

MEINHARD (hat Dusentschur voll Erstaunen gemustert): Ist es möglich? Nun
erst erkenne ich das Männchen da wieder. Der Goldschmied Dusentschur aus
Warendorf. War ein stiller Mann, der den Tag über nicht zwei Worte
sprach und immer fleißig in der Werkstatt saß. Die Werkstatt war voller
Käfige mit kleinen Singvögeln. Noch vor einem Jahr hast du mir für
meinen Schwager eine goldene Kette geschmiedet.

DUSENTSCHUR. Die Kette, die ich dir heute schmiede, wird nicht aus Gold
sein!

MEINHARD. Und der Graue da? Ist mir der Pulverdampf in die Augen
getreten? Tilbeck, früher Bürgermeister –

TILBECK. Recht gesehen, Meinhard.

MEINHARD. Und da, der Prediger Bernhard Rottmann, der „Stuttenbernt“?

ROTTMANN (etwas hochmütig): Wir haben uns zuletzt bei der Versammlung in
Telgte gesehen, Meinhard. Damals, erinnerst du dich, (mit Betonung) als
der Bischof allen Bürgern von Münster freies religiöses Bekenntnis
verbriefte.

MEINHARD. Wer sollte Bernhard Rottmann nicht kennen? Den gewaltigen
Prediger vor dem Herrn. Erst war er Mönch, ihr Herren, bei den
Dominikanern, dann wurde er ein großer Freund Luthers und ging nach
Wittenberg. Ich habe dich noch predigen gehört, Rottmann, hier zu
Münster, da hast du gepredigt gegen die Täufer und Propheten, daß dir
das Maul schäumte!

ROTTMANN. Daß dich die Lüge nicht gereut, Meinhard!

MEINHARD. So etwas hört man nicht gerne. Damals ging es noch um Hals und
Kragen. Es gab noch eine Obrigkeit in Münster, Rat und bischöfliche
Kommissare. Und heute sehe ich dich selbst unter den Täufern und
Propheten. Bernhard Rottmann ist selber ein Prophet geworden! (Er lacht
auf.) Vielleicht wirst du noch einmal Muselmann werden, wenn es noch
eine Weile dauert.

ROTTMANN (bleich und zornig): Schweige! Die Schlange spricht aus deinem
Hals!

KNIPPERDOLLING (lacht): Sachte, Bruder Rottmann. Er kann es nicht
lassen, das große Maul. Von jeher war es bekannt, daß Meinhard von Hamm
das größte Maul im ganzen Münsterlande hat. Auch jetzt spuckst du noch
große Bogen, ganz als ob du dreihundert bewaffnete Knechte bei dir
hättest. (In anderem Ton.) Meinhard, wenn die Sterne am Himmel aufgehen,
wird dein eitles, törichtes Herz nicht mehr schlagen, das sagt dir
Knipperdolling. (Er setzt sich.)

MEINHARD (ist eine Sekunde erbleicht, faßt sich aber sofort wieder): Es
ist noch keiner aus Münster lebendig herausgekommen, das weiß ich wohl.

KNIPPERDOLLING. Du hast die Brüderschaft verfolgt und gehetzt wie der
Hund die Hasen, du weißt es!

         Empörtes Geschrei der Täufer. Knipperdolling wehrt ab.

MEINHARD. Ich werde nicht flennen, wenn ihr mir den Kopf abschlagt. Tu
mit mir, Knipperdolling, was du willst. Tu mit mir, was ich tun werde,
wenn du einmal in meine Hände fallen solltest! (Sein Auge glüht.)

KNIPPERDOLLING (voller Achtung, verbeugt sich): Das ist ein Wort,
Meinhard!

MEINHARD. Du hast ja eine große Fertigkeit im Köpfen bekommen, hört man
im Münsterland sagen, Knipperdolling. Eins aber will ich dir sagen,
Knipperdolling, Statthalter und Kanzler des Königs Johann, eines sage
ich dir: Der Bischof hat Käfige schmieden lassen aus dicken
Eisenstangen. Ich habe sie gesehen, sie stehen bereit im bischöflichen
Feldlager. In diese Käfige – das hat der Bischof geschworen – wird er
dich sperren, Knipperdolling, Johann und seinen Anhang – und er wird
euch wie wilde Tiere durch das münsterische Land führen, durch Köln,
Holland, Friesland, Brandenburg.

                               Gelächter.

TILBECK. Der Bischof soll sich in acht nehmen, daß wir ihn nicht im
Käfig auf die Wälle stellen – wie ein gefangenes Eichhörnchen – damit
die Knechte im Lager etwas zu lachen haben! (Lachen.)

GERT TOM KLOSTER. Wir werden ihm eine Mütze auf den Kopf setzen, daß man
das Gesicht nicht mit seinem Hintern verwechselt.

MEINHARD. Wüßtet ihr alles, ihr Herren, was ich weiß, so würde euch
vielleicht der Spott vergehen.

KNIPPERDOLLING (wechselt Blicke mit den andern): Nun, so rede nur,
Meinhard, wir hören. Wir lernen gerne etwas dazu, sind nicht so
hoffärtig. Hannes, gib dem Ritter einen Trunk!

MEINHARD (trinkt): Auf den Sieg des Bischofs, ihr Herren!

                   Geschrei: Schelm, schamloses Maul.

MEINHARD. Soll ich etwa auf den Sieg Johanns trinken? Das verlangt ihr
wohl nicht.

KNIPPERDOLLING. Verschwätze deine Zeit nicht, Meinhard. Die Sterne
werden bald aufgehen.

MEINHARD. Ein Wort noch in Freundschaft, Knipperdolling. Zum Dank für
den Trunk will ich dir eins geloben: wenn du einmal in meine Hände
fällst, so sollst du einen vollen Humpen haben, bevor ich dich an den
Galgen knüpfe. (Knipperdolling lacht laut auf.) Den Angriff heute habt
ihr abgeschlagen. Den nächsten Sturm aber werdet ihr nicht mehr
bestehen.

KNIPPERDOLLING. Du wirst es ja nicht mehr miterleben.

MEINHARD. Der Bischof hat Sendboten an die evangelischen Fürsten
gesandt, und sie haben ihm ihre Hilfe zugesagt. (Bewegung.)

TILBECK. Wem willst du das weismachen?

ROTTMANN. Der Bischof wird sich nie und nimmer an die evangelischen
Fürsten wenden! Es war von jeher das Bestreben des Bischofs, Münster
wieder zu einer katholischen Stadt zu machen.

MEINHARD. Glaubt oder glaubt nicht, was ich sage. Es steht bei euch. Vom
Herzog von Geldern sind zwölf Feldschlangen und sieben Feuermörser
unterwegs, dazu achthundert Knechte. Sie stehen schon bei Wesel.
(Lachen.)

GERT TOM KLOSTER. Und acht Wagen mit Pulver vom Erzbischof in Köln. Aber
bei Lüdinghausen haben die Unserigen sie euch abgenommen und heute habt
ihr schon das kölnische Pulver gerochen.

TILBECK. Willst du den Robert von der Eichen begrüßen, Meinhard? Gestern
kam er mit fünfzig Knechten aus dem Lager in die Stadt und bat um
Quartier.

MEINHARD. Ich will das Galgengesicht nicht sehen. Glaubt mir, ihr
Herren, nicht alles Pulver werdet ihr abfangen, und wir haben Pulver für
ein ganzes Jahr im Lager. Ihr aber habt mühselig ein paar Tonnen in
Mainz und Paderborn gekauft und heimlich hereingebracht. Ihr habt
Salpeter aus Ställen und Mistgruben gewonnen. Darum, Knipperdolling, gib
die Sache auf, bevor die evangelischen Fürsten mit dem Bischof
gemeinsame Sache machen.

KNIPPERDOLLING (lacht laut und belustigt).

MEINHARD. Es ist wahr, ihr Herren, ich gebe es gerne zu, der Bischof
sieht die Evangelischen nicht gerne im Lager. Die Belagerung hat die
Kassen des Bischofs geleert und der Fehlschlag heute wird ihn schwer
bedrücken. Es wäre ja immerhin möglich, daß er das Verlangen hätte, dem
Handel ein Ende zu machen und sich bestimmen ließe, sich mit euch zu
vergleichen. Vielleicht vermöchte ich es, den Bischof dazu zu bewegen?
Schicke mich ins Lager, Knipperdolling, ich will es versuchen.

KNIPPERDOLLING. Ja, jetzt habe ich gehört und verstanden. (Lacht laut
heraus.)

ALLE (unter Gelächter): Luchs! Fuchs! Dachs! Wolf! Werwolf!

MEINHARD. Ich bürge mit meinem Wort als Edelmann: Wenn die Sonne
aufgeht, bin ich wieder in Münster.

                               Gelächter.

TILBECK. Das Wort eines Edelmannes ist heute keinen Hühnerdreck mehr
wert im deutschen Land.

GERT TOM KLOSTER. Denke an Zabern und die achttausend erschlagenen
Bauern.

KNIPPERDOLLING. Prächtig hast du deine Rolle durchgespielt, Meinhard.
Ei, ei, was für ein Fuchs bist du doch. Aber deine Ohren sehen
meilenweit durch den Busch. Du solltest uns nicht für einfältig halten.

MEINHARD (sieht, daß er ausgespielt hat): Ich sehe schon,
Knipperdolling, der Satan hat dich geblendet, daß du blind in dein
Verderben rennst. Euch alle, ihr Herren –

KNIPPERDOLLING (erhebt sich entschlossen und zornrot): Sieh zu,
Dusentschur, ob nicht schon ein Stern am Himmel steht.

MEINHARD. Eins will ich euch noch sagen: Der Bischof hat geschworen, die
ganze Christenheit aufzubieten, wenn es sein muß, um euch zu vernichten,
ihr Tempelschänder und Weiberknechte ...

   Geschrei: Schamloser! Freches Maul! Unverschämter! Schlagt ihn
   nieder! Sie stürzen sich ihm entgegen. Plötzlich aber lassen sie
                                  ab.

KÖNIG JOHANN (erscheint, gefolgt von seinen Trabanten. Ein Page trägt
sein Schwert.)

   Johann trägt eine Art Kutte aus Sackleinwand. Arme und Füße sind
   zum großen Teil nackt, ebenso der Hals und ein Teil der Brust. Er
   sieht aus wie ein Zimmergeselle. Dünnes Kinn- und Lippenbärtchen.
   Sein Gesicht ist schlicht, aber ungewöhnlich klar in den Linien,
   fast edel. Seine Augen glänzen, auch auf seinem Gesicht liegt
   in besonderen Augenblicken Glanz. Er lächelt selten, dann
   eigentümlich, zuweilen gespenstisch. Seine ganze Haltung ist
   voller Würde und großer Schlichtheit. Seine Stimme ist metallen,
   zuweilen aber auffallend sanft und singend. Er erweckt manchmal
        den Eindruck eines Schlafwandlers. Er ist 25 Jahre alt.

    Johann betritt die Halle. Hinter ihm Roll. Volk sammelt sich an.

JOHANN. Friede sei mit euch! (Er verneigt sich.)

ALLE. Friede sei mir dir, Johann! (Sie verbeugen sich tief. Das
Zeremoniell der Täufer ist so, wie wenn Bauern höfisches Zeremoniell
nachahmten, würdig und schlicht.)

JOHANN (betrachtet den martialisch aussehenden Gefangenen. Mit einem
Lächeln zu den Genossen): Heute nacht träumte ich, ein Wolf kam in meine
Stube. Ich wollte auf ihn losgehen, um ihn zu erwürgen, da erschien eine
weiße Taube und setzte sich auf meine Hand. – Hier ist er ja, der Wolf.
(Er geht zu Meinhard und betrachtet ihn wieder. Meinhard ist betreten
und verwirrt.) Gott möge dir gnädig sein, du Ärmster der Armen! Mit
diesem Antlitz wirst du nie die Schwelle des Paradieses überschreiten!

MEINHARD (weicht zurück).

JOHANN (betrachtet Wenzel): Führt den Knaben da zu den Frauen. Er soll
Schüsseln fegen und Teller waschen. (Wenzel wird abgeführt, wieder
betrachtet er Meinhard.)

MEINHARD (hat seine Fassung wiedergefunden. Herausfordernd): Bist du
Johann Bokelson!

JOHANN. Dies ist mein Name.

MEINHARD. Der Schneidergeselle aus Leyden?

JOHANN. Das Schneiderhandwerk ist mein Gewerbe.

MEINHARD. Also bist du es. Man sagt, du seist der Sohn einer Hure.
(Bewegung.)

JOHANN (betrachtet Meinhard voller Verachtung). Gott vergebe meiner
armen Mutter ihre Sünden. Sie war nur ein schwaches Weib.

MEINHARD. So also sieht er aus, der Verführer des Münsterlandes – der
Antichrist! Ein Schneider König der Christenheit! (Lacht laut auf.)

DUSENTSCHUR. Tod dir! Ich habe ihn gesalbt zum König über Zion auf
Befehl des allmächtigen Gottes!

JOHANN (besänftigt Dusentschur durch eine Bewegung): Löst ihm die
Fesseln! (Es geschieht.)

MURREN. STIMMEN: Johann! Was tust du?

KNIPPERDOLLING. Laß ihn fester binden, Johann! Laß ihn zusammenschnüren,
daß ihm die Adern platzen.

JOHANN (erstickt das Murren mit einem Blick. Plötzlich, ganz
unvermittelt, verwandelt sich Johann. Er tritt zurück und mißt den
Gefangenen mit flammenden Blicken.) Kennst du die letzte Verordnung des
Bischofs über die Täufer?

MEINHARD. Wer sollte alle bischöflichen Verordnungen kennen? Seine Räte
haben nichts anderes zu tun, als mit den Federn zu kratzen.

TILBECK. Man soll sie greifen wie Vögel in der Luft, soll sie mit Hunden
jagen wie die Hasen ...

ROTTMANN. Wenn ein Täufer widerruft, so soll man ihn köpfen. Widerruft
er nicht, so soll man ihn verbrennen!

JOHANN (mit flammenden Augen): Was der Bischof Franz kann, das kann
Johann auch. Widerrufe und ich köpfe dich. Widerrufe nicht, und ich will
dich verbrennen. (Lachen.)

MEINHARD. Habe ich die Kirchen geplündert, Johann?

JOHANN. Ich kann dir die Zunge ausschneiden, so wie es der Bischof getan
hat an meinen Boten, die in seine Hände fielen und nicht sprechen
wollten.

MEINHARD. Habe ich die heiligen Sakramente der Taufe und Ehe geschändet?
Was redest du da? Habe ich die heidnische Vielweiberei eingeführt? Habe
ich mich aufgelehnt gegen Obrigkeit und Gesetz?

JOHANN. Hoffärtiger! Ich kann deinen Kopf auf eine Stange stecken auf
dem Wall, daß man ihn weithin sieht. So wie es der Bischof getan hat in
der verflossenen Woche an meinem Bruder Dietrich Dettner, den seine
Wachen anhielten.

MEINHARD. Habe ich die göttliche Ordnung von Herrn und Knecht umgeworfen
und den Knecht dem Herrn gleichgesetzt? Habe ich Arm und Reich
gleichgemacht? Auch dein Kopf, Johann, wird bald auf einer Stange
getragen werden! Dein Ende wird noch viel schrecklicher sein, Johann,
das prophezeie ich dir!

JOHANN. Es wird geschehen, wie Gott es beschlossen hat. – Ich kann auch
ein Gespenst aus dir machen, Hochmütiger. Wo ist Bruder Hänslein? –
Tritt vor, Bruder Hänslein.

HÄNSLEIN (tritt langsam, voller Furcht, in die Halle. Er ist ein
menschliches Gespenst, irrsinnig, die Augenränder zerfressen. Er trägt
nur ein schmutziges Hemd und ist zu einem Skelett abgemagert. Sein
Anblick ist so entsetzlich, daß Meinhard einen Schritt zurückweicht.)

JOHANN. Sieh ihn dir an, Meinhard. Der Bischof hat ihn zwei Jahre im
Turm gehalten zu Iburg. Als er noch ein Mensch war, hieß er Hänslein von
Langenmantel und war zuletzt Rektor der gelehrten Schule zu
Schmalkalden. (Zu Hänslein.) Habe keine Angst, Hänslein. Niemand wird
dir hier etwas zuleide tun. (Streichelt ihn.) Sage dem Herrn dein
Sprüchlein auf, Hänslein.

HÄNSLEIN (mit einem irren Lächeln, im Singsang, mit bebender dünner
Stimme):

   Lag also in dem tiefen Turm,
   Der war voll Ungeziefer und Wurm.
   Der Würmer und Ungeziefer Hauf,
   Die taten mir meinen Trinknapf auf.
   Solchen Gestank ich auch annahm
   Von der Fäulnis, die ich bekam,
   Daß niemand konnt’ bei mir bleiben stehn.
   Meine Augen, die konnten nimmer sehn

                     Er wird verwirrt und stottert:

   Den Tag und nicht der Fackel Schein –
         Ehre sei Gott in der Höhe!

JOHANN. Sei bedankt, Hänslein. Hast dein Sprüchlein gut aufgesagt. (Er
streichelt ihn, Hänslein ab.)

                                 Pause.

JOHANN. Du kannst nun wählen, Meinhard.

MEINHARD. Mache jetzt ein Ende, Johann! Haue mich in Stücke, wenn du
willst. Hänge mich zwischen zwei Hunden auf. Aber mach’ ein Ende.

JOHANN (bleich, in großer Erregung): Wo sind unsere Brüder hingekommen?
Die Erde hat das Blut der Täufer in Scheffeln getrunken, die Flüsse
wurden rot von ihrem Blut. Unsere Brüder Denk und Hirt und Blaurock?

TILBECK. Erschlagen und ertränkt in Basel und Konstanz.

JOHANN. Und Münzer, den Gott erleuchtete?

ROTTMANN. Hingerichtet in Frankenhausen!

JOHANN. Und unsere Brüder Wagner, Bader, Hubmeyer, Groß, Sattler, Rink,
Hoffmann, die Gott zu seinen Propheten erwählt hatte?

DUSENTSCHUR. In Stücke gehauen, verbrannt zu Augsburg, Salzburg,
Klausen, Straßburg!

JOHANN. Der schwäbische Bund jagt sie wie Wild. In der Pfalz hat Ludwig
durch seinen Schergen Dietrich von Schönberg wohl vierhundert schinden
lassen. In Bayern läßt der Kurfürst sie in Scharen erschlagen. In Tirol
haben ihrer tausend den Flammentod erlitten.

ALLE. Wehe! Wehe! Himmlischer! Räche! Räche! Rott aus! Rott aus!
Vernichte! (Sie wollen sich auf Meinhard stürzen, Johann hält sie
zurück.)

JOHANN. Die Hölle hat sich aufgetan gegen die Brüderschaft und will sie
verschlingen. – Und weißt du, weshalb, Junker? Hoffärtiger? Ich will es
dir sagen! – Weil wir das Evangelium erfüllen mit der _Tat_ und
_Handlung_ und nicht mit dem Wort und der Lippe. Wie Papst, Luther und
Fürsten, evangelische und katholische es tun. – Höre aber, Junker
Meinhard! Gott läßt durch meinen Mund verkünden: Es ist genug! (Stille.)
Es ist genug und Gott will Frieden stiften auf Erden. – Hatte der Junker
ein Schwert? Gebt es ihm zurück!

EINIGE. Johann!

KNIPPERDOLLING. Das kann ich nicht billigen, Johann.

JOHANN (sieht ihn verwundert an).

DUSENTSCHUR. Knipperdolling, ein Stern, ein Stern über Münster!

KNIPPERDOLLING. Ich habe geschworen, daß der Junker sterben muß, wenn
die Sterne aufsteigen.

JOHANN. So sei vorsichtiger mit deinen Eiden und warte, bis ich befehle,
Bruder Knipperdolling.

KNIPPERDOLLING. Wenn du ihn gehen läßt, Johann, so wird er wiederkommen,
so wahr ich lebe!

JOHANN. Laß Legionen wiederkommen – ich fürchte sie nicht! Mit der Hand
fege ich sie über die Wälle.

ALLE (begeistert): Johann, Johann!

JOHANN. Gehe, Meinhard. Gehe zum Bischof. Sage ihm: Nicht Johann von
Leyden führt das Schwert in Münster, sondern Gott der Allmächtige
selbst. Gott hat dem Bischof heute ein Zeichen gegeben, er möge wohl
darauf achten! Sage dem Bischof: Christus ist abermals auferstanden, um
sein reines Wort über die Erde zu verbreiten. Die Menschen sollen nicht
länger Wölfe sein, die sich zerfleischen. Die Hölle ist auf die Erde
gekommen und die Blutbrunst der Menschen ist heute furchtbarer als die
der wilden Tiere.

ALLE. Wahr, wahr. Johann! Oh wahr! Wehe! Wehe!

JOHANN. Aber Gottes Langmut hat ein Ende gefunden! – – Sage dem Bischof,
ich lasse ihm melden: Der Morgenwind hat sich erhoben! Bald wird der
Sturmwind blasen! Wehe, wehe, den Schläfern! Nicht Purpur, nicht Kronen
werden gezählt werden. Wie Daniel sagt, Gott ist mehr an seinem Volke
als an den Tyrannen gelegen. Die falschen Priester, die Gott mit der
Lippe und schönen Worten dienen, sie werden dahinfahren. Die Könige
werden ihre Kronen hinwerfen und die Bischöfe ihre Hüte. Aber es wird zu
spät sein! Sage ihm – ich, Johann von Leyden – ich bin der Bote, der
ausgesandt ist, dem Herrn den Weg zu bereiten.

ALLE. Johann! Johann!

JOHANN. Sage ihm das, Meinhard. So hat Gott es befohlen. Und kein Heer,
kein Geschütz wird mich aufhalten auf meiner Bahn. Ich werde ein Feuer
anzünden auf dieser Erde, das nicht mehr erlöschen wird. Siehe, schon
erhebt sich der Sohn Gottes von seinem Thron, um abermals
niederzusteigen auf diese Erde. Morgen wird er in seinem Glanze über die
Erde fahren und das tausendjährige Reich seiner Herrschaft errichten –
so wie er es verkündete.

ALLE (begeistert): Johann! Johann!

                                Stille.

JOHANN. Gehe jetzt. Ihr Gesellen bürgt mir für sein Leben! Gert geleite
ihn zum Tore.

KNIPPERDOLLING (aufgebracht): Johann, du wirst es bereuen.

JOHANN. Gott allein befiehlt, Knipperdolling.

MEINHARD (lacht): So habe ich mit eigenen Ohren gehört und mit eigenen
Augen gesehen, Johann – daß du wahr und wahrhaftig vom Satan besessen
bist! – (Drohend.) Wir sehen uns wieder, ihr Herren! (Ab.)

KNIPPERDOLLING. Hörst du, Johann, hörst du? (Er verläßt entrüstet die
Halle.)

JOHANN (zu allen gewandt): Liebe Brüder und Schwestern! Haben wir nicht
einen starken Gott? Der hat uns geholfen! Seien wir fröhlich und guter
Dinge!

ALLE. Hosiannah! Hosiannah!

DUSENTSCHUR (in Verzückung): Heilig, heilig ist der Herr Zebaoth und
alle Länder sind seiner Ehre voll.

DIE FRAUEN (im Hintergrund singen freudig und berauscht, während der
Vorhang fällt. Die Worte sind kaum verständlich. Wie ein Wehen ist der
Gesang.)

   Singet dem Herren mit Schalle
   Ihr Völker und alle Land ...




                              Zweiter Akt


                     Im Hause König Johanns. Abend.

   Großes gotisches Gemach. Eine Treppe führt in der Mitte zu einem
   erhöht liegenden Raume empor. Einige niedrige breite Polsterbänke
   zu den beiden Seiten der Treppe und an den Wänden, eine Ampel und
   ein paar Kerzen geben dem Raum einen alttestamentarischen,
   feierlichen Anstrich. Links und rechts Türen. Das Gemach ist
   ziemlich düster. Der erhöhte, in den Hintergrund führende Raum
                            matt erleuchtet.

DIVARA (bedient Wenzel von der Langenstraaten, der auf einer der
breiten, niedrigen Polsterbänke, rechts von der Treppe, sitzt. Er ist in
bequemer Kleidung und sieht gesund, frisch und blühend aus. Sie badet
ihm in einer Zinnschüssel Hände und Füße. Mägde reichen Zinnkannen und
Linnen, Essenzen usw. Zuweilen geht eine Magd durch das Zimmer, ein Bote
die Treppe hinauf usw. Man sieht, daß Johanns Hofhaltung umfangreich und
geregelt ist. Divara ist sorgfältig, kostbar aber schlicht gekleidet.)

DIVARA. Fühlst du dich jetzt wohler?

WENZEL. Ich fühle mich wie neugeboren und danke Euch von ganzem Herzen.

DIVARA. Du warst sehr erschöpft vom Kampfe und fast ohnmächtig.

WENZEL. Als ich den Wall bestieg, warfen sich die Zimmergesellen wie
Wölfe über mich und schlugen mich und den Feldobersten nieder. Ich war
mehr tot als lebendig. So rasch geschah es.

DIVARA. Du bist wohl noch wenig erfahren in den Waffen. (Lächelnd.) Wie
alt bist du?

WENZEL. Neunzehn Jahre.

DIVARA. Dann bist du gewiß noch nicht lange im bischöflichen Lager? Wie
ist dein Name?

WENZEL. Ich heiße Wenzel Graf von der Langenstraaten und bin ein Vetter
des bischöflichen Feldobersten Meinhard. Im Lager bin ich seit
Pfingsten.

DIVARA. So müßte ich dich eigentlich gnädiger Herr oder Erlaucht nennen,
Wenzel. Aber in der heiligen Stadt Zion gibt es nur Brüder und
Schwestern. Das hochmütige Herz der Menschen kann Titel und Erhöhungen
nicht ertragen. Gnädig ist nur Gott und erlaucht sind allein seine
Propheten. – Gib das Linnen, Barbara. (Sie trocknet ihm die Füße damit.)

WENZEL (erstaunt und fast belustigt, während er errötet): Was tut Ihr?

DIVARA. Man hat dir wohl von den Gebräuchen der Altväter erzählt, von
Abraham, Jakob? Dann weißt du auch, daß ihre Frauen den Gästen die Füße
badeten, wenn sie in ihr Haus traten. Wir eifern ihnen nach. Die
Propheten lehren, daß das eitle Herz der Frauen sich täglich und
stündlich demütigen muß, um nicht hoffärtig zu werden. Hoffart aber ist
die größte Sünde, die Gott nur schwer verzeiht. So sind die Frauen von
Münster auch gehalten, alle niedrigen Dienste, die das Leben erfordert,
abwechselnd zu verrichten, zur Übung der Demut. Wir dienen einer dem
andern.

WENZEL (belustigt): Verzeiht mir, ist die Frage erlaubt: behandelt ihr
alle Gefangenen mit gleicher Milde?

DIVARA. Wir sind heftig im Kampfe, ihr da draußen habt der Brüderschaft
zuviel Leids zugefügt. Fällt aber ein Feind in unsere Hand, so behandeln
wir ihn wie einen Bruder. Er mag bei uns leben und in die Brüderschaft
eintreten.

WENZEL. Wenn er sich aber weigert?

DIVARA. Nun, so muß er sterben. Dies ist das Gesetz.

WENZEL. Ah!

DIVARA. Fürchte nichts. Bis heute haben noch alle Gefangenen die Taufe
angenommen und sich zur reinen Lehre bekehrt.

EINE MAGD (tritt ein): Divara, Hille Feiken ist hier.

DIVARA (horcht auf): Hille Feiken? Was will sie?

DIE MAGD. Sie will den König sprechen.

DIVARA (erhebt sich, voller Spannung): Und was läßt sie Johann melden?

DIE MAGD. Sie ist gekommen, um dem König zu sagen: sie sei entschlossen,
den Gang zu tun.

DIVARA. Sagte sie das?

DIE MAGD. Sie sagte es mit diesen Worten.

DIVARA. So heiß sie eintreten. (Herrisch.) Melde es Johann!

WENZEL (hat sich voller Erstaunen und Schrecken erhoben): Seid Ihr
Divara, die Frau des Königs Johann? Und ich bin im Hause Johanns?

DIVARA. Ich bin Divara, ja.

WENZEL (schlägt das Kreuz).

DIVARA (lacht): Hast du Furcht vor mir?

WENZEL. Nein. Ich schlug das Kreuz nur aus Gewohnheit. Ich habe eine
alte Mutter. Wüßte sie, daß ich bei Euch bin!

DIVARA. Deine Mutter glaubt wohl, ich sei ein sehr gefährliches Weib?

WENZEL. Mehr noch. Sie sagte –

DIVARA. Was sagte sie?

WENZEL. Es ist wohl besser, daß ich es verschweige.

DIVARA. Sprich offen, du kannst alles sagen.

WENZEL. Sie glaubt, Ihr seid der Satan selbst, aus der Tiefe der Hölle
gestiegen, um die Menschheit zu verderben.

DIVARA (bleich): Rufe die Wache! Führt ihn hinaus!

WENZEL (stürzt ihr zu Füßen): Verzeiht mir! Ich war unbedacht.

DIVARA (bereut ihre Heftigkeit): Es ist schwer, ruhig zu bleiben, hört
man solch schändliche Beschimpfungen. Ich war heftig, vergib mir. Der
Prophet Mathys lehrt: Bevor du deinem Beleidiger antwortest, beuge das
Haupt und denke an den Erlöser am Kreuz. (Sie pflegt Wenzel wieder,
indem sie vor ihm kniet.) Das Becken, Barbara.

WENZEL. Sähe meine Mutter, wie freundlich Ihr zu mir seid, sie würde
anders von Euch denken. Sie würde Euch lieben, sie hat ein mildes Herz.
Oh, welche Lügen man doch über euch Täufer verbreitet im Lande! Aber ich
werde meiner Mutter Botschaft senden. Und ich bin überzeugt, daß sie
sofort nach Münster kommen wird.

DIVARA. Sie soll willkommen sein. Ist deine Mutter reich? Besitzt sie
Schlösser, Güter?

WENZEL. Keine Schlösser, o nein. Aber eine schöne Burg und zehn Dörfer.
Dazu Wälder und große Fischteiche.

DIVARA. So schreibe ihr, sie möge die Burg und die Dörfer, die Wälder
und Fischteiche den Armen geben. Alle Rentenbriefe und Schuldscheine
möge sie zerreißen und Gold und Geschmeide mit hierher bringen für die
Brüder.

WENZEL (hat mit offenem Mund zugehört): Ist das euer Gesetz?

DIVARA. Wir fordern von unsern Brüdern und Schwestern Gut und Blut. Du
erinnerst dich wohl, was Christus zu dem reichen Jüngling sagte? Man
kann nicht Gott dienen und dem Mammon. Und jetzt verstehst du
vielleicht, weshalb Fürsten und Pfaffen uns verfolgen?

WENZEL. Oh, jetzt fange ich an, es zu begreifen. Nun fürchte ich aber
fast, daß meine Mutter nicht nach Münster kommen wird.

DIVARA (ärgerlich): Wie kleinmütig du bist! Vielleicht verfolgt Gott mit
deiner Gefangenschaft die Absicht, deine Mutter und die Deinen der
reinen Lehre zuzuführen? Wer kennt seine Absichten?

WENZEL (nachdenklich): Wer glauben könnte wie Ihr, Divara!

DIVARA. Wirf die Hoffart ab und sei demütig. Reinige deine Gedanken und
sei gütig und freundlich gegen jedermann. Diene deinen Mitmenschen.
Trägt jemand eine schwere Last, so hilf ihm tragen, hat jemand Kummer,
so tröste ihn. Hungert ein Tier, gib ihm Nahrung. Dies ist der Anfang.
Auch ich war einst ungläubig und wähnte, es genüge, die Messe zu
besuchen und das Kreuz zu schlagen, während doch Wandel und Leben in
Christi Geboten allein der reine Glaube ist. Aber Gott war gnädig und
erweckte mich.

WENZEL. Wie geschah das?

DIVARA. Ich wuchs in einem Dorf an der holländischen Grenze auf. In
einer Nacht kam ein Prediger zu uns, ein Täufer aus Harlem. Es war Jan
Mathys.

WENZEL. Jan Mathys! Oh, ich hörte seinen Namen.

DIVARA (fast verletzt, strahlend): Es wäre merkwürdig, hättest du seinen
Namen nicht gehört! – Er predigte und taufte in einer Scheune. Ich
lauschte im geheimen und ich fühlte, daß er allein die Wahrheit lehrte.
Am Morgen kamen Reiter des Bischofs aus Cleve und durchforschten den
ganzen Hof nach dem Propheten. Mathys stand kaum drei Schritte neben
ihnen in der Scheune. Aber die Reiter sahen ihn nicht.

WENZEL. Wieso aber sahen sie ihn denn nicht?

DIVARA. Gott hatte ihnen die Augen verschlossen und sie geblendet! – Ich
verließ meine Eltern und folgte Mathys nach Münster.

WENZEL. Oh, wie seltsam ist das alles! Aber – man erzählte mir im Lager
– Jan Mathys sei im Kampfe gefallen?

DIVARA. Er fiel in der Woche nach Pfingsten. Siehst du diese Ampel dort?
Sie brennt zu seinem Gedächtnis. Eine Erleuchtung war über ihn gekommen.
Eines Abends sagte er: Liebe Brüder, der Herr hat mich berufen zu hoher
Tat. Morgen werde ich in das Lager der Heiden gehen und sie mit dem
Schwerte schlagen. Er wählte zwölf Streiter und zog zum Tore hinaus. Ich
stand mit den anderen auf dem Wall und wir sahen ihn kämpfen. Hunderte
fielen über Mathys und seine Streiter her. Mathys stand wie ein Turm,
aber zuletzt schlugen sie auch ihn nieder.

WENZEL. Und du lächelst?

DIVARA. Was ist der Tod? Gott hat Mathys zu sich gerufen in die
Herrlichkeit, um seinen Glauben zu belohnen. Er benutzte die Deinigen
als sein Werkzeug.

HILLE FEIKEN (tritt ein. Eine bäuerisch aussehende, junge, hübsche Frau.
Etwas üppig, große Augen. Bescheiden, fast demütig. Etwa 30 Jahre alt.
Sie verbeugt sich.)

                       Divara beachtet sie nicht.

WENZEL (erhebt sich, nach einer Pause): Sagt nicht: die Meinigen! Ich
gehöre nicht mehr zu ihnen. Bittet den König für mich, Divara, daß ich
bei euch in Münster bleiben darf. Ich will die Taufe nehmen.

DIVARA (zu den Mägden): Führt Wenzel in die Kammer und speist ihn.

                               Wenzel ab.

HILLE FEIKEN (tritt näher). Guten Abend, Divara!

DIVARA. Guten Abend, Hille.

HILLE FEIKEN. Der König ist noch nicht hier? Ich glaubte seine Stimme zu
hören.

DIVARA (mit einem Anflug von Eifersucht): Dann hast du feinere Ohren als
ich, Hille. Johann ist im Rate, du wirst dich noch etwas gedulden
müssen, bis du ihn siehst.

HILLE (demütig): Ich bin nicht ungeduldig.

DIVARA. Setze dich, Hille. (Pause.) Du bist also entschlossen, den Gang
zu tun?

HILLE (senkt das Haupt): Es hat mich wiederum Kleinmut befallen, Divara.
(Sie zittert unter Divaras Blick.) Ich bin eine Unwürdige, ich weiß es.
Zürne mir nicht, Divara. Ich habe Angst, Johann entgegenzutreten.

DIVARA (betrachtet sie argwöhnisch, lacht): Angst? Wie sollte ein Mensch
Angst vor Johann haben?

HILLE. Und doch ist mein Herz beklommen in seiner Gegenwart.

DIVARA. Vielleicht ist es nicht jedem gegeben, in Johanns Nähe zu leben?
Oft scheint er zu träumen, dann wieder ist er wie ein Besessener. Er ist
gut und sanft wie ein Kind, und doch hat er Hanna, die ihm die Treue
brach, mit eigener Hand mit dem Schwerte gerichtet. Vielleicht ist es
gut, daß du Angst vor ihm hast, Hille.

HILLE. Es ist eigentlich nicht Angst, Divara, aber ich fürchte seine
Augen. Sie blenden oft wie die eines Wolfes im Finstern. Ich kann seinen
Blick von gestern abend nicht mehr vergessen! Gott soll mir gnädig sein.

DIVARA (voller Staunen): Hast du Johann gestern abend gesehen?

HILLE. Ja, gestern abend sprach er mit mir. Er besuchte mich.

DIVARA (erregt): Er besuchte dich?

HILLE. Er rief zum Garten hinein: Hille. Da kam ich heraus. Was hast du,
Divara –?

DIVARA. Ich bin so töricht. (Schmeichelt.) Verzeihe. Sage mit alles.
Also er besuchte dich. Ging er in die Stube?

HILLE. Ich sagte: Wenn die Stube deiner Magd nicht zu gering ist.

DIVARA. Und so trat er ein?

HILLE. Ja. Und er sagte: Hille. Wie ist es mit der Erleuchtung? Ich
sagte ihm: Jede Nacht träume ich denselben Traum, daß ich ins Lager
gehen soll.

DIVARA. Und dann, was sagte er dann?

HILLE. Er sagte dann – (lacht töricht) –, wenn du es vollbringst und du
kommst zurück ans Stadttor, so sollst du meine Gemahlin vor Gott dem
Herrn werden.

                          Divara springt auf.

DIVARA. Und was antwortetest du?

HILLE. Des Herrn Wille geschehe! – Weshalb tust du mir weh, Divara?

DIVARA. Ich habe dir nicht wehe tun wollen, Hille. Verzeihe mir, Hille.

HILLE. Ich verzeihe dir gern, Divara.

DIVARA. Schwöre mir, daß du mir nichts verheimlichst!

HILLE. Ich schwöre es dir.

DIVARA. Was sagte er noch?

HILLE. Er sagte noch: Wenn du es vollbringst, so will ich dich zur
Königin über Zion setzen.

   Divara ist maßlos erstaunt und tief verletzt. Sie erhebt sich,
                             starrt. Pause.

DIVARA. Das sagte er also.

HILLE (wiederum töricht lachend, ihr Gesicht strahlt vor Freude): Ja,
das sagte er.

DIVARA (tritt in den Raum. Denkt lange nach, mit einem bösen, listigen
Gesichtsausdruck): Aber höre, Hille, wenn du ins Lager gehst, so werden
sie dich fangen und der Bischof wird dich aufs Rad flechten lassen!

HILLE (zittert): Gott sei mir gnädig und barmherzig!

DIVARA. Wenn ich dich betrachte, Hille, du bist ja nur eine Bäuerin. Ich
kann nimmermehr glauben, daß Gott dich auserwählt hat.

HILLE (beleidigt, erhebt sich): Wie grausam du bist, Divara! (Trotzig.)
Aber, höre Divara – vielleicht habe ich doch den Mut, trotzdem ich nur
eine Bäuerin bin, wie du sagst. (Da Divara lächelt.) Ja, ich habe den
Mut, Divara, und Gott wird mich beschützen und nicht in die Hände des
Bischofs fallen lassen!

DIVARA. Johann! Nun werden wir es ja sehen, Hille!

HILLE (flüstert): Gott gebe mir Kraft. (Sie zieht sich zur Wand links
zurück.)

JOHANN (erscheint am Geländer des erhöhten Raumes. Er ist gekleidet wie
im vorigen Akt. Alle Spuren des Kampfes sind verschwunden. Er sieht aus
wie ein Zimmergeselle, der sich nach der Tagesarbeit gewaschen hat. Er
ist zuversichtlich, seine Augen leuchten. Er beugt sich über das
Geländer.)

JOHANN. Hille Feiken!

HILLE FEIKEN (mit tiefer Verbeugung): Hier bin ich, König Johann.

JOHANN (blickt Hille an): Du bist entschlossen, den Gang zu tun,
Schwester Hille?

HILLE FEIKEN (betrachtet Johann lange): Ich bin entschlossen, Johann.

JOHANN. So halte dich bereit. Es wird in dieser Nacht noch geschehen
müssen. (Er entfernt sich wieder.)

DIVARA (triumphierend): Nun kannst du nicht mehr zurück, Hille. Du hast
Johann dein Wort gegeben.

HILLE (verwirrt und erschreckt): In dieser Nacht noch? Jetzt?
(Ekstatisch.) Ja, ich bin entschlossen, es zu tun. Ich werde noch heute
nacht ins Lager des Bischofs gehen.

ROTTMANN (erscheint an der Treppe): Ein Läufer!

   Johann und sein Rat (fast wie im ersten Akt) kommen die Treppe
   herab in den unteren Raum. Einige Diener mit brennenden Leuchtern
                             folgen ihnen.

EIN LÄUFER (erscheint).

ROTTMANN. Öffne deine Ohren, mein Sohn, und höre, was ich dir sage. Eine
Verordnung des Königs und des königlichen Rates. Der König und der Rat
haben beschlossen, einundzwanzig Apostel aus Münster zu senden in alle
Richtungen des Himmels. Die Apostel sollen den großen Sieg Münsters über
die Ungläubigen verkünden. Sie sollen die Brüder sammeln in allen Landen
und sie unverzüglich nach Gottes heiliger Stadt entbieten. (Er entrollt
ein Pergament.) Die Brüder Boentrub, Graes, Vinne, Schwering, Kueper,
Scheffer begeben sich nach Osnabrück und Lübeck.

TILBECK. Ich will sie sprechen, bevor sie gehen. Ich habe Freunde in
Lübeck, an die will ich sie verweisen.

ROTTMANN. Du hörtest, was Bruder Tilbeck sagte? Unser Bruder Heinrich
Roll wird sich nach Holland begeben, begleitet von den Brüdern Johann
Geel und van Campen.

ROLL (tritt vor, bescheiden, glücklich): Welche Verdienste habe ich,
Brüder, daß ihr mich abermals auszeichnet? Johann und dem hohen Rat
meinen Dank für die hohe Ehrung!

KRECHTING. Der Rat weiß wohl, wen er sendet!

ROTTMANN. Es ziehen nach Koesfeld im Westen die Brüder Grave, Essens,
Focke, Francker, Regenwart und Beckmann. Nach Osten begeben sich die
Brüder Stralen, Ummegrove, Alfen, Prünn. Die Brüder Clopris und
Burkmeyer gehen nach Köln. War nicht Bruder Clopris hier?

CLOPRIS (tritt vor, tanzt vor Freude): Freue dich, meine Seele und
jauchze! Hier ist der unwürdige Clopris, Brüder, hier bin ich! Ich werde
nach Köln gehen. Ich werde dem Erzbischof ein Netz auslegen, darin er
zappeln soll. Ihr sollt es erleben!

DUSENTSCHUR. Bruder Clopris, du wirst dem Bischof ein Lied vorsingen!
(Er singt mit schriller, rasender Stimme.)

     Oh, Köllen, Köllen an dem Rhein,
   Wann endlich willst wohl satt du werden
   Des Bluts der Heiligen Gottes rein,
   Die von dir getötet werden?

CLOPRIS. Des Bluts der Heiligen Gottes rein –! Ja, Dusentschur, ich will
es dem Bischof von Köln in die Ohren singen, daß ihm der Schlaf in
seinem seidenen Bett vergehen soll. (Will gehen.)

ROTTMANN. Warte noch ein Weilchen, Bruder Clopris. Die Apostel, so ist
befohlen, sollen weder Zehrung noch Geld mit sich nehmen, sie sollen
aufbrechen, so wie sie gehen und stehen. Gott der Herr wird für sie
Sorge tragen, so wie er für die Vögel in der Luft Sorge trägt. Sie
sollen in die Städte nicht in der Nacht einziehen wie Diebe und
heimlich, sondern am lichten Tage, wie es einem Streiter der
Gerechtigkeit geziemt. Der allmächtige Gott wird sie beschirmen. Gegeben
am Tage des großen Sieges, am 31. August, anno Domini 1534 durch Gott
und Johann den Gerechten und König im neuen Tempel. – Bote! (Gibt dem
Boten die Rolle.) Du wirst die Apostel finden. Sie mögen sich um
Mitternacht versammeln am Jüdefelder Tor. Ich werde sie aus der Stadt
entlassen. Und jetzt spute dich!

JOHANN. Vergiß nicht: Am lichten Tage sollen sie in die Städte einziehen
und überall offen predigen. So befehle ich es.

                                Bote ab.

DUSENTSCHUR. Johann, weshalb sendest du mich nicht hinaus? Sende mich
nach Rom! Zum Antichrist!

JOHANN. Befiehlt es Gott, so werde ich auch dich hinaussenden,
Dusentschur.

                  Clopris und Roll verabschieden sich.

DIVARA. Du willst uns schon wieder verlassen, Bruder Roll? Erst heute
abend bist du gekommen.

ROLL. Der Herr kennt keine Zeit, Divara. Ich muß gehen und ich bin
glücklich, Divara.

DIVARA. Gott beschütze dich, Bruder Roll. Hüte dich vor den
holländischen Spähern.

ROLL. Der Herr wird seine Hand über mich breiten, Divara, nichts
geschieht ohne seinen Willen.

JOHANN (umarmt Roll). Friede sei mit dir, Bruder Roll.

ROLL. Friede sei mit dir, Johann. (Sie küssen sich.)

       Roll und Clopris verneigen sich tief, alle verbeugen sich.

                          Roll und Clopris ab.

JOHANN. Offenbar ist es heute und offenkundig allen geworden: Der Herr
hat Wohlgefallen an seiner Stadt Münster! Die sie antasten wollten, er
hat sie mit dem Hauche seines Mundes verbrannt. Und schon erweist er uns
neue Gnade. (Er deutet auf Hille.)

KNIPPERDOLLING. Erlaube, Johann, daß ich dir in die Rede falle, bevor du
beginnst –

JOHANN. Knipperdolling, bist du ein Knecht, daß du die Worte so
unterwürfig setzest?

KNIPPERDOLLING (noch immer unglücklich und gekränkt): Du warst heute
unwillig über mich, Johann.

JOHANN. Unwillig?

KNIPPERDOLLING. Zweimal hast du mich heute vor dem Volk zurechtgewiesen.

JOHANN (streckt Knipperdolling die Hand hin, lächelnd, herzlich):
Verzeihe mir, Bruder Knipperdolling. Wiege meine Worte nicht, wie man
Gold wiegt. Gibt es in Münster einen Menschen, der unvollkommen ist, so
bin gewiß ich es. Du bist mein Vater an Jahren, sei nachsichtig und
vergib mir.

KNIPPERDOLLING. Ihr habt gesehen, daß Johann sich vor mir verneigte. Das
ist zuviel. Knipperdolling ist einer solchen Ehre unwürdig. So wollen
wir nicht mehr daran denken. – Und nun, Johann, als dein oberster
Hauptmann rede ich zu dir. Deine Hauptleute haben am Abend einen
Kriegsrat gehalten. Wir haben alles wohl erwogen, berechnet und bedacht.
Das aber ist unser Schluß, Johann: Überfalle das bischöfliche Lager und
nimm es im Sturm! (Bewegung.) Nie war die Gelegenheit so günstig, in all
den sechs Monaten nicht, seit der Bischof Münster belagert.

JOHANN (mit einem seltsamen Lächeln): Es könnte wohl sein,
Knipperdolling, daß Gott beschlossen hat, uns das Lager des Bischofs in
die Hand zu geben!

KNIPPERDOLLING. Johann! Vor der Schanze beim Lamberti-Tor sind achtzig
bischöfliche Landsknechte eingetroffen und haben die Waffen abgegeben.
Sie schreien: Es lebe Münster! Es lebe König Johann!

GERT TOM KLOSTER. Die Knechte im Lager glauben nicht mehr an den Sieg
des Bischofs.

DUSENTSCHUR. Sage, des Satans! Sage, der Hölle!

REDECKER. Sie weigern sich, noch länger gegen Münster zu kämpfen. Sie
erklären die Sache des Bischofs für ungerecht und halten dafür, daß die
Sache Münsters die Sache der Gerechtigkeit ist.

DUSENTSCHUR. Sage, die Sache des Heils, sage, die Sache des lebendigen,
strahlenden Gottes!

JOHANN. Sagte ich nicht: der Morgenwind hat sich erhoben?

GERT TOM KLOSTER. Das Gleiche berichten die Späher, die wir ins Lager
geschickt haben. Das Lager ist in hellem Aufruhr und in Auflösung.

REDECKER. Der Bischof fürchtet, du könntest über das Lager herfallen und
ihn gefangen nehmen. So wie wir seinerzeit über die Versammlung in
Telgte herfielen. Er hat alles zur Flucht vorbereitet.

DUSENTSCHUR. Greife ihn, Johann. Strecke deine Hand aus. Gott hat ihn in
deine Hand gegeben!

JOHANN (lächelnd): Ich werde ihn greifen! Gott hat die Stunde des
Bischofs schon angesetzt.

KNIPPERDOLLING. Die Lehnsleute und Junker haben den Bischof im Stich
gelassen und sind abgeritten. Das Meißner Lager hat sich verlaufen. Die
Geschützmeister haben die Feldschlangen und Haubitzen zurückbringen
lassen. Johann! Gib Befehl und ich lasse die Tore öffnen. Das Lager ist
in deiner Hand.

REDECKER. Laß die Hörner blasen, Johann!

DUSENTSCHUR. Befiehl, Johann – und ich stürze mich, nackend, wie Gott
mich erschaffen hat, den Heiden entgegen.

ROTTMANN. Was die Hauptleute vorschlagen, dünkt mich gut und
aussichtsvoll, Johann.

JOHANN (schüttelt den Kopf, mit dem gleichen seltsamen Lächeln): Noch
ist die Zeit nicht gekommen, ihr Freunde.

KNIPPERDOLLING, REDECKER, GERT TOM KLOSTER, ROTTMANN (zeigen ihre
Enttäuschung). Johann, überlege! Versäume die Gelegenheit nicht. Fall
ihn an!

JOHANN. Euer Plan, Freunde, ist ein Plan, wie Menschen in ihrer Einfalt
ihn ersinnen. Gott aber, der über uns thront, hat in seiner Weisheit
längst einen Plan ersonnen – da wir nicht einmal daran dachten. Und was
sollte ein Plan von Menschen gegen seinen Plan, sagt es selbst? Ihr
Brüder – verstehe ich Gottes Absicht recht, so ist es sein Wille, uns
das Lager des Bischofs in die Hand zu geben – aber auf seine Weise! Und
so zwar, daß es allen Völkern des Erdballs offenbar werde, daß Gott sein
Volk über die Tyrannen stellt. Solch ein Zeichen will Gott der Herr
allen Ungläubigen geben, daß sie zittern und erbleichen.

TILBECK. Hört es, Brüder!

KNIPPERDOLLING. Wir verstehn dich nicht, Johann.

JOHANN. Ihr werdet verstehen! (Er wendet sich zu Hille Feiken.)
Schwester Hille, erhebe dich!

HILLE (steht auf und kniet nieder): Ich bin Hille Feiken, Gottes
unwürdige Magd.

JOHANN. Knie nicht, Hille. Nur vor Gott sollst du knien. (Hille steht
auf.) Ihr kennt Hille Feiken, die aus Ostfriesland zu uns kam. Sie gab
all ihr Hab und Gut, Haus und Vieh den Armen. Gott hat sie erhöht für
ihren Glauben. Sie ist es, Schwester Hille, die Er auserwählt hat, dem
Erdball sein Zeichen zu geben!

ALLE (verneigen sich voller Achtung vor Hille).

JOHANN. Zittere nicht, Hille. Berichte den Brüdern, wie Gott dich
erleuchtete.

HILLE (beginnt sehr leise und unsicher): Ich bin eine arme unwürdige
Magd des Herrn! Ich bin voller Sünden. Ich bin Witwe, mein Mann ist vor
drei Jahren gestorben. Ich suche, da ich sündig bin, den Weg zu Gott,
und kam am Charfreitag nach Münster. In den letzten Wochen aber ...

JOHANN. Sprich getrost, Hille. Du sprichst vor Brüdern, die dich lieben.

HILLE (verliert die Unsicherheit, wird immer überzeugter, bis sie
endlich in einem fast überirdischen Glanz erstrahlt): In den letzten
Nächten, da erschien ein silberner Glanz in meinen Träumen. Zuerst
achtete ich seiner nicht, da ich töricht bin. Aber der Glanz wurde
stärker in jeder Nacht und so betete ich zu Gott, mich zu erleuchten. Da
kam der Glanz wieder in einer Nacht und siehe da, ich sah, daß ein
himmlischer Bote bei mir weilte.

ALLE (sind bewegt und erregt).

JOHANN. Stört sie nicht!

HILLE. In der nächsten Nacht erschien der himmlische Bote wieder und
hielt die Heilige Schrift in der Hand. Er schlug das Buch auf und da
ging ein Blitzen und Gleißen aus dem Buch, daß es mich blendete. Ich
kniete im Traume und fragte: Soll ich im Buche lesen? Der himmlische
Bote sagte: Du sollst das Buch öffnen und da, wo dein Auge hinfällt,
sollst du lesen. – Ich erwachte zeitig, reinigte mich und betete. Dann
nahm ich die Heilige Schrift zur Hand und schlug sie auf und las, wo
mein Blick hinfiel. Da stand geschrieben: Gib mir einen Mut, daß ich
mich nicht entsetze vor ihm und vor seiner Macht, sondern daß ich ihn
stürzen möge. Das wird deines Namens Ehre sein, daß ihn ein Weib
darniedergelegt hat.

Und weiter las ich: Da sie nun ausgebetet hatte, stand sie auf. Und rief
ihrer Magd Abra und ging herunter ins Haus und legte den Sack ab und zog
ihre Witwenkleider aus. Und wusch sich und salbete sich mit köstlichem
Wasser und flocht ihr Haar ein und setzte eine Haube auf und zog ihre
schönen Kleider an.

ROTTMANN (erregt, leise): Judith von Bethulia, Manasses Witwe!

HILLE. Ich hatte das Buch der Judith aufgeschlagen, aber noch immer
verstand ich nicht, da ich töricht bin. An diesem Tage las ich das Buch
Judith wieder und wieder und fastete und betete und flehte Gott an, mich
zu erleuchten. – In dieser Nacht aber führte mich der Bote Gottes im
Traum auf den Wall von Münster und deutete gegen Osten und sagte: Siehe,
die Sonne kommt bald hervor. Und sowie sie hervorkommt, mußt du gehen,
wie Judith gegangen ist. Du bist die Judith des neuen Zion! Und der
himmlische Bote deutete gen Westen, da sah ich den Bischof sitzen. Er
trug ein rotes Gewand, starr von trockenem Blut, und eines Narren Kappe
auf dem Kopfe. Aus der Kappe aber sahen Hörner, wie bei einem Ochsen so
groß. – Siehst du, Hille, sprach die himmlische Stimme, das ist der neue
Holofernes. Und ich fragte: Was soll ich tun? Die himmlische Stimme
sagte: (laut, wie ein Befehl:) Tue, wie Judith mit Holofernes tat! Gehe
hinaus in das Lager und schlage dem Bischof den Kopf ab! Ich werde dich
behüten, wie ich Judith behütete.

Und ich antwortete: Dein Name sei gelobt! Ich Werde tun, wie du befohlen
hast! (Sie strahlt verzückt.)

ROTTMANN (in stiller Verzückung, kniet): Wunderbar sind deine Wege,
Unerforschlicher.

              Alle erheben sich und neigen sich vor Hille.

TILBECK. Schwester! In Demut neigt sich der Knecht Tilbeck vor dir.

DUSENTSCHUR (krümmt sich): Was sind dagegen menschliche Pläne? (Er
lacht, er küßt den Saum von Hilles Rock.) Wollte ich mich nicht Gott
aufdrängen und nackt gegen die Heiden laufen? Dusentschur – Gott der
Herr hat dir gezeigt, wie närrisch du bist!

JOHANN. Dies ist also Gottes Plan, Knipperdolling. Verstehst du jetzt?

KNIPPERDOLLING. Ich bescheide mich in Demut, Johann.

JOHANN. Nun segne dich Gott, Schwester Hille, die der Herr auserwählt
hat. Gehe ans Werk!

HILLE (wie im Traum): Ich gehe ans Werk.

JOHANN. Die Frauen mögen sie schmücken, so wie Judith vor ihrem Gange
geschmückt wurde. Brüder Rottmann und Tilbeck, ihr gebt Schwester Hille
die geistliche Stärkung! Wenn die Sonne aufgeht, geleitet ihr Schwester
Hille aus dem Tor. Sobald aber die Wachen Hilles Rückkehr melden und sie
des Bischofs Haupt bringt – so laß dreimal die Hörner blasen,
Knipperdolling. Dies sei das Zeichen, daß wir die Tore öffnen und über
das Lager herfallen. – Dies ist Gottes Wille und Absicht.

ALLE (begeistert): Johann! Johann!

JOHANN (beugt das Knie vor Hille): Gott geleite dich, Schwester Hille!

HILLE (verzückt): Bete für mich, König Johann, daß mich die Kraft nicht
verläßt.

JOHANN. Ich werde im Geist bei dir sein.

HILLE. Betet alle für mich. (Ab mit Divara.)

ALLE. Friede sei mit dir, Johann!

                     Alle ab. Johann bleibt allein.

   Johann steht in der Mitte des Raumes, in tiefes Nachdenken
    versunken. Sein Blick brennt. Eine Magd steckt einige Kerzen an.

WENZEL (tritt scheu ein): Divara schickt mich zu Euch.

JOHANN (ohne aufzublicken): Wer spricht hier?

WENZEL. Divara schickt mich zu Euch. Ich bin Wenzel von der
Langenstraaten, bischöflicher Fähnrich, heute in Gefangenschaft geraten.
(Wirft sich in die Knie.) Ich bitte um die Gnade, in Münster bleiben zu
dürfen. Bin dir, Johann, mit Leib und Seele ergeben.

JOHANN (blickt ihn an): Du zitterst?

WENZEL. Ich habe Furcht vor dir.

JOHANN (lächelt): Stehe auf. Bald wird die Zeit vorüber sein, da ein
Mensch vor dem anderen Furcht hat. Vor Gott allein sollst du zittern.
Zittere, wenn die Sonne aufgeht, denn der Herr ist im Licht. Wenn der
Wind säuselt, so zittere, denn der Herr ist im Winde. Niemals aber
zittere vor dem gebrechlichen Menschen. – Bleibe in Münster. Bemühe
dich. Diene auf den Wällen und sage Knipperdolling, daß er dir einen
Platz anweisen möge. Jetzt gehe!

                               Wenzel ab.

JOHANN (steht wie vorhin, tief in Gedanken versunken. Seine Augen
brennen.)

DIVARA (tritt ein, sie betrachtet Johann eine Weile): Du bist unruhig,
Johann?

JOHANN (regt sich nicht von der Stelle, leise): Ich höre viele Stimmen
in mir.

DIVARA. Du solltest schlafen. Johann. Zwei Nächte und zwei Tage bist du
ohne Schlaf. Und heute war ein heißer Tag.

JOHANN. Schlaf? Wer könnte jetzt schlafen? – Ein neuer Tag ist
angebrochen, ich fühle es, Divara. Oft habe ich gezweifelt, ob es recht
sei, mit dem Schwerte für das Evangelium zu kämpfen. Die ersten Täufer
berührten kein Schwert, wie die ersten Christen es nicht berührten.

DIVARA. Du weißt, Johann, daß Gott Mathys das Schwert in die Hand gab
und ihm befahl, die Ungläubigen mit dem Schwerte zu bekämpfen.

JOHANN. Wohl weiß ich es. Wer aber kennt Gottes Beschlüsse? Ich höre
eine Stimme, die sagt, daß ein neuer Tag heraufkommt. Gott hat mir durch
Hille Feiken ein Zeichen gegeben. Ich höre eine Stimme, die sagt: Wirf
das Schwert weg, Johann. Nimm einen grünen Zweig in die Hand und gehe
damit den Feinden entgegen. Sie werden vor dir niederfallen und du wirst
sie besiegen. Ich will meine Feinde mit dem Geiste schlagen, spricht die
Stimme, und nicht mit dem Schwert. (Er taumelt vor Erschöpfung.)

DIVARA. Du bist müde, Johann, ruhe. Lege deinen Kopf in meinen Schoß,
wie du es oft getan hast. Schlafe und die Zweifel werden dich nicht
quälen. Das Lamm Gottes hat genug geblutet, du weißt es. Deshalb lehrte
Mathys die Vernichtung der Ungläubigen.

JOHANN (legt den Kopf in Divaras Schoß. Augenblicklich fällt er, halb
kniend, halb liegend, in Schlaf.)

DIVARA (starrt vor sich hin voller Gram und Sehnsucht): Mathys! Mathys!

JOHANN. Riefst du?

DIVARA. Nein. Ich sagte nichts. Schlafe, Johann. (Nach einer Weile.)
Mathys! Mathys!

JOHANN (fährt auf, unruhig): Ich höre singen.

DIVARA. Es sind die Frauen, die Hille Feiken schmücken. Sie singen dazu.
Schlafe jetzt, Johann.

JOHANN (erhebt sich): Ich will nicht schlafen. Nur ein Tier schläft in
solcher Nacht. – Lies, Divara, wie jeden Abend. Lies die Offenbarungen.

DIVARA (nimmt die Bibel und liest).

Und hörete eine Stimme von dem Stuhl, die sprach: Siehe da, eine Hütte
Gottes bei den Menschen. Und er wird bei ihnen wohnen und sie werden ein
Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Der Tod wird nicht
mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein, denn
das Erste ist vergangen. Und der auf dem Stuhle saß, sprach: Siehe, ich
mache alles neu ...

JOHANN, (der erschüttert zugehört hat, hebt die Hand): Genug. Gute
Nacht, Divara. (Divara geht.)

JOHANN (erhebt sich): Siehe, ich mache alles neu ... (Lächelt verzückt.)
Abwischen wirst du alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht
mehr sein – noch Leid – (Er streckt die Arme zum Himmel.) Noch Geschrei
... Ja, komm, komm, Herr Jesu Christ! (Er stürzt in die Knie.) Ich bin
dein Knecht, Herr. Elend und unwürdig. Erleuchte mich! Gib mir die
Kraft, dein Volk durch die Wüste zu führen! – Ja, mache sie neu, diese
Welt. Mache alles neu ... Mein Herz ist froh – du, du, großer Gott, du
wirst es tun ...

    In einer ekstatischen Verzerrung, die Arme erhoben, erstarrt er.

                           Der Vorhang fällt.




                              Dritter Akt


                      Das bischöfliche Feldlager.

   Saal in einem Kloster. Einfach, getüncht. Nur einzelne Stücke,
   ein Tisch, ein paar Stühle, ein auffallend großes Kruzifix verraten
   Reichtum. Ein hoher Ledersessel für den Bischof. In der Mitte der
   Rückwand führt eine breite, mit einem Vorhang verhängte Tür zu
   den Privaträumen des Bischofs. Einige Stufen führen zu dieser
                              Türe empor.

   Die Mitte des Saals ist frei. Im Drittel rechts befindet sich der
   Sessel des Bischofs. Zwei hohe Bogenfenster. Tiefe Nischen. Im
   Drittel links steht vorn ein großer runder Tisch, um ihn herum
              einige hochlehnige Stühle. Eine breite Türe.

   In der Ecke links führt eine schmale steile Steintreppe zu einer
                          kleinen Türe empor.

            Die Morgensonne scheint durch die Bogenfenster.

   Der Bischof ist beim Frühstück. Diener tragen Schüsseln und
   Gefäße durch den Raum. Man sieht, daß der Bischof auf eine gute
                              Tafel hält.

   Der bischöfliche Sekretär Dr. Melchior sitzt an dem großen, mit
   Schriftstücken und Büchern bedeckten Tisch und schreibt. Typus
             des Gelehrten; Brille. In geistlicher Tracht.

   Graf Seedorf, der Gesandte des Kurfürsten von Sachsen, steif und
   hochmütig, geht wartend im Saale hin und her. Er ist weltlich
                         gekleidet. Lutheraner.

GRAF SEEDORF (bleibt an einem der beiden Bogenfenster stehen und blickt
hinaus): Das also ist Münster! (Mit einem leisen Lachen.) Und dort sitzt
er, der Schneider Johann! – Aber weshalb brennen sie Feuer auf den
Wällen, Dr. Melchior?

DR. MELCHIOR (blickt auf, mit rotem Kopf): Es sind Freudenfeuer, Graf
Seedorf. Sie wissen in ihrem Übermut nicht, was sie tun sollen. (Ächzt.)
Ihr habt Euch einen schlimmen Tag ausgewählt zu Eurer Ankunft im
bischöflichen Feldlager.

GRAF SEEDORF. Ich bin glücklich, daß ich nicht gestern eingetroffen bin.

DR. MELCHIOR. Ja, bei der gebenedeiten Jungfrau, Ihr könnt Euch in der
Tat glücklich schätzen.

GRAF SEEDORF. Der Bischof hat gestern, wenn ich so sagen darf, mit wenig
Waffenglück gekämpft.

DR. MELCHIOR. Es war ein unseliger Tag, Graf Seedorf, erinnert mich
nicht daran. So hoffe ich nur, daß die Botschaften, die Ihr vom
Kurfürsten von Sachsen bringt, günstig sein mögen und ein Trost für das
Herz des Bischofs?

GRAF SEEDORF. Ich hoffe es, Dr. Melchior. Ich glaube in Aussicht stellen
zu können, daß der Kurfürst bald wichtige Entschlüsse fassen wird, um
der Sache des Bischofs zu dienen. Luther hat seinen ganzen Einfluß
geltend gemacht. Er ist nicht gut auf die Täufer zu sprechen.

DR. MELCHIOR. Hm!

GRAF SEEDORF. Sagtet Ihr etwas?

DR. MELCHIOR. Nichts, nein, wie sollte ich? Ihr seht, ich atme auf, Graf
Seedorf.

GRAF SEEDORF. Es sind allerdings noch gewisse Schwierigkeiten, gewisse,
wie soll ich sagen?

DR. MELCHIOR. Schwierigkeiten?

GRAF SEEDORF. Es ist dem Kurfürsten zu Ohren gekommen, daß der Bischof
beschlossen hat, die evangelische Lehre in Münster mit der Wurzel
auszurotten und alle Evangelischen in der Stadt mit dem Schwerte zu
richten, einerlei, ob sie wirkliche Täufers seien oder nur Verführte.

DR. MELCHIOR. Seht mich hier sitzen, Graf Seedorf! Ich rufe Gott zum
Zeugen an. Er soll mich augenblicklich vor Euren Augen tot zu Boden
strecken, wenn all das nicht bösartige Verleumdung und Lüge ist.

GRAF SEEDORF. Hätte der Bischof nicht den evangelischen Gesandten Dr.
van der Wiek in Iburg enthaupten lassen, so wäre ja der Argwohn der
evangelischen Fürsten leichter zu beschwichtigen.

DR. MELCHIOR (windet sich): Da kommt Ihr wieder mit der unseligen Sache!
(Flüsternd.) Seine Fürstliche Gnaden bereuen selbst diese übereilte
Handlung. Seine Fürstliche Gnaden haben den evangelischen Fürsten jede
Genugtuung angeboten. Ganz im Vertrauen, Graf Seedorf, es ist nur für
Euch bestimmt. Stehen die evangelischen Fürsten dem Bischof nicht im
Kampfe gegen diese Höllengeister bei, so wird er gezwungen sein, sich
mit dem Hofe von Brüssel-Brabant zu verbünden, der Hilfe und Geld anbot.
Wie es dann um die evangelische Lehre und evangelischen Prediger im
Stift Münster stehen wird, könnt Ihr Euch wohl ausmalen. Die Spanier
haben das Stift Lüttich verschluckt und das Land des Herzogs von
Geldern. Sie werden auch das Stift Münster verschlingen mit allen
Städten, Dörfern, Klöstern und Gemeinden. Bemüht Euch beim Kurfürsten,
ich sehe keinen andern Weg mehr. Es geht um das Christentum. Die Täufer
sind ebenso Feinde der evangelischen wie der katholischen Kirche.

GRAF SEEDORF. Wahr, sehr wahr, Doktor!

DR. MELCHIOR. Wie gut, daß Ihr gekommen seid! Und wir alle sind
glücklich, daß der Kurfürst gerade Euch gesandt hat, Graf Seedorf! Wüßte
der Kurfürst von Sachsen, Euer milder und erlauchter Herr, welche Gefahr
der gesamten Christenheit droht, er würde nicht eine Stunde länger
zögern! (Er gerät in Eifer.) Spitzbuben, Galgenvögel, Zuchthäusler und
landfremdes Gesindel – das sind heute die Herren in Münster! Alle
Strolche und Taugenichtse des ganzen Landes hat Johann nach Münster
gezogen, indem er ihnen Wohnung, Nahrung und Kleidung versprach. Und
seine Kriegsknechte bezahlt er mit gestohlenem Golde. Seht her, Wartet.
(Er kramt in den Papieren.) Nicht nur, daß sie – (deutet in die Richtung
von Münster) – die heiligen Sakramente schändeten und ein Sodom aus
Münster gemacht haben – es gibt keine Greuel, die sie nicht verüben. Sie
lesen Spottmessen in den Kirchen, in greulichen Vermummungen. Sie haben
die Kirchengewänder zerschnitten und Wämser für ihre Weiber daraus
genäht. Sie haben Gemälde und Bildwerke aus den Kirchen gerissen und
verbrannt. Gott, sagen sie, wolle nur im Geiste angebetet werden und
alles Bildwerk sei wider Gott. Ei, sie müssen ja wissen, was Gott will,
die Galgenstricke! Sie haben sogar die silbernen Särge der Reliquien
zertrümmert und eingeschmolzen.

GRAF SEEDORF. Ist es möglich? Dr. Melchior?

DR. MELCHIOR. Möglich, Graf Seedorf, was ist bei ihnen nicht möglich?
Sie haben die Glocken aus den Gestühlen genommen und daraus Geschütze
gegossen. Seht, was sie allein aus der Kapelle von St. Martini geraubt
und geplündert haben. (Rasch): Zwei silberne Engel, jeder acht Pfund
schwer. Zwanzig Kerzenstöcke von Silber, einhundertsiebzig Pfund im
Gewicht, im Werte von fünfhundert Gulden.

GRAF SEEDORF. Fünfhundert Gulden!

DR. MELCHIOR. Ein silberner Sarg, neun Pfund schwer. Sechs silberne
Becken, dreißig silberne und goldene Meßkannen. Vier Chorsängerbücher
auf Pergament gemalt und auf dreitausend Kronen geschätzt.

GRAF SEEDORF. Dreitausend Kronen!

DR. MELCHIOR. Ein Rauchfaß, sieben Pfund schwer, aus Silber und mit
Edelsteinen besetzt. Das Haupt des heiligen Martin, eingefaßt in
fünfhundert Lot lauteren Goldes.

GRAF SEEDORF. Ist es möglich, fünfhundert Lot lauteres Gold!

DR. MELCHIOR. Das ist nur eine einzige Kapelle, Graf Seedorf! Hier, hier
seht die Listen. Ja, da kann man leicht die Kriegsknechte bezahlen! Und
wißt ihr, was sie mit der Orgel von St. Ägidi getan haben, die
fünfzehntausend Gulden kostete? Wie, wißt Ihr?

GRAF SEEDORF. Wie sollte ich es wissen?

DR. MELCHIOR. Sie haben Stricke um die Pfeifen gebunden und die Pfeifen
von Pferden herausreißen lassen! (Er sinkt erschöpft zurück.)

GRAF SEEDORF (lacht).

DR. MELCHIOR. Und Ihr beliebt zu lachen, Graf Seedorf?

GRAF SEEDORF. Verzeiht, ich mußte lachen. Denn eine solche Geschichte
habe ich in meinem ganzen Leben nicht gehört. Und fünfzehntausend
Gulden, sagt Ihr, kostete die Orgel? Das wird den Kurfürsten
interessieren.

DR. MELCHIOR (erregt): Aber hört weiter, Graf Seedorf, und vielleicht
wird Euch das Lachen vergehen. Wenn Johann Bokelson aus Leyden den Sieg
davontragen sollte, dann wird es weder Grafen, noch Barone, noch Junker,
noch privilegierte Stände mehr geben.

GRAF SEEDORF (erschrocken): Wie meint Ihr das? Wie soll ich das
verstehen?

JOHANN VON RAESFELD, (der Kämmerer des Bischofs, kommt aus den
bischöflichen Gemächern. In geistlicher Tracht. Er ist dunkel,
leidenschaftlich, kränklich, ehrgeizig, gallig. Verächtliche Miene,
grausame Augen. Unruhig. Verbeugt sich vor Graf Seedorf mit großer
Herzlichkeit und Ehrerbietung): Seine fürstliche Gnaden schätzen sich
glücklich, Euer Erlaucht zu begrüßen.

   Er geleitet Graf Seedorf zum Vorhang. Verbeugungen. Graf Seedorf
                                  ab.

JOHANN VON RAESFELD. Sie sind immer die gleichen, die Freunde Luthers.
Kalt und hochmütig. Man weiß nicht, woran man ist. Ich mißtraue den
Lutherischen.

DR. MELCHIOR. Und sie mißtrauen uns!

JOHANN VON RAESFELD. Ich hätte Lust, den Gesandten des Kurfürsten
dorthin ans Fenster zu führen und ihm zu sagen: Hier, Euer Erlaucht,
betrachtet das Babylon seiner Majestät des Satans! Es ist Euer Werk, das
Werk Luthers! Es ist die lutherische Saat, die in Münster so herrlich
aufgegangen ist. Ist es wahr, oder ist es eine Lüge, Dr. Melchior: es
gibt keine Täufer, die nicht zuvor Lutheraner gewesen sind.

DR. MELCHIOR. Es ist so wahr, wie das Evangelium selbst!

JOHANN VON RAESFELD. Und nun ist es dahin gekommen, daß wir den
lutherischen Ketzern Schmeicheleien ins Maul schmieren und sie bitten
müssen, das Feuer löschen zu helfen, das Luther mit seinen Ketzereien
entfachte. (Er wirft sich in einen Stuhl.) Zuweilen ist solch ein Ekel
in mir, Dr. Melchior, daß ich mich hinlegen möchte und sterben.

DR. MELCHIOR. Ihr solltet auf Eure Galle Rücksicht nehmen.

JOHANN VON RAESFELD. Sechshundert Mann und sechzig Hauptleute verloren!
Und dazu die Demütigung vor dem ganzen Lande, von diesem Ketzer und
Antichrist, diesem Schneidergesellen aus Leyden geschlagen worden zu
sein. Habt Ihr gehört, wie sie sangen, die ganze Nacht hindurch, auf den
Wällen, Hohn und Spott!

DR. MELCHIOR. Ich habe nicht ein Auge geschlossen in dieser Nacht.

JOHANN VON RAESFELD (erhebt sich wieder, unruhig): Noch jetzt tritt mir
der kalte Schweiß auf die Stirn, denke ich daran, was geschehen wäre,
wenn Johann, dieser von tausend Teufeln Besessene, auf den Gedanken
gekommen wäre, das Lager zu überfallen.

DR. MELCHIOR. So schlimm stand es, glaubt Ihr?

JOHANN VON RAESFELD. Meister Melchior, der Himmel hat uns beschützt.
Hätte Johann den Überfall gewagt: das ganze Lager wäre in seine Hand
gefallen. Mit Geschütz, Pulver, Blei, Korn, Vieh! Alles hätte er
gewonnen!

DR. MELCHIOR. Heilige Mutter Gottes!

JOHANN VON RAESFELD. Das Schlimmste hat der Himmel verhütet. Aber doch
fürchte ich, die Wirkung unserer Niederlage wird unheilvoll genug sein
im ganzen Lande. Die Verwirrung der Geister und Seelen wird sich noch
mehren. Alle Unzufriedenen, alle Schwankenden und Schwachen werden sich
auf Johanns Seite schlagen. Sagen die Bauern nicht schon, der Stern, der
Nachts über Münster steht, sei der Stern Christi? Ich wollte, ich wüßte
nichts mehr von dieser Welt.

                        Ein Offizier tritt ein.

JOHANN VON RAESFELD. Was gibt es Neues, mein Freund? Nichts Gutes,
fürchte ich.

OFFIZIER. Die Täufer schicken die bischöfliche Urkunde von Telgte an den
Bischof zurück.

JOHANN VON RAESFELD. Was für eine Urkunde?

DR. MELCHIOR. Laßt sehn! (Belustigt.) Wahrhaftig, es ist die Urkunde von
Telgte. – Ihr wißt – worin der Bischof freies religiöses Bekenntnis in
der Stadt Münster verbürgte. Hier ist das Siegel des Bischofs. Hier ist
Eure Unterschrift, die Unterschrift des bischöflichen Kanzlers. Hier die
meine.

JOHANN VON RAESFELD. Wie kam die Urkunde in Eure Hand?

OFFIZIER. Die Täufer trieben einen mageren Esel ins Lager. Auf den Kopf
hatten sie dem Esel, mit Verlaub zu sagen, eine Bischofsmütze gesetzt
und an den Schwanz diese Urkunde gebunden.

DR. MELCHIOR. Wie? Was? Heilige Anna!

JOHANN VON RAESFELD. Was sagt Ihr dazu, Dr. Melchior? Sie wagen es, den
Bischof zu verspotten. Wartet, wartet, ihr Elenden! Wir werden dem
Bischof diese Büberei verschweigen, um seine Gesundheit zu schonen. Der
Bischof sah ohnehin bei der Tafel aus, als habe er drei Tage im Grabe
gelegen.

OFFIZIER. Das ganze Münsterland ist in Aufruhr. Die Bauern weigern sich,
fernerhin ihre Fuhrwerke zu stellen.

JOHANN VON RAESFELD. Was sagte ich, Dr. Melchior? Ist es so gekommen,
wie ich sagte, oder nicht? Schon machen die Bauern den Nacken steif.
Greift die ersten sechs Bauern, die euch nahekommen, und laßt sie
auspeitschen!

OFFIZIER. Eine Abordnung der bischöflichen Kriegsknechte ist
eingetroffen und verlangt die Feldobersten zu sprechen.

JOHANN VON RAESFELD. Was soll das heißen? Ist Rebellion im Lager des
Bischofs ausgebrochen? Legt sie in Ketten!

OFFIZIER. Wenn ich sie in Ketten lege, so verläuft sich heute noch das
ganze Lager. Sie entlaufen ohnehin in ganzen Haufen. Achtzig Knechte der
Stadt Deventer sind heute nacht nach Münster übergegangen.

JOHANN VON RAESFELD (streng): Was fordern sie?

OFFIZIER. Sie verlangen den rückständigen Sold. Weiter fordern sie
künftig doppelte Löhnung. Wird ihre Forderung nicht bewilligt, so drohen
sie, einfach abzuziehen.

JOHANN VON RAESFELD. Herrlich, wunderbar! Soweit ist es gekommen durch
die Milde des Bischofs. Die Landsknechte schicken Deputationen und
fordern Sold! Früher hätte man ihnen die Köpfe abgeschlagen. Was habe
ich geraten, Dr. Melchior? Man kann das Volk nur mit Galgen und Schwert
bändigen, die menschlichen Leidenschaften sind zu tierisch. Die Knechte
sollen warten, bis die Feldobersten von der Tafel kommen.

OFFIZIER. Ein Weib aus Münster wurde an den Laufgräben gefangengenommen.
Sonderbar geschmückt, mit sonderbarem Gebaren. Sie erscheint merkwürdig.

JOHANN VON RAESFELD. Diese münsterischen Weiber sind eine neue Plage
geworden. Gott hat es in seiner Weisheit so eingerichtet, daß auf jedes
Weib ein Mann trifft. Trifft ein Mann auf drei Weiber, so verlieren alle
drei Weiber die Sinne.

OFFIZIER. Wir haben sie in scharfes Verhör genommen. Sie verlangt den
Bischof zu sprechen. Sie will ihm wichtige Mitteilungen machen. Aber nur
dem Bischof persönlich will sie sich anvertrauen.

JOHANN VON RAESFELD. Sonst hat sie keinen Wunsch? Will sie nicht zur
bischöflichen Tafel geladen werden?

OFFIZIER. Sie tut sehr geheimnisvoll. Sie sagt, sie wolle dem Bischof
die Schlüssel der Stadt Münster übergeben.

DR. MELCHIOR. Was sagte sie?

OFFIZIER. So sagte sie.

JOHANN VON RAESFELD. Gut. Schüchtert sie gehörig ein, dann führt sie
vor.

OFFIZIER. Ein Bürger aus Münster ist unseren Wachen in die Hand
gefallen. Wir haben ihn gestreckt. Er will bekennen.

JOHANN VON RAESFELD. Um so besser für ihn. Weiter!

OFFIZIER. Die Stadt Warendorf hat gestern abend, nachdem sie den Sieg
der Täufer vernommen hatte, einen Rat einberufen. Am Morgen schon waren
ihre Boten in Münster: der Rat der Stadt Warendorf erklärt sich mit
Münster im Bündnis.

JOHANN VON RAESFELD (fährt auf): Warendorf? Warendorf im Bündnis mit
Münster?

DR. MELCHIOR. Was sagt Ihr da?

JOHANN VON RAESFELD. Offener Aufruhr im Stift Münster, Dr. Melchior!

DR. MELCHIOR. Sollte es möglich sein?

JOHANN VON RAESFELD. Marter und Leiden und Wunden und Kreuz und alle
Plagen wünschen wir dem Rate der Stadt Warendorf. Sie werden den Schritt
bitter bereuen oder ich bin die längste Zeit am Hofe des Bischofs Franz
Kämmerer gewesen. – Führt das münsterische Weib vor, oder besser, erst
den Bürger. Frauen am Morgen sind für mich wie Spinnen, sie verderben
mir den ganzen Tag.

                            Der Offizier ab.

JOHANN VON RAESFELD (setzt sich erschöpft): Auf Schlimmes war ich
gefaßt, aber es ist noch schlimmer gekommen. Rebellion, Aufruhr, das
Lager in Auflösung, Dr. Melchior! Nur ein Wunder kann noch helfen,
Doktor Melchior! Die Sache des Bischofs gefällt mir nicht.

DR. MELCHIOR. Dazu drohen die Grafen Oldenburg wieder mit dem Einfall
wegen der Grenzstreitigkeit.

JOHANN VON RAESFELD. Feinde als Nachbarn und keine Freunde im Reich. Es
ist gerade, als ob die Hölle ihren Unflat im münsterischen Lande abladen
wolle.

   Der gefangene Bürger wird von Knechten die Steintreppe (Ecke
       links) hinabgestoßen. Er schreit. Wirft sich auf die Knie.

GEFANGENER BÜRGER. Gnade, Gnade, ihr Herren. Gelobt sei Jesus Christus!

JOHANN VON RAESFELD. Winsle wie ein Hund, du Fratze eines Christen.
Beflecke mit deinen Grimassen nicht diesen Raum. Stehe auf, du Spitzbube
und Galgenvogel.

DR. MELCHIOR. Wie heißt du? Wer bist du?

GEFANGENER BÜRGER. Ich heiße, ihr hohen Herrn, Martin Zänglein und bin
seit dreißig Jahren Schuhmachermeister in Münster. Mein Laden ist gleich
neben dem Prinzipalmarkt. Geht hin, hohe Herren, und überzeugt euch, daß
ich die Wahrheit spreche. Ich bin als Schuster bekannt im Münsterland
und habe für Grafen und Standesherrn gearbeitet.

JOHANN VON RAESFELD. Hast du schon einen spanischen Stiefel gesehen?

GEFANGENER BÜRGER. Holländische und französische Stiefel habe ich
gesehen, aber einen spanischen noch nicht, Euer Gnaden.

JOHANN VON RAESFELD. Der spanische Stiefel, mein Sohn, ist aus Eisen.
Man steckt deinen Fuß hinein, du Spitzbube, und gießt den Stiefel voll
mit geschmolzenem Blei.

GEFANGENER BÜRGER. Au, au, Erbarmen, ihr Herrn!

DR. MELCHIOR. Weshalb hast du Münster nicht im Februar verlassen, als
die Täufer alle Bürger, die die Taufe nicht annehmen wollten, aus der
Stadt jagten?

GEFANGENER BÜRGER. Meine Frau lag auf den Tod krank, Euer Gnaden, sie
hatte die Lungensucht. Ich konnte sie nicht im Stiche lassen. Sie ist im
Sommer gestorben.

DR. MELCHIOR. Hast du die Taufe genommen?

GEFANGENER BÜRGER. Oh, hoher und edler Herr, sie hustete so schrecklich,
daß man glaubte, sie hustet sich die Lunge aus der Brust.

JOHANN VON RAESFELD. Weshalb verließest du nun die Stadt, Schuster?

GEFANGENER BÜRGER. Ach, gnädigster Herr, ich konnte alle die Greuel
nicht mehr mit ansehen. Meine Ersparnisse haben mir die Täufer
abgenommen und mein Leder nahmen sie mir, denn sie sagen, was dem einen
gehört, das gehört allen. Und ich mußte für ihre Knechte Schuhe nähen
ohne jeden Lohn.

JOHANN VON RAESFELD. Er zittert wie ein Hund, der die Räude hat. Höre,
Schuster, kannst du uns gute Auskunft geben, so wollen wir dich der
Gnade des Bischofs empfehlen und dir das Leben schenken.

GEFANGENER BÜRGER (wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem
Gesicht): Fragt, Euer Gnaden! Fragt getrost, fragt nur!

JOHANN VON RAESFELD. Ist es wahr, daß Johann heute nacht Apostel
aussandte? Wieviel und wohin? Kannst du das sagen?

GEFANGENER BÜRGER. Es ist wahr. Man sagte, zwölf Apostel. Wohin sie
gingen, das kann ich nicht sagen.

DR. MELCHIOR. Vielleicht ist der Schuster selbst einer der Apostel
Johanns?

GEFANGENER BÜRGER. Ich schwöre bei meiner Seligkeit, ich bin kein
Apostel.

JOHANN VON RAESFELD (lacht): Dies ist das erste Wort, das ich dir
glaube. Wie hießen die Apostel, die Johann aussandte?

GEFANGENER BÜRGER. Ich weiß es nicht. Nur einen kannte ich. Es war der
frühere Mönch Roll.

JOHANN VON RAESFELD (wie von einer Nadel gestochen): Roll!?

DR. MELCHIOR. Roll! War die Schlange wieder in Münster?

GEFANGENER BÜRGER. Ich habe ihn deutlich erkannt, Euer Gnaden, ich habe
ihm die Sandalen genäht, als er noch die Kutte trug.

JOHANN VON RAESFELD. Man muß sofort Streifen abreiten lassen und Boten
senden! – Was weißt du sonst von Münster zu berichten?

GEFANGENER BÜRGER. Oh, ihr hohen Herren, Münster ist zu einem verrufenen
Haus geworden. Selbst die Sechzehnjährigen müssen jetzt schon ehelichen.
In Haufen dringen die Burschen in die Häuser, so daß es großes
Wehgeschrei unter den Mägden und Frauen gibt. Es ist Tag und Nacht Zank
unter den Weibern und Johann ließ drei Weiber hinrichten. Münster ist
solch ein Sodom geworden, daß alle Sittlichkeit zuschanden wurde.

JOHANN VON RAESFELD. Schwätze nicht, Schuster! Sind die Rationen knapp
geworden?

GEFANGENER BÜRGER. Die Kriegsknechte fressen Münster kahl. Das Korn wird
knapp, Euer Gnaden. Die Diakone gehen wieder von Haus zu Haus und
schnüffeln nach Korn und Nahrung. Es herrscht überall Unzufriedenheit,
und wer nur ein Wort sagt, das den Täufern mißfällt, der wird in den
Kerker geworfen, wenn sie ihn nicht töten. Die Täufer selbst aber liegen
sich in den Haaren.

JOHANN VON RAESFELD. Die Täufer selbst sind uneinig, sagst du? Munter,
Schuster!

GEFANGENER BÜRGER. Es gab schon Streit beim Gerichtstag und im Rat.
Knipperdolling ist auf Johann neidisch und sammelt seinen Anhang.
Knipperdolling sagt, Johann blase sich auf in falschem Stolz, und das
tut er, ihr Herren. Er trägt eine Krone, ihr Herren, und ein Zepter,
wenn er zu Gericht sitzt. Man sagt, Knipperdolling wolle König werden.

JOHANN VON RAESFELD. Achte jetzt auf meine Frage, Schuster! Spione sind
aus der Stadt gekommen und haben berichtet, daß Johann heute einen
Ausfall machen will, um das Lager zu stürmen. Überlege dir wohl, was du
sagst.

GEFANGENER BÜRGER. Ich überlege wohl, Euer Gnaden. Jedes Wort, das ich
spreche, ist lautere Wahrheit. Schon seit Pfingsten predigt Johann, daß
er ausziehen will, um die Welt zu erobern. Er läßt bereits Säcke nähen.

JOHANN VON RAESFELD. Daß Johann mit dem Auszug prahlt, wissen wir. Aber,
hast du Vorbereitungen wahrgenommen, daß er heute einen Ausfall machen
will?

GEFANGENER BÜRGER. Davon habe ich nichts gesehen und gehört. Ich habe
gesehen, daß sie Pech und Kalk auf den Wällen bereitstellen, weil sie
glauben, daß die Bischöflichen nochmals stürmen könnten.

JOHANN VON RAESFELD. Das also hast du gesehen, Schuster? Mit eigenen
Augen?

GEFANGENER BÜRGER. Mit eigenen Augen. Ich sah auch, daß sie die Breschen
und Löcher in den Wällen ausbessern.

JOHANN VON RAESFELD (atmet auf): Nun gut! – Pack dich jetzt, Schuster!
Du hast uns keine Neuigkeiten erzählt. Was du berichtet hast, wußten wir
schon lange.

GEFANGENER BÜRGER. Euer Gnaden! (Voller Angst.) Es ist auch ein
münsterisches Weib in die Hände der bischöflichen Knechte gefallen.
Hütet Euch vor diesem Weib. Sie ist eine Täuferin und geht im Hause
Johanns ein und aus.

JOHANN VON RAESFELD (stutzt erst, dann): Schrecke uns nicht mit
münsterischen Weibern. – Das Leben wollen wir dir schenken –

GEFANGENER BÜRGER (in ungewisser Freude): Oh, Herr, gnädigster Herr! –

JOHANN VON RAESFELD. Knechte! Nehmt ihn! Gerbt ihm tüchtig das Leder, da
er doch ein Schuster ist. Dann treibt ihn mit Peitschen zurück zu den
Toren Münsters.

GEFANGENER BÜRGER (auf den Knien): Johann wird mich in Stücke hauen
lassen.

JOHANN VON RAESFELD. Er erspart uns die Arbeit. Fort mit dem Haufen
Dreck.

   Der Bürger schreit, wird von den Knechten die Treppe hinaufgestoßen.

   Der Vorhang der Mitteltüre wird auseinandergenommen. Eine Schar
   von Würdenträgern und Beamten, teils in weltlicher, teils in
   geistlicher Tracht, tritt in den unteren Saal. Einige Marschälle
   und Feldobersten, darunter Meinhard von Hamm. Ferner Graf
                                Seedorf.

                     Zuletzt erscheint der Bischof.

DER BISCHOF (ist etwa 60 Jahre alt. Sein Gesicht ist staubgrau und ohne
jedes Leben. Öffnet er aber die Augen, so funkeln sie. Seine
priesterliche Milde ist nur gespielt. Verschlagenheit und Härte brechen
zuweilen unvermittelt durch die Maske.)

BISCHOF (noch oben): Die Welt geht auf allen vieren, ihr Herren. Die
Welt ist aus dem Gleichgewicht geworfen und kann ihre Ruhe nicht
wiederfinden. Alles Menschliche neigt sich zu kläglichem Untergang und
wir sind fast ohne jegliche Hoffnung.

Franz von Frankreich brandschatzte Rom, der Türke zog gegen die
christlichen Völker, Hessen und Württemberg bedrohen den
österreichischen Ferdinand, Lübeck liegt im Krieg mit Holstein. In allen
Ländern stehen die Kriegshaufen, bereit, über die Grenze zu fallen. Dazu
Hungersnot, Pestilenz und englischer Schweiß in vielen Provinzen. Gott
züchtigt seine Völker mit mancherlei Geißeln. (Steigt herab in den
unteren Saal.)

In unserem Stift Münster hat der Satan selbst seine Feste aufgeschlagen,
mitten im Land, und das arme Volk verführt und geblendet.

Dies sind die Zeiten, ihr Herren, ohne Schlaf und ohne Trost.

                Er wird zu seinem Ledersessel geleitet.

Gott ist unser Zeuge, liebe Freunde, daß wir nichts unversucht gelassen
haben, um unserem geprüften Lande die Ruhe wiederzugeben. Wir haben
keine Opfer gescheut. Siebzigtausend Goldgulden haben wir aus unserer
Schatulle bis heute bezahlt und dazu Gelder bei Freunden und Vettern
geliehen. Meldet es getrost meinem Vetter, dem Kurfürsten von Sachsen,
Graf Seedorf. Wir sind heute so arm, daß wir unsere Knechte und
Hauptleute nicht mehr bezahlen können. Unsere Freunde und Vettern, der
Erzbischof Hermann von Köln, Herzog Johann von Cleve, Landgraf Philipp
von Hessen, Herzog Ernst von Lüneburg, Herzog von Geldern, die Räte der
Städte Deventer, Campen und Zwolle haben uns mit Geschütz, Pulver,
Knechten und Darlehn unterstützt, so gut sie konnten.

Andere Freunde und Nachbarn freilich ließen uns im Stich, obwohl wir
Briefe über Briefe und Sendschreiben über Sendschreiben an sie
schickten. An unserm Eifer mangelte es nicht. Aber, leider muß ich es
bekennen, die Sache des Reiches und der Christenheit scheint ihnen nicht
so wichtig wie Hofhaltung und Hirschjagden. Nun ist unsere Not groß.
Aber wir verzagen nicht. Wir setzen unsere Hoffnung in den himmlischen
Schirmherrn und unsere Freunde. Sagt es Eurem erlauchten Herrn, dem
Kurfürsten, Graf Seedorf.

GRAF SEEDORF (verneigt sich).

DER BISCHOF (zu Meinhard von Hamm): Und nun, unser lieber Feldoberst
Meinhard von Hamm, da Ihr Euch mit eigenen Augen von dem Stand der Dinge
in Münster überzeugen konntet, wollt Ihr uns Euren Rat wissen lassen.

MEINHARD VON HAMM. Vor allen Dingen, Eure fürstliche Gnaden, scheint es
das Dringendste, das Lager zu beruhigen. Die Kriegsknechte sind
unzufrieden, da sie seit vier Wochen keinen Sold erhielten. Können wir
auch den Sold nicht ganz bezahlen, so sollte der Knecht doch einen Teil
erhalten.

JOHANN VON RAESFELD. Einen Galgen errichtet im Lager, Meinhard!

DER BISCHOF. Geld! Seht meine Hände. Selbst Siegelringe und Angebinde
hoher Freunde und Erbstücke sind längst dahin und verpfändet.

MEINHARD VON HAMM. Eure fürstliche Gnaden mögen mich ermächtigen,
fünftausend Bauern zum Schanzen aufzurufen. Gräben, Palisaden,
Wolfsgraben und Blockhäuser sollen Münster so fest umschließen wie ein
Ring den Finger. So nützen wir die Zeit, bis wir Kräfte zu einem neuen
Angriff gesammelt haben, beschäftigen die Kriegsknechte und erfüllen sie
mit Vertrauen und geben allen christlichen Fürsten einen Beweis unserer
Ausdauer und Zuversicht.

BISCHOF. Gut, Meinhard. Nehmt zehntausend Bauern.

JOHANN VON RAESFELD. Eure fürstliche Gnaden mögen eine neue Mahnung an
die Lehnsleute und Ritter und Städte des Stifts richten, mit allem, was
sie haben an Pferden, Reisigen, Waffen, Wagen sich im Lager einzufinden.

BISCHOF. Es soll eine letzte Mahnung sein. Wer ihr nicht nachkommt, dem
soll unsere Gnade entzogen werden für immer.

JOHANN VON RAESFELD (mit Schärfe): Eure fürstliche Gnaden mögen
befehlen, daß die Stadt Warendorf augenblicklich mit Krieg überzogen
wird.

BISCHOF. Die Stadt Warendorf?

JOHANN VON RAESFELD. Der Rat der Stadt Warendorf hat ein Bündnis mit
Münster geschlossen.

                               Erregung.

STIMMEN. Der Rat von Warendorf? Warendorf? Aufruhr!

DER BISCHOF (nach einer Pause, mit großer Ruhe, während seine Augen
funkeln): Nehmt zweihundert Reiter, Graf von Schaumburg, oder
dreihundert, wenn Ihr es für gut haltet! Nehmt Geschütz. Brecht
unverzüglich auf, fallt wie der Wolf über die Stadt Warendorf her, die
es gewagt hat, offen gegen uns aufzustehen. Straft die Schuldigen mit
dem Schwert. Die Stadt aber steckt an vier Ecken in Brand. Noch heute
soll Münster seinen Bundesgenossen in Flammen sehen!

   Er gibt ein Zeichen und die Offiziere und Graf Seedorf entfernen
       sich. Nur die nächste Umgebung des Bischofs bleibt zurück.

   Während der Bischof den letzten Befehl gab, wurde Hille Feiken
   von dem Offizier und zwei Knechten auf die Treppe in der Ecke
   links geführt. Sie ist herausgeputzt, feierlich, trägt goldene
   Ketten, eine weiße runde Kopfbedeckung. In der Hand trägt sie
                              einen Sack.

JOHANN VON RAESFELD. Wartet!

BISCHOF (hat Hille Feiken sofort gesehen und voller Verwunderung
betrachtet): Wer ist dieses Weib dort?

JOHANN VON RAESFELD. Eine Bürgerin aus Münster. Sie fiel den Wachen
heute morgen in die Hände.

DR. MELCHIOR. Sie will Aussagen machen. (Etwas leiser zum Bischof.) Sie
versprach, Euer fürstlichen Gnaden die Schlüssel der Stadt Münster in
die Hand zu spielen.

BISCHOF. Tritt näher, meine Tochter. Wer bist du?

HILLE (tritt mit dem Lächeln einer Nachtwandlerin näher. Kniet): Ich bin
eine unwürdige Magd des Herrn.

BISCHOF. Erhebe dich, meine Tochter. Was treibt dich zu mir? Was willst
du?

HILLE (erhebt sich. Ihr Gesicht leuchtet.)

DR. MELCHIOR. Das ist ja Hille Feiken, die Hofbäuerin aus Hasselburg im
Friesischen?

HILLE (befangen): Ihr kennt mich, Herr?

DR. MELCHIOR. Ich sollte dich nicht kennen? Habe ich doch zwei Jahre in
der Bibliothek des Grafen von Hasselburg gearbeitet. Du hattest den
großen Hof am See. Fünfzig Stück Vieh, der reichste Hof in Hasselburg.
Hast du den Hof verlassen?

HILLE. Ich habe den Hof nicht mehr.

DR. MELCHIOR. Nicht mehr? Was hast du damit getan?

HILLE. Ich habe ihn den Armen gegeben.

JOHANN VON RAESFELD (betrachtet Hille Feiken argwöhnisch und streng):
Was trieb dich zu den Täufern nach Münster?

HILLE FEIKEN. Die Not meines Herzens, Herr. Es kam ein Ruf aus der
Finsternis und befahl mir, nach Münster zu gehen. So tat ich es.

BISCHOF. Du hast Münster verlassen und bist ins Lager gekommen. Was
bewegte dich dazu?

HILLE FEIKEN. Ich wollte zu dir, Bischof.

BISCHOF. So sprich, meine Tochter, was willst du von mir?

JOHANN VON RAESFELD. Gehörst du zur Sekte der Täufer? Hast du die zweite
Taufe angenommen?

HILLE FEIKEN. Ich gehöre zur Brüderschaft der Täufer. Ich bin als
Katholikin geboren, aber ich ging zu den Täufern, denn ihre Lehre ist
die reine Lehre Christi.

JOHANN VON RAESFELD. Du kennst die Gesetze gegen die Täufer?

HILLE FEIKEN. Ich fürchte keine weltliche Obrigkeit. Aber mit dir will
ich nicht sprechen, ich will mit dem Bischof sprechen. Und mit ihm ganz
allein. Verführerisch. Sende deine Diener hinweg, Bischof, damit ich mit
dir allein sprechen kann. Ich will dir die Stadt Bethulia in die Hand
geben, so daß du nicht einen Mann verlierst.

BISCHOF. Du sagst Stadt Bethulia? Seit wann nennt ihr Münster Bethulia?
Bisher nannten die Täufer sie Zion und Neues Jerusalem. Aber Bethulia?

HILLE FEIKEN. Wir nennen sie auch zuweilen Bethulia, weil sie belagert
ist, wie Bethulia, die Stadt Judiths, belagert war.

       Johann von Raesfeld flüstert argwöhnisch mit Dr. Melchior.

BISCHOF. Sprich getrost, als ob wir allein wären. Niemand wird dich
unterbrechen.

HILLE FEIKEN. Deine Magd bittet dich nochmals, Bischof, allein mit dir
sprechen zu dürfen. Denn Gott hat mir befohlen, nur dir allein das zu
sagen, was ich sagen muß.

BISCHOF. Zieht Euch zurück, Ihr Herren.

JOHANN VON RAESFELD. Wir ziehen uns zurück, aber wir werden den Saal
nicht verlassen.

BISCHOF. Und nun sprich, Hille Feiken.

HILLE FEIKEN (überwindet sich nach einigem Zögern): Höre deine Magd an,
Bischof. Wirst du tun, was ich dir sage, so wird dir Gott den Sieg
geben. Denn Gott ist erzürnt über unsere Sünden und hat durch seine
Propheten verkünden lassen, er wolle das Volk strafen um seiner Sünde
willen.

BISCHOF. Beginnt die Einkehr in Münster?

HILLE FEIKEN (geht immer näher): Die Furcht ist über sie gekommen. Dazu
leiden sie Hunger und müssen vor Durst verschmachten. Sie haben ihr Vieh
geschlachtet und sie wissen, daß sie umkommen müssen, weil sie voller
Sünde sind. Und weil ich das weiß, Bischof, bin ich von ihnen geflohen,
und der Herr hat mich zu dir gesandt, daß ich dir solches anzeige. Sie
stockt.

BISCHOF. Sprich getrost, so sonderbar deine Rede auch klingt.

HILLE FEIKEN, (ihr Gesicht leuchtet, ihr Auge ist verzückt): Und deine
Magd wird hinausgehen und Gott anbeten. Der wird mir offenbaren, wann er
ihnen ihren Lohn geben will für ihre Sünde. So will ich dann kommen und
dir’s anzeigen – und dich mitten durch Jerusalem führen – daß du alles
Volk Israels habest wie Schafe, die keine Hirten haben und wird nicht
ein Hund dich dürfen anbellen ... (Sie ist nun ganz nahe.)

BISCHOF (ist unruhig): Deine Rede wird wirrer und wirrer.

HILLE FEIKEN (mit einem verführerischen Lächeln): Denn deine Weisheit
ist hochberühmt in aller Welt und jedermann weiß, daß du der gewaltigste
Fürst bist im ganzen Königreich.

BISCHOF (hebt die Hand): Ich verstehe das Weib nicht mehr. Sie redet im
Fieber.

JOHANN VON RAESFELD (tritt vor): Aber ich verstehe sie. (Packt Hille
rasch an.) Was willst du mit dem Sack? Was hast du in dem Sack?

HILLE (verwirrt und erschrocken): Ich habe nichts in dem Sack. Glaubt
mir! Ich habe ein Stück Brot in dem Sack. Aber nicht mit dir will ich
sprechen. Nur mit dem Bischof.

JOHANN VON RAESFELD (nimmt ihr den Sack ab und nimmt ein Stück Brot
heraus): Weshalb Brot?

HILLE FEIKEN. Wenn mich hungern sollte!

JOHANN VON RAESFELD (greift in ihren Ärmel und zieht einen Dolch
heraus): Und was hast du hier?

                  Erstaunen. Der Bischof sinkt zurück.

JOHANN VON RAESFELD. Was hast du hier?

HILLE FEIKEN (tut naiv erstaunt): Ei, weshalb seht Ihr mich mit so bösen
Augen an, Herr? Ich bin eine einfache Bäuerin und ohne Arg.

JOHANN VON RAESFELD. Weshalb hast du diesen Dolch mit dir?

HILLE (unsicher): Um das Brot zu schneiden, nahm ich ein Messer mit mir.

JOHANN VON RAESFELD. Du lügst! Jetzt lügst du!

HILLE. Ich nahm das Messer mit mir, ich dachte, eure Knechte könnten
sich an mir versündigen wollen.

JOHANN VON RAESFELD. Du lügst! Du lügst! Soll ich es dir sagen?

HILLE FEIKEN (zitternd): Ich bin Witwe und ich habe geschworen, daß kein
Mann mich mehr antasten soll. Aus diesem Grunde habe ich den Dolch
mitgenommen.

JOHANN VON RAESFELD. Du lügst!

DR. MELCHIOR. Gib der Wahrheit die Ehre, Hille Feiken. Du warst immer
eine gottesfürchtige Frau, die alle schätzten.

JOHANN VON RAESFELD. Knechte! Nehmt sie! Streckt sie, bis sie bekennt!

HILLE FEIKEN (zitternd): Ich bekenne! Ich bekenne alles!

JOHANN VON RAESFELD. Nun überkommt dich die Angst, seht an!

HILLE FEIKEN. Ich bekenne um der Wahrheit und der Ehre Gottes willen.

BISCHOF. Was ist das? Sprich, meine Tochter, ich verstehe nichts mehr.

HILLE FEIKEN. Der dort fragte, wozu ich den Sack und den Dolch
mitgebracht habe? Ich habe Lügen vorgebracht. – Gott hat mir befohlen,
ins Lager zu gehen, zu dir, Bischof –

JOHANN VON RAESFELD. Der Satan hat es dir befohlen.

BISCHOF. Laßt sie sprechen!

HILLE FEIKEN. So wie Judith ins Lager des Holofernes ging. – (Sie sieht
alle an.) Der Sack, Bischof – in diesem Sack, Bischof, wollte ich dein
Haupt an die Tore Münsters bringen, so wie Judith das Haupt des
Holofernes an die Tore von Bethulia zurückgebracht hat.

   Schweigen. Schrecken und Bestürzung in den Mienen. Der Bischof
                        hat sich bleich erhoben.

HILLE (senkt das Haupt): Gott hat mich nicht für würdig befunden. Er hat
seine Hand von mir genommen.

                                Stille.

BISCHOF (ruhig): Übergebt sie dem Profosen!

   Hille Feiken wird abgeführt. Sie sträubt sich nicht, ist in ihr
                           Schicksal ergeben.

HILLE (auf der Treppe): Gott hat mich um meiner Sünden willen nicht für
würdig befunden. Du, Bischof, hast die Gewalt! Ich zürne dir nicht, denn
Christus hat befohlen, unsere Feinde zu lieben. Wenn du einst eingehen
wirst in das ewige Reich, so wird Hille Feiken für dich beten, Bischof,
denn auch du bist ein sündiger Mensch. Und solltest du in die Verdammnis
kommen, so wird Hille Feiken zu dir in die Verdammnis hinabsteigen, um
dir die Lippen zu netzen ... Weshalb schweigst du, Bischof? Wir sehen
uns wieder. Du weißt es.

JOHANN VON RAESFELD. Führt sie hinaus!

                         Hille wird abgeführt.

                                Stille.

   Alle gehen, bis auf den Bischof, Dr. Melchior und Johann von
                               Raesfeld.

                     Der Bischof sitzt regungslos.

BISCHOF (hart): Man soll einen Pfahl vor den Wällen von Münster
aufrichten. Darauf setze man ihren Kopf. Heute Nacht – damit sie ihn am
Morgen sehen sollen. – Unsre Langmut ist zu Ende. Wir lassen unser nicht
länger spotten ...

                                Stille.

BISCHOF (erhebt sich. Er erscheint sehr müde): Mit wem kämpfe ich hier,
ihr Herren? (Er blickt niemand mehr an.)

JOHANN VON RAESFELD. Mit dem Satan! Dem leibhaftigen Satan!

BISCHOF. So wollen wir unsere Anstrengungen verdoppeln! Laßt ein
Rundschreiben ergehen an all unsere Klöster, Stifte, Kapellen, Kirchen,
Abteien. Alles was Silber oder Gold ist oder edles Gestein trägt:
Monstranzen, Kelche, Kessel, Kreuze, Ringe, alles soll unverzüglich
ausgeliefert, eingeschmolzen und verkauft werden.

DR. MELCHIOR. Euer fürstliche Gnaden, es wird Unruhe geben im Lande.

BISCHOF. So werden wir Graf Schaumburg mit seinen Reitern hinschicken!
Wir werden fortan unerbittlich sein. Sind die Sendschreiben an die
evangelischen Fürsten und freien Städte vorbereitet?

DR. MELCHIOR. Sie liegen bereit.

BISCHOF. Vernichtet sie. Entwerft neue. Wir haben dringlich geschrieben
– wir müssen schreiben wie sengendes Eisen! Das Jüngste Gericht steht am
Himmel! (Er geht einige Schritte, bleibt stehen.) Besser noch, Freund
Raesfeld: wir werden uns persönlich zu den Fürsten begeben. Bereitet
alles zur Reise vor. Wie Bettler werden wir vor allen Residenzen
anhalten. Wir werden bemüht sein, einen Landtag zusammenzurufen. Niemand
sieht, ihr Herren, daß die rote Hölle in Münster aus der Erde schlägt.
Was soll geschehen, wenn Johann triumphiert? Die Welt wird sich in ein
Meer von Blut verwandeln, in dem die Kirche und die Christenheit und
alle Ordnung versinken. (Geht zu den Stufen.)

JOHANN VON RAESFELD. Wollen Euer fürstliche Gnaden das neueste von
Münster sehen? So belieben Euer fürstliche Gnaden durch das Fenster zu
blicken. Die Turmspitze von St. Ägidi ist verschwunden! Die Täufer
tragen die Spitzen der Türme ab. Sie sagen: was hoch ist, soll
erniedrigt werden.

BISCHOF (blickt auf): Ihr Herren! Mein Leben war sündhaft, aber doch
glaube ich, soviel Gutes gewirkt zu haben, um der Ruhe im Grabe gewiß zu
sein. (Mit feierlicher Stimme.) Aber, ihr Herren: Ich soll ruhelos sein
im Grabe bis zum jüngsten Tage – so ich diesen Platz verlasse, bevor
Münster gefallen ist! (Er ist oben an der Treppe angelangt. Seine Augen
funkeln.) Ich will Münster dem Satan aus den Klauen reißen und sollte
ich lebendigen Leibes dabei verbrennen! So wahr mir Gott helfe! (Er
geht. Die beiden verneigen sich tief.)

DR. MELCHIOR (schlägt das Kreuz): So habe ich unseren fürstlichen Herrn
noch nie gesehen.

JOHANN VON RAESFELD (mit einem bösen Lachen): Nun soll er sich wohl in
acht nehmen, der König Johann!

                                Vorhang.




                              Vierter Akt


                          Domplatz in Münster.

   Auf den Stufen des Doms steht eine Art Thron mit kostbaren Kissen
   und Teppichen. Links und rechts davon einige kleine Sessel ohne
                                Lehnen.

   Volk ist versammelt. Gesellen, Kriegsknechte. Dirnen. Man erkennt
   schon stark die Not. Bleiche Gesichter und zerlumpte Kleidung;
                      unzufriedene, freche Mienen.

ERSTER GESELLE (ängstlich): Heute wird Johann strenges Gericht halten!

ZWEITER GESELLE. Mit glühenden Zangen soll er unter die Unzufriedenen
fahren.

DRITTER GESELLE (laut und unbekümmert): Den Magen soll er ihnen füllen.
Es ist kein Kunststück, dem Hungrigen das Maul zu stopfen, indem man ihm
den Kopf abschlägt. Die Weiber und Kinder fressen Stroh. Johann und sein
Hof aber essen noch aus vollen Schüsseln.

ERSTER GESELLE. Sei auf der Hut! Überall hat Johann seine Späher!

DRITTER GESELLE (etwas leiser): Das ärgste ist, Freund, daß das Pulver
knapp wird.

ERSTER GESELLE. Du redest dich noch an den Galgen.

ZWEITER GESELLE (böse): Alle Kleinmütigen sollte man dem Bischof ins
Lager schicken! Wer den Glauben nicht mehr hat, soll sich aus der Stadt
scheren.

DRITTER GESELLE. Was sagst du? Ich habe den Glauben nicht mehr?

                               Fanfaren.

ERSTER GESELLE. Keinen Streit, Freunde! – Der König! – Wie mit Kalk
angestrichen sieht er aus!

   König Johann erscheint mit seinem Hof. Er trägt eine Krone aus
   Gold, mit Steinen besetzt. Goldene Ketten, daran eine Weltkugel
   und ein goldenes Kreuz. Ein Zepter aus Gold, mit Steinen besetzt.
                         Reichgewirkten Mantel.

            Vor ihm her geht Tilbeck mit einem weißen Stab.

   Zwei Pagen folgen Johann, einer trägt sein Schwert, der zweite
                               die Bibel.

   Es folgen Knipperdolling, Rottmann, Krechting, Gert tom Kloster,
   Redecker, Dusentschur und alle Räte, prächtig gekleidet. An den
   Ärmeln das Wappen des neuen Königreichs: Die Weltkugel mit Kreuz
       und Schwertern. Dusentschur trägt eine Art ärmliche Kutte.

   Dann folgt eine Gruppe mit geschmückten Frauen, Divara an der
       Spitze. Ihr Kammerherr ist Wenzel von der Langenstraaten.

              Es folgt der Scharfrichter in rotem Mantel.

      Zuletzt die Leibwache des Königs, die das Volk zurückdrängt.

EINIGE STIMMEN (ohne besondere Begeisterung): Es lebe König Johann!

ROTTMANN (wirft strenge, ermahnende Blicke).

EINE GRUPPE ALTER WEIBER. Willkommen, König Johann!

JOHANN (steht vor seinem Thron. Er sieht erschöpft und bleich aus. Er
erhebt segnend die Arme): Gnade und Friede über alle, die Gott fürchten
und seinem Willen gehorchen.

DAS VOLK (sich neigend): Friede sei mit dir, König Johann.

                 Johann und sein Gefolge nehmen Platz.

TILBECK (erhebt sich): Bürger des neuen Zion! Höret, ihr Völker. Der
Gerichtstag ist eröffnet. Fleht zu Gott, daß er den König und den
königlichen Rat erfülle mit seinem Geiste der Weisheit und
Gerechtigkeit.

KNIPPERDOLLING (erhebt sich).

EINIGE STIMMEN. Es lebe Knipperdolling!

              Rottmann und Tilbeck werfen zornige Blicke.

KNIPPERDOLLING. Johann, die Abgesandten der freien Reichsstädte, die als
Unterhändler aus dem bischöflichen Lager gekommen sind, warten auf
deinen endgültigen Bescheid. Sie bitten, ihre Sache nochmals vortragen
zu dürfen.

JOHANN. Die Herren mögen sprechen.

TILBECK. Ihr Freunde, König Johann bittet euch!

         Die Deputation besteht aus drei Männern in Ratstracht.

JOHANN KRECHTING, (der Sprecher der Deputation, tritt vor): Johann!
Unsere Zeit läuft ab. Laß uns hören, was du beschlossen hast.

JOHANN (finster): Ich ändere meinen Sinn nicht in jeder Stunde wie ein
Weib, das schwanger geht.

BERNHARD KRECHTING (erhebt sich): So laß meinen Bruder erneut reden,
Johann!

JOHANN KRECHTING. Du kennst mich, Johann. Und da ist mein lieber Bruder
Bernhard – einer deiner Räte und Berater. Du darfst mir ruhig vertrauen.

JOHANN. Ich mißtraue dir nicht, Johann Krechting.

JOHANN KRECHTING. Wir waren über zwei Wochen im Lager des Bischofs,
Johann, und haben uns alles genau besehen. Es ist nicht mehr wie im
vorigen Herbst, da du deinen großen Sieg über die Bischöflichen
davongetragen hast. Seit dem Kreistag zu Koblenz und dem Reichstag zu
Worms stehen katholische und evangelische Fürsten und die freien
Reichsstädte gegen Münster. In Summa: das ganze Reich ist gegen dich,
Johann! Täglich strömten Reisige, Geschütze, Waffen und Pulver in das
Lager des Bischofs. Das Lager wimmelt heute von Kriegsvolk wie ein
Jahrmarkt. Dazu Geschütz, Feldschlangen, Kartaunen und Feuermörser. Sie
stehen dicht um Münster, wie ein großer Rachen.

                         Das Volk wird unruhig.

JOHANN. Das wissen wir wohl und ist uns nichts Neues.

DUSENTSCHUR (springt auf, lacht): Will der Bischof Gott mit Kartaunen
und Mörsern beschießen?

JOHANN KRECHTING. Der Bischof hat den Sturm auf die Stadt beschlossen.
Wir aber, die wir als eure Freunde nach Münster kamen, möchten euch
ermahnen –

JOHANN (unruhig, ohne starke Überzeugung): Hat der Herr nicht die Heere
der Heiden vernichtet mit Roß und Wagen? (Schwacher Beifall.)

JOHANN KRECHTING. Der Bischof ist stark geworden, ihr Herren! Das ist
es, was wir euch melden wollten. Auch Münster ist mächtig, wir wissen
es. Ihr habt fleißig gebaut und geschanzt. Aber wir haben ja Augen im
Kopfe und sehen, was ein Mensch sehen kann.

TILBECK (erhebt sich): Wir haben euch nichts verborgen, ihr Herren, oder
verheimlicht! Was habt ihr gesehen?

JOHANN KRECHTING (schlicht): Freund Tilbeck, wir haben gesehen, daß der
Hunger eingezogen ist in die Stadt Münster. (Die Räte sind unruhig.)

EINIGE STIMMEN (halblaut, wie ein Krächzen): Wahr!

JOHANN (erhebt sich rasch. Er gewinnt seine Sicherheit zurück.) Seid
meine Gäste, ihr Herren und Freunde. Ich will euch zum Mahle laden, gebt
mir die Ehre. Heute abend, wenn die Sonne untergeht, will ich dem Volke
von Münster ein Mahl geben auf dem Domplatz hier. Dreitausend Gedecke
und ich und Divara und mein Hof werden das Volk bewirten. Mit eigenen
Augen sollt ihr sehen, Freunde, ob noch Speise und Trank genug ist in
der Stadt.

ROTTMANN (als Sprecher des Königs, erhebt sich): Ihr habt vernommen, was
König Johann sagte.

                       Lauter Beifall des Volkes.

STIMMEN: Johann!

KNIPPERDOLLING (erhebt sich): Ich möchte raten, Johann Krechting zu Ende
zu hören.

JOHANN. Willst du die Tore Münsters den Heiden öffnen, Knipperdolling?

KNIPPERDOLLING. Habe ich das gesagt? Ich riet nur, man soll Krechting zu
Ende sprechen lassen.

                         Unterdrückter Beifall.

JOHANN KRECHTING. Es fand vor drei Tagen ein großer Rat im Feldlager des
Bischofs statt. Alle Gesandten der Fürsten und Bischöfe waren zugegen.
Die Katholiken waren für den sofortigen Sturm auf Münster. Die
Evangelischen aber und freien Städte befürchten, der Bischof möchte die
Stadt Münster zu hart anpacken, wenn er sie nimmt. Er möchte am Ende die
Religionsfreiheit aufheben und Münster wieder zu einer rein katholischen
Stadt machen.

TILBECK. Der Fuchs ist schlau, aber sein Gestank verrät ihn!

JOHANN KRECHTING. Die evangelischen Fürsten und freien Städte bestanden
mit all ihrer Macht darauf, daß noch ein letzter Versuch des Vergleiches
und Ausgleiches gemacht werden sollte, bevor der blutige Kampf anhebt.
So mußte der Bischof sich also beugen, so hart es ihn ankam. Dies aber
ist, was der Bischof und seine Verbündeten euch zum Vergleich
vorschlagen: (Laut und deutlich.) Allen Bürgern und Kriegsknechten
Münsters bietet der Bischof freien Abzug, so sie die Waffen abgeben. Dir
aber, Johann, und deinen Räten sichern er und die evangelischen Fürsten
bei ihrem Eide ein billiges und mildes Gericht zu. (Dusentschur erhebt
sich und lacht schrill.) Und nun überlege, Johann, denke noch einmal
nach! Denke noch einmal recht sorgfältig nach. Die Sonne steht im
Mittag. Unsere Frist läuft ab.

JOHANN (erhebt sich rasch): Nehmt unseren Dank und unsere Achtung,
Johann Krechting und ihr Freunde. Eure Absicht ist gut. Aber was wir
beschlossen haben, das bleibt beschlossen.

Kehrt in das Lager zurück, Freunde, und berichtet dem Bischof, wir
fürchten nicht Geschütze und Kriegsvolk. Wir brauchen auch die
Fürsprache der evangelischen Gesandten nicht! Möge der himmlische Vater
ihnen und dem Bischof gnädig sein! Auf unserer Seite streitet Gott und
das Recht, auf eurer Seite streiten Lüge und Tyrannei. Wir sind willens,
zum Schutze des Wortes Gottes alles auf uns zu nehmen und wollen lieber
bis zum letzten Mann untergehen, als Gottes auserwählte Stadt übergeben.
Sagt dem Bischof, und wenn nur fünf Brüder in der Stadt zurückbleiben
sollten, so bin ich gesonnen, die Stadt mit den fünf Brüdern gegen ihn
zu halten! (Er setzt sich.)

                    Begeisterter Beifall des Volkes.

STIMMEN. Johann! Johann!

DUSENTSCHUR (rasend): Der Bischof soll sich hüten, daß ich nicht ins
Lager komme und ihm die Zunge aus dem Maul reiße.

REDECKER. Der Herr wird aufstehen wie ein Riese!

ROTTMANN. Das himmlische Feuer wird euch verbrennen, ehe das Wort Gottes
sich von euch mit Füßen treten läßt.

JOHANN KRECHTING. Eines noch, ihr Freunde: Komme ich ohne eure Zusage,
so wird der Bischof augenblicklich mit der Beschießung der Stadt
anheben.

JOHANN. Antworte ihm, er soll seine Geschütze getrost abfeuern. Ich
werde die Kugeln mit den Ärmeln meines Mantels auffangen!

                                Beifall.

JOHANN KRECHTING (enttäuscht und erschüttert): Lebt wohl, ihr Freunde!

GERT TOM KLOSTER. Eher wird Gott seine Stadt Münster zum Himmel
emporziehen, bevor er zugibt, daß die Heiden sie mit ihren Schritten
beflecken.

BERNHARD KRECHTING (erhebt sich und eilt zu seinem Bruder): Lebe wohl,
Bruder!

JOHANN KRECHTING. Lebe wohl, Bruder! Sollten wir uns in diesem Leben
nicht mehr sehen – (Sie küssen sich. Johann Krechting weiß, daß er den
Bruder nicht wiedersehen wird. In tiefster Trauer löst er sich von ihm
los.)

                          Deputation geht ab.

JOHANN (mit lauter Stimme): Ist jemand hier, der mit unserer Antwort an
den Bischof nicht einverstanden ist? Er lasse sich vernehmen!

                                Stille.

JOHANN. Es gibt keinen Judas am Worte Gottes in Münster.

DER DRITTE GESELLE (gleichsam gegen seinen eigenen Willen): Ich möchte
etwas dagegen vorbringen, Johann!

ERSTER UND ZWEITER GESELLE (zerren ihn vergebens zurück):
Unglückseliger! (Sie machen sich davon.)

JOHANN. Wer bist du? Was willst du?

DER DRITTE GESELLE (tritt vor den Thron, schwankt hin und her, plötzlich
von Furcht ergriffen): Die Weiber und Kinder hungern. Wir haben nicht
genug Pulver, Johann.

JOHANN. Woher weißt du, Vorwitziger, daß wir überhaupt Pulver brauchen
werden?

DER DRITTE GESELLE (wirft sich zu Boden): Gnade, Johann!

JOHANN. Führt ihn fort. Werft seinen Leichnam den Hunden vor!

                      Der Geselle wird abgeführt.

JOHANN. Meine Hand wird streng und schnell nach jenen fahren, die zu
zweifeln und zu zagen beginnen!

EIN KIND. Ich habe Angst, Mutter! (Erregung.)

JOHANN (erhebt sich): Komm zu mir, mein Kind, du brauchst keine Angst zu
haben vor Johann. Gib mir das Kind, Schwester, es soll mit mir auf dem
Thron sitzen.

    Die Mutter will das Kind bringen. Das Kind schreit voller Angst.

JOHANN. Gib das Kind Divara. Sie wird es auf den Schoß nehmen.

DIVARA. Komm zu mir, mein kleiner Liebling. Ich will dich kosen und
küssen. (Das Kind schreit.)

ROTTMANN. So bring es fort. (Die Mutter mit dem Kinde ab.)

JOHANN. Brüder und Schwestern! Bevor die Sonne sinkt, wird Gott uns ein
Zeichen seiner Gnade vom Himmel senden.

STIMMEN. Ein Zeichen! Hört! Hört! was Johann sagt! Ein Zeichen!

JOHANN. Bruder Rottmann, bringe die Klagen vor.

ROTTMANN (erhebt sich): Es kann nicht verborgen bleiben, daß die Sitten
in Münster sich zu lockern beginnen. Noch sind viele unter uns, die den
rechten Gottesglauben nicht haben. Ein wahrer Christ braucht nicht
Gesetz und Richter! Die Übeltäter aber, die Lügner und Ungläubigen, die
Zanksüchtigen, die Kleinmütigen sollen ausgerottet werden vor dem
Gesetz. Denn Gottes Stadt soll rein sein! – Es wird Klage geführt gegen
sechs Kriegsknechte, die mit Spähern des Bischofs in Verbindung standen.

GERT TOM KLOSTER. Ich ließ sie ergreifen, als sie die Stadt verlassen
wollten, um ins Lager des Bischofs zu gehen.

TILBECK. Auf Verrat steht der Tod!

DUSENTSCHUR. Laßt ihre Köpfe auf die Tore Münsters setzen!

JOHANN. Handelt, wie Dusentschur geraten.

ROTTMANN. Es wird Klage geführt gegen die Ehefrau des Bäckers
Ullenhorst. Sie beschimpft dich, Johann, sie sagt, du seist ein falscher
Prophet.

JOHANN. Laßt sie morgen früh öffentlich richten, damit die Frauen
Münsters sehen, wie ihnen geschieht, wenn sie den Herrn lästern.

KNIPPERDOLLING. Die Frau des Bäckers Ullenhorst hat zwei Kinder durch
Hunger und Krankheit verloren. Sie weiß nicht mehr, was sie sagt.

JOHANN. Erstaunt bin ich, daß du Übeltäter verteidigst, Knipperdolling!

ROTTMANN. Obschon der König strenge Gesetze angeschlagen hat gegen die
Trunkenheit, greift das Laster unter dem Kriegsvolk mehr und mehr um
sich. Es sind fünf Kriegsknechte angeklagt, den Weinwirt Zacharias in
der Trunkenheit blutig geschlagen zu haben, weil er ihnen keinen Wein
mehr ausschenken wollte.

JOHANN. Wir haben befohlen, daß auf den Wällen und in den Wachtstuben
geistliche Lieder gesungen werden, wie es Christen geziemt, die unter
der Fahne der Gerechtigkeit dienen. Aber Würfel und Wein sind nicht
auszurotten. Ich bin gesonnen, diese Vermessenen streng anzufassen. Die
Knechte haben den Tod verdient!

KNIPPERDOLLING. Johann, wie geschwind du heute fährst! Diese fünf
Knechte kenne ich gut. Es sind tapfere Gesellen, Johann!

JOHANN. Willst du auch sie verteidigen?

KNIPPERDOLLING. Ja, ich will ein Wort der Fürsprache für sie vorbringen.
Bei jedem kecken Streich, wenn wir ein Geschütz vernagelten, eine Mine
legten, ein Blockhaus verbrannten, bei jedem Abenteuer waren sie
fröhlich und mutig dabei. Es sind derbe Gesellen, das ist wahr –

JOHANN (unterbricht ihn): Handelt nach meinem Befehl!

KNIPPERDOLLING (erhebt sich): Ei, Johann, du wirfst ja heute mit Köpfen
um dich, ganz wie der Bischof Franz!

JOHANN. Wagst du es, mich mit dem Bischof in einem Atem zu nennen?

KNIPPERDOLLING. Wohlfeil sind Menschenleben bei dir in der letzten Zeit
wie beim Bischof. Es sind fünf tapfere Kriegsleute! Ich erhebe Einspruch
gegen dieses Urteil vor dem gesamten Rat! Sieh dir den Spruch an, der
auf deinem Zepter steht, Johann!

JOHANN. Du brauchst mich nicht an den Spruch zu erinnern: Ein König der
Gerechtigkeit überall. So soll es bleiben. Setze dich, Bruder
Knipperdolling, und bescheide dich. – Liegen weitere Klagen vor,
Rottmann?

KNIPPERDOLLING (zornig): Bin ich ein Lehrling, dem man sagt: setz’ dich
und halte das Maul? Seitdem du dir die goldene Krone hast machen lassen,
Johann, ist dir die Hoffart zu Kopf gestiegen!

JOHANN (bleich): Was sagst du? Schweige!

KNIPPERDOLLING. Ich schweige nicht! Lasse mir nicht das Wort verbieten!

                 Bestürzung im Rat und Unruhe im Volk.

ROTTMANN. Versündige dich nicht, lieber Bruder Knipperdolling. Du weißt,
daß Johann die Krone nicht aus menschlicher Eitelkeit trägt, sondern als
ein Zeichen, daß Gott ihn eingesetzt hat zum König über die neue
Christenheit. Im Rat wurden Krone und Abzeichen der königlichen Würde
beschlossen und du selbst, Knipperdolling, stimmtest allen Vorschlägen
zu.

TILBECK. Knipperdolling – du gibst Ärgernis vor dem Volk!

DUSENTSCHUR. Der Böse ist über dich gekommen, Knipperdolling!

KNIPPERDOLLING. Ich will dir etwas sagen, Johann, ich will dir etwas
sagen. Gott hat mir in der letzten Nacht einen Traum eingegeben. Einen
sonderbaren Traum.

JOHANN. Laß hören. Wir wollen hören, was Knipperdolling träumte. Wie
Jesaia sagt: Wehe denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens sich
zu befleißigen, und sitzen bis in die Nacht, daß sie der Wein erhitze.

KNIPPERDOLLING. Jesaia sagt auch: Wehe denen, die bei sich selbst weise
sind und halten sich selbst für klug. Auch das sagt Jesaia.

EINIGE. Knipperdolling! (Die Dirnen kreischen. Lachen.)

JOHANN. Und David sagt in einem Psalm: Falsche Leute halte ich nicht in
meinem Hause, und Lügner gedeihen nicht bei mir.

STIMMEN. Brav, Johann! Du hast es Knipperdolling gut gegeben! Gut,
Johann. (Gelächter.)

KNIPPERDOLLING. Wen Gott verderben will, den schlägt er mit Blindheit,
sagt der Prophet.

JOHANN. Den Traum, Knipperdolling.

KNIPPERDOLLING. Da träumte ich also: Da Gott und alle seine Engel
wissen, daß Knipperdolling „früh auf ist des Saufens“ – so träumte ich
von einem Faß voll Wein – so groß wie der Dom zu Münster. (Gelächter.)
Und schöne Frauen saßen um das Faß herum, in Samt und Seide, fast wie
Divara, Johann, und dein Hofstaat.

JOHANN. Deinen Traum laß hören, Knipperdolling.

KNIPPERDOLLING. Aber, das ist ja der Traum, begreifst du nicht? Und in
diesem Traum da hat mir Gott befohlen, Johann, dein Hofnarr zu werden!
(Gelächter.) Hofnarr am Hofe des König Johann, ja! So erging der Befehl.
Ich soll bei dir tanzen wie ein Gaukler auf dem Jahrmarkt. Heissa. (Er
tanzt in grotesken Sprüngen.) Heissa, Herr König!

STIMMEN. Wacker, wacker! Tanze, Knipperdolling!

             Gelächter und Entsetzen. Die Dirnen kreischen.

ROTTMANN. Knipperdolling, so besinne dich.

KNIPPERDOLLING (tanzt und fällt auf Divara und die Hofdamen).

                    Gelächter und Geschrei im Volk.

VOLK. Es lebe Knipperdolling! Knipperdolling ist betrunken!
Knipperdolling!

DUSENTSCHUR (erhebt sich, sein Aussehen ist so furchtbar, daß alle
sofort schweigen).

KNIPPERDOLLING. Was glotzt ihr? Der heilige Geist ist in mich gefahren.
Heilig, heilig ist der Herr, wir sind ein heiliges Volk. Ja, und deine
Sohlen soll ich lecken, Johann. Gib, gib, streck doch die Schuhe aus,
die Schuhe aus feinem holländischen Leder! Wer hat dich denn zum König
gesetzt über Münster, Johann? Ich, ich!! Ich habe dir den Weg bereitet!

             Beifall und Unruhe. König Johann steht bleich.

Eigentlich sollte ich ja König in Münster sein und nicht du!
Knipperdolling wird ein König im Geiste sein, Johann aber ist ein König
im Fleisch!

                          Ungeheure Erregung.

STIMMEN. Es lebe König Knipperdolling! (Gelächter.)

TILBECK. Hält dich die Scham nicht zurück, solches vor dem Volke zu
sagen!

KNIPPERDOLLING. Der Herr hat befohlen, daß das Volk die Wahrheit
vernehme.

VOLK (jubelt): Knipperdolling!

JOHANN (macht eine Bewegung und sofort ist alles still).

KNIPPERDOLLING. Seht an Divara, Johanns Gattin. Sie trägt brabanter Tuch
und französische Seide und hat sich die Wangen gefärbt wie eine Buhlin.
Sie hat einen Kammerherren, einen Junker aus dem Lager des Bischofs.
Seht ihn euch an, das Püppchen. Nichts ist übler als ein Mann, der wie
ein Mädchen aussieht. Ein Seidenäffchen!

DIVARA (springt auf): Johann, dulde es nicht, daß man mich beschimpft!

STIMMEN. Hoffentlich bedient er dich gut, Divara, der Kammerherr! Der
liebe Junge!

KNIPPERDOLLING (drohend auf Wenzel deutend): Er wird der Judas sein, der
Münster an den Bischof verrät.

WENZEL (greift nach dem Schwert): Was sagst du, Knipperdolling?

DUSENTSCHUR (beschwörend zu Knipperdolling, mit furchtbarer Gebärde):
Verstumme, du böser Geist!

KNIPPERDOLLING (redet sich immer mehr in Raserei): Du hast ein Zeichen
vom Himmel versprochen, Johann. Wir werden es ja sehen, das Zeichen. Wer
hat geraten, das Lager des Bischofs zu überfallen nach dem großen Sieg
im Herbst? Ich! Wer hat gezögert? Du! Längst wäre der Bischof
zerschmettert und Münster frei. Wir werden ja sehen, wie du mit fünf
Mann die Stadt gegen den Bischof hältst. (Er lacht rasend.)

JOHANN (wächst in die Höhe. Er steigt die Treppe hinab, bleich und
furchtbar. Knipperdolling verliert sofort die Sicherheit.) Legt ihn in
Eisen! Der Satan hat von Knipperdolling Besitz ergriffen. Bereut er nach
drei Tagen nicht, so werde er hier auf diesem Platze gerichtet. Fort mit
ihm!

KNIPPERDOLLING (schäumend): Wer wagt es, Hand an mich zu legen.

DUSENTSCHUR. Ei, du Höllensohn, fährt dir das Feuer aus dem Maul? Packt
ihn, Freunde!

   Die Leibwache ergreift ihn. Die Erregung ist ungeheuer. Die Menge
   ergreift teils für Knipperdolling, teils für Johann Partei. Rufe:
       Johann! Knipperdolling! Was ist das? Was soll das werden?

JOHANN (drohend): Wer ergreift seine Partei?

   Stille. Knipperdolling, der verzweifelt lacht, wird abgeführt.
                           Einige folgen ihm.

TILBECK. Es ist unverständlich, ihr Freunde!

ROTTMANN. Der Böse hat Knipperdolling, der Tag und Nacht für die heilige
Sache Gottes kämpfte, ein Bein gestellt und zu Fall gebracht. Betet für
ihn, daß sein verwirrter Sinn genesen möge.

JOHANN. Der Satan ist in die heilige Stadt Münster eingedrungen, obschon
die Tore geschlossen waren. Schon seit langem ist seine Arglist zu
spüren. Ich bin entschlossen, den Satan wieder aus der Stadt zu
vertreiben! Ich sage es laut, so daß alle mich hören mögen: Unerbittlich
wird meine Strenge sein! Jeden Morgen und jeden Abend werden die
Prediger und Propheten zum Volk auf den Marktplätzen sprechen, um es im
Glauben zu stärken. Alle seien zugegen. Wehe dem, der fehlt. Nur die,
die auf den Wällen und Schanzen die Wache halten, sind beurlaubt. Des
weiteren verordne ich: Unsere Diakone werden die Häuser besuchen. Wer
Nahrung verborgen hält und nicht der Gemeinschaft abgibt, der soll mit
dem Schwert gestraft werden. Strenge werde ich jede Verfehlung gegen die
Sitten bestrafen und die Dirnen richten, die es mit dem Kriegsvolk
treiben.

                Unruhe im Volk. Es entsteht ein Drängen.

STIMMEN. Ein Prophet ist zurückgekehrt. Der Prophet Roll ist
zurückgekommen!

ROTTMANN. Was soll die Unruhe?

STIMME. Der Prophet Roll ist zurückgekehrt!

VIELE STIMMEN. Roll! Roll!

                Johann und der Rat erheben sich erregt.

ROLL (erscheint. Er ist erschöpft und bleich wie ein Sterbender. Seine
Kleidung ist zerfetzt. Sein Aussehen ist so erschreckend, daß viele
erschrocken zurückweichen.)

JOHANN (eilt ihm entgegen und umarmt ihn): Willkommen, Bruder Roll!

DER RAT. Roll! Willkommen, Bruder Roll!

ROLL. Daß ich dich wieder betreten darf, heiliger Boden der heiligen
Stadt! (Er küßt den Boden.) Daß ich euch wiedersehen darf, Freunde! –
(Er schlägt die Hände vors Gesicht.)

DIVARA. Wir sind seit Monaten ohne Nachricht von dir, Bruder Roll!

EINIGE DES RATS. Berichte, Bruder Roll. Was für Botschaft bringst du? Wo
sind die Propheten?

ROTTMANN. Wo kommst du her, Roll?

ROLL (sein Antlitz leuchtet): Aus der Hölle komme ich. In den Himmel bin
ich eingezogen. – Ich komme aus dem bischöflichen Gefängnis von Iburg.
(Bewegung.) Seht meine Brust, sie haben mich mit glühenden Zangen
gerissen, sie haben mich auf der Folter gestreckt und mir das Herz im
Leib zerrissen. Aber ein Engel kühlte meine Wunden mit seinen süßen
Lippen.

TILBECK. Wie, beim himmlischen Vater, bist du aus dem Turm von Iburg
entkommen?

ROLL. Der Bischof ließ mich ins Lager schaffen. Sechs Reiter führten
mich. Sie höhnten und lästerten – da plötzlich fuhr ein Blitz aus dem
Himmel und warf sie nieder. So wurde ich frei.

STIMMEN. Hört ihr? Hört ihr es?

DUSENTSCHUR (streckt die Hände zum Himmel): Herr! Herr!

JOHANN. Berichte, Bruder Roll! Wie steht es bei den Brüdern im Lande?
Wie geht es den Propheten, die wir aussandten? Haben sich die Brüder
gesammelt? Ziehen sie gegen Münster?

ROLL. Oh, Johann – die Brüder haben sich gesammelt – aber sie kommen
nicht nach Münster.

JOHANN. Ich verstehe dich nicht.

ROLL. Die Propheten aber, die du aussandtest, sie haben ihr Ziel wohl
erreicht.

JOHANN. Du sprichst seltsam!

ROLL. Sie sind alle an ihr Ziel gelangt, Johann. (Er deutet zum Himmel.)

              Bewegung. Johann sinkt in den Sessel zurück.

ROLL. Wappnet eure Herzen, meine Botschaften sind grausam. In all den
Monaten waren wir unterwegs und haben gewirkt, wie du es befahlst,
Johann. – Die Brüder Geel und Jakob van Campen, die du nach Amsterdam
sandtest, haben dort mit großem Erfolg gepredigt. Im Mai haben die
Brüder sich gesammelt, um von Amsterdam Besitz zu ergreifen und die
Stadt zu einer Feste des Herrn zu machen.

ROTTMANN. Hört!

ROLL. Sie haben das Rathaus besetzt, aber nach heftigem Kampf mit den
Bürgern verloren sie es wieder. Bruder Geel wurde gerädert. Van Campen
haben sie die Zunge ausgerissen, die Hand abgeschlagen. Eine blecherne
Bischofsmütze mit dem Stadtwappen von Amsterdam haben sie ihm auf das
Haupt gesetzt und ihn so an den Pranger gestellt. Dann haben sie ihn
enthauptet.

ALLE. Wehe! Wehe! (Viele verhüllen ihr Gesicht.)

DUSENTSCHUR. Räche, Herr! Räche, räche! Herr Gott, daß die Rache ist,
erscheine!

JOHANN (windet sich in seinem Stuhl.)

ROLL. Bruder Clopris fiel dem Erzbischof von Köln in die Hände und starb
den Tod in den Flammen. Die Brüder Stralen, Ummegrove, Prünn und Alfen,
die du nach Warendorf sandtest, wurden enthauptet und ihre Köpfe an die
Tore der Stadt genagelt. Die du nach Soest sandtest, nach dem Süden,
wurden gefangengesetzt und allesamt getötet.

ALLE. Wehe! Wehe! Tut Buße! Tut Buße!

DUSENTSCHUR. Die Racheengel des Herrn werden Fürsten und Bischöfe
schlagen, so wie man das Vieh im Schlachthaus schlägt.

ROLL. Wie du befohlen hattest, Johann, haben wir die Brüder an vier
Orten versammelt. Bei Eschenbruch im Lande Jülich, in Holland, bei
Aachen und bei Gröningen in Friesland. Sie kamen, sie sammelten sich,
aber Gott hat es anders beschlossen.

TILBECK. Reicht ihm Wasser. Er wird ohnmächtig.

ROLL. Ich brauche nichts mehr. – In Friesland habe ich selbst die Brüder
geführt. Wir setzten uns, gegen tausend Täufer, im Oldenkloster fest.
Aber der Statthalter des Kaisers, der Schenk von Tautenberg, bekämpfte
uns mit schwerem Geschütz. Wir stritten tapfer. Neunhundert Brüder
mußten dort ihr Leben lassen.

JOHANN (ausbrechend): Vater im Himmel, warum läßt du die Gerechten
leiden und führst die Lügner zum Siege?

ROLL. Die holländischen Brüder haben sich aufgemacht und sind auf
dreißig Schiffen ausgezogen. Die Schiffe wurden von den Reitern des
Herzogs von Geldern überwältigt und mit Mann und Maus verbrannt.

ALLE. Wehe! Wehe! – Reue! Reue! Tut Buße!

ROLL. So stand ein böser Stern über den Zügen der Täufer allerorts. Dies
ist der Grund, Johann, weshalb du vergeblich warten wirst, daß die
Brüder nach Münster kommen. In Holland, im Kölnischen, in Friesland,
überall wimmelt es von Reisigen und Knechten. Das ganze Münsterland ist
überzogen von ihnen wie eine Wunde mit Fliegen. So viele Hunde bei einem
Jagen über den Hirsch fallen, so viele Kriegsknechte fallen jetzt über
den Täufer. Er muß sich in den Wäldern und im Schilf verbergen wie ein
Tier.

ROTTMANN. Furchtbar sind deine Botschaften, Roll! (Alle bedecken das
Gesicht.)

ROLL. Die Zeit der Prüfung ist für die Brüderschaft gekommen. Wappnet
eure Herzen und seid stark im Glauben! (Er taumelt.) Ich bin am Ziel,
ihr Freunde. Der Gram hat mein Herz zerfressen. Es war zuviel. Die
Folterknechte des Bischofs haben mir die Brust zerrissen. Dank dem Vater
im Himmel, daß ich euch noch sehen durfte. Die Welt hat sich heute so
weit von der Wahrheit verirrt, daß sie den Rückweg nicht finden kann.
(Er taumelt, man stützt ihn.) Führt mich hinweg, Brüder. Legt mich in
einen Winkel unter eine Treppe, legt mich in einen dunkeln Stall zu den
Tieren. Ich will sterben! (Während er weggeführt wird.) Der Herr aber
spricht: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Mein Reich ist ein Reich
im Geiste und kein irdisches Reich.

JOHANN (von Entsetzen gepackt, beugt sich vor). Was sagst du, Bruder?
Sprich!

ROLL. Daß ich bei euch, ihr Brüder, sterben darf –! Süß ist der Tod ...

                          Sie führen ihn fort.

DUSENTSCHUR (hat sich gegen Schluß der vorigen Szene erhoben und seinen
Platz verlassen. Wie ein Träumender wandelt er, verklärt, ein verzückter
Tänzer.) Wer ruft? – Wer ruft? – Hier bin ich. Hier bin ich,
Dusentschur. Was rufst du mich, Herr? Hier bin ich, dein Knecht.

                               Erregung.

TILBECK. Still, still! Der Geist ist über Dusentschur gekommen.

ROTTMANN. Dein Zeichen, Johann! Gott der Herr möge ihn erleuchten.

JOHANN. Still! –

DUSENTSCHUR (mit verklärtem Antlitz, visionären Augen): Feuer und Rauch!
– Die Welt in Flammen ... Glut bläst über die Erde, die Städte
zerschmelzen. Wehe! Wehe! (Er geht mit mächtigen Schritten.)

TILBECK. Hört, ihr Brüder –

JOHANN. Still –

DUSENTSCHUR (mit gellender Stimme): Im Osten aber – siehe, ein Tor, groß
und glühend wie der Sonnenball. Steht ein Engel vor dem Tore, gleißend
in seiner Herrlichkeit. Breit ist sein Schwert, glühend, und roter Rauch
fährt aus der Schneide. (Er taumelt zuweilen. Verzückt hebt er die
Arme.) Siehe, wie es wimmelt auf den Straßen, die gen Osten führen! Alle
Kreatur flüchtet vor dem Untergang. Da reiten die Päpste und Bischöfe
und Äbte und Domherren. Herrlich sind sie angetan mit Gold und Silber,
und das Zaumzeug ihrer Pferde funkelt. Und hinter ihnen reiten die
Könige mit ihren Zeptern und die Kaiser mit ihren Kronen und die Fürsten
in ihrem Purpur und alle, so die Macht auf Erden haben. Ihre Rosse sind
kostbar und die Schabracken blitzen von Gestein ...

                       Seine Züge verzerren sich.

Siehe aber, der Engel hebt sein glühendes Schwert und zornige Glut fährt
aus der Schneide. Und die Bärte und Haare der Päpste und Kaiser und
Fürsten verbrennen. Rauch fährt aus den Purpurmänteln, die Harnische
schmelzen. Und es erhebt sich ein Gelächter, und sie sinken dahin ...

               Er ist erschöpft und mit Schweiß bedeckt.

Die Reichen und Kaufleute und herrlich geputzte Frauen mit Hauben und
Schleiern, siehe, sie fliehen vor dem Untergang. Es ist ein Gedränge und
Gewimmel auf allen Straßen und Angst steht in allen Augen. Auf Wagen
fahren sie Gold und Gestein und Reichtümer, die sie gewuchert haben ...

Aber der Engel hebt das glühende Schwert, siehe, sie stürzen nieder, die
Frauen stürzen und schreien, die Pelze und Federn brennen, die Achsen
der Wagen zerschmelzen, und die Wagen stürzen um. Und es ist ein großes
Geschrei und Qualm und Rauch und Feuer. Da erhebt sich eine Stimme, die
scheltet. Und sie sinken dahin.

   Er taumelt so stark, daß man ihn stützt. Er keucht und Schaum
   steht ihm vor dem Mund. Grauen bemächtigt sich des Volkes. Er
   richtet sich wieder auf. Sein verzerrtes Gesicht sänftigt sich
                        und beginnt zu leuchten.

Da sehe ich Männer und Frauen und Mädchen und Kinder! Und da sehe ich
Bettler und Blinde und Kranke und bleiche Wangen. Und da sehe ich viele
Arme, die keine Schuhe tragen und barfuß gehen. Und Krüppel.

Und der Engel erhebt sein Schwert, und siehe, es beginnt zu blühen wie
ein Busch im Frühjahr. Und das Tor tut sich auf und Posaunen schallen.
Und die Männer und Frauen und Kinder, sie ziehen dahin und singen und
Glanz strahlt aus ihren Leibern.

Und auch unsere Brüder sehe ich, Mathys und die Propheten, Geel und
Campen – auch Hille Feiken sehe ich, alle ...

        Divara erhebt sich. Freudige Hingerissenheit des Volkes.

DUSENTSCHUR (halb singend): Und eine Stimme erschallt: Um der Gerechten
willen will ich verzeihen! Um der Demütigen willen will ich wiederum zur
Erde hinabfahren. Auf, ihr Schläfer! Bereitet den Weg!

   In höchster Ekstase bricht er ohnmächtig zusammen; man fängt ihn
                    auf und bringt ihn langsam weg.

   Ungeheure frohe Erregung des Volkes und des Gefolges. Dirnen
   reißen das bißchen Tand ab, Kriegsknechte ihren Wams, andere
   schleudern die Schuhe von sich: um arm zu sein. Umarmungen,
                                 Küsse.

STIMMEN. Johann! König Johann! Führe uns, Johann!

ROTTMANN. Das Zeichen, das Johann angekündigt hat!

KRECHTING. Die Demütigen, sie werden in die Herrlichkeit eingehen.

TILBECK. Päpste und Kaiser werden zuschanden. Der Bischof wird
zuschanden!

JOHANN. Brüder und Schwestern!

VOLK. Johann! Es lebe Johann!

ROTTMANN. Der König will zu euch sprechen.

                                Stille.

JOHANN. Bereitet dem Herrn den Weg – Gott sprach durch Dusentschurs
Mund. (Erregung, dann Ruhe.) Also verkünde ich: die Zeit der Prüfung
neigt sich ihrem Ende entgegen.

STIMMEN. Johann! Johann!

JOHANN. Der Sieg der Christenheit über die Lügner, die Gott nur mit der
Lippe dienen, wird bald sichtbar werden. Also verordne ich: Alle Wagen,
die in der Stadt Zion sind, sollen auf dem Domplatz zusammengefahren
werden. Die Wagner sollen instand setzen, was verdorben ist. Die Sattler
sollen das Geschirr der Pferde nachsehen und flicken. (Staunen.) Es
sollen Decken auf die Wagen gebracht werden und Stroh und Betten für die
Greise, die Frauen und Kinder.

ROTTMANN. Ihr hört, was König Johann sagt!

JOHANN. Es soll Mehl und Korn in die Säcke getan werden. Das Schlachten
von Pferden ist fortan verboten. Harret aus im Glauben! Die Zeit ist
gekommen, die die Propheten verkündeten. Werft euch in den Staub und
schreit zu Gott. – Also verkündige ich: Sieben Tage wird die Prüfung
noch währen, ihr Brüder und Schwestern, mit Hunger und Kriegslärm und
Kampf. Gott läßt es kundtun durch meinen Mund! Harret aus im Glauben! Am
achten Tage aber werden wir die Tore von Münster öffnen –

                               Geschrei.

JOHANN. Und wir werden hinausziehen zu Fuß und zu Wagen. Und Gott wird
das Lager des Bischofs verwehen wie Spreu!

VOLK. Johann! Johann!

JOHANN. Zwölf Apostel und Herzöge wollen wir über den Erdball setzen.
Dusentschur über das deutsche Land, Krechting über Holland, Rottmann
über Rom, Tilbeck über Frankreich, Gert tom Kloster über England. Die
weiteren werden wir verkünden.

                   Die Erwählten neigen sich vor ihm.

JOHANN. So wollen wir dahinziehen, eine Gemeinde, und uns mit den
Brüdern in allen Ländern vereinen. Dies ist der Wille des allmächtigen
Gottes!

                                 Jubel.

JOHANN. Und die Mächtigen und Könige und Bischöfe werden uns huldigen.
Der Herr aber wird sein Volk erhöhen, daß es auf silbernen Stühlen sitzt
und von silbernen Platten speist. Und wir werden das Reich errichten, so
wie geschrieben steht.

                      Jubel. Viele knien vor ihm.

VOLK. Johann! Johann!

DIE FRAUEN (berauscht): Gesegnet seist du, Johann!

ROTTMANN. Das Reich Gottes ist herbeigekommen, ihr Brüder und
Schwestern!

JOHANN. Es wird keine Tränen mehr geben auf Erden, kein Weinen, kein
Jammern. Die Welt wird neu sein und Friede und Wohlgefallen.

VOLK. Hosiannah! Hosiannah!

EINE GELLENDE STIMME. Der Bischof beschießt die Stadt! –

                Stille. Verwirrung. Einige eilen schon.

EINE GELLENDE STIMME. Der Bischof wirft Brandkugeln in die Stadt! Die
Getreidespeicher brennen!

                           Schon eilen mehr.

GERT TOM KLOSTER. Auf die Wälle. (Er eilt fort.)

TILBECK, KRECHTING. Auf die Wälle! Jeder an seinen Posten!

                Eilen fort. Die Frauen eilen. Hornrufe.

JOHANN. Ihr Brüder und Schwestern!

EINE GELLENDE STIMME. Münster brennt! Münster steht in Flammen!

ROTTMANN. Fort! Helft alle löschen! Fort! Zu den Eimern!

JOHANN (groß, entflammt): Laßt Münster brennen! Gott will, daß wir
ausziehen! – Kann Gott uns ein klareres Zeichen geben?

EINE HÖHNENDE STIMME. Weshalb fängst du denn nicht die Kugeln mit dem
Ärmel auf, Johann?

EINE ZWEITE STIMME. Hast wohl nur geprahlt?

EINE DRITTE STIMME. Und geschwätzt?

JOHANN. Wer vermißt sich hier?

                        Ein Gelächter antwortet.

JOHANN. Ihr Toren, ihr Toren! Gott gibt sein Zeichen und ihr erkennt es
nicht!

        Der Rest enteilt. Er ist allein. Nur Divara ist bei ihm.

JOHANN (ist fassungslos und entgeistert. Er schreitet die Stufen hinab):
Wo sind sie? Ist das ihr Glaube? – Laßt Münster zu Asche vergehn, wenn
Gott es will.

DIVARA (umschlingt seine Knie): Ich bin bei dir, Johann!

JOHANN. Wo ist ihr Glaube? Wehe! Wehe! (Er zerreißt seinen Mantel.)

DIVARA. Ich bin bei dir!

                                Vorhang.




                              Fünfter Akt


                     Nacht. Am Kreuztor in Münster.

   Den Hintergrund nimmt ein niedriger Wall ein, zu dem eine Holztreppe
   emporführt. Etwa in der Mitte des Walles ist ein derbes niedriges
   Tor. Links und rechts niedrige Hütten; aus einigen kleinen
            Fensterchen schimmert kaum wahrnehmbares Licht.

   Vorn links, etwas zur Seite, steht ein niedriger Tisch mit runder
                              Steinplatte.

            Abwechselnd greller Mondschein und tiefe Nacht.

                         Zu Beginn Dunkelheit.

JOHANN (sitzt zusammengekauert auf dem Tisch. Trägt eine Art Kutte.)

DIVARA (kauert neben ihm, flehend): Rede, Johann! Sprich ein Wort!
Johann!

                                 Pause.

JOHANN, (als spräche er zu sich selbst): Sieht dich der Herr an, so
gedeiht dein Haus, deine Kinder blühen, dein Acker trägt vielfache
Frucht. Wendet er aber seinen Blick von dir, wehe, so verbrennen deine
Scheunen, Krankheit befällt deinen Leib, deine Felder verdorren. Der
Mensch ist nichts ohne ihn ...

DIVARA (umschlingt seine Knie): So bin ich nichts ohne dich, Johann!

JOHANN. Und doch, möge er mir vergeben: Weshalb verfolgt er die, die ihm
gehorsam sind, und erhört er die Heuchler? Weshalb?

DIVARA. So müssen wir noch stärker glauben, Johann.

JOHANN. Noch stärker glauben? Stärker! Er ächzt. Noch stärker glauben!
Noch stärker! Ja, Divara. All die Tage und all die Nächte habe ich zu
ihm geschrien ohne Unterlaß –

DIVARA. Rufe erneut zu ihm!

JOHANN. Als ich zwanzig Jahre alt wurde, hat Gott mir zum erstenmal
seine Gnade offenbart! Ich hatte bis dahin gelebt wie ein junges Tier,
ohne Verstand, nach meinen Gelüsten, ganz wie die anderen Gesellen. Ich
hatte ein Weib genommen und ein Kind gezeugt, arbeitete und feilschte.
In einer Nacht aber, da träumte ich, ich sähe ein großes Feuer. Das
Feuer blendete mich so stark, daß ich erwachte. Da sah ich eine Flamme
in der Finsternis. Die Flamme, sie bewegte sich wie ein Licht im sanften
Hauch des Mundes. Ich rieb meine Augen. Da sagte eine Stimme: Johann,
folge mir. Ich erhob mich und die Flamme ging vor mir her. Da stand ich
im finsteren Haus und die Flamme sprühte. Und wieder vernahm ich eine
Stimme. Sie sagte: Johann, verlasse Weib und Kind und folge mir.

DIVARA. Du tatest es?

JOHANN. Ich zögerte nicht. Ich ging. Der Morgen kam und die Sonne ging
auf, aber trotz der hellen Sonne sah ich die Flamme sprühen. Ich stand
am Hafen, ein Schiff löste die Taue, und ich betrat dieses Schiff, ohne
zu wissen, wohin es fuhr. – Das Schiff fuhr nach Portugal. Ich trat an
Land und ging und kam an ein Kloster. Ein Jahr saß ich in der Stille des
Klosters, arbeitete und dachte nach und lauschte.

DIVARA. Und die Flamme, Johann?

JOHANN. Sie war immer bei mir. Nun spürte ich weder Hunger noch Durst
mehr, weder Kälte noch Hitze. Auch hatte mich die Furcht, die die
Menschen haben, gänzlich verlassen. Ich lebte, als ob ich gebannt sei in
einen Traum. Und die Flamme glänzte vor meinen Augen und sie verhieß
mir: Warte, bald ist die Zeit erfüllt.

DIVARA. So war dein Herz voller Zuversicht.

JOHANN. Ich kehrte nach Holland zurück und wanderte durch Deutschland,
nach Wittenberg, Münster, Straßburg, um die neuen Prediger zu hören, die
erstanden waren. Hierauf kehrte ich wieder nach Leyden zurück und ging
meinem Gewerbe nach. Ich lebte still für mich und forschte in der
Schrift, um die Wahrheit zu ergründen. Eines Abends aber traf ich auf
der Straße einen Mann mit dunklen Zügen und Augen, die wie Gestirne
funkelten. Er blieb stehen und sah mich an.

DIVARA. Es war Mathys!

JOHANN. Es war Mathys, der Prophet! – Die ganze Nacht sprach er zu mir
und seine Rede war Feuer, genommen von jenem Feuer, das ewig brennt.
Seine Rede war die Wahrheit.

Und Mathys sagte: Gott hat mir offenbart, dich zu meinem Propheten zu
machen, Johann. Und er taufte mich in der gleichen Nacht. Mein Herz aber
war trunken von Seligkeit von dieser Stunde an.

DIVARA. Wunderbar hat Gott dich deine Bahn geführt, Johann!

JOHANN (erhebt sich, düster): Auch hier, in Münster, glänzte die Flamme
vor meinen Augen. Und oft ging sie, ohne zu erlöschen, Tag für Tag vor
mir her. Liebliches Licht, süße Leuchte! (Seine Stimme steigert sich.)
Und sie glänzte in der Nacht und manchmal wurde sie zu einem Feuer,
dessen Wärme ich fast spüren konnte. (Leise und hastig.) Und Gott sprach
aus dem Feuer ...

DIVARA (versteht plötzlich seine Verzweiflung): Und jetzt, Johann?

JOHANN (krümmt sich zusammen): Sie ist erloschen. Ich sehe sie nicht
mehr. (Er sinkt auf den Tisch.)

DIVARA. Vertraue, Johann! Vertraue!

JOHANN. Der Herr hat sein Auge von mir gewendet.

DIVARA (schreit): Sündige nicht, Johann!

JOHANN (sich aufrichtend): Als Dusentschur seine Offenbarung vor dem
Volk kundgab – siehe, da schien ein Glanz in der Luft zu schweben –
plötzlich, so war es mir ... aber es war nur eine Blendung, die meiner
spottete.

DIVARA (heiß): Vertraue, Johann! Höre: der Versucher ist um dich! (Er
starrt sie an.) Schreie zu Gott in seinen Himmeln! Ermatte nicht. Bete!
Auch ich will beten! Höre, Johann, ich will gehen und beten und alle
Frauen sollen mit mir beten, diese ganze Nacht. Das will ich tun,
Johann, und kein Schlaf soll in unsere Augen kommen.

     Divara geht. Johann bleibt ohne Bewegung auf dem Tisch sitzen.

                           Helles Mondlicht.

   Knipperdolling, Gert tom Kloster, Tilbeck kommen von rechts, laut
           polternd, gutgelaunt, von zwei Knechten begleitet.

TILBECK. Es ist merkwürdig ruhig heute nacht.

GERT TOM KLOSTER. Haben sie nicht in den fünf Tagen und fünf Nächten
genug getobt mit den Geschützen, Tilbeck?

TILBECK. Man muß es dem Bischof Franz zugestehen, er hat manche Tonne
Pulver drangegeben und ist über Münster gefallen wie ein Erdbeben.
Manchmal warf es mich, bei Gott, einen Schuh hoch vom Boden.

KNIPPERDOLLING. Das kommt daher, weil du so leicht bist. Die Gelehrten
haben kein großes Gewicht für gewöhnlich. Der Geist verzehrt die
Schwere. Mich hat der Bischof nur etwas an den Fußsohlen gekitzelt, daß
ich lachen mußte, Freunde. Speie dir die Zähne aus dem Rachen, du
höllische Mißgeburt, dachte ich, und wurde heiter.

GERT TOM KLOSTER. Ist dies Johann?

TILBECK. Ich glaube, Johann, du hast in all den Tagen und Nächten auch
nicht eine Stunde geruht. Überall und allerorts bist du, wie ein
Gespenst.

JOHANN (mustert sie, geistesabwesend, dann steht er auf und streckt
Knipperdolling die Hand hin): Nochmals bitte ich dich, Bruder
Knipperdolling, mir meine Heftigkeit und meinen Zorn am Gerichtstag zu
vergeben. Ist auch noch ein Körnchen Arg gegen mich in deinem Herzen, so
nimm meine Hand nicht.

KNIPPERDOLLING (preßt Johanns Hand): Ich walle rasch auf, Johann, wie
der Topf über dem Feuer. Aber stirbt die Glut, ist der Topf auch wieder
still und vergißt, daß er kochte. Die Züchtigung war gut, Bruder Johann.
Sie hat das Gift aus mir gezogen! Der Hochmut hatte mir den Kopf betäubt
und der Neid. Mir vergib meinen Frevel, Johann. Ich habe gebüßt – und so
geschah mir recht. Nie in seinem Leben wird Knipperdolling vernünftig
werden, ihr Freunde.

JOHANN. Dank für deine Nachsicht, Knipperdolling. Dein Herz ist besser
als das meinige. – Ihr macht die Runde, Freunde?

GERT TOM KLOSTER. Wir sehen nach den Wallmeistern, Büchsenschießern und
Wachen.

TILBECK. In der Stadt, am Überwassertor, gab es einige Brände zu
löschen.

JOHANN. Ist alles bereit?

KNIPPERDOLLING (fröhlich, als schildere er die Vorbereitung zu einer
Hochzeit): Es ist alles bereit, Johann, sei ohne Sorge. Das Pech kocht
schon in den Kesseln. Holzstöße sind da in Haufen, damit wir ihnen
brennende Scheite um die Köpfe schlagen können. Die Weiber bereiten
ihnen schon den Morgenbrei. Willkommen, herzlich willkommen!

GERT TOM KLOSTER. Die Schmiede haben lange Haken geschmiedet zum
Umreißen der Sturmleitern.

TILBECK. Alle Breschen sind ausgebessert. Auch die Erdschanzen und
Laufgräben sind wieder in Ordnung gebracht worden, wo die Geschütze
Schaden anrichteten.

   Es pocht ans Tor. Eine Schildwache steigt die Treppe vom Wall
                               herunter.

ERSTER LANDSKNECHT. Die Losung!

DUSENTSCHUR (draußen): Friede auf Erden und den Menschen ein
Wohlgefallen.

   Der Landsknecht öffnet. Dusentschur tritt ein; trägt die Kutte
                             eines Mönches.

ERSTER LANDSKNECHT (erschrocken): Ein Mönch?

DUSENTSCHUR. Wenn du schon vor einem Mönch Angst hast, du Memme, so
wirst du in die Hosen machen, siehst du den Bischof. Erblickst du aber
gar den Papst, so wird dich der kalte Schweiß erwürgen. (Er nähert sich
der Gruppe, segnend.) _Pax vobiscum!_

TILBECK. Wahrhaftiger Gott: Dusentschur!

                                Lachen.

DUSENTSCHUR (wirft die Kutte ab): Gott segne diese Nacht, Freunde!

JOHANN. Warst du im Lager, Bruder Dusentschur?

DUSENTSCHUR (in Erregung, hin und her, mit hochgezogenen Knien): Ich war
im Lager. Heissa, heissa! Habe da und dort gepredigt und da und dort
ermahnt. Habe auch bei einigen Ängstlichen die Beichte abgenommen, habe
einige Briefe geschrieben. Es hätte nicht viel gefehlt, hätte mich der
Bischof zum Abendschmaus eingeladen. (Lachen.) – Höre, Freund, dies ist
das Kreuztor? Wie? Heißt der Wallhauptmann nicht von der Langenstraaten?

ERSTER LANDSKNECHT. Wenzel von der Langenstraaten.

DUSENTSCHUR. Wo ist er?

ERSTER LANDSKNECHT. Wir haben ihn seit zwei Tagen nicht mehr gesehen.

DUSENTSCHUR. Heissa, heissa. Ich glaube, Freunde, ich bin ihm im Lager
des Bischofs begegnet!

GERT TOM KLOSTER. Sollte es möglich sein?

TILBECK. Langenstraaten ein Verräter?

DUSENTSCHUR. Es ist eine große Anzahl von Knechten aus der Stadt
entwichen, denn Fresser und Säufer beten den Speck an und das volle Faß!
Jedenfalls heißt es, die Augen offen zu halten! Heissa, heissa! Welche
Angst sie vor dir haben, Johann, die Knechte! Sie glauben, du bist der
Satan und wirst sie auf deine Hörner spießen. Die Gesandten und
Feldherrn aber stolzieren mit ihren Federbüschen. Und es wimmelt von
Mönchen in Wolbeck! Und es wimmelt gleichfalls von Huren!

KNIPPERDOLLING. Werden sie angreifen heute nacht? Glaubst du?

DUSENTSCHUR (lachend): So wahr Christus auferstanden ist. Sie stehen
schon in Rotten bereit. Morgen wird die Hölle großen Zulauf haben,
großen Zuspruch. Heissa! Gib das Zeichen der Bereitschaft, Johann! Auch
die Federbüsche wird Gottes Atem versengen. Heissa, heissa! (Ab.)

JOHANN. Gott gebe es! – Stoße ins Horn!

   Einer der jungen Knechte stößt ins Horn. Der Hornruf pflanzt sich
                          über die Wälle fort.

KNIPPERDOLLING. Vorwärts, Freunde! Für den Himmel! Für Wahrheit und
Frieden auf Erden!

                       Sie gehen. Johann bleibt.

                              Dunkelheit.

JOHANN (keuchend): Gott! – Gott! – Herr! – Herr! – Vater über den
Sternen!

             Er stürzt in die Knie und brüllt wie ein Tier.

ERSTER LANDSKNECHT (nähert sich ihm): Weshalb brüllst du, Johann?

ZWEITER LANDSKNECHT (öffnet die Tür und blickt hinaus): Wer brüllt hier
wie ein Stier im Schlachthaus?

JOHANN. Laßt mich! Gott hat mich aus dem Paradies gestürzt. Ich bin
unter die Tiere gefallen.

ERSTER LANDSKNECHT (zuckt die Achseln): Zur Ruhe sollst du gehen,
Johann! (Er begibt sich in die Hütte rechts.)

                           Grelles Mondlicht.

JOHANN (rutscht auf den Knien): Vater – Vater – Vater im Himmel! (Er
erhebt sich, keucht, geht zur Treppe und steigt langsam zum Wall empor):
Höre mich, Vater im Himmel! (Er rutscht auf den Knien die Treppe empor.)
Neige dein Ohr, ich bin elend und arm und kläglich! Speise die Seele
deines Knechtes, du Gütiger, der du die Sterne lenkst und die Welten!
Zürne mir nicht! Zürne mir nicht länger, du süßes Licht in der
Finsternis! (Schreit.) Verlasse nicht deine Stadt Münster, die du
auserwählt hast unter den Städten der Erde, daß sie deinen Ruhm
verkünde. Verlasse sie nicht, die Brüder und Schwestern! Zertritt mich
mit deinem Fuße, wenn du willst, aber überliefere sie nicht der Schmach!
Gib nicht zu, daß das Blut der Gläubigen umsonst geflossen ist. – Herr,
der du warst, bevor Leben und Tod war, antworte mir. Ist es wahr, was
Roll verkündete? – Dein Reich ist ein Reich im Geiste und kein irdisches
Reich! Hörst du mich? Antworte, antworte mir! Gib mir ein Zeichen, du
Gütiger, Vater aller Kreatur!

                            Kanonenschüsse.

(Er stürzt nieder.) Antwortest du mir durch das Maul der Mörser? – Aus
meiner Not schreie ich zu dir, da ich verblute. Erbarme dich deines
gemarterten Volkes am Kreuze. (Er erhebt sich, jagt über den Wall,
schreiend.) Herr, Herr, Gott, Vater im Himmel! Engel der Liebe und des
Lichtes ...

                              Finsternis.

   Es erscheinen fünf zerlumpte Kinder im Alter von zehn bis
        fünfzehn Jahren. Sie pochen an die Tür der Hütte rechts.

ERSTES KIND. Soldat, mach auf!

ZWEITES KIND. Soldat, gib uns Brot! Hab Erbarmen!

DRITTES KIND (im Hemd): Uns hungert, Soldat!

ERSTER LANDSKNECHT (kommt heraus): Was wollt ihr, Gerippe? Mitten in der
Nacht? – Kommt ihr aus dem Kirchhof?

                  Die Kinder weichen ängstlich zurück.

ERSTES KIND. Soldat, hab Mitleid! Gib uns Brot!

ZWEITES KIND. Wir haben Hunger!

ZWEITER LANDSKNECHT (kommt heraus): Freßt Gras! Johann sagt, ihr sollt
Gras fressen. Auch das Vieh frißt Gras, sagt Johann!

KINDER. Soldat, Soldat!

ERSTER LANDSKNECHT. Fangt Mäuse! Freßt Ratten! Kocht euch einen alten
Stiefel. Morgen wird euch der Bischof füttern. (Er hebt einen Stein
auf.)

   Die Kinder entfliehen. Die Landsknechte lachen und schließen die
                                  Tür.

            Gekreisch. Die Türe des Hauses links fliegt auf.

HÄNSLEIN, (der Irre, in zerfetztem Hemd, erscheint schreiend, hinter ihm
werden zwei lachende, betrunkene Landsknechte sichtbar.)

HÄNSLEIN. Diebe, Mörder! Hilfe! (Er faucht wie eine Katze, da ihn die
Knechte festhalten.)

DRITTER LANDSKNECHT (legt eine Flinte an): Lauf, Hänslein! Tummle dich!

HÄNSLEIN. Diebe! Spitzbuben! Ich war Rektor in der freien Stadt
Schmalkalden. Sprach einst Latein. (Faucht wie eine Katze.)

VIERTER LANDSKNECHT. Du bist nicht mehr im freien Schmalkalden. Bist in
Münster und Münster ist eine Maus, um die die Katzen sitzen.

HÄNSLEIN (bittend): Liebe Gesellen.

DRITTER LANDSKNECHT. Sag dein Sprüchlein auf und wir lassen dich laufen.

HÄNSLEIN.

   Lag also in dem tiefen Turm,
   Der war voll Ungeziefer und Wurm ...

VIERTER LANDSKNECHT. Gut, Hänschen, sage: Meine Mutter hurt mit dem
Teufel.

HÄNSLEIN. Meine Mutter hurt mit dem Teufel.

DRITTER LANDSKNECHT. Lauf, Hänslein! Der Bischof kommt und wirft dich in
den Turm!

             Der Irre enteilt entsetzt. Die Knechte lachen.

DRITTER LANDSKNECHT. Heute nacht wird Knipperdolling nicht vor die
Schanzen gehen und Geschütze vernageln!

VIERTER LANDSKNECHT. Die Zeiten haben sich bös verändert, seit wir aus
dem Lager nach Münster übergingen.

DRITTER LANDSKNECHT. Auch der Stern, der sonst jede Nacht über Münster
funkelte – wo ist er hingekommen?

VIERTER LANDSKNECHT. Seltsam ist es immerhin. Und er funkelte doch alle
Nächte wie ein Edelstein. – Münster! Münster!

DRITTER LANDSKNECHT. Was ist deine Meinung, Bruder –?

VIERTER LANDSKNECHT. Meine Meinung ist: es wird bald Zeit sein, dem
neuen Jerusalem den Hintern zu zeigen.

DRITTER LANDSKNECHT. Das glaube ich auch.

                           Schließen die Tür.

   Zwei junge Mädchen in Tücher eingehüllt, bleich und verhungert,
                       kommen, scheu, ängstlich.

ERSTES MÄDCHEN (pocht an die Tür der Hütte rechts): Soldaten! Knechte!
(Die Tür öffnet sich.) Wir haben Hunger! Gebt uns zu essen!

ZWEITES MÄDCHEN. Seit drei Tagen haben wir auch nicht eine Krume
bekommen.

ERSTER LANDSKNECHT (kommt heraus): Bei den gewaltigen Fürsten der Hölle!
Kamerad, wir bekommen Besuch. Zwei zarte Jüngferchen machen uns ihre
Aufwartung. (Er tritt aus der Tür und mustert sie.)

ZWEITER LANDSKNECHT (erscheint in der Tür): Kommt herein, ihr Bräutchen.
Wir haben Brot und Speck und gebratene Ratten in der Pfanne. Und auch
Wein haben wir, das Mäulchen zu spülen.

ERSTES MÄDCHEN. Aber ihr müßt uns schwören, liebe Gesellen –!

ERSTER LANDSKNECHT (lacht): Wenn du sonst nichts von uns verlangst, im
Schwören sind wir stark wie Könige und Feldherrn.

ZWEITER LANDSKNECHT (lacht): Wir schwören wie der Papst und der Luther
zusammen. (Faßt eines der Mädchen an.)

ZWEITES MÄDCHEN. Wir haben Angst vor euch! Große Angst!

ERSTER LANDSKNECHT. Niemals haben wir einer Jungfer etwas zuleide getan,
die so lieblich war wie ihr. Kommt, oder wir schließen die Tür.

ZWEITER LANDSKNECHT. Wollen euch Kunststückchen beibringen, daß euch das
Lachen bis in den Magen kitzeln soll. Könnt ihr auf dem Rücken tanzen?
Könnt ihr auf Zehen und Fingerspitzen tanzen? Das alles sollt ihr bei
uns lernen und noch mehr! (Die Mädchen treten ein.)

                         Schreien der Mädchen.

                Wüstes Lachen. Die Tür wird geschlossen.

                           Grelles Mondlicht.

JOHANN (erscheint von rechts auf dem Wall. Sein Antlitz ist mit Schweiß
bedeckt. Schreit): Ich lasse dich nicht, Herr! Siehe deine Stadt! Dein
Reich! Die Heiden umschwärmen deinen Thron, Herr! Vater im Himmel, laß
diese Erde endlich Frieden haben. Siehe, sie haben dein Wort in den
Staub getreten. Sie haben Lüge und Spott aus deinem Wort gemacht. Dulde
nicht, daß sie dich länger verhöhnen. Die Armen und Elenden weinen zu
dir Tag und Nacht und die Heuchler und Hochmütigen stolzieren einher.

   Herr, Herr! Vater im Himmel!
   Laß dein Reich kommen auf diese Erde!

           Der große Mönch erscheint von links auf dem Wall.

                              Dunkelheit.

JOHANN (steigt langsam die Treppe herab. Er spricht keuchend): Lösche
mein Augenlicht aus, wenn es dir gefällt. – Schlage mich mit Aussatz,
wie Hiob, wenn es dir gefällt. Fordere mein Blut, es gehört dir. (Er ist
unten angelangt und geht schwankend.) Aber zürne mir nicht länger ...
(Verzückt lächelnd.) Ich schlief und du wecktest mich auf. Du hast
deinen heiligen Samen in mein Herz gelegt und er ging auf. Weshalb
willst du jetzt die Saat verderben? (Er kniet und neigt den Kopf bis zur
Erde.) Dein Wille geschehe!

                                 Pause.

   Der große Mönch steigt die Treppe herab und bleibt im Schatten
                                stehen.

DER GROSSE MÖNCH. König Johann!

JOHANN (richtet sich auf): Wer spricht hier? (Er erhebt sich.)

DER GROSSE MÖNCH (tritt aus dem Schatten): Gegrüßt seist du, König der
neuen Christenheit! Herr im neuen Tempel!

                                 Pause.

JOHANN. Wie kommst du hierher in die Stadt? Mitten in der Nacht?

DER GROSSE MÖNCH. Für mich gibt es weder Tore noch Wächter, Johann.

JOHANN. Wer bist du?

DER GROSSE MÖNCH. Ein Bote, Johann!

JOHANN. Ein Bote? Des Lichts? Der Finsternis?

DER GROSSE MÖNCH. Was bedeutet Licht, was bedeutet Finsternis?

JOHANN. Dann gibt es auch nicht Himmel und nicht Hölle?

DER GROSSE MÖNCH. Auch Himmel und Hölle sind eine Einbildung der
Menschen.

JOHANN. Lügner und Satan! Hinweg mit dir!

DER GROSSE MÖNCH. Ich wollte dich versuchen, Johann. Du hast bestanden.
– Johann! Ich will dich mächtiger machen als den Papst und mächtiger als
alle Kaiser und Könige. Ich will dich zum Herrn über den Erdball setzen.
(Da Johann zurückweicht, eindringlicher.) Ich will dir die Macht
verleihen, aus Steinen Gold zu machen und die Edelsteine in den Bergen
mit deinen Augen zu sehen. Alle Reichtümer dieser Welt will ich dir
geben und du sollst die Mächtigen der Erde damit kaufen, Johann. Gib
ihnen Gold und sie sind dir zu Willen, mehr wollen sie nicht.

JOHANN (wehrt ab): Was sollen mir deine Reichtümer. Ich will sie nicht!
Behalte sie!

DER GROSSE MÖNCH. Johann, ich weiß, du bist in Bedrängnis. Deine Stadt
Münster ist verloren und es gibt keine Rettung für sie!

JOHANN (verzagt): Münster ist bedrängt, wohl weiß ich es. Wir werden
kämpfen und Gott wird seine Stadt beschützen!

DER GROSSE MÖNCH. Die Übermacht des Bischofs ist zu groß. Du weißt es,
Johann, und du weißt auch, daß Gott Münster nicht beschützen wird. Du
weißt es, Johann, leugne es nicht. Ich aber habe dein Geschrei vernommen
und bin zu dir gekommen, da Gott dich verlassen hat.

JOHANN (ermannt sich): Wer sagt dir, daß Gott mich verließ?

DER GROSSE MÖNCH. Du weißt es selbst. Er hat dich gerufen, aber da du
ihm folgtest, hat er sich von dir gewandt. Hat er nicht immer die im
Stich gelassen, die ihm nachfolgten? Hat er nicht selbst den eigenen
Sohn verlassen, als er am Kreuze nach ihm schrie?

JOHANN (in Abwehr): Versuche mich nicht!

DER GROSSE MÖNCH. Johann! Ich will dich triumphieren lassen über deine
Feinde! Höre, Johann, gibt es etwas Herrlicheres, als über seinen Feind
zu triumphieren? Folge mir, und ich will dir den Bischof in die Hand
geben.

JOHANN (schwach): Könntest du das –?

DER GROSSE MÖNCH. Wenn du Mut hast?

JOHANN. Ich habe Mut!

DER GROSSE MÖNCH. So folge mir. Ich führe dich in das Haus des Bischofs
und gebe ihn in deine Hand und du wirst ihn gebunden nach Münster
zurückführen. Du, du, ganz allein, bevor deine Leute es gewahr werden,
und dein Triumph wird groß sein.

JOHANN. Könntest du es wirklich? (Voller Argwohn.) Und was willst du,
daß ich dafür tue?

DER GROSSE MÖNCH. Ich wünsche, daß du nichts tust.

JOHANN. Nichts?

DER GROSSE MÖNCH. Nichts. Fast nichts.

JOHANN. Doch etwas?

DER GROSSE MÖNCH. Nichts! – Lasse die Menschen leben, wie sie leben
wollen, und lebten sie wie die Tiere. Und rufe Gott nie mehr an.

JOHANN. Satan – hebe dich von mir!

DER GROSSE MÖNCH (umschlingt Johann): Komm, Johann, ich will dir den
Bischof in die Hand geben!

JOHANN. Hinweg! Hinweg! Hebe dich von mir.

                              Sie ringen.

DER GROSSE MÖNCH. Komm, komm, Johann!

JOHANN. Herr! Herr!

STIMMEN AUS DER LUFT. Johann! Johann!

            Der große Mönch verschwindet. Fahles Mondlicht.

   Johann hat die Hände zum Gebet erhoben. Er ist in Schweiß
                                gebadet.

STIMME AUS DER LUFT. Johann! Johann!

JOHANN (lauscht): Wer ruft mich? Ich höre!

STIMMEN AUS DER LUFT. Johann! Ich bin bei dir!

                  Ein Lichtschein steht auf dem Wall.

                         Johann fällt zu Boden.

JOHANN (erhebt sich in die Knie, starrt auf den Lichtschein. Freudig,
erlöst, ekstatisch): Herr –! Herr –! Ich verstehe dein Zeichen, ich,
dein Knecht, Johann! In alle Ewigkeit seist du gelobt!

           Mondlicht. Der Lichtschein auf dem Wall erlischt.

   Drei von den Kindern, im Alter von zehn bis fünfzehn Jahren,
   kommen wieder. Sehen sich scheu um. Sie wollen an die Türe
                    pochen, da erkennen sie Johann.

ERSTES KIND. König Johann!

ZWEITES KIND. König Johann, gib uns Brot!

JOHANN (wie betäubt, erhebt sich): Was wollt ihr? Was sucht ihr in der
Nacht?

DRITTES KIND. König Johann! Weshalb ist dein Gesicht so naß?

ERSTES KIND. Wir haben Hunger!

JOHANN. Geht nach Hause. Eure Eltern werden böse sein.

ZWEITES KIND. Wir haben keine Eltern. Die Eltern sind tot. Die Türe des
Hauses steht immer offen. Aber wir haben Hunger, Johann.

JOHANN. Ihr habt Hunger? (Mit plötzlich leuchtendem Gesicht.) Morgen
sollt ihr weißes Brot essen und Kuchen aus Mehl und Eiern gebacken.
Kommt, ich will euch etwas zeigen. Kommt!

     Er steigt auf den Wall. Sie folgen ihm. Der Tag kommt herauf.

JOHANN. Kommt – kommt! – Seht ihr den Glanz in der Ferne leuchten? Dort,
Dort! Am Himmel! (Er hebt ein Kind in die Höhe.) Siehst du?

ERSTES KIND. Ja, Johann, ich sehe den Glanz.

JOHANN. Das ist Gottes himmlisches Reich, das sich auf die Erde senkt.
(Er hebt das zweite Kind in die Höhe.) Siehst du Gottes heiliges Reich
am Himmel schimmern? Siehst du es?

ZWEITES KIND. Ja, Johann!

JOHANN (hebt das dritte Kind in die Höhe): Vielleicht sind meine Füße zu
müde, es zu betreten. Vielleicht hat Gott es anders beschlossen.
Vielleicht bin ich nicht würdig, meinen Fuß über die Schwelle des
Reiches zu setzen. Ihr aber – ihr – ihr werdet das Reich betreten und
selig sein.

ERSTES KIND. O König Johann! Wir lieben dich!

JOHANN (verzückt): Seht ihr das Feuer am Himmel stehen?

DIE KINDER. Wir sehen es! Wir sehen es!

JOHANN (in Ekstase, schreit): Seht ihr, seht ihr? Das ist Gottes
heiliges Zeichen!

DIE KINDER. Wir sehen es, Johann!

JOHANN (erhebe die Arme): Gott, Herr, du hast deinen Knecht erhört!
Gepriesen sei dein Name immerdar!

   Johann eilt die Treppe herab. Die Kinder verschwinden auf dem
                                 Wall.

                       Johann pocht an die Türen.

JOHANN. Knechte, auf! Auf, Knechte! (Die Türen öffnen sich ein wenig.
Dritter und vierter Landsknecht kommen heraus.) Geht, so befiehlt euch
König Johann. Geht auf die Wälle zu den Brüdern und verkündet, was ich
euch sage: Der Herr ist mit Münster! Unser ist der Sieg! Das Reich
Gottes ist herbeigekommen.

                             Er eilt davon.

DRITTER LANDSKNECHT. Geh schlafen, Johann. Wir wachen für dich.

JOHANN (ruft, nicht mehr sichtbar): Der Herr ist mit Münster! Unser ist
der Sieg!

DRITTER LANDSKNECHT (pocht an die Türe gegenüber): Seid ihr bereit?

STIMMEN. Wir sind bereit!

VIERTER LANDSKNECHT. Johann mag sagen, was er will. Selbst der Teufel
könnte Münster nicht mehr retten. Es riecht schon nach Leichen in den
Gassen. Vorwärts, sonst schneiden sie morgen Riemen aus unserer Haut.

   Dritter und vierter Landsknecht steigen die Treppe zum Wall
                                 empor.

ERSTER LANDSKNECHT (erscheint lachend): Wir haben Münster wenigstens
etwas zurückgelassen. Haben uns nicht undankbar gezeigt! (Steigt die
Treppe empor.)

ZWEITER LANDSKNECHT (erscheint): Wir werden uns im Weidengebüsch
verbergen und dann ins Getümmel mischen. Halt, wartet auf mich!

                           Sie verschwinden.

                           Pause. Dämmerung.

   Auf dem Wall erscheint Wenzel von der Langenstraaten. Er steht
        eine Weile. Zwei, drei Gestalten tauchen neben ihm auf.

         Sie steigen die Treppe herunter, um das Tor zu öffnen.

(Eine Gestalt huscht über die Szene, im Hemd, mit gellender Stimme):
Verrat! Verrat!

                                Vorhang.

   Die Szene bleibt dunkel. Nach ganz kurzer Pause hebt sich der
                        Vorhang zur Schlußszene.




                              Verwandlung


                Ein kleiner Saal im Rathaus zu Münster.

   In der Mitte der Rückwand eine breite Tür. Der größte Teil der
   Rückwand besteht aus Glasfenstern, die den Blick in einen Gang
                   erlauben. Links und rechts Türen.

   Der Saal ist fast kahl. Links ein paar gegen die Wand gestellte
            Sessel und Stühle und ein langer schmaler Tisch.

   Es ist gegen Mittag. Die Sonne scheint in den Saal. Der Saal ist
                                 leer.

                 Fernes, wirres Geschrei. Dann Stille.

TILBECK (bleich, wie von Sinnen, kommt rückwärts durch die Tür links; er
läßt das Schwert fallen, setzt sich auf einen Stuhl, steht auf, lehnt
sich gegen den Tisch, schlotternd.) Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte
für uns. Jetzt und in der Stunde unseres Absterbens.

                 Durch die Tür links treten rasch ein:

   Rottmann, Krechting, Gert tom Kloster, Knipperdolling. Erschöpft
                   und zerfetzt. Waffen in der Hand.

KRECHTING. Wir können das Rathaus nicht länger halten, Brüder. Sie haben
schon die Treppe und den großen Saal besetzt.

GERT TOM KLOSTER (rasend): Der Satan hat sie geführt!

ROTTMANN (voller Angst, aber entschlossen): Sie sollen Rottmann nicht
lebendig in die Hände bekommen!

KNIPPERDOLLING. Alle Teufel sind auf dem Wege nach Münster! Schlage sie
mit einer Keule nieder, Herrgott im Himmel! Auch das Rathaus verloren,
Brüder! Es war die letzte Feste Münsters.

TILBECK. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns ...

KNIPPERDOLLING. Bist du von Sinnen, Tilbeck? Brüder, Tilbeck hat den
Glauben seiner Kindheit wiedergefunden. (Er lacht bitter.) Wir müssen
uns zu den andern durchschlagen! Zur Wagenburg auf dem Domplatz!

DUSENTSCHUR (stürmt durch die Türe rechts in den Saal. Er sieht eher
einem Dämon ähnlich als einem Menschen. Er ist halbnackt, Hose,
zerfetztes Hemd, mit Blut und Schweiß bedeckt. Trägt ein Beil.)
Hosiannah! Wo sind sie, die Abgesandten der Hölle?

KNIPPERDOLLING. Zurück, Dusentschur. Es ist ohne Sinn. Sie überschwemmen
schon Treppen und Säle.

DUSENTSCHUR (ist durch nichts zu halten. Schwingt das Beil): Heilig,
heilig ist der Herr Zebaoth! (Dreht sich um, als feuere er eine
unsichtbare Gefolgschaft an.) Her zu mir! Folgt mir, ihr himmlischen
Heerscharen, daß ich euch den Satan zeige! Die Posaunen lasset klingen!
Hosiannah! (Er stürzt durch die Tür links hinaus.)

KNIPPERDOLLING (mit wilder Entschlossenheit): Vorwärts, Brüder, nehmt
das Schwert in beide Hände! Hat der Herr unseren Untergang beschlossen,
so soll er sehen, daß wir für seine Ehre kämpfen bis zum letzten roten
Tropfen. Durch oder tot!

ROTTMANN. Sie sollen Rottmann nicht lebendig in die Hände bekommen!

KRECHTING. Im Namen des lebendigen Gottes!

GERT TOM KLOSTER. Durch oder tot!

                    Sie eilen durch die Mitteltüre.

TILBECK (sinnlos, schlotternd): Gnade, Gnade, Herr. Ich habe gesündigt,
ich bereue. (Schwankt durch die Mitteltüre.)

   Johann kommt durch die Tür rechts. Nach einigen Augenblicken
                           folgt ihm Divara.

   Johann ist still, ruhig, gefaßt und ergeben. Wie in einem Traum
   befangen. Er trägt eine Art Kutte, die zerfetzt ist. Er ist
   barfuß. Divara ist in großer Angst, doch versucht sie sich zu
                              beherrschen.

JOHANN. So habe ich dein Zeichen falsch gedeutet, mein Vater im Himmel?
(Er steht still.) Deine Stadt in die Hände der Heiden gegeben –!

DIVARA. Johann!

JOHANN. Deine Weisheit hat alles wohl erwogen. Dein Name sei gelobt in
alle Ewigkeit!

DIVARA. Töte mich, Johann! Ich will nicht in ihre Hände fallen.
(Umklammert seine Knie.) Ich habe Angst vor ihnen.

JOHANN. Zittre nicht, Divara. Denke an den Erlöser am Kreuz, wenn sie
das Schwert zücken.

DIVARA. Töte mich, Johann. Ich war ein sündiges Weib. Ich habe Sünde
über Sünde auf mich geladen.

JOHANN. Gott ist ein milder Richter.

DIVARA. Ich habe Hille Feiken in den Tod getrieben. Ich habe sie betört,
in das Lager des Bischofs zu gehen. Ich habe gebetet, daß sie nicht
wiederkommen möge, Johann. Ich wollte nicht, daß Hille dein Weib werde.

JOHANN. Gott kennt wohl das Herz der armen Kreatur.

DIVARA. Johann! Nur aus Eitelkeit und Hoffart bin ich dein Weib
geworden. Ich liebte Mathys noch, als ich schon dein Weib war.
Besuchtest du mich in der Kammer, so schloß ich die Augen und dachte, es
sei Mathys.

JOHANN. Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms.

DIVARA (beschwörend): Johann, ich trage ein Kind von dir unter dem
Herzen. Habe Erbarmen und töte mich um deines Kindes willen.

JOHANN (reißt sie empor): Schwöre, daß du die Wahrheit sprichst!

DIVARA. Ich schwöre, Johann.

JOHANN. Schwöre bei deiner Seligkeit! Schwöre bei der Seligkeit Mathys’!

DIVARA. Ich schwöre bei meiner Seligkeit und der Seligkeit Mathys’!

JOHANN (in höchster freudiger Erregung): Gottes Gnade ist ohne alle
Grenzen! – Fort, Divara, fort! Rette dich! Es wird ein Sohn sein! Gott
hat mir einen Sohn gegeben, daß er mein Werk vollende! Fort, Divara! Es
ist ein Befehl an dich ergangen!

DIVARA (klammert sich an ihn): Ich will leben um deines Sohnes willen,
Johann!

JOHANN. Um deines Sohnes willen wird Gott dich beschirmen. Fort!

DIVARA (gläubig): Führe mich, Johann!

                    Beide eilen durch die Mitteltür.

   Der Saal bleibt längere Zeit leer. Dann hört man Waffenklirren
                              und Stimmen.

   Einige bischöfliche Offiziere treten laut und lachend durch die
                        Türe links in den Saal.

                       Zuletzt Meinhard von Hamm.

MEINHARD VON HAMM. Das Rathaus ist in unserer Hand! Meldet es den
Feldherrn! – In mancher Schlacht habe ich gefochten, ihr Herren, manche
Burg und Stadt habe ich gestürmt. Ich bekenne es offen: niemals habe ich
einen solchen Kampf erlebt. Was noch zu tun ist, besorgt, ihr Herren!
Zieht sie aus den Häusern, den Kellern, den Betten. – Übt keine Gnade!
Die Anführer allein nehmt gefangen! – Die Täufer haben sich zu einem
letzten Widerstand in die Wagenburg am Domplatz geworfen. Feuert aus den
Häusern auf sie, bis sie um Gnade flehen. Und wenn sie die Waffen
abgegeben haben, schlagt sie nieder, Mann für Mann! Das Blut soll den
Boden Münsters rot färben für alle Zeiten. Wir kümmern uns nicht um die
Abmachungen mit den evangelischen Fürsten und freien Reichsstädten. Der
Bischof wird uns Dank wissen.

DRITTER OFFIZIER (kommt durch die Mitteltüre mit einigen Knechten):
Knipperdolling ist gefangen. Sie haben ihn niedergeschlagen mit Spießen.

DIE OFFIZIERE. Knipperdolling!

DRITTER OFFIZIER. Zwanzig Knechte waren nötig, ihn zu bändigen.
Krechting ist gefangen. Tilbeck haben sie in Stücke gerissen, er
bettelte um sein Leben. Rottmann, der Prediger und der Holländer Gert
tom Kloster wurden im Kampf erschlagen.

MEINHARD VON HAMM (drohend): Und Johann?

DRITTER OFFIZIER (zuckt die Achseln).

                           Geschrei draußen.

DRITTER OFFIZIER. Sie rufen: Johann ist gefangen!

ALLE. Johann gefangen!

MEINHARD VON HAMM. Führt ihn hierher! Und sein Weib?

DRITTER OFFIZIER. Es verlautet nichts von Divara.

MEINHARD VON HAMM. Seht zu, daß uns Johanns Weib nicht entkommt! Hundert
Gulden hat der Bischof auf den Kopf der Metze gesetzt.

ERSTER OFFIZIER. Der Bischof, wird gemeldet, ist soeben in Münster
eingeritten und nähert sich dem Rathaus.

MEINHARD VON HAMM. Gehen wir Seiner fürstlichen Gnaden entgegen, ihr
Herren!

   Meinhard von Hamm mit seinem Stab rasch ab durch die Mitteltür.
                     Der Saal ist eine Weile leer.

   Lärm. Gelächter. Die Tür rechts wird aufgestoßen. Vier
   Kriegsknechte, zerlumpte Burschen, stoßen Johann durch die Türe.
   Johanns Kutte und Hemd sind noch mehr zerrissen. Er ist jetzt
   totenbleich. Seine Augen glühen. Die Knechte haben ihm eine Krone
                    aus Papier auf den Kopf gesetzt.

ERSTER KNECHT. Spute dich, Johann!

ZWEITER KNECHT. Bist doch sonst so rasch gewesen und über die Erde
geflogen wie ein Engel.

DRITTER KNECHT. Hast du nicht gesagt, du kannst in Köln und Straßburg
zur gleichen Zeit sein?

VIERTER KNECHT. Eine Frage, Johann –

ERSTER KNECHT. Sage mir eines, große christliche Majestät: Wie weit ist
es von Münster bis zum Himmel? Ich wette, du wirst rascher zum Himmel
kommen als der Himmel nach Münster. (Gelächter.)

ZWEITER KNECHT. Da du doch ein Schneider bist, Johann: kannst du mir
meinen Hosenlatz so fest zunähen, daß kein Weibsbild in der Welt ihn
aufmachen kann, so will ich an dich glauben und dich anbeten. Gelächter.

DRITTER KNECHT. König der Christenheit, ich will eine Frage an dich
richten. Was ist das? (Spuckt ihm ins Gesicht.) Was ist das? Laß dein
Licht leuchten. Seht, er zerbricht sich den Kopf! Das ist die
Wiedertaufe, die du gelehrt hast. (Gelächter.)

VIERTER KNECHT. Deine sechzehn Weiber, Johann?

ERSTER KNECHT. Wo sind sie? Zeige sie uns.

ZWEITER KNECHT. Hast du alle sechzehn gleichzeitig beschlafen? Lehre uns
das Kunststück und wir wollen gegen den Bischof rebellieren und dich zum
König ausrufen über das Münsterland.

JOHANN (betrachtet sie mit fiebernden Augen): Versündigt euch nicht, ihr
Schelme.

DIE KNECHTE (drohend): Versündigen? An wem? An dir?

JOHANN. Es ist eine zu große Erhöhung für mich, wenn ihr mich schmäht
wie die Kriegsknechte den heiligen Christ geschmäht haben!

ERSTER KNECHT (erhebt die Faust): Willst du dich mit Christus
vergleichen? (Stößt ihn hart an. Die Papierkrone fällt von Johanns
Kopf.)

JOHANN. Das sei ferne von mir. Ich bin ein armer sündiger Mensch.

   Durch die Glasfenster in der Rückwand erblickt man den Bischof
                              mit Gefolge.

   Zuerst treten einige Offiziere ein. Dann der Bischof mit einigen
   geistlichen Würdenträgern. Darunter Johann v. Raesfeld und Dr.
   Melchior. Zuletzt die Feldherren und Obersten, darunter Meinhard
                               von Hamm.

   Der Bischof nimmt auf einem Sessel Platz, den man ihm hinschiebt.
   Er sieht staubgrau aus. Der Triumph hat seine grauen Wangen mit
   leichter Röte geschminkt. Er beachtet vorerst Johann nicht. Erst
   als das Gefolge sich gruppiert hat, hebt er das Gesicht und
   betrachtet Johann lange. Er bekreuzt sich. Die geistlichen Herren
                        folgen seinem Beispiel.

BISCHOF, (das Blut steigt ihm in das graue Gesicht. Er erhebt sich in
größter Erregung, schreit): Achthunderttausend Goldgulden hast du mich
gekostet! Achthunderttausend Goldgulden! Mein Stift Münster ist auf ein
Menschenalter verpfändet, ich bin ein Bettler geworden. Not und Elend
hast du über das Münsterland gebracht!

JOHANN. Das lügst du, Pfaffe! Du selbst hast es getan, nicht ich. Du
hattest freies religiöses Bekenntnis allen Bürgern Münsters gelobt. Du
bist es, der die Waffe erhob! (Erregung des Gefolges.)

JOHANN VON RAESFELD. Darf ich Eure fürstliche Gnaden an Eure Gesundheit
mahnen.

BISCHOF (setzt sich, ruhiger): Seht ihn euch an, ihr Herren! Seinetwegen
lagen wir achtzehn Monate vor Münster. Wie viele Gestalten hat der Satan
schon angenommen, um die Welt zu verderben! Seht, diesmal hat er die
Gestalt des Schneiders aus Leyden angenommen.

JOHANN. Bischof, es ziemt dir nicht –

JOHANN VON RAESFELD. Schweige! – (Geschäftsmäßig, kalt und haßerfüllt.)
Gestehst du, Johann Bokelson, der Schneider aus Leyden zu sein? Jener
Johann, der sich König vom neuen Tempel nannte, auch König im neuen
Zion, auch König der neuen Christenheit?

JOHANN. Ich leugne es nicht. Schreibe es ruhig hin, Schreiber.

DR. MELCHIOR (hat mit seinen Gehilfen an dem schmalen langen Tisch Platz
genommen, um das Protokoll aufzunehmen): Ei, du Schelm! Ich bin Doktor
der Universität von Göttingen.

JOHANN VON RAESFELD. Bekennst du dich schuldig des Aufruhrs, der
Meuterei, der Zusammenrottung gegen die Obrigkeit, den Bischof Franz von
Iburg und Münster, eingesetzt von Papst und Kaiser über das Erzstift
Münster?

JOHANN. Ich kenne keine weltliche Obrigkeit. Wohl weiß ich, der Adel
wählt die vom Adel und der Papst trägt die gleiche Haube wie die
Fürsten.

JOHANN VON RAESFELD. Du hast das heilige Sakrament der Taufe und Ehe
geschändet, du hast –

JOHANN. Wo steht in der Schrift etwas von der Kindertaufe und der Ehe
geschrieben? Es sind menschliche Sakramente und nicht von Gott
eingesetzt. Aber: Es geht ja nicht um Taufe und Ehe und Messe. Es geht
um den Inhalt. Nicht schöne Worte und Gebete tun es. Zweierlei gehören
zum rechten Christen. Daß er an Christus wahrhaftig glaubt und daß er
heilig wandelt in allen seinen Geboten. Weshalb ereifert ihr euch also,
ihr Heuchler? (Unruhe.)

JOHANN VON RAESFELD. Du hast alle göttliche und weltliche Ordnung
geschändet, indem du die von Gott in seiner Weisheit eingesetzten Stände
aufhobst und den Knecht dem Herrn gleichsetztest und offen die Empörung
predigtest!

JOHANN. Das ist die Lehre Christi und nicht die meinige!

                  Erregung. Alle springen empört auf.

JOHANN VON RAESFELD (bleich vor Zorn): Es steht dir übel an, zu prahlen,
Johann. Noch heute wirst du vor dem Richter im Himmel stehen und er möge
dir gnädig sein.

JOHANN. Es geschieht nichts ohne seinen Willen.

JOHANN VON RAESFELD (voller Haß): Johann, dein Urteil ist gesprochen und
besiegelt! Es ist bewiesen, daß du eine boshaft-viehische, im Reiche
nicht geduldete Religion in Münster eingeführt hast. Du hast die
Sakramente verunehrt und das Volk gegen Eid und Pflicht gegen die
Obrigkeit zur Widersetzlichkeit aufgewiegelt, viehische Laster verübt.
Das aber ist dein Urteil: Mit glühenden Zangen sollst du gerissen
werden, dann wird man dir einen glühenden Dolch ins Herz stoßen. Dein
Leichnam aber wird in einem eisernen Käfig zur Zinne des Lambertiturms
emporgezogen werden und dort oben werden ihn die Raben fressen.

JOHANN (weicht entsetzt zurück).

JOHANN VON RAESFELD (triumphierend): Ah, nun zitterst du!

JOHANN. Ich werde Gott anrufen, mir die Kraft zu geben, damit ich nicht
schwach werde. Ich fürchte nicht den Tod. Es ist eine Erhöhung, zur Ehre
Gottes zu leiden. Doch fürchte ich die Frage des Herrn: Johann, was hast
du mit den Gerechten getan, die ich dir anvertraute?

BISCHOF. Fast könnte ich Mitleid mit dir haben, Johann. Armer
Verführter, armer Johann, Beschützer der Armen, Bettler und Aussätzigen,
der du alle Menschen gleich machen wolltest.

JOHANN (hochmütig): Habe Mitleid mit dir selbst, Bischof!

BISCHOF. Ich bin demütig im Herrn und er allein wird richten. Aber sage
mir eines, Johann, laß uns sprechen wie Christen, bevor du in den Tod
gehst. Weshalb hast du all das getan?

JOHANN. Alles was ich getan habe, Bischof, geschah im Auftrage des
lebendigen Gottes.

                               Bewegung.

BISCHOF. Alles geschah im Auftrage Gottes?

JOHANN. Alles, Bischof! Ich war nur sein Werkzeug.

BISCHOF. So ist es auch der Wille des lebendigen Gottes, daß du jetzt
gefangen vor mir stehst?

JOHANN. Du weißt, Bischof, wenn Gott die Berge ansieht, beginnen sie zu
rauchen. Nichts geschieht ohne seinen Willen. Er hat diese Prüfung über
mich und die Gemeinde verhängt, da wir nicht stark genug im Glauben
waren.

BISCHOF. Nicht stark genug im Glauben?

JOHANN. Das ist unsere Sünde, Bischof.

BISCHOF. So straft er dich mit Recht für deinen Übermut, Johann!

JOHANN. Er tut es, Bischof. Könnte Gott je Unrecht tun? Gott hat mir
sein Geheimnis verschlossen, da ich unwürdig war.

BISCHOF. Du bist jetzt recht demütig geworden, Johann. Aber noch vor
kurzem hast du das Maul vollgenommen und verkündet, daß das
tausendjährige Reich nahe sei und du seiest sein erster Fürst?

JOHANN. Wer sagt dir, Bischof, daß Gottes Reich nicht heute beginnt? Du
hast Münster genommen, was bedeutet es? In dieser Stunde kann Gott es
dir wieder entreißen. Eines aber sage ich dir, Bischof: Kreuzige die
Abgesandten Gottes, du wirst immer nur ihren Leib töten. Nicht den
göttlichen Befehl, den sie verkünden. Verbrenne uns, wir werden aus der
Flamme wieder auferstehen. Wirf uns in das tiefe Meer – wir werden
wiederkommen. Wieder und wieder werden neue Boten Gottes aufstehen und
immer mehr. Bald wird die Zeit erfüllt sein! Morgen, heute, in dieser
Stunde kann Christus über die Erde fahren in seinem Glanz. Was weißt
denn du, Bischof? Wer bist du, daß du es wissen könntest? Die Schrift
eilet dem Ende entgegen.

BISCHOF. Armer Verführter! Nicht Gott hat dir diese Gedanken eingegeben,
sondern die Hölle hat dich geblendet. Du hast nicht begriffen, daß das
Reich Gottes die Ordnung und Ruhe auf der Erde ist und daß es kein
größeres Verbrechen gibt als das, diese Ordnung zu stören. Kirche und
Obrigkeit, das ist Gottes Reich, eingesetzt von Gott auf Erden. Es ist
genug. – Johann, bevor du gehst: Widerrufe, und ich will dich nur mit
dem Schwerte strafen.

JOHANN. Was, Bischof, soll ich widerrufen? Kann ich gegen Gottes Wort
gehen? Eher werden die Flüsse zur Quelle zurückkehren. Bin ich auch in
deiner Gewalt, so solltest du meiner nicht spotten. Aber wenn du eine
Bitte erlaubst, Bischof, so will ich dir danken. (Der Bischof nickt.)
Laß die gefangenen Frauen Münsters nicht in deinen Gefängnissen
verfaulen und liefere sie nicht deinen Kriegsknechten aus! Töte sie,
wenn du willst. Das ist meine Bitte. Töte sie mit dem Schwert.

BISCHOF (nickt): Ihr habt gehört, ihr Herren!

JOHANN VON RAESFELD. Divara allein sei ausgenommen!

JOHANN (triumphierend): Nie wird Divara euch in die Hände fallen. Gott
hat sie hinweggeführt aus Münster.

BISCHOF. Führt ihn fort!

                       Johann geht, steht still.

HÄNSLEIN, (der Irre ist durch die Türe links eingetreten, beginnt zu
deklamieren):

   Der Würmer und Ungeziefer Hauf,
   Die taten mir meinen Trinknapf auf ...

MEINHARD V. HAMM. Hinweg! Wachen!

HÄNSLEIN (faucht wie eine Katze): Diebe! Mörder! (Er wird
hinausgedrängt.)

JOHANN. Höre, Bischof. Du hast so viele Fragen an mich gerichtet und ich
habe sie alle ohne Verstocktheit beantwortet. Darf ich, bevor ich gehe,
eine Frage an dich richten?

BISCHOF. Rede!

JOHANN. Bischof! Dienst du Gott mit der Lippe oder mit der Tat und
Handlung?

BISCHOF. Ei freilich, diene ich Gott mit der Tat und Handlung, du
Verblendeter.

JOHANN VON RAESFELD. Führt ihn hinweg!

JOHANN. Bischof! Wenn du die Schwelle zur Ewigkeit überschreiten wirst –
so werde ich dastehen, ich, Johann! In dieser Welt hast du Gewalt! In
jener Welt werde ich sie haben! Und ich werde mit dir vor Gottes Thron
treten und harte Klage gegen dich führen und dich der Lüge und Heuchelei
anklagen. Und Gott wird dich verwerfen!

BISCHOF (hat sich bleich und keuchend erhoben).

                               Erregung.

JOHANN VON RAESFELD. Fort mit ihm!

   Knechte führen Johann fort. Der Gang draußen, durch die
   Glasfenster sichtbar, hat sich mit Mönchen mit brennenden Kerzen
   gefüllt. Die Mitteltür springt auf: Ein Mönch mit einem großen
   Kreuz wird sichtbar, daneben der bischöfliche Scharfrichter mit
                                Schwert.

   Johann bricht in die Knie. Ein Mönch berührt seinen Arm und
                            richtet ihn auf.

JOHANN (mit einem heißen Blick): Gott wird es dir danken, Bruder! (Er
geht dem Henker mit Fassung entgegen): Der du die Welten und Himmel
lenkst – laß dein Reich endlich kommen auf diese Erde, die ohne Friede
ist!

                           Tür schließt sich.

                                 Pause.

             Draußen wildes Geschrei, Rufe: Johann! Johann!

                                 Pause.

BISCHOF erhebt sich: Ihr Herren! Der Anschlag des Satans auf die
Christenheit ist zuschanden geworden. Es sollen reitende Boten gesandt
werden an alle unsere Nachbarn und Freunde und verkünden: Münster ist in
unserer Hand und Johann von Leyden ist gerichtet!

Da die Kirchen entweiht sind, so wollen wir heute abend auf dem Domplatz
ein Hochamt abhalten zur Ehre Gottes, und um dem Allmächtigen in aller
Demut zu danken.

   Der Bischof erteilt den Segen. Während er sich anschickt, den
                 Saal zu verlassen, fällt der Vorhang.


                                  Ende




                       Werke von Bernhard Kellermann


                               Yester und Li
                            Roman. 157. Auflage


                                 Ingeborg
                            Roman. 119. Auflage


                                  Der Tor
                            Roman. 50. Auflage


                                 Das Meer
                            Roman. 87. Auflage


                                Der Tunnel
                               238. Auflage


                            Der Krieg im Westen
                        Kriegsberichte. 20. Auflage


                            Der neunte November
                            Roman. 51. Auflage


                               Die Heiligen
                Illustriert von Magnus Zeller. 12. Auflage


                          Schwedenklees Erlebnis
                                10. Auflage


            Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig




                     Anmerkungen zur Transkription


Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere
Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 9]:
   ... mit dem Schäften der Spieße gegen die Tür.
       Schweißtriefend, ...
   ... mit den Schäften der Spieße gegen die Tür.
       Schweißtriefend, ...

   [S. 14]:
   ... die köstliche Sache gewirkt. Ihre Freunde, die ihr ...
   ... die köstliche Sache gewirkt. Ihr Freunde, die ihr ...

   [S. 68]:
   ... eine solche Geschichte habe ich in meinen ganzen Leben ...
   ... eine solche Geschichte habe ich in meinem ganzen Leben ...

   [S. 76]:
   ... Johann aussandte. ...
   ... Johann aussandte? ...


*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE WIEDERTÄUFER VON MÜNSTER ***

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are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of
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forth in Section 3 below.

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remaining provisions.

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accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation's website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without
widespread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

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facility: www.gutenberg.org

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