Candida: Ein Mysterium in drei Akten

By Bernard Shaw

The Project Gutenberg EBook of Candida, by George Bernard Shaw

This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
whatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
www.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll have
to check the laws of the country where you are located before using this ebook.

Title: Candida

Author: George Bernard Shaw

Posting Date: October 3, 2014 [EBook #9491]
Release Date: December, 2005
First Posted: October 5, 2003

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CANDIDA ***




Produced by Michalina Makowska











CANDIDA

Ein Mysterium in drei Akten

George Bernard Shaw

Übersetzt von Siegfried Trabitsch







PERSONEN

Pastor Jakob Morell
Candida, seine Frau
Burgess, ihr Vater
Alexander Mill, Unterpfarrer
Proserpina Garnett, Maschinenschreiberin
Eugen Marchbanks, ein junger Dichter

Ort der Handlung: Die St. Dominikpfarre, Viktoriapark, London E.

Zeit: Oktober 1894.




ERSTER AKT

(Ein schöner Oktobermorgen im nordöstlichen Viertel Londons.  In
diesem ausgedehnten Bezirk sind die Seitengässchen viel weniger
schmal, schmutzig, übelriechend und stickig als in dem viele
Meilen entfernten London von Mayfair und St. James.  Hier spielt
sich besonders das unelegante Leben der Mittelklassen ab. Die
breiten, dichtbevölkerten Strassen sind mit hässlichen eisernen
Bedürfnisanstalten, radikalen Klubs und Trambahnlinien, auf denen
Ketten von gelben Wagen endlos einziehen, reichlich versehn.  Doch
Sind die Hauptverkehrsadern mit grasbewachsenen Vorgärtchen verziert,
von denen man nur den kleinen Streifen betritt, der vom Pförtchen zur
Haustür führt.  Jene Strassen werden durch die stumm geduldete
Eintönigkeit sich meilenweit erstreckender hässlicher Ziegelbauten,
schwarzer Eisengitter, Steinpflaster und Schieferdächer arg entstellt.
Anständig aber unmodern oder gemein und ärmlicb gekleidete Leute, die
an dieses Viertel gewöhnt sind und sich zumeist in aufreibender Weise
für andere plagen müssen, ohne sich für ihre Arbeit zu interessieren,
bilden ihre Bewohner.  Das bisschen ihnen gebliebene Energie und Eifer
gipfelt in der Habgier des Londoner Cockneys und in der Begierde, ihr
Geschäft vorwärts zu bringen.  Selbst die Schutzleute und die Kapellen
sind nicht selten genug, die Eintönigkeit zu unterbrechen.  Die Sonne
scheint klar, es ist nicht neblig, und obgleich der Rauch sowohl die
Gesichter und Hände als auch die Mauern aus Ziegelstein und Mörtel
verhindert, frisch und rein zu sein, so ist er doch nicht schwarz und
schwer genug, um einen Londoner zu belästigen.)

(Diese reizlose Wüste hat ihre Oase.  Am äussersten Ende der
Hackneystrasse ist ein durch ein hölzernes Pfahlwerk abgeschlossener
Park von 270 Morgen angelegt.  Er enthält Rasenplätze, Bäume, einen
Teich zum Baden, Blumenbeete, die Triumphe der vielbewunderten
Cockney-Kunst der Teppichgärtnerei sind, und eine Sandgrube, die
ursprünglich zur Belustigung der Kinder vom Meeresufer importiert,
aber schleunigst verlassen wurde, als sie sich in eine natürliche
Ungezieferbrutstätte für die ganz kleine Fauna von Kingsland,
Hackney und Hoxton verwandelte.  Ein Orchester, ein kleines
Forum für religiöse, antireligiöse und politische Redner,
Cricketplätze, ein Turnplatz und ein altmodischer Steinkiosk bilden die
Hauptanziehungspunkte.  Wo die Aussicht von Bäumen oder grünen Anhöhen
begrenzt wird, ist es ein hübscher Aufenthaltsort.  Wo sich aber der
Boden flach bis zu dem grauen Lattenzaun hinzieht und man Ziegel und
Mörtel, Reklameschilder, zusammengedrängte Schornsteine und Rauch
gewahrt muss die Gegend (im Jahre 1894), trostlos und hässlich genannt
werden.)

(Die beste Aussicht auf den Viktoriapark gewinnt man von den
Frontfenstern der St. Dominikpfarre; von dort sieht man auf keinerlei
Mauerwerk.  Das Pfarrhaus steht halb frei, mit einem Vorgarten und
einer Vorhalle.  Besucher benützen die Stufen, die auf die Veranda
führen, Geschäftsleute und Familienmitglieder geben durch eine Tür
unterhalb der Treppe in das Erdgeschoß, wo ein Frühstückszimmer nach
vorne liegt, das zu allen Mahlzeiten dient; die Küche liegt hinten.
Oben, auf einem Niveau mit der Flurtür, befindet sich das
Empfangszimmer mit seinem breiten Fenster aus geschliffenem Glas, das
auf den Park hinausführt.)

(Hier, in dem einzigen Raume, der von den Familienmahlzeiten und den
Kindern verschont bleibt, vollbringt der Pfarrer, Reverend Jakob Mavor
Morell, sein Tagewerk.  Er sitzt in einem starken drehbaren Stuhl mit
runder Lehne am Ende eines langen Tisches, der dem Fenster
gegenübersteht, so daß er sich durch einen Blick über die linke
Schulter an der Aussicht auf den Park erfreuen kann.  Am Ende des
Tisches, an diesen anstoßend, befindet sich ein zweiter Tisch, der nur
halb so breit ist und eine Schreibmaschine trägt.--Seine Schreiberin
sitzt davor mit dem Rücken gegen das Fenster.  Der große Tisch ist
unordentlich mit Zeitungen, Broschüren, Briefen, Schubladeeinsätzen,
einem Notizheft, einer Briefwage und ähnlichen Dingen bedeckt.  In der
Mitte steht ein übriger Stuhl für die Besucher, die mit dem Pfarrer
geschäftlich zu tun haben.  Seiner Hand erreichbar steht eine
Papierkassette und eine Photographie in einem Rahmen.  Die Wand hinter
ihm ist mit Bücherregalen zugestellt.  Die theologische Richtung des
Pfarrers kann ein Sachverständiger an: Maurices "Theologischen Essays"
und einer vollständigen Ausgabe der Browningschen Gedichte erkennen,
seine politischen Reformideen an einem gelbrückigen Band "Fortschritt
und Armut", den "Essays der Fabier", dem "Traum John Bulls" von
William Morris, dem "Kapital" von Marx und einem halben Dutzend
anderer grundlegender sozialistischer Bücher.  Dem Pfarrer gegenüber,
auf der andern Seite des Zimmers in der Nähe der Schreibmaschine, ist
die Tür.  Weiter hinten, dem Kamin gegenüber, steht ein Bücherbrett
auf einem Spind, daneben ein Sofa.  Ein starkes Feuer brennt im Kamin
und davor steht ein bequemer Lehnstuhl, ferner ein schwarz lackierter,
blumenbemalter Kohleneimer auf der einen Seite und ein Kindersessel
für einen Knaben oder ein Mädchen auf der anderen.  Der hölzerne
Kaminsims ist lackiert, und in den kleinen Feldern der nett geformten
Fächer sind winzige Spiegelgläser eingelegt, und eine Reiseuhr in
einem Lederetui (das unvermeidliche Hochzeitsgeschenk) steht darauf.
An der Wand darüber hängt eine große Autotypie der Hauptfigur aus
Tizians Assunta.  So sieht der Kamin sehr einladend aus.  Im ganzen
gesehen ist es das Zimmer einer guten Hausfrau, die, was des Pastors
Arbeitstisch betrifft, an etwas Unordnung gewöhnt ist, aber trotzdem
die Situation vollkommen beherrscht.  Die Einrichtung verrät in ihrem
ornamentalen Aussehen den Stil der in den Zeitungen annoncierten
"Saloneinrichtung" des unternehmenden Vorstadtmöbelhändlers; aber es
ist nichts Zweckloses oder Aufdringliches in dem Zimmer.  Die Tapeten
und die Täfelung sind dunkel und lassen das große helle Fenster und
den Park draußen kräftig hervortreten.)

(Hochwürden Jakob Mavor Morell ist ein christlich-sozialer Geistlicher
der anglikanischen Kirche und ein aktives Mitglied der Gilde von
"Sankt Matthäus" und der "Christlich Socialen Union".  Ein starker,
freundlicher, allgemein geachteter Mann von vierzig fahren, kräftig
und hübsch, voll Energie und mit liebenswürdigen, herzlichen,
rücksichtsvollen Manieren, mit einer gesunden, natürlichen Stimme, die
er mit der wirkungsvollen Betonung eines geübten Redners benutzt.  Er
verfügt über einen großen Wortschatz, den er vollkommen beherrscht.
Er ist ein vorzüglicher Geistlicher, fähig, was er will zu wem er will
zu sagen und die Leute abzukanzeln, ohne sich über sie zu ärgern,
ihnen seine Autorität aufzudrängen, ohne sie zu demütigen und, wenn es
sein muß, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen, ohne dabei zu
verletzen.  Die Quelle seiner Begeisterung und seines Mitgefühls
versiegt niemals auch nur für einen Augenblick; er ißt und schläft
noch immer ausgiebig genug, um die tägliche Schlacht zwischen
Erschöpfung und Erholung glänzend zu gewinnen.  Dabei ist er ein
großes Kind, verzeihlicherweise eitel auf seine Fähigkeiten und
unbewust selbstgefällig.  Er hat eine gesunde Gesichtsfarbe, eine
schöne Stirn mit etwas plumpen Augenbrauen, glänzende und lebhafte
Augen, einen energischen Mund, der nicht besonders schön geschnitten
ist, und eine kräftige Nase mit den beweglichen, sich blähenden
Nasenflügeln des dramatischen Redners, die aber wie alle seine Züge
der Feinheit entbehrt.)

(Die Maschinenschreiberin, Fräulein Proserpina Garnett, ist eine flinke
kleine Person von ungefähr dreißig Jahren, sie gehört der unteren
Mittelklasse an, ist nett, aber billig mit einem schwarzen Wollrock
und einer Bluse bekleidet, ziemlich vorlaut und naseweis und nicht
sehr höflich in ihrem Benehmen, aber empfindungsfähig und
teilnahmsvoll.  Sie klappert emsig auf ihrer Maschine drauf los,
während Morell den letzten Brief seiner Morgenpost öffnet.  Er
durchfliegt seinen Inhalt mit einem komischen Stöhnen der Verzweiflung.)

(Proserpina.)  Wieder ein Vortrag?

(Morell.)  Ja.  Ich soll nächsten Sonntagvormittag für die
Freiheitsgruppe von Hoxton sprechen.  (Er betont mit großer
Wichtigkeit "Sonntag", weil das der unvernünftige Teil des Verlangens
ist.)  Was sind das für Leute?

(Proserpina.)  Ich glaube, kommunistische Anarchisten.

(Morell.)  Es sieht den Anarchisten ähnlich, nicht zu wissen, daß sie
am Sonntag keinen Pastor haben können.  Schreiben Sie ihnen, sie
sollen in die Kirche kommen, wenn sie mich hören wollen, das kann
ihnen nicht schaden!  Und fügen Sie hinzu, daß ich nur Montags und
Donnerstags frei bin.  Haben Sie das Vormerkbuch da?

(Proserpina hebt das Vormerkbuch auf:)  Ja!

(Morell.)  Ist irgendeine Vorlesung für nächsten Montag angesetzt?

(Proserpina im Vormerkbuch nachschlagend:)  Der radikale Klub von Tower
Hamlet.

(Morell) Nun, und Donnerstag?

(Proserpina.)  Die englische Bodenreform-Liga.

(Morell.)  Was dann?

(Proserpina.)  In der Gilde von Sankt Matthäus am Montag.  In der
unabhängigen Arbeitervereinigung, Abteilung Greenwich, am Donnerstag;
am Montag darauf in der soziademokratischen Föderation, Abteilung Mile
End; am folgenden Donnerstag ist die erste Konfirmationsklasse.
(Ungeduldig:)  Ach, ich will lieber schreiben, daß Sie überhaupt nicht
kommen können; es sind doch nur ein halbes Dutzend unwissende und
eingebildete Hausierer, die miteinander keine fünf Schilling haben.

(Morell belustigt:)  Ah, aber bedenken Sie, es sind nahe Verwandte von
mir, Fräulein Garnett.

(Proserpina ihn anstarrend:)  Verwandte von Ihnen?

(Morell.)  Ja!  Wir haben denselben Vater--im Himmel.

(Proserpina erleichtert:)  Oh, weiter nichts?

(Morell mit einer Melancholie, die einem Manne Genuß ist, dessen
Stimme sie schon so schön auszudrücken vermag:)  Ah, Sie glauben das
auch nicht,--jedermann sagt es, niemand glaubt es, niemand!  (Schnell
zu seinem Gegenstande zurückkehrend:)  Gut, gut!  Na, Fräulein
Proserpina, können Sie keinen Tag für die Hausierer finden, wie ist's
mit dem fünfundzwanzigsten,--der war noch vorgestern frei.

(Proserpina aus dem Vormerkbuch:)  Auch vergeben--an die Fabier.

(Morell.)  Hol' der Geier die Fabier!  Ist der achtundzwanzigste
gleichfalls vergeben?

(Proserpina.)  Bankett in der City.  Sie sind von den Hüttenbesitzern
zum Speisen eingeladen.

(Morell.)  Das geht, ich werde eben statt dessen nach Hoxton gehen.
(Sie trägt diese Verpflichtung schweigend ein, mit unerschütterlicher
Verachtung gegen diese Hoxtoner Anarchisten, die sich in jeder Linie
ihres Gesichtes spiegelt.  Morell reißt das Streifband eines Exemplars
des "Church Reformer" ab, das mit der Post angekommen ist, und
überfliegt den Leitartikel Stewart Hedlams und die Mitteilungen der
Gilde von Sankt Matthäus.  Diese Vorgänge werden alsbald durch das
Erscheinen des Unterpfarrers Morells, Alexander Mill, unterbrochen.
Er ist ein junger Mensch, den Morell von der nächsten Missionstelle
der Universität bezogen hat, wohin er von Oxford gekommen war, um dem
East-End von London die Wohltat seiner akademischen Bildung angedeihen
zu lassen.  Er ist ein eingebildeter, gutgesinnter, unreifer Mann, von
enthusiastischer Natur.  Nichts absolut Unausstehliches ist in seinem
Wesen außer der Gewohnheit, um eine gezierte Sprache zu erzielen, mit
sorgsam geschlossenen Lippen zu reden und eine Menge Vokale schlecht
auszusprechen, als ob dies das Hauptmittel wäre, die Bildung Oxfords
unter den Pöbel Hackneys zu tragen.)

(Morell, den er durch eine hündische Unterwürfigkeit für sich gewann,
blickt nachsichtig von seiner Lektüre im "Church Reformer" auf und
bemerkt:)  Nun, Lexi, wieder verschlafen, wie gewöhnlich?

(Mill.)  Leider ja.  Ich wollte, ich könnte des Morgens leichter
aufstehen.

(Morell freut sich der eigenen Energie:)  Ha, ha! (launig:)  "Wache und
bete", Lexi, "wache und bete".

(Mill.)  Ich weiß.  (Er benützt diese Gelegenheit sofort, um einen Witz
zu machen.)  Aber wie kann ich wachen und beten, wenn ich schlafe;
--hab' ich nicht recht, Fräulein Prossi?

(Proserpina scharf:)  Fräulein Garnett, wenn ich bitten darf.

(Mill.)  Entschuldigen Sie, Fräulein Garnett.

(Proserpina.)  Sie müssen heute alle Arbeit allein erledigen.  (Mill.)
Warum?

(Proserpina.)  Fragen Sie nicht, warum.  Es wird Ihnen wohl bekommen,
Ihr Abendbrot einmal zu verdienen, bevor Sie es essen, wie ich es
täglich tue.  Los, trödeln Sie nicht.  Sie sollten schon seit einer
halben Stunde unterwegs sein.

(Mill starr:)  Spricht sie im Ernst, Herr Pastor?

(Morell in bester Laune--seine Augen glänzen:)  Ja.  Heute werd' ich
einmal bummeln.

(Mill.)  Sie?  Sie wissen ja nicht, wie man das macht.

(Morell herzlich:)  Ha, ha!  Weißichdasnicht?  Diesen Tag will ich ganz
für mich haben, oder doch wenigstens den Vormittag!  Meine Frau kommt
nämlich zurück, um elf Uhr fünfundvierzig soll sie hier eintreffen.

(Mill erstaunt:)  Schon zurück--mit den Kindern?  Ich dachte, sie
wollte bis Ende des Monats fortbleiben.

(Morell.)  So ist es.  Sie kommt nur für zwei Tage her, um für Jimmy
etwas Flanellwäsche einzukaufen und um zu sehen, wie wir hier ohne sie
fertig werden.

(Mill ängstlich:)  Aber lieber Herr Morell, wenn das, was Jimmy und
Flussy gefehlt hat, wirklich Scharlach war, halten Sie es für klug?--

(Morell.)  Unsinn, Scharlach!  Masern waren es, ich habe sie selbst von
der Pycroftstraße aus der Schule nach Hause gebracht; ein Pastor ist
wie ein Arzt, mein Lieber, er muß der Ansteckung ins Auge sehen können
wie ein Soldat den Kugeln.  (Er erbebt sich und schlägt Mill auf die
Schultern.)  Trachten Sie, Masern zu bekommen, wenn Sie können; Candida
wird Sie dann pflegen, und was für ein Glücksfall wäre das für Sie,
--was?

(Mill unsicher lächelnd:)  Es ist schwer, Sie zu verstehen, wenn Sie
über Frau Morell sprechen.--

(Morell weich:)  Mein lieber Junge, seien Sie erst verheiratet!
Verheiratet mit einer guten Frau, und dann werden Sie mich verstehen.
Es ist ein Vorgeschmack von dem Besten, was uns in dem himmlischen
Reich erwartet, das wir uns auf Erden zu gründen versuchen.  Dann
werden Sie sich schon das Bummeln abgewöhnen!  Ein braver Mann fühlt,
daß er dem Himmel für jede Stunde des Glücks ein hartes Stück
selbstloser Arbeit zum Wohle seiner Mitmenschen schuldig ist.  Wir
haben ebensowenig das Recht, Glück zu verbrauchen, ohne es zu erzeugen,
als Reichtum zu verbrauchen, ohne ihn zu erwerben.  Suchen Sie sich
eine Frau wie meine Candida, und Sie werden immer Schuldner sein,
wieviel Sie auch abzahlen.  (Er klopft Mill liebevoll auf den Rücken
und ist im Begriff, das Zimmer zu verlassen, als Mill ihn zurückruft.)

(Mill.)  Oh, warten Sie einen Augenblick, ich vergaß...  (Morell bleibt
stehen und wendet sich um, die Türklinke in der Hand.)  Ihr Herr
Schwiegervater wird hierherkommen, er hat mit Ihnen zu sprechen.
(Morell schließt die Tür wieder, mit vollkommen verändertem Wesen.)

(Morell überrascht und nicht erfreut:)  Burgess?

(Mill.)  Ja!  Ich traf ihn mit jemandem im Park, in eifrigem Gespräch.
Er sprach mich an und bat mich, Sie wissen zu lassen, daß er
hierherkommt.

(Moroll halb ungläubig:)  Aber er ist seit Jahren nicht hier gewesen.
Sind Sie sicher, Lexi?  Sie scherzen doch nicht etwa?--

(Mill ernst:)  Nein, Herr Pastor, ganz bestimmt nicht!

(Morell nachdenklich:)  Hm, hm, er hält es an der Zeit, sich wieder
einmal nach Candida umzusehen, ehe sie gänzlich aus seinem Gedächtnis
verschwindet.  (Er fügt sich in das Unvermeidliche und geht hinaus;
Mill sieht ihm mit begeisterter, närrischer Verehrung nach.  Fräulein
Garnett, die Mill nicht schütteln kann, wie sie möchte, läßt ihre
Gefühle an der Schreibmaschine aus.)

(Mill.)  Was für ein vortrefflicher Mann, welch ein tiefes liebevolles
Gemüt!  (Er nimmt Morells Platz am Tisch ein und macht es sich bequem,
indem er eine Zigarette hervorzieht.)


(Proserpina ungeduldig, nimmt den Brief, den sie auf der Maschine
geschrieben hat, und faltet ihn zusammen:)  Ach! ein Mann sollte seine
Frau lieben können, ohne einen Narren aus sich zu machen.

(Mill erregt:)  Aber Fräulein Proserpina!

(Proserpina geschäftig aufstehend, holt ein Kuvert aus dem Pulte, in
das sie, während sie spricht, den Brief hineinlegt:)  Candida hin und
Candida her und Candida überall.  (Sie leckt das Kuvert.)  Es kann
einen außer Rand und Band bringen!  (Hämmert das Kuvert, um es fest zu
schließen.)  Hören zu müssen, wie eine ganz gewöhnliche Frau in dieser
lächerlichen Weise vergöttert wird, bloß weil sie schönes Haar und
eine leidliche Figur hat.

(Mill mit vorwurfsvollem Ernst:)  Ich finde sie ungewöhnlich schön,
Fräulein Garnett.  (Er nimmt die Photographie zur Hand betrachtet sie
und fügt mit noch tieferem Ausdruck hinzu:)  Wunderbar schön,--was für
herrliche Augen sie hat!

(Proserpina.)  Candidas Augen sind durchaus nicht schöner als meine,
(Mill stellt die Photograpbie fort und sieht sie strenge an,) und ich
weiß ganz gut, daß Sie mich für ein gewöhnliches und untergeordnetes
Geschöpf halten.

(Mill erbebt sich majestätisch:)  Gott behüte, daß ich von irgendeinem
Geschöpf Gottes in dieser Weise dächte.  (Er geht steif von ihr fort
bis in die Nähe des Bücherschranks.)

(Proserpina mit bitterem Spott:)  Ich danke Ihnen, das ist sehr nett
und tröstlich.

(Mill traurig über ihre Verstocktheit:)  Ich hatte keine Ahnung, daß
Sie etwas gegen Frau Morell haben.

(Proserpina entrüstet:)  Ich habe durchaus nichts gegen sie.  Sie ist
sehr liebenswürdig und sehr gutherzig, ich habe sie sehr gern und weiß
ihre wirklich guten Eigenschaften weit besser zu würdigen, als
irgendein Mann es könnte.  (Mill schüttelt traurig den Kopf, wendet
sich zum Bücherschrank und sucht die Reihen entlang nach einem Bande.
Sie folgt ihm mit heftiger Leidenschaftlichkeit.)  Sie glauben mir
nicht?  (Er wendet sich um und blickt ihr ins Gesicht.  Sie fällt ihn
mit Heftigkeit an:)  Sie halten mich für eifersüchtig?  Was für eine
tiefe Kenntnis des menschlichen Herzens Sie haben, Herr Alexander Mill!
Wie gut Sie die Schwächen der Frauen kennen, nicht wahr?  Wie schön
es sein muß, ein Mann zu sein und einen scharfen durchdringenden
Verstand zu haben, statt bloße Gefühle, wie wir Frauen, und zu wissen,
daß die Ursache, warum wir ihr Vernarrtsein in eine Frau nicht teilen,
nur in gegenseitiger Eifersucht zu suchen sein kann.  (Sie wendet sich
mit einer Bewegung ihrer Schultern von ihm ab und geht an das Feuer,
ihre Hände zu wärmen.)

(Mill.)  Ach, wenn Ihr Frauen nur ebenso leicht den Schlüssel zur
Stärke des Mannes fändet wie zu seiner Schwäche, es gäbe keine
Frauenfrage.

(Proserpina über ihre Schulter, während sie die Hände vor die Flammen
hält:)  Wo haben Sie das von Herrn Morell gehört?  Sie selbst haben es
nicht erfunden,--Sie sind dazu nicht gescheit genug.

(Mill.)  Das ist ganz richtig.  Ich schäme mich durchaus nicht, ihm
diesen Ausspruch zu verdanken, wo ich ihm schon so viele andere
geistige Wahrheiten verdanke!  Er tat ihn bei der Jahresversammlung
der freien Frauenvereinigung.  Erlauben Sie mir hinzuzufügen, daß ich,
obwohl bloß ein Mann, im Gegensatz zu jenen Frauen diesen Ausspruch zu
schätzen wußte!  (Er wendet sich wieder an den Bücherschrank in der
Hoffnung, daß diese Worte sie vernichtet haben.)

(Proserpina ordnet ihr Haar vor den kleinen Spiegeln des Kamins:)  Wenn
Sie mit mir sprechen, sagen Sie mir gefälligst Ihre eigenen Gedanken,
soviel sie eben wert sind, und nicht die Pastor Morells.  Sie geben
niemals eine traurigere Figur ab, als wenn Sie versuchen, ihn
nachzumachen.

(Mill gekränkt:)  Ich versuche seinem Beispiel zu folgen, aber nicht,
ihn nachzumachen.

(Proserpina kommt wieder an ihn heran auf dem Rückwege zu ihrer Arbeit:)
Jawohl, Sie machen ihn nach.  Warum stecken Sie Ihren Schirm unter
den linken Arm, statt ihn in der Hand zu tragen wie jeder andere?
Warum gehen Sie mit vorgeschobenem Kinn und warum eilen Sie vorwärts
mit diesem eifrigen Ausdruck in den Augen,--Sie, der Sie nie vor halb
zehn Uhr morgens aufstehen?  Warum sagen Sie in der Kirche "Aandacht",
obwohl Sie im Leben "Andacht" sagen?  Bah--glauben Sie, ich weiß das
nicht?  (Geht zurück zur Schreibmaschine.)  Da kommen Sie her und
machen Sie sich endlich an Ihre Arbeit; wir haben heute Morgen genug
Zeit verloren.  Hier ist eine Abschrift der Tageseinteilung für heute.
(Sie reicht ihm ein Memorandum.  Mill schwer beleidigt:)  Ich danke
Ihnen.  (Er nimmt das Papier und steht mit dem Rücken gegen sie an den
Tisch gelehnt und liest.) Sie fängt an, auf der Schreibmaschine ihre
stenographischen Aufzeichnungen zu übertragen, ohne auf Mills Gefühle
zu achten.

(Burgess tritt unangemeldet ein.)  Er ist ein Mann von sechzig Jahren,
derb und filzig geworden durch die notwendige Selbstsucht des kleinen
Krämers, die sich später durch Überfütterung und geschäftlichen Erfolg
zu träger Aufgeblasenheit milderte.  Ein gemeiner, unwissender,
unmäßiger Mensch, beleidigend und hochnasig Leuten gegenüber, deren
Arbeit wohlfeil ist, ehrfürchtig gegen Menschen von Reichtum und Rang,
aber beiden gegenüber ganz aufrichtig und ohne Groll oder Neid.  Da
sie ihn ohne besondere Fähigkeiten sah, hat ihm die Welt keine andere
gut bezahlte Arbeit zu bieten gewußt, als unnoble Arbeit, und er wurde
infolgedessen etwas erbärmlich, hat aber keine Ahnung, daß er so
beschaffen ist, und betrachtet seinen kommerziellen Wohlstand ganz
ehrlich als den unvermeidlichen und sozial berechtigten Triumph der
Geschicklichkeit, Tüchtigkeit, Fähigkeit und Erfahrung eines Mannes,
der im Privatleben übertrieben, leichtsinnig, liebenswürdig und
leutselig ist.  Körperlich ist er kurz und dick, mit einer
schnauzenähnlichen Nase in der Mitte eines flachen, breiten Gesichtes;
unter dem Kinn ein staubfarbener Bart mit einem grauen Fleck in der
Mitte; er hat wässerige blaue Augen mit klagend sentimentalem Ausdruck,
der sich durch die Gewohnheit, seine Sätze wichtigtuend zu singen,
auch leicht auf seine Stimme überträgt.

(Burgess bleibt an der Schwelle stehen und blickt umher:)  Man sagte
mir, Herr Morell sei hier.

(Proserpina sich erhebend:)  Er ist oben, ich will ihn holen.

(Burgess sie frech anstarrend:)  Sie sind nicht dieselbe junge Dame,
die sonst für ihn schrieb.

(Proserpina.)  Nein.

(Burgess beistimmend:)  Nein, die war jünger.  (Fräulein Garnett starrt
ihn an, dann gebt sie mit großer Würde hinaus.  Er nimmt dies
gleichgültig entgegen und geht an den Kaminteppich, wo er sich
umwendet und sich breitspurig aufpflanzt, den Rücken dem Feuer
zugekehrt.)

(Burgess.)  Sind Sie im Begriff Ihren Rundgang zu machen, Herr Mill?

(Mill faltet sein Papier und steckt es in die Tasche:)  Jawohl, ich muß
gleich fort.

(Burgess wichtig:)  Lassen Sie sich nicht aufhalten; was ich mit Herrn
Morell zu besprechen habe, ist ganz privater Natur.

(Mill aufgeblasen:)  Ich habe durchaus nicht die Absicht, mich
einzumengen, verlassen Sie sich darauf, Herr Burgess.  Guten Morgen!

(Burgess herablassend:)  Guten Morgen, guten Morgen!

(Morell kommt zurück, während Mill sich zur Tür wendet.)

(Morell zu Mill:)  Sie gehen an die Arbeit?

(Mill.)  Jawohl, Herr Pastor.

(Morell klopft ihn liebenswürdig auf die Schulter:)  Da, nehmen Sie
mein Seidentuch um den Hals, es geht ein kalter Wind draußen.  Aber
jetzt machen Sie, daß Sie fortkommen.  (Mill, mehr als getröstet über
Burgess' Schroffheit, freut sich und geht hinaus.)

(Burgess.)  Guten Morgen, Jakob.  Sie verwöhnen Ihren Unterpfarrer wie
immer.  Wenn ich einen Mann bezahle und einer auf meine Kosten lebt,
dann weise ich ihm gehörig seinen Platz an.

(Morell etwas kurz angebunden:)  Ich weise meinem Unterpfarrer immer
seinen Platz an, nämlich an meiner Seite als meinem Helfer und
Kameraden.  Wenn es Ihnen gelingt, so viel Arbeit aus Ihren Kommis und
Angestellten herauszukriegen wie ich aus meinem Unterpfarrer, dann
müssen Sie ziemlich rasch reich werden.  Bitte, setzen Sie sich in
Ihren gewohnten Stuhl.  (Er weist mit trockener Autorität auf den
Armstuhl neben dem Kamin, dann ergreift er einen freien Stuhl und
setzt sich in zurückhaltender Entfernung von seinem Besucher.)

(Burgess ohne sich zu rühren:)  Sie sind ganz der alte, Jakob.

(Morell.)  Als Sie mich das letztemal besuchten--ich glaube, es war vor
drei Jahren--da sagten Sie genau dasselbe.  Nur etwas aufrichtiger.
Ihr wörtlicher Ausspruch war damals: "Derselbe Narr wie immer, Jakob."

(Burgess sich rechtfertigend:)  Vielleicht sagte ich das, aber (mit
versöhnender Heiterkeit:)  ich meinte nichts Beleidigendes damit.  Ein
Geistlicher hat das Privilegium, ein wenig närrisch sein zu
dürfen--wissen Sie, das liegt schon in seinem Beruf.  Einerlei, ich
bin nicht hergekommen, um alte Meinungsverschiedenheiten aufzuwärmen,
sondern um die Vergangenheit vergessen sein zu lassen.  (Er wird
plötzlich sehr feierlich und nähert sich Morell.)  Jakob, vor drei
Jahren haben Sie mir übel mitgespielt.  Sie haben mich um meine
Lieferungen gebracht, und als ich Ihnen in meiner erklärlichen
Verzweiflung böse Worte gab, brachten Sie meine Tochter gegen mich auf.
Nun, ich bin gekommen, um Ihnen zu zeigen, daß ich ein guter Christ
bin.  (Ihm seine Hand darreichend:)  Ich verzeihe Ihnen, Jakob.

(Morell auffahrend:)  Verdammt frech!

(Burgess weicht zurück mit fast schluchzendem Vorwurf über diese
Behandlung:)  Ziemt diese Sprache einem Pastor, Jakob?  Und besonders
Ihnen?

(Morell bitzig:)  Nein, sie ziemt ihm nicht, ich habe das falsche Wort
gebraucht,--ich hätte sagen sollen: "Der Teufel soll Ihre Frechheit
holen!" Das würde Ihnen der heilige Paulus und jeder andere brave
Priester gesagt haben.  Glauben Sie, ich habe Ihr Anerbieten vergessen,
als Sie für das Armenhaus vertragsmäßig Kleider liefern sollten?

(Burgess in höchster Erbitterung, weil ihm seine Forderung nur recht
und billig erscheint:)  Ich habe im Interesse der Steuerzahler
gehandelt, Jakob,--es war das niedrigste Angebot, das können Sie nicht
leugnen.

(Morell.)  Jawohl, das niedrigste, weil Sie schlechtere Löhne zahlten
als irgendein anderer Unternehmer--Hungerlöhne,--ach, ärger als
Hungerlöhne war die Bezahlung, die Sie den Frauen für ihre Näharbeit
geboten haben.  Ihre Löhne hätten die Armen auf die Straße getrieben,
um Leib und Seele zu verkaufen.  (Immer wütender werdend:)  Jene Frauen
waren aus meinem Kirchsprengel, ich habe die Armenpfleger dazu
gebracht, daß sie sich schämten, Ihr Angebot anzunehmen, ich habe die
Steuerzahler dazu gebracht, daß sie sich schämten, es zuzulassen, ich
habe jeden bis auf Sie dazu gebracht, sich deswegen zu schämen.
(Überschäumend vor Wut:)  Wie können Sie es wagen, Herr,
hierherzukommen und mir etwas vergeben zu wollen und über Ihre Tochter
zu sprechen und...

(Burgess.)  Beruhigen Sie sich, Jakob,--still, still, regen Sie sich
nicht für nichts und wieder nichts so auf.  Ich habe ja zugegeben, daß
ich unrecht hatte.

(Morell wütend:)  Haben Sie das?  Ich habe nichts davon bemerkt!

(Burgess.)  Natürlich gab ich's zu, so wie ich's noch jetzt zugebe.  Na,
ich bitte Sie um Verzeihung wegen des Briefes, den ich Ihnen
geschrieben habe,--genügt Ihnen das?

(Morell mit den Fingern schnalzend:)  Ganz und gar nicht!  Haben Sie
die Löhne erhöht?

(Burgess triumphierend:)  Ja!

(Morell verblüfft innehaltend:)  Was?

(Burgess salbungsvoll:)  Ich bin das Muster eines Arbeitgebers geworden.
Ich beschäftige keine Frauen mehr, sie haben alle den Laufpaß
bekommen, und die Arbeit wird jetzt durch Maschinen verrichtet.  Nicht
ein Mann verdient jetzt weniger als sechs Pence die Stunde, und die
alten geübten Arbeiter bekommen die von den Gewerkschaften
festgesetzten Löhne.  (Stolz:)  Was sagen Sie jetzt?

(Morell überwältigt:)  Ist das möglich?  Na, es ist mehr Freude im
Himmel über einen Sünder, der Buße tut--(Er geht auf Burgess zu mit
einem Ausbruch entschuldigender Herzlichkeit.)  Mein lieber Burgess,
ich bitte Sie herzlichst um Verzeihung wegen der schlechten Meinung,
die ich von Ihnen hatte.  (Seine Hand fassend:)  Und fühlen Sie sich
nicht wohler nach dieser Veränderung?  Gestehen Sie es!  Sie sind
glücklicher, Sie sehen glücklicher aus.

(Burgess kläglich:)  Na ja, vielleicht fühle ich mich jetzt glücklicher,
ich muß wohl, da Sie es bemerken.  Tatsache ist, daß mein Angebot von
der Behörde angenommen wurde.  (Wild:)  Sie wollte nichts mit mir zu
schaffen haben, ehe ich anständige Löhne zahlte--der Teufel soll
diese verdammten Narren holen, die ihre Nase in alles stecken müssen!

(Morell läßt seine Hand fahren, aufs tiefste entmutigt:)  Das ist also
der Grund, warum Sie die Löhne erhöht haben!  (Er setzt sich
niedergeschlagen.)

(Burgess streng, anmaßend, lauter werdend:)  Weswegen sollt' ich es
sonst getan haben?  Wohin anders führt es, als zu Trunksucht und
Ausschweifungen?  (Er setzt sich wie ein Richter in den großen
Lehnstuhl.)  Das ist alles sehr schön und gut für Sie: es bringt Sie in
die Zeitungen und macht Sie zu einem berühmten Manne; aber Sie denken
nie an den Schaden, den Sie anrichten, indem Sie die Taschen der
Arbeiter mit Geld anfüllen, das sie doch nicht vernünftig auszugeben
verstehen, während Sie es Leuten fortnehmen, die gute Verwendung dafür
hätten.

(Morell nach einem schweren Seufzer, mit kalter Höflichkeit:)  Was
wollen Sie also heute von mir?  Ich bilde mir nicht ein, daß nur
verwandtschaftliche Gefühle Sie herführen.

(Burgess hartnäckig:)  Doch--gerade verwandtschaftliche Gefühle und
nichts anderes!

(Morell mit müder Ruhe:)  Das glaub' ich Ihnen nicht.

(Burgess springt drohend auf:)  Sagen Sie mir das nicht ein zweites Mal,
Jakob Morell!

(Morell unerschütterlich:)  Ich werde es genau so oft sagen, als es
nötig ist, Sie davon zu überzeugen.--Das glaub' ich Ihnen nicht.

(Burgess versinkt in einen Zustand von tief verwundetem Gefühl:)  Nun
gut, wenn Sie durchaus unfreundlich sein wollen, dann ist es wohl am
besten, ich gehe.  (Er bewegt sich zögernd gegen die Tür, Morell gibt
kein Zeichen.  Burgess zögert noch.)  Ich habe nicht erwartet, Sie
unversöhnlich zu finden, Jakob.  (Da Morell noch immer nicht antwortet,
macht er noch einige zögernde Schritte nach der Tür, dann kommt er
zurück, jammernd:)  Wir haben uns doch immer ganz gut vertragen, trotz
unserer verschiedenen Anschauungen, warum sind Sie mir gegenüber jetzt
so verändert?  Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich bloß aus Freundschaft
hergekommen bin und nicht, um mich mit dem Manne meiner eigenen
Tochter auf schlechten Fuß zu stellen.  Seien Sie doch ein Christ,
Jakob, reichen Sie mir Ihre Hand.  (Er legt seine Hand sentimental auf
Morells Schulter.)

(Morell blickt nachdenklich zu ihm auf.)  Schauen Sie, Burgess, wollen
Sie hier ebenso willkommen sein, wie Sie es waren, ehe Sie Ihren
Vertrag verloren?

(Burgess.)  Jawohl, Jakob, das möchte ich wirklich.

(Morell.)  Warum benehmen Sie sich dann nicht wie damals?

(Burgess nimmt seine Hand behutsam weg:)  Wie meinen Sie das?

(Morell.)  Das will ich Ihnen sagen.  Damals hielten Sie mich für einen
jungen Dummkopf!

(Burgess schmeichelnd:)  Nein, dafür habe ich Sie nicht gehalten, ich--

(Morell ihn unterbrechend:)  Ja, dafür hielten Sie mich!  Und ich hielt
Sie für einen alten Schurken.

(Burgess will diese schwere Selbstanklage Morells heftig abwehren:)
Nein, das haben Sie nicht getan, Jakob.  Jetzt tun Sie sich selbst
unrecht.

(Morell.)  Doch, das tat ich.  Na, das hat aber nicht gehindert, daß
wir ganz gut miteinander ausgekommen sind.  Gott hat aus Ihnen das
gemacht, was ich einen Schurken nenne, und aus mir das, was Sie eben
einen Dummkopf nennen.  (Diese Bemerkung erschüttert die Grundfesten
von Burgess' Moral.  Ihm wird schwach, und während er Morell hilflos
anblickt, streckt er die Hand ängstlich aus, um sein Gleichgewicht zu
bewahren, als ob der Boden unter ihm wankte.  Morell fährt im selben
Tone ruhiger Überzeugung fort:)  Es ist in beiden Fällen nicht meine
Sache, mit Gott darüber zu rechten.  Solange Sie offen als ein sich
selbst achtender, echter, überzeugter Schurke hierherkommen und, stolz
darauf, Ihre Schurkereien zu rechtfertigen versuchen, sind Sie
willkommen.  Aber (und nun wird Morells Ton furchtbar; er erhebt sich
und stützt sich zur Bekräftigung mit der Faust auf die Rückenlehne des
Stuhles:)  ich mag Sie hier nicht herumschnüffeln haben, wenn Sie so
tun, als ob Sie das Muster eines Arbeitgebers wären und ein bekehrter
Mann dazu, während Sie nur ein Abtrünniger sind, der seinen Rock nach
dem Winde trägt, um einen Vertrag mit der Behörde zustande zu bringen.
(Er nickt ihm zu, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen, dann geht er
zum Kamin, wo er in bequemer Kommandostellung, mit dem Rücken gegen
das Feuer gekehrt, lehnt und fortfährt:)  Nein, ich liebe es, wenn ein
Mensch wenigstens sich selber treu bleibt, selbst im Bösen!  Also,
nehmen Sie jetzt entweder Ihren Hut und gehen Sie, oder setzen Sie
sich und geben Sie mir einen guten, schurkischen Grund dafür an, warum
Sie mein Freund sein wollen.  (Burgess, dessen Erregung sich genügend
gelegt hat, um in einem Grinsen ausgedrückt werden zu können, fühlt
sich durch diesen konkreten Vorschlag sichtlich erleichtert.  Er
überlegt einen Augenblick, und dann setzt er sich langsam und sehr
bescheiden in den Stuhl, den Morell eben verlassen hat.)  So ist's
recht,--nun heraus damit.

(Burgess kichernd gegen seinen Willen:)  Nein, Sie sind wirklich ein
sonderbarer Kauz, Jakob!  (Beinahe enthusiastisch:)  Aber man muß Sie
gern haben, ob man will oder nicht.  Außerdem nimmt man, wie ich schon
sagte, nicht jedes Wort eines Geistlichen für bare Münze, sonst müßte
die Welt untergehn.  Habe ich nicht recht?  (Er faßt sich, um einen
ernsteren Ton anzuschlagen, und die Augen auf Morell gerichtet, fährt
er mit eintönigem Ernste fort:)  Nun, meinetwegen, da Sie es wünschen,
daß wir gegeneinander ehrlich sind, will ich Ihnen zugeben, daß ich
Sie--ein wenig--für einen Narren hielt; aber ich fange an zu glauben,
daß ich damals etwas hinter meiner Zeit zurückgeblieben war.

(Morell frohlockend:)  Aha, haben Sie das endlich herausgefunden?

(Burgess bedeutungsvoll:)  Ja, die Zeiten haben sich mehr verändert,
als man glauben sollte!  Vor fünf Jahren noch hätte sich kein
vernünftiger Mensch mit Ihren Ideen abgegeben.  Ich wunderte mich
sogar, daß man Sie auf Ihrem Posten als Pastor beließ.  Ich kenne
einen Geistlichen, der durch den Bischof von London auf Jahre hinaus
seiner Funktionen enthoben wurde, obwohl der arme Teufel nicht einen
Funken mehr religiös war als Sie.  Aber wenn heute jemand mit mir um
tausend Pfund wetten wollte, daß Sie selbst noch einmal als Bischof
enden werden, ich würde die Wette nicht anzunehmen wagen.  (Sehr
eindrucksvoll:)  Sie und Ihre Sippschaft werden täglich einflußreicher,
wie ich überall merke.  Man wird Sie einmal irgendwie befördern müssen,
und wäre es bloß, um Ihnen den Mund zu stopfen.  Sie haben doch den
richtigen Instinkt gehabt, Jakob!  Der Weg, den Sie eingeschlagen
haben, ist der einträglichste für einen Mann Ihres Schlages.

(Morell reicht ihm jetzt die Hand mit fester Entschlossenheit:)  Hier
meine Hand, Burgess, jetzt reden Sie ehrlich.  Ich glaube nicht, daß
man mich zum Bischof ernennen wird; aber wenn es geschieht, dann will
ich Sie mit den größten Spekulanten bekannt machen, die ich zu meinen
Diners bekommen kann.

(Burgess der sich mit einem verschmitzten Grinsen erhoben und die
Freundschaftshand ergriffen hat:)  Sie bleiben nun mal bei Ihrem Witz,
Jakob.  Unser Streit ist jetzt beigelegt, nicht wahr?

(Die Stimme einer Frau.)  Sag "Ja", Jakob!

(Erstaunt wenden sie sich um und bemerken, daß Candida eben
eingetreten ist und sie mit jener belustigten, mütterlichen Nachsicht
betrachtet, die ihr charakteristischer Gesichtsausdruck ist.  Sie ist
eine Frau von dreiunddreißig Jahren, schön gewachsen, gut genährt.
Man errät, daß sie später eine Matrone sein wird, aber jetzt steht sie
noch in ihrer Blüte, mit dem Doppelreiz der Jugend und der
Mutterschaft.  Ihr Benehmen ist das einer Frau, die erfahren hat, daß
sie die Menschen immer lenken kann, wenn sie ihre Neigung gewinnt, und
die dies unbekümmert offen und instinktiv tut.  In diesem Punkte ist
sie wie jede andere hübsche Frau, die gerade klug genug ist, aus ihrer
weiblichen Anziehungskraft zu alltäglich selbsttüchtigen Zwecken so
viel Kapital wie möglich zu schlagen.  Aber Candidas heitere Stirn und
ihre mutigen Augen, der schön geformte Mund und ihr Kinn kennzeichnen
umfassenden Geist und Würde des Charakters, der ihre Schlauheit im
Gewinnen von Neigungen adelt.  Ein kluger Beobachter würde, sie
betrachtend, sofort erraten, daß wer das Bild der Assunta auch über
ihren Kamin gehängt haben mochte, ein seelisches Band zwischen den
beiden Frauengestalten geahnt hatte, obwohl er weder ihrem Manne, noch
ihr selbst den Gedanken zutraute, sie mit der Kunst Tizians irgendwie
in Zusammenhang zu bringen.--Sie ist in Hut und Mantel und hat eine
zusammengeschnürte Reisedecke, durch die ihr Schirm gesteckt ist, eine
Handtasche und eine Menge illustrierter Zeitungen in den Händen.)

(Morell über seine Nachlässigkeit erschrocken:)  Candida!  Ei nun!--(Er
sieht auf seine Uhr und ist entsetzt, daß es schon so spät ist.)  Mein
Schatz!  (Er eilt ihr entgegen und nimmt ihr die Reisedecke ab, indem
er fortfährt, sein reumütiges Bedauern hervorzusprudeln:)  Ich hatte
die Absicht, dich von der Bahn abzuholen, aber ich bemerkte nicht, daß
die Zeit schon um war, (die Reisedecke aufs Sofa werfend:)  ich war so
sehr in Anspruch genommen--(Wieder zu ihr kommend:)  daß ich das
vergaß--oh!  (Er umarmt sie mit reumütiger Ergriffenheit.)

(Burgess etwas beschämt und ungewiß, wie er von seiner Tochter
empfangen werden wird:) Wie geht es dir, Candy?  (Candida, noch in
Morells Armen, bietet ihm ihre Wange, die er küßt:)  Jakob und ich sind
zu einer Verständigung gekommen--zu einer ehrenvollen Verständigung.
Nicht wahr, Jakob?

(Morell heftig:)  Reden Sie nicht von unserer Verständigung!
Ihretwegen habe ich versäumt, Candida abzuholen.

(Teilnahmsvoll:)  Du arme Liebe, wie bist du nur mit deinem Gepäck
fertig geworden?  Wie--

(Candida unterbricht ihn und macht sich los:)  Na, na, na! ich war
nicht allein.  Eugen ist mit uns gekommen--wir sind zusammen
hergefahren.

(Morell erfreut:)  Eugen?!

(Candida.)  Ja.  Er plagt sich eben mit meinem Gepäck ab, der arme
Junge.  Ich bitte dich, lieber Jakob, geh gleich hinunter, sonst
bezahlt er den Wagen, und das möchte ich nicht.  (Morell eilt hinaus.
Candida stellt ihre Handtasche nieder, nimmt dann ihren Mantel und Hut
ab und legt sie auf das Sofa neben die Decke und plaudert inzwischen.)
Nun, Papa, wie geht's zu Hause?

(Burgess.)  Es lohnt sich nicht mehr, dort zu leben, seit du uns
verlassen hast, Candy.  Ich wollte, du kämst einmal, um nachzusehn und
mit dem Mädchen zu sprechen.--Wer ist dieser Eugen, der dich begleitet
hat?

(Candida.)  Oh, Eugen ist eine von Jakobs Entdeckungen.  Er fand ihn im
verflossenen Juni schlafend auf dem Kai.  Hast du unser neues Bild
nicht bemerkt?  (Ruf das Bild der Assunta zeigend:)  Das haben wir von
ihm.

(Burgess ungläubig:)  Was soll das heißen?  Willst du mir, deinem
eigenen Vater, etwa einreden, daß ein Landstreicher, den man schlafend
auf dem Kai findet, solche Bilder schenkt?  (Strenge:)  Betrüg mich
nicht, Candy; es ist ein katholisches Bild, und Jakob hat es selbst
gekauft.

(Candida.)  Du irrst.  Eugen ist kein Landstreicher.

(Burgess.)  Was ist er denn?  (Sarkastisch:)  Ein Edelmann
wahrscheinlich?

(Candida nickt belustigt:)  Jawohl, sein Onkel ist ein Pair--ein
wirklicher, leibhaftiger Graf.

(Burgess wagt es nicht, so eine gute Nachricht zu glauben:)  Nein!

(Candida.)  Ja!  Er trug einen Wechsel auf fünfundfünfzig
Pfund--zahlbar in acht Tagen--in der Tasche, als Jakob ihn am Kai fand.
Er dachte, daß er dafür kein Geld bekommen könnte, bevor die acht
Tage um wären, und er war zu schüchtern, Kredit zu verlangen.  Oh, er
ist ein lieber Junge, wir haben ihn sehr gern.

(Burgess der so tut, als verachte er die Aristokraten, aber mit
glänzenden Augen:)  Hm, ich dachte mir's, daß der Neffe eines Pairs
nicht bei euch im Viktoriapark zu Besuch sein würde, wenn er nicht ein
bißchen verrückt wäre.  (Er blickt wieder auf das Bild.)  Ich bin
natürlich mit dem Vorwurf dieses Bildes, als strenggläubiger
Protestant, nicht einverstanden, Candy; aber daß es ein erstklassiges,
großes Kunstwerk ist, das habe ich sofort erkannt.  Nicht wahr, du
stellst mich ihm vor, Candy?  (Er sieht ängstlich auf seine Uhr.)  Ich
kann aber höchstens noch zwei Minuten bleiben.

(Morell kommt mit Eugen zurück, den Burgess mit feuchten Augen
begeistert anstarrt.  Eugen ist ein seltsamer, scheuer Jüngling von
achtzehn Jahren, schlank, weibisch, mit einer zarten, kindlichen
Stimme, einem gehetzten, gequälten Ausdruck und mit einem Benehmen,
das die schmerzliche Empfindlichkeit sehr schnell und plötzlich
gereifter Knaben kennzeichnet, bevor ihr Charakter volle Festigkeit
erreicht hat.  Erbärmlich unentschlossen, weiß er nie, wo er stehen
und was er tun soll.  Burgess erschreckt ihn, und er möchte am
liebsten fort von ihm in die Einsamkeit laufen, wenn er es wagte.
Aber die Intensität, mit der er eine so ganz gewöhnliche Lage
empfindet, zeugt doch nur von seiner übergroßen nervösen Kraft; und
seine Nasenflügel, sein Mund und seine Augen verraten einen
leidenschaftlich ungestümen Eigensinn, über dessen äußersten Grad
seine Stirne, die schon vom Mitleid gefurcht ist, wieder beruhigt.  Er
sieht absonderlich aus, beinahe wie nicht von dieser Welt--und
prosaische Leute sehen etwas Ungesundes in dieser überirdischen Art,
so wie poetische Menschen darin etwas Engelgleiches sehen.  Seine
Kleidung ist ganz frei; er trägt ein altes Jakett aus blauem Serge,
aufgeknöpft, über einem wollenen Lawn-Tennis-Hemd, mit einem seidenen
Halstuch als Krawatte, zu dem Jackett passende Beinkleider und braune
Schuhe aus Segeltuch.  In diesem Aufzuge hat er augenscheinlich im
Heidekraut gelegen und ist durch das Wasser gewatet; es ist auch nicht
ersichtlich, daß er die Kleider jemals abgebürstet hat.  Da er beim
Eintritt einen Fremden sieht, hält er inne und drückt sich längs der
Wand nach der entgegengesetzten Seite des Zimmers weiter.)

(Morell beim Eintreten:)  Kommen Sie.  Sie haben sicher doch eine
Viertelstunde für uns übrig.  Das ist mein Schwiegervater, Herr
Burgess--Herr Marchbanks.

(Marchbanks weicht geängstigt gegen den Bücherschrank zurück:)  Sehr
angenehm--

(Burgess geht mit großer Herzlichkeit auf ihn zu, während Morell vor
den Kamin zu Candida tritt:)  Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen,
Herr Marchbanks.  (Nötigt ihn, ihm die Hand zu geben.)  Wie geht es
Ihnen bei diesem Wetter?  Ich hoffe, Jakob versucht nicht, Ihnen
verrückte Ideen in den Kopf zu setzen.

(Marchbanks.)  Verrückte Ideen?  Ach, Sie meinen sozialistische?  Nein,
o nein!

(Burgess.)  Das ist recht.  (Sieht wieder auf seine Uhr.)  Na, jetzt muß
ich aber gehen, da ist nichts zu machen.  Haben Sie vielleicht
denselben Weg, Herr Marchbanks?

(Marchbanks.)  Nach welcher Richtung gehen Sie?

(Burgess.)  Station Viktoriapark.  Um zwölf Uhr fünfundzwanzig geht ein
Zug nach der City.

(Morell.)  Unsinn, Eugen, Sie frühstücken doch hoffentlich mit uns!

(Marchbanks sich ängstlich entschuldigend:)  Nein, ich--ich--

(Burgess.)  Nun, ich will Ihnen nicht zureden.  Ich wette, daß Sie es
vorziehen, mit Candy zu frühstücken.  Ich hoffe aber, dafür werden Sie
eines Abends im Bürgerklub in Norton Folgate mit mir dinieren,--bitte,
sagen Sie zu!

(Marchbanks.)  Ich danke Ihnen, Herr Burgess.  Wo ist Norton
Folgate?--Unten in Surrey, nicht wahr?

(Burgess, unaussprechlich belustigt, fängt zu lachen an.)

(Candida zu Hilfe kommend:)  Du wirst deinen Zug versäumen, Papa, wenn
du nicht sofort gehst; komm am Nachmittag wieder und erkläre Herrn
Marchbanks dann, wie man nach dem Klub gelangt.

(Burgess mit schallendem Gelächter:)  In Surrey, ha ha, das ist nicht
schlecht!  Nun, ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der nicht
Norton Folgate gekannt hätte.

(Betroffen über den Lärm seiner eigenen Stimme:)  Leben Sie wohl, Herr
Marchbanks; ich weiß, Sie sind zu vornehm, um meinen Scherz schlecht
aufzufassen.  (Er reicht ihm abermals die Hand.)

(Marchbanks erfaßt sie mit nervösem Griff.)  O bitte, bitte!

(Burgess.)  Adieu, adieu, Candy.  Ich werde später wiederkommen--auf
Wiedersehen, Jakob.

(Morell.)  Müssen Sie wirklich gehen?

(Burgess.)  Laßt euch nicht stören.  (Er gebt mit unverminderter
Herzlichkeit hinaus.)

(Morelt.)  Ich werde Sie hinausbegleiten.  (Er folgt ihm, Eugen starrt
ihnen ängstlich nach und hält seinen Atem an, bis Burgess verschwunden
ist.)

(Candida lachend:)  Nun, Eugen?  (Er wendet sich mit einem Ruck um und
kommt heftig auf sie zu, hält aber unschlüssig inne, als er ihren
belustigten Blick bemerkt.)  Wie gefällt Ihnen mein Vater?

(Marchbanks.)  Ich--ich kenne ihn doch kaum,--er scheint ein sehr
lieber alter Herr zu sein.

(Candida mit leiser Ironie:)  Und Sie werden seine Einladung in den
Bürgerklub annehmen, nicht wahr?

(Marchbanks unglücklich, es für Ernst nehmend:)  Gerne, wenn Sie es
wünschen.

(Candida gerührt:)  Wissen Sie, daß Sie ein sehr lieber Junge sind,
Eugen, trotz all Ihrer Sonderlichkeiten.  Wenn Sie meinen Vater
ausgelacht hätten, so wäre nichts dabei gewesen, aber es gefällt mir
um so besser von Ihnen, daß Sie nett zu ihm waren.

(Marchbanks.)  Hätte ich lachen sollen?  Mir war, als ob er etwas
scherzhaftes sagte, aber ich fühle mich Fremden gegenüber so bedrückt,
und ich kann Witze nie verstehen.  Es tut mir sehr leid.  (Er setzt
sich auf das Sofa, die Ellbogen auf den Knien und die Schläfen
zwischen den Fäusten, mit dem Ausdruck hoffnungslosen Leidens.)

(Candida heitert ihn gutmütig auf:)  Oh, Sie großes Kind,--Sie sind
heute noch ärger als sonst.  Warum waren Sie auf der Fahrt in der
Droschke so melancholisch?

(Marchbanks.)  Oh, das war nichts.  Ich dachte darüber nach, wieviel
ich dem Kutscher geben sollte.  Ich weiß, es ist äußerst dumm, aber
Sie wissen nicht, wie schrecklich mir solche Dinge sind,--wie ich mich
davor scheue, mit fremden Leuten zu unterhandeln.  (Frisch und
beruhigend:)  Aber jetzt ist alles gut.  Er lachte mit dem ganzen
Gesicht und berührte seinen Hut, als Ihr Mann ihm zwei Schilling gab;
ich war im Begriff, ihm zehn zu bieten.  (Candida lacht herzlich,
Morell kommt mit einigen Briefen und Zeitungen zurück, die mit der
Mittagspost gekommen sind.)

(Candida.)  Oh, lieber Jakob, denke nur, er wollte dem Kutscher zehn
Schilling geben,--zehn Schilling für eine Fahrt von drei Minuten, was
sagst du?

(Morell vor dem Tisch die Briefe überfliegend:)  Machen Sie sich nichts
daraus, Marchbanks.  Der Trieb, zuviel zu bezahlen, ist ein Beweis von
Großmut und viel besser als der entgegengesetzte, und nicht so
gewöhnlich.

(Marchbanks wieder in Niedergeschlagenheit verfallend:)  Nein, Feigheit,
Untauglichkeit ist das.  Frau Morell hat ganz recht.

(Candida.)  Gewiß hat sie recht.  (Sie nimmt ihre Handtasche auf.)  Und
nun muß ich Sie Jakob überlassen.  Ich nehme an, Sie sind zu sehr Poet,
um sich den Zustand vorstellen zu können, in dem eine Frau ihr Haus
wiederfindet, wenn sie drei Wochen fortgewesen ist.  Geben Sie mir
meine Decke.  (Eugen nimmt die eingeschnallte Decke vom Sofa und gibt
sie ihr; sie nimmt sie in die linke Hand, da sie ihre Tasche in der
rechten hält.)  Nun, bitte, hängen Sie mir den Mantel über den Arm.
(Er gehorcht.)  Nun meinen Hut.  (Er gibt ihn ihr in die Hand, die das
Gepäck hält.)  Nun öffnen sie mir die Tür.--(Er läuft ihr voraus und
öffnet die Tür.)   Danke.  (Sie geht hinaus, und Marchbanks schließt sie
hinter ihr wieder.)

(Morell noch am Tisch beschäftigt:)  Sie bleiben selbstverständlich zum
Frühstück bei uns, Marchbanks.

(Marchbanks erschreckt:)  Ach, ich darf nicht.  (Er sieht rasch nach
Morell hin, weicht aber plötzlich seinem vollen Blick aus und fügt mit
sichtlicher Unaufrichtigkeit hinzu:)  Ich meine, ich kann nicht.

(Morell.)  Sie meinen, Sie wollen nicht.

(Marchbanks ernst:)  Nein, ich möchte wirklich gerne, ich danke Ihnen
sehr, aber--aber--

(Morell leichthin, beendigt seinen Brief und tritt dicht an Eugen
heran:)  Aber--aber--aber--aber!  Unsinn!  Wenn Sie bleiben wollen,
dann bleiben Sie,--Sie werden mich doch nicht überzeugen wollen, daß
Sie irgend etwas anderes zu tun haben?  Wenn Sie schüchtern sind,
machen Sie einen Spaziergang durch den Park und schreiben bis halb
zwei Uhr Gedichte, und dann kommen Sie wieder und essen tüchtig.

(Marchbanks.)  Ich danke Ihnen.  Ich würde das sehr gern tun, aber ich
darf wirklich nicht.  Die Wahrheit ist, daß mir Frau Morell gesagt hat,
daß ich's lieber nicht tun sollte.  Sie sagte, sie glaube nicht, daß
Sie mich zum Frühstück einladen würden, aber wenn Sie es täten, dann
wünschten Sie es doch nicht ernstlich.  (Schmerzlich:)  Sie sagte, ich
würde das schon verstehen, aber ich verstehe es nicht.--Bitte, sagen
Sie ihr nichts davon, daß ich es Ihnen wiedererzählt habe.

(Morell belustigt:)  Oh, ist das alles?  Was halten Sie von meinem
Vorschlag, in den Park zu gehen und diese Frage damit zu erledigen?

(Marchbanks.)  Wie?

(Morell in guter Laune herausplatzend:)  Na, Sie Dummkopf.  (Aber dies
geräuschvolle Wesen verletzt sowohl ihn selbst als auch Eugen.  Er
hält inne und fährt mit liebevollem Ernst fort:)  Nein, Scherz beiseite,
mein lieber Junge! in einer glücklichen Ehe wie die unsere ist die
Rückkehr der Frau in ihr Haus etwas sehr Heiliges.  (Marchbanks sieht
ihn rasch an, und errät beinahe im voraus, was er sagen will.)  Aber
ein lieber Freund, eine wirklich vornehme, sympathische Seele ist bei
einer solchen Gelegenheit nicht im Wege,--der erstbeste Besucher wäre
es allerdings.  (Der gehetzte, erschreckte Ausdruck kommt plötzlich
und lebhaft in Eugens Gesicht, sowie er begreift.  Morell, mit seinen
eigenen Gedanken beschäftigt, fährt, ohne es zu bemerken, fort:)
Candida dachte, ich würde Sie vielleicht lieber nicht hier haben, aber
sie hatte unrecht.  Ich habe Sie sehr lieb, Eugen; und ich möchte es
auch Ihretwegen, daß Sie sehen, wie schön es ist, so glücklich
verheiratet zu sein wie ich.

(Marchbanks.)  Glücklich?  Ihre Ehe?  Das meinen Sie, das glauben Sie
wirklich?

(Morell heiter:)  Ich weiß es, mein Junge.  Laroche-foucauld behauptet
zwar, daß es höchstens passende, aber keine glücklichen Ehen gäbe.
Sie können sich nicht vorstellen, wie wohl es tut, einen so
abgefeimten Lügner und verderbten Zyniker zu durchschauen!  Ha, ha!
Nun aber fort in den Park und schreiben Sie Ihr Gedicht! und vergessen
Sie nicht: Punkt halb zwei Uhr!  Wir warten niemals mit dem Essen auf
jemand.

(Marchbanks wild:)  Nein, halten Sie ein, Sie sollen es auch nicht!
Ich will alles ans Licht bringen.

(Morell verwundert:)  Wie?  Was wollen Sie ans Licht bringen?

(Marchbanks.)  Ich muß mit Ihnen sprechen.  Es gibt etwas, das zwischen
uns erledigt werden muß.

(Morell mit einem belustigten Blick nach der Uhr:)  Jetzt?

(Marchbanks leidenschaftlich:)  Jawohl, jetzt.  Ehe Sie dieses Zimmer
verlassen.  (Er weicht ein paar Schritte zurück und steht so, als ob
er Morell den Weg zur Tür versperren wollte.)

(Morell ernst, ohne sich zu rühren, da er begreift, daß es sich um
etwas Ernstes handelt:)  Ich will es gar nicht verlassen.  Ich dachte,
Sie wollten gehen.--(Eugen ist von seinem sicheren Ton verwirrt und
wendet ihm, sich krümmend vor Verdruß, den Rücken zu.  Morell geht zu
ihm hin und legt die Hände auf seine Schultern, fest und gütig, ohne
Marchbanks Versuche, ihn abzuschütteln, zu beachten.)  Na--setzen Sie
sich ruhig und erzählen Sie mir, was los ist.  Und bedenken Sie eines:
wir sind Freunde und brauchen nicht zu fürchten, daß einer von uns
anders als geduldig und gütig zu dem andern sein werde, was wir
einander auch mögen zu sagen haben.

(Marchbanks windet sich hin und her:)  Oh, ich werde mich nicht
vergessen, ich bin nur (bedeckt sein Gesicht verzweifelt mit den
Händen:)  außer mir vor Entsetzen!  (Dann läßt er die Hände fallen, und
sich mutig vorwärts gegen Morell wendend, fährt er drohend fort:)  Sie
werden ja sehen, ob Geduld und Güte da am Platz sind.  (Morell,
unerschütterlich wie ein Felsen, sieht ihn nachsichtig an.)  Betrachten
Sie mich nicht so selbstgefällig!  Sie halten sich zwar für stärker
als mich, aber ich werde Sie aufrütteln, wenn Sie ein Herz im Leibe
haben.

(Morell mit mächtigem Vertrauen:)  Mich aufrütteln, mein Junge?  Nur zu!
Nur zu!  Heraus damit!

(Marchbanks.)  Zuerst--

(Morell.)  Zuerst?

(Marchbanks.)  Ich liebe Ihre Frau!  (Morell fährt zurück, und nachdem
er Eugen einen Augenblick äußerst erstaunt angestarrt hat, bricht er
in heftiges Lachen aus.  Eugen wird stutzig, verliert aber seine
Fassung nicht und steht empört und verachtungsvoll da.)

(Morell setzt sich, um sich auszulachen:)  Aber, mein liebes Kind,
natürlich lieben Sie Candida.  Jeder liebt sie, man kann nicht anders;
das freut mich nur, aber (er sieht seltsam zu ihm auf:)  halten Sie
Ihren Fall für etwas, über das man auch nur zu sprechen braucht?  Sie
sind unter zwanzig und Candida ist über dreißig,--sieht das nicht
einer Dummenjungenliebe ähnlich?

(Marchbanks heftig:)  Sie wagen, so von ihr zu sprechen!  Sie glauben,
daß Ihre Frau diese Art Liebe einflößen kann!--Das ist eine
Beleidigung gegen sie!

(Morell erhebt sich rasch und verändert den Ton:)  Gegen sie?  Nehmen
Sie sich in acht, Eugen.  Ich war geduldig.  Ich hoffe, geduldig zu
bleiben.  Aber es gibt Dinge, die ich mir verbitten muß.  Zwingen Sie
mich nicht, Ihnen die Nachsicht zu zeigen, die ich einem Kinde
gegenüber haben würde.  Seien Sie ein Mann.

(Marchbanks mit einer Bewegung, als würfe er etwas hinter sich:)  Oh,
lassen Sie dieses Geschwätz beiseite.  Ich bin entsetzt, wenn ich
denke, wieviel die Arme davon hat anhören müssen in den langen Jahren,
in denen Sie Candida selbstsüchtig und blind Ihrem Dünkel geopfert
haben!  (Sich nach ihm umwendend:)  Sie, der Sie nicht einen Gedanken,
nicht ein Gefühl mit ihr gemeinsam haben.

(Morell mit philosophischer Ruhe:)  Ihr scheint das alles aber recht
gut zu bekommen.  (Ihm gerade ins Gesicht blickend:)  Eugen, Sie machen
sich zum Narren--zu einem sehr großen Narren.  Es ist zu Ihrem eigenen
Besten, wenn man Ihnen das offen und ehrlich sagt.

(Marchbanks.)  Oh, glauben Sie, ich wüßte das alles nicht?  Glauben Sie,
daß die Dinge, über die Leute zu Narren werden, weniger wirklich und
wahr sind, als die, bei denen sie vernünftig bleiben?  (Morells Blick
wird zum ersten Male unsicher, er wendet instinktiv sein Gesicht ab
und steht horchend, bestürzt und nachdenklich da.)  Diese Dinge sind
noch viel wahrer, sie sind überhaupt die einzigen Dinge, die wahr sind.
Sie sind sehr ruhig und maßvoll und rücksichtsvoll gegen mich, weil
Sie sehen können, daß ich, was Ihre Frau betrifft, ein Narr bin.  So
wie der alte Mann, der eben hier war, zweifellos sehr weise über Ihren
Sozialismus denkt, weil er sieht, daß Sie sich dabei zum Narren machen.
(Morell wird sichtlich immer bestürzter, und Eugen nützt seinen
Vorteil aus, ihn heftig mit Fragen bedrängend:)  Beweist dies, daß Sie
unrecht haben?  Beweist Ihre sichere Überlegenheit mir gegenüber, daß
ich unrecht habe?

(Morell sich zu Eugen wendend, der seinen Platz behauptet:)  Marchbanks,
irgendein Teufel hat Ihnen diese Worte in den Mund gelegt.  Es ist
leicht, fürchterlich leicht, in einem Menschen den Glauben an sich
selbst zu erschüttern.  Dies auszunützen, um eines Menschen Seele zu
verwirren, ist Teufelswerk.  Hüten Sie sich davor!

(Marchbanks unbarmherzig:)  Das weiß ich!  Es geschieht absichtlich.
Ich sagte Ihnen ja, ich würde Sie aufrütteln.  (Sie sehen einander
einen Augenblick drohend in die Augen, dann findet Morell seine Würde
wieder.)

(Morell mit edler Güte:)  Eugen, hören Sie mich an.  Ich hoffe und baue
darauf, daß Sie eines Tages ein glücklicher Mensch sein werden, wie
ich.  (Eugen gibt durch eine zornige, ungeduldige Gebärde zu verstehen,
daß er an den Wert dieses Glückes nicht glaubt.  Morell, tief
beleidigt, beherrscht sich mit aller Nachsicht und fährt mit großer
künstlerischer Beredsamkeit fort:)  Sie werden verheiratet sein und mit
aller Macht und Ihrem besten Können daran arbeiten, jeden Erdenfleck,
den Sie betreten, so glücklich zu machen, wie Ihr eigenes Heim es sein
wird.  Sie werden einer von denen sein, die das Himmelreich auf Erden
bereiten wollen, und--wer weiß?--Sie mögen ein Pionier oder ein
Baumeister werden, wo ich nur ein demütiger Arbeiter bin.  Sie dürfen
nicht glauben, Eugen, daß ich in Ihnen, so jung Sie auch sind, nicht
jene Keime sehe, die Größeres versprechen, als ich jemals von mir
erwarten darf.  Ich weiß ganz gut, daß der Geist, der in einem Dichter
wohnt, heilig--daß er geradezu göttlich ist.  Sie sollten bei dem
Gedanken daran zittern, bei dem Gedanken, daß die schwere
Verpflichtung und die großen Gaben eines Dichters vielleicht einst auf
Ihren Schultern ruhen werden.

(Marchbanks unberührt und reuelos; die knabenhafte Knappheit seiner
Worte sticht scharf gegen Morells Beredsamkeit ab:)  Nicht davor
zittere ich!  Der Mangel dieser Gaben bei anderen, der macht mich
zittern.

(Morell verdoppelt die Kraft seiner Rede unter dem Einfluß seines
echten Gefühls und der Verstocktheit Eugens:)  Dann tragen Sie dazu bei,
jene Gaben in andere und in mich zu pflanzen--und nicht, sie
auszurotten.  Später einmal, wenn Sie so glücklich sein werden, wie
ich es bin, dann will ich Ihr treuer Glaubensbruder werden.  Ich will
Sie zu dem Glauben führen, daß Gott uns eine Welt geschenkt hat, die
nur unserer eigenen Unvernunft wegen kein Paradies ist, und daß jeder
Federstrich Ihrer Arbeit Glück aussät für die große Ernte, die
alle--selbst die Geringsten--eines Tages einführen werden.  Und
endlich will ich Ihnen nicht zum wenigsten zu dem Glauben verhelfen,
daß Ihre Frau Sie liebt und in ihrem Heim glücklich ist.  Wir brauchen
solche Hilfe, Marchbanks, wir haben sie immer sehr nötig.  Es gibt so
viele Dinge, die in uns Zweifel wecken, wenn wir uns erst einmal haben
unsern Glauben trüben lassen.  Selbst zu Hause sitzen wir wie in einem
Kriegslager, umgeben von einer feindlichen Armee von Zweifeln.  Wollen
Sie den Verräter spielen und sie zu mir einlassen?

(Marchbanks sich umblickend:)  Ist es für sie hier immer so gewesen?
Daß eine Frau mit einer großen Seele, die nach Wahrheit, Wirklichkeit
und Freiheit dürstet, bloß mit Metaphern, Predigten und abgedroschenen
Redensarten abgespeist wird?  Glauben Sie, daß die Seele einer Frau
von Ihrem Predigertalent leben kann?

(Morell tief verwundet:)  Marchbanks, Sie machen es mir schwer, mich zu
beherrschen.  Mein Talent gleicht dem Ihren, sofern es überhaupt einen
echten Wert besitzt: es ist die Gabe, göttliche Wahrheit in Worte zu
kleiden.

(Marchbanks ungestüm:)  Es ist die Gabe des Mundwerks, nicht mehr und
nicht weniger.  Was hat Ihre Fertigkeit, schöne Reden zu halten, mit
der Wahrheit zu schaffen?--so wenig, wie das Orgelspiel mit ihr zu
schaffen hat.  Ich war niemals in Ihrer Kirche, aber ich war in Ihren
politischen Versammlungen und habe Sie dort das tun sehen, was man die
Menge zum Enthusiasmus hinreißen nennt.  Das heißt: die Leute regten
sich auf und benahmen sich, als ob sie betrunken wären.  Ihre Frauen
sahen zu und merkten, was für Narren sie zu Männern hatten.  Oh, das
ist eine alte Geschichte, Sie können sie schon in der Bibel finden.
--Mir scheint, König David in seinem Enthusiasmus war Ihnen sehr
ähnlich.  (Ihm die Worte in die Seele hohrend:)  "Aber sein Weib
verachtete ihn in ihrem Herzen!"

(Morell wütend:)  Verlassen Sie mein Haus!  Hören Sie?  (Er gebt
drohend auf ihn los.)

(Marchbanks gegen das Sofa zurückweichend:)  Lassen Sie mich in Frieden,
rühren Sie mich nicht an!

(Morell faßt ihn kräftig am Aufschlag seines Rockes; er duckt sich auf
das Sofa nieder.)

(Marchbanks schreit leidenschaftlich:)  Halten Sie ein; wenn Sie mich
schlagen, so töte ich mich, ich würde es nicht ertragen!  (Beinahe
hysterisch:)  Lassen Sie mich los: nehmen Sie Ihre Hand fort!

(Morell langsam, mit nachdrücklicher Geringschätzung:)  Sie kleiner,
winselnder, feiger Hund!  (Er läßt ihn los:)  Gehen Sie, sonst fallen
Sie aus Angst in Ohnmacht.

(Marchbanks auf dem Sofa nach Luft schnappend, aber befreit durch das
Zurückziehen von Morells Hand:)  Ich fürchte mich nicht vor Ihnen, Sie
fürchten sich vor mir!

(Modell ruhig, über ihn gebeugt:)  Es sieht mir ganz danach aus!

(Marchbanks mit dreister Heftigkeit:)  Ja; es sieht so aus.  (Morell
wendet sich verachtungsvoll ab, Eugen steht hastig auf und folgt ihm.)
Weil ich vor einer brutalen Behandlung zurückschrecke, weil (mit
Tränen in der Stimmt:)  ich nichts anderes tun kann, als heulen vor Wut,
wenn mir Gewalt angetan wird--weil ich keinen schweren Koffer vom
Kutscherbock herabheben kann wie Sie--weil ich mit Ihnen nicht um Ihre
Frau raufen kann wie ein Arbeiter--deshalb glauben Sie, ich hätte
Angst vor Ihnen!  Aber Sie irren.  Besitze ich auch nicht Ihren
berühmten britischen Mut, so besitze ich doch auch nicht die britische
Feigheit.  Ich fürchte mich vor den Ansichten eines Pastors nicht.
Ich will kämpfen gegen Ihre Ansichten.  Ich will Candida von der
Sklaverei dieser Ansichten befreien, ich will meine eigenen Ansichten
den Ihren entgegenstellen.  Sie jagen mich aus dem Hause, weil Sie es
nicht wagen, Candida zwischen meinen und Ihren Ansichten wählen zu
lassen!  Sie fürchten sich vor einem Wiedersehen zwischen Ihrer Frau
und mir.  (Morell wendet sich plötzlich zornig zu ihm; er flüchtet
nach der Tür in unfreiwilliger Angst:)  Lassen Sie mich in Ruhe.  Ich
gehe.

(Morell mit kalter Verachtung:)  Warten Sie einen Augenblick: ich werde
Sie nicht berühren, fürchten Sie sich nicht.  Wenn meine Frau
zurückkommt, dürfte sie wissen wollen, warum Sie fortgegangen sind;
und wenn sie erfährt, daß Sie unsere Schwelle nie wieder überschreiten
werden, dann wird sie darüber Aufklärung verlangen.  Nun möchte ich
sie nicht betrüben und ihr sagen, daß Sie sich wie ein Schuft benommen
haben.

(Marchbanks kehrt mit erneuter Heftigkeit um:)  Sie sollen es--Sie
müssen!  Wenn Sie irgendeine andere Aufklärung als die wahre geben, so
sind Sie ein Lügner und ein Feigling.  Sagen Sie ihr, was ich gesagt
habe, und wie Sie stark und männlich waren und mich zerzaust haben wie
ein Hund eine Ratte, und wie ich zurückwich und entsetzt war, und wie
Sie mich einen winselnden kleinen Hund nannten und mich aus dem Hause
jagten!  Wenn Sie ihr das alles nicht sagen werden, so werde ich es
tun!  Ich werd' es ihr schreiben.

(Morell verblüfft:)  Warum wollen Sie, daß sie das alles erfahren soll?

(Marchbanks mit lyrischer Begeisterung:)  Weil sie mich dann verstehen
und wissen wird, daß ich sie verstehe.  Wenn Sie nur ein Wort von
alledem vor ihr verheimlichen--wenn Sie nicht bereit sind, ihr die
reine Wahrheit zu Füßen zu legen--wie ich--dann werden Sie bis an das
Ende Ihrer Tage wissen, daß sie in Wirklichkeit mir gehört und nicht
Ihnen.  Leben Sie wohl.  (Er wendet sich zum Geben.)

(Morell in furchtbarer Unrube:)  Halt! ich werde ihr das alles nicht
erzählen.

(Marchbanks wieder nach der Tür, wendet sich um:)  Sie müssen ihr
entweder die Wahrheit sagen, wenn ich gehe, oder eine Lüge.

(Morell zögernd:)  Marchbanks, es ist manchmal entschuldbar--

(Marchbanks ihn unterbrechend:)  Zu lügen--ich weiß!  Diesmal wïrd es
aber vergeblich sein!  Leben Sie wohl, Herr Pfarrer!  (Wie er sich
endlich zur Tür wendet, geht diese auf und Candida tritt in ibrem
Hauskleid ein.)

(Candida.)  Sie verlassen uns, Eugen?  (Sieht ihn genauer an:)  Aber,
Sie werden doch nicht in diesem Zustand auf die Straße gehen.  Sie
sind ein Dichter, sicherlich!  Sieh' ihn nur an, Jakob!  (Sie faßt
Eugen am Rock und zieht ihn nach vorne, ihn Morell zeigend.)  Sieh
diesen Kragen an und diese Krawatte und dieses Haar.  (Zu Eugen:)  Man
möchte glauben, daß jemand Sie hat erdrosseln wollen!  (Die beiden
büten sich, ihr schlechtes Gewissen zu verraten.)  Da,--halten Sie
still.  (Sie knöpft ihm seinen Kragen, bindet sein Halstuch zu einer
Schleife und ordnet sein Haar.)  So, so!  Nun sehen Sie so nett aus,
daß ich es doch für besser hielte, Sie frühstückten mit uns, obwohl
Sie es eigentlich nicht sollten, wie ich Ihnen schon gesagt habe.  In
einer halben Stunde wird das Essen bereit sein.  (Sie glättet sein
Halstuch noch mit einer letzten Berübrung; er küßt ihr die Hand.)
Nicht dumm sein.

(Marchbanks.)  Ich möchte schon bleiben, gewiß--falls Ihr verehrter
Herr Gemahl, der Herr Pastor, nichts dagegen einzuwenden hat.

(Candida.)  Soll er bleiben, Jakob, wenn er verspricht, ein braver
Junge zu sein und mir beim Tischdecken zu helfen?  (Marchbanks wendet
den Kopf und sieht Morell über die Schulter fest an, seine Antwort
herausfordernd.)

(Morell kurz angebunden:)  O ja, gewiß; es wäre mir lieb.  (Er geht an
den Tisch und tut, als ob er mit den Papieren beschäftigt wäre.)

(Marchbanks bietet Candida den Arm:)  Decken wir den Tisch.  (Sie nimmt
seinen Arm, dann wenden sie sich zusammen nach der Tür, im Hinausgehen.)
Nun bin ich der glücklichste Mensch von der Welt!

(Morell.)  Das war ich auch--vor einer Stunde.

(Vorhang)




ZWEITER AKT

(An demselben Tage, dasselbe Zimmer spät nachmittags.  Der Stuhl für
Morells Besucher steht wieder an dem Tisch, der womöglich noch
unordentlicher aussiebt als vorhin. Marchbanks, allein und müßig,
versucht herauszukriegen, wie die Schreibmaschine arbeitet.
Er hört jemanden kommen und stiehlt sich schuldbewußt fort an
das Fenster und tut so, als ob er in die Aussiebt versunken
wäre.  Proserpina Garnett tritt mit ihrem Notizblock ein, der
das Stenogramm von Morells Briefen enthält.  Sie setzt sich an die
Schreibmaschine und will mit der Abschrift beginnen.  Sie ist viel zu
sehr beschäftigt, um Eugen zu bemerken.  Unglücklicherweise versagt
die erste Taste, auf die sie schlägt.)

(Proserpina.)  Himmel!  Sie haben sich mit der Maschine zu schaffen
gemacht, Herr Marchbanks, und es hilft Ihnen nichts, wenn Sie auch
noch so ein unschuldiges Gesicht aufsetzen.

(Marchbanks schüchtern:)  Es tut mir sehr leid, Fräulein Garnett.  Ich
wollte nur zu schreiben versuchen.

(Proserpina.)  Und dabei haben Sie diese Taste verdorben.

(Marchbanks ernst:)  Ich versichere Ihnen, daß ich die Tasten nicht
berührt habe.  Wahrhaftig nicht.  Ich habe nur ein kleines Rad gedreht.
(Er zeigt unschlüssig auf die Kurbel.)

(Proserpina.)  Oh, nun verstehe ich.  (Sie bringt die Maschine in
Ordnung und schwatzt dabei ununterbrochen:)  Mir scheint, Sie dachten,
es wäre eine Art Drehorgel.  Man braucht nur die Kurbel da zu drehen,
und die Maschine schreibt einem den schönsten Liebesbrief glatt aufs
Papier, he?

(Marchbanks ernst:)  Ich kann mir vorstellen, daß eine Maschine
erfunden werden könnte, die Liebesbriefe schreibt.--Es sind ja immer
dieselben, nicht wahr?

(Proserpina etwas aufgebracht, da jede derartige Unterhaltung--außer
scherzweise einmal--ihren Umgangsformen fernliegt:)  Woher soll ich das
wissen?  Warum fragen Sie mich?

(Marchbanks.)  Entschuldigen Sie.  Ich dachte, daß gescheite
Leute--Leute, die Geschäfte besorgen, Briefe schreiben und ähnliche
Dinge verrichten können--auch immer Liebesangelegenheiten haben.

(Proserpina erbebt sich beleidigt:)  Herr Marchbanks!  (Sie siebt ihn
strenge an und gebt sehr würdevoll zum Bücherschrank.)

(Marchbanks nähert sich ihr demütig:)  Ich hoffe, daß ich Sie nicht
beleidigt habe.  Ich hätte vielleicht auf Ihre Liebesangelegenheiten
nicht anspielen sollen.

(Proserpina nimmt ein blaues Buch aus einem Fach und wendet sich
scharf nach ihm um:)  Ich habe keine Liebesangelegenheiten!  Wie können
Sie es wagen, mir so etwas zu sagen?

(Marchbanks naiv:)  Wirklich?  Oh, dann sind Sie auch schüchtern, wie
ich, nicht wahr?

(Proserpina.)  Ich bin gewiß nicht schüchtern: was meinen Sie damit?

(Marchbanks geheimnisvoll:)  Sie müssen es sein.  Das ist der Grund,
warum es so wenig echte Liebesgeschichten in der Welt gibt.  Wir gehen
alle umher und sehnen uns nach Liebe, sie ist die erste
Naturnotwendigkeit, das heißeste Gebet unseres Herzens, aber wir wagen
es nicht, unsere Wünsche zu äußern, wir sind zu schüchtern.  (Sehr
ernst:)  Oh, Fräulein Garnett, was würden Sie nicht darum geben, ohne
Furcht zu sein,--ohne Scham--

(Proserpina empört:)  Nein, meiner Treu, das ist stark!

(Marchbanks trotzig und ungeduldig:)  Sagen Sie mir nicht solche
Albernheiten.  Sie täuschen mich doch nicht.  Wozu soll das sein?
Warum scheuen Sie sich, sich mir gegenüber so zu zeigen, wie Sie sind?
Ich bin ja selbst genau so wie Sie.

(Proserpina.)  Wie ich?  Bitte, ich weiß nicht recht, wollen Sie damit
mir oder sich schmeicheln?  (Sie wendet sich ab, um zur
Schreibmaschine zurückzugeben.)

(Marchbanks tritt ihr geheimnisvoll in den Weg:)  Still!  Ich bin auf
der Suche nach Liebe, und ich finde sie in unermeßlichen Schätzen in
den Herzen anderer aufgespeichert.  Aber ich wage es nicht, darum zu
bitten,--eine fürchterliche Schüchternheit schnürt mir die Kehle zu,
und ich stehe da, stumm, ärger als stumm, und rede sinnloses Zeug und
stammle törichte Lügen.  Und ich sehe die Liebe, nach der ich
verschmachte, an Katzen und Hunde und verhätschelte Vögel vergeudet,
weil die kommen und darum bitten.  (Beinahe flüsternd:)  Man muß Liebe
verlangen,--sie ist wie ein Geist, sie kann nicht sprechen, bevor
nicht zu ihr gesprochen wird.  (Mit seiner gewohnten Stimme, aber mit
tiefer Melancholie:)  Alle Liebe in der Welt ringt nach Worten, aber
sie wagt es nicht, zu sprechen, weil sie zu schüchtern ist, zu
schüchtern, zu schüchtern!  Das ist die Tragik des Lebens!  (Mit einem
tiefen Seufzer setzt er sieb in den Besuchsstuhl und vergräbt sein
Gesicht in den Händen.)

(Proserpina verwundert, aber ohne ihren gesunden Menschenverstand zu
verlieren,--ein Ehrenpunkt für sie im Verkehr mit fremden jungen
Männern:)  Es gibt aber schlechte Menschen, die diese Schüchternheit
gelegentlich überwinden, nicht wahr?

(Marchbanks fährt beinahe wütend auf:)  Schlechte Menschen!  Das heißt
Menschen, die ohne Liebe sind, deshalb sind sie auch ohne Scham!  Sie
haben den Mut, Liebe zu verlangen, weil sie keine brauchen; sie haben
den Mut, sie anzubieten, weil sie keine zu geben haben!  (Er sinkt in
seinen Stuhl und fügt traurig hinzu:)  Aber wir, die wir Liebe haben
und danach brennen, sie mit anderen auszutauschen, wir können kein
Wort über die Lippen bringen.  (Schüchtern:)  Finden Sie das nicht auch?

(Proserpina.)  Nehmen Sie sich in acht.  Wenn Sie nicht aufhören, so zu
reden, werde ich das Zimmer verlassen, Herr Marchbanks.  Ich tue es
wirklich!  Das gehört sich nicht.  (Sie nimmt ihren Sitz vor der
Schreibmaschine wieder ein, öffnet das blaue Buch und macht sich
bereit, daraus etwas zu kopieren.)

(Marchbanks hilflos:)  Nichts gehört sich, was wert ist, daß man
darüber spricht!  (Er erhebt sich und wandert verloren im Zimmer umher:
) Ich kann Sie nicht begreifen, Fräulein Garnett.  Worüber soll ich
denn sprechen?

(Proserpina fertigt ihn kurz ab:)  Sprechen Sie über gleichgültige
Dinge.  Sprechen Sie über das Wetter.

(Marchbanks.)  Würden Sie es ertragen, über gleichgültige Dinge zu
sprechen, wenn ein Kind neben Ihnen stünde, das vor Hunger bitterlich
weinte?

(Proserpina.)  Vermutlich nicht.

(Marchbanks.)  Nun, ich kann auch nicht über gleichgültige Dinge
sprechen, während mein Herz in seinem Hunger bitterlich weint.

(Proserpina.)  Dann--schweigen Sie.

(Marchbanks.)  Jawohl, darauf läuft's immer hinaus, wir schweigen.
Unterdrückt das den Schrei Ihres Herzens--denn es schreit, nicht wahr?
Es muß, wenn Sie überhaupt ein Herz haben.

(Proserpina erhebt sich plötzlich und preßt ihre Hand aufs Herz.)  Oh,
es ist vergeblich, arbeiten zu wollen, während Sie so reden.  (Sie
verläßt ihren kleinen Tisch und setzt sich auf das Sofa.  Ihre Gefühle
sind heftig aufgewühlt.)  Es kümmert Sie gar nichts, ob mein Herz
schreit oder nicht, aber es ist mir so, als müßte ich nun doch über
all das zu Ihnen sprechen.

(Marchbanks.)  Das brauchen Sie nicht; ich weiß doch, daß es so ist.

(Proserpina.)  Merken Sie sich: wenn Sie jemals behaupten sollten, daß
ich derlei gesagt habe, dann werde ich es leugnen.

(Marchbanks mitleidig:)  Ja, das weiß ich.  Deshalb finden Sie auch
nicht den Mut, es ihm zu sagen.

(Proserpina aufspringend:)  Ihm?!  Wem?!

(Marchbanks.)  Wem es auch sei.  Dem Manne, den Sie lieben.  Irgend
jemandem.  Dem Unterpfarrer Herrn Mill vielleicht.

(Proserpina verachtungsvoll:)  Herrn Mill?  Wahrhaftig, das ist der
rechte Mann, mir das Herz zu brechen.  Da wären Sie mir noch lieber.

(Marchbanks zurückweichend:)  Nein, wirklich!  Es tut mit leid, aber
daran dürfen Sie nicht denken.  Ich--

(Proserpina scharf, geht ans Feuer und bleibt davor stehen, ihm den
Rücken zuwendend:)  Oh, fürchten Sie nichts, Sie sind es nicht.  Es ist
gar keine bestimmte Person.

(Marchbanks.)  Ich verstehe.  Sie fühlen, daß Sie jeden Mann lieben
könnten, der Ihnen sein Herz anböte--

(Proserpina außer sich:)  Nein, das könnte ich nicht!  Jeden, der mir
sein Herz anböte!  Für was halten Sie mich?

(Marchbanks entmutigt:)  Es ist vergebens, Sie wollen mir keine
wirklichen Antworten geben, nur diese leeren Worte, die jedermann sagt.
(Er geht nach dem Sofa und setzt sich trostlos nieder.)

(Proserpina die es wurmt, in den Augen eines Aristokraten manierlos zu
erscheinen:)  Wenn Sie originelle Unterhaltung wünschen, dann ist es
besser, Sie sprechen mit sich selbst.

(Marchbanks.)  Das tun alle Dichter; sie sprechen laut mit sich selbst;
und die Welt überhört sie.  Aber es ist furchtbar einsam, nicht
manchmal auch jemand anders sprechen zu hören.

(Proserpina.)  Warten Sie, bis Herr Morell kommt.  Der wird schon mit
Ihnen reden.  (Marchbanks schaudert.)  Oh, Sie brauchen die Nase nicht
zu rümpfen, er kann besser sprechen als Sie.  (Lebhaft:)  Er wird Ihnen
den kleinen Kopf schon zurechtsetzen.  (Sie ist im Begriff ärgerlich
an ihren Platz zurückzugeben, als er, plötzlich erleuchtet, aufspringt
und sie anhält.)

(Marchbanks.)  Ah, jetzt begreife ich!

(Proserpina errötend:)  Was begreifen Sie?

(Marchbanks.)  Ihr Geheimnis!  Sagen Sie mir, ist es wirklich und
wahrhaftig möglich, daß eine Frau ihn liebt?

(Proserpina als ob dies ihr über den Spaß ginge:)  Genug!

(Marchbanks leidenschaftlich:)  Nein, antworten Sie mir!  Ich will es
wissen, ich muß es wissen, ich kann es nicht begreifen.  Ich kann an
ihm nichts finden als Worte, fromme Vorsätze, was die Leute Güte
nennen!  Sie können ihn deswegen doch nicht lieben!

(Proserpina versucht, ihn durch ihr kühles Wesen stutzig zu machen:)
Ich weiß ganz einfach nicht, wovon Sie sprechen--ich verstehe Sie
nicht.

(Marchbanks heftig:)  Sie verstehen mich ganz gut.  Sie lügen!

(Proserpina.)  Oh!

(Marchbanks.)  Sie verstehen, und Sie wissen.  (Entschlossen, eine
Antwort zu bekommen:)  Ist es möglich, daß eine Frau ihn lieben kann?
Ja oder nein!

(Proserpina ihm gerade ins Gesicht blickend:)  Ja!  (Er bedeckt sein
Gesicht mit den Händen.)  Was in aller Welt fehlt Ihnen denn?  (Er
nimmt die Hände herab und sieht sie an.  Erschreckt über das traurige
Gesicht, das sich ihr darbietet, eilt sie so weit wie möglich von ihm
fort, behält aber ihre Augen auf ihn gerichtet, bis er sich von ihr
abwendet und nach dem Kinderstuhl am Kamin geht, wo er sich in
tiefster Trostlosigkeit niederläßt.  Proserpina eilt zur Tür, die Tür
geht auf und Burgess tritt ein.  Als sie ihn erblickt, ruft sie aus:)
Gott sei Dank, es kommt jemand!  (Setzt sich wieder beruhigt an ihren
Tisch.  Sie legt einen neuen Bogen in die Maschine, während Burgess zu
Eugen hinübergebt.)

(Burgess beflissen, sich um den vornehmen Besucher zu kümmern:)  Na,
gehört sich das, wie man Sie hier sich selbst überläßt, Herr
Marchbanks?  Ich bin gekommen, Ihnen Gesellschaft zu leisten.
(Marchbanks siebt zu ihm mit einer Bestürzung auf, die Burgess aber
gar nicht merkt.)  Jakob empfängt eine Deputation im Speisezimmer, und
Candy ist oben und unterrichtet eine junge Näherin, für die sie sich
interessiert.  Sie sitzt bei ihr und lehrt sie lesen, in einem frommen
Buche: die himmlischen Zwillinge.  (Teilnahmsvoll:)  Sie müssen es hier
recht langweilig finden, so ohne einen Menschen, mit dem Sie reden
können, außer der Schreiberin.

(Proserpina äußerst erbittert:)  Er wird sich jetzt ganz wohl fühlen,
da er das Glück hat, Ihre gebildete Unterhaltung zu genießen,--das ist
schon ein Trost.  (Sie beginnt mit heftigem Geräusch zu schreiben.)

(Burgess erstaunt über ihre Kühnheit:)  Mit Ihnen hab' ich nicht
gesprochen, soviel ich weiß, Sie junges Ding!

(Proserpina scharf zu Marchbanks:)  Haben Sie jemals solche Manieren
gesehen, Herr Marchbanks?

(Burgess mit wichtigtuendem Ernst:)  Herr Marchbanks ist ein Edelmann,
der seine Stellung kennt; das ist mehr, als manche Leute von sich
sagen können.

(Proserpina zornig:)  Glücklicherweise gehören Sie und ich nicht zu den
"Damen" und "Herren"; ich würde Ihnen schon meine Meinung sagen, wenn
Herr Marchbanks nicht zugegen wäre.  (Sie zieht den Brief so heftig
aus der Maschine heraus, daß er zerreißt.)  So! nun habe ich den Brief
verdorben, jetzt kann ich noch mal von vorne anfangen.  Oh, ich kann
mich nicht beherrschen.--Sie dummer alter Schafskopf, Sie!

(Burgess erhebt sich, atemlos vor Entrüstung:)  Was, ein dummer alter
Schafskopf bin ich?!  Das ist stark!  (Außer Atem:)  Gut, gut!  Warten
Sie nur, das werde ich Ihrem Prinzipal sagen--ich will Sie lehren--Sie
sollen es sehen!

(Proserpina.)  Ich--

(Burgess sie unterbrechend:)  Genug, Ihr Reden nützt Ihnen nun nichts
mehr, Sie sollen mich kennen lernen! (Proserpina schiebt ihre Walze
mit einem zornigen Stoß herum und setzt verachtungsvoll ihre Arbeit
fort.)  Nehmen Sie keine Notiz von ihr, Herr Marchbanks, sie ist es
nicht wert.  (Er setzt sich stolz wieder hin.)

(Marchbanks fürchterlich nervös und verlegen:)  Wäre es nicht besser,
wir würden von etwas anderem sprechen.  Ich--ich glaube nicht, daß
Fräulein Garnett es böse gemeint hat.

(Proserpina mit fester Überzeugung:)  Ob ich es böse gemeint habe!
Doch!

(Burgess.)  Ich will mich nicht so weit erniedrigen, von ihr überhaupt
noch Notiz zu nehmen.  (Eine elektrische Klingel läutet zweimal.)

(Proserpina rafft Notizhlock und Papier zusammen:)  Das gilt mir!  (Sie
eilt hinaus.)

(Burgess ihr nachrufend:)  Oh, wir können Sie entbehren.  (Er freut
sich über den Triumph, das letzte Wort behalten zu haben, und doch
halb und halb geneigt, noch mehr zu sagen, sieht er ihr einen
Augenblick lang nach, dann läßt er sich auf seinen Platz neben Eugen
nieder und spricht sehr vertraulich zu ihm:)  Jetzt, wo wir allein sind,
Herr Marchbanks, lassen Sie mich Ihnen einen freundlichen Wink geben,
den ich nicht jedermann geben würde.  Wie lange kennen Sie meinen
Schwiegersohn Jakob schon?

(Marchbanks.)  Ich weiß nicht.  Ich kann mir Daten niemals merken,
--vielleicht einige Monate.

(Burgess.)  Haben Sie nie etwas Sonderbares an ihm bemerkt?

(Marchbanks.)  Nicht daß ich wüßte.

(Burgess ausdrucksvoll:)  Das werden Sie auch schwerlich.  Darin liegt
eben die Gefahr.  Nun--er ist verrückt.

(Marchbanks.)  Verrückt?!

(Burgess.)  Total verrückt.  Beobachten Sie ihn nur, und Sie werden es
selbst finden.

(Marchbanks ängstlich:)  Aber das scheint Ihnen gewiß nur so, weil
seine Ansichten--

(Burgess berührt Eugens Knie mit dem Zeigefinger und drückt es, um
seine Aufmerksamkeit zu erregen:)  Genau dasselbe habe ich früher
gedacht, Heir Marchbanks.  Ich glaubte lange genug, es wären nur seine
Ansichten, obwohl Ansichten zu sehr ernsten Angelegenheiten werden,
sobald Leute danach handeln, wie er; aber danach habe ich nicht
geurteilt.  (Er siebt umher, um sich zu überzeugen, daß sie allein
sind, und neigt sich zu Eugens Ohr.)  Was, glauben Sie, hat er heute
morgen in diesem Zimmer zu mir gesagt?

(Marchbanks.)  Was denn?

(Burgess.)  Er sagte mir, daß ich--so wahr, als wir hier sitzen--er
sagte ganz ruhig: "Ich bin ein Narr und Sie sind ein Schurke"...  Ich
ein Schurke--bedenken Sie nur--und dann schüttelte er mir die Hand
dazu, als ob seine Meinung schmeichelhaft für mich wäre.  Wollen Sie
behaupten, daß so ein Mensch nicht verrückt ist?

(Morell von außen "Proserpina" rufend, während er die Tür öffnet:)
Schreiben Sie alle Namen und Adressen auf, Fräulein Garnett.

(Proserpina aus der Entfernung:)  Jawohl, Herr Pastor!  (Morell tritt
ein, mit den Dokumenten der Deputation in der Hand.)

(Burgess beiseite zu Marchbanks:)  Oh, da ist er.  Beobachten Sie ihn
nur, Sie werden schon sehen.  (Erhebt sich mit wichtiger Miene:)  Ich
bedaure, Jakob, mich bei Ihnen beklagen zu müssen.  Ich tue es nicht
gerne, aber ich fühle, daß es meine Pflicht und mein Recht ist.

(Morell.)  Was ist denn geschehen?

(Burgess.)  Herr Marchbanks wird es bestätigen, er war Zeuge.  (Sehr
feierlich:)  Ihre Schreiberin vergaß sich so weit, mich einen dummen
alten Schafskopf zu nennen.

(Morell mit größter Herzlichkeit:)  Oh, sieht das Prossi nicht ganz
ähnlich?  Sie ist so aufrichtig, sie kann sich nicht beherrschen.
Arme Prossi, ha, ha!

(Burgess zitternd vor Wut:)  Und erwarten Sie, daß ich mir das von
ihresgleichen ruhig gefallen lasse?

(Morell.)  Bah, Unsinn.  Nehmen Sie keine Notiz davon, lassen Sie's gut
sein.  (Er geht an das Schreibpult und legt die Papiere in eines der
Schubfächer.)

(Burgess.)  Oh, ich mache mir nichts daraus.  Ich bin über derlei
erhaben.  Aber war es recht?  Das ist es, was ich zu wissen wünsche!
--war es recht?

(Morell.)  Das ist eine Frage für die Kirche und nicht für Laien.
Wurde Ihnen dadurch irgendein Schaden zugefügt? danach müssen Sie
fragen--selbstverständlich "nein".  Also denken Sie nicht mehr daran.
(Er läßt den Gegenstand fallen, geht nach seinem Platz an den Tisch
und beginnt an seiner Korrespondenz zu arbeiten.)

(Burgess beiseite zu Marchbanks:)  Was habe ich Ihnen gesagt?  Total
verrückt!  (Er geht an den Tisch und fragt mit der Höflichkeit eines
Hungrigen:)  Wann wird zu Tisch gegangen, Jakob?

(Morell.)  Erst nach einigen Stunden.

(Burgess mit klagender Entsagung:)  Dann geben Sie mir, bitte, ein
hübsches Buch, am Kamin zu lesen--sein Sie so gut, Jakob.

(Morell.)  Was für ein Buch,--ein gutes?

(Burgess beinahe mit einem Aufschrei des Widerwillens:)  Nein.  Irgend
was Lustiges, womit man die Zeit totschlagen kann.

(Morell nimmt eine illustrierte Zeitschrift vom Tisch und bietet sie
ihm an, er ergreift sie demütig:)  Ich danke Ihnen, Jakob.  (Er geht
zurück zum Kamin, läßt sich bequem in den großen Stuhl nieder und
liest.)

(Morell während er schreibt:)  Candida wird gleich kommen und Ihnen
Gesellschaft leisten.  Sie ist jetzt fertig mit ihrer Schülerin und
füllt die Lampen.

(Marchbanks fährt empor in wildem Entsetzen:)  Aber das wird ihre Hände
beschmutzen,--das kann ich nicht dulden, Herr Pastor, das ist eine
Schande; ich werde die Lampen füllen.  (Er wendet sich nach der Tür.)

(Morell.)  Lassen Sie es lieber sein.  (Marchbanks bleibt unschlüssig
stehen: ) Sie würde Ihnen höchstens meine Schuhe zu putzen geben, um
mir die Arbeit zu ersparen, es morgen früh selbst zu tun.

(Burgess mit großer Mißbilligung:)  Halten Sie kein Mädchen mehr, Jakob?

(Morell.)  Ja, aber es ist keine Sklavin, und das Haus sieht aus, als
ob ich drei hielte.  Daraus folgt, daß jeder mithelfen muß.  Das geht
ganz gut.  Prossi und ich können nach dem Frühstück, während wir
abwaschen, über unsere Geschäfte sprechen; das Abwaschen macht keine
Mühe, wenn es zwei besorgen.

(Marchbanks gequält:)  Glauben Sie, daß jede Frau so grobkörnig ist wie
Fräulein Garnett?

(Burgess pathetisch:)  Sie haben ganz recht, Herr Marchbanks,
vollkommen recht,--die ist grobkörnig!

(Morell ruhig und bedeutungsvoll:)  Marchbanks!

(Marchbanks.)  Ja.

(Morell.)  Wie viele Dienstboten hält Ihr Vater?

(Marchbanks.)  Oh, ich weiß nicht.  (Er gebt unbehaglich an das Sofa
zurück, als ob er sich so weit fort wie möglich vor Morells Fragen
retten möchte, setzt sich in großer Verstörtheit und denkt an das
Petroleum.)

(Morell sehr ernst:)  So viele, daß Sie es nicht einmal wissen.
(angriffsbereit:)  Immerhin, wenn irgendeine grobkörnige Arbeit zu
verrichten ist, dann klingeln Sie und halsen sie jemand anders
auf--das ist eine der großen Tatsachen in Ihrem Dasein, nicht wahr?

(Marchbanks.)  Oh, quälen Sie mich nicht.  Die eine große Tatsache hier
ist jetzt, daß die wundervollen Finger Ihrer Frau mit Petroleum
beschmutzt werden, während Sie bequem hier sitzen und darüber Reden
halten--endlose Reden und Predigten--Worte--Worte--nichts als Worte!

(Burgess dem diese Erwiderung sehr gelegen kommt:)  Hört, hört!  Besser
konnte er's ihm nicht geben!  (Strahlend:)  Da haben Sie es, Jakob!
Ganz so ist es.  (Candida trat ein, in einer reinen Schürze, mit einer
geputzten und gefüllten, zum Anzünden fertigen Arbeitslampe.  Sie
stellt sie auf den Tisch neben Morell, damit er sie zur Hand hat.)

(Candida reibt ihre Fingerspitzen gegeneinander, mit einem leichten
Krausziehen ihrer Nase:)  Wenn Sie bei uns bleiben, Eugen, ich glaube,
dann werde ich Ihnen das Füllen der Lampe übertragen.

(Marchbanks.)  Ich werde überhaupt nur unter der Bedingung bleiben, daß
Sie mir alle grobe Arbeit übertragen.

(Candida.)  Das ist zwar sehr galant, aber ich möchte doch vorher
wissen, wie Sie sie machen.  (Wendet sich zu Morell:)  Jakob, du hast
in meiner Abwesenheit nicht gehörig nach dem Rechten gesehen.

(Morell.)  Was habe ich denn getan oder nicht getan, meine Liebe?

(Candida ernstlich ärgerlich:)  Meine eigene kleine
Lieblingsnagelbürste wurde zum Stiefelputzen verwendet.  (Ein
herzzerreißender Klagelaut entringt sich Marchbanks' Brust.  Burgess
sieht sich erstaunt um, Candida eilt ans Sofa:)  Was ist los?  Sind Sie
krank, Eugen?

(Marchbanks.)  Nein, nicht krank.  Nur Jammer erfaßt mich, Jammer,
Jammer!  (Er schlägt die Hände vor das Gesicht.)

(Burgess erschreckt:)  Was haben Sie, Herr Marchbanks?  Oh, das ist
schlimm in Ihrem Alter; Sie müssen trachten, sich das Trinken nach und
nach abzugewöhnen.

(Candida beruhigt:)  Unsinn, Papa.  Das ist nur poetischer Jammer.
Nicht wahr, Eugen?  (Streichelt ihn.)

(Burgess verlegen:)  Oh, poetischen Jammer hat er,--verzeihen Sie, das
wußte ich nicht.  (Er wendet sich wieder nach dem Feuer, seine
Unüberlegtheit bereuend.)

(Candida.)  Was ist's denn, Eugen?  Wegen der Nagelbürste?  (Er
schaudert.)  Es ist ja nichts dabei, lassen Sie's gut sein.  (Sie setzt
sich neben ihn.)  Wollen Sie mir eine hübsche neue schenken, mit
Elfenbeinrücken und eingelegtem Perlmutter?

(Marchbanks sanft und melodisch, aber traurig und schmachtend:)  Nein,
keine Nagelbürste, aber ein Boot, eine kleine Schaluppe, um darin
fortzusegeln, weit fort von der Welt, dorthin, wo Marmorböden vom
Regen gewaschen und von der Sonne getrocknet werden, und wo der
Südwind die wundervoll grünen und purpurnen Teppiche fegt.  Oder einen
Wagen möchte ich Ihnen schenken; uns hinaufzutragen in den Himmel, wo
die Lampen Sterne sind und nicht täglich mit Petroleum gefüllt werden
müssen.

(Morell barsch:)  Und wo es nichts anderes zu tun gibt, als faul,
selbstsüchtig und unnütz zu sein.

(Candida unangenehm berührt:)  Oh, Jakob, wie kannst du nur alles so
verderben!

(Marchbanks feurig:)  Ja: faul, selbstsüchtig und unnütz, das heißt
schön, frei und glücklich sein.  Hat das nicht jeder Mann mit seiner
ganzen Seele für die Frau gewünscht, die er liebte?  Das ist auch mein
Ideal.  Was ist das Ihre und das all der entsetzlichen Menschen, die
in diesen fürchterlichen Häuserreihen wohnen?  Predigten und
Schuhbürsten!  Für Sie die Predigten und für Ihre Frau die Bürste!

(Candida drollig:)  Er putzt die Schuhe, Eugen.  Morgen werden Sie sie
putzen müssen, weil Sie das von ihm gesagt haben.

(Marchbanks.)  Oh, sprechen Sie nicht von Schuhen; Ihre Füße würden
auch in einer Wildnis schön bleiben.

(Candida.)  Meine Füße würden auf der Hackneystraße ohne Schuhe nicht
sehr schön aussehn.

(Burgess daran Anstoß nehmend:)  Geh, Candy, sei nicht ordinär.  Herr
Marchbanks ist daran nicht gewöhnt.  Du hast ihm schon wieder Jammer
eingeflößt,--ich meine poetischen Jammer.  (Morell schweigt, scheinbar
ist er mit seinen Briefen beschäftigt.  Tatsächlich ist er aber über
seine neue und beunruhigende Erfahrung in sorgenvolle Gedanken
vertieft: je sicherer er seiner moralischen Ausfälle ist, desto
sicherer und wirkungsvoller pariert sie Eugen.  Es schmerzt Morell
sehr, daß er einen Menschen zu fürchten anfängt, den er nicht achten
kann.  Fräulein Garnett kommt mit einem Telegramm herein.)

(Proserpina händigt das Telegramm Morell ein:)  Rückantwort bezahlt,
der Bote wartet.  (Zu Candida, während sie zu ihrer Maschine geht und
sich setzt:)  Marie wartet auf Sie in der Küche, Frau Morell.  (Candida
erhebt sich:)  Die Zwiebeln sind gekommen.

(Marchbanks krampfhaft:)  Zwiebeln!?

(Candida.)  Ja, Zwiebeln, und nicht einmal spanische! garstige, kleine
rote Zwiebeln!  Sie können mir helfen, sie zu zerschneiden; kommen Sie.
(Sie nimmt ihn am Handgelenk und läuft, ihn nachziehend, hinaus.
Burgess erhebt sich verblüfft und starrt ihnen, auf dem Kaminteppich
stehend, nach.)

(Burgess.)  Candy sollte den Neffen eines Pairs nicht so behandeln.
Das geht doch zu weit, Jakob.  Hat er öfters solche komischen Anfälle?

(Morell kurz, ein Telegramm schreibend:)  Ich weiß nicht.

(Burgess sentimental:)  Er spricht sehr nett.  Ich habe immer etwas
Sinn für Poesie gehabt.  Candy schlägt mir darin nach.  Ich mußte ihr
immer Märchen erzählen, als sie noch ein so kleines Mädchen war.  (Er
hält die Hand ungefähr zwei Fuß hoch über den Fußboden.)

(Morell beschäftigt:)  So, wirklich?  (Er löscht das Telegramm ab und
geht hinaus.)

(Proserpina.)  Haben Sie die Märchen, die Sie Ihrer Tochter erzählten,
selbst erfunden?

(Burgess würdigt sie keiner Antwort und nimmt vor dem Kamin die
Stellung tiefster Verachtung gegen sie ein.)

(Proserpina sehr ruhig:)  Ich hätte nie gedacht, daß Sie derlei könnten.
Übrigens möchte ich Sie doch warnen, da Sie so großes Interesse
an Herrn Marchbanks nehmen.  Er ist verrückt.

(Burgess.)  Verrückt!  Was?  Der auch?

(Proserpina.)  Total verrückt!  Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie
sehr er mich vorhin erschreckte--das kann ich Ihnen versichern,
gerade bevor Sie kamen.--Haben Sie das merkwürdige Zeug, das er sprach,
nicht gehört?

(Burgess.)  So, das ist also der poetische Jammer?  Potztausend, es ist
mir selbst schon ein oder zweimal aufgefallen, daß es nicht ganz
richtig mit ihm ist.  (Er durchschreitet das Zimmer und hebt seine
Stimme, während er geht:)  Na, das ist ein hübsches Irrenhaus für einen
Menschen, der außer Ihnen niemanden hat, sich um ihn zu kümmern.

(Proserpina während er bei ihr vorbeikommt:)  Ja, wie fürchterlich wäre
es, wenn Ihnen da etwas zustieße.

(Burgess hochmütig:)  Erlauben Sie sich keine Bemerkungen!  Sagen Sie
Ihrem Prinzipal, daß ich in den Garten gegangen bin, meine Pfeife zu
rauchen.

(Proserpina spottend:)  Oh!--(Ehe Burgess erwidern kann, kehrt Morell
zurück.)

(Burgess gefühlvoll:)  Ich gehe in den Garten, meine Pfeife zu rauchen,
Jakob.

(Morell kurz angebunden:)  Schon gut, schon gut!  (Burgess geht
würdevoll hinaus, wie ein müder alter Mann.  Morell steht vor dem
Tisch, wendet seine Papiere um und spricht zu Proserpina hinüber, halb
humorvoll, halb geistesabwesend.)

(Morell.)  Nun, Prossi, warum haben Sie meinen Schwiegervater mit
Schimpfnamen belegt?

(Proserpina wird feuerrot und sieht rasch zu ihm auf, halb
vorwurfsvoll, halb erschrocken:)  Ich--(Sie bricht in Tränen aus.)

(Morell lehnt sich mit leisem Humor zu ihr hinüber und tröstet sie:)
Oh, lassen Sie, lassen Sie nur! es ist ja nichts dabei: er ist ein
alter Schafskopf, nicht wahr?  (Mit einem krampfhaften Schluchzen
stürzt sie nach der Tür und verschwindet, die Tür zuschlagend.  Morell
schüttelt resigniert den Kopf, seufzt und geht müde an seinen Stuhl,
wo er sich an die Arbeit setzt.  Er sieht alt und vergrämt aus.
Candida kommt herein; sie hat ihre häusliche Arbeit beendet und die
Schürze abgenommen.  Sie bemerkt sofort Morells niedergeschlagenes
Aussehen, setzt sich ruhig auf den Besuchsstuhl und betrachtet ihn
aufmerksam.  Sie schweigt.)

(Morell sieht auf, die Feder einen Moment absetzend:)  Nun, wo ist
Eugen?

(Candida.)  Er wäscht sich die Hände in der Waschküche--unter der
Wasserleitung.  Er wird ein ausgezeichneter Koch werden, wenn er nur
erst seine Furcht vor Marie überwunden hat.

(Morell kurz:)  Gewiß, zweifellos.  (Er fängt wieder zu schreiben an.)

(Candida geht näher und legt ihre Hände sanft auf die seinen, um ihn
aufzuhalten, und sagt:)  Komm zu mir, mein Lieber.  Laß dich anschauen.
(Er legt seine Feder weg und stellt sich ihr zur Verfügung; sie laßt
ihn aufstehen, zieht ihn ein wenig vom Tisch fort und betrachtet ihn
mit kritischen Blicken.)  Wende dein Gesicht einmal gegen das Licht.
(Sie stellt ihn mit dem Gesicht gegen das Fenster.)  Mein alter Junge
sieht nicht gut aus,--hat er sich überanstrengt?

(Morell.)  Nicht mehr als gewöhnlich.

(Candida.)  Er sieht sehr bleich und grau, runzelig und alt aus.
(Seine Melancholie nimmt zu und Candida faßt sie geflissentlich lustig
an.)  Komm her.  (Sie zieht ihn zum Lehnstuhl:)  Du hast für heute genug
geschrieben.  Überlaß Prossi alles Weitere, und wir wollen ein
bißchen plaudern.

(Morell.)  Aber--

(Candida nachdrücklich:)  Ja, du mußt mit mir plaudern.  (Sie zwingt
ihn, Platz zu nehmen, und setzt sich auf den Teppich zu seinen Füßen.)
Nun (seine Hände streichelnd:)  fängst du schon an, besser auszusehen.
Warum gibst du alle diese ermüdenden Extraarbeiten nicht auf?  Jeden
Abend gehst du aus, um zu predigen und zu reden.  Freilich, was du
sagst, ist alles schön und gut; aber es nützt ja nichts: sie geben
nicht das geringste darauf.  Sie sind natürlich deiner Ansicht--aber
was hat man davon, wenn Leute mit einem einverstanden sind und dann
hingehen und das Gegenteil von allem tun, sobald man den Rücken kehrt?
Denke nur an unsere Gemeinde in St. Dominik?  Warum wollen sie dich
jeden Sonntag über Christentum reden hören?  Nur weil sie mit ihren
Geschäften und Geldangelegenheiten sechs Tage lang so sehr beschäftigt
waren, daß sie am siebenten Tage nichts davon hören mögen.  Da wollen
sie ruhen und sich erbauen, damit sie frisch zurückkehren und besser
als je dem Gelde nachjagen können.  Du hilfst ihnen nur noch dabei,
anstatt sie daran zu hindern.

(Morell mit energischem Ernst:)  Du weißt sehr gut, Candida, daß ich
sie deswegen oft tüchtig ausschelte.  Aber wenn ihr Kirchgang ihnen
nichts anderes bedeutet als Ruhe und Zerstreuung, warum wählen sie
dann nichts Lustigeres, Angenehmeres?  Es muß doch etwas Gutes in der
Tatsache liegen, daß sie die Kirche am Sonntag schlimmeren Orten
vorziehen.

(Candida.)  Oh, die schlimmen Orte sind eben nicht offen, und selbst
wenn sie es wären, sie würden sich nicht trauen hinzugehen, aus Angst
gesehn zu werden.  Überdies, lieber Jakob, predigst du so
wundervoll, daß es für sie so gut wie ein Schauspiel ist.  Warum,
glaubst du, sind die Frauen alle so begeistert?

(Morell verletzt:)  Candida!

(Candida.)  Oh, ich weiß.  Du Ahnungsloser, du glaubst, dein
Sozialismus und deine Religion machen es,--doch wenn's bloß das wäre,
dann würden sie tun, was du ihnen sagst, anstatt nur hinzugehen und
dich anzustarren;--sie haben alle Prossis Leiden.

(Morell.)  Prossis Leiden?  Was meinst du damit, Candida?

(Candida.)  Ja, Prossis und das all der anderen Sekretärinnen, die du
hattest.  Warum, meinst du, läßt sich Prossi herbei, abzuwaschen,
Kartoffeln zu schälen und sich auf alle mögliche Art zu erniedrigen,
da sie bei dir doch sechs Schillinge in der Woche weniger verdient,
als sie in einem Bureau in der City bekäme?  Sie ist verliebt in dich,
das ist der Grund,--sie sind alle in dich verliebt.  Und du bist ins
Predigen verliebt, weil du das so wundervoll kannst.  Und du glaubst,
es sei alles Enthusiasmus für das Himmelreich auf Erden--und sie
glauben es auch--o du lieber Dummkopf, du!

(Morell.)  Candida, was ist das für ein schrecklicher, seelenmordender
Zynismus?  Scherzest du oder--ist es möglich--bist du eifersüchtig?

(Candida seltsam gedankenvoll:)  Ja, manchmal bin ich etwas
eifersüchtig.

(Morell ungläubig:)  Auf Prossi?

(Candida lachend:)  Nein, nein, nein.  Nicht eifersüchtig a u f
jemanden.  Eifersüchtig f ü r jemanden, der n i c h t so geliebt wird,
wie er sollte.

(Morell.)  Bin ich das?

(Candida.)  Du?  Nein.  Du bist verwöhnt durch Liebe und Verehrung,
mehr, als für dich gut ist.--Nein, ich meine Eugen.

(Morell betroffen:)  Eugen?

(Candida.)  Es scheint mir ungerecht, daß du alle Liebe besitzen sollst
und er keine, obgleich er sie so viel nötiger hat als du.  (Eine
krampfhafte Bewegung schüttelt ihn gegen seinen Willen.)  Was ist dir,
quäle ich dich?

(Morell rasch:)  Durchaus nicht.  (Er sieht sie mit unruhiger Spannung
an.)  Du weißt, daß ich dir blindlings vertraue, Candida.

(Candida.)  Du eitler Mann.  Bist du deiner Unwiderstehlichkeit so
sicher?

(Morell.)  Candida, du verletzest mich.  Ich habe an
Unwiderstehlichkeit nie gedacht.  Deiner Frömmigkeit, deiner Reinheit
vertraue ich.

(Candida.)  Was für häßliche, ungemütliche Dinge du mir da sagst,--oh,
du bist wirklich ein Pastor, Jakob, ein Pastor durch und durch!

(Morell ins Herz getroffen, sich von ihr abwendend:)  Das sagt Eugen
auch.

(Candida neigt sich mit lebhaftem Interesse zu ihm, die Arme auf
seinen Knien:)  Eugen hat immer recht.  Er ist ein wundervoller Junge,
ich habe ihn lieber und lieber gewonnen während der ganzen Zeit, wo
ich fort war.  Weißt du, Jakob, daß er, obwohl er selbst nicht die
leiseste Ahnung davon hat, im Begriff steht, sich wahnsinnig in mich
zu verlieben?

(Morell grimmig:)  Oh, er selbst hat nicht die leiseste Ahnung davon,
wirklich?

(Candida.)   Nicht die geringste.  (Sie nimmt ihre Arme von seinen Knien
und wendet sich gedankenvoll ab, wobei sie eine bequeme Stellung
einnimmt, die Hände im Schoß.)   Eines Tages wird er es wissen,--wenn er
erwachsen und erfahren sein wird wie du--da wird er erkannt haben, daß
ich es wissen mußte!--Ich bin neugierig, was er dann von mir denken
wird.

(Morell.)   Nichts Böses, Candida.  Ich hoffe und vertraue, nichts Böses.

(Candida zweifelnd:)  Das wird davon abhängen...

(Morell erschreckt:)  Abhängen!

(Candida ihn ansehend:)  Ja, es wird davon abhängen, was er bis dahin
erleben wird.  Er sieht sie verständnislos an.  Begreifst du das
nicht?  Es hängt ganz davon ab, wie und durch wen ihm bewußt wird, was
die Liebe eigentlich ist.  Ich meine, es kommt auf die Frau an, die
ihn die Liebe lehren wird.

(Morell ganz verwirrt:)  Nein,--ja,--ich weiß nicht, was du meinst.

(Candida erklärend:)  Wenn eine gute Frau sie ihn lehrt, dann wird
alles gut und schön sein, dann wird er mir verzeihen.

(Morell.)   Verzeihen?!

(Candida fortfahrend:)  Aber gesetzt den Fall, daß eine schlechte Frau
sie ihn lehrt, wie dies vielen Männern, ganz besonders dichterisch
veranlagten, geschieht, die alle Frauen für Engel halten,--gesetzt den
Fall, sage ich, daß er den Wert der Liebe erst dann entdeckt, wenn er
sie fortgeworfen und sich in seiner Unwissenheit selbst erniedrigt hat,
--glaubst du, daß er mir dann auch verzeihen wird?

(Morell.)   Dir verzeihen?  Weswegen?

(Candida bemerkt, wie beschränkt er ist, fährt etwas enttäuscht, aber
sanft fort:)  Verstehst du das nicht?  (Er schüttelt den Kopf; sie
wendet sich wieder zu ihm, um es ihm mit zartester Vertraulichkeit zu
erklären.)   Ich meine: wird er mir verzeihen, daß ich selbst ihn die
Liebe nicht gelehrt, sondern ihn schlechten Frauen überlassen habe?
meiner Frömmigkeit--meiner Reinheit wegen, wie du es nennst!  Oh,
Jakob, wie wenig du mich doch verstehst, daß du nur immer von deinem
Vertrauen in meine Frömmigkeit und Reinheit sprichst.  Ich würde sie
beide dem armen Eugen so gerne geben, wie einem frierenden Bettler
meinen Schal, wenn nichts anderes mich davon abhielte.  Vertraue auf
meine Liebe zu dir; denn wenn die nicht wäre, aus deinen Predigten
würde ich mir sehr wenig machen--das sind bloß leere Phrasen, mit
denen du andere und dich selbst jeden Tag belügst.  (Sie ist im
Begriff aufzustehen.)

(Morell.)  Seine Worte!

(Candida schnell innehaltend, indem sie aufsteht:)  Wessen Worte?

(Morell.)  Eugens!

(Candida entzückt:)  Er hat immer recht.  Er versteht dich, er versteht
mich, er versteht Prossi; und du, Jakob, du verstehst nichts.  (Sie
lacht und küßt ihn, um ihn zu trösten; er weicht wie gestochen zurück
und springt auf.)

(Morell.)  Wie kannst du mich küssen, während du--oh, Candida!  (Mit
Schmerz in der Stimme:)  Ich hätte vorgezogen, daß du mir einen
Widerhaken ins Herz gestoßen hättest, statt mir diesen Kuß zu geben.

(Candida erhebt sich beunruhigt:)  Mein Lieber, was ist denn mit dir?

(Morell schüttelt sie wild ab:)  Berühre mich nicht!

(Candida erstaunt:)  Jakob!  Sie werden durch den Eintritt Marchbanks'
und Burgess' unterbrochen, der in der Nähe der Tür stehen bleibt und
sie anstarrt, während Eugen sich zwischen sie nach vorwärts drängt.

(Marchbanks.)  Ist etwas vorgefallen?

(Morell totenbleich, mit eiserner Selbstbeherrschung:)  Nichts, als daß
entweder Sie heute morgen recht hatten, oder daß Candida verrückt ist!

(Burgess laut protestierend:)  Was?  Candy auch verrückt?  Das ist
zuviel!  (Er durchschreitet das Zimmer bis zum Kamin, protestiert
während des Gehens und klopft dort seine Pfeifenasche aus.  Morell
setzt sich verzweifelt nieder, lehnt sich nach vorne, um sein Gesicht
zu verbergen, und verschlingt seine Finger krampfhaft, damit sie ruhig
bleiben.)

(Candida zu Morell, erleichtert und lachend:)  Oh, du bist nur
verletzt--ist das alles?  Wie konventionell ihr unkonventionellen
Leute doch alle seid!

(Burgess.)  Benimm dich anständig, Candy.  Was wird Herr Marchbanks von
dir denken?

(Candida.)  Das kommt davon, weil Jakob mir immer predigt, nur mir
selbst Rechenschaft abzulegen und nie darauf zu achten, was andere
Leute über mich denken könnten.  Das ist außerordentlich schön und gut,
solange ich derselben Meinung bin wie er.  Aber jetzt--weil ich
gerade etwas anderer Meinung war jetzt schau ihn dir an, schau nur!
(Sie weist auf Morell, höchst belustigt.  Eugen beobachtet ihn und
preßt seine Hand heftig ans Herz, als wenn ihn irgendein Schmerz
getroffen hätte; er setzt sich auf das Sofa wie ein Mensch, der einer
Tragödie beiwohnt.  Burgess auf dem Kaminteppich:)  Sie hat recht,
Jakob, Sie sehen wirklich nicht so würdig aus wie gewöhnlich.

(Morell mit einem Lachen, das ein halbes Schluchzen ist:)  Das kann
schon sein, verzeiht mir alle,--ich wußte nicht, daß ich eine Störung
verursache.  (Sich zusammenraffend:)  Es ist schon gut, schon gut,
schon gut.  (Er geht zurück nach seinem Platz am Tisch und setzt sich,
um an seinen Papieren wieder mit entschlossener Heiterkeit
weiterzuarbeiten.)

(Candida geht nach dem Sofa und setzt sich neben Marchbanks, noch in
heiterster Stimmung:)  Nun, Eugen, warum sind Sie traurig?  Haben Sie
vom Zwiebelschälen geweint?  (Morell kann sich nicht enthalten, sie zu
beobachten.)

(Marchbanks beiseite zu ihr:)  Ihre Grausamkeit ist es, die mich
traurig macht.--Ich hasse Grausamkeit.  Es ist entsetzlich,
mitanzusehen, wie ein Mensch einem andern weh tut.

(Candida ihn streichelnd, ironisch:)  Armer Junge, war ich grausam?
Habe ich ihn kleine, rote, häßliche Zwiebel schälen lassen?

(Marchbanks ernst:)  Oh, halten Sie ein, halten Sie ein: ich meine
nicht mich!  Er hat Ihretwegen furchtbar gelitten.  Ich fühle seinen
Schmerz in meinem eigenen Herzen.  Ich weiß, daß Sie nicht schuld
daran sind,--es ist etwas geschehen, was geschehen mußte; aber nehmen
Sie es nicht so leicht.  Mich schaudert, wenn Sie ihn quälen und dabei
lachen.

(Candida ungläubig:)  Ich Jakob quälen?!  Unsinn, Eugen; wie Sie
übertreiben!  Torheit!  (Sie blickt hinüber zu Jakob, der seine
Schreiberei hastig fortsetzt; sie gebt zu ihm und steht hinter seinem
Stuhl, sich über ihn beugend.)  Arbeite nicht länger, mein Lieber, komm
und plaudere mit uns.

(Morell liebevoll, aber bitter:)  Ach nein: ich kann nicht plaudern,
ich kann nur predigen.

(Candida ihn streichelnd:)  Nun, dann komm und predige!

(Burgess heftig widersprechend:)  Ach nein, Candy! zum Henker mit dem
Predigen!  (Alexander Mill kommt herein und sieht ängstlich und
wichtig aus.)

(Mill beeilt sich, Candida zu begrüßen:)  Wie geht es Ihnen, Frau
Morell?  Wie freue ich mich, daß Sie wieder zurück sind.

(Candida.)  Ich danke Ihnen, Herr Mill.  Sie kennen Eugen, nicht wahr?

(Mill.)  O ja!  Wie geht es Ihnen, Marchbanks?

(Marchbanks.)  Danke, gut!

(Mill zu Morell:)  Ich komme eben aus der Gilde von Sankt Matthäus.
Die Leute sind furchtbar bestürzt über Ihr Telegramm.  Es ist doch
hoffentlich nichts geschehen?

(Candida.)  Was hast du denn telegraphiert, Jakob?

(Mill zu Candida:)  Es war vereinbart, daß er heute abend dort sprechen
sollte, sie haben den großen Saal in der Marestraße gemietet und eine
Menge Geld für Plakate ausgegeben.  Der Herr Pastor telegraphierte nun,
daß er nicht kommen könnte!  Es traf sie wie ein Blitz aus heiterem
Himmel.

(Candida überrascht, beginnt zu wittern, daß etwas nicht in Ordnung
ist:)  Eine Gelegenheit, öffentlich zu sprechen, hast du ausgeschlagen?

(Burgess.)  Zum erstenmal in seinem Leben, das möchte ich wetten;
--nicht wahr, Candy?

(Mill zu Morell:)  Man hat beschlossen, Ihnen ein dringendes Telegramm
zu schicken, mit der Bitte, Ihren Entschluß zu ändern.  Haben Sie es
erhalten?

(Morell mit mühsam verhaltener Ungeduld:)  Ja, ja, ich bekam es.

(Mill.)  Es war mit bezahlter Rückantwort.

(Morell.)  Ja, ich weiß.  Ich habe es beantwortet.  Ich kann nicht
kommen.

(Candida.)  Aber warum nicht, Jakob?

(Morell beinahe heftig:)  Weil ich nicht mag!  Diese Leute vergessen,
daß ich auch ein Mensch bin; sie halten mich für eine Redemaschine,
die man jeden Abend zu seinem Vergnügen aufziehen kann.  Darf ich
nicht auch einmal einen Abend zu Hause haben, mit meiner Frau und
meinen Freunden?  (Sie sind alle über diesen Ausbruch erstaunt mit
Ausnahme von Eugen,--sein Ausdruck bleibt unverändert.)

(Candida.)  Oh, Jakob, du weißt es selbst: morgen wirst du dann
Gewissensbisse haben, und ich werde darunter leiden müssen.

(Mill eingeschüchtert, aber dringend:)  Ich weiß natürlich, daß diese
Menschen die unvernünftigsten Anforderungen an Sie stellen; aber sie
haben überallhin um einen anderen Redner telegraphiert und können
niemanden mehr bekommen als den Präsidenten des Agnostikerbundes.

(Morell rasch:)  Nun, das ist ein ausgezeichneter Mann,--was wollen sie
denn noch mehr?

(Mill.)  Aber er besteht immer so fest auf der Scheidung des
Sozialismus vom Christentum.  Er wird all das Gute, das wir gestiftet
haben, zunichte machen,--natürlich, Sie müssen ja am besten wissen,
aber...

(Er zögert.)

(Candida schmeichelnd:)  O bitte, geh' doch hin, Jakob.  Wir kommen
alle mit.

(Burgess brummend:)  Schau, Candy, laß uns lieber gemütlich zu Hause am
Kamin sitzen.  Er braucht ja nicht länger als zwei Stunden
wegzubleiben.

(Candida.)  Du wirst dich in der Versammlung genau so behaglich fühlen.
Wir werden alle auf dem Podium sitzen und wichtige Leute sein.

(Marchbanks entsetzt:)  Oh, bitte, nicht auf dem Podium; nein!  Jeder
wird uns anstarren,--das hielte ich nicht aus.  Ich werde im
Hintergrund des Saales bleiben.

(Candida.)  Fürchten Sie sich nicht.  Man wird viel zu sehr damit
beschäftigt sein, Jakob anzustarren als daß man Sie bemerkte.

(Morell wendet den Kopf und sieht Candida vielsagend über die Schulter
an:)  Prossis Leiden, Candida,--nicht?

(Candida lustig:)  Jawohl.

(Burgess neugierig:) Prossis Leiden?  Was reden Sie da, Jakob?

(Morell beachtet ihn nicht, erhebt sich, geht nach der Tür, öffnet und
ruft in befehlendem Ton hinaus:)  Fräulein Garnett!

(Proserpina aus der Entfernung:)  Ja, Herr Pastor, ich komme schon.
(Sie warten alle mit Ausnahme von Burgess, der verstohlen zu Mill geht
und ihn beiseite zieht.)

(Burgess.)  Hören Sie, Herr Mill: worin besteht Prossis Leiden?  Was
fehlt ihr?

(Mill vertraulich:)  Ja, ich weiß es nicht genau; aber sie sprach recht
seltsame Dinge heute früh;--ich fürchte, es ist manchmal nicht ganz
richtig mit ihr.

(Burgess überwältigt:)  Nein,--vier in demselben Haus!  Es muß
ansteckend sein.  (Er geht zurück an den Kamin, ganz in Gedanken
versunken über die Veränderlichkeit des menschlichen Verstandes in der
Umgebung eines Geistlichen.)

(Proserpina erscheint auf der Schwelle:)  Was wünschen Sie, Herr Pastor?

(Morell.)  Telegraphieren Sie nach der Gilde von Sankt Matthäus, daß
ich kommen werde.

(Proserpina überrascht:)  Werden Sie denn nicht erwartet?

(Morell gebieterisch:)  Tun Sie, wie ich Ihnen gesagt habe.
(Proserpina setzt sich erschrocken an die Schreibmaschine und gehorcht.)

(Morell geht hinüber zu Burgess.  Candida beobachtet seine Bewegungen
die ganze Zeit über mit wachsender Verwunderung und Besorgnis.)
Burgess, Sie möchten lieber nicht mitkommen?

(Burgess sich entschuldigend:)  Oh, so dürfen Sie das nicht
auffassen--ich meine nur, wissen Sie--weil heute nicht Sonntag ist.

(Morell.)  Das ist schade, ich dachte, Sie würden gerne mit dem
Vorsitzenden bekannt werden.  Er ist im Provinzialarbeitsausschuß und
hat einigen Einfluß bei Abschlüssen von Lieferungen.  (Burgess wird
mit einem Male lebendig; Morell, der das erwartet hat, hält einen
Augenblick inne und sagt:)  Sie wollen also doch mitkommen?

(Burgess mit Enthusiasmus:)  Das will ich meinen,--ob ich mitkomme,
Jakob!  Es ist ja stets ein Genuß, Sie predigen zu hören!

(Morell wendet sich zu Proserpina:)  Ich werde Sie nötig haben, damit
Sie in der Versammlung einige Notizen machen können, Fräulein Garnett,
falls Sie nicht schon vergeben sind.  (Sie nickt, aus Angst, sprechen
zu müssen.)  Sie kommen doch auch mit, Lexi?

(Mill.)  Selbstverständlich.

(Candida.)  Wir kommen alle mit, Jakob.

(Morell.)  Nein!  Du kommst nicht mit, und Eugen kommt nicht mit.  Du
wirst zu Hause bleiben und dich mit ihm unterhalten, zur Feier deiner
Rückkehr.  (Eugen erhebt sich atemlos.)

(Candida.)  Aber Jakob--

(Morell gebieterisch:)  Ich bestehe darauf; Ihr habt beide keine Lust
zu kommen, weder er, noch du!  (Candida will sich dagegen verwahren.)
Oh, denkt nicht an mich, ich werde auch ohne euch eine Menge Menschen
um mich versammelt sehen.  Eure Stühle werden von unbekehrten Leuten
besetzt sein, die mich noch nie gehört haben.

(Candida beunruhigt:)  Eugen, möchten Sie nicht hingehen?

(Morell.)  Ich würde mich fürchten, mich vor Eugen hören zu lassen; er
ist Predigten gegenüber sehr kritisch.  (Sieht ihn an.)  Er weiß, daß
ich mich vor ihm fürchte, er hat mir's heute früh selbst gesagt.  Nun
will ich ihm zeigen, wie sehr ich mich fürchte, indem ich ihn hier
allein in deiner Hut lasse, Candida.

(Marchbanks zu sich selbst, mit lebhaftem Gefühl:)  Das ist tapfer; das
ist schön.  (Er setzt sich wieder und hört mit geöffneten Lippen zu.)

(Candida mit ängstlicher Beunruhigung:)  Aber, aber--Ist irgend etwas
geschehen, Jakob?  (Sehr verwirrt:)  Ich kann dich nicht begreifen.

(Morell.)  Ah, ich dachte, ich sei es, der nichts begreifen kann, meine
Liebe.  (Er schließt sie zärtlich in die Arme und küßt sie auf die
Stirn, dann blickt er ruhig auf Marchbanks.)

(Vorhang)




DRITTER AKT

(Es ist nach zehn Uhr abends; die Vorhänge sind zugezogen und die
Lampe brennt.  Die Schreibmaschine steht in ihrem Kasten.  Der breite
Tisch ist geordnet worden; alles zeugt davon, daß das Tagewerk
vollbracht ist.  Candida und Marchbanks sitzen am Feuer; die Leselampe
steht auf dem Kaminsims über Marchbanks, der in dem kleinen Stuhl
sitzt und laut liest.  Auf dem Teppich neben ihm liegt ein kleiner
Haufen von Manuskripten und ein paar Bände Gedichte.  Candida sitzt im
großen Stuhl und hält einen leichten Schürhaken aus Messing aufrecht
in der Hand; sie sitzt zurückgelehnt und sieht versonnen auf die
funkelnde Messingspitze.  Sie hat die Füße gegen das Feuer hin
ausgestreckt und läßt ihre Fersen auf dem Kamingitter ruhen, sich
ihrer Erscheinung und ihrer Umgebung tief unbewußt.)

(Marchbanks seine Vorlesung unterbrechend:)  Jeder Dichter, der je
gelebt hat, hat aus diesem Gedanken ein Sonett gemacht.  Er muß es, ob
er will oder nicht.  (Er sieht Candida an, ob sie ihm zustimmt, und
bemerkt, daß sie auf den Schürhaken starrt.)  Haben Sie nicht zugehört?
(Keine Antwort:)  Frau Morell!

(Candida auffahrend.)  Wie!?

(Marchbanks.)  Haben Sie nicht zugehört?

(Candida schuldbewußt, mit übertriebener Höflichkeit:)  O ja.  Es ist
sehr hübsch.  Fahren Sie fort, Eugen.  Ich bin begierig, zu hören, was
dem Engel passiert ist.

(Marchbanks läßt das Manuskript aus der Hand auf den Boden fallen:)
Verzeihen Sie, daß ich Sie langweile!

(Candida.)  Aber Sie langweilen mich durchaus nicht, wirklich nicht.
Bitte, fahren Sie fort--bitte, Eugen.

(Marchbanks.)  Ich habe das Gedicht über den Engel vor einer
Viertelstunde beendet.  Ich habe Ihnen seitdem schon verschiedenes
vorgelesen.

(Candida reuevoll:)  Das tut mir wirklich leid, Eugen.  Mir scheint,
der Schürhaken hat mich behext.  (Sie legt ihn nieder.)

(Marchbanks.)  Er hat mich fürchterlich gestört.

(Candida.)  Warum haben Sie mir das nicht gesagt?  Ich hätte ihn sofort
weggelegt.

(Marchbanks.)  Ich fürchtete, Sie auch zu stören; er glich einer Waffe.
Wenn ich ein Held aus alten Tagen wäre, würde ich mein gezogenes
Schwert zwischen uns gelegt haben.  Wenn Morell gekommen wäre, hätte
er geglaubt, daß Sie den Schürhaken ergriffen haben, weil kein Schwert
zwischen uns liegt.

(Candida verwundert:)  Was?  (Sie sieht ihn mit verwirrten Blicken an:)
Das kann ich nicht recht verstehen.  Ihre Sonette haben mich so sehr
verwirrt!  Warum sollte ein Schwert zwischen uns sein?

(Marchbanks ausweichend:)  Oh, lassen wir das.  (Er bückt sich, das
Manuskript aufzuheben.)

(Candida.)  Legen Sie das wieder hin, Eugen.  Mein Hunger nach Poesie
hat Grenzen, selbst nach Ihrer Poesie.  Sie haben mir länger als zwei
Stunden vorgelesen--seit mein Mann fort ist--, ich möchte lieber
plaudern.

(Marchbanks erhebt sich, furchtsam:)  Nein, ich darf nicht reden.  (Er
sieht in seiner verlorenen Weise um sich und fügt plötzlich hinzu:)
Ich glaube, ich mache einen Spaziergang im Park.  (Er will nach der
Tür.)

(Candida.)  Unsinn! er ist längst geschlossen.  Setzen Sie sich auf den
Kaminteppich und plaudern wir, wie Sie es gewöhnlich tun!  Ich will
unterhalten werden,--wollen Sie nicht?

(Marchbanks halb entsetzt, halb hingerissen:)  Ja.

(Candida.)  Dann kommen Sie her.  (Sie rückt ihren Stuhl etwas zurück,
um Platz zu machen; er zögert, dann kauert er sich schüchtern hin vor
den Kamin, das Gesicht nach oben gekehrt, wirft seinen Kopf zurück auf
ihre Knie und sieht zu ihr empor.)

(Marchbanks.)  Oh, ich habe mich den ganzen Tag so unglücklich gefühlt,
weil ich getan habe, was recht war; und nun, wo ich unrecht tue, bin
ich so glücklich.

(Candida zart, belustigt über ihn:)  Ja; ich bin überzeugt, nun fühlen
Sie sich wie ein großer, erwachsener, böser Verführer--ganz stolz auf
sich, nicht wahr?

(Marchbanks erhebt seinen Kopf rasch und wendet sich ein wenig, um sie
anzublicken:)  Nehmen Sie sich in acht.  Ich bin sogar um vieles
älter als Sie, Sie wissen es nur nicht.  (Er wendet sich auf seinen
Knien ganz herum; mit gefalteten Händen und die Arme in ihrem Schoß,
spricht er mit wachsender Erregung--sein Blut fängt an zu wallen:)
Darf ich Ihnen ein paar schlimme Dinge sagen?

(Candida ohne die leiseste Angst oder Kälte und mit vollkommener
Achtung vor seiner Leidenschaft, aber mit einem Schimmer ihres
klugkerzigen mütterlichen Humors:)  Nein.  Aber Sie dürfen alles
sagen, was Sie wirklich und wahrhaftig fühlen, was es auch sei, alles!
Ich fürchte mich nicht, solange Ihr wirkliches "Selbst" zu mir
spricht und nicht eine bloße Pose--eine galante oder eine gottlose,
oder selbst eine dichterische Pose.  Das verlange ich von Ihnen, bei
Ihrer Ehre und Wahrhaftigkeit!--Nun sagen Sie, was Sie wollen.

(Marchbanks der heiße Ausdruck verschwindet vollkommen von seinen
Lippen und Nasenflügeln, seine Augen flammen auf in begeistertem Feuer.)
Oh, jetzt kann ich nicht mehr alles sagen; denn alle Worte, die ich
weiß, gehören mehr oder weniger irgendeiner Pose an, alle--bis auf
eines.

(Candida.)  Welches Wort ist das?

(Marchbanks sanft, sich dem melodischen Klang des Namens hingebend:)
"Candida, Candida, Candida, Candida, Candida"--das muß ich jetzt sagen,
da Sie mich bei meiner Ehre und Wahrhaftigkeit fragen, denn ich denke
und fühle niemals "Frau Morell", immer nur "Candida".

(Candida.)  Selbstverständlich!  Und was haben Sie Candida zu sagen?

(Marchbanks.)  Nichts als Ihren Namen tausendmal zu wiederholen.
Fühlen Sie nicht, daß es jedesmal ein Gebet zu Ihnen ist?

(Candida.)  Macht es Sie nicht glücklich, daß Sie beten können?

(Marchbanks.)  Ja, sehr glücklich.

(Candida.)  Nun, dieses Glück ist die Antwort auf Ihr Gebet.--Wünschen
Sie sich etwas Besseres?

(Marchbanks selig:)  Nein, ich bin im Himmel, wo man wunschlos ist.
(Morell tritt ein; er bleibt an der Schwelle stehen und überschaut mit
einem Blick die ganze Szene.)

(Morell ernst und mit Selbstbeherrschung:)  Hoffentlich störe ich nicht.
(Candida fährt heftig auf, aber ohne die leiseste Verlegenheit.  Sie
lacht über sich selbst.  Eugen, noch auf den Knien, schützt sieh vor
dem Fallen dadurch, daß er seine Hände auf den Stuhlsitz legt; Morell
mit offenem Munde anstarrend, bleibt er in dieser Stellung.)

(Candida im Aufstehen:)  Oh, Jakob, wie du mich erschreckt hast; ich
war so mit Eugen beschäftigt, daß ich deinen Schlüssel nicht gehört
habe.  Wie ist die Versammlung verlaufen?  Hast du gut gesprochen?

(Morell.)  Ich habe in meinem ganzen Leben nicht besser gesprochen.

(Candida.)  Das ist ausgezeichnet!  Wieviel ist eingegangen?

(Morell.)  Ich vergaß zu fragen.

(Candida zu Eugen:)  Er muß wundervoll gesprochen haben oder er hätte
das nicht vergessen.  (Zu Morell:)  Wo sind die andern?

(Morell.)  Sie verließen den Saal lange ehe ich fortkommen konnte; ich
glaube, sie essen irgendwo zur Nacht.

(Candida in ihrer hausmütterlichen Art:)  Oh, dann kann Marie zu Bette
gehn; ich will es ihr sagen.  (Sie geht hinaus in die Küche.)

(Morell blickt strenge auf Marchbanks nieder:)  Nun?

(Marchbanks läßt sich mit gekreuzten Beinen auf den Kaminteppich
nieder und fühlt sich Morell gegenüber ganz sicher, sogar voll
verschmitzten Humors:)  Nun?

(Morell.)  Haben Sie mir etwas zu sagen?

(Marchbanks.)  Nur, daß ich mich hier heimlich zum Narren gemacht habe,
während Sie öffentlich dasselbe getan haben.

(Morell.)  Ich glaube, kaum auf dieselbe Art.

(Marchbanks springt auf, eifrig:)  Ganz genau auf dieselbe Art.  Ich
habe eben ganz so wie Sie den braven Mann gespielt! ganz so wie Sie.
Als Sie Ihr Heldentum, mich hier mit Candida allein zu lassen,
begannen--

(Morell unwillkürlich:)  Candida?

(Marchbanks.)  Ja, so weit bin ich schon.  Heldentum ist ansteckend,
ich bekam die Krankheit von Ihnen und habe mir geschworen, Candida in
Ihrer Abwesenheit nichts zu sagen, was ich nicht schon vor einem Monat
in Ihrer Gegenwart gesagt hätte.

(Morell.)  Und haben Sie dieses Gelübde gehalten?

(Marchbanks setzt sich plötzlich in grotesker Weise in den Lehnstuhl:)
Ich bin bis vor etwa zehn Minuten dumm genug gewesen, es zu halten.
Bis dahin habe ich ihr verzweifelt vorgelesen, meine eigenen
Gedichte--und andere--um einer Unterhaltung auszuweichen.  Ich sah
das Himmelstor offen und weigerte mich, einzutreten....  Sie können
sich nicht vorstellen, wie heldenhaft das war und wie ungemütlich....
Dann--

(Morell seine Ungeduld bezähmend:)  Dann?

(Marchbanks geht prosaisch in eine ganz gewöhnliche Stellung im
Lehnstuhl über:)  Dann konnte sie das Vorlesen nicht mehr vertragen.

(Morell.)  Und da haben Sie sich dem Himmelstor schließlich genähert?

(Marchbanks.)  Ja.

(Morell.)  Und dann?  (Wild:)  Sprechen Sie, Mensch!  Haben Sie denn
kein Gefühl für mich!

(Marchbanks sanft und melodisch:)  Dann wurde sie ein Engel, und ein
Flammenschwert erschien, das mir jeden Zugang versperrte, so daß ich
nicht eintreten konnte und nun begriff, daß dieses Tor in Wahrheit das
Tor der Hölle war.

(Morell triumphierend:)  Sie hat Sie zurückgestoßen!

(Marchbanks erhebt sich mit grimmigem Hohn:)  Nein, Sie Narr!  Wenn sie
das getan hätte, würde ich gar nicht gefühlt haben, daß ich schon im
Himmel war.  Mich zurückgestoßen... glauben Sie, daß mich das gerettet
hätte?--Tugendhafte Entrüstung!  Oh, Sie sind nicht wert, in einer
Welt mit ihr zu leben.  (Er wendet sich verachtungsvoll von ihm ab
nach der anderen Seite des Zimmers.)

(Morell der ihn ruhig beobachtet hat, ohne seinen Platz zu wechseln:)
Glauben Sie, daß Sie dadurch an Wert gewinnen, wenn Sie mich
beschimpfen, Eugen?

(Marchbanks.)  Hier endet der tausendunderste Text.  Morell: ich halte
doch nicht viel von Ihrem Predigen.  Ich glaube sogar, ich selbst
könnte das besser.  Der Mann, den ich jetzt vor mir haben möchte, ist
der Mann, den Candida geheiratet hat.

(Morell.)  Der Mann, den... meinen Sie mich?

(Marchbanks.)  Ich meine nicht Hochwürden Jakob Mavor Morell, Moralist
und Schwätzer.  Ich meine den wirklichen Menschen, den Hochwürden
Jakob irgendwo in seiner schwarzen Kutte versteckt haben muß, den Mann,
den Candida geliebt hat.  Sie können die Liebe einer Frau wie Candida
nicht dadurch erreicht haben, daß Sie bloß Ihren Kragen hinten statt
vorne knöpfen.

(Morell kühn und standhaft:)  Als Candida einwilligte, mich zu heiraten,
da war ich derselbe Moralist und Schwätzer, den Sie jetzt vor sich
sehen.  Ich trug meinen schwarzen Rock, und meinen Kragen knöpfte ich
hinten statt vorne.  Glauben Sie, daß sie mich mehr geliebt hätte,
wenn ich unaufrichtig in meinem Beruf gewesen wäre?

(Marchbanks auf dem Sofa, seine Knöchel umfassend:)  Oh, sie hat Ihnen
vergeben, so wie sie mir vergibt, daß ich ein Feigling bin und ein
Schwächling, und was Sie einen kleinen winselnden Hund--und so
weiter--nennen.  (Verträumt:)  Eine Frau wie diese hat göttlichen
Einblick: sie liebt unsere Seele und nicht unsere Narrheiten und
Eitelkeiten und Illusionen, oder unsere Kragen und Röcke, oder die
andern Fetzen und Lappen, in die wir gehüllt sind.  (Er denkt darüber
einen Augenblick nach, dann wendet er sich mit gespannter Erwartung um,
Morell zu befragen:)  Was ich wissen möchte, ist, wie Sie an dem
Flammenschwerte, das mich zurückgeschreckt hat, vorbeigekommen sind!

(Morell bedeutungsvoll:)  Vielleicht weil ich nicht nach zehn Minuten
unterbrochen wurde.

(Marchbanks verblüfft:)  Was?

(Morell.)  Der Mensch kann auf die höchsten Gipfel steigen; aber er
kann nicht lange dort verweilen.

(Marchbanks.)  Das ist falsch.  Dort kann er ewig verweilen! nur dort!
Anderswo findet er keine Ruhe und hat keinen Sinn für die stille
Schönheit des Lebens.  Wo sollte ich meine seligsten Minuten verleben,
wenn nicht auf den Höhen?

(Morell.)  In der Küche, Zwiebeln schneidend und Lampen füllend.

(Marchbanks.)  Oder auf der Kanzel, Seelen scheuernd die aus billigem
Ton sind.

(Morell.)  Ja, das auch!  Dort habe ich meinen goldenen Augenblick
geerntet und mit ihm das Recht, um Candidas Liebe zu werben.  Ich habe
mir diese Stunde nicht erborgt, noch habe ich sie benützt, um das
Glück eines andern zu stehlen.

(Marchbanks schreitet ziemlich angewidert dem Kamin zu:)  Ich zweifle
nicht daran, daß Sie Ihre Verrichtungen so ehrenhaft erfüllt haben,
als ob Sie ein Pfund Käse abgewogen hätten.  (Er hält vor dem Kamin
inne und fügt nachdenklich zu sich selbst, Morell den Rücken kehrend,
hinzu:)  Ich konnte zu ihr nur als Bettler kommen.

(Morell auffabrend:)  Als ein frierender Bettler, der sie um ihren
Schal bat, nicht wahr?

(Marchbanks wendet sich überrascht um:)  Ich danke Ihnen, daß Sie sich
auf mein Gedicht beziehen.  Ja, wenn Sie wollen: als ein frierender
Bettler, der sie um ihren Schal bat.

(Morell erregt:)  Und sie verweigerte ihn.  Soll ich Ihnen sagen, warum
sie ihn verweigert hat?  Ich kann es Ihnen sagen, mit ihrer eigenen
Erlaubnis: weil...

(Marchbanks.)  Sie hat ihn nicht verweigert!

(Morell.)  Nicht?

(Marchbanks.)  Sie bot mir alles, worum ich bat: ihren Schal, ihre
Flügel, den Sternenkranz aus ihrem Haar, die Lilien in ihrer Hand, den
aufgehenden Mond zu ihren Füßen.

(Morell ihn anpackend:)  Heraus mit der Wahrheit, Mensch!  Meine Frau
ist meine Frau: ich habe genug von Ihrem poetischen Flitterkram,--ich
weiß ganz gut, daß kein Gesetz Candida an mich binden würde, wenn ich
ihre Liebe an Sie verloren hätte!

(Marchbanks bizarr, ohne Furcht oder Widerstand:)  Packen Sie mich nur
beim Kragen: sie wird ihn dann wieder in Ordnung bringen wie heute
morgen.  (Mit stiller Begeisterung:)  Ich werde wieder die Berührung
ihrer Hände fühlen.

(Morell:)  Sie junger Fant, fühlen Sie nicht, wie gefährlich es ist,
mir das zu sagen!  Oder (mit plötzilicher Befürchtung:)  hat Sie irgend
etwas kühn gemacht?

(Marchbanks.)  Ich fürchte mich jetzt nicht mehr!  Ich habe Sie bisher
nie leiden mögen, deshalb bin ich bei Ihren Berührung zusammengezuckt.
Aber heute erkannte ich--als Candida Sie quälites--daß Sie sie lieben.
Seitdem bin ich Ihr Freund!  Jetzt können sie mich erwürgen, wenn
Sie wollen!

(Morell ihn loslassend:)  Eugen, wenn das keine herzlose Lüge ist--wenn
Sie noch einen Funken menschlichen Fühlens haben--so werden Sie mir
sagen, was im meiner Abwesenheit vergefallen ist!

(Marchbanks:)  Was vorgefallen ist?  Nun, das Flamenmenschwere...
(Morell stampft ungeduldig mit dem Fuße;),--also im ganz einfacher
Prosa: ich liebte sie so unendlich, daß ich nichts weiter wünschte als
das Glück, so lieben zu für ich und bevor ich--Zote fang vom höchsten
Grafen der Gefür herunterzutaumente--traten Sie ein.

(Morell (scowen leidend:)) Leidenschaftlichem immer nicht erduldig--
immer bleibt ihr noch die ehblines Zweifzig.

(Marchbanks.)  Quall und wünsche jetzt nichts mehr als Candidas
Glück.  (Mit leidenschaftlichem Gefühl:)  Oh, Morell, geben wir sie
beide auf!  Warum soll sie wählen müssen zwischen einem elenden,
nervösen kleinen Kranken, wie ich es bin, und einem starrköpfigen
Pfarrer wie Sie?  Gehen wir auf Pilgerschaft, Sie nach Osten und ich
nach Westen, auf der Suche nach einem würdigeren Liebhaber, einem
schönen Erzengel mit purpurnen Flügeln.

(Morell.)  Papperlapapp, dummes Zeug!  Oh, wenn sie verrückt genug wäre,
mich Ihretwegen zu verlassen, wer sollte sie beschützen, wer sollte
ihr helfen, wer sollte für sie arbeiten, wer ihren Kindern ein Vater
sein!  (Er setzt sich verstört auf das Sofa, seine Ellbogen auf die
Knie gestützt und den Kopf zwischen den geballten Fäusten.)

(Marchbanks schnappt wild mit den Fingern:)  Sie stellt nicht solche
törichte Fragen: sie braucht jemanden, den sie schützen und behüten,
für den sie arbeiten kann, jemanden, der ihr Kinder anvertraut, um sie
zu beschützen, ihnen zu helfen und für sie zu arbeiten, einen
erwachsenen Menschen, der wieder wie ein kleines Kind geworden ist.
Oh, Sie Narr, Sie Narr, Sie dreifacher Narr!  Ich bin der Mann, Morell,
ich bin der Mann!  (Er tanzt aufgeregt herum und schreit:)  Sie
verstehen nicht, was eine Frau ist,--schicken Sie nach ihr, Morell,
schicken Sie nach ihr und lassen Sie sie wählen zwischen--(Die Tür
öffnet sich und Candida tritt ein; er hält wie versteinert inne.)

(Candida erstaunt an der Schwelle:)  Was um alles in der Welt machen
Sie da, Eugen?

(Marchbanks drollig:)  Ihr Mann und ich haben ein Wettpredigen
veranstaltet, und er verliert dabei.  (Candida sieht rasch nach Morell,
und als sie bemerkt, daß er traurig ist, eilt sie hin zu ihm und
spricht sehr ärgerlich mit heftigem Vorwurf zu Marchbanks.)

(Candida.)  Sie haben ihn geärgert.  Nein, das dulde ich nicht, Eugen,
hören Sie!  (Sie legt ihre Hand auf Morells Schulter und vergißt in
ihrem Ärger ganz ihren weiblichen Takt:)  Mein Liebling soll nicht
geärgert werden, ich werde ihn beschützen.

(Morell sich stolz erhebend:)  Beschützen?

(Candida nicht auf ihn achtend, zu Eugen:)  Was haben Sie ihm gesagt?

(Marchbanks erschreckt:)  Nichts.  Ich--

(Candida.)  Eugen, nichts?

(Marchbanks jämmerlich:)  Ich meine--ich--es tut mir sehr leid, ich
werde es nicht wieder tun, gewiß nicht, ich werde ihn in Ruhe lassen.

(Morell empört mit einer angreifenden Bewegung gegen Eugen:)  Mich in
Ruhe lassen!  Sie junger--

(Candida ihm ins Wort fallend:)  Sch, nicht doch! laß mich mit ihm
reden, Jakob.

(Marchbanks.)  Oh, Sie sind mir doch nicht böse?

(Candida strenge:)  O ja, ich bin--sehr böse.  Ich hätte nicht übel
Lust, Sie aus dem Hause zu jagen.

(Morell von Candidas Heftigkeit überrascht und durchaus nicht willens,
sich vor einem andern Mann durch sie retten zu lassen:)  Sachte,
Candida, sachte.  Ich kann mich schon selbst beschützen.

(Candida ihn streichelnd:)  Ja, Lieber, natürlich kannst du das.  Aber
man darf dich nicht ärgern und quälen.

(Marchbanks beinahe in Tränen, sich nach der Türe wendend:)  Ich will
gehen.

(Candida.)  Oh, Sie brauchen nicht zu gehen, so spät kann ich Sie nicht
fortschicken.  (Heftig:)  Aber schämen Sie sich, schämen Sie sich!

(Marchbanks verzweifelt:)  Was habe ich denn getan?

(Candida.)  Ich weiß, was Sie getan haben, so genau, als ob ich die
ganze Zeit hier gewesen wäre.--Oh, es war unwürdig.  Sie sind wie ein
kleines Kind, Sie können Ihren Mund nicht halten.

(Marchbanks.)  Ich würde lieber zehnfachen Tod erleiden, als Ihnen
einen Augenblick Kummer bereiten.

(Candida mit größter Geringschätzung gegen diese Kinderei:)  Ihr Tod
würde mir viel nützen!

(Morell.)  Liebste Candida, dieser Wortwechsel ist kaum am Platz.  Es
handelt sich um eine Angelegenheit zwischen zwei Männern, und ich bin
dazu da, sie beizulegen.

(Candida.)  Zwei Männer?  Nennst du das einen Mann?  (Zu Eugen:)  Sie
schlimmer junge, Sie!

(Marchbanks wird wunderlich liebevoll und mutig, da er ausgezankt
wird:)  Wenn ich mich auszanken lassen soll wie ein kleiner Junge, muß
ich mich auch wie ein kleiner Junge verteidigen dürfen.  Er hat
angefangen und er ist größer als ich.

(Candida verliert ein wenig ihre Sicherheit, da sie Morells Würde
bedroht sieht:)  Das kann nicht wahr sein.  (Zu Morell:)  Du hast doch
nicht angefangen, Jakob, nicht wahr, nein?

(Morell verachtungsvoll:)  Nein.

(Marchbanks entrüstet:)  Oh!

(Morell zu Eugen:)  Sie haben angefangen,--heute früh.  (Candida bringt
dies sofort in Zusammenhang mit der geheimnisvollen Bemerkung, die
Jakob nachmittag machte, als er ihr sagte, daß ihm Eugen am Morgen
etwas mitgeteilt habe.  Sie sieht ihn mit raschem Verdachte forschend
an.  Morell fährt fort mit dem Pathos der beleidigten Überlegenheit:)
Aber Ihre andere Bemerkung ist richtig.  Ich bin gewiß der Größere von
uns beiden und, wie ich hoffe, Candida, auch der Stärkere!  Es wäre
daher besser, du überließest die Sache mir.

(Candida ihn wieder besänftigend:)  Ja, Lieber--aber (verwirrt:)  ich
verstehe das nicht wegen heute morgen.

(Morell ein wenig auffahrend:)  Das brauchst du auch nicht zu verstehen,
meine Liebe.

(Candida.)  Aber, Jakob, ich--(Die Hausglocke läutet:)  Oh, wie dumm.
Da kommen sie alle!  (Sie geht hinaus, sie einzulassen.)

(Marchbanks läuft zu Morell:)  Oh, Morell, ist das nicht schrecklich?
Sie ist böse auf uns, sie haßt mich,--was soll ich tun?

(Morell in seltsamer Verzweiflung, sich in die Haare fahrend:)  Eugen,
es dreht sich mir alles im Kopf, ich werde gleich zu lachen anfangen.
(Er geht in der Mitte des Zimmers auf und ab.)

(Marchbanks folgt ihm ängstlich:)  Nein, nein!  Dann wird sie glauben,
ich hätte Sie hysterisch gemacht.  Lachen Sie nicht!  (Man hört
heftiges Stimmengewirr und Gelächter, das immer näher kommt.
Alexander Mill, dessen glänzende Augen und dessen ganzes Benehmen eine
ungewohnte angeregte Stimmung verraten, tritt mit Burgess ein, der
einen schmierigen und selbstgefälligen Eindruck macht, aber
vollständig Herr seiner Sinne ist.  Fräulein Garnett folgt ihm mit
ihrem schönsten Hut und ihrer besten Jacke, aber obwohl ihre Augen
glänzender sind als früher, ist sie sichtlich in besorgter Stimmung.
Sie stellt sich mit dem Rücken gegen ihren Schreibmaschinentisch, mit
einer Hand sich darauf stützend, mit der anderen sich über die Stirne
fahrend, als ob sie etwas müde und schwindlig wäre.  Marchbanks
verfällt wieder in Schüchternheit und schleicht weg in die Nähe des
Fensters, wo Morells Bücher sind.)

(Mill begeistert:)  Herr Pastor, ich *muß* Ihnen gratulieren, (seine
Hand fassend:)--was für eine edle, herrliche, von Gott eingehauchte
Ansprache Sie gehalten haben!  Sie haben sich selbst übertroffen.

(Burgess.)  Ja, das haben Sie, Jakob.  Ich bin bis zum letzten Worte
wach geblieben,--nicht wahr, Fräulein Garnett?

(Proserpina ungeduldig:)  Oh, ich habe Sie nicht beachtet, ich habe
mich bemüht, Notizen zu machen.  (Sie nimmt ihre Notizen heraus,
blickt auf ihr Stenogramm und fängt beinahe zu weinen an.)

(Morell.)  Habe ich zu schnell gesprochen, Prossi?

(Proserpina.)  Viel zu schnell.--Sie wissen, ich kann nicht mehr als
neunzig Worte in der Minute schreiben.  (Sie macht ihren Gefühlen Luft,
indem sie ihr Notizbuch ärgerlich neben die Maschine wirft, wo sie es
am nächsten Morgen bereit haben will.)

(Morell besänftigend:)  Nun, nun, das macht ja nichts.  Habt ihr alle
schon zur Nacht gegessen?

(Mill.)  Herr Burgess war so liebenswürdig, uns in's Belgrave
Restaurant zu einem geradezu glänzenden Abendessen einzuladen.

(Burgess mit überschwenglicher Großmut:)  O bitte, bitte, Herr Mill.
(Bescheiden:)  Sie waren mir bei meinem bescheidenen Feste herzlich
willkommen.

(Proserpina.)  Wir haben Champagner getrunken!  Ich hatte noch niemals
welchen gekostet.  Ich bin ganz schwindlig.

(Morell überrascht:)  Ein Champagnersouper!  Das war sehr hübsch von
Ihnen.  Ist meine Beredsamkeit schuld an dieser Verschwendung?

(Mill mit Pathos:)  Ihre Beredsamkeit und Herrn Burgess' Herzensgüte.
(Mit erneutem Gefühlsausbruch:)  Was für ein herrlicher Mensch der
Vorsitzende war, Herr Morell; er hat auch mit uns gespeist.

(Morell bedeutungsvoll Burgess anblickend:)  So, so, der Vorsitzende!
--*jetzt* verstehe ich!  (Burgess verbirgt hinter einem Hüsteln ein
Lächeln der Zufriedenheit über seine diplomatische Geschicklichkeit
und setzt sich an den Kamin.  Mill verschränkt die Arme und lehnt sich
neben das Büchergestell in einer Stellung, die seine Begeisterung zum
Ausdruck bringt.  Candida kommt mit Gläsern, Zitronen und heißem
Wasser auf einem Tablett herein.)

(Candida.)  Wer wünscht etwas Limonade?  Sie kennen unsere Hausregel:
vollkommene Abstinenz!  (Sie stellt das Tablett auf den Tisch, nimmt
den Zitronenpresser zur Hand und blickt fragend umher.)

(Morell.)  Du bemühst dich umsonst, meine Liebe, sie haben alle
Champagner getrunken, Prossi hat ihr Gelübde gebrochen.

(Candida zu Proserpina:)  Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie auch
Champagner getrunken haben?

(Proserpina verstockt:)  Ja, das hab' ich; ich bin nur eine Bier-,
keine Champagnerabstinenzlerin.  Ich mag kein Bier.--Sind Briefe für
mich zur Beantwortung da, Herr Pastor?

(Morell.)  Nichts mehr für heute.

(Proserpina.)  Dann gute Nacht allerseits.

(Mill galant:)  Wäre es nicht geraten, daß ich Sie nach Hause begleite,
Fräulein Garnett?

(Proserpina.)  Nein, ich danke.  Ich würde mich heute nacht niemandem
anvertrauen wollen!  Hätte ich nur nichts von diesem Zeug getrunken!
Sie geht rasch hinaus.

(Burgess empört:)  Zeug!  Dieses Mädel weiß nicht, was Champagner ist.
Pommery und Greno, zwölf Schilling sechs Pence die Flasche.  Zwei
Gläser nacheinander hat sie geleert.

(Morell etwas besorgt:)  Gehen Sie, Lexi, und sehen Sie nach ihr!

(Mill beunruhigt:)  Aber wenn sie wirklich... bedenken Sie, wenn sie in
den Straßen zu singen anfängt oder dergleichen!

(Morell.)  Eben darum wäre es besser, Sie brächten sie sicher nach
Hause.

(Candida.)  Tun Sie es, Lexi, als guter Kamerad!  (Sie reicht ihm die
Hand und schiebt ihn sanft nach der Tür.)

(Mill.)  Es ist selbstverständlich meine Pflicht, mit ihr zu gehen.
Ich hoffe aber, es wird nicht nötig gewesen sein.  Gute Nacht, Frau
Morell.  (Zu den übrigen:)  Gute Nacht.  (Er geht, Candida schließt die
Tür hinter ihm.)

(Burgess.)  Er war selbst ganz aus dem Häuschen in lauter Frömmigkeit
nach dem zweiten Glas.  Heutzutage können die Leute nicht mehr trinken
wie früher.  (Den Gegenstand fallen lassend, geht er vom Kamin fort.)
Nun, Jakob, es ist Zeit, das Haus zu schließen.  Herr Marchbanks,
werden Sie mir auf dem Heimwege ein Stückchen das Vergnügen Ihrer
Gesellschaft schenken?

(Marchbanks erschrocken:)  Ja, es ist besser, ich gehe.  (Er eilt nach
der Tür, aber Candida stellt sich ihm in den Weg.)

(Candida mit ruhiger Würde:)  Sie setzen sich noch, Sie werden noch
nicht gehen!

(Marchbanks eingeschüchtert:)  Nein,--ich--ich wollte ja auch nicht.
(Er kommt zurück in das Zimmer und setzt sich gehorsam auf das Sofa.)

(Candida.)  Herr Marchbanks bleibt heute nacht bei uns, Papa.

(Burgess.)  Na, dann sage ich gute Nacht.  Auf Wiedersehn, Jakob.  (Er
schüttelt Morell die Hand und geht hinüber zu Eugen.)  Lassen Sie sich
ein Nachtlicht an Ihr Bett stellen, Herr Marchbanks, es wird Sie
beruhigen, falls Sie in der Nacht einen Anfall Ihres Leidens bekommen
sollten!  Gute Nacht.

(Marchbanks.)  Ich danke Ihnen, es soll geschehn.  Gute Nacht, Herr
Burgess.  (Sie geben einander die Hände, Burgess geht zur Tür.)

(Candida hält Morell zurück, der Burgess begleiten will:)  Bleib' hier,
mein Lieber, ich werde Papa seinen Rock anziehen helfen.  (Sie geht
mit Burgess hinaus.)


(Marchbanks.)  Herr Pastor, es wird eine schreckliche Szene geben.
Haben Sie keine Angst?

(Morell.)  Nicht die geringste.

(Marchbanks.)  Ich habe Sie bisher nie um Ihren Mut beneidet.  (Er
erhebt sich schüchtern und berührt mit seiner Hand flehend Morells
Unterarm:)  Stehen Sie mir bei,--wollen Sie?

(Morell schüttelt ihn sanft, aber entschieden ab:)  Jeder für sich,
Eugen!  Sie--muß nun zwischen uns wählen.  (Er gebt beim Eintritt
Candidas auf die andere Seite des Zimmers, Eugen setzt sich mit seinem
besten Benehmen wie ein schuldbewußter Schulknabe auf das Sofa.)

(Candida zwischen den beiden, sich zu Eugen wendend:)  Tut es Ihnen
leid?

(Marchbanks ernst:)  Ja, unendlich.

(Candida.)  Gut, dann ist Ihnen verziehen.  Nun gehen Sie wie ein
braver kleiner Junge zu Bett, ich möchte mit Jakob über Sie sprechen.

(Marchbanks erhebt sich mit größter Bestürzung:)  Oh, das kann ich
nicht.--Herr Pastor, ich muß hierbleiben.  Ich will nicht fortgehen.
Sagen Sie es ihr!

(Candida die ihren Verdacht bestätigt sieht:)  Was soll er mir sagen?
(Seine Augen vermeiden die ihrigen, sie wendet sich um und überträgt
ihre Frage stumm auf Morell.)

(Morell wappnet sich für die Katastrophe:)  Ich habe ihr nichts zu
sagen, ausgenommen--(dabei sinkt seine Stimme zu maßvoller, trauriger
Zärtlichkeit herab:)  daß sie mein größter Schatz auf Erden ist--wenn
sie mir wirklich gehört.

(Candida kalt, verletzt, daß er seinem Rednerinstinkt nachgibt und sie
behandelt, als ob sie sich unter den Zuhörern der Gilde von St.
Matthäus befände:)  Ich bin überzeugt, daß Eugen nicht weniger sagen
kann, wenn das alles ist.

(Marchbanks entmutigt:)  Morell, sie lacht uns aus.

(Morell auffahrend:)  Es gibt da nichts zu lachen.  Lachst du uns aus,
Candida?

(Candida mit stillem Ärger:)  Eugen ist sehr witzig, ich hoffe, daß ich
lachen werde--aber vorläufig fürchte ich, mich ärgern zu müssen.  (Sie
geht an den Kamin und bleibt dort stehen, ihren Arm auf dem Gesims und
ihren Fuß auf dem Gitter, während Eugen sich zu Morell hinstiehlt und
ihn beim Arm faßt.)

(Marchbanks flüsternd:)  Halten Sie ein, Herr Pastor; sagen wir nichts
mehr.

(Morell stößt Eugen fort, ohne ihn eines Blickes zu würdigen:)  Ich
hoffe, daß du mir nicht drohen willst, Candida.

(Candida mit feierlicher Warnung:)  Nimm dich in acht, Jakob!--Eugen,
ich habe gewünscht, daß Sie gehen sollen,--gehen Sie oder nicht?

(Morell mit dem Fuße stampfend:)  Er wird nicht gehen; ich wünsche, daß
er bleibt.

(Marchbanks.)  Ich will gehen.  Ich tue, was Sie wollen.  (Er wendet
sich zur Tür.)

(Candida.)  Bleiben Sie.  (Er gehorcht.)  Haben Sie nicht gehört, daß
Jakob wünscht, daß Sie bleiben sollen?  Jakob ist hier der Herr,
wissen Sie das nicht?

(Marchbanks errötend, mit der Wut eines jungen Dichters gegen Tyrannei:)
Was gibt ihm das Recht dazu?

(Candida ruhig:)  Sag es ihm, Jakob.

(Morell bestürzt:)  Meine Liebe, ich bin mir keines Rechtes bewußt, das
mich zum Herrn macht; ich bestehe auf keinem solchen Rechte.

(Candida mit schwerem Vorwurf:)  Du weißt es nicht?  O Jakob, Jakob!
(Zu Eugen nachdenklich:)  Ich wüßte gern, ob Sie das verstehen, Eugen...
Nein, Sie sind zu jung.  Nun, ich erlaube Ihnen, zu bleiben und zu
lernen.  (Sie geht von Kamin fort und stellt sich zwischen die beiden.)
Also, Jakob, was ist's?  Komm und sag' es mir.

(Marchbanks flüstert ihm ängstlich zu:)  Sagen Sie ihr lieber nichts.

(Candida.)  Bitte!--Heraus damit!

(Morell langsam:)  Ich wollte dich sorgfältig vorbereiten, Candida, um
jedes Mißverständnis zu vermeiden.

(Candida.)  Ja, Lieber, das wolltest du gewiß; aber sei unbesorgt, ich
werde nichts mißverstehen.

(Morell.)  Nun denn, es--(Er zögert, unfähig, die lange Erklärung zu
finden, die er für nötig hält.)

(Candida.)  Nun?

(Morell klipp und klar:)  Eugen behauptet, daß du ihn liebst.

(Marchbanks außer sich:)  Nein, nein, nein, nein, niemals, das habe ich
nicht behauptet, Frau Morell, es ist nicht wahr!  Ich sagte, daß ich
Sie liebe und er nicht.  Ich sagte, daß ich Sie verstehe und daß er es
nicht kann.  Und nicht infolgedessen, was sich hier am Kamin
zugetragen hat, habe ich das gesagt,--ganz gewiß nicht, auf mein Wort!
schon heute morgen hab' ich es ihm gesagt!

(Candida erleuchtet:)  Heute morgen?!

(Marchbanks.)  Ja!  (Er siebt sie um Glauben bittend an und fügt dann
einfach hinzu:)  Das war auch der Grund, warum mein Kragen in Unordnung
geriet.

(Candida nach einer Pause, weil sie nicht gleich begreift, was er
meint:)  Ihr Kragen!  (Sie wendet sich erschrocken zu Morell, verletzt:)
O Jakob, hast du ihn--?  (Sie hält inne.)

(Morell beschämt:)  Du weißt, Candida, daß ich mit meinem Temperament
zu kämpfen habe, und er sagte, (schauernd:)  daß du mich verachtest in
deinem Herzen.

(Candida wendet sich rasch zu Eugen:)  Haben Sie das gesagt?

(Marchbanks geängstigt:)  Nein!

(Candida strenge:)  Dann hat mich also Jakob eben angelogen.  Wollen
Sie das behaupten?

(Marchbanks.)  Nein, nein: ich--ich... (herausplatzend mit der
verzweifelten Erklärung:)--es war die Rede von Davids Frau, nicht bei
ihm zu Hause, sondern als sie ihn tanzen sah vor allen Leuten.

(Morell nimmt diesen Fingerzeig mit der Geschicklichkeit eines
Wortkämpfers auf:)  Ja, als er vor dem ganzen Volke tanzte, Candida, in
der Meinung, daß er ihre Herzen dadurch rührte, während sie nur an
Prossis Leiden litten.  (Sie ist im Begriff zu protestieren, er winkt
ihr mit der Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und fährt fort:)
Tue nicht als ob du entrüstet wärest, Candida.

(Candida.)  Tun als ob?!

(Morell fortfahrend:)  Eugen hatte recht!  Wie du mir einige Stunden
später klarmachtest, hat er immer recht.  Er sagte nichts, was du
nicht viel besser selbst gesagt hättest.  Er ist der Dichter, der
alles sieht; und ich bin der arme Pastor, der nichts versteht.

(Candida reuevoll:)  Ärgert dich, was ein närrischer junge gesagt hat,
weil ich im Scherz etwas Ähnliches sagte?

(Morell.)  Der närrische Junge kann mit der Begeisterung eines Kindes
und mit der Verschlagenheit einer Schlange sprechen.  Er hat behauptet,
daß du ihm gehörst und nicht mir, und, ob mit Recht oder Unrecht, ich
beginne zu fürchten, daß es wahr sein könnte.  Ich will nicht
umhergehen von Zweifeln und Verdächtigungen gequält.  Ich will nicht
mit dir leben und ein Geheimnis vor dir haben.  Ich will nicht die
entwürdigende Qual der Eifersucht erdulden.  Deshalb haben wir
beschlossen--er und ich--daß du jetzt zwischen uns wählen sollst!  Ich
erwarte deine Entscheidung.

(Candida weicht langsam einen Schritt zurück, verletzt über sein
Pathos, trotz des aufrichtigen Gefühls, das sie heraushört:)  Oh, ich
muß also wählen?  Ich nehme an, daß eines vollkommen feststeht: daß
ich einem o d e r dem andern gehören muß.

(Morell entschlossen:)  Vollkommen; du mußt endgültig wählen.

(Marchbanks ängstlich:)  Herr Pastor,--Sie verstehen nicht: sie meint,
daß sie sich selbst gehört.

(Candida sich zu ihm wendend:)  ja, das meine ich, Junker Eugen, und
noch sehr viel mehr, wie Ihr beide sofort herausfinden werdet.  Und
ich frage, meine Herren und Gebieter, was habt Ihr für meine Wahl zu
geben?  Es scheint, daß ich versteigert werden soll.  Wieviel bietest
du, Jakob?

(Modell vorwurfsvoll:)  Cand....  (Er bricht zusammen, seine Augen
füllen sich mit Tränen, und seine Kehle schnürt sich zu, der Redner
wird zu einem verwundeten Tier.)  Ich kann nicht sprechen.

(Candida geht impulsiv zu ihm hin:)  O Liebster!

(Marchbanks in wildem Aufruhr:)  Halten Sie ein, das ist nicht gerecht.
Sie dürfen ihr nicht zeigen, daß Sie leiden, Morell.--Ich bin auch
auf der Folter, aber ich weine nicht.

(Morell nimmt seine ganze Kraft zusammen:)  Ja, Sie haben recht.  Es
ist nicht Mitleid, worum ich bitte.  (Er befreit sich von Candida.)

(Candida zieht sich frostig zurück:)  Entschuldige, Jakob, ich hatte
nicht die Absicht, dich zu berühren.  Ich warte auf dein Angebot.

(Morell mit stolzer Demut:)  Ich habe dir nichts zu bieten als meine
Kraft zu deinem Schutze, mein ehrliches Wollen für deine Ruhe, meine
Tüchtigkeit und Arbeit für deinen Unterhalt und mein Ansehen und meine
Stellung für deine Würde.  Das ist alles, was einem Manne ansteht,
einer Frau zu bieten.

(Candida ganz ruhig:)  Und Sie, Eugen, was bieten Sie?

(Marchbanks.)  Meine Schwäche! meine Trostlosigkeit! meine Herzensnot!

(Candida gerührt:)  Das ist ein gutes Angebot, Eugen; nun weiß ich, wie
ich meine Wahl zu treffen habe.  (Sie hält inne und blickt seltsam von
einem zum andern, als ob sie beide abschätzte.  Morell, dessen
hochtmütiges Zutrauen sich in herzzerreißende Angst bei Eugens Gebot
verwandelt hat, verliert alle Beherrschung, und kann seine Angst nicht
verbergen.  Eugen dagegen, mit äußerst angespannter Kraft, zuckt mit
keiner Wimper.)

(Morell mit halb erstickter Stimme--ein Hilferuf entringt sich den
Tiefen seiner Verzweiflung:)  Candida!

(Marchbanks beiseite mit einem Aufwallen der Verachtung:)  Feigling!

(Candida bedeutsam:)  Ich gebe mich dem Schwächeren von beiden.  (Eugen
errät ihre Meinung sofort; sein Gesicht wird weiß wie scbmelzender
Stahl.)

(Morell neigt seinen Kopf mit der Ruhe der Gebrochenheit:)  Ich nehme
deine Entscheidung an, Candida.

(Candida.)  Verstehen Sie, Eugen?

(Marchbanks.)  Oh, ich fühle, ich bin verloren.  Er könnte die Last
nicht ertragen!

(Morell ungläubig, hebt seinen Kopf empor, mit prosaischer Stumpfheit:)
Meinst du mich, Candida?

(Candida lächelt ein wenig:)  Setzen wir uns und plaudern wir gemütlich
darüber wie drei Freunde.  (Zu Morell:)  Setze dich, mein Lieber.
(Morell nimmt den Stuhl vom Kamin--den Kindersessel.)  Bringen Sie mir
diesen Stuhl, Eugen.  (Sie weist auf den Lehnstuhl, er holt ihn
schweigend, sogar mit etwas wie kühler Beherrschung und setzt ihn
neben Morell, etwas hinter ihn.  Sie setzt sich, er geht an das Sofa
und läßt sich dort nieder, noch immer schweigsam und unergründlich.
Als sie alle sitzen, beginnt Candida,--einen Hauch von Ruhe um sich
breitend, mit ihrer sanften, gesunden, zärtlichen Stimme:)  Sie
erinnern sich doch, was Sie mir über sich selbst erzählten, Eugen: wie
sich niemand um Sie gekümmert hat, seit Ihre alte Amme starb.  Wie
Ihre gescheiten, vornehmen Schwestern und erfolgreichen Brüder die
Lieblinge Ihrer Eltern waren, wie elend es Ihnen in Eton erging, wie
Ihr Vater Sie durch Entbehrungen zwingen will, nach Oxford
zurückzukehren, wie Sie leben mußten ohne Behaglichkeit oder
Willkommen, ohne Zufluchtsstätte, immer einsam und fast immer ungern
gesehen und mißverstanden!  Sie armer Junge!

(Marchbanks der Größe seines Schicksals würdig:)  Ich hatte meine
Bücher.  Ich hatte die Natur.  Und endlich bin ich Ihnen begegnet.

(Candida.)  Lassen wir das im Augenblick beiseite.  Nun möchte ich, daß
Sie sich diesen andern Jungen hier betrachten,--meinen verwöhnten
Jungen,--verwöhnt von seiner Wiege an.  Einmal alle vierzehn Tage
besuchen wir seine Eltern.  Da sollten Sie mit uns kommen, Eugen, und
die Bilder des Helden dieser Familie sehen.  Jakob als Baby, das
wundervollste aller Babys!  Jakob, als er seinen ersten Schulpreis
erhielt, gewonnen im reifen Alter von acht Jahren!  Jakob als der
Führer seiner Mitschüler beim Cricketspiel!  Jakob in seinem ersten
schwarzen Anzug!  Jakob in allen möglichen ruhmvollen Posen.  Sie
wissen, wie stark er ist--ich hoffe, er hat Ihnen nicht weh getan--wie
gescheit er ist--wie glücklich!  (Mit wachsendem Ernst:)  Fragen Sie
Jakobs Mutter und seine drei Schwestern, was es sie gekostet hat,
Jakob die Mühe zu ersparen, irgend etwas zu tun, als stark, gescheit
und glücklich zu sein.  Fragen Sie mich, was es mich kostet, Jakobs
Mutter und seine drei Schwestern und seine Frau und Mutter seiner
Kinder--alles in einer Person--zu sein!  Fragen Sie Prossi und Marie,
wieviel Arbeit das Haus gibt, selbst wenn wir keine Besucher haben,
die uns helfen Zwiebeln schneiden.  Fragen Sie die Geschäftsleute, die
Jakob stören und seine prachtvollen Predigten gefährden wollen, wer es
ist, der sie abschüttelt!  Wenn Geld zu geben ist, so gibt er es; wenn
Geld zu verweigern ist, so verweigere ich es.  Ich habe ihm ein Schloß
von Behaglichkeit, Nachsicht und Liebe erbaut und stehe immer
Schildwache davor, um all den täglichen kleinen Lebenssorgen den
Eintritt zu verwehren.  Ich mache ihn hier zum Herrn, obwohl er es
nicht weiß und Ihnen vor einem Augenblicke nicht sagen konnte, wie er
dazu gekommen ist, es zu sein.  (Mit süßer Ironie:)  Und als er dachte,
ich könnte mit Ihnen fortgehen, da war seine einzige Sorge, was aus
mir werden würde; und um mich zum Bleiben zu bewegen, bot er mir--
(sie neigt sich vor und streicht ihm bei jedem Satze über das Haar)
seine Kraft zu meinem Schutze, seine Arbeit für meinen Unterhalt,
seine Stellung für meine Würde, seine (zögernd:)  ah, ich
verwechsle deine wunderschönen Sätze und verderbe sie, nicht
wahr, Liebling?

(Morell kniet ganz überwältigt neben ihren Stuhl und umschlingt sie
mit knabenhafter Leidenschaft:)  Alles ist wahr, jedes Wort.  Was ich
bin, hast du aus mir gemacht, durch die Arbeit deiner Hände und die
Liebe deines Herzens.  Du bist mein Weib, meine Mutter, meine
Schwester,--du bist die Summe aller Liebessorgen für mich.

(Candida in seinen Armen, lächelnd zu Marchbanks:)  Bin ich Ihnen auch
Mutter und Schwester, Eugen?

(Marchbanks erhebt sich mit einer heftigen Bewegung des Ekels:)  Oh,
niemals!  Hinaus denn in die Nacht mit mir!

(Candida erhebt sich rasch und unterbricht ihn:)  sie werden nicht so
von uns gehn, Eugen!

(Marchbanks mit dem Tonfall eines entschlossenen Mannes, nicht mit der
Stimme eines Knaben:)  Ich weiß, wann die Stunde geschlagen hat.  Ich
bin ungeduldig zu tun, was getan werden muß.

(Morell erhebt sich von seinen Knien, beunruhigt:)  Candida, laß ihn
nichts Übereiltes begehen!

(Candida lächelt Eugen vertrauensvoll an:)  Oh, sei unbesorgt, er hat
gelernt, ohne Glück zu leben.

(Marchbanks.)  Ich ersehne nicht mehr Glück; das Leben kann Höheres
bieten.  Pastor Jakob, ich gebe Ihnen mein Glück mit beiden Händen hin;
ich liebe Sie, weil Sie das Herz der Frau, ganz ausgefüllt haben, die
ich liebte.  Leben Sie wohl!  (Er geht zur Tür.)

(Candida.)  Ein letztes Wort.  (Er hält inne, aber ohne sich nach ihr
umzuwenden.)  Wie alt sind Sie, Eugen?

(Marchbanks.)  Jetzt bin ich so alt wie die Welt.  Heute morgen war ich
achtzehn Jahre!

(Candida geht zu ihm hin und steht hinter ihm, eine Hand liebkosend
auf seiner Schulter:)  Achtzehn...  Wollen Sie mir zuliebe ein kleines
Gedicht aus zwei Zeilen machen, die ich Ihnen sagen will?  Und wollen
Sie mir versprechen, sich's immer vorzusagen, so oft Sie an mich
denken.

(Marchbanks ohne sich zu rühren:)  Sagen Sie die beiden Zeilen.

(Candida.)  Wenn ich dreißig sein werde, dann wird sie fünfundvierzig
sein; wenn ich sechzig sein werde, dann wird sie fünfundsiebzig sein.

(Marchbanks wendet sich nach ihr um:)  In hundert Jahren werden wir
gleich alt sein!  Aber ich trage ein besseres Geheimnis als das in
meinem Herzen!  Lassen Sie mich jetzt gehen, die Nacht wächst draußen
ungeduldig.

(Candida.)  Leben Sie wohl!  (Sie nimmt sein Gesicht in die Hände, und
da er ihre Absicht errät und sein Knie beugt, küßt sie ihn auf die
Stirne, dann flieht er hinaus in die Nacht.--Sie wendet sich zu Morell,
mit ausgebreiteten Armen:)  O Jakob!  (Sie umarmen einander.  Aber das
Geheimnis in des Dichters Herzen, das kennen sie nicht.)

(Vorhang)


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes CANDIDA, von George Bernard Shaw.










End of the Project Gutenberg EBook of Candida, by George Bernard Shaw

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK CANDIDA ***

***** This file should be named 9491-8.txt or 9491-8.zip *****
This and all associated files of various formats will be found in:
        http://www.gutenberg.org/9/4/9/9491/

Produced by Michalina Makowska
Updated editions will replace the previous one--the old editions will
be renamed.

Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
law means that no one owns a United States copyright in these works,
so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
States without permission and without paying copyright
royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part
of this license, apply to copying and distributing Project
Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm
concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark,
and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive
specific permission. If you do not charge anything for copies of this
eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook
for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports,
performances and research. They may be modified and printed and given
away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks
not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the
trademark license, especially commercial redistribution.

START: FULL LICENSE

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK

To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase "Project
Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full
Project Gutenberg-tm License available with this file or online at
www.gutenberg.org/license.

Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project
Gutenberg-tm electronic works

1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or
destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your
possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a
Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound
by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the
person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph
1.E.8.

1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
even without complying with the full terms of this agreement. See
paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this
agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm
electronic works. See paragraph 1.E below.

1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the
Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual
works in the collection are in the public domain in the United
States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
United States and you are located in the United States, we do not
claim a right to prevent you from copying, distributing, performing,
displaying or creating derivative works based on the work as long as
all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope
that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting
free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm
works in compliance with the terms of this agreement for keeping the
Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily
comply with the terms of this agreement by keeping this work in the
same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when
you share it without charge with others.

1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work. Copyright laws in most countries are
in a constant state of change. If you are outside the United States,
check the laws of your country in addition to the terms of this
agreement before downloading, copying, displaying, performing,
distributing or creating derivative works based on this work or any
other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no
representations concerning the copyright status of any work in any
country outside the United States.

1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:

1.E.1. The following sentence, with active links to, or other
immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear
prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work
on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the
phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed,
performed, viewed, copied or distributed:

  This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
  most other parts of the world at no cost and with almost no
  restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it
  under the terms of the Project Gutenberg License included with this
  eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the
  United States, you'll have to check the laws of the country where you
  are located before using this ebook.

1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is
derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not
contain a notice indicating that it is posted with permission of the
copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in
the United States without paying any fees or charges. If you are
redistributing or providing access to a work with the phrase "Project
Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply
either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or
obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm
trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any
additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works
posted with the permission of the copyright holder found at the
beginning of this work.

1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.

1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg-tm License.

1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including
any word processing or hypertext form. However, if you provide access
to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format
other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official
version posted on the official Project Gutenberg-tm web site
(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense
to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means
of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain
Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the
full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1.

1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works
provided that

* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
  the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
  you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
  to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has
  agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
  Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
  within 60 days following each date on which you prepare (or are
  legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
  payments should be clearly marked as such and sent to the Project
  Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
  Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg
  Literary Archive Foundation."

* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
  you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
  does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
  License. You must require such a user to return or destroy all
  copies of the works possessed in a physical medium and discontinue
  all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm
  works.

* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
  any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
  electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
  receipt of the work.

* You comply with all other terms of this agreement for free
  distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than
are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm
trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
electronic works, and the medium on which they may be stored, may
contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
cannot be read by your equipment.

1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from. If you
received the work on a physical medium, you must return the medium
with your written explanation. The person or entity that provided you
with the defective work may elect to provide a replacement copy in
lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
or entity providing it to you may choose to give you a second
opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
without further opportunities to fix the problem.

1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of
damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.