Norwegische Volksmährchen vol. 2

By Asbjørnsen and Moe

The Project Gutenberg EBook of Norwegische Volksmährchen vol. 2, by 
P. Asbjörnsen and Jörgen Moe

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Title: Norwegische Volksmährchen vol. 2
       gesammelt von P. Asbjörnsen und Jörgen Moe

Author: P. Asbjörnsen
        Jörgen Moe

Commentator: Ludwig Tieck

Translator: Friedrich Bresemann

Release Date: September 25, 2009 [EBook #30084]

Language: German


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Norwegische Volksmährchen.

2.


Norwegische
Volksmährchen,
gesammelt
von
P. Asbjörnsen und Jörgen Moe.

Deutsch von Friederich Bresemann.

Mit einem Vorworte
von
Ludwig Tieck.


Zweiter Band.

Verlegt
von
M. Simion in Berlin.


1847.


Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.



 Inhalt.

                                                          Seite

  1. Die sieben Füllen                                        1
  2. Gidske                                                  11
  3. Die zwölf wilden Enten                                  19
  4. Der Meisterdieb                                         29
  5. Die drei Schwestern im Berge                            50
  6. Von dem Riesen, der kein Herz im Leibe hatte            58
  7. Die Grimsschecke                                        68
  8. Es hat keine Noth mit Dem, in welchen alle Weiber
     verliebt sind                                           83
  9. Die Lügenprobe                                          96
 10. Die drei Böcke Brausewind, die nach der Koppel gehen
     und sich fett machen wollten                            99
 11. Östlich von der Sonne und westlich vom Mond            102
 12. Von dem Huhn, das nach dem Dovrefjeld wollte,
     damit nicht die Welt vergehen sollte                   118
 13. Der Mann, der das Haus beschicken sollte               122
 14. Däumerling                                             127
 15. Hakon Borkenbart                                       129
 16. Die Meisterjungfer                                     140
 17. Wohl gethan und schlecht gelohnt                       162
 18. Treu und Untreu                                        166
 19. Peter und Paul und Esben Aschenbrödel                  174
 20. Die Mühle, die auf dem Meergrunde mahlt                182
 21. Die Prinzessinn auf dem gläsernen Berg                 189
 22. Schmierbock                                            203




1.

Die Sieben Füllen.


Es waren einmal ein Paar arme Leute, die wohnten in einer elenden Hütte,
weit weg in einem Walde, und hatten nicht Mehr, als aus der Hand in den
Mund, und kaum einmal das; aber drei Söhne hatten sie, und der jüngste
von ihnen war _Aschenbrödel_, denn er that nichts Anders, als in der
Asche wühlen.

Eines Tages sagte der älteste Bursch, er wolle fort und sich einen
Dienst suchen; dagegen hatten die Ältern Nichts einzuwenden, und er
wanderte hinaus in die Welt. Er ging den ganzen Tag, und als es Abend
ward, kam er zu einem Königsschloß. Da stand der König draußen auf der
Treppe und fragte ihn, wo er hin wolle. »O, ich suche mir nur einen
Dienst,« sagte der Bursch. »Willst Du bei mir dienen und meine sieben
Füllen hüten?« fragte ihn der König. »Wenn Du sie einen ganzen Tag hüten
kannst und mir am Abend sagen, Was sie essen und Was sie trinken, so
sollst Du die Prinzessinn und das halbe Reich haben,« sagte er: »kannst
Du es aber nicht, so schneide ich Dir drei rothe Riemen aus Deinem
Rücken.« Ja, das, meinte der Bursch, wär' eine leichte Arbeit, damit
wollt' er schon fertig werden.

Am Morgen, als es Tag wurde, ließ der Stallmeister die sieben Füllen
aus; diese fort, und der Bursch hinter ihnen her, und darauf ging's über
Berg und Thal, durch Rusch und durch Busch. Als der Bursch eine gute
Weile gelaufen hatte, fing er an, müde zu werden, und als er's noch eine
Zeitlang ausgehalten, da hatt' er das Hüten völlig satt. Er stand eben
vor einer Bergschlucht, wo ein altes Weib saß und die Spindel dreh'te;
als die den Burschen erblickte, der hinter den Füllen herlief, daß ihm
der Schweiß von der Stirne troff, rief sie: »Komm her, mein schmucker
Bursch! ich will Dir den Kopf krauen.« Das war dem Burschen schon recht;
er setzte sich zu dem alten Weib in der Bergschlucht und legte seinen
Kopf auf ihren Schoß, und nun krau'te sie ihn den ganzen Tag, während er
da lag und sich runks'te. Als es Abend wurde, wollte der Bursch fort:
»Es ist wohl am besten, ich gehe nur wieder heim zu meinen Ältern,«
sagte er: »denn daß ich auf's Schloß zurückkehre, kann doch Nichts
nützen.« -- »Warte nur, bis es dunkel geworden ist,« sagte das Weib:
»dann kommen die Füllen hier wieder vorbei, und dann kannst Du mit ihnen
zurücklaufen; denn es weiß Niemand, daß Du hier den ganzen Tag auf
meinem Schoß gelegen hast, anstatt sie zu hüten.« Als nun die Füllen
ankamen, gab das Weib dem Burschen eine Flasche mit Wasser und einen
Büschel Moos; das sollte er dem König zeigen und sagen, das wäre Das,
was die sieben Füllen äßen und tränken.

»Hast Du nun die Füllen den ganzen Tag treu gehütet?« fragte ihn der
König, als er am Abend ankam. »Ja, das hab' ich,« sagte der Bursch.
»Kannst Du mir denn sagen, Was sie essen, und Was sie trinken?« fragte
der König. Da zeigte der Bursch ihm die Flasche mit Wasser und den
Büschel Moos, was er von der Alten bekommen hatte. »Da siehst Du, Was
sie essen, und da siehst Du, Was sie trinken,« sagte er. Da wußte nun
der König gleich, wie er sie gehütet hatte, und er wurde so zornig, daß
er seinen Leuten befahl, sie sollten ihn sogleich aus dem Hause jagen,
erst aber sollten sie ihm drei rothe Riemen aus seinem Rücken schneiden
und Salz hineinstreuen. Als darauf der Bursch zu Hause kam, so kannst Du
Dir wohl vorstellen, wie ihm zu Muthe war. Einmal wäre er ausgegangen,
um zu dienen, sagte er: aber er thät's nicht zum zweiten Mal.

Den Tag darauf sagte der zweite Sohn, nun wolle er auch einmal in die
Welt und sein Glück versuchen. Die Ältern aber sagten nein, und er
möchte nur den Rücken seines Bruders betrachten; aber der Sohn bat so
lange, bis sie ihn denn zuletzt reisen ließen. Wie er nun einen ganzen
Tag gewandert hatte, kam er auch zu dem Königsschloß. Da stand der König
auf der Treppe und fragte ihn, wo er hin wolle; und als der Bursch sagte,
er wolle sich nach einem Dienst umhören, sagte der König, er könne bei
ihm in Dienst kommen, wenn er seine sieben Füllen hüten wolle, setzte
ihm aber dieselbe Strafe und denselben Lohn aus, wie er beides seinem
Bruder ausgesetzt hatte. Ja, dem Burschen war das recht, und er nahm
ohne weiteres Bedenken den Dienst an; denn er meinte, er wolle die
Füllen schon hüten und dem König sagen, Was sie äßen und Was sie
tränken.

Sobald es Tag wurde, ließ der Stallmeister die sieben Füllen hinaus;
diese fort über Berg und Thal, und der Bursch hinter ihnen her. Aber es
ging ihm nicht besser, als dem Bruder. Als er so lange hinter den Füllen
hergelaufen war, bis er ganz müde geworden und über und über mit Schweiß
bedeckt war, kam er ebenfalls an die Bergschlucht, wo das alte Weib saß
und die Spindel dreh'te. »Komm her, mein schmucker Bursch! ich will Dir
den Kopf krauen,« rief sie. Das däuchte dem Burschen ganz gut; er ließ
die Füllen laufen, wohin sie wollten, setzte sich zu dem Weib in der
Bergschlucht, und da lag er nun und runks'te sich den ganzen Tag.

Als die Füllen am Abend zurückkamen, gab das alte Weib ihm auch eine
Flasche mit Wasser und einen Büschel Moos, welches er dem König zeigen
sollte. Als aber darauf der König den Burschen fragte, ob er ihm sagen
könne, Was die sieben Füllen äßen und Was sie tränken, und dieser ihm
die Wasserflasche und den Moosbüschel hinhielt und sagte: »Da siehst
Du, Was sie essen, und da siehst Du, Was sie trinken,« ward der König
so zornig, daß er befahl, ihm drei rothe Riemen aus seinem Rücken
zu schneiden und Salz hineinzustreuen und ihn dann augenblicklich
fortzujagen. Wie nun der Bursch zu Hause kam, erzählte er ebenfalls,
wie's ihm ergangen war, und sagte, einmal wäre er ausgegangen, um zu
dienen, aber er thät's nicht zum zweiten Mal.

Den dritten Tag wollte Aschenbrödel sich aufmachen. Er hätte große
Lust, sagte er, auch mal zu versuchen, die sieben Füllen zu hüten. Die
Andern aber lachten und hatten ihn zum Besten. »Wenn es uns so gegangen
ist,« sagten sie: »so sollst Du wohl was ausrichten, Du, der nie etwas
Andres gethan hat, als auf dem Herd liegen und in der Asche wühlen.«
-- »Einerlei,« sagte Aschenbrödel: »ich will aber fort; denn ich hab's
mir einmal in den Kopf gesetzt,« -- und wie sehr die Brüder ihn auch
auslachten, und die Ältern ihn bitten mochten, es half Alles nichts:
Aschenbrödel mußte fort. Als er nun den ganzen Tag marschirt hatte, kam
er endlich gegen Abend auch zu dem Königsschloß. Der König stand wieder
draußen auf der Treppe und fragte ihn, wo er hin wolle. »Ich wollte mich
nur nach einem Dienst umhören,« sagte Aschenbrödel. »Wo bist Du her?«
fragte ihn der König, denn er wollte sich erst etwas näher erkundigen,
eh' er wieder Jemanden in Dienst nahm. Aschenbrödel erzählte ihm nun,
wo er her sei, und daß er der Bruder von den Zweien wäre, die vor ihm
die Füllen gehütet hätten, und fragte, ob er den nächsten Tag nicht
auch versuchen dürfte, sie zu hüten. »Twi!« sagte der König und gerieth
ganz in Zorn: »bist Du der Bruder von den Zweien, so taugst Du auch
wohl nicht viel mehr, als sie; von solchen Leuten habe ich schon Genug
gehabt.« -- »Was schadt's?« sagte Aschenbrödel: »da ich doch einmal hier
bin, so könnt' ich's ja auch mal versuchen.« -- »Nun ja, wenn Du denn
durchaus Deinen Rücken geschunden haben willst, dann meinetwegen!« sagte
der König. »Ich möchte weit lieber die Prinzessinn haben,« sagte
Aschenbrödel.

Am Morgen, als es Tag wurde, ließ der Stallmeister die sieben Füllen
hinaus; diese fort über Berg und über Thal, durch Rusch und durch Busch,
und Aschenbrödel immer hinter ihnen her. Als er ihnen eine gute Weile
nachgelaufen war, kam er auch zu der Bergschlucht; da saß wieder das
alte Weib mit ihrer Spindel und rief Aschenbrödel zu: »Komm her, mein
schmucker Bursch! ich will Dir den Kopf krauen!« -- »Küß mich hinten!«
sagte Aschenbrödel, hielt sich fest an dem Schweif des jüngsten Füllen
und sprang fort. Als sie die Bergschlucht hinter sich hatten, sagte das
Füllen zu ihm: »Setze Dich auf meinen Rücken, denn wir haben noch einen
weiten Weg,« und das that Aschenbrödel.

Nun ging's noch ein weites Ende fort. »Siehst Du Etwas?« sagte das
Füllen. »Nein,« sagte Aschenbrödel. Damit ging's noch ein gutes Ende
weiter. »Siehst Du jetzt Etwas?« fragte das Füllen wieder. »Nein,« sagte
der Bursch. Als sie nun eine weite, weite Strecke zurückgelegt hatten,
fragte das Füllen wieder: »Siehst Du jetzt Etwas?« -- »Ja, nun seh'
ich etwas Weißes schimmern,« sagte Aschenbrödel: »es sieht aus wie ein
großer, dicker Birkenstamm.« -- »Da müssen wir hin,« sagte das Füllen.
Als sie nun hinkamen, riß das älteste Füllen den Stamm aus und warf ihn
bei Seite. Da öffnete sich an der Stelle, wo der Stamm gestanden hatte,
eine Thür -- drinnen war ein kleines Zimmer, und in dem Zimmer war
nichts Anders, als ein kleiner Herd und ein paar Bänke; und hinter der
Thür hing ein altes rostiges Schwert, eine Flasche und ein Krug. »Kannst
Du das Schwert schwingen?« fragte das Füllen. Aschenbrödel machte einen
Versuch, aber er konnt's nicht schwingen. Da mußte er einen Trunk aus
der Flasche thun, erst einmal, dann noch einmal, und dann noch einmal,
und da konnt' er es schwingen wie gar Nichts. »Jetzt musst Du das
Schwert mit Dir nehmen,« sagte das Füllen: und an Deinem Hochzeitstage
musst Du uns allen sieben damit den Kopf abhauen, dann werden wir
wieder zu Prinzen, wie wir ehedem waren; denn wir sind die Brüder der
Prinzessinn, die Du heirathen sollst, wenn Du dem König sagen kannst,
Was wir essen, und Was wir trinken; -- ein böser Troll hatte diese
Ham's[1] auf uns geworfen. Wenn Du uns aber dann den Kopf abgehauen
hast, musst Du vorsichtig jeden Kopf beim Schwanz desjenigen Rumpfes
hinlegen, auf dem er gesessen; alsdann hat der Zauber keine Macht mehr
über uns.« Aschenbrödel versprach, Alles genau zu thun, wie das Füllen
ihm gesagt hatte, und darauf ging es wieder fort.

Als sie nun eine lange Strecke Weges zurückgelegt hatten, fragte das
Füllen: »Siehst Du Etwas?« -- »Nein,« sagte Aschenbrödel. Als sie darauf
ein gutes Ende weiter gekommen waren, fragte das Füllen wieder: »Siehst
Du jetzt Etwas?« -- »Nein, ich sehe Nichts,« sagte Aschenbrödel. Nun
ging es viele, viele Meilen weit über Berge und über Thäler. Endlich
fragte das Füllen wieder: »Siehst Du jetzt Etwas?« -- »Ja, nun seh' ich
einen blauen Streifen weit weit in der Ferne,« sagte Aschenbrödel. »Das
ist ein Fluß,« sagte das Füllen: »da müssen wir hinüber.« Über den Fluß
aber führte eine lange schöne Brücke, und als sie auf die andre Seite
gekommen waren, ging es wieder eine lange Strecke weiter. Endlich fragte
das Füllen wieder, ob Aschenbrödel Nichts sähe. Ja, da sah' er weit in
der Ferne etwas Schwarzes, das sah aus wie ein Kirchthurm. »Da müssen
wir hinein,« sagte das Füllen.

Als die Füllen auf den Kirchhof kamen, wurden sie wieder in Menschen
verwandelt; sie sahen nun aus wie Königssöhne und hatten so prächtige
Kleider an, daß es glitzerte und blitzerte. Darauf gingen sie in die
Kirche und empfingen von dem Priester, der vor dem Altar stand, Brod und
Wein. Aschenbrödel ging auch mit hinein; und als der Priester die Hände
auf die Prinzen gelegt und sie gesegnet hatte, gingen sie wieder hinaus,
und Aschenbrödel folgte ihnen nach; zuvor aber steckte er eine Flasche
mit Wein und ein Altarbrod zu sich. Sowie die Prinzen den Kirchhof
verlassen hatten, waren sie wieder in Füllen verwandelt, und nun ging es
wieder desselben Weges zurück, den sie gekommen waren, aber noch viel
schneller, als vorher. Erst kamen sie über die Brücke, dann kamen sie zu
dem Birkenstamm, und dann zu dem alten Weib, das in der Bergschlucht saß
und spann. Es ging aber so schnell, daß Aschenbrödel nicht hören konnte,
Was das alte Weib, das hinter ihm herschrie, sagte; so Viel verstand er
jedoch, daß sie ganz bitterböse war.

Es war beinahe dunkel geworden, als er am Schloß ankam, und der König
stand auf der Treppe und wartete auf ihn. »Hast Du nun die Füllen den
ganzen Tag treu gehütet?« fragte er Aschenbrödel. »Ich habe mein Bestes
gethan,« antwortete dieser. »So kannst Du mir denn wohl sagen, Was sie
essen, und Was sie trinken,« versetzte der König. Da nahm Aschenbrödel
die Flasche mit Wein und das Altarbrod hervor und sprach: »Da siehst Du,
Was sie essen, und da siehst Du, Was sie trinken.« -- »Ja, Du hast sie
treu gehütet,« sagte der König: »und nun sollst Du die Prinzessinn und
das halbe Reich haben.« Da wurde denn alsbald eine Hochzeit gefeiert,
daß man sich weit und breit davon zu erzählen hatte. Als sie aber bei
Tafel saßen, stand der Bräutigam von der Bank auf und ging hinunter in
den Stall, um, wie er sagte, noch Etwas zu holen, das er dort vergessen
hätte. Er that nun, wie die Füllen ihm gesagt hatten, und hau'te ihnen
allen sieben den Kopf ab, zuerst dem ältesten, und dann den übrigen,
sowie sie auf einander folgten; jeden Kopf aber legte er sorgfältig bei
dem Schwanz desjenigen Rumpfes hin, auf dem er gesessen hatte, und sowie
er das that, wurden alle die Füllen wieder in Prinzen verwandelt. Als er
nun mit den sieben Prinzen in den Hochzeitssaal eintrat, war der König
so erfreu't, daß er ihn umarmte und ihn küßte; und seine Braut hielt
noch mehr von ihm, als sie schon vorher von ihm gehalten hatte. »Das
halbe Reich gehört jetzt Dir,« sagte der König: »und die andre Hälfte
sollst Du nach meinem Tode haben; denn meine Söhne können sich jetzt, da
sie wieder Prinzen geworden sind, selber Land und Reich erwerben.« Nun
war die Freude und der Jubel erst recht groß bei der Hochzeit. Ich war
auch mit dabei; aber es hatte Niemand Zeit, an mich zu denken: ich bekam
nichts Anders, als ein Butterbrod, das legte ich auf den Ofen, und das
Brod verbrannte, und die Butter schmolz, und nie habe ich wieder das
Allergeringste bekommen.




2.

Gidske.


Es war einmal ein Wittmann, der hatte eine Haushälterinn, Namens
_Gidske_, die wollte ihn gern zum Mann haben und lag ihm immer in
den Ohren, daß er sie heirathen sollte. Zuletzt wurde der Mann es
überdrüssig; aber er wußte nicht, wie er's anfangen sollte, um sie los
zu werden. Nun war es eben um die Zeit, daß der Hanf geschnitten werden
sollte, und weil Gidske sich immer für so tüchtig und flink hielt, fing
sie an, den Hanf zu schneiden und schnitt so lange, bis sie schwindlig
im Kopf ward von dem strengen Geruch und umfiel und auf dem Hanf-Felde
liegen blieb. Während sie nun da lag und schlief, kam der Mann mit einer
Schere und schnitt ihr den Rock ganz kurz ab; darnach beschmierte er
sie erst mit Talg und dann mit Ruß, so daß sie ärger aussah, als der
lebendige Teufel. Als Gidske erwachte und sah, wie häßlich sie war,
kannte sie sich selbst nicht mehr. »Bin ich's, oder bin ich's nicht?«
sagte sie: »Nein, ich kann's nicht sein; denn so häßlich bin ich ja
mein Lebtag nicht gewesen; es muß der Teufel sein.« Um nun hierüber ins
Reine zu kommen, ging sie hin und öffnete ein klein wenig die Thür zu
der Stube ihres Herrn und fragte: »Ist Eure Gidske zu Hause?« -- »Ei
freilich ist sie zu Hause!« sagte der Mann, weil er sie gern quitt sein
wollte. »So kann ich also nicht Gidske sein,« dachte sie und sockte
fort, und Der sich freu'te, das war der Mann. Als sie nun ein gutes
Ende gegangen war, kam sie in einen großen Wald; da begegneten ihr zwei
Spitzbuben. »Mit denen will ich mich ins Geleit geben,« dachte Gidske:
»denn weil ich doch einmal der Teufel bin, so ist das eben für mich die
rechte Gesellschaft.« Die Diebe dachten aber nicht so, sondern als sie
Gidske erblickten, schwangen sie die Fersen und machten sich aus dem
Staube, so schnell sie nur konnten; denn sie glaubten der Leibhaftige
wäre hinter ihnen her und wollte sie holen; aber es half ihnen nicht
viel; denn Gidske war langbeinig und schnell zu Fuß, und eh' sie sich's
versahen, hatte sie sie eingeholt.

»Wollt Ihr aufs Stehlen aus, so will ich mit Euch und Euch helfen,«
sagte Gidske: »denn ich weiß hier in der Gegend gut Bescheid.« Als die
Diebe das hörten, meinten sie, das wäre eine gute Gesellschaft, und
waren nun nicht länger bange.

Sie wollten gern hin und ein Schaf stehlen, sagten sie: aber sie wüßten
nicht, wo wohl eins zu holen wäre. »Ach, das ist eine Kleinigkeit,«
sagte Gidske: »Ich habe lange bei einem Bauern hier im Wald gedient
und kann den Schafstall mitten in der Nacht finden.« Das däuchte den
Spitzbuben ganz herrlich, und als sie zu dem Schafstall kamen, sollte
Gidske hineingehen und herausschicken, und sie wollten's draußen in
Empfang nehmen. Der Schafstall lag aber dicht an der Stube, wo der Mann
schlief; darum ging Gidske ganz leise und behutsam hinein; als sie aber
drinnen war, schrie sie zu den Dieben hinaus: »_Wollt Ihr einen Bock,
oder ein Schaf? Hier ist von Allen!_« -- »Scht! scht!« sagten die Diebe:
»nimm bloß Einen, der brav fett ist!« -- »_Ja, aber wollt Ihr einen
Bock, oder ein Schaf? Wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Denn hier
ist Genug von Allen!_« schrie Gidske. »So schweig' doch still!« sagten
die Diebe: »nimm bloß Einen, der brav fett ist, dann ist's einerlei,
ob's ein Bock, oder ein Schaf ist.« -- »_Ja, aber wollt Ihr einen Bock,
oder ein Schaf? Wollt Ihr einen Bock, oder ein Schaf? Hier ist Genug
von Allen!_« dabei blieb Gidske. »So halt doch Dein Maul und nimm bloß
Einen, der brav fett ist, ob's dann ein Bock, oder ein Schaf ist,«
sagten die Diebe. Indem kam der Mann, der über den Lärm erwacht war,
heraus im bloßen Hemd, und wollte sehen, Was da los war. Die Diebe
liefen davon, und Gidske hinter sie drein, so daß sie den Mann über den
Haufen lief. »So wartet doch! so wartet doch!« schrie sie. Der Mann, der
bloß das schwarze Ungeheuer gesehen hatte, war so erschrocken, daß er
anfangs gar nicht wagte, wieder aufzustehen; denn er glaubte, es sei der
Teufel selber, der aus seinem Schafstall gefahren kam. Zuletzt ging er
wieder ins Haus, weckte alle seine Leute auf und fing mit ihnen an, zu
lesen und zu beten; denn er hatte gehört, daß man dadurch den Teufel
fortbannen könne.

Den andern Abend wollten die Diebe eine fette Gans stehlen, und Gidske
sollte ihnen den Weg zeigen. Als sie nun zum Gänsestall kamen, sollte
Gidske hineinsteigen und herausschicken, und sie wollten's in Empfang
nehmen. »_Wollt Ihr eine Gans, oder einen Gänserich? Hier ist genug von
Allen!_« schrie Gidske, als sie in den Stall gekommen war. »Scht! scht!
nimm bloß Einen, der brav fett ist!« sagten die Diebe. »_Ja, aber wollt
Ihr eine Gans, oder einen Gänserich? Wollt Ihr eine Gans, oder einen
Gänserich? Hier ist Genug von Allen!_« schrie Gidske. »Still! still!
nimm bloß Einen, der brav fett ist, so ist's einerlei, ob's eine Gans,
oder ein Gänserich ist, und dann halt Dein Maul!« sagten die Diebe.
Während nun Gidske rief, und die Diebe sie tuschten, fing eine Gans
an zu schreien, dann eine zweite, und endlich schrien sie alle mit
einander, aus vollem Halse. Da sprang der Mann heraus und wollte sehen,
Was es gab -- die Diebe auf und davon, so schnell sie nur konnten, und
Gidske hinter sie drein wie ein Unwetter, so daß der Bauer glaubte, es
sei der lebendige Teufel; denn langbeinig war sie, und die Röcke hielten
sie nicht auf. »So wartet doch!« rief Gidske: »Ihr könnt ja bekommen,
Was Ihr wollt, ob's denn eine Gans, oder ein Gänserich ist.« Aber die
Spitzbuben hatten keine Zeit, und der Bauer mit seinen Leuten fing an
zu lesen und zu beten; denn sie glaubten alle nicht anders, als daß der
Teufel in dem Gänsestall gewesen sei.

Den dritten Tag waren die Diebe mit sammt Gidske so hungrig, daß ihnen
der Magen pfiff, und sie beschlossen daher, bei einem reichen Bauern,
der am Wald wohnte, aufs Stabur zu gehen und sich Etwas zu essen zu
stehlen. Gegen Abend gingen sie hin; die Diebe aber wagten sich nicht
hinauf, sondern Gidske sollte aufs Stabur gehen und herunterschicken,
und sie wollten's in Empfang nehmen. Als Gidske hinaufkam, war da
vollauf von Allem: von Fleisch und Speck und Wurst und Erbsenbrod.
Die Diebe tuschten sie und sagten, sie solle nur einige Lebensmittel
herauswerfen und nicht viel Gerede machen; denn sie wüßte wohl, wie's
ihnen die beiden vorigen Male gegangen wäre. Aber Gidske schrie wieder,
daß es nur so schallte: »_Wollt Ihr Fleisch, oder Speck, oder Wurst,
oder Erbsenbrod? herrliches Erbsenbrod! Ihr könnt kriegen, Was Ihr
wollt; denn hier ist Genug von Allem!_« Der Mann auf dem Gehöft, der
über das Geräusch erwachte, kam heraus und wollte sehen, Was es gab.
Die Diebe davon, so schnell sie konnten, und Gidske ihnen nach in einer
Höllenfahrt. Als der Mann das Ungethüm erblickte, glaubte er ebenfalls,
der Teufel sei los, denn er hatte gehört, Was sich die beiden Abende
vorher zugetragen, und er fing an zu lesen und zu beten, und mit ihm
alle Leute auf dem ganzen Gehöft, damit sie den Teufel fortbannten.

Am Samstag-Abend wollten die Diebe sich einen fetten Bock zum Sonntag
stehlen; sie konnten's auch wohl nöthig haben, denn sie hatten schon
viele Tage gehungert; aber Gidske wollten sie das Mal nicht mit haben,
denn sie richte doch bloß Unheil mit ihrem Maul an, sagten sie. Als aber
am Sonntag-Morgen die Spitzbuben noch nicht zurückgekehrt waren, fühlte
Gidske einen entsetzlichen Hunger -- denn sie hatte in drei Tagen fast
nicht das Geringste genossen -- und ging daher ins Rübenfeld, gnitschte
und gnatschte und zog sich eine Rübe nach der andern auf. Indeß kam der
Mann gegangen, dem das Rübenfeld gehörte; wie der das schwarze Ungethüm
sah, das in seinen Rüben ging und gnatschte, glaubte er ebenfalls, es
sei der Lebendige. Er auf und davon nach Hause, so schnell er nur konnte
und erzählte, daß der Teufel in seinem Rübenfeld wäre. Als die Leute auf
dem Gehöft das hörten, erschraken sie gewaltig und glaubten, es wäre am
besten, nach dem Pfarrer zu schicken, damit er den Teufel festmache.
»Nein, das geht nicht an, daß wir nach dem Pfarrer schicken,« sagte
die Hausfrau: »denn es ist ja Sonntag-Morgen, und da ist er noch nicht
aufgestanden, und wenn er auch schon aufgestanden ist, so kommt er doch
nicht, denn er muß auf seinen Text studiren.« --

»O, ich verspreche ihm ein fettes Mastkalb, dann wird er schon kommen,«
sagte der Mann und machte sich auf zum Pfarrhof. Als er aber dort ankam,
war der Pfarrer noch nicht aufgestanden. Das Dienstmädchen hieß den
Mann eintreten, und ging hinauf zum Pfarrer und sagte, es wäre unten
ein Mann, der wäre so und so und wollte gern ein Wort mit dem Herrn
Pfarrer sprechen. Als der Pfarrer hörte, daß es ein so braver Mann war,
der ihn sprechen wollte, stand er sogleich auf und kam herunter in
Pantoffeln und mit der Nachtmütze.

Der Mann erzählte ihm nun sein Anliegen und sagte, der Teufel wäre
los in seinem Rübenfeld, und wenn der Herr Pfarrer helfen wollte, ihn
festzumachen, so wolle er ihm auch ein fettes Mastkalb schicken. Ja, der
Pfarrer war sogleich bereit und wollte nur seinen Burschen rufen, daß er
dem Pferd den Sattel auflege, während er sich ankleide. »Nein, Gevatter,
das geht nicht,« sagte der Mann: »denn der Teufel lässt nicht auf sich
warten, und hat er sich erst wieder aus dem Staub gemacht, so hält's
schwer, ihn wieder zu attrapiren; Ihr müsst darum sogleich mit, wie Ihr
geht und steht.« Der Pfarrer mußte nun fort in seinen Pantoffeln und
mit der Nachtmütze; als sie aber ins Erlenbruch kamen, war der Boden so
locker, daß der Pfarrer in den Pantoffeln nicht fortkonnte. Da lud der
Mann ihn auf den Rücken und trug ihn huckepack, indem er ganz vorsichtig
immer von einem Bülten auf den andern trat. Als sie nun ungefähr bis in
die Mitte gekommen waren, bemerkte Gidske die Beiden und glaubte, es
wären die Diebe, welche mit dem Bock kämen. »Ist er brav fett? ist er
brav fett?« schrie sie, daß es ins Holz schallte. »Ich weiß den Teufel,
ob er fett ist, oder mager,« sagte der Mann: »willst Du's aber wissen,
so komm selber und sieh zu!« und damit warf er den Pfarrer mitten in die
Plampe und lief davon. Und ist der Pfarrer nicht wieder aufgestanden, so
liegt er wohl noch da.




3.

Die zwölf wilden Enten.


Es war einmal eine Königinn, die fuhr einst bei Winterzeit, da frischer
Schnee gefallen war, in einem Schlitten. Unterweges fing ihr die Nase an
zu bluten, und sie mußte daher aussteigen. Während sie nun da stand und
sich an einen Zaun lehnte, betrachtete sie ihr rothes Blut in dem weißen
Schnee; da dachte sie bei sich selbst: »Ich habe nun zwölf Söhne, und
keine einzige Tochter; hätte ich eine Tochter, so weiß wie Schnee und so
roth wie Blut, dann wollt' ich mich um die Söhne nicht weiter grämen.«
Kaum hatte sie das so leise vor sich hin gesprochen, als plötzlich eine
Trollhexe vor ihr stand. »Eine Tochter sollst Du bekommen,« sagte sie:
»und die soll so weiß sein wie Schnee und so roth wie Blut; dann aber
sollen Deine Söhne mir gehören; jedoch kannst Du sie so lange bei Dir
behalten, bis die Tochter getauft ist.«

Als nun die Zeit kam, da die Königinn gebären sollte, gebar sie eine
Tochter, die war weiß wie Schnee und roth wie Blut, so wie das Trollweib
es ihr versprochen hatte, und darum nannte sie sie _Schneeweiß und
Rosenroth_. Da war nun große Freude im Königsschloß, und am meisten
von Allen freu'te sich die Königinn. Als sie aber gedachte, Was sie der
alten Trollhexe versprochen hatte, ward ihr doch etwas wunderlich ums
Herz, und sie schickte zu einem Silberschmied, der mußte ihr zwölf
silberne Löffel verfertigen, einen für jeden Prinzen, und für Schneeweiß
und Rosenroth ließ sie auch einen machen. Wie nun die Prinzessinn
getauft war, wurden die Prinzen in zwölf wilde Enten verwandelt und
flogen davon und wurden nicht mehr gesehen; fort waren sie und fort
blieben sie. Die Prinzessinn wuchs indessen heran und wurde groß und
außerordentlich schön; aber sie war immer so in sich selbst gekehrt und
so schwermüthig, und Niemand konnte recht begreifen, Was ihr fehlte.
Eines Abends, als die Königinn auch so betrübt da saß und an ihre Söhne
dachte, sagte sie zu Schneeweiß und Rosenroth: »Warum bist Du immer so
traurig, meine Tochter? Fehlt Dir Etwas, so sage es mir! Möchtest Du
vielleicht gern Etwas haben, so sollst Du es bekommen.« -- »Ach, liebe
Mutter,« versetzte Schneeweiß und Rosenroth: »es kommt mir hier immer so
öde vor; alle andern Kinder haben Geschwister, aber ich habe keine, und
darüber bin ich so betrübt.« -- »Meine Tochter,« sagte die Königinn: »Du
hast auch Geschwister gehabt; denn ich hatte zwölf Söhne, welche Deine
Brüder waren, aber ich habe sie alle dahingegeben, um Dich zu bekommen,«
und darauf erzählte sie ihr, wie sich Alles zugetragen hatte.

Als die Prinzessinn hörte, wie es ihren Brüdern ergangen war, hatte sie
keine Ruhe länger zu Hause; und wie sehr die Mutter auch weinen und sie
bitten mochte, es half Alles nichts, sie wollte fort und mußte fort, um
ihre Brüder wieder aufzusuchen; denn sie glaubte, sie wäre allein schuld
an ihrem Unglück; und darum verließ sie zuletzt heimlich das Schloß. Sie
wanderte nun so weit in die Welt hinaus, daß Du gar nicht glauben
solltest, wie eine so zarte Jungfrau so weit zu wandern vermocht hätte.

Einmal war sie die ganze Nacht hindurch in einem großen Wald umhergeirrt;
gegen Morgen aber wurde sie müde, setzte sich auf den Rasen hin und
schlief ein. Da träumte ihr, sie ginge noch weiter in den Wald hinein,
bis sie zu einer kleinen hölzernen Hütte kam, und dort drinnen waren
ihre Brüder. Hierüber erwachte sie, und da sie vor sich einen gebahnten
Fußsteig durch das grüne Moos sah, folgte sie diesem, bis sie tiefer im
Walde zu einem hölzernen Häuschen kam, grade so, wie es ihr geträumt
hatte.

Als sie hineintrat, war dort Niemand; aber es standen da zwölf Betten
und zwölf Stühle, und auf dem Tisch lagen zwölf Löffel, und von allen
Sachen, die sich da vorfanden, waren immer zwölf Stücke. Die Prinzessinn
war nun voller Freude; denn sie konnte sich wohl denken, daß ihre Brüder
da wohnen mußten, und daß sie es waren, denen die Betten und die Stühle
und die Löffel gehörten. Sie machte nun Feuer im Kamin an, fegte die
Zimmer und machte die Betten, darnach kochte sie Essen und putzte Alles
aufs beste auf. Und als sie mit dem Kochen fertig war und für alle ihre
Brüder zugerichtet hatte, setzte sie sich selber hin und aß, legte dann
ihren Löffel auf den Tisch und kroch unter das Bett des jüngsten
Bruders.

Kaum war sie hinuntergekrochen, so hörte sie ein gewaltiges Sausen in
der Luft, und bald darauf kamen zwölf wilde Enten angeflogen; aber sowie
sie über die Thürschwelle kamen, verwandelten sie sich augenblicklich in
die Prinzen, ihre Brüder. »Ach wie gut hier Alles aufgeräumt, und wie es
hier so schön warm ist!« sagten sie: »Gott lohne Dem, der uns die Stube
so schön geheizt und so herrliches Essen für uns gekocht hat!« und
darauf nahm jeder seinen silbernen Löffel, um damit zu essen; aber wie
jeder den seinigen genommen hatte, blieb doch noch einer zurück, und
der war den übrigen so ähnlich, daß sie ihn nicht davon unterscheiden
konnten. Da sahen die Prinzen einander an und verwunderten sich sehr.
»Das ist der Löffel unsrer Schwester,« sagten sie: »und ist der Löffel
hier, so kann sie selber auch nicht weit sein.« --

»Ist es unsre Schwester, und sie findet sich hier,« sagte der älteste:
»so soll sie getödtet werden; denn sie ist schuld an all unserm
Unglück.« -- »Nein,« sagte der jüngste: »es wäre Sünde, sie zu tödten,
sie kann ja nichts dafür, daß wir Übles erdulden; sollte Jemand daran
schuld sein, so ist es Niemand anders, als unsre eigne Mutter.«

Sie fingen nun an zu suchen, sowohl oben, als unten, und zuletzt suchten
sie auch unter allen Betten, und als sie zu dem Bett des jüngsten
Prinzen kamen, fanden sie die Prinzessinn, und zogen sie hervor. Der
älteste Prinz wollte nun wieder, sie sollte getödtet werden; aber sie
bat gar zu flehentlich und sagte: »Ach, tödtet mich doch nicht! ich bin
viele Jahre lang herumgewandert, um Euch aufzusuchen, und wenn ich Euch
erlösen könnte, wollte ich gern mein Leben dafür lassen.« -- »Ja wenn
Du uns erlösen willst,« sagten sie: »so sollst Du das Leben behalten;
denn wenn Du willst, so kannst Du es.« -- »Ja, sagt mir nur, wie ich es
machen soll, dann will ich Alles thun, was Ihr verlangt,« sagte die
Prinzessinn. »Dann musst Du die Dunen von der Butterblume sammeln,«
sagten die Prinzen: »und die musst Du kratzen und spinnen und weben, und
wenn das Gewebe fertig ist, musst Du es zuschneiden und zwölf Mützen,
zwölf Hemden, und zwölf Halstücher davon machen, für jeden von uns ein
Stück; aber in der Zeit, daß Du damit beschäftigt bist, darfst Du weder
sprechen, noch weinen, noch lachen; kannst Du das, so sind wir erlös't.«
-- »Wo soll ich aber die vielen Dunen zu all den Hemden, Mützen und
Tüchern herbekommen?« fragte Schneeweiß und Rosenroth. »Das sollst Du
schon erfahren,« sagten die Prinzen, und darauf führten sie sie hinaus
auf eine große, große Wiese; da standen so viele Butterblumen mit weißen
Dunen, die nickten im Winde und glänzten im Sonnenschein, daß man den
Glanz schon weit in der Ferne sehen konnte. Noch nie hatte die Prinzessinn
zuvor so viele Butterblumen gesehen, und sie fing sogleich an zu
pflücken und zu sammeln, so Viel sie nur fortschaffen konnte; und als
sie am Abend zu Hause kam, begann sie sogleich, die Dunen zu kratzen und
Garn davon zu spinnen. So fuhr sie eine lange Zeit fort, sie sammelte
jeden Tag die Dunen der Butterblumen und kratzte und spann sie, und
dabei wartete sie zugleich den Prinzen auf: sie kochte für sie und
machte ihnen die Betten; und jeden Abend kamen ihre Brüder als wilde
Enten nach Hause geflogen, und des Nachts waren sie Prinzen, des Morgens
aber flogen sie wieder als wilde Enten davon.

Nun geschah es einmal, als Schneeweiß und Rosenroth auf die Wiese
gegangen war, um sich Dunen von der Butterblume zu sammeln -- wenn ich
nicht irre, so war es das letzte Mal, daß sie welche sammeln wollte --
daß der junge König, der das Land regierte, auf der Jagd war, und nach
der Wiese ritt, wo Schneeweiß und Rosenroth war. Als der König sie
erblickte, wunderte er sich sehr über die schöne Jungfrau, welche da
ging und die Dunen der Butterblume sammelte. Er hielt still und
redete sie an; da er aber keine Antwort von ihr erhielt, ward seine
Verwunderung noch größer, und weil ihm das Mädchen so wohl gefiel,
wollte er sie mit sich auf sein Schloß führen und sie zu seiner
Gemahlinn nehmen. Er gab daher seinen Dienern den Befehl, sie auf
sein Pferd zu setzen; Schneeweiß und Rosenroth aber rang ihre Hände und
deutete auf die Säcke, worin sie ihre Arbeit hatte; und als der König
begriffen hatte, Was sie meinte, befahl er seinen Dienern, auch die
Säcke mit aufzuladen. Als das geschehen war, gab die Prinzessinn sich
nach und nach zufrieden; denn der König war ein sehr schöner Mann, und
er war so sanft und so freundlich gegen sie. Als sie aber aufs Schloß
kamen, und die alte Königinn, die Stiefmutter des jungen Königs,
Schneeweiß und Rosenroth erblickte, ward sie so neidisch und so
aufgebracht über ihre große Schönheit und sagte zum König: »Siehst Du
denn nicht, daß es eine Trollhexe ist, die Du mitgebracht hast? denn
sie kann ja weder sprechen, noch lachen, noch weinen.« Der König aber
bekümmerte sich nicht darum, was seine Mutter sagte, sondern hielt
Hochzeit mit der schönen Jungfrau und lebte mit ihr herrlich und
vergnügt; sie aber unterließ nicht, fortwährend an den Hemden zu nähen.

Ehe das Jahr um war, kam Schneeweiß und Rosenroth mit einem Prinzen
nieder; darüber wurde die alte Königinn noch neidischer und noch mehr
erbittert, und als es Nacht wurde, schlich sie sich, während die junge
Königinn schlief, in ihr Zimmer, nahm ihr das Kind weg und warf es in
die Schlangengrube; darnach schnitt sie sie in den Finger, bestrich ihr
mit dem Blute den Mund und ging dann hinein zum König und sprach: »Komm
jetzt und siehe, was es für Eine ist, die Du zur Gemahlinn genommen
hast; jetzt hat sie ihr eignes Kind gefressen.« Da ward der König so
betrübt, daß er beinahe Thränen vergoß, und er sagte: »Ja, es muß wohl
wahr sein, weil ich es vor meinen eignen Augen sehe; aber sie thut es
gewiß nicht wieder; dieses Mal will ich sie schonen.«

Ehe das Jahr um war, gebar die Königinn wieder einen Sohn, und mit
diesem ging es eben so, wie mit dem ersten. Die Stiefmutter des Königs
ward diesmal noch neidischer und noch mehr erbittert; sie schlich sich
in der Nacht wieder in das Zimmer der jungen Königinn, während diese
schlief, nahm ihr das Kind weg und warf es in die Schlangengrube, schnitt
darauf die Königinn in den Finger, bestrich ihr mit dem Blute den Mund
und sagte dann zum König, seine Gemahlinn hätte wieder ihr eignes Kind
gefressen. Da ward der König so betrübt, daß Du's gar nicht glauben
kannst, und er sagte: »Ja, es muß wohl wahr sein, weil ich es vor meinen
eignen Augen sehe; aber sie wird es gewiß nicht wieder thun; dieses eine
Mal will ich sie noch schonen.«

Ehe das Jahr wieder um war, kam Schneeweiß und Rosenroth mit einer
Tochter danieder, und die nahm die alte Königinn ebenfalls und warf sie
in die Schlangengrube, während die junge Königinn schlief, schnitt sie
in den Finger, bestrich ihr mit dem Blute den Mund und ging dann wieder
zum König und sprach: »Komm jetzt und siehe, ob es nicht wahr ist, Was
ich sage, daß sie eine Trollhexe ist; denn jetzt hat sie auch ihr
drittes Kind aufgefressen.« Da ward der König so betrübt, daß es gar
nicht zu sagen ist; denn jetzt konnte er sie nicht länger schonen,
sondern mußte den Befehl geben, sie lebendig zu verbrennen. Als nun der
Scheiterhaufen in Flammen stand, und sie hinaufsteigen sollte, gab sie
durch Mienen und Geberden zu verstehen, sie sollten zwölf Bretter nehmen
und sie um den Scheiterhaufen legen, und darauf legte sie die Hemden und
die Mützen und die Tücher ihrer Brüder; aber an dem Hemd des jüngsten
Bruders fehlte noch der linke Arm, den hatte sie nicht fertig bekommen
können. Kaum war dies geschehen, so hörte man ein Sausen und ein Brausen
in der Luft, und darauf kamen zwölf wilde Enten über den Wald her
geflogen, und jede von ihnen nahm ein Hemd, eine Mütze und ein Halstuch
in den Schnabel und flog damit fort. »Siehst Du nun,« sagte die böse
Stiefmutter zu dem König: »daß sie eine Trollhexe ist? Mach jetzt schnell
und verbrenne sie, ehe die Flammen das Holz verzehren.« -- »Damit hat's
noch keine Eile,« sagte der König: »denn Holz haben wir genug, und ich
habe große Lust, zu sehen, Was das Ende hievon sein wird.« In demselben
Augenblick kamen die Prinzen geritten, so schön und so wohlgebildet, wie
man sie nur sehen kann; der jüngste Prinz aber hatte anstatt des linken
Arms einen Entenflügel. »Was habt Ihr hier vor?« fragten die Prinzen.
»Meine Gemahlinn soll verbrannt werden,« sagte der König: »weil sie eine
Trollhexe ist und ihre eignen Kinder gefressen hat.« -- »Sie hat ihre
Kinder nicht gefressen,« sagten die Prinzen: »Sprich jetzt, Schwester!
Nun hast Du uns errettet, errette jetzt Dich selbst!« Da sprach Schneeweiß
und Rosenroth und erzählte, wie Alles sich zugetragen hatte, und daß
jedesmal, wenn sie ins Kindbette gekommen, die alte Königinn sich in ihr
Zimmer geschlichen und ihr das Kind weggenommen, und sie darnach in den
Finger geschnitten und ihr mit dem Blute den Mund bestrichen hätte. Und
die Prinzen nahmen den König und führten ihn hinaus zu der Schlangengrube;
da lagen die drei Kinder und spielten mit den Schlangen und den Nattern,
und schönere Kinder, als die waren, konnte man gar nicht sehen. Da nahm
der König sie mit sich und brachte sie zu seiner Stiefmutter und fragte
sie, was Der wohl für eine Strafe verdient hätte, der im Sinne gehabt,
eine unschuldige Königinn und drei so allerliebste Kinder zu verrathen.
»Der verdiente, daß er von zwölf wilden Pferden in Stücke zerrissen
würde,« sagte die alte Königinn. »Du hast selbst das Urtheil gesprochen,
und selber sollst Du die Strafe erleiden,« sagte der König; und darauf
wurde die alte böse Königinn an zwölf wilde Pferde gebunden und in
Stücke zerrissen. Schneeweiß und Rosenroth aber reis'te mit dem König,
ihrem Gemahl, und ihren Kindern und den zwölf Prinzen, ihren Brüdern,
nach Hause zu ihren Ältern und erzählte ihnen, was ihr Alles begegnet
war; und nun war lauter Freude und Jubel im ganzen Königreich, weil die
Prinzessinn errettet war, und sie auch ihre zwölf Brüder erlös't hatte.




4.

Der Meisterdieb.


Es war einmal ein Kathenmann, der hatte drei Söhne; er hatte ihnen aber
kein Erbe zu geben und war so arm, daß er sie nicht einmal ein Gewerbe
konnte lernen lassen. Da sagte er eines Tages zu ihnen, sie müßten
selber zusehen, wie sie fortkämen, und könnten lernen, wozu sie Lust
hätten, und reisen, wohin sie wollten, er wolle sie gern noch eine
Strecke auf den Weg begleiten. Und das that er denn auch, er begleitete
sie bis da, wo drei Wege sich theilten; da nahmen die Söhne von dem
Vater Abschied, und jeder zog seine Straße. Wo die beiden ältesten
geblieben sind, habe ich nie erfahren können; aber der jüngste marschirte
tapfer drauf zu und kam weit hinaus in die Welt.

Eines Nachts, als er durch einen großen Wald marschirte, kam ein
gewaltiges Unwetter über ihn; es weh'te und stöberte so heftig, daß er
fast die Augen im Kopf nicht offen halten konnte, und eh' er sich recht
besann, war er in die Irre gekommen und konnte weder Weg, noch Steg
mehr finden. Zuletzt erblickte er weit hin im Walde einen Lichtschimmer;
er ging grade darauf zu und kam endlich zu einem großen Gebäude, in
welchem ein helles Feuer auf dem Herd brannte, woraus er schließen konnte,
daß die Leute noch nicht zu Bett gegangen waren. Er trat hinein, und
drinnen war eine alte Frau, die puttelte da herum.

»Guten Abend!« sagte der Bursch. »Guten Abend!« sagte die Frau. »Hutetu!
es ist so böses Wetter draußen die Nacht!« sagte der Bursch. »Das ist
wahr,« sagte die Frau. »Kann ich hier keine Herberge die Nacht kriegen?«
fragte der Bursch. »Hier ist keine gute Herberge für Dich,« sagte die
Frau: »denn kommen die Leute zu Hause und finden Dich hier, so tödten
sie Dich und mich dazu.« -- »Was sind es denn für Leute, die hier wohnen?«
fragte der Bursch. »Ach, es sind lauter Räuber und Spitzbuben,« sagte
die Frau: »mich haben sie geraubt, als ich noch ganz klein war, und nun
muß ich ihnen die Wirthschaft führen.« -- »Ich glaube, ich nehme hier
gleichwohl Quartier,« sagte der Bursch: »es mag gehen, wie es will; denn
hinaus will ich nicht wieder bei Nachtzeit in solchem Unwetter.« -- »Am
schlimmsten ist das immer für Dich selbst,« sagte die Frau.

Der Bursch legte sich darauf in ein Bett, das da stand, aber er hütete
sich wohl, daß er einschlief. Bald darnach kamen die Räuber an, und das
alte Weib erzählte ihnen sogleich, es wär' ein fremder Kerl ins Haus
gekommen, der hätte nicht wieder fort wollen.

»Hast Du nicht gesehen, ob er Geld bei sich hatte?« fragten die Räuber.
»Ja, der und Geld, der Lump!« sagte die Frau: »er hat kaum Kleider auf
dem Leibe.« Die Räuber flüsterten nun mit einander, Was wohl mit ihm
anzufangen wäre, ob sie ihn tödten sollten, oder Was sie sonst mit ihm
anfangen sollten. Indessen stand der Bursch auf und fragte sie, ob sie
nicht einen Knecht gebrauchen könnten, denn er hätte große Lust, bei
ihnen zu dienen. »Ja,« sagten sie: »wenn Du Lust hast und das Handwerk
treiben willst, das wir treiben, so kannst Du bei uns in Dienst kommen.«
-- »Ja, es ist ganz einerlei, was es für ein Handwerk ist,« sagte der
Bursch: »denn als ich von Hause abreis'te, sagte mein Vater zu mir, ich
könnte lernen, Was ich selber wollte.« -- »Hast Du denn Lust, das
Stehlen zu lernen?« sagten die Räuber. »Ja,« sagte der Bursch: »das
Handwerk möcht' ich wohl lernen.«

Nun wohnte nicht weit davon ein Mann, der hatte drei Ochsen; einen davon
wollte er zur Stadt bringen und ihn verkaufen, und das hatten die Räuber
ausspionirt. Da sagten sie zu dem Burschen, wenn er im Stande wäre, dem
Mann unterweges den Ochsen zu stehlen, so daß er's nicht gewahr würde,
und ohne daß er ihm Was zu Leide thäte, so wollten sie ihn in Dienst
nehmen, sonst nicht. Der Bursch sagte, er wollt's versuchen, und nahm
mit sich einen schön gearbeiteten Schuh mit silberner Schnalle, welchen
er da vorfand, den setzte er in den Weg hin, wo der Mann mit der Kuh
herkommen sollte, ging dann etwas tiefer in den Wald hinein und verbarg
sich unter einen Strauch. Es dauerte nicht lange, so kam der Mann an.
»Das wäre ja ein ganz hübscher Schuh!« sagte er: »hätte ich bloß den
andern dazu, so wollt' ich beide mit nach Hause nehmen, dann glaub' ich,
würde meine Altsche wohl einmal gutes Sinnes,« denn er hatte eine sehr
böse und schlimme Frau, und zwischen Schläge und Prügel, die er von ihr
bekam, war immer keine lange Zeit. Nun meinte er aber, könne er mit dem
einen Schuh doch Nichts anfangen, wenn er nicht den andern dazu hätte;
darum ließ er ihn stehen und ging weiter. Da nahm der Bursch den Schuh
und eilte, daß er dem Mann vorauskam, indem er durch den Wald lief, so
daß jener ihn nicht sehen konnte, und setzte den Schuh wieder vor ihm in
den Weg hin. Als der Mann mit seinem Ochsen ankam und den Schuh sah, war
er so verdrießlich, daß er so dumm gewesen war und vorhin den andern
Schuh nicht mitgenommen hatte. »Ich muß wohl nur zurücklaufen und den
andern nachholen,« sagte er bei sich selbst und band den Ochsen an einen
Zaun fest: »so krieg' ich doch mal ein paar gute Schuh für meine
Altsche; vielleicht, daß sie dann gutes Sinnes wird.«

Er ging nun zurück und suchte nach dem Schuh die Länge und die Breite;
aber all sein Suchen war umsonst; zuletzt mußte er denn mit dem einen
Schuh zurückgehen. Indessen hatte sich aber der Bursch mit dem Ochsen
davon gemacht. Als der Mann zurückkam und sah, daß der Ochs fort war,
fing er an zu weinen und zu lamentiren; denn er war so bange vor seiner
Frau und fürchtete, sie möchte ihn todtschlagen, wenn sie erführe, daß
der Ochs fort war. Da fiel es ihm aber ein, daß er noch zwei andre
Ochsen im Stall hatte, und er ging zurück nach Hause, nahm den einen
Ochsen und machte sich damit auf nach der Stadt, ohne daß die Frau Etwas
davon gewahr ward. Das hatten aber die Räuber wieder ausspionirt und
sagten daher zu dem Burschen, wenn er dem Mann auch den zweiten Ochsen
stehlen könnte, ohne daß er es merkte, und ohne daß er ihm Was zu Leide
thäte, so sollte er Ihresgleichen sein. Ja, meinte der Bursch, das wäre
eben nicht schwer.

Diesmal aber nahm er einen Strick mit und hängte sich mitten auf dem
Wege, wo der Mann vorbei mußte, unter den Armen auf. Als nun der Mann
mit seinem Ochsen ankam und ihn da hangen sah, ward er ein wenig
verdutzt und sagte: »Dir muß schwer zu Sinn gewesen sein, guter Freund,
daß Du Dich da aufgeknüpft hast; meinetwegen aber magst Du da hangen, so
lange Du willst; denn ich kann Dir doch kein Leben wieder einblasen,«
und damit ging er weiter mit seinem Ochsen. Als er fort war, sprang
der Bursch wieder herunter vom Baum, lief einen Richtsteig, so daß er
dem Mann vorauskam und hängte sich wieder mitten im Wege auf. »Ob Dir
wirklich so schwer zu Sinn gewesen ist, daß Du Dich da aufgeknüpft hast,
oder ob es bloß bei mir spukt?« sagte der Mann: »Meinetwegen aber magst
Du da hangen, so lange Du willst, ob Du nun ein Gespenst bist, oder Was
Du sonst sein magst,« und damit ging er weiter mit seinem Ochsen. Der
Bursch machte es wieder eben so, wie das vorige Mal, hüpfte herunter vom
Baum, lief den Richtsteig durch den Wald und hängte sich wieder mitten
im Wege auf. Als der Mann ihn gewahr ward, sagte er bei sich selbst:
»Das ist ja eine gräßliche Geschichte! Sollte ihnen denn so schwer zu
Sinn gewesen sein, daß sie sich alle drei aufgeknüpft haben? Ich kann's
aber nicht mal glauben, es spukt wohl bloß bei mir.« »Nun will ich aber
Gewißheit haben,« sagte er: »Hangen die andern Beiden noch da, dann ist's
wirklich so; hangen sie aber nicht da, so ist's nichts Anders, als Spuk,«
und damit band er seinen Ochsen fest und lief zurück, um zu sehen,
ob sie noch da hingen. Während er nun nach allen Bäumen hinaufguckte,
sprang der Bursch wieder herunter, nahm den Ochsen und machte sich damit
aus dem Staube. Als der Mann zurückkam und sah, daß der Ochs fort war,
da war's Päckchen wieder fertig: er fing an zu weinen und zu lamentiren;
endlich aber gab er sich doch zufrieden, denn er dachte bei sich selbst:
»Da ist kein andrer Rath, ich muß wieder nach Hause und den dritten
Ochsen auch holen, ohne daß meine Frau es gewahr wird, und muß dann
versuchen, ihn um so viel besser zu verhandeln, damit ich wieder zu
meinem Schaden komme.« Er ging nun zurück und holte sich auch den
dritten Ochsen, ohne daß seine Frau es gewahr ward. Die Räuber wußten
aber wieder sehr gut Bescheid und sagten zu dem Burschen, wenn er
ihm nun auch diesmal den Ochsen stehlen könnte, ohne daß der Mann es
merkte, und ohne daß er ihm Was zu Leide thäte, so sollte er Meister
sein über sie alle zusammen.

Der Bursch machte sich wieder auf und lief in den Wald; und als der Mann
mit dem Ochsen daher kam, fing er an zu brüllen wie ein andrer großer
Ochs. Als der Mann das hörte, ward er froh, denn er meinte, seinen
Mastochsen an der Stimme zu erkennen, und glaubte, nun würde er sie alle
beide wieder bekommen, band den dritten Ochsen fest und lief abseits in
den Wald und suchte da herum. Während dessen aber machte der Bursch sich
auch mit dem dritten Ochsen davon. Als der Mann zurückkam und sah, daß
der auch fort war, ward ihm ganz hutlig zu Muthe; er weinte und lamentirte
und ließ sich in vielen Tagen nicht wieder zu Hause sehen; denn er war
bange, seine Frau möchte ihn rein todtschlagen. Den Räubern aber wollte
es gar nicht behagen, daß sie nun den Burschen als Meister über sich
alle zusammen anerkennen sollten.

Nun gedachten sie einmal einen Streich auszuführen, den der Bursch ihnen
nicht sollte nachmachen können; sie reis'ten daher alle mit einander
fort und ließen ihn allein zurück.

Das Erste, was der Bursch that, als die Andern das Haus verlassen
hatten, war, daß er alle die drei Ochsen hinausjagte, worauf
diese wieder nach dem Stall des Mannes, dem er sie genommen hatte,
zurückliefen, und Der sich freu'te, das war der Mann, kannst Du
glauben. Darauf nahm er alle Pferde, welche die Räuber hatten, und
belud sie mit dem Besten, was er vorfand, mit Gold und Silber und
Kleidern und andern prächtigen Sachen, und sagte dann zu der Frau, sie
solle die Räuber nur von ihm grüßen, er ließe sich vielmal bedanken,
und er reise jetzt fort; aber es sollte ihnen schwer fallen, ihn
wieder einzuholen, und damit reis'te er ab.

Wie er nun eine lange Zeit gereis't hatte, kam er wieder auf den Weg,
von wo er zuerst in den Wald zu den Räubern gekommen war, und diesen
verfolgte er so lange, bis er wieder in das Dorf kam, wo sein Vater
wohnte. Zuvor aber zog er sich eine Montirung an, die grade wie für
einen General gemacht war, die hatte er unter den Sachen gefunden, die
er von den Räubern mitgenommen, und damit fuhr er auf den Hof, wie ein
großer Herr. Dort stieg er ab und ging in's Haus zu seinem Vater und
fragte ihn, ob er keine Herberge bei ihm bekommen könne. Nein, das könne
er ganz und gar nicht. »Wie sollte ich wohl Herberge haben für einen so
großen Herrn?« sagte der Mann: »ich habe kaum Betten, worauf ich selbst
liegen kann, und die sind noch dazu schlecht genug.« -- »Du bist immer
ein harter Mann gewesen, und das bist Du auch noch,« sagte der Bursch:
»da Du Deinem eignen Sohn nicht einmal Herberge geben willst.« -- »Bist
Du denn mein Sohn?« fragte der Mann. »Kennst Du mich denn nicht mehr?«
sagte der Bursch. Ja, da erkannte er ihn wieder. »Aber Was hast Du denn
gelernt, daß Du in der Geschwindigkeit ein solcher Kerl geworden bist?«
fragte ihn der Vater. »Das will ich Dir sagen,« versetzte der Bursch:
»Du sagtest ja, ich könnte lernen, wozu ich Lust hätte, und da gab ich
mich denn bei Räubern und Spitzbuben in die Lehre, und nun hab' ich
meine Lehrzeit ausgestanden und bin Meisterdieb geworden.«

Nun wohnte dicht neben seinem Vater der Amtmann, der hatte ein großes,
herrliches Schloß und so viel Geld, daß er's nicht zählen konnte, und
dann hatte er auch eine Tochter, die war von außerordentlicher Schönheit;
die wollte nun der Meisterdieb gern haben und sagte zu seinem Vater, er
solle zum Amtmann gehen und seine Tochter für ihn begehren. »Wenn er
Dich fragen sollte, was für ein Handwerk ich treibe, so kannst Du nur
sagen, ich sei Meisterdieb,« sagte er. »Ich glaube, Du bist toll und
verrückt,« sagte der Mann: »denn klug kannst Du unmöglich sein, wenn Du
solche Narrheit im Kopf hast.« Ja, er solle und müsse zum Amtmann gehen
und ihn um seine Tochter bitten, es wäre kein andrer Rath, sagte der
Bursch. »Das thu' ich wahrhaftig nicht!« sagte der Vater: »Wie kann ich
wohl zum Amtmann gehen, der so reich ist und so viel Geld hat, und für
Dich um seine Tochter bitten? das geht mein Lebtag nicht an!« Es half
aber nichts, er sollte und mußte hin, und wenn er nicht mit Gutem
wollte, so sollte er mit Gewalt, sagte der Meisterdieb. Da ging der Mann
fort und kam weinend und heulend zum Amtmann. »Was fehlt Dir?« fragte
ihn der Amtmann. Da erzählte ihm der Mann, daß er drei Söhne hätte,
welche eines Tages fortgereis't wären, und er hätte ihnen erlaubt, zu
reisen, wohin sie wollten, und zu lernen, wozu sie Lust hätten; »und nun
ist der jüngste zurückgekommen und will mit aller Gewalt, ich soll zu
Dir gehen und Deine Tochter für ihn begehren und sollte sagen, er wäre
Meisterdieb,« sagte der Mann und weinte und lamentirte ganz jämmerlich.
»Gieb Dich nur zufrieden,« sagte der Amtmann und lachte: »und grüße
Deinen Sohn nur von mir und sage ihm, er müßte erst Proben von seiner
Geschicklichkeit ablegen; wenn er daher am Sonntag den Braten vom Spieß
in meiner Küche stehlen könnte, während alle meine Leute darauf Acht
hätten, so sollte er meine Tochter bekommen.« Mit diesem Bescheid kam
der Vater zu seinem Sohn zurück; der aber meinte, das solle ihm ein
Leichtes sein. Er sah nun zu, daß er drei lebendige Hasen bekam, die
steckte er in einen Sack, behängte sich mit einigen Lumpen, so daß
er ganz armselig und jämmerlich aussah, und dann schlich er sich am
Sonntag-Vormittag, wie so ein andrer Betteljunge, mit seinem Sack auf
die Diele des Amtmanns. Der Amtmann selbst und alle Leute im Hause waren
in der Küche und wollten auf den Braten Acht geben. Da ließ der Bursch
einen Hasen aus dem Sack schlüpfen, der -- hast Du mich nicht gesehen!
fort und auf dem Hof herum, daß es eine Höllenwirthschaft war. »Seht
einmal den Hasen da!« sagten die Leute in der Küche und wollten hinaus
und ihn fangen. Der Amtmann sah ihn auch. »O lasst ihn laufen!« sagte
er: »es nützt nicht, einen Hasen im Sprunge fangen zu wollen.« Es
dauerte nicht lange, so ließ der Bursch den zweiten Hasen hinaus;
den sahen die Leute in der Küche ebenfalls und glaubten, es wäre noch
derselbe; nun wollten sie hinaus und ihn fangen; aber der Amtmann sagte
wieder, es könne nichts nützen. Nach einer Weile ließ der Bursch den
dritten Hasen hinaus, der wieder fort und auf dem Hof herum die Kreuz
und die Quer. Als die Leute den sahen, glaubten sie, es sei immer noch
der erste, und nun wollten sie wieder hinaus und ihn fangen. »Das ist
doch auch ein schnurriger Hase!« sagte der Amtmann: »Kommt, Jungens, und
lasst uns mal sehen, ob wir ihn erwischen können!« Er hinaus, und die
Andern ihm nach, und der Hase voran, und sie alle hinterher, daß es ein
Mordspectakel war. Mittlerweile aber nahm der Meisterdieb den Braten vom
Spieß und lief damit fort, -- und wo da der Amtmann einen Braten zum
Mittag herbekam, weiß ich nicht; so Viel aber weiß ich wohl, daß er das
Mal keinen Hasenbraten bekam, obwohl er gelaufen hatte, daß ihm der
Schweiß von der Stirn troff.

Am Mittag kam der Pfarrer aufs Schloß, und als der Amtmann ihm erzählte,
was der Meisterdieb ihm für einen Streich gespielt hatte, machte dieser
sich über ihn lustig und wollte sich immer todt lachen. »Ich weiß nicht,
wie ich mich von einem solchen Kerl sollte foppen lassen,« sagte der
Pfarrer. »Ja, nimm Dich nur in Acht,« sagte der Amtmann: »vielleicht
ist er bei Dir, eh' Du Dir's versiehst.« Der Pfarrer aber machte sich
fortwährend über den Amtmann lustig, weil dieser sich hatte bei der Nase
herumführen lassen.

Am Nachmittag kam der Meisterdieb und wollte die Tochter des Amtmanns
haben, wie dieser ihm versprochen hatte. »Du musst erst noch mehr
Proben ablegen,« sagte der Amtmann und gab ihm gute Worte: »denn das
Kunststück, das Du heute gemacht hast, war eben nicht der Rede werth.
Sieh mal zu, ob Du nicht dem Pfarrer einen Possen spielen kannst; denn
der sitzt da drinnen und macht sich über mich lustig, weil ich mich von
einem Kerl, wie Du bist, bei der Nase habe herumführen lassen.« Der
Meisterdieb meinte, das sollte eben nicht schwer sein, und ging sogleich
fort und traf seine Anstalten: er verkleidete sich in einen Vogel, hängte
sich ein großes weißes Laken um, brach einer Gans die Flügel ab und
machte sie sich am Rücken fest, und dann kroch er auf einen großen
Ahornbaum, der in dem Garten des Pfarrers stand. Als am Abend der
Pfarrer nach Hause kam, rief der Bursch vom Baum herunter: »_Herr Lars!
Herr Lars!_« denn der Pfarrer hieß _Herr Lars_. »Wer ruft mich?« fragte
der Pfarrer. »_Ich bin ein Engel vom Himmel, der ausgesandt ist vom
lieben Gott, um Dir zu verkündigen, daß Du lebendig ins Himmelreich
kommen sollst von wegen Deiner Frömmigkeit_,« sagte der Meisterdieb:
»_Den nächsten Montag musst Du Dich reisefertig halten; denn alsdann
komme ich und hole Dich ab in einem Sack, und all Dein Gold und Dein
Silber und Was Du sonst von den Eitelkeiten dieser Welt besitzest, musst
Du auf einen Haufen in Deiner großen Stube zusammenlegen._« Herr Lars
fiel auf seine Knie und dankte dem Engel, und am Sonntag-Morgen, als er
auf die Kanzel stieg, predigte er vor den Leuten, daß ihm ein Engel vom
Himmel erschienen wäre auf dem großen Ahornbaum in seinem Garten, der
hätte ihm verkündigt, daß er sollte lebendig ins Himmelreich kommen von
wegen seiner Frömmigkeit, und er predigte und deutete ihnen das Wort
Gottes, daß alle Leute, die in der Kirche waren, darüber weinen mußten.

Am Montag kam der Meisterdieb wieder in der Gestalt eines Engels, und
der Pfarrer fiel auf die Knie und betete und dankte ihm, bevor er in den
Sack gesteckt wurde, und als er hinein war, nahm der Meisterdieb den
Sack und schleppte ihn an der Erde mit sich fort über Stock und über
Stein. »Au! au!« schrie der Pfarrer im Sack: »wo bin ich?« -- »_Du
bist auf dem engen Wege, der in das Himmelreich führt_,« sagte der
Meisterdieb und schleppte den Sack immer weiter, so daß dem Pfarrer die
Rippen im Leibe krachten; zuletzt warf er ihn in den Gänsestall des
Amtmanns. Da flogen die Gänse auf ihn und fingen an zu zischen und ihn
zu beißen, und der Pfarrer war in seinem Sack mehr todt, als lebendig.
»Au! au! wo bin ich jetzt?« rief er. »_Jetzt bist Du im Fegefeuer, um
gereinigt und geläutert zu werden für das ewige Leben_,« sagte der
Meisterdieb, ging fort und holte sich all das Gold und das Silber und
die kostbaren Sachen, die der Pfarrer in seiner großen Stube
zusammengehäuft hatte.

Am Morgen, als das Gänsemädchen kam und die Gänse aus dem Stall lassen
wollte, hörte sie den Pfarrer drinnen im Sack jammern. »Sagt mir um
Gotteswillen, Wer seid Ihr und Was fehlt Euch?« sagte das Mädchen:
»Ach,« rief der Pfarrer: »bist Du ein Engel vom Himmel, so laß mich
hinaus und schicke mich wieder zurück auf die Erde, denn hier ist's noch
viel schlimmer, als in der Hölle; tausend Teufel zwicken mich überall
mit ihren Zangen.« -- »Ich bin, Gott bessre es! kein Engel,« sagte das
Mädchen und half dem Pfarrer aus dem Sack: »ich hüte bloß die Gänse des
Amtmanns, und das sind auch wohl die Teufel, die Euch gezwickt haben,
Gevatter,« sagte sie. »Ach, das hat der Meisterdieb gethan! Ach, mein
Gold und mein Silber und meine schönen Kleider!« schrie der Pfarrer und
jammerte und lamentirte und lief fort nach Hause, so daß das Mädchen
glaubte, er habe rein den Verstand verloren.

Als der Amtmann die Geschichte erfuhr und hörte, wie der Pfarrer sowohl
auf dem engen Wege, als im Fegefeuer gewesen war, wollte er sich beinahe
todtlachen. Als aber der Meisterdieb kam und seine Tochter haben wollte,
schwatzte er ihm wieder süß vor und sagte: »Du musst erst eine Probe
ablegen, die noch besser ist, damit ich recht erfahre, wozu Du taugst.
Ich habe zwölf Pferde in meinem Stall stehen, auf die will ich zwölf
Knechte setzen, einen auf jedes. Bist Du nun im Stande, ihnen die
Pferde unter dem Hosenleder wegzustehlen, so will ich sehen, Was
ich für Dich thun kann.« -- »Das ließe sich schon machen,« sagte der
Meisterdieb: »Bekomme ich dann aber auch ganz gewiß Deine Tochter?«
-- »Ja, kannst Du das, so will ich mein Bestes thun,« sagte der Amtmann.

Der Meisterdieb begab sich jetzt zu einem Krämer und kaufte sich zwei
Flaschen Branntwein, aber in die eine goß er einen Schlaftrunk; dann
bestellte er sich elf Knechte, die mußten sich in der Nacht hinter die
Scheune des Amtmanns verstecken. Für Geld und gute Worte bekam er auch
von einer alten Frau einen lumpigen Weiberrock und eine Jacke, womit er
sich wie ein altes Weib verkleidete; darauf nahm er einen Stock in die
Hand und einen Beutel auf den Nacken, und als es Abend wurde, hinkte er
fort nach dem Stall des Amtmanns. Als er dort ankam, tränkten die Leute
eben die Pferde zur Nacht und hatten dabei alle Hände voll zu thun. »Was
Teufel willst Du denn hier?« sagte einer von den Stallknechten zu dem
vermeintlichen Weibe. »Hutetu! es ist so kalt draußen!« sagte das Weib
und klapperte mit den Zähnen: »lasst mich ein wenig bei Euch in den
Stall kriechen.« -- »Wo Dich der Teufel nicht plagt! Pack Dich fort!«
sagte der eine von den Knechten: »denn kriegt der Amtmann Dich hier zu
sehen, so lässt er uns tanzen.« -- »Ach, das alte kümmerliche Weib!«
sagte ein andrer, der Mitleid mit ihr zu haben schien: »lasst nur die
Alte sich in den Stall hinsetzen; sie thut gewiß Keinem Was zu nah.«
Die Andern aber sagten, daraus könne Nichts werden, und während sie sich
hierüber zankten und die Pferde tränkten, kroch der Meisterdieb immer
weiter nach dem Stall zu, und endlich schlüpfte er hinter die Thür, wo
ihn nachher weiter Keiner bemerkte.

Auf die Nacht hin kam es den Leuten ein wenig kalt an, so still und
unbeweglich auf den Pferden zu sitzen. »Hutetu! es ist kalt wie der
Teufel!« sagte der Eine und schlug die Arme um den Leib. »Wer nur ein
Bischen Tabak hätte!« sagte ein Andrer. Ein Dritter hatte denn ein
Päckchen, und das theilten sie; es war zwar nicht Viel für jeden, aber
sie kau'ten und spuckten, und das half ein wenig. Bald darnach waren sie
wieder gleich schlimm daran. »Hutetu!« sagte der Eine und schüttelte
sich. »Hutetu!« sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen, nahm die
Flasche mit Branntwein hervor und zitterte so heftig mit der Hand, daß
es schwappte in der Flasche, und trank dann, daß es ihr Kluck! im Halse
sagte. »Was hast Du da in der Flasche?« sagte einer von den Stallknechten.
»Ach, es ist nur ein Tröpfchen Branntwein,« sagte sie. »Was? Branntwein?
Gieb mal her! gieb mal her!« schrien sie alle zugleich. »Ach, ich habe
nur so wenig,« sagte sie: »Ihr werdet nicht einmal naß davon im Mund.«
Aber es half nichts, sie wollten durchaus einen Schluck haben. Da nahm
die Alte die Flasche mit dem Schlaftrunk, hielt sie jedem vor den Mund
und ließ ihn davon trinken, so Viel er brauchte, und der Zwölfte hatte
noch nicht getrunken, als der Erste schon da saß und schnarchte. Darauf
warf der Meisterdieb seine Lumpen ab und nahm den einen Kerl nach dem
andern und setzte sie vorquer auf die Balken, rief dann seine elf Leute
-- und fort jagte er mit allen zwölf Pferden.

Als der Amtmann am Morgen herauskam und nach seinen Knechten sehen
wollte, wachten diese eben auf und fingen an, mit den Spornen in die
Balken zu hauen, daß die Splitter davon flogen, und einige von den
Knechten fielen herunter, andre blieben hangen, und die andern saßen da
wie Narren. »Ja, ich kann's mir schon denken, Wer hier gewesen ist,«
sagte der Amtmann: »Ihr seid aber doch ganz elende Kerls, daß Ihr hier
sitzt und Euch den Meisterdieb die Pferde unterm Hosenleder wegstehlen
lasst!« und damit bekamen sie ihre gehörige Schmiere.

Später am Tage kam der Meisterdieb selbst und erzählte alle Umstände und
wollte jetzt die Tochter des Amtmanns haben, so wie dieser ihm versprochen
hatte. Der Amtmann aber gab ihm hundert Thaler und sagte, er müsse erst
einen Streich ausführen, der noch besser wäre. »Meinst Du, daß Du wohl
das Pferd unter mir selbst stehlen könntest, wenn ich darauf reite?«
sagte der Amtmann. »Das ließe sich schon machen,« sagte der Meisterdieb:
»bekäme ich dann nur eben so gewiß Deine Tochter.« Ja, er wollte sehn,
Was er thun könnte, sagte der Amtmann und bestimmte einen Tag, an
welchem er zu einem großen Exercirplatz hinausreiten wollte.

Der Meisterdieb erhandelte sich eine alte abgelebte Schindmähre, flocht
sich einen Sielen aus Weiden und Besenreisern, kaufte einen alten Karren
und ein großes Faß und sagte dann zu einem alten zahnlosen Weib, er
wolle ihr zehn Thaler geben, wenn sie in das Faß kriechen und über dem
Zapfenloch gaffen wolle, er würde dann den Finger hineinstecken, -- Leides
sollte ihr nicht geschehen -- sie sollte bloß ein wenig fahren -- und
wenn er den Finger öfter, als _ein_mal herauszöge, so sollte sie noch
zehn Thaler dazu haben. Darauf zog er einige alte Lumpen an, machte
sich im Gesicht unkenntlich mit Ruß, setzte sich eine Perrücke auf
und heftete sich einen Bart von Ziegenhaaren an, so daß Keiner ihn
wiedererkennen konnte, und damit karjuckelte er nach dem Exercirplatz,
wo der Amtmann schon eine Weile geritten hatte.

Es ging aber so langsam und so traurig, daß er fast nicht vom Fleck kam;
er dusselte und dusselte; dann stand das Fuhrwerk ganz still; dann ging
es wieder ein wenig, aber so traurig, daß der Amtmann nimmer darauf
verfallen konnte, daß das der Meisterdieb sein könne; er ritt daher
grade auf ihn zu und fragte ihn, ob er nicht Jemanden dort im Walde
hätte herumschleichen sehen. Nein, sagte der Mann, er hätte Keinen
gesehen. »Höre,« sagte der Amtmann: »reite doch einmal in den Wald und
sieh zu, ob nicht Einer da herumschleicht; ich will Dir so lange mein
Pferd leihen und Dir auch ein gutes Trinkgeld geben.« -- »Nein,« sagte
der Mann: »das kann ich nicht; denn ich soll dieses Methfaß zu einer
Hochzeit fahren; nun ist mir aber unterweges der Zapfen herausgefallen,
und darum muß ich beständig den Finger ins Loch halten.« -- »Reite Du
nur hin!« sagte der Amtmann: »Ich werde schon derweile auf Dein Pferd
und auf das Faß Acht haben.« Ja, dann sollte aber der Amtmann geschwind
den Finger ins Loch stecken, wenn er seinen herauszöge. Das that denn
der Amtmann auch, und der Meisterdieb setzte sich aufs Pferd. Die Zeit
aber verstrich, und es kam Niemand zurück. Zuletzt ward's der Amtmann
überdrüssig, immer den Finger ins Loch zu halten, und er zog ihn heraus.
»Nun krieg ich noch zehn Thaler dazu!« schrie das Weib drinnen im Faß.
Da erschrak der Amtmann, denn er merkte nun wohl, wie die Sache sich
verhielt, und begab sich schnell auf den Heimweg. Unterweges brachten
sie ihm schon sein Pferd entgegen, das der Meisterdieb bereits zu Hause
bei ihm abgeliefert hatte.

Tages darauf kam der Bursch zum Amtmann und wollte seine Tochter haben,
so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann schwatzte ihm wieder
Allerlei vor, gab ihm zweihundert Thaler und sagte, er müßte noch ein
Probestück machen, könnte er das, dann sollte er auch ganz gewiß seine
Tochter haben. »Laß mich hören, Was es ist,« sagte der Meisterdieb.
»Kannst Du mir denn wohl das Laken aus meinem Bett stehlen und meiner
Frau das Hemd vom Leibe?« sagte der Amtmann. »Das sollte sich schon
machen lassen,« sagte der Meisterdieb: »hätte ich nur eben so gewiß
Deine Tochter.«

Als es nun Nacht geworden war, ging der Meisterdieb zum Galgen und
schnitt einen armen Sünder los, nahm ihn auf den Nacken und trug ihn
fort; darnach holte er sich eine große Leiter, die stellte er an das
Kammerfenster des Amtmanns, stieg dann hinauf und bewegte den Todten auf
und ab, grade als wenn Einer von außen ins Fenster guckte. »Das ist der
Meisterdieb, Frau!« sagte der Amtmann und stieß sie in die Seite. »Jetzt
schieß ich ihn!« sagte er und nahm die Büchse, die er vor sein Bett
hingelegt hatte. »Nein, thu das nicht, Mann!« sagte die Frau: »Du hast
ihn ja selber herbestellt.« -- »Ja, ich schieß ihn, dann bin ich ihn
quitt,« sagte der Amtmann und fing an zu zielen. Bald aber war der Kopf
oben, bald war er wieder unten; endlich aber bekam der Amtmann ihn doch
aufs Korn, knallte los, und der Todte bumps'te zur Erde nieder. Der
Meisterdieb herunter von der Leiter, so schnell er nur konnte.

»Ich bin nun zwar selbst die hohe Obrigkeit,« sagte der Amtmann: »ich
möchte aber doch nicht gern, daß die Leute Etwas zu reden hätten; darum
ist's am besten, ich stehe auf und begrabe den Todten.« -- »Ja, thu,
wie es Dir gut dünkt, Mann,« sagte die Frau. Da stand der Amtmann auf
und ging hinunter, den Todten zu begraben; während er aber zur Thür
hinausging, schlüpfte der Meisterdieb zum Fenster hinein. »Nun, Mann,«
sagte die Frau -- denn sie glaubte es wäre der Amtmann -- »bist Du schon
fertig?« -- »Ja,« sagte der Meisterdieb: »ich steckte ihn bloß in ein
Loch und scharrte etwas Erde darüber, und so weit ist er nun verwahrt.
Es ist so ein abscheuliches Wetter draußen, ich will's schon ein andermal
besser machen. Gieb mir aber das Laken,« sagte er: »damit ich mich
abtrockne, denn ich habe mich über und über mit Blut besudelt.« Die Frau
gab ihm das Laken. »Du musst mir auch noch Dein Hemd geben,« sagte er:
»denn das Laken verschlägt nicht, merke ich.« Sie gab ihm nun auch noch
ihr Hemd. Da fiel es ihm ein, daß er vergessen hatte, die Thür zuzumachen,
und das mußte er erst, eh' er sich wieder zu Bett legte -- und fort ging
er mit dem Laken und mit dem Hemd. Eine Weile darnach kam der rechte
Amtmann. »Nein, wie lange Zeit Du gebraucht hast, um die Thür zuzumachen!«
sagte die Frau: »Wo hast Du aber nun das Laken und mein Hemd gelassen?«
-- »Was sagst Du?« rief der Amtmann. »Ich frage, wo Du das Laken und
mein Hemd gelassen hast, das ich Dir gab, um Dich damit abzutrocknen?«
sagte sie. »Ei zum Teufel!« rief der Amtmann: »ist er nun damit auch
fort?«

Am Tage kam der Meisterdieb wieder und verlangte die Tochter des
Amtmanns, wie dieser ihm versprochen hatte, und da durfte nun der
Amtmann nicht anders, sondern gab sie ihm und noch viel Geld dazu; denn
er fürchtete, der Meisterdieb möchte ihm zuletzt noch die Augen aus dem
Kopf stehlen, und daß er gar zu sehr ins Gerede käme. Der Meisterdieb
lebte nun mit der Tochter des Amtmanns lustig und vergnügt. Ob er nach
dieser Zeit noch wieder stahl, kann ich nicht mit Gewißheit sagen; that
er es aber, so geschah es wohl nur zu seinem eignen Vergnügen.




5.

Die drei Schwestern im Berge.


Es war einmal eine alte Wittfrau, die wohnte mit ihren drei Töchtern
weit vom Dorfe unten an einem Berg. Sie war aber so arm, daß sie weiter
Nichts besaß, als nur ein Huhn, und das hatte sie so lieb, wie ihren
Augapfel; sie tickerte damit herum und warf ihm Körner zu früh und spät.
Eines Tages aber war das Huhn fort. Die Frau ging überall um das Haus
herum und suchte und lockte; aber das Huhn war fort und blieb fort. Da
sagte sie zu ihrer ältesten Tochter: »Du musst hingehen und zusehen, daß
Du das Huhn wiederfindest; denn her muß es wieder, und sollten wir es
auch aus dem Berg holen.« Die Tochter ging fort und suchte und lockte
überall; aber kein Huhn war zu finden. Da schallte es auf einmal aus der
Bergwand:

  »_Das Hühnchen trippelt im Berge!_
   _Das Hühnchen trippelt im Berge!_«

Das Mädchen ging hin und wollte zusehen. Da öffnete sich aber plötzlich
unter ihr eine Fallthür, und sie fiel tief hinab in ein Gewölbe unter
der Erde. Als sie darin weiter ging, kam sie durch viele schöne Zimmer,
das eine noch immer prächtiger, als das andre. In dem innersten Zimmer
aber kam ein großer Bergmann auf sie zu, der fragte sie: »_Willst Du
meine Braut sein?_« Nein, sagte das Mädchen, das wollte sie ganz und
gar nicht, sie wollte wieder hinauf und nach ihrem Huhn suchen, das
fortgekommen wäre. Da ward der Bergmann so zornig, daß er sie nahm und
ihr den Kopf abriß und ihn mit sammt dem Rumpf in einen Keller
hinabwarf.

Die Mutter saß indessen zu Hause und wartete von einer Zeit zur andern;
aber die Tochter war nicht da und kam nicht. Sie wartete nun noch eine
gute Zeit; da das Mädchen aber immer noch nicht kam, sagte sie zu ihrer
zweiten Tochter, sie solle hingehen und sich nach ihrer Schwester umsehen,
und dann solle sie zugleich das Huhn locken.

Der zweiten Tochter ging es nun eben so, wie der ersten, sie suchte und
lockte überall, und plötzlich hörte sie es aus der Bergwand rufen:

  »_Das Hühnchen trippelt im Berge!_
   _Das Hühnchen trippelt im Berge!_«

Das kam ihr ganz wunderbar vor, und als sie hingehen wollte und zusehen,
Was es zu bedeuten hatte, da fiel sie ebenfalls durch die Fallthür in
das unterirdische Gewölbe hinab. Sie ging nun durch viele Zimmer, und in
dem innersten kam der Bergmann auf sie zu und fragte sie, ob sie seine
Braut sein wollte. Nein, das wollte sie ganz und gar nicht, sie wollte
sogleich wieder hinauf und nach ihrem Huhn suchen, das fortgekommen
wäre. Da ward der Bergmann so zornig, daß er sie nahm und ihr den Kopf
abriß und ihn sammt dem Rumpf in den Keller hinabwarf.

Als nun die Frau auch auf die zweite Tochter schon eine lange Zeit
gewartet hatte, und diese immer noch nicht kam, sagte sie zu der jüngsten:
»Nun musst Du einmal hingehen und Dich nach Deinen Schwestern umsehen.«
»Schlimm genug,« sagte sie: »daß uns das Huhn wegkam; sollten wir aber
Deine Schwestern noch dazu verlieren, so wäre das noch weit schlimmer;
vergiß aber nicht, unterweges das Huhn zu locken.«

Die jüngste Tochter ging nun fort und suchte und lockte überall herum;
aber keine Schwestern waren zu finden, und kein Huhn war zu sehen.
Endlich kam sie auch zu der Bergwand, und nun rief es wieder:

  »_Das Hühnchen trippelt im Berge!_
   _Das Hühnchen trippelt im Berge!_«

Das, däuchte dem Mädchen, wäre ja herrlich; sie wollte sogleich hin und
es holen; aber ehe sie sich's versah, fiel sie ebenfalls in das Gewölbe
hinunter. Wie sie nun durch die vielen Zimmer ging, wovon das eine immer
noch schöner war, als das andre, ließ sie sich gute Zeit und betrachtete
Alles genau, denn sie war ganz und gar nicht bange. Endlich bemerkte sie
eine Kellerklappe, die hob sie auf und sah hinunter; da erkannte sie
alsbald ihre Schwestern, welche beide da lagen und todt waren. Wie sie
eben die Klappe wieder zugemacht hatte, kam der Bergmann an. »_Willst
Du meine Braut sein?_« fragte er sie. »Ja, recht gern,« sagte das Mädchen,
denn sie konnte sich nun wohl denken, wie es ihren Schwestern ergangen
war. Als der Troll das hörte, ward er seelenfroh und schenkte ihr die
schönsten und prächtigsten Kleider und Alles, was sie sich nur wünschen
mochte, so sehr freu'te er sich, daß Eine mal seine Braut sein wollte.

Als das Mädchen sich nun einige Zeit bei dem Trollen aufgehalten hatte,
war sie eines Tages ganz traurig und betrübt. Der Troll fragte sie, Was
ihr fehle. »Ach,« sagte sie: »es betrübt mich so sehr, daß ich nicht zu
Hause bei meiner Mutter sein kann; die leidet gewiß Hunger und Durst und
hat keinen Menschen um sich.« -- »Ja, Dich zu ihr gehen lassen, kann ich
nicht,« sagte der Troll: »aber thu nur etwas Essen in einen Sack, dann
will ich's ihr schon bringen.« Dafür dankte das Mädchen ihm und nahm
einen Sack und füllte ihn mit lauter Gold und Silber an, aber oben
darauf legte sie Etwas zu essen, und sagte dann zu dem Trollen, nun wäre
der Sack fertig, aber er dürfe nicht zusehen, Was drin wäre; das mußte
er ihr versprechen. Na, er wollt's auch nicht thun. Als er fortging, sah
sie ihm nach durch ein Loch, das in der Fallthür war. Unterweges sah
sich der Troll um und sagte: »Der ist doch auch verdammt schwer, der
Sack! ich muß doch mal zusehen, Was drin ist,« und damit wollte er das
Band auflösen. Aber das Mädchen rief ihm zu: »Ich sehe Dich! ich sehe
Dich!« -- »_Das ist doch auch zum Kukuk, was Du für Augen im Kopf
hast!_« sagte der Troll und wagte nun keinen weitern Versuch. Als er
bei der Wittwe ankam, warf er den Sack durch die Thür hinein. »_Da hast
Du Was zu essen von Deiner Tochter!_« sagte er: »_sie kann's entbehren._«

Wie nun das Mädchen schon eine gute Zeit bei dem Trollen im Berge
zugebracht hatte, fiel eines Tages ein Ziegenbock durch die Fallthür
hinunter. »_Wer hat nach dir geschickt, du langrippiges Beest!_« rief
der Troll und war entsetzlich böse, nahm den Bock, dreh'te ihm den Kopf
um und warf ihn hinunter in den Keller. »Ach, warum hast Du das gethan?«
sagte das Mädchen: »ich hätte ja meinen Zeitvertreib damit haben können.«
-- »Nun, Du brauchst darum eben das Maul nicht schief zu machen,« sagte
der Troll: »er soll bald wieder lebendig werden.« Darauf nahm er einen
Krug, der an der Wand hing, setzte dem Ziegenbock den Kopf wieder auf
und bestrich ihn mit der Salbe aus dem Krug, und da war der Bock wieder
eben so frisch und munter, als zuvor. »Haha!« dachte das Mädchen: »der
Krug ist Was werth!«

Als sie nun noch eine gute Zeit bei dem Trollen gewesen war, ersah sie
eines Tages die Gelegenheit, da der Troll nicht zu Hause war, nahm die
älteste Schwester und setzte ihr den Kopf auf und bestrich sie dann mit
der Salbe aus dem Krug, so wie sie gesehen, daß der Troll es mit dem
Ziegenbock gemacht hatte; und als das geschehen war, ward die Schwester
sogleich wieder lebendig. Sie steckte sie nun in einen Sack, legte ein
wenig Essen oben drauf, und wie der Troll nach Hause kam, sagte sie zu
ihm: »Ach, willst Du nicht zu meiner Mutter gehen und ihr ein wenig
Essen bringen? sie leidet gewiß Hunger und Durst, die Arme! Aber Du
musst auch nicht in den Sack sehen.« Nein, er wollte nicht hineinsehen,
sagte der Troll, nahm den Sack und marschirte damit fort. Wie er aber
ein Ende gegangen war, däuchte ihm, der Sack wäre so verdammt schwer,
und als er noch etwas weiter gegangen war, sagte er: »Ich möchte doch
wohl wissen, Was drin ist, und was sie auch für Augen im Kopf haben mag,
so kann sie mich doch jetzt nicht mehr sehen.« Als er aber nun das Band
auflösen wollte, rief die Schwester, die in dem Sack war: »Ich seh' Dich
wohl! ich seh' Dich wohl!« -- »_Das ist doch auch zum Kukuk mit Deinen
Augen!_« sagte der Troll, denn er glaubte, es wäre Die im Berge, welche
das sagte. Er wagte nun nicht weiter, den Sack zu öffnen, sondern lief
damit, was er nur konnte, zu der Mutter, und als er an die Thür kam,
warf er den Sack hinein und rief: »_Da hast Du Essen von Deiner Tochter!
sie kann's entbehren._«

Wie nun das Mädchen noch eine gute Zeit in dem Berg gewesen war, machte
sie es eben so mit der zweiten Schwester: sie setzte ihr den Kopf auf,
bestrich sie mit der Salbe aus dem Krug und steckte sie in den Sack.
Aber das Mal legte sie oben drauf so viel Gold und Silber, als nur
hinein konnte, und ganz oben darauf legte sie ein Wenig zu essen. »Ach,«
sagte sie zu dem Trollen: »Willst Du nicht zu meiner Mutter gehen und
ihr wieder ein Wenig Essen bringen? aber Du darfst ja nicht in den Sack
sehen.« Ja, er wollte wohl hingehen und wollt' auch nicht hineinsehen,
sagte der Troll. Als er aber eine Strecke weit gekommen war, däuchte
ihm, der Sack würde so verdammt schwer, und als er noch etwas weiter
gekommen war, konnte er ihn beinah nicht mehr tragen. Er wollte nun das
Band auflösen und in den Sack gucken; aber da rief die Schwester, welche
drinnen war: »Ich seh' Dich wohl! ich seh' Dich wohl!« -- »_Das ist doch
auch zum Kukuk, was Du für Augen im Kopf hast!_« sagte der Troll und
wagte nicht weiter, in den Sack zu sehen, sondern trug ihn, so schnell
er nur konnte, gradesweges zu der Mutter, und als er an's Haus kam, warf
er ihn durch die Thür hinein und rief: »_Da hast Du Essen von Deiner
Tochter! sie kann's entbehren._«

Als nun das Mädchen noch eine gute Zeit in dem Berg gewesen war, wollte
der Troll einmal ausgehen. Das Mädchen aber stellte sich schwach und
elend an und sagte: »Es kann nichts nützen, daß Du vor zwölf Uhr zu
Hause kommst; denn ich kann das Essen heut doch nicht so früh fertig
kriegen, weil ich so schwach bin.« Als darauf der Troll gegangen war,
stopfte sie ihre Kleider mit Stroh aus und stellte die Strohdirne in die
Ecke am Herd hin mit einem Quirl in der Hand, so daß es aussah, als wäre
sie es selbst. Darauf schlich sie sich aus dem Berg und lief fort nach
Hause; unterweges aber sprach sie sich einen Schützen auf, und den nahm
sie mit.

Als die Uhr zwölf war, oder so ungefähr, kam der Troll nach Hause: »_Gieb
mir Was zu essen!_« rief er der Strohdirne zu; aber die antwortete
nicht. »_Gieb mir Was zu essen, sag' ich Dir!_« rief der Troll: »denn
ich bin hungrig.« Keine Antwort. »_Gieb mir Was zu essen!_« schrie der
Troll zum dritten Mal: »_und wenn Du nicht thust, Was ich Dir sage,
werde ich Dich aus dem Schlaf wecken._« Aber die Dirn stand da, ohne
sich zu rühren. Da wurde der Troll rasend und stieß sie mit dem Fuß, daß
die Halme umherstoben. Als er aber das sah, merkte er Unrath und begann
zu suchen im ganzen Berg herum, und zuletzt kam er auch hinunter in den
Keller; da waren aber die beiden Schwestern des Mädchens fort, und nun
konnte er sich wohl den ganzen Zusammenhang denken. »_Ja, das will ich
ihr bezahlen!_« sagte er und machte sich auf nach dem Hause der Mutter.
Als er aber an die Thür kam, knallte der Schütz los. Wie der Troll das
hörte, wagte er nicht, hineinzugehen, denn er glaubte, es wäre der
Donner, und lief wieder fort nach Hause, so schnell er nur konnte. Eh'
er aber zu der Fallthür kam, ging die Sonne auf, und da barst er. --
Wenn ich bloß wüßte, wo die Fallthür wäre; denn da ist gewiß noch Gold
und Silber Genug zu holen.




6.

Von dem Riesen, der kein Herz im Leibe hatte.


Es war einmal ein König, der hatte sieben Söhne, von denen hielt er so
viel, daß er nicht leben konnte ohne sie; einer wenigstens mußte immer
um ihn sein. Als die Söhne groß waren, sollten die sechs ältesten
ausziehen und sich eine Frau suchen; den jüngsten aber wollte der Vater
bei sich zu Hause behalten, und die andern sollten eine Prinzessinn
für ihn mitbringen. Der König gab nun den sechs Prinzen die schönsten
Kleider, die man sehen konnte, sie waren so schön, daß man den Glanz
schon weit in der Ferne sah, und jedem gab er ein Pferd, das kostete
viele, viele hundert Thaler, und damit reis'ten sie fort. Als sie nun an
vielen Königshöfen gewesen waren und viele Prinzessinnen gesehen hatten,
kamen sie endlich auch zu einem König, der sechs Töchter hatte; so
schöne Königstöchter aber hatten die Prinzen noch nie gesehen, und jeder
frei'te um eine von ihnen und bekam sie zur Braut, und darauf begaben
sie sich mit den Prinzessinnen wieder auf den Heimweg zu ihrem Vater;
sie waren aber in ihre Bräute so verliebt, daß sie es ganz vergaßen,
auch eine Prinzessinn für Aschenbrödel mitzubringen, der zu Hause
geblieben war.

Wie sie nun schon eine gute Strecke Weges zurückgelegt hatten, kamen sie
an einer steilen Bergwand vorbei, wo ein Riesenschloß war. Der Riese kam
heraus, und als er sie sah, verwandelte er sie alle in Stein, sowohl die
Prinzen, als die Prinzessinnen. Der König wartete immerfort auf seine
Söhne; aber wie lange er auch warten mochte, sie kehrten nicht zurück.
Da ward der König sehr betrübt und konnte nimmer wieder froh werden.
»Hätte ich nicht Dich noch,« sagte er zu Aschenbrödel: »so möchte ich
gar nicht mehr in der Welt leben.« Aschenbrödel aber bat den König,
daß er ihm erlauben möchte, fortzureisen, um seine Brüder wieder
aufzusuchen. »Nein, das kann ich nicht,« sagte der König: »denn Du
kommst nachher auch nicht wieder.« Aber Aschenbrödel wollte durchaus
fort und bat seinen Vater so lange, bis er ihn endlich reisen ließ. Nun
hatte der König aber kein andres Pferd für Aschenbrödel, als eine alte
elende Kracke; denn die sechs andern Königssöhne hatten alle die andern
Pferde bekommen. Das kümmerte Aschenbrödel aber wenig; er setzte sich
auf seine alte Kracke und reis'te fort. »Lebe wohl, Vater!« sagte er,
als er abreis'te: »ich werde schon wiederkommen, und vielleicht bringe
ich dann meine Brüder auch mit.«

Als er ein Ende geritten war, traf er auf dem Wege einen Raben an,
der lag da und schlug mit den Flügeln und konnte vor lauter Hunger
und Mattigkeit nicht von der Stelle. »Ach, gieb mir doch ein Wenig zu
essen,« sagte der Rabe: »dann will ich Dir auch wieder helfen, wenn
Du mal in Noth kommst.« -- »Ja, Viel hab' ich eben nicht,« sagte der
Königssohn: »und Du siehst auch gar nicht darnach aus, daß Du mir große
Hülfe leisten könntest; weil Du es aber so nöthig zu haben scheinst,
will ich Dir wohl geben, Was ich vermag,« und darauf öffnete er seinen
Ranzen und gab dem Raben zu essen. Wie er nun ein Ende weiter gereis't
war, kam er zu einem Bach. Nicht weit davon lag ein großer Lachs, der
auf das trockne Land gekommen war, und zappelte und konnte nicht wieder
zurück ins Wasser. »Ach hilf mir doch wieder in's Wasser,« sagte der
Lachs: »Ich will Dir auch wieder helfen, wenn Du mal in Noth kommst.«
-- »Ja, Deine Hülfe wird mir wohl nicht viel nützen,« sagte der
Königssohn: »aber es wäre ja Sünde, Dich hier umkommen zu lassen,« und
damit setzte er den Fisch wieder ins Wasser. Nun reis'te er ein gutes
Ende weiter; da traf er auf dem Wege einen Wolf an, der lag da und wand
und krümmte sich vor lauter Hunger. »Ach gieb mir doch Dein Pferd zu
fressen,« sagte der Wolf: »denn ich bin so hungrig, daß mir der Magen
schlottert, weil ich in zwei Jahren Nichts zu essen bekommen habe.«
-- »Nein,« sagte Aschenbrödel: »das kann ich nicht! Erst kam ich zu einem
Raben, dem mußte ich mein Essen geben; darauf kam ich zu einem Lachs,
dem mußte ich wieder ins Wasser helfen; und Du willst nun gar mein
Pferd haben; das geht nicht, dann weiß ich nicht, wie ich meine Reise
fortsetzen soll.« -- »Ja, Du musst mir helfen,« sagte der Wolf: »Du
kannst nachher auf mir reiten; ich will Dir auch wieder helfen, wenn Du
mal in Noth kommst.« -- »Ja, Was Du mir helfen kannst, hat wohl nicht
Viel zu bedeuten,« sagte der Prinz: »aber nimm das Pferd nur hin, weil
Du's doch so nöthig hast.« Als der Wolf das Pferd gefressen hatte, gab
Aschenbrödel ihm das Gebiß ins Maul und legte ihm den Sattel auf den
Rücken; denn der Wolf war jetzt so stark und so groß geworden von Dem,
was er gefressen hatte, weit größer, als ein Pferd. Wie Aschenbrödel
sich aufgesetzt hatte, legte der Wolf mit ihm los; aber so schnell hatte
Aschenbrödel noch nie geritten. Als sie nun schon einen guten Weg hinter
sich hatten, sagte der Wolf: »Wenn wir noch ein kleines Ende weiter
gekommen sind, dann werde ich Dir das Riesenschloß zeigen.« Es dauerte
nicht lange, so waren sie da. »Hier siehst Du das Schloß,« sagte der
Wolf: »und dies hier sind Deine sechs Brüder, die der Riese in Stein
verwandelt hat, und das da sind ihre sechs Bräute; dort siehst Du auch
die Thür zu dem Schloß, und da musst Du hineingehen.« -- »Nein,« sagte
der Königssohn: »der Riese bringt mich um.« -- »Sei nur ohne Furcht,«
versetzte der Wolf: »denn wenn Du hineinkommst, triffst Du dort eine
Prinzessinn an, die wird Dir wohl sagen, wie Du es machen musst, um den
Riesen zu tödten; und thu dann nur, wie sie Dir sagt.« Aschenbrödel ging
darauf hinein, und wie er durch mehre Zimmer gekommen war, saß in dem
einen die Prinzessinn; aber eine so schöne Jungfrau hatte er noch nie
gesehen. »Ach, Gott steh Dir bei!« sagte sie, als sie ihn erblickte:
»Wie bist Du hier hereingekommen? Dein Tod ist Dir gewiß; denn hier
wohnt ein Riese, den kann Niemand tödten, weil er kein Herz im Leibe
hat.« -- »Ich will es aber doch versuchen,« sagte Aschenbrödel: »denn
darum bin ich hergekommen; und meine Brüder, welche hier in Stein
verwandelt sind, wollte ich auch gern erretten, und Dich dazu, wenn ich
könnte.« Wie nun die Prinzessinn ihn durchaus nicht überreden konnte,
wieder fortzugehen, sagte sie zu ihm: »Laß uns denn zusehen, wie wir's
am besten anfangen: Krieche hier unter dieses Bett, und da musst Du
still liegen bleiben und genau zuhören, Was der Riese sagt, wenn ich ihn
ausfrage.« Er kroch nun unter's Bett, und kaum war das geschehen, so kam
der Riese an. »_Hutetu! hier riecht's so nach Menschenfleisch!_« rief
er. »Ja, es flog hier eine Elster vorbei mit einem Knochen im Schnabel,
den ließ sie durch den Schornstein fallen,« sagte die Prinzessinn: »ich
habe mich zwar beeilt, ihn hinwegzuschaffen; aber es muß wohl noch der
Geruch davon zurückgeblieben sein;« und damit war der Riese zufrieden
gestellt. Als es Abend wurde, legten sie sich zu Bett, und wie sie eine
Weile gelegen hatten, sagte die Prinzessinn: »Da ist Eins, wonach ich
Dich gern fragen wollte, aber Du musst auch nicht böse werden.« -- »_Was
ist denn das?_« fragte der Riese. »O,« sagte sie: »ich möchte gern
wissen, wo Du Dein Herz hast, weil Du es doch nicht bei Dir trägst.«
-- »_Das ist Etwas, wonach Du nicht zu fragen brauchst_,« sagte der Riese:
»_sonst liegt es dort unter der Thürschwelle._« -- »Aha! da wollen wir's
schon finden!« dachte Aschenbrödel, der unter dem Bett lag.

Am nächsten Morgen stand der Riese früh auf und streifte nach dem Wald
zu. Kaum war er fort, so fingen Aschenbrödel und die Prinzessinn an,
unter der Thürschwelle zu suchen; aber was sie auch suchen und graben
mochten, so fanden sie doch Nichts. »Diesmal hat er uns angeführt,«
sagte die Prinzessinn: »aber wir müssen's noch einmal versuchen.« Darauf
pflückte sie die schönsten Blumen, die sie finden konnte, und bestreu'te
damit die Thürschwelle, nachdem sie dieselbe vorher wieder in Stand
gebracht hatten. Wie es um die Zeit war, daß sie den Riesen zu Hause
erwarteten, mußte Aschenbrödel wieder unter's Bett kriechen. »_Hutetu!
hier riecht's so nach Menschenfleisch!_« sagte der Riese, als er eintrat.
»O, das ist wohl noch der Knochen von gestern,« sagte die Prinzessinn,
und damit war der Riese zufrieden. Nach einer Weile fragte er, Wer denn
all die schönen Blumen auf die Thürschwelle gestreu't hätte. »O, das
habe ich gethan,« sagte die Prinzessinn. »_Und wozu soll das?_« fragte
der Riese. »Meinst Du denn nicht, daß ich Dich so lieb habe, um die
Schwelle mit Blumen zu bestreuen, wenn ich weiß, daß Dein Herz darunter
liegt?« sagte die Prinzessinn. »_Ah so!_« sagte der Riese: »_sonst liegt
es aber nicht da._«

Als sie sich am Abend zu Bett gelegt hatten, bat die Prinzessinn ihn, er
möchte ihr doch sagen, wo sein Herz wäre; denn sie hielt so viel von
ihm, sagte sie, und darum möchte sie es so gern wissen. »_O, es liegt
dort in dem Wandschrank_,« sagte der Riese. »Haha!« dachte Aschenbrödel:
»da wollen wir's schon finden!« Den nächsten Morgen machte der Riese
sich wieder früh auf und streifte nach dem Wald zu. Kaum aber war er
gegangen, als Aschenbrödel und die Königstochter den ganzen Schrank
durchsuchten, um sein Herz zu finden; aber wie fleißig sie auch suchten,
so fanden sie auch diesmal Nichts. »Wir müssen's noch einmal probiren,«
sagte die Prinzessinn. Sie schmückte nun den Schrank mit Blumen und
mit Kränzen, und gegen Abend mußte Aschenbrödel wieder unter's Bett
kriechen. Darauf kam der Riese an. »_Hutetu! hier riecht's so nach
Menschenfleisch!_« sagte er, als er eintrat. »Ach, es ist wohl immer
noch der alte Knochen,« sagte die Prinzessinn: »der Geruch will gar
nicht wieder fort.« Damit war der Riese zufrieden und sagte weiter
Nichts. Wie er aber darauf den Schrank erblickte, der mit Blumen und
Kränzen geschmückt war, fragte er die Prinzessinn, Wer das gethan hätte.
»Ach, das habe ich gethan,« sagte sie. »_Und wozu soll die Thorheit?_«
fragte er. »Meinst Du denn nicht, daß ich Dich so lieb habe, um den
Schrank mit Blumen und Kränzen zu schmücken, wenn ich weiß, daß Dein
Herz darin liegt?« sagte sie. »_Kannst Du so närrisch sein und das
glauben?_« sagte der Riese. »Ich muß es ja wohl glauben, wenn Du es
sagst,« versetzte die Prinzessinn. »_Du bist ein Narr!_« sagte der
Riese: »_wo mein Herz ist, dahin kommst Du nie._« -- »Du könntest mir
aber doch wohl sagen, wo es ist,« sagte sie. Nun konnte der Riese nicht
anders, sondern mußte es ihr sagen. »_Weit, weit von hier in einem
Wasser_,« sagte er: »_liegt eine Insel; auf der Insel steht eine Kirche;
in der Kirche ist ein Brunnen; in dem Brunnen schwimmt eine Ente; in der
Ente ist ein Ei; und in dem Ei -- da ist mein Herz._«

Am Morgen früh, als es noch nicht dämmerte, streifte der Riese schon
wieder nach dem Wald zu. »Ja, nun muß ich auch fort,« sagte Aschenbrödel:
»wenn ich bloß den Weg wüßte.« Er sagte darauf der Prinzessinn Lebewohl,
und als er draußen vor's Schloß kam, stand der Wolf noch da und wartete
auf ihn. Aschenbrödel erzählte ihm Alles, was ihm im Schloß begegnet war
und sagte, nun möchte er gern zu dem Brunnen in der Kirche, wenn er
bloß den Weg dahin wüßte. Der Wolf aber sagte, den Weg wollte er schon
finden, er sollte sich nur auf seinen Rücken setzen, und darauf ging es
fort über Klippen und Hügel, über Berg und Thal, daß es nur so saus'te.
Als sie schon manchen lieben Tag gereis't waren, kamen sie endlich zu
einem Wasser. Nun wußte der Königssohn nicht, wie er hinüber kommen
sollte; aber der Wolf sagte zu ihm, er solle sich bloß nicht fürchten,
und dann sprang er in's Wasser und schwamm mit dem Prinzen hinüber zu
der Insel. Als sie aber zu der Kirche kamen, hing der Schlüssel ganz
oben an der Thurmspitze. Nun wußte der Königssohn wieder nicht, wie er
ihn herunterkriegen sollte. »Du musst den Raben zu Hülfe rufen,« sagte
der Wolf, und das that der Prinz. Da kam der Rabe geflogen, schwang sich
hinauf zu der Thurmspitze und holte den Schlüssel herunter. Nun konnte
der Prinz in die Kirche kommen; und als er zu dem Brunnen kam, schwamm
die Ente darin auf und ab, so wie der Riese gesagt hatte. Der Prinz fing
nun an, sie zu locken, und lockte so lange, bis sie so nahe kam, daß er
sie greifen konnte. Wie er sie aber aus dem Wasser hob, ließ sie das
Ei in den Brunnen fallen. Nun wußte Aschenbrödel nicht, wie er das Ei
wiederbekommen sollte. »Du musst jetzt den Lachs zu Hülfe rufen,« sagte
der Wolf. Da rief der Prinz den Lachs, und dieser kam sogleich und holte
das Ei herauf. Nun, sagte der Wolf zu dem Prinzen, solle er das Ei in
der Hand drücken; und wie der Prinz das that, schrie der Riese laut auf.
»Drück noch einmal zu!« sagte der Wolf; und wie der Prinz noch einmal
zudrückte, erhob der Riese ein klägliches Gewinsel und bat und fleh'te
um sein Leben; er wolle auch Alles thun, was der Königssohn verlangte,
wenn er ihm bloß nicht das Herz entzwei drücken wollte, sagte er. »Sage
ihm, wenn er Deine sechs Brüder, die er in Stein verwandelt hat, wieder
in Prinzen umschafft, und ihre Bräute in Prinzessinnen, dann solle er
das Leben behalten,« sagte der Wolf; und das that der Prinz. Ja, dazu
war der Troll sogleich bereit: er verwandelte die sechs Brüder wieder in
Prinzen, und ihre Bräute wieder in Prinzessinnen. »Drück jetzt das Ei
entzwei!« sagte der Wolf. Nun drückte Aschenbrödel das Ei entzwei, und
da barst der Riese mitten von einander. Wie sie ihn nun quitt waren,
ritt Aschenbrödel wieder zurück nach dem Bergschloß. Da standen alle
seine sechs Brüder mit ihren Bräuten frisch und gesund vor ihm, und
Aschenbrödel ging in den Berg und holte sich die Prinzessinn, die wurde
nun _seine_ Braut, und darauf reis'ten sie alle mit einander zurück nach
dem Schloß des Königs. Wie nun der alte König alle seine sieben Söhne
mit ihren Bräuten ankommen sah, da freu'te er sich nicht wenig, kannst
Du glauben; aber die schönste von allen Prinzessinnen war doch die Braut
von Aschenbrödel, und er mußte sich mit ihr bei Tafel oben an setzen.
Darauf hielten alle Prinzen Hochzeit mit ihren Bräuten, und es wurde
gegastet und gejubelt viele Tage lang, und haben sie nicht ausgejubelt,
so jubeln sie wohl noch.




7.

Die Grimsschecke.


Es waren einmal ein Paar reiche Leute, die hatten zwölf Söhne. Als der
jüngste von ihnen herangewachsen war, wollte er nicht länger zu Hause
bleiben, sondern wollte fort in die Welt und sein Glück versuchen. Die
Ältern sagten, er hätte es ja gut bei ihnen, warum er denn nicht zu
Hause bleiben wollte. Aber er hatte keine Ruhe, er wollte und mußte
fort, und da ließen sie ihn denn endlich reisen. Als er nun eine
Zeitlang umhergewandert war, kam er auch zu einem Königsschloß; da bat
er um einen Dienst, und den erhielt er auch.

Die Tochter des Königs von diesem Lande aber wurde von einem Trollen in
einem Berg zurückgehalten, und der König hatte nicht mehr Kinder, als
nur diese einzige Tochter. Darum war er und mit ihm das ganze Land in
großer Sorge und Betrübniß, und der König hatte Demjenigen, der sie
befreien könnte, die Prinzessinn und das halbe Reich versprochen; aber
es war Niemand, der das konnte, obwohl Viele es versuchten. Als der
Bursch ein Jahr, oder so ungefähr, da gewesen war, wollte er wieder
nach Hause und seine Ältern besuchen; wie er aber zu Hause ankam, waren
seine Ältern in der Zeit gestorben, und die Brüder hatten die Erbschaft
unter sich getheilt, so daß nun Nichts mehr für den Burschen übrig
war. »Soll ich denn Nichts haben?« sagte der Bursch. »Konnten wir denn
wissen, daß Du noch am Leben warst, der Du so lange herumgestreift
bist?« sagten die Brüder: »Aber es mag drum sein: Oben in der Bergkoppel
gehen zwölf Stuten, die wir noch nicht getheilt haben; willst Du die für
Deinen Theil haben, so kannst Du sie nehmen.« Ja, damit war der Bursch
wohlzufrieden und begab sich sogleich nach der Bergkoppel, wo die zwölf
Stuten gras'ten. Wie er hinkam, hatte jede Stute ihr Saugfüllen; das
schönste Füllen hatte aber doch die eine Stute, das war ein großes
scheckiges Füllen und so fett und so gut bei Leibe, daß es glänzte. »Du
bist ein schönes Thierchen,« sagte der Bursch. »Ja, aber willst Du die
andern Füllen todtschlagen, so daß ich alle Stuten ein ganzes Jahr
saugen kann, dann sollst Du mal sehen, wie groß und schön ich werde,«
sagte das Füllen. Das that denn der Bursch auch: er schlug alle die
andern Füllen todt, und darauf ging er fort.

Als er das nächste Jahr wiederkam und sich nach seinem Füllen und seinen
Stuten umsehen wollte, da war das Füllen so fett geworden, daß es glänzte
und blinkerte, und so groß war es, daß der Bursch nur mit genauer
Noth hinaufkommen konnte; alle Stuten aber hatten wieder ihr Füllen
bekommen. »Ja, es ist wahr, es hat sich gut gelohnt, daß ich Dich alle
zwölf Stuten saugen ließ,« sagte der Bursch zu dem Einjährigen: »aber
jetzt bist Du groß genug, nun muß ich Dich mithaben.« -- »Nein, laß mich
noch ein Jahr dazu gehen,« sagte das Füllen: »schlag' wieder die zwölf
andern Füllen todt, daß ich auch dieses Jahr alle zwölf Stuten saugen
kann; dann sollst Du mal sehen, wie groß und schön ich den nächsten
Sommer bin.« Der Bursch that wieder, wie das Füllen ihm sagte; und als
er das nächste Jahr in die Koppel kam, da hatte wieder jede Stute ihr
Saugfüllen; das scheckige Füllen aber war so groß geworden, daß der
Bursch gar nicht mehr hinauf konnte, und so fett und so blank war es,
daß es nur so glitzerte. »Groß und schön warst Du voriges Jahr,« sagte
der Bursch: »aber dieses Jahr bist Du noch stattlicher; ein solches
Füllen giebt es nicht in des Königs Schloß. Aber nun muß ich Dich mit
mir haben.« -- »Nein,« sagte die Schecke: »laß mich noch ein Jahr dazu
gehen! schlage wieder die zwölf andern Füllen todt, so daß ich auch noch
dieses Jahr alle Stuten saugen kann; dann sollst Du mich mal sehen zum
nächsten Sommer!« Der Bursch that wieder, wie das Scheckenfüllen ihm
sagte, schlug alle die andern Füllen todt, und damit ging er fort.

Als er aber nun das nächste Jahr wiederkam, und sich nach seinem Füllen
und seinen Stuten umsehen wollte, da war der Bursch ganz erschrocken. So
groß und so schwer, hatte er nie geglaubt, daß ein Pferd werden könnte;
denn die Schecke mußte sich auf allen Vieren niederlegen, wenn der Bursch
hinaufsteigen wollte, und dann hatte er noch Genug zu thun, daß er
nur hinaufkam; und so fett und so quabbelig war sie geworden, daß sie
glänzte und blitzte wie ein Spiegel; und das Mal hatte die Schecke
Nichts dagegen einzuwenden, daß der Bursch sie mitnahm. Er setzte sich
auf sie und ritt mit ihr nach Hause zu seinen Brüdern; die schlugen die
Hände über dem Kopf zusammen und kreuzten sich, denn ein solches Pferd
hatten sie weder gesehen, noch davon reden gehört. »Es mag drum sein,«
sagte der Bursch: »wollt Ihr mir einen so schönen Beschlag unter mein
Pferd, und so schönen Sattel und so schönes Gebiß verschaffen, als man's
nur haben kann, so mögt Ihr alle zwölf Stuten nehmen, so wie sie da in
der Koppel gehen, und ihre zwölf Füllen dazu« -- denn das Jahr hatte
jede Stute wieder ein Füllen bekommen. -- Ja, das wollten die Brüder
gern; und nun bekam der Bursch einen solchen Beschlag unter sein Pferd,
daß die Kiesel in die Luft flogen, wenn er über den Berg ritt, und einen
solchen Goldsattel und ein solches Goldgebiß, daß man den Glanz davon
schon von weitem sah. »Laß uns jetzt nach des Königs Schloß reisen!«
sagte die _Grimsschecke_ -- denn so hieß das Pferd --: »aber Du musst
den König um guten Stallraum und gutes Futter für mich bitten.« Ja, er
wollt's nicht vergessen, sagte der Bursch, und damit ritt er fort, daß
die Funken stoben; und da kannst Du Dir wohl denken, daß sie eben nicht
lange Zeit gebrauchten, um nach dem Schloß zu kommen.

Wie der Bursch dort ankam, stand der König draußen auf der Treppe; er
guckte und guckte und konnte nicht begreifen, was Das für Einer war, der
da geritten kam. »Nein!« sagte er: »einen solchen Kerl und ein solches
Pferd hab' ich noch mein Lebtag nicht gesehen!« Als darauf der Bursch
ihn fragte, ob er nicht einen Dienst im Schloß bekommen könnte, ward der
König so froh, daß er hüpfte und sprang, und da konnt' es denn nicht
fehlen, daß der Bursch einen Dienst bekam. »Ja, aber guten Stallraum für
mein Pferd will ich haben, und gutes Futter auch,« sagte der Bursch. Ja,
Stallraum für sein Pferd sollte er bekommen, und Hafer und Heu so viel
es nur verdelgen könnte; und darauf mußten die andern Ritter alle ihre
Pferde aus dem Stall führen; denn der sollte für die Grimsschecke allein
bleiben, damit sie gut Platz drin hätte.

Und nun, kannst Du Dir wohl denken, dauerte es nicht lange, daß die
Andern im Schloß neidisch wurden auf den Burschen, und nicht wußten,
was sie ihm all für Schabernack anthun sollten, wenn sie bloß gedurft
hätten. Endlich verfielen sie darauf, zu dem König zu sagen, der Bursch
habe sich gerühmt, die Prinzessinn befreien zu können, die der Troll bei
sich im Berg eingeschlossen halte, wenn er bloß wollte. Sogleich ließ
der König ihn zu sich rufen und sagte, so und so hätte er gesagt, und
nun sollte er Wort halten; könnte er es, so wüßte er wohl, daß er dann
die Prinzessinn und das halbe Reich haben solle, und das sollt' er denn
auch redlich bekommen; könnte er es aber nicht, so solle er das Leben
verlieren. Der Bursch sagte zwar, nein, das hätt' er nicht gesagt; aber
es half nichts, der König wollte auf dem Ohr nicht hören, und es war
kein andrer Rath für den Burschen, er mußte es versuchen. Er ging nun
hinunter nach dem Stall und war ganz traurig und muthlos. Die Grimsschecke
fragte ihn, Was ihm fehle, und da erzählte ihr denn der Bursch, Was der
König von ihm verlangte, und sagte, er wüßte nicht, wie er das anfangen
sollte, denn die Prinzessinn zu befreien, meinte er, wäre wohl ein Ding
der Unmöglichkeit. »Die Sache ist gar nicht so gefährlich,« sagte
die Grimsschecke: »ich will Dir schon helfen, aber Du musst mich gut
beschlagen lassen. Zwanzig Pfund Eisen und zwölf Pfund Stahl musst Du
verlangen, und einen Schmied zum Schmieden, und einen zum Beschlagen.«
Ja, das that der Bursch, und der König sagte nicht Nein, sondern gab ihm
Eisen und Stahl und zwei Schmiede, und die Grimsschecke wurde beschlagen
hinten und vorn, und darauf ritt der Bursch aus dem Schloß, daß der
Staub aufwirbelte. Als er aber nun zu dem Berg kam, galt es, die steile
Wand hinaufzukommen; denn die war so schroff, wie eine Mauer, und so
glatt, wie ein Spiegel. Bei dem ersten Anlauf kam der Bursch ein Ende
hinauf; aber da glitt die Grimsschecke mit den beiden Vorderfüßen aus,
und wieder herunter, daß es donnerte und krachte. Beim zweiten Anlauf
kam er ein Ende weiter hinauf; aber da glitt die Grimsschecke wieder mit
dem einen Vorderbein aus, und herunter, daß der alte Berg bebte. Das
dritte Mal sagte die Grimsschecke: »Jetzt muß es werden!« und damit
legte sie los, daß die Steine in die Wolken flogen, und das Mal kam
sie hinauf. Nun ritt der Bursch in vollem Galopp, erschnappte die
Königstochter und nahm sie vor sich auf den Sattel, und eh' der Troll
sich noch recht besann, waren sie auf und davon -- wenn ich aber nicht
irre, so lag der Troll damals und schlief -- und nun war die Prinzessinn
befrei't.

Als jetzt der Bursch zurückkam auf's Schloß, freu'te sich der König
nicht wenig, kannst Du glauben. Wie dem nun aber auch sein mochte, so
hatten die Andern auf dem Schloß dem König Allerlei vorgeredet, so daß
er gleichwohl zornig war auf den Burschen. »Ich danke Dir, daß Du meine
Tochter befrei't hast« -- das war Alles, was er sagte, und damit wollte
er seines Weges gehen. Der Bursch aber sagte: »Sie ist jetzt eben so gut
_mein_, als _Dein_, denn ich hoffe doch, daß Du ein Mann von Wort bist.«
-- »Nun ja,« sagte der König: »Du sollst sie haben, weil ich es Dir
versprochen habe; aber erst musst Du machen, daß die Sonne in mein
Schloß scheint« -- denn es lag ein großer Berg vor dem Schloßfenster,
der schattete, so daß die Sonne nicht hineinscheinen konnte. -- »Das war
nun freilich nicht mit im Accord,« sagte der Bursch: »aber es hilft
nicht, ich muß nur mein Bestes versuchen; denn die Prinzessinn wollt'
ich doch gern haben.« Er ging nun wieder hinunter zu der Schecke und
erzählte ihr, Was der König von ihm verlangte; die Grimsschecke meinte,
die Sache sei eben nicht so gefährlich; aber einen neuen Beschlag unter
den Füßen müßte sie haben, sagte sie, und dazu müßten zwanzig Pfund
Eisen und zwölf Pfund Stahl, und zwei Schmiede, einen zum Schmieden, und
einen zum Beschlagen, dann sollte schon nachher die Sonne in's Schloß
scheinen. Der Bursch bekam Alles, was er verlangte, denn das konnte der
König Schanden halber ihm nicht versagen, und es wurde nun ein neuer
Beschlag unter die Grimsschecke gelegt, und der war nicht schlecht. Wie
das geschehen war, setzte der Bursch sich auf, und bei jedem Schritt,
den die Grimsschecke that, sank der Berg dreißig Fuß tief in die Erde,
und das dauerte so lange fort, bis Nichts mehr vom Berg zu sehen war.

Wie nun der Bursch zurück nach dem Schloß kam, fragte er den König, ob
er ihm jetzt die Prinzessinn geben wolle; denn nun wisse er nicht
anders, sagte er, als daß die Sonne ins Schloß scheine. Aber da hatten
die Andern dem König wieder Allerlei vorgeredet, und er sagte zu dem
Burschen, die Prinzessinn sollte er allerdings haben, denn er hätte
seinen Sinn nicht geändert; aber erst sollte er ihm ein so stattliches
Brautpferd schaffen, als er ein Bräutigamspferd hätte, das wäre nicht
mehr, als billig. Der Bursch sagte, davon hätte der König nicht
gesprochen, und er meine, er habe die Prinzessinn jetzt verdient. Aber
der König blieb bei Dem, was er gesagt hatte; und wenn er ihm nicht ein
solches Brautpferd schaffen könne, sagte er: dann solle er das Leben
dazu verlieren. Der Bursch ging nun in den Stall, aber ganz traurig und
muthlos, und erzählte der Grimsschecke, wie der König von ihm verlange,
er solle der Prinzessinn ein so stattliches Brautpferd verschaffen, als
er ein Bräutigamspferd hätte, sonst solle er das Leben verlieren. »Wie
soll das aber angehen?« sagte er: »denn Deinesgleichen giebt es wohl
nicht mehr in der Welt.« -- »Ja, es giebt Meinesgleichen,« sagte die
Grimsschecke: »aber es hält schwer, sie zu bekommen, denn sie ist in der
Hölle; wir wollen indeß unser Bestes versuchen.« -- »Und Was muß ich
denn thun?« fragte der Bursch. »Erst musst Du zum König gehen,« sagte
die Grimsschecke: »und einen neuen Beschlag unter meinen Füßen verlangen,
und dazu müssen zwanzig Pfund Eisen und zwölf Pfund Stahl, und zwei
Schmiede, einer zum Schmieden, und einer zum Beschlagen, aber sieh ja
zu, daß die Eisen gut scharf werden; und dann musst Du zwölf Tonnen
Rocken und zwölf Tonnen Gerste verlangen, und zwölf geschlachtete
Ochsen müssen wir haben, dazu alle zwölf Ochsenhäute und in jeder Haut
zwölfhundert Lattenspiker; denn alles das müssen wir gebrauchen.«
Der Bursch ging nun hinauf zum König und verlangte Alles, so wie die
Grimsschecke ihm gesagt hatte, und der König konnte Schanden halber es
ihm nicht verweigern, sondern mußte ihm Alles geben.

Als nun die Grimsschecke gehörig beschlagen war, setzte der Bursch sich
auf und ritt aus dem Schloßhof. Wie er nun ein weites, weites Ende
geritten war über Berge und über Hügel, da fragte die Schecke ihn:
»Hörst Du Etwas?« -- »Ja,« sagte der Bursch: »ich höre ein gewaltiges
Sausen oben in der Luft, so daß mir angst und bange wird.« -- »Das
sind alle die wilden Vögel des Waldes, die geflogen kommen,« sagte die
Grimsschecke, »die sind ausgesandt, um uns aufzuhalten; aber schneide
jetzt ein Loch in die Kornsäcke, dann haben sie Genug zu thun mit dem
Korn und vergessen darüber uns.« Das that nun der Bursch: er schnitt
ein Loch in die Kornsäcke, so daß der Rocken und die Gerste auf allen
Seiten herauslief. Da kamen alle die wilden Vögel des Waldes in so
großer Menge, daß die Sonne davon verdunkelt ward; als sie aber das
Korn erblickten, schossen sie herunter und fingen an, die Rocken- und
Gerstenkörner aufzupicken; und zuletzt, glaub' ich, schlugen sie sich
sogar; doch das kann ich nicht mit Gewißheit sagen; aber so viel weiß
ich wohl, daß sie dem Burschen und der Grimsschecke Nichts thaten, denn
die hatten sie ganz vergessen.

Nun ritt der Bursch wieder eine lange Strecke, über Berge und Thäler,
durch Sumpf und Moor; da horchte plötzlich die Grimsschecke auf und
fragte den Burschen: »Hörst Du Etwas?« -- »Ja, ich höre ein entsetzliches
Krachen im Walde von allen Seiten her, so daß mir angst und bange wird,«
sagte der Bursch. »Das sind alle die wilden Thiere des Waldes,« sagte
die Grimsschecke: »die sind ausgeschickt, um uns aufzuhalten; aber wirf
jetzt nur die Rümpfe von den zwölf Ochsen hinaus, dann bekommen sie
Genug zu thun und vergessen uns.« Da warf der Bursch die Rümpfe hinaus,
und nun kamen alle wilden Thiere, so viel ihrer im Wald waren: Bären,
Wölfe, Löwen und andre Ungeheuer; als sie aber die Ochsenrümpfe sahen,
fielen sie alle darauf her und fingen an, sich zu schlagen, daß das Blut
floß; den Burschen aber und die Grimsschecke vergaßen sie ganz.

Darauf ritt der Bursch wieder ein weites, weites Ende, und die Wolken
flogen ihm jeden Augenblick vorüber; denn mit der Grimsschecke ging es
nicht langsam, wie man sich wohl denken kann. Plötzlich aber fing die
Schecke an zu wiehern und fragte: »Hörst Du Etwas?« -- »Ja, ich höre in
der Ferne ein leises Wiehern wie von einem Füllen,« sagte der Bursch.
»Nun, das war eben kein kleines Füllen,« sagte die Schecke: »es hört
sich nur so leise an, weil es noch so weit weg ist.« Darauf reis'ten sie
ein gutes Ende weiter. Endlich wieherte die Grimsschecke wieder. »Hörst
Du Etwas?« fragte sie. »Ja, nun hör' ich es deutlich wiehern, wie ein
großes Pferd,« sagte der Bursch. »Ja, Du musst es noch einmal hören,«
sagte die Schecke: »dann wirst Du's schon gewahr werden.« Nun reis'ten
sie wieder ein gutes Ende weiter; da wieherte die Grimsschecke zum
dritten Mal; aber ehe sie noch den Burschen fragen konnte, ob er Etwas
höre, wieherte es auf der Senne, daß der Bursch dachte, der alte Berg
würde bersten. »Nun ist es hier!« sagte die Grimsschecke: »Wirf jetzt
geschwind die Ochsenhäute mit den Lattenspikern auf mich, und die
Theertonne wirf auf die Erde, und dann klettre auf die große Tanne da.
Wenn dann das Pferd kommt, schnaubt es Feuer aus beiden Nüstern und
zündet die Theertonne an. Alsdann gieb wohl Acht: wenn die Flamme
_steigt_, so gewinne ich; _fällt_ sie, so verliere ich. Siehst Du
aber, daß ich gewinne, so wirf ihm schnell meinen Zaum über, dann
ist es zahm.« Kaum hatte der Bursch die Häute mit den Spikern auf die
Grimsschecke geworfen, die Theertonne auf die Erde gerollt und war auf
die Tanne geklettert, so kam das Pferd an, daß ihm die Flammen aus
beiden Nüstern fuhren, und sogleich fing die Theertonne Feuer. Darauf
begann die Grimsschecke einen Kampf mit dem andern Pferd, daß die Steine
bis an den Himmel flogen, sie bissen sich und schlugen aus mit den
Vorder- und den Hinterbeinen. Der Bursch sah bald nach ihnen, bald nach
der Theertonne, und endlich _stieg_ die Flamme; denn wo das andre Pferd
auch beißen und schlagen mochte, so traf es immer nur die Häute mit
den Spikern, und da mußte es sich denn endlich geben. Als der Bursch
das sah, sprang er schnell vom Baum herunter, nahm den Zaum von der
Grimsschecke und warf ihn auf das andre Pferd, und da war es so zahm,
daß er es mit einem Zwirnsfaden lenken konnte, und eben so scheckig
war es wie das Grimsfüllen, so daß man sie nicht von einander zu
unterscheiden vermochte. Nun setzte der Bursch sich auf das neue Pferd
und ritt wieder zurück nach dem Königsschloß, und die Grimsschecke lief
neben ihm her. Als er beim Schloß ankam, stand der König draußen auf dem
Hof. »Kannst Du mir jetzt sagen, was für ein Pferd ich gefangen habe,
und was für eins ich hatte?« sagte der Bursch: »kannst Du es nicht, so
gehört Deine Tochter mir.« Der König betrachtete beide Schecken von
unten bis oben; aber es war kein Haar anders an der einen, als an der
andern. »Nein,« sagte der König: »das kann ich nicht. Meine Tochter hast
Du jetzt, da Du ihr ein so stattliches Brautpferd verschafft hast, Dir
erworben; aber erst müssen wir sehen, ob es auch so bestimmt ist, daß
Du sie haben sollst: Meine Tochter soll sich zweimal verstecken, und
nachher sollst Du Dich auch zweimal verstecken; kannst Du sie nun
die beiden Male finden, aber sie nicht jedesmal Dich, dann ist es so
bestimmt, daß Du sie haben sollst.« -- »Das steht nun freilich auch
nicht mit im Accord,« sagte der Bursch: »aber weil's denn so sein muß,
wollen wir's versuchen.«

Nun sollte die Königstochter sich zuerst verstecken, und da verwandelte
sie sich in eine Ente und schwamm auf dem Wasser, das dicht bei dem
Schloß war. Der Bursch aber ging hinunter in den Stall und fragte die
Grimsschecke, wo sie sich versteckt hätte. »O, Du brauchst nur Dein
Gewehr zu nehmen und nach der Ente zu zielen, die auf dem Wasser
schwimmt,« sagte die Grimsschecke: »dann wird sie schon zum Vorschein
kommen.« Da nahm der Bursch sein Gewehr und ging damit nach dem Wasser.
»Ich will doch mal die Ente kappen,« sagte er und fing an zu zielen.
»Nein, nein! schieß nicht! das bin _ich_!« sagte die Prinzessinn; und
nun hatte er sie das erste Mal gefunden. Das zweite Mal verwandelte die
Prinzessinn sich in ein Brod und lag auf dem Tisch zwischen vier andern
Broden, und alle waren ganz gleich, so daß Keiner sie zu unterscheiden
vermochte. Aber der Bursch ging wieder in den Stall zu der Grimsschecke
und fragte, wo er jetzt wohl die Prinzessinn suchen sollte. »O, nimm
bloß ein Brodmesser und wetze es tüchtig und thu dann, als ob Du das
Brod, das, von der Linken gezählt, das dritte unter den vier andern
ist, die auf dem Küchentisch liegen, anschneiden wolltest,« sagte die
Grimsschecke: »dann wird sie schon zum Vorschein kommen.« Da ging der
Bursch in die Küche und nahm das größte Brodmesser, das er finden
konnte, und wetzte es tüchtig; dann ergriff er das Brod, welches, von
der Linken gezählt, das dritte unter den vier andern war, und setzte
das Messer an, als ob er's mitten durchschneiden wollte. »Ich muß mir
doch mal einen Knorren von diesem Brod abschneiden,« sagte er. »Nein,
schneide nicht! das bin _ich_!« sagte die Prinzessinn; und nun hatte er
sie auch das zweite Mal gefunden.

Jetzt sollte der Bursch sich verstecken; da sagte ihm aber die
Grimsschecke so guten Bescheid, daß er nicht leicht zu finden war.
Zuerst verwandelte er sich in eine Roßmücke und verbarg sich in die
linke Nüster der Grimsschecke. Die Prinzessinn ging und suchte überall,
und zuletzt wollte sie auch in den Raum hinein, wo die Grimsschecke
stand; aber die fing an zu beißen und um sich zu schlagen, daß sie sich
nicht nahen durfte, und da konnte sie ihn denn nicht finden. »Nein, ich
kann Dich nicht finden,« rief sie: »komm nur hervor!« und sogleich stand
der Bursch vor ihr in dem Stall. Das zweite Mal verwandelte er sich in
einen Klumpen Erde und legte sich zwischen den Huf und das Eisen an dem
linken Vorderfuß der Schecke. Die Königstochter ging wieder überall herum
und suchte, und zuletzt kam sie auch in den Stall und wollte wieder in
den Raum zu der Grimsschecke. Diesmal durfte sie sich auch nahen; aber
unter den Huf konnte sie nicht kommen, denn die Schecke stand allzu fest
auf ihren Beinen. Da ihr nun alles Suchen nichts half, sagte sie endlich;
»Komm nur hervor! denn ich kann Dich doch nicht finden,« und da stand
der Bursch sogleich wieder neben ihr im Stall. »Nun ist sie _mein_,«
sagte er zum König: »denn nun kannst Du sehen, daß es so bestimmt ist.«
-- »Ja, wenn es denn so bestimmt ist, so muß es wohl so bleiben,« sagte
der König. Und darauf wurde augenblicklich die Hochzeit gehalten; und
der Bursch setzte sich auf die Grimsschecke, und die Prinzessinn auf die
andre Schecke, und da kannst Du Dir denn wohl vorstellen, daß sie eben
nicht lange Zeit gebrauchten, um nach der Kirche zu kommen; und sie
lebten hiernach glücklich und vergnügt mit einander.




8.

Es hat keine Noth mit Dem, in welchen alle Weiber verliebt sind.


Es waren einmal drei Brüder; nun weiß ich nicht recht, wie das zugegangen
war, aber jeder von ihnen hatte einen Wunsch bekommen, so daß er sich
wünschen konnte, Was er wollte. Die beiden ältesten bedachten sich nicht
lange, sondern wünschten sich, daß es ihnen nie an Geld fehlen möchte,
so oft sie in die Tasche griffen; »denn wenn Einer immer Geld hat,«
sagten sie: »so kommt er schon fort in der Welt.« Der jüngste dagegen
wünschte sich, daß alle Weiber sich in ihn verlieben müßten, sobald sie
ihn sähen, sie möchten nun wollen, oder nicht; und das, sollst Du mal
hören, war weit besser, als Geld und Gut. Sobald die Brüder ihre Wünsche
gethan hatten, wollten die beiden ältesten fort in die Welt. Aschenbrödel
bat sie, ihn mit sich zu nehmen, aber von dem wollten die Andern Nichts
wissen. »Wo wir hinkommen, werden wir überall empfangen wie Grafen und
Prinzen,« sagten sie: »aber Du, der Du gar Nichts hast, Wer wollte sich
wohl um Dich bekümmern?« -- »Aber Ihr könnt mich darum ja gern mit Euch
reisen lassen,« sagte Aschenbrödel: »denn es wird wohl immer auch ein
Bissen für mich abfallen, wenn ich bei so hohen Herrschaften bin.«
Endlich und zuletzt erlaubten sie ihm denn, mitzureisen, wenn er ihr
Diener sein wollte, und darauf ging Aschenbrödel auch ein.

Als sie nun einen Tag, oder so ungefähr, gereis't waren, kamen sie zu
einem großen Gasthause; da kehrten die beiden ältesten Brüder, welche
Geld hatten, ein, und verlangten frischweg Braten und Fische und
Branntwein und Meth und Alles, was gut schmeckt; Aschenbrödel aber, der
Nichts hatte, mußte draußen im Hof bleiben und auf die Pferde und das
Gepäck der vornehmen Herren Acht geben, denn er war nun ihr Diener. Wie
er aber da im Hofe auf- und abging, bemerkte die Frau des Gastwirths ihn
durch das Fenster, und ein so schöner Bursch, däuchte ihr, wär' ihr noch
nicht vorgekommen; sie guckte und guckte, und je länger sie den Burschen
ansah, desto schöner kam er ihr vor. »Was Teufel hast Du da zu stehen
und zu glotzen!« sagte der Mann: »mir däucht, es wäre besser, Du säh'st
zu, daß das Spanferkel gut gebraten würde, als daß Du da stehst und
glotzäugst; Du weißt wohl, was für Herrschaften wir heut zu bewirthen
haben.« -- »Ach, ich schere mich den Henker um das vornehme Pack!« sagte
die Frau: »wollen sie nicht bleiben, so können sie wieder hinreisen, wo
sie hergekommen sind. Aber komm mal her und sieh bloß Den, der auf dem
Hof geht! einen so schmucken Burschen hab' ich noch mein Lebtag nicht
gesehn; willst Du, wie ich, so bitten wir ihn herein und tractiren ihn;
denn der arme Schelm hat wohl nicht Viel übrig.« -- »Weib, hast Du denn
ganz Dein Bischen Verstand verloren?« sagte der Mann und war so zornig,
daß ihm die Augen im Kopf glüh'ten. »Fort mit Dir in die Küche!« rief
er: »und stehe nicht hier und äugle nach fremden Kerls!« Da war nun
kein andrer Rath für die Frau, sie mußte wieder in die Küche und das
Essen bereiten; nach dem Burschen aber durfte sie sich nicht weiter
umsehen, und ihn tractiren durfte sie noch weniger. Da ersah sie aber
die Gelegenheit und machte sich ein Geschäft in dem Hof, und nun schenkte
sie Aschenbrödel eine Schere, die hatte die Eigenschaft, daß er sich
damit die schönsten Kleider von Sammt und von Seide herabschneiden
konnte, wenn er bloß damit in die Luft schnitt. »Die will ich Dir
schenken, weil Du ein so schmucker Bursch bist,« sagte sie.

Als nun die beiden andern Brüder ihr Spanferkel und all das Gesottene
und Gebratene verzehrt hatten, reis'ten sie weiter, und Aschenbrödel
stand wieder als ihr Diener hinten auf dem Wagen. Nach sechs oder sieben
Stunden kamen sie zu einem andern Gasthause, und da kehrten die beiden
ältesten wieder ein; aber Aschenbrödel, der kein Geld hatte, mußte
draußen im Hof bleiben und auf ihre Sachen Acht geben. »Wenn Jemand Dich
fragt, Wer wir sind, so sage nur, wir wären zwei fremde Prinzen,« sagten
sie zu ihm. In diesem Gasthause ging es nun ungefähr wieder eben so,
wie in dem vorigen. Die Wirthsfrau kam ans Fenster und sah Aschenbrödel
auf dem Hof stehen, und da ward sie eben so verliebt in ihn, wie die
Frau des ersten Gastwirths, und sie konnte sich gar nicht satt an ihm
sehen. Als aber ihr Mann darauf zukam, sagte er: »Steh doch nicht da und
glotze, wie eine Kuh, die das neue Thor betrachtet, sondern scher' Dich
fort in die Küche zu Deinem Fischgrapen; denn Du weißt wohl, was wir
heut für Leute zu bewirthen haben.« -- »Ach, ich bekümmre mich den Henker
um das vornehme Pack!« sagte die Frau: »wenn's ihnen bei uns nicht gut
genug ist, so können sie ja hingehen, wo's ihnen besser gefällt. Aber
komm mal her und sieh den hübschen Burschen, der da draußen im Hof
steht; noch in meinem Leben hab' ich keinen so hübschen Menschen
gesehen. Willst Du, wie ich, so nöthigen wir ihn herein zu uns und
tractiren ihn; der arme Teufel kann's nöthig haben.« -- »Viel Verstand
hast Du nie gehabt, Frau,« sagte der Mann: »und das Bischen, das Du
hattest, glaub' ich, hast Du jetzt auch verloren. -- Fort mit Dir in
die Küche! und steh nicht länger da und guck nach dem fremden Kerl
aus!« rief er und war noch weit zorniger, als der erste Gastwirth. Sie
mußte nun wieder hinaus zu ihrem Fischgrapen, und so gern sie auch den
Burschen tractirt hätte, so durfte sie's doch nicht wagen, denn sie
fürchtete sich vor ihrem Mann. Da ersah sie aber die Gelegenheit und
machte sich ein Geschäft in dem Hof, und nun schenkte sie Aschenbrödel
ein Tuch, das hatte die Eigenschaft, daß es sich aufdeckte mit den
schönsten Gerichten, die man sich nur wünschen kann, wenn er es bloß aus
einander legte. »Das sollst Du haben, weil Du ein so schmucker Bursch
bist,« sagte die Wirthsfrau zu Aschenbrödel. Der bedankte sich und war
seelenvergnügt; denn ein solches Tuch, kannst Du wohl denken, war
besser, als viel Geld.

Nachdem nun die beiden Brüder gegessen und getrunken und Alles theuer
bezahlt hatten, reis'ten sie weiter, und Aschenbrödel stand wieder
hinten auf. Als sie so lange gereis't waren, bis sie wieder hungrig
wurden, kehrten sie in ein sehr vornehmes Gasthaus ein und verlangten
das Theuerste und Beste, was es gab. »Wir sind zwei reisende Könige,«
sagten sie: »und Geld haben wir wie Heu.« Als der Gastwirth das hörte,
ging es an ein Kochen und Braten, daß man's zehn Häuser davon bei den
Nachbaren riechen konnte. Aschenbrödel aber mußte wieder in dem Hof
bleiben und auf die Sachen Acht geben. Hier ging's ihm nun ungefähr eben
so, wie in den beiden vorigen Gasthöfen. Die Wirthsfrau sah durch das
Fenster den Diener, der draußen beim Wagen stand, und ein so schmucker
Bursch war ihr denn auch noch nicht vorgekommen; sie sah und sah, und
je länger sie ihn ansah, desto schöner, däuchte er ihr. Als aber der
Gastwirth kam und sie da stehen und gucken sah, sagte er: »Hast Du denn
nichts Besseres zu thun, als daß Du da stehst und guckäugelst? Weißt Du
denn nicht, was für Leute wir im Hause haben? Fort mit Dir in die Küche
zum Grützkessel, und das den Augenblick!« »Ach, es ist wohl nicht so
gefährlich,« sagte die Frau. »Wollen sie nicht warten, bis die Grütze
fertig ist, so können sie ja wieder reisen; es hält sie Niemand auf.
Aber komm mal her, dann sollst Du Was zu sehen kriegen. Sieh mal da
auf dem Hof! Ein so schmucker Bursch, sag' ich Dir, ist mir noch
nicht vorgekommen. Willst Du, wie ich, so nöthigen wir ihn herein
und tractiren ihn; denn er scheint's wohl nöthig zu haben.« -- »Ein
manntolles Weib bist Du all Dein Lebtag gewesen, und das bist Du auch
noch,« sagte der Mann und war entsetzlich böse: »Machst Du aber nicht
den Augenblick, daß Du hinauskommst zum Grützkessel, so sollst Du sehen,
wie ich Dir Beine machen werde!« Die Frau mußte nun wieder hinaus in die
Küche, denn sie wußte wohl, daß der Mann nicht mit sich scherzen ließ.
Nach einer Weile aber ersah sie die Gelegenheit, schlüpfte hinaus in
den Hof und schenkte Aschenbrödel einen allerliebsten Zapfhahn. »Wenn
Du bloß den Hahn umdreh'st,« sagte sie: »so bekommst Du die schönsten
Getränke, die Du Dir wünschest: Meth, Wein und auch Branntwein; Das will
ich Dir schenken, weil Du ein so schmucker Bursch bist.« Aschenbrödel
bedankte sich und war seelenvergnügt; denn ein solcher Zapfhahn war
nicht schlecht, kannst Du glauben.

Als nun die beiden Brüder ihre Mahlzeit verzehrt hatten, reis'ten sie
wieder fort, und Aschenbrödel stand wieder hinten auf dem Wagen. Sie
reis'ten nun ein weites Ende, und endlich kamen sie zu einem Königsschloß;
da gaben die beiden ältesten sich aus für zwei Kaisersöhne; und weil
sie viel Geld hatten und so stattlich gekleidet waren, wurden sie auf
das beste empfangen; sie mußten auf dem Schloß wohnen, und der König
wußte nicht, Was er ihnen alles zu Ehren thun wollte. Aber Aschenbrödel,
der noch dieselben Lumpen anhatte, die er von Hause mitgenommen, wurde
von der Schloßwache auf eine Insel gebracht, nach welcher man alle die
Bettler und Lumpenkerls hinausruderte, die auf's Schloß kamen; denn der
König konnte die Bettler und Lumpenkerls nicht leiden, sie störten nur
die Freude auf dem Schloß, sagte er. Auf der Insel aber bekamen sie nur
grade so Viel zu essen, daß sie sich das Leben damit erhalten konnten.
Die Brüder von Aschenbrödel sahen wohl, daß die Wache mit ihm nach der
Insel hinausfuhr, aber sie waren froh, daß sie ihn los wurden, und
bekümmerten sich nicht weiter um ihn. Als nun Aschenbrödel auf die Insel
zu den andern Bettlern und Lumpenkerls hinauskam, nahm er bloß seine
Schere und schnitt damit in die Luft, und da schnitt er die schönsten
Kleider herab, die man sich wünschen kann, von Sammt und von Seide, für
sie alle zusammen, so daß der gemeinste Bettler auf der Insel weit
stattlicher gekleidet war, als der König selbst und Alle, die auf dem
Schloß waren. Darauf nahm Aschenbrödel sein Tuch und breitete es aus,
und da deckte es sich mit einer Menge der schönsten Gerichte, so daß
Alle daran Mehr, als Genug hatten, und ein solches Gastmahl war noch
nicht gehalten worden auf des Königs Schloß. »Nun seid Ihr aber auch
wohl durstig,« sagte Aschenbrödel, nahm seinen Zapfhahn und dreh'te ihn
herum, und da bekamen alle Bettler auch Genug zu trinken; aber solchen
Meth und solchen Wein hatte der König selber noch in seinem Leben nicht
geschmeckt.

Als nun Die, welche das Essen nach der Bettlerinsel bringen sollten, mit
ihrer kalten Grütze und ihren sauern Molken ankamen -- denn das war das
Essen, was Die auf der Insel erhielten -- so wollten die Bettler es
nicht einmal kosten, worüber Die von dem Schloß sich sehr verwunderten,
aber noch mehr verwunderten sie sich, als sie sahen, wie Alle so stattlich
gekleidet waren, als wären es lauter Kaiser und Päbste gewesen, und sie
glaubten schon, sie wären zu einer unrechten Insel gekommen; als sie
aber besser zusahen, da war's denn doch ganz recht. Nun konnten sie sich
nicht anders denken, als daß Der, den sie gestern hinausgerudert hatten,
den Bettlern all den Staat und die Herrlichkeit verschafft haben müßte;
und als sie zurück aufs Schloß kamen, erzählten sie sogleich, wie Der,
den sie gestern hinausgebracht, alle Bettler so schön und so prächtig
herausgekleidet hätte, daß es nur so tröpfelte von Gold; »und die Grütze
und die Molken, die wir brachten, haben sie nicht einmal angerührt,«
sagten sie: »so hochmüthig waren sie geworden.« Nun hatte aber Einer von
den Leuten des Königs ausspionirt, wie der Bursch eine Schere hatte,
womit er all die schönen Kleider, welche die Bettler bekommen hatten,
aus der Luft geschnitten; das erzählte er sogleich auf dem Schloß und
sagte: »wenn er bloß mit der Schere in die Luft schneidet, so schneidet
er lauter Sammt und Seide herunter.« Als die Prinzessinn das hörte,
hatte sie keine Ruhe, ehe sie den Burschen sah, der die Schere hatte,
die lauter Sammt und Seide aus der Luft schnitt; eine solche Schere wäre
wohl werth zu haben, dachte sie, denn damit könnte sie sich all den Putz
verschaffen, den sie sich wünschte. Sie bat nun den König so lange, bis
dieser hinausschickte nach der Bettlerinsel und den Burschen holen ließ;
als dieser ankam, fragte die Prinzessinn ihn, ob es wahr sei, daß er
eine Schere hätte, die so und so wäre, und ob er ihr die nicht verkaufen
wolle. Ja, eine solche Schere hätte er wohl, sagte Aschenbrödel, aber
verkaufen wolle er sie nicht, und darauf nahm er die Schere und schnitt
damit in die Luft, daß die Sammt- und Seidenstoffe um ihn herumflogen.
»Ja, Du musst mir die Schere durchaus verkaufen,« sagte die Prinzessinn:
»Du kannst dafür verlangen, Was Du willst; denn haben muß ich sie.«
Nein, verkaufen könne er sie auf keine Weise, sagte der Bursch, denn
eine solche Schere bekäm' er nicht leicht wieder. Und während sie nun da
standen und um die Schere disputirten, betrachtete die Prinzessinn den
Burschen genauer, und da däuchte ihr, einen so schönen Menschen hätte
sie noch nie gesehen; darnach handelte sie wieder um die Schere und bat
Aschenbrödel, er möchte sie ihr doch verkaufen, er könne verlangen so
viele hundert Thaler er wolle, sagte sie. »Nein, verkaufen thu ich sie
nicht,« sagte Aschenbrödel: »aber es mag drum sein! willst Du mich eine
Nacht in Deiner Kammer bei der Thür schlafen lassen, so sollst Du sie
haben. Zu Leide will ich Dir Nichts thun,« sagte er: »und wenn Du Dich
fürchtest, so kannst Du gern zwei Mann Wache hinstellen.« Ja, das
wollte die Prinzessinn gern; wenn sie bloß die Schere bekam, so war sie
zufrieden. Und nun schlief Aschenbrödel die Nacht in ihrer Kammer, und
zwei Mann standen dabei Wache. Aber die Prinzessinn bekam nicht viel
Schlaf in die Augen, denn sie mußte die ganze Nacht hindurch Aschenbrödel
ansehen.

Am Morgen ruderte Aschenbrödel wieder hinaus nach der Bettlerinsel.
Als aber Die vom Schloß mit der Grütze und den Molken ankamen, wollte
wieder Keiner davon kosten. Nun hatte aber Einer von des Königs Leuten
ausspionirt, daß der Bursch ein Tuch hatte, das sich mit dem schönsten
Essen deckte, sobald er es nur aus einander legte; und als dieser
zurückkehrte, erzählte er es sogleich der Prinzessinn: »und solchen
Braten und solche Rahmgrütze,« sagte er: »giebt's nicht auf des Königs
Schloß.« Als die Prinzessinn das hörte, erzählte sie es dem König und
bat ihn so lange, bis er nach der Insel schickte und den Burschen holen
ließ. Wie nun Aschenbrödel aufs Schloß kam, wollte die Prinzessinn ihm
durchaus das Tuch abkaufen und bot ihm Geld über Geld; aber Aschenbrödel
wollt's nicht verkaufen für keinen Preis. »Willst Du mich aber die Nacht
auf der Bank vor Deinem Bett schlafen lassen, so sollst Du das Tuch
haben,« sagte er: »zu Leide will ich Dir Nichts thun, und wenn Du Dich
fürchtest, so kannst Du gern vier Mann Wache hinstellen.« Ja, darauf
ging die Prinzessinn sogleich ein; und Aschenbrödel lag nun die Nacht
auf der Bank vor ihrem Bett, und vier Mann standen Wache dabei. Hatte
aber die Prinzessinn die vorige Nacht nicht schlafen können, so konnte
sie es noch weniger diese Nacht; sie lag beständig und sah nur den
Burschen an.

Am Morgen ruderte Aschenbrödel wieder hinaus nach der Bettlerinsel. Als
aber Die vom Schloß mit der Grütze und den Molken ankamen, wollte Keiner
es wieder ansehen, so satt waren sie noch alle von gestern. Das fiel nun
den Leuten vom Schloß weiter nicht auf; jedoch verwunderte es sie, daß
sie noch gar nicht wieder durstig waren. Da bemerkte aber Einer, daß der
Bursch einen Zapfhahn hatte und immer die schönsten Getränke bekam: Meth
und Wein und auch Bier, wenn er bloß den Hahn umdreh'te. Wie nun dieser
zurückkam, erzählte er sogleich weit und breit von dem Zapfhahn des
Burschen: »und solches Bier und solchen Meth hat man nicht auf des
Königs Schloß,« sagte er: »denn das schmeckt noch süßer, als Honig und
Syrup.« Als die Prinzessinn das hörte, wollte sie durchaus den Zapfhahn
haben und ließ dem König nicht eher Ruhe, als bis er nach der Insel
schickte und den Burschen holen ließ.

Als nun Aschenbrödel aufs Schloß kam, fragte die Prinzessinn ihn, ob es
wahr sei, daß er einen Zapfhahn hätte, der so und so wäre. Ja, sagte
Aschenbrödel, einen solchen Zapfhahn hätte er; und als die Prinzessinn
ihm den nun mit aller Gewalt abkaufen wollte, sagte er wieder, verkaufen
könne er ihn auf keine Weise, wenn die Prinzessinn ihm auch das halbe
Reich dafür geben wollte. »Aber es mag drum sein!« sagte er: »willst
Du mich diese Nacht vorn in Deinem Bett schlafen lassen, so sollst
Du meinen Zapfhahn haben; Du kannst meinetwegen gern acht Mann Wache
hinstellen.« -- »Ach nein, das ist nicht nöthig,« sagte die Prinzessinn:
»denn dazu kenne ich Dich jetzt schon genug.« Und nun schlief Aschenbrödel
die Nacht bei der Prinzessinn im Bette, und hatte sie die beiden vorigen
Nächte nicht schlafen können, so that sie diese ganze Nacht kein Auge
zu.

Wie nun Aschenbrödel am Morgen wieder fort wollte nach der Insel, sagte
sie zu ihm: »Wart' noch ein wenig!« lief hinein zum König und bat ihn,
daß er ihr doch den Burschen zum Gemahl geben möchte; denn sie wäre so
verliebt in ihn, sagte sie, daß sie ohne ihn nicht leben könne. »Ei
nun,« sagte der König: »wenn er so herrliche Dinge hat, wie Du mir
erzählst, so ist er ja eben so reich, als Du; nimm ihn also nur hin!« Da
bekam Aschenbrödel die Prinzessinn und das halbe Reich, und das andere
halbe Reich sollte er nach des Königs Tode haben; und nun war Alles gut.
Seine Brüder aber, welche immer so schlecht gegen ihn gewesen waren,
ließ er hinausbringen auf die Bettlerinsel; da können sie nun erfahren,
Wer am besten daran ist: Der, welcher viel Geld in der Tasche hat, oder
Der, in welchen alle Weiber verliebt sind; -- und hat Aschenbrödel sie
nicht von der Insel zurückgeholt, so gehen sie noch da und essen kalte
Grütze und saure Molken den heutigen Tag.




9.

Die Lügenprobe.


Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter, die konnte so gewaltig
lügen, daß Keiner es darin mit ihr aufnehmen konnte. Da ließ der König
bekannt machen, daß Der, welcher so lügen könne, daß die Prinzessinn
Nichts mehr dagegen zu lügen wüßte, sie und das halbe Reich haben
sollte. Es kamen darauf Viele an den Hof und machten den Versuch; denn
Alle wollten gern die Prinzessinn und das halbe Reich haben; aber sie
kamen alle schlecht davon. Nun waren aber auch drei Brüder, und die
wollten ebenfalls ihr Glück versuchen. Zuerst kamen die beiden ältesten;
aber es ging ihnen nicht besser, als all den Übrigen. Zuletzt machte
Aschenbrödel sich auf, und als er ankam, traf er die Prinzessinn im
Stall. »Guten Tag!« sagte er. »Schönen Dank,« sagte sie: »Ihr habt doch
nicht einen so großen Stall, als wir; denn wenn der Hirt an dem einen
Ende steht und auf dem Bockshorn bläs't, kann man's nicht hören am
andern Ende.« -- »Das ist auch was Rechtes!« sagte Aschenbrödel: »unsrer
ist weit größer; denn wenn eine Kuh an dem einen Ende trächtig wird,
kalbt sie erst an dem andern.« -- »Haha!« sagte die Prinzessinn: »Aber
Ihr habt doch nicht einen so großen Ochsen, als wir; denn wenn auf jedem
Horn Einer sitzt mit einer Meßstange, so können sie doch einander nicht
ablangen.« -- »Da kommst Du schön an!« sagte Aschenbrödel: »Wir haben
einen Ochsen, der ist so groß, daß wenn Einer auf jedem Horn sitzt und
auf dem Haberrohr bläs't, sie einander doch nicht hören können.« -- »Na
so!« sagte die Prinzessinn: »Aber Ihr habt doch nicht so viel Milch, als
wir; denn wir melken unsre Milch in große Eimer und tragen sie in große
Kessel hinein und machen Käse, so groß wie Tonnen.« -- »Und wir,« sagte
Aschenbrödel: »wir melken unsre Milch in große Küben und fahren sie mit
dem Wagen ins Haus und gießen sie in große Braupfannen und machen Käse,
so groß wie Häuser; und dann haben wir ein buntscheckiges Mutterpferd,
das den Käse zusammentritt; einmal aber fohlte es in dem Käse, und
als wir sieben Jahr davon gegessen hatten, trafen wir auf ein großes
buntscheckiges Pferd; mit dem sollte ich mal nach der Mühle fahren,
aber da brach ihm eine Rippe entzwei; nun wußte ich keinen andern Rath,
sondern nahm eine Tanne und setzte sie ihm ein statt der Rippe, und eine
andre Rippe hat's nachher nicht gehabt, so lange wir es hatten. Nun
schoß aber die Tanne auf und wuchs aus dem Rücken heraus und ward so
groß, daß ich daran zum Himmel hinaufklettern konnte. Da kam ich zu der
Jungfrau Maria, die saß da und spann Borstenstricke von Mehlbrei. Wie
ich nun da stand und zusah, brach unten die Tanne ab, und nun konnte ich
nicht wieder herunter; aber die Jungfrau Maria ließ mich an einem der
Stricke hinabgleiten, und da kam ich in einem Fuchsloch an; da saßen
meine Mutter und Dein Vater und flickten Schuh; aber eh' ich's mir
versah, schlug meine Mutter Deinen Vater, daß ihm die Perrücke vom Kopf
flog.« -- »Das lügst Du,« sagte die Prinzessinn: »denn das hat mein
Vater nie gethan.«




10.

Die drei Böcke Brausewind, die nach der Koppel gehen
und sich fett machen wollten.


Es waren einmal drei Böcke, die wollten nach der Koppel gehen und sich
fett machen, und alle drei hießen sie _Brausewind_. Auf dem Wege aber
war eine Brücke über einem Fluß, wo sie hinüber mußten, und unter der
Brücke wohnte ein großer, abscheulicher Troll, der hatte Augen, so groß
wie zinnerne Teller, und eine Nase, so lang wie ein Hackenstiel. Zuerst
kam der jüngste Bock Brausewind und wollte über die Brücke. »Tripp
trapp! tripp trapp!« sagte es auf der Brücke. »_Wer ist es, der auf
meiner Brücke trippelt?_« rief der Troll. »O, es ist der kleinste Bock
Brausewind; ich wollte nur nach der Koppel und mich fett machen,« sagte
der Bock mit ganz feiner Stimme. »_Nun komm ich und hole Dich!_« rief
der Troll. »Ach, hol' mich nicht, ich bin noch so klein!« sagte der
Bock: »wart bloß so lange, bis der andre Bock Brausewind kommt, der ist
viel größer, als ich.« -- »_Ja wohl!_« sagte der Troll.

Nach einer Weile kam der andre Bock Brausewind und wollte über die
Brücke. »_Tripp trapp! tripp trapp!_« sagte es auf der Brücke. »_Wer ist
es, der auf meiner Brücke trappelt?_« rief der Troll. »_O, das ist der
zweite Bock Brausewind; ich wollte nur nach der Koppel und mich fett
machen_,« sagte der Bock, der hatte aber keine so feine Stimme. »_Nun
komm ich und hole Dich!_« rief der Troll. »_Ach nein, hol' mich nicht!
wart' noch ein bischen, dann kommt der große Bock Brausewind, der ist
viel größer, als ich_,« sagte der Bock, »_Ja wohl!_« sagte der Troll.

Nun dauerte es nicht lange, so kam der große Bock Brausewind an: »TRIPP
TRAPP! TRIPP TRAPP!« sagte es auf der Brücke, daß es nur so krachte.
»_Wer ist es, der auf meiner Brücke trampelt?_« rief der Troll. »DAS
IST DER GROSSE BOCK BRAUSEWIND!« sagte der Bock mit einer groben Stimme.
»_Nun komm ich und hole Dich!_« rief der Troll.

   »JA, KOMM NUR, ICH HABE ZWEI SPEERE BEIM SCHOPF,
    DAMIT BOHR' ICH DIE AUGEN DIR AUS DEM KOPF;
    ICH HABE ZWEI GROSSE KIESELSTEINE,
    DAMIT ZERQUETSCH ICH DIR KNOCHEN UND BEINE!«

sagte der Bock, und damit fuhr er auf den Trollen zu, stach ihm die
Augen aus und zerquetschte ihm die Knochen im Leibe; darnach warf er ihn
in den Fluß und ging dann mit den andern nach der Koppel. Da wurden nun
die Böcke so fett, so fett, daß sie nicht wieder nach Hause gehen
konnten; und ist das Fett nicht wieder von ihnen gegangen, so sind sie
es noch.

    Un ßnipp, ßnapp, ßnuut!
    So is dat Leuschen uut.




11.

Östlich von der Sonne und westlich vom Mond.


Es war einmal ein armer Kathenmann, der hatte viele Kinder; er war aber
so arm, daß er ihnen weder ordentlich zu essen, noch Kleider auf den
Leib geben konnte; dennoch waren die Kinder alle sehr schön; aber am
schönsten von allen war doch die jüngste Tochter.

Nun war es einmal an einem Donnerstag-Abend im Spätherbst ein ganz
abscheuliches Wetter draußen; es war stockfinster, und dabei regnete und
stürmte es, daß die Fenster krachten. Die ganze Familie saß um den Kamin
herum, und Jeder war mit seiner Arbeit beschäftigt. Plötzlich klopfte es
dreimal laut ans Fenster. Der Mann ging hinaus und wollte zusehen, Was
es war, und als er hinauskam, stand da ein großer weißer Bär.

»Guten Abend!« sagte der Bär. »Guten Abend!« sagte der Mann. -- »Willst
Du mir Deine jüngste Tochter zur Frau geben,« sagte der Bär: »dann will
ich Dich so reich machen, als Du jetzt arm bist.« Dem Mann däuchte das
nicht übel; aber er meinte, er müßte doch erst mit seiner Tochter ein
Wort sprechen, ging hinein und erzählte, wie draußen ein großer weißer
Bär stände, der hätte ihm versprochen, ihn eben so reich zu machen,
als er jetzt arm wäre, wenn er ihm seine jüngste Tochter zur Frau geben
wolle. Das Mädchen sagte aber Nein und wollte Nichts von dem Handel
wissen. Da ging der Mann wieder hinaus, sprach gütlich mit dem Bären
und sagte, er solle nur am nächsten Donnerstag-Abend wiederkommen;
inmittlerzeit wolle er schon sehen, Was bei der Sache zu thun wäre. Sie
überredeten nun das Mädchen und schwatzten ihr Allerlei vor von dem
großen Reichthum, wozu sie gelangen würden, und wie gut sie es selbst
bekäme. Da gab sie denn endlich nach, wusch ihre paar Lappen, die sie
hatte, rein, putzte sich heraus, so gut sie konnte, und hielt sich
reisefertig.

Als am nächsten Donnerstag-Abend der Bär wiederkam, ja, da war's richtig;
das Mädchen setzte sich mit ihrem Bündel auf seinen Rücken, und fort
ging's. Als sie ein gutes Ende hinausgekommen waren, fragte der Bär sie:
»Bist Du auch bange?« Nein, das war sie ganz und gar nicht. »Halt Dich
nur immer gut an meinen Zotteln fest,« sagte der Bär: »dann hat's keine
Noth.«

Nun ritt sie auf dem Rücken des Bären weit, weit in die Welt hinaus,
-- kein Mensch kann sagen, wie weit es eigentlich war -- und zuletzt
kamen sie zu einem großen Felsen; da klopfte der Bär an, und nun öffnete
sich eine Pforte, durch welche sie in ein großes Schloß gelangten;
drinnen waren viele von Lampen erleuchtete Zimmer, und Alles strahlte
von Gold und von Silber; auch war da ein großer Saal, und in dem Saal
stand ein Tisch, der war mit den herrlichsten Gerichten besetzt. Nun gab
der Bär ihr eine silberne Glocke und sagte, wenn sie sich irgend Etwas
im Schloß wünsche, dann solle sie nur damit klingeln, alsdann würde
sie es sogleich bekommen. Wie sie nun gegessen und getrunken hatte und
gegen Abend müde wurde und sich zu Bett legen wollte, klingelte sie
nur mit der Glocke -- und sogleich öffnete sich eine Kammer, worin ein
aufgemachtes Bett stand, so schön, wie man's sich nur wünschen konnte,
mit seidenen Kissen und Vorhängen mit Goldfransen, und Alles, was sich
in der Kammer befand, war ebenfalls von Gold und von Silber. Wie sie
aber nun das Licht ausgelöscht und sich ins Bett gelegt hatte, kam ein
Mensch an und legte sich zu ihr, und so geschah es jede Nacht; aber sie
bekam ihn nie zu sehen, denn er kam immer erst, wenn sie schon das Licht
ausgelöscht hatte, und ging wieder fort, eh' es noch Tag wurde. So lebte
sie nun eine Zeitlang ruhig und zufrieden; aber endlich bekam sie eine
so große Sehnsucht, ihre Ältern und Geschwister wiederzusehen, daß sie
ganz still und traurig ward. Da fragte der Bär sie eines Tages, Was ihr
fehle, daß sie immer so still und sinnig wäre. »Ach,« sagte sie: »es
wird mir hier so öde im Schloß, denn ich möchte so gern meine Ältern und
meine Geschwister einmal wiedersehen.« -- »Dazu kann Rath werden,« sagte
der Bär: »aber Du musst mir versprechen, daß Du nie mit Deiner Mutter
allein reden willst, sondern nur, wenn die Andern zugegen sind; denn
sie wird Dich wohl bei der Hand nehmen und Dich in eine Kammer führen
wollen, um mit Dir allein zu sprechen; lässt Du Dich aber darauf ein, so
machst Du mich und Dich unglücklich.« Nein, sagte das Mädchen, sie wolle
sich schon in Acht nehmen.

Am Sonntag kam der Bär und sagte, jetzt könne sie die Reise zu ihren
Ältern antreten. Sie setzte sich nun auf seinen Rücken, und damit ging
es fort. Wie sie nun eine lange Zeit gereis't waren, kamen sie zu einem
großen weißen Schloß, da gingen ihre Geschwister aus und ein, und
spielten, und Alles war da so schön und prächtig, daß es eine Lust war,
es anzusehen. »Da wohnen Deine Ältern!« sagte der Bär: »Vergiß nun
nicht, Was ich Dir gesagt habe; denn sonst machst Du Dich und mich
unglücklich.« Nein, sie wollt's nicht vergessen, sagte das Mädchen und
ging ins Schloß; der Bär aber kehrte wieder um.

Wie nun die Ältern ihre Tochter wiedersahen, freu'ten sie sich so sehr,
daß es gar nicht zu sagen ist, und konnten ihr nicht genug danken für
Das, was sie für sie gethan hatte; und sie erzählten ihr, wie sie es nun
so außerordentlich gut hätten, und fragten sie, wie es denn ihr ginge.
O, ihr ginge es auch recht gut, sagte das Mädchen, sie hätte Alles, was
sie sich nur wünschte. Was sie noch weiter sagte, weiß ich nicht recht;
aber ich glaube, sie gab ihnen doch keinen ordentlichen Bescheid. Am
Nachmittag, als sie gegessen hatten, geschah es, wie der Bär ihr gesagt
hatte: die Mutter wollte mit der Tochter allein in der Kammer sprechen;
aber das Mädchen dachte an die Worte des Bären, und wollte nicht mit ihr
gehen, sondern sagte: »O, Das, was wir zu sprechen haben, können wir
immer hier sprechen.« Nun weiß ich aber nicht, wie es recht kam, die
Mutter überredete sie doch zuletzt, und da mußte sie ihr denn Alles
erzählen, was sie wußte. Sie erzählte ihr nun auch, wie des Abends, wenn
sie das Licht ausgemacht hätte, immer ein Mensch käme und sich zu ihr
ins Bett legte; aber sie bekäme ihn nie zu sehen, denn eh' es Tag würde,
wäre er immer wieder fort, sagte sie, und darüber wäre sie so betrübt;
denn sie wollte ihn doch so gern sehen, und der Tag würde ihr so lang,
weil sie immer so allein wäre. »Wer weiß! das ist gewiß ein Troll, der
bei Dir schläft,« sagte die Mutter: »Wenn Du aber meinem Rath folgen
willst, so steh mal des Nachts auf, wenn er eingeschlafen ist, und zünde
ein Licht an und sieh zu, was es für Einer ist; aber nimm Dich in Acht,
daß Du keinen Talg auf ihn tröpfelst.«

Am Abend kam der Bär wieder und holte das Mädchen ab. Wie sie nun ein
Ende hinausgekommen waren, fragte er sie, ob es nicht so gekommen sei,
wie er gesagt hätte. »Ja,« das konnte das Mädchen nicht leugnen. »Hast
Du nun auf den Rath Deiner Mutter gehorcht,« sagte der Bär: »dann machst
Du Dich und mich unglücklich; und mit uns beiden ist dann die Freundschaft
aus.« Nein, das hätte sie nicht gethan, sagte sie.

Als sie nun nach Hause gekommen waren, und das Mädchen sich ins Bett
gelegt hatte, geschah es wieder, wie sonst: es kam ein Mensch und legte
sich zu ihr. In der Nacht aber, als sie hörte, daß er schlief, stand sie
auf und zündete ein Licht an, und da sah sie nun im Bett den schönsten
Prinzen liegen, den man nur sehen konnte, und sie ward so verliebt in
ihn, daß sie ihn den Augenblick küssen mußte. Da versah sie's aber
und ließ drei heiße Talgtropfen auf sein Hemd fallen, so daß er davon
erwachte. »Was hast Du gethan?« rief er, als er die Augen aufschlug:
»Nun hast Du mich und Dich unglücklich gemacht. Hättest Du bloß das
Jahr ausgehalten, so wäre ich erlös't gewesen; denn ich habe eine
Stiefmutter, die hat mich verzaubert, so daß ich des Tages ein Bär und
des Nachts ein Mensch bin; aber mit uns beiden ist es nun aus, denn ich
muß Dich jetzt verlassen und wieder zu ihr reisen; sie wohnt auf einem
Schloß, das liegt östlich von der Sonne und westlich vom Mond, und da
soll ich eine Prinzessinn heirathen, die hat eine Nase, die ist drei
Ellen lang.«

Das Mädchen fing an zu weinen und zu jammern; aber es war jetzt zu spät,
er mußte fort. Sie fragte ihn, ob sie denn nicht mit ihm reisen könne.
Nein, sagte er, das ginge nicht an. »Kannst Du mir denn nicht den Weg
sagen, damit ich Dich aufsuche?« fragte sie: »denn das ist mir doch wohl
erlaubt?« -- »Ja, das magst Du gern,« sagte er: »aber es führt kein Weg
dahin; denn das Schloß liegt östlich von der Sonne und westlich vom
Mond, und dahin kommst Du nie.«

Am Morgen, als sie erwachte, war sowohl der Prinz, als das Schloß
verschwunden, und sie lag nun auf der bloßen Erde mitten in einem
dicken, finstern Wald und hatte wieder ihre alten Lappen an, und neben
ihr lag dasselbe Bündel, das sie von Hause mitgenommen. Als sie sich den
Schlaf aus den Augen gerieben und sich satt geweint hatte, begab sie
sich auf den Weg und wanderte viele, viele Tage lang, bis sie endlich zu
einem großen Berg kam. Vor dem Berge saß eine alte Frau und spielte mit
einem goldnen Apfel. Das Mädchen fragte sie, ob sie nicht den Weg wüßte
zu dem Prinzen, der bei seiner Stiefmutter auf einem Schloß wohne,
das östlich von der Sonne und westlich vom Mond läge, und der eine
Prinzessinn heirathen sollte mit einer Nase, die drei Ellen lang wäre.
»Woher kennst Du ihn?« fragte die Frau: »Bist Du vielleicht das Mädchen,
das er heirathen wollte?« Ja, sagte das Mädchen, das wäre sie. »So! also
Du bist es!« sagte die Frau. »Ja, mein Kind,« fuhr sie fort: »ich wollte
Dir gern helfen; aber ich weiß auch weiter Nichts von dem Schloß, als
daß es östlich von der Sonne und westlich vom Mond liegt, und dahin
kommst Du wohl nie. Ich will Dir aber mein Pferd leihen, darauf kannst
Du zu meiner nächsten Nachbarinn reiten, vielleicht, daß _sie_ den Weg
Dir sagen kann. Wenn Du aber bei ihr ankommst, so schlage nur das Pferd
unter das linke Ohr und heiß es wieder nach Hause gehen; und dann nimm
diesen goldnen Apfel, denn Du kannst ihn vielleicht gebrauchen.«

Das Mädchen setzte sich nun auf das Pferd und ritt eine lange, lange
Zeit; endlich kam sie wieder zu einem Berg, vor dem saß eine alte Frau
mit einem goldnen Haspel. Das Mädchen fragte sie, ob sie ihr nicht den
Weg sagen könne nach dem Schloß, das östlich von der Sonne und westlich
vom Mond läge. Die sagte aber eben so, wie die vorige Frau, sie wüßte
weiter Nichts von dem Schloß, als daß es östlich von der Sonne und
westlich vom Mond läge, »und dahin wirst Du wohl niemals kommen,« sagte
sie: »aber ich will Dir mein Pferd leihen, darauf kannst Du zu meiner
nächsten Nachbarinn reiten, vielleicht daß _sie_ den Weg Dir sagen kann.
Wenn Du aber bei ihr ankommst, so schlage nur das Pferd unter das linke
Ohr und heiß es wieder nach Hause gehen; und dann nimm diesen goldnen
Haspel mit, denn Du kannst ihn vielleicht gebrauchen.«

Das Mädchen setzte sich nun auf das Pferd und ritt viele Tage und Wochen
lang: endlich kam sie wieder zu einem Berg, und vor dem saß eine alte
Frau und spann an einem goldnen Rocken. Das Mädchen fragte nun wieder
nach dem Prinzen und nach dem Schloß, das östlich von der Sonne und
westlich vom Mond läge. »Bist Du es, die der Prinz heirathen wollte?«
fragte die Frau. »Ja,« sagte das Mädchen; aber die Frau wußte den
Weg nicht besser, als die beiden vorigen. »Östlich von der Sonne und
westlich vom Mond liegt das Schloß,« sagte sie: »und dahin kommst Du
wohl niemals. Ich will Dir aber mein Pferd leihen; darauf kannst Du zu
dem Ostwind reiten; vielleicht daß der den Weg Dir sagen kann. Wenn Du
aber bei ihm ankommst, so schlage nur das Pferd unter das linke Ohr und
heiß es wieder nach Hause gehen, und dann nimm diesen goldnen Rocken
mit, denn Du kannst ihn vielleicht gebrauchen.«

Sie ritt nun manche liebe Zeit, und endlich kam sie bei dem Ostwind an.
Sie fragte ihn nun wieder, ob er ihr nicht sagen könne, wie sie zu dem
Prinzen käme, der auf dem Schloß wohne, das östlich von der Sonne und
westlich vom Mond läge. »Ja, von dem Prinzen hab' ich wohl reden hören
und von dem Schloß auch,« sagte der Ostwind; »aber den Weg kann ich Dir
nicht sagen, denn ich habe nie so weit geweh't. Ich will Dich aber zu
meinem Bruder, dem Westwind, führen, vielleicht, daß der es weiß, denn
der ist viel stärker, als ich. Du kannst Dich nur auf meinen Rücken
setzen, dann will ich Dich hintragen.« Das Mädchen setzte sich nun
auf seinen Rücken, und fort ging es. Als sie bei dem Westwind ankamen,
erzählte ihm der Ostwind, er habe ein Mädchen mitgebracht, die den
Prinzen heirathen solle, der auf dem Schloß wohne, das östlich von der
Sonne und westlich vom Mond läge, und fragte ihn, ob er nicht den Weg
dahin wüßte. »Nein,« versetzte der Westwind: »so weit habe ich nie
geweh't. Wenn Du es aber willst,« sagte er zu dem Mädchen: »so kannst
Du Dich auf meinen Rücken setzen, dann will ich Dich zu dem Südwind
bringen; vielleicht kann der es Dir sagen, denn der ist weit stärker,
als ich, und weh't und streift überall umher.« Das Mädchen setzte sich
auf seinen Rücken, und da dauerte es denn nicht lange, so waren sie bei
dem Südwind. Als sie ankamen, fragte ihn der Westwind, ob er nicht den
Weg nach dem Schloß wüßte, das östlich von der Sonne und westlich vom
Mond läge, denn das Mädchen, das er mitgebracht hätte, solle den Prinzen
heirathen, sagte er. »So?« sagte der Südwind, aber den Weg wußte er auch
nicht. »Ich hab' mein Lebtag viel herumgeweht,« sagte er: »aber so weit
bin ich nie gekommen. Wenn Du es aber wünschest,« sagte er zu dem
Mädchen: »so will ich Dich zu meinem Bruder, dem Nordwind, führen, der
ist der älteste und stärkste von uns allen, und wenn der den Weg Dir
nicht sagen kann, so erfährst Du ihn niemals.« Das Mädchen mußte sich
nun auf seinen Rücken setzen, und fort ging es, daß die Heide wackelte.

Es dauerte nicht lange, so kamen sie bei dem Nordwind an; aber der war
so wild und ungestüm, daß er ihnen schon von weitem lauter Schnee und
Eis ins Gesicht blies. »_Was wollt Ihr?_« rief er, so daß es ihnen kalt
über die Haut lief. »O, Du musst nicht so gegen uns auffahren,« sagte
der Südwind: »denn das bin ich, Dein Bruder, und das hier ist das
Mädchen, das den Prinzen heirathen soll, der auf dem Schloß wohnt, das
östlich von der Sonne und westlich vom Mond liegt, und nun wollte sie
Dich gern fragen, ob Du nicht da herum Bescheid wüßtest. »_Ja, ich weiß
wohl, wo es liegt_;« sagte der Nordwind: »ich habe mal ein Espenblatt
dahin geweh't; aber da war ich so müde, daß ich nicht wieder wehen konnte
manchen lieben Tag. Wenn Du aber durchaus dahin willst,« sagte er zu dem
Mädchen: »und Dich nicht fürchtest, so will ich Dich auf meinen Rücken
nehmen und zusehen, ob ich Dich hinwehen kann.« -- Ja, sagte das Mädchen,
hin wolle und müsse sie, wenn's nur auf irgend eine Weise angehen könne,
und bange wäre sie ganz und gar nicht, ob's auch noch so schlimm gehen
sollte. -- »So musst Du die Nacht hier bleiben,« sagte der Nordwind:
»denn wir müssen den Tag vor uns haben, wenn wir hin wollen.«

Früh am andern Morgen weckte sie der Nordwind, blies sich auf und machte
sich so groß und stark, daß es ganz entsetzlich war, und fort ging's
durch die Luft, als ob's bis ans Ende der Welt gehen sollte. Da entstand
ein so gewaltiger Sturm, daß ganze Dörfer und Wälder umweh'ten, und als
sie über's große Meer kamen, versanken die Schiffe bei Hunderten. Immer
ging's fort über's Wasser, und das so weit, so weit, daß kein Mensch es
glauben sollte; aber der Nordwind wurde schwächer und immer schwächer,
und so schwach wurde er, daß er beinah nicht mehr wehen konnte, und er
sank tiefer und immer tiefer hinunter, und zuletzt ging es so niedrig,
daß die Wellen ihm an die Fersen schlugen. »Bist Du bange?« fragte er
das Mädchen. »Nein, ganz und gar nicht,« sagte sie. Nun waren sie nicht
mehr weit vom Lande, und der Nordwind hatte kaum noch so viel Kräfte
übrig, daß er sie an den Strand unter die Fenster des Schlosses wehen
konnte, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond lag. Da war er
aber auch so matt und hinfällig, daß er sich viele Tage lang ausruhen
mußte, eh' er wieder nach Hause konnte.

Den andern Morgen setzte das Mädchen sich unter die Fenster des
Schlosses und spielte mit dem goldnen Apfel, und die Erste, welche sie
sah, war die Nasenprinzessinn, die der Prinz heirathen sollte. »Was
willst Du für Deinen goldnen Apfel haben?« fragte sie das Mädchen, indem
sie das Fenster aufmachte. »Der ist nicht feil, weder für Gold, noch für
Geld,« sagte das Mädchen. »Wenn Du ihn nicht verkaufen willst, weder
für Gold, noch für Geld, Was willst Du denn dafür haben?« sagte die
Prinzessinn: »Ich will Dir geben, Was Du verlangst.« -- »Ja, wenn ich
eine Nacht bei dem Prinzen schlafen darf, so sollst Du ihn haben,« sagte
das Mädchen. »Ja, das magst Du gern,« sagte die Prinzessinn und nahm den
goldnen Apfel. Als aber das Mädchen in die Kammer des Prinzen kam, war
dieser fest eingeschlafen; sie rief ihn und rüttelte ihn und weinte und
jammerte; aber sie konnte ihn nicht ermuntern. Am Morgen, als es hell
wurde, kam die Prinzessinn mit der langen Nase und jagte sie wieder
hinaus.

_Den_ Tag setzte das Mädchen sich wieder unter die Fenster des Schlosses
und schlang das Garn auf ihren goldnen Haspel, und nun geschah es wieder
eben so, wie gestern. Die Prinzessinn fragte sie, Was sie für den Haspel
haben wolle; aber das Mädchen sagte, er wäre nicht feil, weder für Gold,
noch für Geld; wenn sie aber noch eine Nacht bei dem Prinzen schlafen
dürfe, so solle die Prinzessinn ihn haben. Die sagte sogleich Ja und
nahm den goldnen Haspel. Als aber das Mädchen hinaufkam, war der Prinz
wieder fest eingeschlafen; und wie viel sie ihn auch rief und rüttelte,
und weinte und jammerte, so konnte sie ihn doch nicht ermuntern; und am
Morgen, als es hell wurde, kam die Prinzessinn mit der langen Nase und
jagte sie wieder hinaus.

An diesem Tage setzte sich das Mädchen mit ihrem goldnen Rocken unter
die Fenster hin und spann. Als die Prinzessinn mit der langen Nase den
Rocken sah, wollte sie den auch gern haben; sie machte das Fenster auf
und fragte das Mädchen, Was sie haben wolle für ihren goldnen Rocken.
Das Mädchen sagte aber wieder wie die beiden vorigen Male, für Gold und
Geld sei er nicht feil; wenn die Prinzessinn sie aber noch eine Nacht
bei dem Prinzen wolle schlafen lassen, dann solle sie ihn haben. Ja,
das dürfe sie gern, sagte die Prinzessinn und nahm den goldnen Rocken.
Nun hatten aber einige Leute, die neben der Kammer des Prinzen schliefen,
seit zwei Nächten ein so klägliches Rufen und Wimmern von einem
Frauenzimmer drinnen gehört, und das erzählten sie am Morgen dem
Prinzen. Als nun am Abend die Prinzessinn mit der Suppe kam, die der
Prinz immer zu trinken pflegte, eh' er zu Bett ging, that er, als ob er
sie tränke, aber goß die Suppe hinter sich; denn er ahnte nun wohl, daß
die Prinzessinn einen Schlaftrunk hineingethan hatte. Wie nun am Abend
das Mädchen in die Kammer kam, war der Prinz noch wach und freu'te
sich über alle Maßen, das Mädchen wiederzusehen; und sie mußte ihm nun
erzählen, wie es ihr ergangen war, und wie sie nach dem Schloß gekommen
sei. Als sie ihm Alles erzählt hatte, sagte er: »Du kommst grade zu
rechter Zeit; denn morgen soll meine Hochzeit mit der Prinzessinn sein;
aber ich frage nichts nach ihr und ihrer langen Nase, sondern Du bist
die Einzige, die ich haben will. Ich werde darum sagen, ich möchte gern
sehen, wozu meine Braut taugt, und von der Prinzessinn verlangen, daß
sie die drei Talgflecke aus meinem Hemd wasche. Darauf wird sie sich
denn wohl einlassen, aber ich weiß, daß sie es nicht zu Stande bringt;
denn die Flecke sind von Deiner Hand darauf getröpfelt, und nur
Christenhände können sie wieder auswaschen, aber nicht die Hände von
solchem Trollpack, wozu sie gehört. Ich werde aber sagen, ich wolle
keine andre Braut haben, als Die, welche es zu Stande brächte, und wenn
sie es dann Alle versucht haben und nicht damit fertig werden können,
dann werde ich Dich rufen, daß Du es auch versuchst.« Hierauf brachten
sie die Nacht munter und vergnügt mit einander zu. Als aber am Tage die
Hochzeit werden sollte, sagte der Prinz: »Ich möchte doch erst sehen,
wozu meine Braut taugt.« Das wäre nicht Mehr, als billig, meinte die
Stiefmutter. »Ich habe ein so schönes Hemd,« sagte der Prinz: »und
das möchte ich gern zum Bräutigamshemd haben; aber nun sind mir drei
Talgflecke hineingekommen, und die wollt' ich gern wieder ausgewaschen
haben; darum habe ich mir vorgenommen, keine Andre zu heirathen, als
Die, welche dazu taugt.« Ih nun, das wäre ja nicht so gefährlich, meinten
die Frauen und gingen darauf ein; und die Prinzessinn mit der langen
Nase fing an zu waschen, was sie nur konnte; aber je länger sie wusch,
desto größer und schwärzer wurden die Flecke. »Ach, Du verstehst Dich
nicht darauf,« sagte das alte Trollweib, ihre Mutter: »gieb mir mal
her!« Als aber die nun das Hemd bekam, wurde es noch schwärzer, und je
mehr sie es wusch und rieb, desto größer wurden die Flecke. Nun sollten
die andern Trollweiber das Hemd waschen; aber je länger sie es wuschen,
desto abscheulicher ward es aussehen, und zuletzt sah das ganze Hemd
aus, als hätt' es im Schornstein gehangen. »Ach, Ihr taugt alle nicht
dazu!« sagte der Prinz: »Da sitzt eine arme Bettlerdirne unter den
Fenstern; ich bin gewiß, die versteht sich besser aufs Waschen, als
Ihr alle zusammen. _Komm mal herein, Du Dirne!_« rief er; und als das
Mädchen kam, fragte er sie: »Kannst Du wohl das Hemd da rein waschen?«
-- »Ich weiß nicht,« sagte das Mädchen: »aber ich denke wohl.« Das
Mädchen nahm nun das Hemd und fing an zu waschen und da wurde es unter
ihren Händen so weiß, wie frisch gefallener Schnee, und noch weißer.
»_Ja, Dich will ich haben!_« sagte der Prinz. Da ward das alte Trollweib
so arg, daß es barst; und die Prinzessinn mit der langen Nase und das
andre Trollpack, glaub' ich, ist auch geborsten; denn ich habe nachher
nie wieder Etwas von ihnen gehört. Der Prinz und seine Braut ließen nun
alle Christen frei, die im Schloß gefangen waren; darauf nahmen sie so
viel Gold und Silber, als sie nur fortschaffen konnten, und zogen weit
weg von dem Schloß, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond lag.
Wie sie aber fortgekommen sind, und wo sie hinzogen, das weiß ich nicht;
sind es aber Die, welche ich meine, so sind sie nicht so gar weit von
hier.




12.

Das Huhn, das nach dem Dovrefjeld wollte, damit nicht die Welt vergehen
sollte.


Es war einmal ein Huhn, das war abends auf eine Eiche geflogen und hatte
sich da zur Ruhe gesetzt. In der Nacht träumte ihm, wenn es nicht nach
dem Dovrefjeld käme, so müßte die Welt vergehen. Als es nun aufwachte,
flog es sogleich herunter und machte sich auf den Weg. Wie es ein Ende
gereis't war, begegnete ihm ein Hahn. »Guten Tag, Hahn Pahn!« sagte das
Huhn. »Guten Tag, Huhn Puhn! wo willst Du hin so früh?« sagte der Hahn.
»O, ich will nur nach dem Dovrefjeld, damit nicht die Welt vergehen
soll,« sagte das Huhn. »Wer hat Dir das gesagt, Huhn Puhn?« fragte der
Hahn. »Ich saß in der Eiche und träumte es die Nacht,« sagte das Huhn.
»Ich will mit Dir gehen,« sagte der Hahn. Nun gingen beide ein weites
Ende fort; da begegnete ihnen eine Ente. »Guten Tag, Ente Pente!« sagte
der Hahn. »Guten Tag, Hahn Pahn, wo willst Du hin so früh?« sagte die
Ente. »Ich will nach dem Dovrefjeld, damit nicht die Welt vergehen
soll,« sagte der Hahn. »Wer hat Dir das gesagt, Hahn Pahn?« -- »Huhn
Puhn.« sagte der Hahn. »Wer hat es Dir gesagt, Huhn Puhn?« fragte die
Ente. »Ich saß in der Eiche und träumte es die Nacht,« sagte das Huhn.
»Ich will mit Euch,« sagte die Ente. Nun machten sie sich auf und gingen
weiter; da begegnete ihnen eine Gans. »Guten Tag, Gans Pans!« sagte die
Ente. »Guten Tag, Ente Pente!« sagte die Gans: »wo willst Du hin so
früh?« -- »Ich will nach dem Dovrefjeld, damit nicht die Welt vergehen
soll,« sagte die Ente. »Wer hat Dir das gesagt, Ente Pente?« fragte die
Gans. -- »Hahn Pahn.« -- »Wer hat es Dir gesagt, Hahn Pahn?« -- »Huhn
Puhn.« -- »Woher weißt Du es, Huhn Puhn?« fragte die Gans. »Ich saß
in der Eiche und träumte es die Nacht,« sagte das Huhn. »Ich will mit
Euch,« sagte die Gans. Wie sie nun ein Ende weiter gegangen waren,
begegnete ihnen der Fuchs. »Guten Tag, Fuchs Puchs,« sagte die Gans.
-- »Guten Tag, Gans Pans.« -- »Wo hinaus Fuchs Puchs?« -- »Wo willst Du
hin, Gans Pans?« -- »Ich will nach dem Dovrefjeld, damit nicht die Welt
vergehen soll.« -- »Wer hat Dir das gesagt, Gans Pans?« fragte der Fuchs.
-- »Ente Pente.« -- »Wer hat es Dir gesagt, Ente Pente?« -- »Hahn Pahn.«
-- »Und Wer hat Dir es gesagt, Hahn Pahn?« -- »Huhn Puhn.« -- »Und woher
weißt Du es, Huhn Puhn?« -- »Ich saß in der Eiche und träumte es die
Nacht,« sagte das Huhn. »O Schnack!« sagte der Fuchs: »die Welt vergeht
nicht, wenn Ihr auch nicht nach dem Dovrefjeld kommt. Geht lieber mit
mir in meine Höhle, da sitzt Ihr warm und gut.« Der Vorschlag gefiel den
Reisenden, und sie gingen mit dem Fuchs in seine Höhle. Als sie aber
dort ankamen, legte der Fuchs tüchtig nach im Kamin, so daß sie alle
schläfrig wurden. Die Gans und die Ente setzten sich in einen Winkel,
aber der Hahn und das Huhn flogen auf die Hühnersteige. Als die Gans und
die Ente eingeschlafen waren, legte der Fuchs die Gans auf die Kohlen
und briet sie. Wie es nun dem Huhn so sengerich roch, hüpfte es einen
Stock höher und sagte so halb im Schlaf: »Pfui! wie's hier stinkt!«
-- »O Schnack!« sagte der Fuchs: »das ist bloß der Rauch im Schornstein.
Halt nur Dein Maul und schlaf ein!« Da schlief das Huhn wieder ein. Der
Fuchs hatte aber kaum die Gans zu Leibe, so machte er es eben so mit der
Ente. Dem Huhn ward es wieder so sengerich riechen, und es flog daher
noch einen Stock höher, indem es wieder sagte: »Pfui! wie's hier stinkt!«
Da that es aber zugleich die Augen auf und sah nun, daß der Fuchs die
Gans und die Ente verzehrt hatte. Wie das Huhn das gewahr ward, flog es
auf den höchsten Stock und guckte zum Schornstein hinaus. »Nein, seh mal
Einer die schönen Gänse, die da fliegen!« sagte es zu dem Fuchs. Reineke
hinaus und wollte sich einen fetten Braten holen. Da weckte das Huhn
den Hahn und erzählte ihm, wie es der Gans Pans und der Ente Pente
ergangen wär'. Darauf flogen Hahn Pahn und Huhn Puhn hinaus durch den
Schornstein, und wären sie nicht nach dem Dovrefjeld gekommen, so wär's
aus gewesen mit der Welt.




13.

Der Mann, der das Haus beschicken sollte.


Es war einmal ein Mann, der war immer so mürrisch und vergrätzt, und
nie konnte die Frau ihm Genug thun, oder Etwas zu Dank machen im Hause.
Einmal in der Erntezeit kam er spät am Abend vom Felde zurück, und nun
ging es an ein Schelten und an ein Toben, daß es ganz entsetzlich war;
bald war ihm Dies, bald war ihm Das nicht recht. »Ach, Väterchen,« sagte
die Frau: »sei doch nicht immer so böse. Morgen wollen wir mal mit der
Arbeit umtauschen: ich will dann mit den Schnittern ins Feld gehen, und
Du kannst das Haus beschicken.« Ja, das war dem Mann schon recht, und er
ging sogleich auf den Vorschlag ein. Früh den andern Morgen nahm die
Frau die Sense auf den Nacken und ging mit den Schnittern ins Feld, um
zu mähen; der Mann dagegen sollte das Haus beschicken. Nun wollte er
zuerst Butter machen; als er aber eine Weile gebuttert hatte, wurde
er durstig und ging hinunter in den Keller, um sich Bier zu zapfen.
Während er nun aus dem Faß in die Bierkanne zapfte, hörte er, daß ein
Ferkel in die Küche kam. Er fort mit dem Zapfen in der Hand und die
Treppe hinauf, so schnell er nur konnte, damit das Ferkel nicht das
Butterfaß umwerfen sollte. Als er aber sah, daß das Faß schon auf der
Seite lag, und das Ferkel in dem Rahm schmatzte, der auf dem Boden floß,
gerieth er so in Wuth, daß er ganz und gar das Bierfaß vergaß und dem
Ferkel nachrannte. Bei der Thür holte er es ein, und da gab er ihm einen
so derben Schlag, daß es auf der Stelle liegen blieb. Nun fiel es ihm
wieder ein, daß er noch den Bierzapfen in der Hand hätte; als er aber
hinunterkam in den Keller, war alles Bier auf den Boden gelaufen.

Er ging nun in die Milchkammer, füllte aufs neue das Butterfaß mit Rahm
und fing wieder an zu buttern; denn Butter wollte er durchaus zum Mittag
haben. Als er aber eine Weile gebuttert hatte, fiel es ihm ein, daß
die Milchkuh noch im Stall stände und weder zu fressen, noch zu saufen
bekommen hätte, obgleich es schon hoch am Tage war. Weil er nun dachte,
es wäre doch zu weit, sie nach der Koppel zu treiben, wollte er sie oben
auf's Dach bringen, denn das Dach war mit Rasen gedeckt und es stand
darauf schönes hohes Gras; und weil nun das Haus an einem steilen Hügel
lag, glaubte er, es wäre ein Leichtes sie hinaufzubringen, wenn er bloß
eine Planke von dem Hügel aufs Dach hinüberlegte; das Butterfaß wollte
er aber nicht stehen lassen, denn sein kleiner Junge krabbelte da an der
Erde herum und könnt's nachher umstoßen, dachte er; darum nahm er es
auf den Rücken und ging hinaus. Eh' er aber die Kuh auf das Dach ließ,
wollte er ihr noch mal zu saufen geben, und nahm einen Eimer, um damit
Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen; als er sich aber hinunterbückte, floß
aller Rahm aus dem Faß ihm an dem Nacken herunter und lief ins Wasser.
Wie es nun gegen Mittag ging, dachte er, weil's ihm mit der Butter nicht
geglückt wäre, wollte er sich Grütze zum Mittag kochen, und hängte den
Kessel mit Wasser über's Feuer. Kaum hatte er das gethan, so fiel es ihm
ein, daß die Kuh, die er aufs Dach gebracht hatte, herunterfallen und
Hals und Bein brechen könne; darum nahm er einen Strick und ging hinauf,
um sie festzubinden; das eine Ende band er ihr um den Hals und das andre
Ende warf er durch den Schornstein, ging dann hinunter und band es sich
in aller Eile um's Bein, denn das Wasser kochte schon im Kessel, und er
mußte die Grütze umrühren. Während er nun damit beschäftigt war, fiel die
Kuh vom Dach herunter und zog den Mann an dem Strick in den Schornstein
hinauf. Da hing er nun und konnte weder vorwärts, noch rückwärts, und
die Kuh hing draußen zwischen Himmel und Erde und konnte auch nicht
loskommen. Die Frau hatte schon eine lange Zeit gewartet, daß der Mann
kommen und sie zum Mittag abrufen solle; aber er war nicht da und kam
nicht. Zuletzt dauerte es ihr doch zu lange, und sie ging mit den
Leuten nach Hause. Als sie die Kuh sah, die da zwischen Himmel und Erde
hing, ging sie hinzu und hieb mit der Sense den Strick entzwei. Da fiel
der Mann herunter durch den Schornstein, und als sie in die Küche kam,
stand er da auf dem Kopf im Grützkessel.




14.

Däumerling.


Es war einmal eine Frau, die hatte nur einen einzigen Sohn, der war aber
nicht größer, als ein Daumen, und darum nannten sie ihn Däumerling. Als
er nun zu Jahren und zu Verstand gekommen war, sagte die Mutter zu ihm,
jetzt müsse er daran denken, sich eine Frau zu nehmen. Ja, Däumerling
war's zufrieden, und die Mutter setzte sich mit ihm auf den Wagen,
und sie fuhren gradesweges nach des Königs Schloß; denn da war eine
Prinzessinn, die war außerordentlich groß, und um die sollte Däumerling
freien. Als sie nun ein Ende gefahren waren, da war Däumerling plötzlich
verschwunden. Die Mutter suchte ihn überall, und rief ihn bei Namen.
»Pip, pip!« sagte Däumerling und hatte sich in die Mähne des Pferdes
versteckt. Als er wieder zum Vorschein kam, mußte er der Mutter
versprechen, daß er sich nicht öfter verstecken wolle. Wie sie aber ein
Ende weiter gekommen waren, da war Däumerling wieder verschwunden. Die
Mutter suchte ihn und rief ihn bei Namen und weinte und jammerte, aber
Däumerling war fort. »Pip, pip!« sagte er und lachte und kicherte; aber
sie konnte ihn das Mal nicht finden. »Pip! pip! hier bin ich!« sagte
Däumerling und kroch aus dem Ohr des Pferdes hervor. Nun mußte er der
Mutter heilig versprechen, daß er sich nicht öfter verstecken wolle;
aber es dauerte nicht lange, so war er abermals fort. Die Mutter suchte
ihn wieder überall und weinte und rief ihn bei Namen, aber Alles war
umsonst; Däumerling war fort. »Pip, pip! hier bin ich,« wisperte es
plötzlich; aber die Mutter konnte gar nicht begreifen, wo es war, denn
es hörte sich so undeutlich an; sie suchte fortwährend, und er sagte
immer: »Pip! pip! hier bin ich!« und lachte und hägte sich, weil sie ihn
nicht finden konnte. Plötzlich aber fing das Pferd an zu niesen, und da
nies'te es Däumerling aus, denn er hatte sich in die eine der Nüstern
versteckt. Nun konnte sich die Mutter nicht anders helfen, als daß
sie ihn in einen Beutel steckte, denn sie wußte wohl, daß er die
Narrenpossen doch nicht nachlassen würde. So kamen sie denn auf dem
Schloß an. Die Prinzessinn konnte den kleinen hübschen Burschen wohl
leiden und verlobte sich mit ihm, und bald darauf ward die Hochzeit.

Als sie sich nun zur Tafel setzten, nahm Däumerling seinen Platz neben
der Prinzessinn; aber er war übel daran, denn als er zulangen wollte,
konnte er nicht an den Teller reichen und hätte gewiß keinen einzigen
Bissen bekommen, wenn die Prinzessinn ihn nicht vom Stuhl genommen und
auf den Tisch gesetzt hätte. So lange er nun da vom Teller aß, ging das
Ding gut; als aber nachher die große Schüssel mit Grütze hereinkam, da
konnte er wieder nicht ankommen; er wußte sich aber zu helfen und setzte
sich auf den breiten Rand. Nun war aber in der Mitte der Schüssel eine
Grube mit Butter zum Eintunken, und so weit konnte er nicht reichen; er
ging daher über die Grütze und setzte sich dicht an den Rand der Butter.
Nun nahm die Prinzessinn einen großen Löffelvoll Grütze und wollte ihn
in die Butter tunken; aber da versah sie's und stieß an Däumerling, so
daß er hinunterfiel in die Butter und ertrank.




15.

Hakon Borkenbart.


Es war einmal eine Königstochter, die war so stolz und schnippisch, daß
kein Freier ihr gut genug war; sie machte sich über alle lustig und
gab dem einen nach dem andern einen Korb; dennoch aber kamen immer der
Freier genug, weil die Hexe so außerordentlich schön war. Einmal kam
auch ein Prinz, mit Namen _Hakon Borkenbart_, und warb um sie. Aber da
sagte die Prinzessinn am Abend zu dem Hofnarren, er solle hingehen, und
dem einen Pferd des Prinzen die Ohren abschneiden, und dem andern das
Maul bis an beide Ohren aufschlitzen. Das that denn der Hofnarr auch.
Als nun der Prinz den andern Tag ausfahren wollte, stand die Prinzessinn
auf dem Flur und sah hinaus. »Nein!« sagte sie: »so Etwas hab' ich noch
mein Lebtag nicht gesehen. Da ist der Nordwind gekommen und hat dem
einen Pferd die Ohren abgeweh't, und darüber hat das andre so gewaltig
gelacht, daß ihm das Maul bis an die Ohren aufgerissen ist,« und damit
lief sie hinein und ließ den Prinzen abziehen. Dieser reis'te nun wieder
nach Hause, aber er dachte bei sich selbst, er wolle sich schon dafür
rächen, machte sich einen großen Bart von Moos, zog einen weißen ledernen
Rock an und kleidete sich aus wie ein Bettler; dann kaufte er bei einem
Goldschmied einen goldnen Rocken, und damit setzte er sich eines Morgens
unter das Fenster der Prinzessinn hin und fing an zu feilen; denn der
Rocken war noch nicht ganz fertig, auch war noch kein Wocken daran. Als
die Prinzessinn ans Fenster kam, öffnete sie es sogleich und fragte ihn,
ob er ihr nicht den goldnen Rocken verkaufen wolle. »Nein, zu verkaufen
ist er nicht,« sagte Hakon Borkenbart: »aber es mag drum sein! willst Du
mich diese Nacht vor Deiner Kammerthür schlafen lassen, so sollst Du ihn
haben.« Ja, das, meinte die Prinzessinn, wäre ein wohlfeiler Kauf, und
die Sache sei eben nicht so gefährlich. Sie bekam nun den Rocken, und
am Abend legte Hakon Borkenbart sich draußen vor ihrer Kammerthür hin.
Als es aber auf die Nacht kam, fing er an entsetzlich zu frieren.
»Hutetutetutetu! es ist so kalt hier!« rief er: »laß mich bloß hinein!«
-- »Ich glaube, Du bist verrückt!« sagte die Prinzessinn. »Ach,
hutetutetutetu! es ist so kalt! laß mich bloß hinein!« rief Hakon
Borkenbart. »Scht! schweig doch still!« sagte die Prinzessinn: »denn
hört mein Vater, daß hier eine Mannsperson ist, so bin ich rein
unglücklich.« -- »Oh hutetutetutetu! wie mich friert! laß mich bloß
hinein und auf der Erde liegen!« sagte Hakon Borkenbart. Es war nun kein
anderer Rath, die Prinzessinn mußte ihn einlassen, und darauf legte er
sich in ihrer Kammer auf die Erde hin und schlief ein.

Einige Tage darnach kam Hakon auch mit dem Wocken und setzte sich wieder
unter das Fenster der Prinzessinn hin und fing an zu feilen; denn der
Wocken war noch nicht ganz fertig. Sobald die Prinzessinn ihn gewahr
wurde, öffnete sie wieder das Fenster und fragte ihn, Was er da hätte.
»O, es ist bloß der Wocken zu dem Spinnrocken, den Du mir neulich
abkauftest; denn ich dachte, wenn Du doch einmal den Rocken hättest, so
könntest Du auch wohl den Wocken dazu gebrauchen.« -- »Was willst Du
denn dafür haben?« fragte ihn die Prinzessinn. »Für Geld ist er nicht
feil,« sagte er: »willst Du mich aber diese Nacht wieder auf dem Boden
in Deiner Kammer schlafen lassen, so sollst Du ihn haben.« -- »Ja, recht
gern,« sagte die Prinzessinn: »aber Du musst auch nicht wieder so frieren
und Hutetu! sagen.« Nein, das wollt' er auch nicht; aber als es auf die
Nacht kam, fing er an zu huppern und zu frieren und hutetu! zu sagen,
daß der Prinzessinn wieder angst und bange ward, und sie mußte ihm
erlauben, sich an die Erde dicht vor ihrem Bett hinzulegen, damit nur
der König es nicht gewahr würde, und da schlief er nun die Nacht über
ruhig und wohl.

Hiernach dauerte es eine ganze Zeit, ehe Hakon Borkenbart sich wieder
sehen ließ; endlich aber bemerkte die Prinzessinn ihn eines Morgens
wieder unter ihrem Fenster, wo er saß und an einer goldnen Garnwinde
feilte. Sie fragte ihn nun wieder, Was er für die Garnwinde haben wolle.
»Die ist nicht für Geld feil,« sagte er: »aber willst Du mich diese
Nacht in Deiner Kammer mit dem Kopf an Deiner Bettstelle schlafen
lassen, so sollst Du sie haben.« Ja, das könnte er gern, sagte die
Prinzessinn, wenn er bloß ruhig sein und nicht wieder solchen Lärm
machen wolle. Nein, das wolle er gewiß nicht, sagte Hakon Borkenbart;
als es aber auf die Nacht kam, fing er wieder an zu huppern und zu
frieren, daß ihm die Zähne im Munde klapperten. »Hutetutetu! es ist so
kalt! laß mich bloß in Dein Bett und mich ein wenig wärmen!« sagte Hakon
Borkenbart. »Ich glaube, Du bist verrückt!« sagte die Prinzessinn.
-- »Hutetutetu! laß mich bloß in Dein Bett hutetutetutetu!« -- »Scht!
scht! um Gotteswillen! so schweig doch still!« sagte die Prinzessinn:
»denn hört mein Vater, daß hier eine Mannsperson drinnen ist, so glaub'
ich, nimmt er mir das Leben.« -- »Hutetutetutetu! laß mich bloß in Dein
Bett!« sagte Hakon Borkenbart und fror, daß die Wände bebten. Es war nun
kein anderer Rath, die Prinzessinn mußte ihn zu sich ins Bett lassen,
und da schlief er nun die Nacht über zufrieden und wohl.

Einige Zeit darnach aber bekam die Prinzessinn ein kleines Kind, und
darüber ward der König so zornig, daß er beinahe sie und das Kind dazu
umgebracht hätte. Da kam aber eines Tages Hakon Borkenbart als ein
Bettler gekleidet, so wie von Ohngefähr, wieder zu dem Schloß und sah in
die Küche. Wie die Prinzessinn ihn gewahr ward, sagte sie zu ihm: »Ach,
Gott tröste mich wegen des Unglücks, das Du mir verursacht hast! Mein
Vater ist so zornig auf mich, daß er aus der Haut fahren will; es ist
am besten, Du nimmst mich nur gleich mit Dir.« --

»Du bist es aber wohl zu gut gewohnt,« sagte Hakon Borkenbart: »ich habe
aber nur eine ganz kleine Hütte und weiß nicht, wie ich Dich ernähren
soll, denn ich habe schon Genug zu thun, um nur allein durchzukommen.«
-- »Es ist mir ganz einerlei, wie gut, oder wie schlecht Du es hast,«
sagte die Prinzessinn: »nimm mich bloß mit Dir, denn bleibe ich hier
noch länger, so nimmt mein Vater mir gewiß das Leben.« Da nahm denn der
Bettler sie und das Kind mit sich; aber sie hatten einen sehr weiten
Weg, und der Prinzessinn kam das Gehen außerordentlich sauer an. Als sie
nun aus dem Reich ihres Vaters in ein andres Land kamen, fragte die
Prinzessinn den Bettler: »Wem gehört dieses Reich?« --

»O, das gehört Hakon Borkenbart,« sagte der Bettler.

»So!« sagte die Prinzessinn: »ja, ich hätte _ihn_ nehmen sollen, dann
hätt' ich nicht nöthig gehabt, nun als ein Bettlermädchen hier zu
gehen.«

Und so oft sie zu einem schönen Schloß, oder Wald, oder Gehöft kamen,
fragte die Prinzessinn immer: »Wem gehört das?« -- »O, das gehört Hakon
Borkenbart,« sagte dann der Bettler immer. Und die Prinzessinn weinte
und jammerte beständig, daß sie nicht _ihn_ genommen hatte; aber nun war
es zu spät. Endlich kamen sie zu einer kleinen Hütte, die lag dicht an
einem Walde, und das, sagte der Bettler, wäre seine Wohnung. Von der
Hütte aus konnte man in der Ferne das Königsschloß sehen, und da, sagte
der Bettler, wolle er sich Arbeit suchen, denn er wäre da schon bekannt;
und nun ging er jeden Tag nach dem Schloß und hau'te Holz und trug dem
Koch das Wasser zu, wie er sagte, und wenn er dann des Abends zu Hause
kam, brachte er immer ein wenig Essen mit, aber das reichte nicht sehr
weit.

Eines Abends, als er vom Schloß zurückkam, sagte er: »Morgen werde ich
zu Hause bleiben und das Kind warten, Du aber musst nach dem Schloß
gehen; denn der Prinz hat gesagt, Du solltest mit beim Backen helfen.« --

»Ach, wie soll ich wohl beim Backen helfen?« sagte die Königstochter:
»das verstehe ich nicht, denn das hab' ich in meinem Leben noch nicht
gethan.« --

»Du musst aber doch hingehen,« sagte Hakon Borkenbart: »weil der Prinz
es so befohlen hat. Kannst Du auch nicht backen, so kannst Du es ja
lernen; Du musst nur gut zusehen, wie die Andern es machen, und wenn Du
weggehst, dann nimm heimlich ein paar Brode mit.« --

»Nein, stehlen kann ich nicht,« sagte die Königstochter.

»Du musst es lernen,« sagte Hakon Borkenbart: »denn Du weißt wohl, wir
haben es nur knapp; nimm Dich aber ja vor dem Prinzen in Acht, denn der
hat seine Augen überall.«

Als sie gegangen war, lief Hakon einen Richtweg, so daß er noch lange
vor ihr auf dem Schloß ankam; dort warf er seine Lumpen und seinen
Moosbart ab und zog wieder seine Prinzenkleider an.

Die Königstochter half nun mit beim Backen, und als sie fertig war, that
sie, wie Hakon ihr gesagt hatte, und steckte sich alle Taschen voll
Brode. Als sie aber am Abend nach Hause gehen wollte, sagte der Prinz:

»Dieses Weib kennen wir nicht so recht; daher ist's am besten, wir sehen
nach, ob sie nicht Etwas genommen hat.«

Damit untersuchte er alle ihre Taschen, und als er darauf die Brode
fand, ward er entsetzlich böse und hielt furchtbar Haus. Die
Königstochter weinte und fleh'te und sagte: »Mein Mann hatte es mir
geheißen; da musst' ich es denn wohl thun.« --

»Ja, es sollte Dir schlimm gehen,« sagte der Prinz »aber um Deines
Mannes willen mag es Dir vergeben sein.«

Als sie gegangen war, warf Hakon schnell seine Prinzenkleider ab, zog
wieder seinen ledernen Rock an und klebte sich auch wieder den Moosbart
ins Gesicht, und eh' sie noch in der Hütte ankam, war er schon da und
wartete das Kind. »Ja, Du hast mich verleitet, Etwas zu thun, das mich
gereu't,« sagte sie: »es war das erste Mal, daß ich gestohlen habe, aber
es soll auch das letzte Mal sein,« und damit erzählte sie ihm, wie es
ihr ergangen war, und Was der Prinz gesagt hatte.

Einige Tage darnach, als Hakon am Abend wieder vom Schloß zurückkam,
sagte er: »Morgen werde ich zu Hause bleiben und das Kind warten, denn
Du sollst wieder auf das Schloß und beim Schlachten und Wurstmachen
helfen.« --

»Ach, wie soll ich wohl Wurst machen?« sagte die Königstochter: »das
versteh' ich nicht; essen kann ich wohl die Wurst, aber gemacht hab' ich
sie noch nie.«

Hakon aber sagte, sie müsse durchaus hin, weil der Prinz es so befohlen
hätte; sie sollte nur gut Acht geben, wie die Andern es machten, sagte
er, und wenn sie wegginge, sollte sie heimlich ein paar Würste
mitnehmen. »Nein, stehlen kann ich nicht wieder,« sagte sie: »denn Du
weißt wohl, wie es mir das letzte Mal ging.« -- »Du musst es lernen,«
sagte Hakon: »es ist nicht gesagt, daß es allemal schlecht geht.« Als
sie gegangen war, lief Hakon Borkenbart den Richtweg und kam noch lange
vor ihr auf dem Schloß an; dort warf er schnell seinen ledernen Rock und
seinen Moosbart ab, und als sie in der Küche ankam, stand er schon da in
seinen Prinzenkleidern. Die Königstochter half nun mit beim Schlachten
und Wurstmachen, und als sie damit fertig war, that sie, wie Hakon ihr
gesagt hatte, und stopfte sich alle Taschen voll Würste. Wie sie aber am
Abend nach Hause gehen wollte, sagte der Prinz:

»Dieses Bettlerweib machte neulich lange Finger; darum ist's am besten,
wir sehen nach, ob sie nicht wieder Etwas stipitzt hat,« und damit fing
er an, alle ihre Taschen zu untersuchen. Wie er nun die Würste fand,
ward er gewaltig böse, hielt eine entsetzliche Wirthschaft und droh'te
ihr, er wolle sie zu dem Dorfrichter schicken.

»Ach Gott, nein! lasst mich nur gehen!« sagte sie: »denn mein Mann hatte
es mir geheißen,« und weinte und jammerte ganz gewaltig.

»Es sollte Dir eigentlich schlimm gehen,« sagte Hakon Borkenbart: »aber
um Deines Mannes willen mag es Dir vergeben sein.«

Als sie gegangen war, warf der Prinz schnell seine Kleider ab und hüllte
sich wieder in seine Lumpen, lief dann den Richtweg, und als sie nach
Hause kam, war Hakon schon in der Hütte. Sie erzählte ihm, wie es ihr
gegangen war und gelobte hoch und theuer, es solle das letzte Mal sein,
daß sie gestohlen hätte.

Einige Zeit darnach, als Hakon eines Abends wieder vom Schloß
zurückkehrte, sagte er; »Nun will der Prinz Hochzeit halten; aber die
Braut ist krank geworden, so daß der Schneider ihr nicht das Maß zu dem
Brautkleid nehmen kann; und darum will der Prinz, daß Du auf's Schloß
kommst und Dir statt seiner Braut das Maß nehmen lässest, denn er sagt,
Du gleichest ihr im Wuchs und in Allem. Wenn man Dir aber das Maß
genommen hat, so geh nicht gleich fort, sondern gieb Acht, wie der
Schneider das Zeug zuschneidet, und dann stipitze heimlich die größten
Stücke und bring' sie mit zu einer Pickelhaube für mich.« --

»Nein, stehlen kann ich nicht,« sagte sie: »Du weißt wohl, wie es mir
das letzte Mal ging.« -- »Du musst es lernen,« sagte er: »es ist nicht
gesagt, daß es immer schlecht abläuft.«

Sie meinte zwar, es wäre ein schlimmes Ding, aber that doch, wie er ihr
gesagt hatte, stipitzte einige von den größten Stücken und steckte sie
in die Tasche. Als sie gehen wollte, sagte der Prinz: »Wir müssen doch
nachsehen, ob das Weib auch nicht diesmal wieder lange Finger gemacht
hat,« und damit untersuchte er alle ihre Taschen, und wie er nun die
gestohlenen Sachen fand, ward er so zornig und machte einen solchen
Lärm, daß es gar nicht zu sagen ist. Die Königstochter weinte und bat
und sagte: »Ach, mein Mann hatte es mir geheißen; darum mußte ich es
wohl thun.« --

»Ja, es sollte Dir schlecht gehen, aber um Deines Mannes willen mag es
Dir vergeben sein,« sagte Hakon Borkenbart; und nun ging es wieder eben
so, wie die vorigen Male: als die Königstochter nach der Hütte kam, war
Hakon Borkenbart schon wieder da. »Ach, Gott steh mir bei!« sagte sie:
»ich werde doch zuletzt noch unglücklich um Deinetwillen; denn Du willst
mich immer zu Dem haben, was nicht taugt. Der Prinz war diesmal so
bitterböse, daß er mir mit dem Dorfrichter und dem Zuchthaus droh'te.«

Einige Zeit darnach sagte Hakon, als er abends vom Schloß zurückkam.
»Nun will der Prinz, daß Du auf's Schloß kommen und die Braut vorstellen
sollst, denn die rechte Braut ist noch immer krank und bettlägerig; aber
Hochzeit will der Prinz nun einmal halten, und er sagt, Du gleichest
seiner Braut so sehr, daß Keiner Euch von einander unterscheiden könne.
Halt Dich also bereit, morgen aufs Schloß zu gehen.« --

»Ich glaube, Ihr habt beide Euern Verstand verloren, sowohl Du, als der
Prinz,« sagte sie: »Sehe ich denn darnach aus, daß ich eine Braut
vorstellen kann? Kein Bettlerweib kann ja ärger aussehen, als ich.« --

»Einerlei! der Prinz will es aber einmal so haben,« versetzte Hakon
Borkenbart, und es war nun kein anderer Rath, sie mußte fort, und als
sie aufs Schloß kam, wurde sie so aufgeputzt und herausstaffirt, daß
keine Prinzessinn stattlicher aussehen konnte. Darauf gingen sie zur
Kirche, und sie stellte die Braut vor, und als sie zurückkamen, gab es
Musik und Tanz und lauter Lustbarkeit auf dem Schloß. Wie aber die
Königstochter mit dem Prinzen im besten Tanzen war, sah sie einen hellen
Schein durch das Fenster, und wie sie hinblickte, da stand die Hütte in
Feuer und Flammen.

»Ach! die Hütte! und der Bettler! und mein Kind!« rief sie und sank
beinahe in Ohnmacht.

»Hier ist der Bettler! und da ist Dein Kind!« sagte Hakon Borkenbart:
»und laß dann die Hütte zum Teufel sein!« Da erkannte die Königstochter
ihn wieder, und nun ging erst die rechte Lust an. Nachher aber habe ich
Nichts weiter von ihnen gehört.




16.

Die Meisterjungfer.


Es war einmal ein König, der hatte mehre Söhne, wie viel es aber
eigentlich waren, kann ich nicht mit Gewißheit sagen. Als der jüngste
herangewachsen war, hatte er durchaus keine Ruhe zu Hause, sondern
wollte mit aller Gewalt fort in die Welt und sein Glück versuchen; er
hielt auch nicht auf, seinen Vater so lange zu bitten, bis dieser ihm
endlich die Erlaubniß zum Reisen ertheilte. Als er nun einige Tage lang
gereis't war, kam er zu einem Riesenschloß, und da gab er sich bei dem
Riesen in Dienst. Den andern Morgen machte der Riese sich in aller
Frühe auf, um seine Ziegen zu hüten, dem Königssohn aber befahl er,
inmittlerweile den Stall auszumisten; »_und wenn Du damit fertig bist_,«
sagte er: »_dann hast Du für heute Feierabend; denn Du musst wissen, daß
Du zu einem guten Herrn gekommen bist; aber Was ich Dir sage, das musst
Du treu und ordentlich verrichten; und dann darfst Du in keins von den
Zimmern gehen, worin Du noch nicht gewesen bist; thust Du es dennoch,
so kostet es Dir das Leben._« -- »Ja, wahrhaftig!« sagte der Königssohn,
als der Riese fort war: »das ist doch ein guter Herr!« und ging auf und
ab im Zimmer und sang und trallei'te; denn er meinte, mit dem Ausmisten
hätte es noch gute Weile. »Aber wissen möcht' ich doch wohl, Was in den
andern Zimmern sein mag,« sagte er: »es muß wohl etwas Besonderes sein,
weil er es mir so strenge verboten hat, hineinzugehen,« und damit ging
er rasch in das erste von den Zimmern. Hier hing ein Kessel von der
Decke herab und kochte; aber der Königssohn sah kein Feuer darunter.
»Was wohl drin sein mag?« dachte er und tauchte einen von seinen
Handschuhen hinein, und da wurde der Handschuh als wär' er von lauter
Kupfer. »Eine schöne Suppe!« sagte er: »wenn Einer davon kostete, würde
er gewiß hübsch um den Schnabel aussehen.« Hierauf ging er in ein andres
Zimmer, und da hing auch ein Kessel von der Decke herab und pruttelte
und kochte, aber Feuer war auch nicht darunter. »Ich muß den auch mal
probiren,« sagte der Königssohn und steckte wieder seinen Handschuh
hinein, und nun ward derselbe ganz versilbert. »So theure Suppe giebt's
nicht auf meines Vaters Schloß,« sagte der Königssohn: »es fragt sich
nur, wie sie schmeckt.« Hierauf ging er in das dritte Zimmer, und da
hing auch ein Kessel von der Decke herab und kochte, ganz so, wie in den
beiden andern Zimmern, und der Königssohn bekam Lust, den auch zu
probiren und tauchte wieder den Handschuh hinein, und da ward derselbe
so blank vergoldet, daß es nur so blitzte. »Donner und's Wetter!« sagte
der Königssohn: »wird hier Gold gekocht, Was mag man denn dort drinnen
kochen?« und damit ging er in das vierte Zimmer. Hier war kein Kessel
zu sehen; aber auf der Bank saß eine Jungfrau, das war gewiß eine
Königstochter; was für eines Mannes Tochter es aber auch sein mochte,
so hatte doch der Königssohn noch nie ihres Gleichen gesehen, so
außerordentlich schön war sie. »Um's Himmels willen, Was willst Du
hier?« rief sie, sobald sie ihn gewahr ward. »Ich bin seit gestern hier
im Dienst,« sagte der Königssohn. »Gott steh' Dir bei für den Dienst,
den Du hier bekommen hast!« sagte sie. »O, mir däucht, ich habe einen
guten Herrn bekommen,« sagte der Königssohn: »er hat mir heute eben
keine schwere Arbeit aufgegeben: wenn ich den Stall ausgemistet habe,
kann ich Feierabend machen.« -- »Ja, aber wie willst Du das anfangen?«
sagte sie: »denn wenn Du so ausmistest, wie andre Leute zu thun pflegen,
so kommen für jede Schaufelvoll, die Du hinauswirfst, wieder zehn andre
Schaufeln voll hinein. Ich will Dir aber sagen, wie Du es machen sollst:
Du musst bloß die Schaufel umkehren und mit dem Stiel ausmisten, dann
fliegt Alles von selbst hinaus.« -- Ja, das wollte er schon in Acht
haben, sagte der Königssohn, und nun blieb er bei der Prinzessinn -- ich
werde sie so nennen -- den ganzen Tag über, denn sie waren bald darüber
einig geworden, daß sie einander heirathen wollten, und da wurde denn
dem Königssohn der erste Tag, den er bei dem Riesen diente, eben nicht
lang, kannst Du glauben. Als es aber gegen Abend kam, sagte sie zu ihm:
»Nun ist es am besten, Du mistest den Stall aus, ehe der Riese wieder
nach Hause kommt.« Als aber der Bursch in den Stall kam, wollte er
sehen, ob es sich wirklich so verhielt, wie die Königstochter ihm gesagt
hatte, und fing an, so auszumisten, wie er es früher von den Stallknechten
seines Vaters gesehen hatte; aber er mußte bald damit aufhalten; denn
als er eine Weile so gemistet hatte, war im Stall beinahe kein Raum
mehr, wo er stehen konnte. Darauf mistete er so aus, wie die Königstochter
es ihm gelehrt hatte: nämlich, er kehrte die Schaufel um und mistete mit
dem Stiel, und nun dauerte es kaum einen Augenblick, da war der Stall so
rein, als ob er gefegt und gescheuert wäre. Als er damit zu Stande war,
ging er wieder zurück in das Zimmer, das der Riese ihm angewiesen hatte,
und da spazierte er auf und ab und sang und trallei'te. Endlich kam der
Riese mit den Ziegen wieder nach Hause, und die erste Frage, die er dem
Königssohn that, war: »_Hast Du nun den Stall ausgemistet?_« -- »Ja,
Herr, der ist rein und sauber,« sagte der Königssohn. »_Das will ich
mal sehen_,« sagte der Riese und ging in den Stall; aber es verhielt
sich, wie der Königssohn gesagt hatte. »_Du hast gewiß mit meiner_
MEISTERJUNGFER _gesprochen_,« sagte der Riese: »_denn das hast Du
nicht aus Dir selber._« -- »Meisterjungfer? Was ist das für Eine?« sagte
der Königssohn und stellte sich ganz dumm an: »die möcht' ich wohl mal
sehen.« -- »_Du wirst sie noch früh genug zu sehen kriegen_,« sagte der
Riese.

Als der Riese den andern Morgen die Ziegen wieder auf die Weide trieb,
sagte er zu dem Königssohn, den Tag solle er sein Pferd nach Hause
holen, das in der Koppel ginge, und wenn er das gethan hätte, könne er
Feierabend machen; »_denn Du bist zu einem guten Herrn gekommen, musst
Du wissen_,« sagte er wieder: »_Gehst Du aber in irgend eins der Zimmer,
das ich Dir verboten habe, so drehe ich Dir den Hals um_,« und damit
trieb er seine Heerde in den Wald. »Ja, wahrhaftig, bist Du ein guter
Herr!« sagte der Königssohn: »ich möchte aber doch wieder ein Wort mit
der Meisterjungfer sprechen, vielleicht daß sie noch eben so früh _mein_
wird, als _Dein_,« und damit ging er wieder zu ihr hinein. Sie fragte
ihn, Was der Riese ihm den Tag zu thun befohlen hätte. »O, es ist eben
keine schwere Arbeit,« sagte er: »ich soll bloß das Pferd aus der Koppel
holen.« -- »Ja, aber wie willst Du das anfangen?« fragte ihn die
Meisterjungfer. »O, es gehört wohl eben keine Kunst dazu, ein Pferd aus
der Koppel zu holen,« sagte der Königssohn: »denn ich will doch meinen,
ich habe schon manches rasche Pferd geritten.« -- »Die Sache ist aber
gleichwohl nicht so leicht,« sagte sie: »indeß will ich Dir lehren, wie
Du es machen musst: Sobald Du das Pferd erblickst, kommt es brausend auf
Dich zu und schnaubt Feuer und Flammen aus beiden Nüstern. Paß aber dann
gut auf und nimm das Gebiß, das dort bei der Thür hangt, und wirf es
ihm ins Maul, dann wird es augenblicklich so zahm, daß Du damit thun
kannst, was Du willst.« Ja, das wollte er schon in Acht haben, sagte der
Königssohn und blieb nun den ganzen Tag drinnen bei der Meisterjungfer,
und sie schwatzten von Diesem und Jenem, und wie herrlich und vergnügt
sie leben wollten, wenn sie erst aus der Gewalt des Riesen wären und
einander geheirathet hätten; und der Königssohn hätte gewiß Pferd und
Koppel darüber vergessen, wenn nicht die Meisterjungfer gegen Abend ihn
daran erinnert hätte und zu ihm sagte, es wäre am besten, daß er jetzt
das Pferd hole, ehe der Riese nach Hause käme. Das that er denn auch: er
nahm das Gebiß, das bei der Thür hing, und lief damit in die Koppel; nun
dauerte es nicht lange, so kam das Pferd an und schnob Feuer und Flammen
aus beiden Nüstern; da nahm aber der Königssohn seine Gelegenheit wahr
und warf ihm das Gebiß in den offenen Rachen, und nun stand das Pferd
da, so geduldig, wie ein Lamm, und da war's eben keine große Kunst, es
nach dem Stall zu bringen. Als der Bursch damit fertig war, ging er
wieder zurück auf sein Zimmer, und dort spazierte er auf und ab und sang
und trallei'te.

Wie nun der Riese mit den Ziegen nach Hause kam, war seine erste Frage:
»_Hast Du auch das Pferd von der Koppel geholt?_« -- »Ja, Herr!« sagte
der Königssohn: »es war ein possirliches Pferd zu reiten; aber ich hab's
glücklich in den Stall gebracht.« -- »_Das will ich mal sehen!_« sagte
der Riese und ging in den Stall; das Pferd aber stand richtig da, so wie
der Königssohn gesagt hatte. »_Du hast gewiß mit meiner_ MEISTERJUNGFER
_gesprochen_,« sagte der Riese: »_denn das hast Du nicht aus Dir
selber._« -- »Gestern spracht Ihr von Eurer Meisterjungfer und heute
wieder,« sagte der Königssohn und stellte sich ganz dumm und einfältig
an: »Was ist denn das für Eine, Herr? ich möchte sie doch gern einmal
sehen.« -- »_Du wirst sie noch früh genug zu sehen kriegen_,« sagte
jener.

Als der Riese am dritten Morgen seine Ziegen in den Wald trieb, sagte er
zu dem Königssohn: »_Heute sollst Du nach der Hölle und den Brandschatz
holen, und wenn Du das gethan hast, kannst Du Feierabend machen; denn
Du bist zu einem guten Herrn gekommen, musst Du wissen._« -- »Ja, ich
will's glauben,« sagte der Königssohn, als der Riese gegangen war:
»ein wie guter Herr Du aber auch sein magst, so sind es doch garstige
Arbeiten, die Du mir auflegst; ich will indeß mal wieder ein Wort mit
Deiner Meisterjungfer sprechen; Du sagst zwar, sie gehört _Dir_; aber
vielleicht sagt sie es doch _mir_, wie ich es machen muß,« und damit
ging er wieder hinein zu der Meisterjungfer. Als diese ihn nun fragte,
was der Riese ihm den Tag für eine Arbeit aufgegeben hätte, sagte er,
daß er ihm befohlen habe, nach der Hölle zu gehen und den Brandschatz zu
holen. »Und wie willst Du das anfangen?« fragte ihn die Meisterjungfer.
»Ja, Du musst es mir sagen,« versetzte der Königssohn: »denn in der
Hölle bin ich noch nicht gewesen, und wenn ich auch den Weg dahin wüßte,
so weiß ich doch nicht, wie Viel ich einfordern soll.« -- »Ja, ich will
Dir wohl helfen,« versetzte die Meisterjungfer: »Du musst nach dem
Felsen dort hinter der Koppel gehen und den Kloben nehmen, der da liegt,
und damit an die Felswand klopfen; dann wird wohl Einer herauskommen,
daß es nur so knistert, dem musst Du Deinen Auftrag sagen; und wenn er
Dich dann fragt, wie Viel Du haben willst, dann sage nur: »So Viel, als
ich tragen kann.«« -- Ja, das wollte er schon in Acht haben, sagte der
Königssohn und blieb nun wieder bei der Meisterjungfer, bis es Abend
wurde, und er wäre gern noch länger da geblieben, wenn sie ihn nicht
erinnert hätte, daß er fort müsse nach der Hölle und den Brandschatz
holen, ehe der Riese wieder nach Hause käme. Der Bursch machte sich
nun auf und that, wie die Meisterjungfer ihm gesagt hatte, ging zu dem
Felsen hinter der Koppel, nahm den Kloben und klopfte damit an die Wand.
Sogleich kam Einer heraus, dem die Funken aus Augen und Nase flogen.
»_Was willst Du?_« rief er. »Ich soll grüßen von dem Riesen und den
Brandschatz für ihn einfordern,« sagte der Königssohn. »_Wie Viel willst
Du haben?_« fragte der Andre. »O, ich verlange nicht Mehr, als ich tragen
kann,« versetzte der Königssohn. »_Es war Dein Glück, daß Du nicht ein
ganzes Fuder verlangtest_,« sagte Der, welcher aus der Felswand gekommen
war: »_aber komm jetzt herein, dann will ich Dir den Brandschatz
auszahlen._« Der Königssohn ging nun mit ihm hinein, und da sah er in
dem Berg so viel Gold und Silber, als Steine in der Erde liegen; er
bekam nun eine Tracht, so groß, wie er sie nur tragen konnte, und damit
ging er seines Weges. Als darauf am Abend der Riese mit den Ziegen nach
Hause kam, spazierte der Königssohn eben so, wie die beiden Abende
zuvor, im Zimmer auf und ab und sang und trallei'te. »_Bist Du in der
Hölle gewesen und hast den Brandschatz geholt?_« fragte ihn der Riese.
»Ja, Herr!« sagte der Königssohn. »_Wo hast Du ihn denn?_« fragte der
Riese. »Da auf der Bank steht der Goldsack,« sagte der Königssohn.
»_Das will ich mal sehen_,« sagte der Riese; und als er zusah, stand
da ein Sack, der war so gedrängt voll, daß die Gold- und Silberstücke
herausfielen, sowie nur der Riese das Band ein wenig auflockerte. »_Du
hast gewiß mit meiner_ MEISTERJUNGFER _gesprochen_,« sagte er: »_ist
aber das der Fall, dann drehe ich Dir das Genick um._« -- »Mit Eurer
_Meisterjungfer_?« sagte der Königssohn: »Gestern und vorgestern
schwatztet Ihr von Eurer Meisterjungfer und heute wieder? Was ist denn
das für Eine, Herr? ich möchte sie doch gern einmal sehen.« -- »_Ja,
warte nur bis morgen, dann sollst Du sie zu sehen kriegen_,« sagte der
Riese. -- »Danke schön!« sagte der Königssohn: »aber es ist wohl bloß
Euer Scherz, Herr.«

Den Tag darauf ging der Riese mit ihm in das Zimmer, worin die
Meisterjungfer war. »Jetzt sollst Du ihn schlachten und ihn in dem
großen Kessel für mich zum Mittag kochen, und wenn die Suppe fertig ist,
kannst Du mich rufen,« sagte er zu ihr und streckte sich auf die Bank
hin; und während er nun da lag und schnarchte, daß der alte Berg bebte,
nahm die Meisterjungfer ein Messer, schnitt damit den Burschen in den
Finger und ließ drei Blutstropfen auf die Bank fließen; darauf nahm sie
alle die alten Lappen und Schuhsohlen und andern Kram, den sie finden
konnte, und warf es in den Kessel; dann nahm sie einen ganzen Kasten
voll gemahlenes Gold und einen Salzstein und eine Wasserflasche, die bei
der Thür hing, und einen goldnen Apfel und zwei goldne Hühner nahm sie
auch mit, und darauf machten beide sich aus dem Staube, so schnell sie
nur konnten. Wie sie nun ein Ende gegangen waren, kamen sie zu dem Meer,
und da gingen sie unter Segel; wie sie aber zu dem Schiff gelangten,
habe ich nie so recht erfahren können.

Als der Riese eine gute Weile geschlafen hatte, fing er an sich zu
strecken. »_Ist das Essen noch nicht fertig?_« fragte er. »_Eben erst
angefangen!_« sagte der erste Blutstropfen auf der Bank. Darauf legte er
sich wieder schlafen und schlief noch eine gute Zeit; endlich fing er
wieder an sich zu strecken. »_Ist jetzt das Essen fertig?_« fragte er,
aber ohne aufzusehen, eben so wie er auch das erste Mal gethan hatte,
denn er war noch halb im Schlaf. »_Halb fertig!_« sagte der zweite
Blutstropfen. Der Riese aber glaubte, es sei die Meisterjungfer, die das
sagte, kehrte sich wieder um und legte sich auf's neue schlafen. Als er
nun viele Stunden hinter einander geschlafen hatte, fing er endlich
wieder an sich zu rühren und zu strecken. »_Ist es denn jetzt fertig?_«
fragte er. »_Vollkommen fertig!_« sagte der dritte Blutstropfen. Der
Riese richtete sich nun auf und rieb sich die Augen; aber er konnte die
Meisterjungfer nirgends erblicken, und darum rief er sie bei Namen. Er
bekam aber keine Antwort. »O,« dachte er: »sie ist wohl nur ein wenig
hinausgegangen,« und nahm einen Löffel und füllte damit aus dem Kessel,
um das Essen zu probiren. Da fand er aber Nichts, als lauter Schuhsohlen
und Lumpen und dergleichen Kram darin, und das war zusammengekocht, so
daß er nicht wußte, ob's Fisch, oder Fleisch war. Als er das gewahr
ward, konnte er sich wohl denken, wie die Sache sich verhielt, und ward
so arg, daß er nicht wußte, »auf welchem Bein er stehen wollte;« er
eilte sogleich dem Königssohn und der Meisterjungfer nach, und es
dauerte nicht lange, so stand er beim Wasser, aber da konnte er nicht
hinüber. »_Ich weiß schon Rath_,« sagte er: »_ich will bloß meinen
Meersauger rufen._« Wie nun der Meersauger ankam, legte der sich auf die
Erde nieder und that dreimal einen guten Trunk, und da ward das Meer so
viel kleiner, daß der Riese die Meisterjungfer und den Königssohn auf
dem Schiff sehen konnte. »Jetzt musst Du den Salzstein hinauswerfen,«
sagte die Meisterjungfer; und als der Königssohn das gethan hatte,
entstand plötzlich quer durch das Meer ein so hoher Berg, daß der Riese
nicht hinüber konnte, und der Meersauger konnte ihm nun auch nichts
helfen. »_Ich weiß schon Rath_,« sagte der Riese und holte sich seinen
_Bergbohrer_, und damit bohrte er ein großes Loch durch den Berg, so daß
der Meersauger wieder trinken konnte. Wie die Meisterjungfer das gewahr
ward, sagte sie zu dem Königssohn, jetzt solle er einen, oder zwei
Tropfen aus der Flasche gießen; und als der Königssohn das gethan hatte,
ward das Meer wieder ganz voll. Ehe nun der Meersauger noch wieder einen
guten Trunk thun konnte, waren sie schon am Lande, und damit waren sie
gerettet.

Nun wollte der Königssohn die Meisterjungfer nach seines Vaters Schloß
bringen; aber er meinte, es schicke sich nicht, daß sie zu Fuß gehe, und
darum sagte er zu ihr: »Warte hier eine Weile; ich will nur nach Hause
gehen und die sieben Pferde holen, die in meines Vaters Stall stehen;
denn ich möchte nicht gern, daß meine Braut zu Fuß auf dem Schloß ankäme.
Der Weg dahin ist nicht lang, und ich werde bald wieder hier sein.«
-- »Ach nein, thu' das nicht!« sagte sie: »denn kommst Du erst zu Deines
Vaters Schloß, dann wirst Du mich bald vergessen.« -- »Wie sollte ich
Dich wohl vergessen,« sagte der Königssohn: »da wir so viel Ungemach
zusammen erduldet und einander so lieb haben?« und er wollte und mußte
nach Hause und einen Wagen und die sieben Pferde holen, und sie sollte
so lange dort am Ufer auf ihn warten; und weil er es nun durchaus nicht
anders wollte, so mußte endlich die Meisterjungfer nachgeben. »Aber,«
sagte sie: »wenn Du auf das Schloß kommst, musst Du Dir nicht einmal so
viel Zeit lassen, daß Du Jemanden grüßest, sondern gradesweges in den
Stall gehen und die Pferde vor den Wagen spannen, und dann davon jagen,
so schnell Du nur kannst; denn sie werden wohl alle sehr neugierig sein
und um Dich herum kommen; aber Du musst thun, als ob Du sie gar nicht
bemerktest, und dann darfst Du durchaus keinen Bissen von Dem, was man
Dir anbietet, genießen; thust Du das, dann machst Du sowohl Dich, als
mich unglücklich.« Der Königssohn versprach ihr, sich genau nach Allem
richten zu wollen, was sie ihm gesagt hatte, und versicherte ihr, daß
sie durchaus nicht zu fürchten brauche, als ob er sie je vergessen
könnte.

Als aber der Königssohn auf dem Schloßhof ankam, hielt grade einer von
seinen Brüdern Hochzeit, und die Braut und alle Gäste waren schon da,
und Alle kamen um ihn herum und fragten ihn nach Diesem und Jenem und
nöthigten ihn mit sich ins Schloß; aber er that, als ob er sie gar nicht
bemerkte, ging gradezu in den Stall, zog die Pferde heraus und wollte
sie vor den Wagen spannen. Wie sie nun auf keine Art und Weise ihn
bewegen konnten, mit ihnen ins Schloß zu gehen, brachten sie ihm zu
essen und zu trinken heraus, all das Beste, was man zur Hochzeit
angerichtet hatte; aber der Königssohn wollte von Allem keinen Bissen
anrühren, sondern beeilte sich nur, die Pferde vor den Wagen zu spannen.
Da rollte aber zuletzt die Schwester der Braut einen Apfel über den
Schloßhof zu ihm hin: »Wenn Du denn durchaus Nichts genießen willst,«
sagte sie: »so kannst Du doch wenigstens in diesen Apfel beißen, denn Du
wirst wohl hungrig und durstig sein von der langen Reise.« Da hob der
Königssohn den Apfel von der Erde auf und biß hinein. Aber kaum hatte
er das gethan, so vergaß er ganz und gar die Meisterjungfer, und daß er
sie holen wollte. »Bin ich denn verrückt?« sagte er: »Was will ich mit
den Pferden und mit dem Wagen?« und darauf zog er die Pferde wieder in
den Stall und ging mit den Andern ins Schloß; und nun dauerte es nicht
lange, so war es dahin gekommen, daß er die Schwester der Braut
heirathen sollte, dieselbe, welche ihm den Apfel zugerollt hatte.

Die Meisterjungfer saß indeß am Ufer und wartete sieben lang und sieben
breit, aber kein Königssohn ließ sich sehen. Endlich ging sie fort, und
als sie ein Ende gegangen war, kam sie zu einer kleinen Hütte, welche ganz
einsam in einem Walde, nicht weit von des Königs Schloß, lag; da ging
sie hinein und bat um Herberge. Drinnen aber saß ein altes Weib, dem die
Hütte gehörte, das war aber ein arges und abscheuliches Trollmensch und
wollte anfangs von der Meisterjungfer gar Nichts wissen; aber endlich
und zuletzt gab sie ihr doch Herberge für Geld und gute Worte. Aber
unsauber und schmutzig war es drinnen, wie in einem Schweinstall. Die
Meisterjungfer sagte, sie wollte die Hütte ein wenig aufputzen, damit
es doch aussehen würde wie bei andern honnetten Leuten; aber das litt
die Alte nicht, sondern fing an zu schelten und zu toben und war ganz
entsetzlich böse. Aber die Meisterjungfer zog dessen ungeachtet ihren
Schrein hervor und warf eine Handvoll Goldmehl in das Kaminfeuer. Da
flackerte es hell auf, und ein rother Strahl zog durch die ganze Hütte,
so daß sie inwendig und auswendig davon vergoldet wurde. Als die Alte
das sah, ward sie so arg, daß sie aus der Haut fahren wollte, und rannte
zur Hütte hinaus, als ob der Teufel hinter ihr wäre; da vergaß sie aber,
sich zu bücken, und zerbrach sich die Hirnschale an der Thürpfoste.

Den Morgen darauf kam der Schulze da vorbei; der war ganz verwundert
über die goldne Hütte, die er im Walde glänzen sah; als er aber hineinging
und drinnen die schöne Jungfrau erblickte, da verwunderte er sich noch
mehr, und er ward augenblicklich so in sie verliebt, daß er um sie
frei'te. »Ja, hast Du aber auch brav Geld?« fragte die Meisterjungfer.
Ja, Geld hätte er genug, sagte er, und er wolle sogleich hin und es
holen. Am Abend kam er wieder und brachte einen ganzen Scheffelssack
voll, den setzte er auf die Bank hin. Ja, weil er so viel Geld hatte,
wollte die Meisterjungfer ihn haben, und darauf legten sie sich zusammen
ins Bett. Kaum aber hatten sie sich niedergelegt, so wollte die
Meisterjungfer wieder aufstehen; denn sie hätte noch vergessen, das
Feuer im Kamin anzuschüren, sagte sie. »Ach behüte!« sagte der Schulze:
»solltest Du darum aufstehen? Das will ich wohl thun,« und damit sprang
er aus dem Bett und lief nach dem Kamin. »Sage mir's, wenn Du den
Aschraker angefasst hast,« sagte die Meisterjungfer. »Nun hab' ich ihn
angefasst,« sagte der Schulze. »So gebe Gott, daß Du ihn festhältst, und
er Dich, und Du da stehen magst die ganze Nacht und Dir Kohlen und Asche
über den Kopf raken bis an den hellen Morgen!« sagte die Meisterjungfer,
und als sie das gesagt hatte, blieb der Schulze vor dem Kamin stehen und
rakte sich Kohlen und Asche über den Kopf die ganze Nacht hindurch, und
wie sehr er auch weinen und bitten und raken mochte, so verloschen darum
doch nicht die Kohlen, und die Asche wurde nicht kälter. Erst am Morgen,
als es Tag wurde, ließ ihn der Aschraker los; aber nun blieb er keinen
Augenblick länger in der Hütte, sondern machte sich fort, als ob der
Teufel hinter ihm her wäre; und alle Leute, die ihm begegneten sahen ihn
an und lachten; denn er legte los, als ob er toll wäre, und aussehen
konnte er nicht schändlicher, wenn man ihn gegerbt und geschunden hätte.

Den Tag darauf kam der Amtsschreiber da vorbei; der sah auch die Hütte
im Walde glänzen, und als er hineinging, um zu sehen, Wer da wohnte, und
die schöne Jungfrau erblickte, da ward er noch mehr in sie verliebt, als
der Schulze, und frei'te stehenden Fußes um sie. Ja, sagte die
Meisterjungfer wieder, sie wollte ihn wohl haben, wenn er brav Geld
hätte. Ja, sagte der Schreiber, Geld hätte er genug, und er wolle
sogleich hin und es holen. Am Abend kam er mit einem großen, schweren
Sack an, -- ich glaube gewiß, es waren zwei Scheffel drin -- und den
setzte er auf die Bank hin. Nun war denn weiter Nichts im Wege, und sie
legten sich zu Bette. Aber kaum hatten sie sich niedergelegt, so hatte
die Meisterjungfer vergessen, die Hausthür zuzumachen, und darum wollte
sie wieder aufstehen. »Ach, behüte! solltest _Du_ das thun?« sagte der
Schreiber: »Nein, bleib Du nur liegen! ich will wohl hingehen,« und
damit sprang er aus dem Bett, so leicht »wie eine Erbse auf Birkenrinde«
und lief hinaus auf die Diele. »Sage mir's, wenn Du die Thür angefasst
hast,« rief die Meisterjungfer. »Nun hab' ich sie angefasst!« rief der
Schreiber auf der Diele. »So gebe Gott, daß Du sie festhältst, und sie
Dich, und Ihr hin- und herfahren mögt die ganze Nacht, bis daß es Tag
wird!« sagte die Meisterjungfer; und nun mußte der Schreiber die ganze
Nacht über mit der Thür vorwärts und rückwärts tanzen; aber einen
solchen Walzer hatt' er noch nie gemacht, und es verlangte ihn auch
nachher nicht, ihn wieder zu machen: bald war _er_ vorn, und bald die
_Thür_, und es ging von der Pfoste an die Mauer, und von der Mauer an
die Pfoste, so daß der Schreiber sich beinahe zu Tode stieß. Erst fing
er an zu fluchen, und dann zu weinen und zu bitten; aber um alles das
bekümmerte sich die Thür gar nicht, sondern hielt fest, so lange, bis
es Tag ward; dann erst ließ sie ihn los -- und der Schreiber auf und
davon, als ob's für Geld ginge; er vergaß sowohl seine Freierei, als den
Goldsack, und war nur froh, daß die Thür nicht hinter ihm her getanzt
kam. Alle Leute, die ihm begegneten, sahen ihn an und lachten; denn er
flog davon, als ob er toll wäre, und dazu sah er aus, noch schlimmer,
als hätten die Böcke ihn die Nacht unter gehabt.

Am dritten Tag kam der Amtmann da vorbei; der hatte kaum die goldne
Hütte erblickt, so wollte er auch hin und zusehen, Wer da wohnte; und
als er nun drinnen die Meisterjungfer sah und sie kaum gegrüßt hatte,
war er schon so verliebt in sie, daß er augenblicklich um sie frei'te.
Die Meisterjungfer aber antwortete ihm eben so, wie den beiden Andern:
wenn er brav Geld hätte, dann wollte sie ihn wohl haben. Ja, davon hätt'
er nicht so wenig, sagte der Amtmann und ging sogleich nach Hause, um es
zu holen. Als er am Abend wiederkam, brachte er einen noch größeren Sack
mit, als der Schreiber, -- es waren gewiß drei Scheffel drin -- und den
setzte er auf die Bank hin. Ja, nun war denn Nichts weiter im Wege, nun
sollte er die Meisterjungfer haben. Kaum aber hatten sie sich zu Bett
gelegt, so sagte die Meisterjungfer, sie hätte vergessen, das Kalb
einzulassen, und wollte darum wieder aufstehen. Nein, den Kukuk! das
sollte sie ja nicht, das wollte er schon thun, sagte der Amtmann, und
der, so dick und fett er war, heraus aus dem Bett, so leichtfüßig, als
wär' er ein junger Bursch gewesen. »Sage mir's, wenn Du das Kalb beim
Schwanz hältst!« sagte die Meisterjungfer. »Jetzt halt ich's!« rief
der Amtmann. »So gebe Gott, daß Du den Schwanz hältst, und er Dich,
und Ihr in der Welt herumfahren mögt, bis daß es Tag wird!« sagte die
Meisterjungfer, und kaum hatte sie das gesagt, so legte das Kalb mit dem
Amtmann los über Stock und Stein, über Berg und Thal, so daß die Heide
wackelte, und je mehr der Amtmann fluchte und schrie, desto schneller
rannte das Kalb mit ihm davon. Als es Tag wurde, war der Amtmann beinahe
zu Matsch, und nun erst ließ das Kalb ihn los; inmittlerweile hatte er
aber seine Freierei ganz vergessen und seinen Geldsack dazu. Er ließ es
nun zwar etwas sachter angehen, als der Schreiber und der Schulz, aber
je schulpusiger er fortkroch, desto mehr Zeit hatten die Leute, ihm
nachzugucken und zu lachen.

Den Tag darnach sollte auf dem Schloß die Hochzeit der beiden Prinzen
gefeiert werden, nämlich die des ältesten und die des jüngsten, der bei
dem Riesen gewesen war, denn der sollte die Schwester von der Braut
seines Bruders heirathen, und beide Brautpaare sollten in der Kirche
zugleich getrau't werden. Als sie aber in den Wagen stiegen und vom
Schloßhof fahren wollten, da zerbrach das eine Wachtholz; sie nahmen
nun ein andres, aber das zerbrach auch; darauf nahmen sie ein drittes,
aber es half ihnen Alles nichts, denn was für Holz sie auch nehmen
mochten, so hielt doch kein einziges. Wie sie nun ganz mißmüthig da
standen und nicht fortkonnten, sagte der Schulze -- denn der war auch
mit zur Hochzeit gebeten, musst Du wissen --: »Dort im Walde wohnt eine
Jungfrau, die hat einen _Aschraker_, womit sie das Feuer anschürt; wenn
Ihr nur zu der schicken und sie bitten lassen wolltet, Euch diesen
Aschraker zu leihen, so weiß ich gewiß, daß er nicht entzwei geht.« Es
wurde nun sogleich zu der Jungfrau geschickt, und sie ließen sie bitten,
ihnen doch den Aschraker zu leihen, wovon der Schulz gesprochen hätte.
Die Jungfrau sagte auch nicht Nein, sondern gab dem Boten ihren Aschraker,
und nun bekamen sie eine Wacht, die nicht entzwei ging, kannst Du
glauben. Als sie aber darauf vom Schloßhof fahren wollten, zerbrach
plötzlich der Wagenboden; und wie oft sie auch einen neuen Boden machten,
und was für Holz sie auch dazu nehmen mochten, so half doch Alles nichts,
denn wenn sie aus dem Hof fahren wollten, ging er jedesmal wieder entzwei,
und sie waren nun noch übler daran, als vorhin mit dem Wachtholz. Endlich
sagte der Amtsschreiber -- denn war der Schulze da, so kann man sich
wohl denken, daß der Schreiber nicht fehlen durfte --: »Dort im Walde
wohnt eine Jungfrau, wenn die Euch bloß ihre eine _Halbthür_ leihen
wollte, die von lauter Gold ist, so weiß ich gewiß, daß sie nicht entzwei
geht.« Sogleich wurde nun wieder zu der Jungfrau geschickt, und sie
ließen sie bitten, ihnen doch die eine Halbthür zu leihen, wovon der
Schreiber gesprochen hätte, und die bekamen sie denn auch. Nun war Alles
gut, und sie wollten nach der Kirche fahren; aber da waren die Pferde
nicht im Stande, den Wagen fortzuziehen; sechs Pferde hatten sie schon
davor; dann spannten sie acht vor, dann zehn, dann zwölf; aber wie viel
sie auch vorspannten, und wie sehr der Kutscher auch peitschen mochte,
es half Alles nichts, der Wagen rührte sich nicht vom Fleck. Es war nun
schon ziemlich spät geworden, und zur Kirche wollten und mußten sie, und
wie sie nun gar keine Möglichkeit sahen, fortzukommen, waren sie alle
nahe daran, zu verzweifeln. Zuletzt aber sagte der Amtmann, dort im
Walde wohne eine Jungfrau, die hätte ein _Kalb_, welches -- ja, wenn
sie bloß das Kalb geliehen bekämen, sagte er, das würde den Wagen schon
ziehen, und wenn er so schwer wäre wie ein Berg. Sie meinten nun zwar,
es sähe nicht hübsch aus, mit einem Kalb zur Kirche zu fahren; aber es
war einmal kein andrer Rath, sie mußten wieder zu der Jungfrau schicken
und sie bitten lassen, ihnen doch das Kalb zu leihen, wovon der Amtmann
gesprochen hätte. Die Meisterjungfer sagte auch diesmal nicht Nein,
sondern gab dem Boten sogleich das Kalb. Da sie es nun vorgespannt
hatten, saus'te der Wagen davon über Stock und Stein, durch Rusch und
Busch, so daß sie kaum Athem holen konnten; bald waren sie auf der Erde,
und bald waren sie in der Luft; und als sie zur Kirche kamen, flog der
Wagen rund um die Kirche, so schnell wie ein Haspel, und es gelang ihnen
nur mir genauer Noth, herunterzukommen. Auf dem Rückweg aber ging's noch
schneller, und sie hatten fast alle die Besinnung verloren, als sie
wieder auf dem Schloßhof ankamen.

Als sie sich zu Tische gesetzt hatten, sagte der Königssohn -- der,
welcher auf dem Riesenschloß gewesen war -- es schicke sich nicht
anders, als daß sie auch die Jungfrau einlüden, die ihnen den Aschraker,
die Halbthür und das Kalb geliehen; »denn hätten wir die drei Dinge
nicht erhalten, so wären wir noch nicht von der Stelle gekommen,« sagte
er. Ja, das, däuchte dem König auch, wäre nicht mehr, als billig, und er
schickte sogleich fünf von seinen Leuten zu der vergoldeten Hütte mit
einem Gruß von ihm, und die Jungfrau möchte doch so gut sein, und aufs
Schloß kommen und da zu Mittag essen. Die Jungfrau aber antwortete:
»Grüßt nur den König wieder von mir und sagt ihm, wenn er sich zu gut
dünke, um selbst zu mir zu kommen, so dünke ich mich auch viel zu gut,
um zu ihm zu kommen.« Nun mußte der König sich denn selbst aufmachen,
und da ging die Jungfrau auch sogleich mit. Der König aber konnte sich
wohl denken, daß sie etwas Mehr war, als sie zu sein schien, und setzte
sie darum bei Tafel oben an bei dem jüngsten Bräutigam. Als sie nun eine
Weile gesessen hatten, nahm die Meisterjungfer den Hahn und das Huhn
und den goldnen Apfel hervor, welche drei Dinge sie aus dem Riesenschloß
mitgenommen hatte, und legte sie vor sich auf den Tisch hin; und sogleich
fingen der Hahn und das Huhn an, sich um den goldnen Apfel zu schlagen.
»Ei seht doch, wie die Beiden da um den goldnen Apfel kämpfen!« sagte
der Königssohn. »Ja, so hatten wir beide damals auch zu kämpfen, um aus
dem Berg zu kommen,« sagte die Meisterjungfer. Da erkannte der Königssohn
sie wieder, und seine Freude war unbeschreiblich; die Trollhexe aber,
die ihm den goldnen Apfel zugerollt hatte, ließ er von vier und zwanzig
Pferden in Stücke zerreißen, so daß kein Fetzen an ihr ganz blieb; und
nun begann erst die rechte Hochzeit; und der Schulz und der Schreiber
und der Amtmann, so sehr sie sich auch die Flügel versengt hatten, waren
auch mit dabei und hielten aus bis zuletzt.




17.

Wohl gethan und schlecht gelohnt.


Es war einmal ein Mann, der fuhr mit einem Schlitten in den Wald und
wollte sich Holz holen; da begegnete ihm der Bär. »Gieb mir Dein Pferd,
oder sonst zerreiß ich alle Deine Schafe diesen Sommer,« sagte der Bär.

»Ach, Gott steh mir bei!« sagte der Mann: »ich habe kein Stück Brennholz
mehr im Hause; laß mich bloß erst diesen Schlitten heimfahren, denn
sonst müssen wir alle todtfrieren; morgen will ich mit dem Pferd
wiederkommen.« Na, der Bär ließ ihn denn auch fahren; wenn er aber nicht
wiederkäme, sagte er, dann sollt's kaputt gehen mit all seinen Schafen
im Sommer.

Der Mann fuhr nun mit seinem Holz nach Hause; aber er war nicht sehr
vergnügt über den Accord, wie man sich wohl denken kann. Unterweges
begegnete ihm der Fuchs.

»Warum bist Du so betrübt?« fragte der Fuchs ihn.

»Ach, mir ist der Bär im Wald begegnet,« sagte der Mann: »und ich hab'
ihm versprechen müssen, ihm morgen um diese Zeit mein Pferd zu bringen;
sonst wollte er alle meine Schafe diesen Sommer zerreißen, sagte er.« --

»Nichts weiter, als das?« sagte der Fuchs: »Willst Du mir den fettsten
Bock aus Deinem Stall geben, so will ich Dich von dem Bären befreien.«

Ja, das wollte der Mann gern und gab dem Fuchs sein Wort.

»Wenn Du nun morgen mit Deinem Pferd zu dem Bären kommst,« sagte der
Fuchs: »so werde ich dort oben auf dem Berg juchen, und wenn dann der
Bär Dich fragt: »Was ist Das?« dann sollst Du sagen: »Das ist Peter der
Schütz, der beste Jäger im ganzen Land;« und nachher wirst Du Dir schon
selbst weiter helfen.«

Als nun am andern Tag der Mann mit seinem Pferd zu dem Bären in den Wald
kam, hörte man es bald oben auf dem Berg juchen.

»Horch! Was ist Das?« sagte der Bär.

»O, das ist Peter der Schütz, der beste Jäger im ganzen Land,« sagte der
Mann: »ich kenne ihn an der Stimme.« --

»Hast Du keinen Bären hier gesehen, Erich?« rief es durch den Wald.

»Sag' Nein,« sagte der Bär.

»Nein, ich habe keinen Bären gesehen,« sagte Erich.

»Was ist denn Das, was da neben Dir steht?« rief es im Walde.

»Sag', es ist ein alter Kienstamm,« flüsterte der Bär.

»O, es ist nur ein alter Kienstamm,« sagte Erich.

»Solche Kienstämme pflegen wir bei uns auf den Schlitten zu werfen,«
rief es im Walde: »Kannst Du's nicht allein, so will ich kommen und Dir
helfen.« --

»Sag', Du kannst Dir schon selbst helfen, und wirf mich auf den
Schlitten,« sagte der Bär.

»Nein, danke! ich kann mir schon selbst helfen,« sagte der Mann und warf
den Bären auf den Schlitten.

»Solche Kienstämme pflegen wir nachher mit dem Strick festzubinden,« rief
es im Walde: »Soll ich Dir helfen?« --

»Sag', Du kannst Dir schon selbst helfen, und binde mich fest,« sagte
der Bär.

»Nein, danke! ich kann mir schon selbst helfen,« sagte der Mann und band
den Bären fest mit all den Stricken, die er bei sich hatte, so daß er
kein Glied rühren konnte.

»Und nachher, wenn wir sie festgebunden haben, pflegen wir in solche
alte Kienstämme unsre Axt zu hauen,« rief's im Walde: »dann steuern wir
besser über die großen Berge.« --

»Thu', als ob Du Deine Axt in mich hau'test,« flüsterte der Bär.

Da nahm der Mann seine Axt und zerspaltete damit dem Bären die Hirnschale,
so daß er nicht mehr mucks'te. Darauf kam Reineke hervor, und sie wurden
gute Freunde mit einander.

Als sie nicht mehr weit von dem Gehöft waren, sagte der Fuchs: »Ich habe
keine Lust, Dir weiter zu folgen, denn ich kann Deine Hunde nicht gut
vertragen; ich will aber hier auf Dich warten, dann kannst Du mir den
Bock herbringen; nimm aber einen, der brav fett ist.«

Der Mann gab ihm sein Versprechen und dankte ihm für seine Hülfe; und
als er sein Pferd in den Stall gezogen hatte, ging er hinüber zu dem
Schafstall.

»Wo willst Du hin?« fragte seine Frau.

»O, ich will nur in den Schafstall und einen fetten Bock für den Fuchs
holen, der mein Pferd gerettet hat,« sagte der Mann: »denn ich hab' es
ihm versprochen.« --

»Der Henker sollte dem Schelm einen Bock geben!« sagte die Frau: »Unser
Pferd haben wir ja und den Bären dazu, und der Fuchs hat uns gewiß schon
mehr Gänse gestohlen, als der Bock werth ist, und hat er's noch nicht
gethan, so kann er's wohl noch thun. Nein,« sagte sie: »steck lieber ein
Paar von Deinen bösesten Hunden in den Sack und schick ihm die auf den
Pelz, dann werden wir den alten Schelm vielleicht dazu los.«

Das schien dem Mann ein guter Rath, und er steckte zwei seiner bösesten
Hunde in den Sack und damit ging er fort.

»Hast Du den Bock?« fragte der Fuchs.

»Ja, komm und nimm ihn!« sagte der Mann, machte seinen Sack auf und ließ
die Hunde heraus.

»Houf!« sagte der Fuchs und nahm einen Satz: »es ist wohl wahr, was ein
altes Sprichwort sagt: »Wohl gethan wird schlecht gelohnt,«« und schwang
die Fersen, während die Hunde hinter ihm drein waren.




18.

Treu und Untreu.


Es waren einmal zwei Brüder, der eine hieß _Treu_, und der andere hieß
_Untreu_. Treu war immer gut und aufrichtig gegen Jedermann, aber Untreu
war böse und voller Lügen, so daß Niemand auf sein Wort bauen konnte.
Die Mutter war Wittwe und hatte nur kümmerlich zu leben; darum mußten
die Söhne, als sie herangewachsen waren, in die Welt auswandern, um sich
ihr Brod zu verdienen, und jedem von ihnen gab sie einen Schnappsack mit
Essen auf den Weg.

Als sie nun so lange fortgewandert waren, bis es Abend wurde, setzten
sie sich auf einen vom Sturm umgeworfenen Baum im Walde nieder, und
jeder nahm seinen Schnappsack hervor. »Willst Du, wie ich,« sagte Untreu:
»so wollen wir erst aus Deinem Sack essen, so lange Was drin ist, naher
essen wir aus meinem.« Ja, Treu war's zufrieden, that seinen Schnappsack
auf, und sie fingen an zu essen; aber all das Schönste und Beste pfropfte
Untreu in sich hinein, und Treu bekam nur die Schwarten und die
angebrannte Rinde. Am Morgen war Treu wieder der Wirth und am Mittag
auch; da ward aber sein Schnappsack ganz leer. Als sie nun so lange
gegangen waren, bis es wieder Abend wurde, und der Hunger sich einstellte,
wollte Treu mit aus seines Bruders Schnappsack essen; aber Untreu sagte,
das Essen wäre sein, und er hätte nicht Mehr, als er selbst gebrauche.
»Ich hab' Dich aber doch aus _meinem_ Schnappsack essen lassen, so lange
was drin war,« sagte Treu. »Ja, warum bist ein solcher Narr gewesen und
hast das gethan?« sagte Untreu: »Nun kannst Du Dir den Mund lecken, wenn
Du nichts Andres hast.« -- »_Untreu_ heißt Du, und _untreu_ bist Du, und
das bist Du all Dein Lebtag gewesen,« sagte Treu. Als Untreu das hörte,
gerieth er so in Wuth, daß er auf den Bruder zurannte, und ihm die Augen
aus dem Kopf stach. »Nun kannst Du sehen, welche Leute treu, und welche
untreu sind, Du Blindekuh!« sagte er, und damit ging er fort.

Der arme Treu ging nun und tappte blind und allein im dicken Wald umher
und wußte nicht, Was er anfangen sollte. Endlich kam er zu einem großen
Lindenbaum und da kletterte er hinauf, um nur die Nacht über im Schutz
vor den wilden Thieren zu sein. »Wenn morgen die Vögel singen, dann ist
es Tag,« dachte er: »und dann muß ich zusehen, daß ich weiter komme.«
Als er aber eine Weile da gesessen hatte, hörte er, daß Jemand unter den
Baum kam und anfing zu kochen und zu braten; und es dauerte nicht lange,
so kamen noch Mehr, und als sie einander grüßten, hörte er, daß es der
Bär, der Wolf, der Fuchs und der Hase waren, die wollten den St.
Johannistag feiern.

Sie fingen nun an zu essen und zu trinken und thaten sich gütlich; und
als sie damit fertig waren, setzten sie sich hin und schwatzten mit
einander. Darauf sagte der Fuchs: »Wir wollen einander Geschichten
erzählen.« Der Vorschlag gefiel, und der Bär begann zuerst, denn der war
der Vornehmste. »Der König von England,« sagte er: »hat schlechte Augen:
er kann fast nicht einen Ellbogen weit vor sich sehen; aber wenn er des
Morgens auf diese Linde stiege, während der Thau auf den Blättern sitzt,
und sich damit die Augen bestriche, so würde er wieder eben so gut sehen
lernen, als er's zuvor gekonnt hat.« »Ja,« sagte der Wolf: »der König
von England hat auch eine taubstumme Tochter; aber wüßte er, Was ich
weiß, so wäre ihr bald geholfen: Als sie nämlich voriges Jahr zum
Abendmahl ging, spuckte sie das Altarbrod wieder aus, und da kam eine
große Kröte und verschlang es. Wenn sie jetzt nur in der Kirche unter
dem Fußboden nachgrüben, so würden sie die Kröte finden; denn die sitzt
unter dem Altar, und das Brod steckt ihr noch im Halse; und wenn sie
dann die Kröte aufschnitten und das Brod der Prinzessinn zu essen gäben,
so würde sie wieder eben so gut hören und sprechen lernen, als andre
Leute.« -- »Ja, ja,« sagte der Fuchs: »wenn der König von England
wüßte, Was ich weiß, dann hätte er nicht so schlechtes Wasser in seinem
Schloßhof; denn unter dem großen Stein mitten im Hof ist das klarste
Brunnenwasser, das man sich nur wünschen kann, wenn er bloß so klug
wäre und da nachgrübe.« -- »Ja,« sagte der Hase: »der König von England
hat den schönsten Obstgarten im ganzen Lande, aber er trägt ihm keinen
Apfel, denn es liegt eine schwere goldene Kette dreimal rund um den
Garten vergraben; wenn er aber die herausgrübe, so würde es der schönste
Garten im ganzen Reich werden.« -- »Nun ist es schon spät in der Nacht,
und wir thun am besten, wir gehn wieder nach Hause,« sagte der Fuchs;
und damit gingen Alle ihres Weges.

Als sie fort waren, schlief Treu, der oben in der Linde saß, sogleich
ein; aber sowie am Morgen die Vögel zu singen begannen, erwachte er
wieder, und nun nahm er von dem Thau, der auf den Blättern saß, und
bestrich sich damit die Augen, und als er das gethan hatte, konnte
er wieder eben so gut damit sehen, als zuvor, eh' Untreu sie ihm
ausgestochen. Nun ging er gradesweges auf's Schloß zu dem König von
England und bat um Arbeit, und die bekam er denn auch. Eines Tages
kam der König hinaus auf den Hof, und als er da eine Weile auf- und
abgegangen war, wollte er Etwas zu trinken haben aus seinem Brunnen,
denn es war sehr heiß den Tag; als sie aber das Wasser aufschöpften,
war es ganz schlammig und trübe. Darüber ward der König ärgerlich und
sprach: »Ich bin der Einzige in meinem Reich, der schlechtes Wasser in
seinem Hof hat, und doch muß ich es weit unter Berg und Thal herleiten.«
-- Treu aber sprach zu ihm: »Wenn Du mir nur etliche Leute zu Hülfe
geben wolltest, damit ich den großen Stein aufbrechen könnte, der mitten
in Deinem Hof liegt, dann solltest Du schon reines und gutes Wasser
bekommen, und das so viel Du nur wünschen magst.« Dazu war der König
sogleich bereit; und kaum hatten die Leute den Stein aufgebrochen und
eine Weile gegraben, so sprang das Wasser in hellen Strahlen in die
Höhe, und klareres Wasser fand man nicht in ganz England.

Einige Zeit darnach war der König eines Tages wieder auf dem Hof; da
schoß plötzlich ein großer Habicht auf seine Hühner herab, und Alle
klatschten in die Hände und riefen: »Da ist er! da ist er!« Der König
griff nach seiner Büchse und wollte den Habicht schießen; aber er konnte
nicht so weit sehen. Darüber war er sehr betrübt und sprach: »Wollte
Gott, daß mir nur Jemand einen guten Rath für meine Augen geben könnte!
Ich glaube, ich werde am Ende noch ganz blind.« -- »Ich will Dir wohl
sagen, wie Dir zu helfen ist,« sagte Treu, und erzählte ihm von dem
wunderthätigen Thau auf der Linde, wodurch er selbst einmal sein Gesicht
wieder erlangt hätte. Und der König begab sich noch denselben Abend nach
dem Wald und schlief die Nacht über auf der Linde; und als er sich
darauf am Morgen mit dem Thau, der auf den Blättern saß, die Augen
bestrichen hatte, da konnte er wieder eben so gut sehen, als zuvor. Aber
von der Zeit an hielt der König von Keinem mehr, als von Treu, und er
mußte immer um ihn sein, wo er nur ging und stand. Eines Tages gingen
sie zusammen im Garten spazieren. »Ich weiß nicht, woher es kommt,«
sagte der König: »aber Keiner in meinem ganzen Lande hat so Viel auf
seinen Garten verwendet, als ich, und doch kann ich keinen einzigen Baum
so weit bringen, daß er auch nur einen Apfel trägt.« Da sagte Treu zu
dem König: »Willst Du mir Das geben, was dreimal rund um Deinen Garten
liegt, und auch so viel Leute, um es aufzugraben, dann sollen die Bäume
in Deinem Garten bald Früchte genug tragen.« Ja, das wollte der König
gern. Treu bekam Leute zum Graben, so viel er nur wollte; und als sie
eine Weile gegraben hatten, trafen sie auf die goldne Kette, die dreimal
rund um den ganzen Garten ging; und als sie die herausgegraben hatten,
fingen auch die Bäume im Garten an, Früchte zu tragen, und trugen bald
so viel, daß die Zweige bis an die Erde herunterhingen. Treu war nun ein
reicher Mann, weit reicher als der König selbst; aber dieser freu'te
sich bloß, daß nun die Bäume in seinem Garten so schöne Früchte trugen.

Eines Tages gingen Treu und der König zusammen und schwatzten von Diesem
und Jenem; da kam grade die Prinzessinn an ihnen vorüber, und der König
wurde ganz betrübt, als er sie sah, und sprach: »Ist es nicht Jammer und
Schade, daß eine so schöne Prinzessinn, wie meine Tochter ist, des Gehörs
und der Sprache beraubt sein muß?« --

»Dafür wäre wohl Rath,« meinte Treu. Als der König das hörte, ward er so
froh, daß er dem Burschen die Prinzessinn und das halbe Reich versprach,
wenn er ihr bloß das Gehör und die Sprache wieder verschaffen könne.
Treu aber nahm ein paar Leute mit sich in die Kirche und grub die Kröte
heraus, die dort unter dem Altar saß, schnitt ihr den Rachen auf, nahm
das Brod heraus und gab es der Königstochter zu essen -- und sowie sie
das gegessen hatte, konnte sie wieder eben so gut hören und sprechen,
wie andre Leute.

Nun war es so weit, daß Treu die Prinzessinn heirathen sollte, und es
wurde zur Hochzeit angerichtet; das sollte aber eine Hochzeit werden,
wovon man sich im ganzen Lande zu erzählen hätte. Während sie nun Alle
lustig waren und sangen und tanzten, kam ein armer Bettler vor die Thür
und bat um ein Wenig zu essen; aber er hatte so lumpige Kleider an und
sah so entsetzlich elend aus, daß Alle sich vor ihm kreuzten. Treu aber
erkannte ihn sogleich und sah, daß es sein Bruder Untreu war. »Kennst Du
mich nicht?« fragte Treu ihn. »Ach, wo sollte ich wohl einen so großen
Herrn gesehen haben, wie Ihr seid?« sagte Untreu. »Gesehen hast Du mich
allerdings,« sagte Treu: »denn das war ich, dem Du vor einem Jahr die
Augen ausstachst. _Untreu_ heißt Du und _untreu_ bist Du; das sagte ich
Dir damals, und das sag' ich Dir auch noch jetzt; Du bist aber dessen
ungeachtet mein Bruder, und darum sollst Du nicht hungrig von dannen
gehen, sondern zu essen und zu trinken haben, und darnach kannst Du Dich
zu der Linde begeben, auf der ich voriges Jahr in der Nacht saß -- und
erfährst Du dann Etwas, das zu Deinem Heil dienen kann, so ist es gut
für Dich.« Untreu ließ die Worte nicht verloren sein. »Hat Treu, weil er
eine Nacht auf der Linde saß, ein solches Glück davon getragen, daß er
binnen einem Jahr König von halb England geworden ist, so -- Wer weiß
-- dachte er und machte sich auf den Weg nach dem Walde und stieg auf die
Linde. Er hatte noch nicht lange da gesessen, so kamen die Thiere unter
dem Baum zusammen, aßen und tranken und feierten den St. Johannistag.
Als sie nun genug gegessen und getrunken hatten, machte der Fuchs wieder
den Vorschlag, daß sie einander Geschichten erzählen wollten, und da
kannst Du Dir wohl denken, wie Untreu die Ohren spitzte. Aber der Bär war
das Mal verdrießlich, brummte und sprach: »_Es hat Jemand ausgeschwatzt,
Was wir uns voriges Jahr erzählten, und darum wollen wir jetzt schweigen
von Dem, was wir wissen!_« und darauf sagten die Thiere einander gute
Nacht und gingen ihres Weges; und Untreu war nicht klüger geworden, als
zuvor, das macht, weil er _Untreu_ hieß und weil er _untreu_ war.




19.

Peter und Paul und Esben Aschenbrödel.


Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne, die hießen Peter und Paul
und Esben Aschenbrödel; aber weiter als die drei Söhne hatte er auch
Nichts in der Welt, ja, er war so arm, daß er nicht einmal einen Knopf
an seinem Rock hatte, und darum sagte er oft und alle Tage zu den
Burschen, sie sollten fort in die Welt und sich ihr Brod verdienen, denn
zu Hause bei ihm müßten sie doch am Ende nur todt hungern. Nun sollst Du
mal hören, wie zuletzt die Burschen auf den Trab kamen; das ging nämlich
so zu:

Nicht weit davon, wo der Mann wohnte, lag ein Königsschloß, und grade
vor den Fenstern des Königs stand eine Eiche, die war so groß und so
dick, daß sie alles Licht wegnahm, so daß die Sonne nicht ins Zimmer
scheinen konnte. Darum hatte der König Demjenigen, der die Eiche umhauen
könnte, viel Geld versprochen; aber dazu taugte Keiner; denn sobald
Einer nur einen Span von dem Stamm abhau'te, wuchs gleich wieder noch
einmal so Viel daran. Ferner wollte der König einen Brunnen gegraben
haben, der sollte das ganze Jahr hindurch Wasser halten; denn alle
Großen in seinem Reich hatten Brunnen, nur er hatte keinen, und das,
däuchte dem König, wäre doch Unrecht. Wer ihm nun einen solchen Brunnen
graben konnte, der das ganze Jahr hindurch Wasser hielt, dem hatte er
Geld und auch noch viele andre Dinge versprochen; aber Keiner konnt' es
zu Stande bringen, denn das Schloß lag oben auf einem Berg, und kaum
hatte man einige Zoll tief in die Erde gegraben, so kam man auf den
harten Felsboden. Da sich aber der König einmal in den Kopf gesetzt
hatte, daß die Sache zu Stande gebracht werden sollte, so ließ er
zuletzt weit und breit bekannt machen in seinem ganzen Land, daß Der,
welcher die große Eiche vor dem Schloß umhauen, und einen Brunnen graben
könnte, der das ganze Jahr hindurch Wasser hielt, die Prinzessinn und
das halbe Reich haben sollte. Nun kann man sich wohl denken, daß Viele
kamen, um ihr Glück zu versuchen; aber was sie auch hauen und sägen und
hacken und graben mochten, es half Alles nichts: die Eiche wurde bei
jedem Hieb nur noch dicker, und der Felsboden wurde nicht weicher.
Endlich wollten die drei Brüder auch fort und ihr Glück versuchen, und
damit war der Vater wohlzufrieden; denn bekämen sie auch nicht die
Prinzessinn und das halbe Reich, dachte er, so könnten sie doch wohl bei
irgend einem braven Mann in Dienst kommen, und Mehr wünschte er nicht;
und als darum die Brüder davon anfingen, daß sie zu dem Königsschloß
wollten, sagte der Vater auch gleich Ja, und darauf machten Peter und
Paul und Esben Aschenbrödel sich auf den Weg.

Als sie ein Ende gegangen waren, kamen sie an einem mit Tannen
bewachsenen Berg vorbei, und oben da hau'te und hau'te es. »Das wundert
mich, daß es da oben auf dem Berg so hau't,« sagte Esben Aschenbrödel.
»Du bist immer gleich bei der Hand mit Deinem Verwundern,« sagten Peter
und Paul: »ist das zu verwundern, daß ein Holzhauer da auf dem Berg
hau't?« -- »Ja, ich möchte aber doch wissen, Was es ist,« sagte Esben
Aschenbrödel, und ging hinauf. »Wenn Du ein solcher Narr bist, so sieh
zu, dann wirst Du's erfahren!« riefen die Brüder ihm nach; aber Esben
bekümmerte sich nicht darum, sondern ging grade nach dem Ort hin, wo er
es hauen hörte, und da sah er nun eine Axt, welche ganz allein da stand
und an einer Tanne hau'te. »Was stehst Du hier ganz allein und hau'st?«
fragte Esben Aschenbrödel. »Ach, nun hab' ich hier gestanden und gehau't
manchen lieben Tag, und hab' nur auf Dich gewartet,« sagte die Axt.
»Gut, nun bin ich hier,« sagte Esben, schlug die Axt von dem Helft
herunter und steckte sie in seinen Schnappsack. Als er nun wieder zu
seinen Brüdern kam, machten sie sich über ihn lustig und fragten: »Na,
was war denn Das für Schönes, was Du da oben sah'st?« -- »O, es war
bloß eine Axt,« sagte Esben.

Als sie nun ein Ende weiter gegangen waren, kamen sie wieder zu einem
Berg, und oben da hörten sie es hacken und graben. »Das wundert mich,«
sagte Esben: »ich möchte doch wohl wissen, Was es ist, das da so
hackt und gräbt.« -- »Du bist immer gleich bei der Hand mit Deinem
Verwundern,« sagten Peter und Paul: »hast Du denn nie die Vögel auf den
Bäumen hacken und bicken hören?« -- »Ja, aber ich hätte doch Lust, zu
sehen, Was es ist,« sagte Esben und bekümmerte sich nicht darum, daß die
Andern ihn wieder auslachten, sondern ging gradezu auf den Berg. Dort
oben sah er nun eine Steinhacke, die stand da ganz allein und hackte und
grub. »Guten Tag!« sagte Esben Aschenbrödel: »Was stehst Du hier ganz
allein und hackst und gräbst?« -- »Ach, nun hab' ich hier gestanden und
gehackt und gegraben manchen lieben Tag und habe nur auf Dich gewartet,«
sagte die Hacke. »Gut, nun bin ich hier,« sagte Esben, schlug die Hacke
vom Stiel herunter, steckte sie in seinen Schnappsack, und damit ging er
wieder fort. »Das war wohl was Schönes, was Du da oben sah'st,« sagten
Peter und Paul zu ihm, als er sie wieder eingeholt hatte. »O, es war nur
eine Steinhacke,« sagte Esben Aschenbrödel.

Nun gingen sie ein gutes Ende weiter, bis sie endlich zu einem Bach
kamen, und da nun alle Drei durstig waren von der Reise, legten sie
sich nieder, um zu trinken. »Mich wundert nur dieser Bach,« sagte
Aschenbrödel: »ich möchte doch wohl wissen, wo das Wasser herkommt.«
-- »Mich wundert nur, daß Du nicht recht im Kopf bist!« sagten Peter und
Paul: »bist Du aber noch nicht verrückt, so wirst Du es wohl vor lauter
Verwunderung bald werden. Hast Du denn noch nie gehört, daß das Wasser
aus der Erde quillt?« -- »Ja aber ich hätte doch Lust, zu sehen, wo
es herkommt,« sagte Esben Aschenbrödel, und damit ging er an dem Bach
entlang und bekümmerte sich nicht darum, daß seine Brüder hinter ihm
herriefen und ihn auslachten. Als er nun ein weites Ende gegangen war,
wurde der Bach schmäler und immer schmäler, und endlich sah er da eine
große Wallnuß liegen, aus der sickerte das Wasser heraus. »Guten Tag,«
sagte Esben: »Was liegst Du hier so allein und sickerst?« -- »Ach, nun
hab' ich hier gelegen und gesickert manchen lieben Tag und habe nur auf
Dich gewartet,« sagte die Wallnuß. »Gut, nun bin ich hier,« sagte Esben,
nahm einen Flausch Moos und stopfte es in das Loch, so daß das Wasser
nicht heraus konnte, und dann steckte er die Wallnuß in seinen Schnappsack
und ging wieder zurück zu seinen Brüdern. »Nun hast Du wohl gesehen,
wo das Wasser herkommt; das sah wohl hübsch aus, kann ich mir denken,«
sagten Peter und Paul. »O, es war bloß ein Loch, wo es herausfloß,«
sagte Esben Aschenbrödel, und die Brüder lachten und machten sich über
ihn lustig; aber Esben bekümmerte sich nicht darum, sondern sagte bloß:
»Ich hatte nun einmal meine Lust daran, es zu sehen.«

Als sie nun noch etwas weiter gegangen waren, kamen sie zu dem
Königsschloß. Aber da nun so viele Leute gehört hatten, daß sie die
Prinzessinn und das halbe Reich gewinnen könnten, wenn sie es zu Stande
brächten, die große Eiche umzuhauen und einen Brunnen im Schloßhof zu
graben, der immer Wasser hielt, so waren schon so Viele gekommen, die
ihr Glück versucht hatten, daß die Eiche noch einmal so groß und dick
geworden war, als vorher; denn Du erinnerst Dich wohl noch, daß immer
doppelt so Viel wieder anwuchs, als man mit der Axt abhau'te. Darum
hatte der König nun die Strafe ausgesetzt, daß wenn künftig Einer sein
Glück versuchen wollte und die Eiche nicht umhauen könnte, ihm beide
Ohren abgeschnitten werden sollten, und darnach sollte er auf eine Insel
hinausgebracht werden, die mitten im Meer lag. Aber die beiden Brüder
ließen sich dadurch nicht abschrecken, sie meinten, sie wollten die
Eiche schon umhauen, und Peter, welcher der älteste war, sollte zuerst
den Versuch machen. Aber es ging ihm nicht besser, als all den Andern,
die vor ihm ihr Glück versucht hatten; denn für jeden Span, den er
abhieb, wuchs gleich noch einmal so Viel wieder daran. Da nahmen die
Leute des Königs ihn bei den Schlafitten und brachten ihn hinaus auf
die Insel, nachdem sie ihm vorher beide Ohren abgeschnitten hatten. Nun
wollte sich Paul daran machen; aber dem gings um Nichts besser. Als er
zwei bis drei Hiebe gethan hatte, und die Leute sahen, daß die Eiche nur
noch größer wurde, nahmen sie ihn ebenfalls beim Kragen und brachten ihn
hinaus auf die Insel; ihm aber schnitten sie die Ohren noch dichter beim
Kopf ab, weil er der Bruder von dem Andern war. Nun wollte sich Esben
Aschenbrödel daran machen. »Möchtest Du gern aussehen, wie ein gemerktes
Schaf, so wollen wir Dir lieber die Ohren gleich abschneiden, dann sparst
Du die Mühe,« sagte der König und war gewaltig böse auf ihn, von wegen
seiner Brüder. »Ich hätte doch Lust, erst mein Glück zu versuchen,«
sagte Esben, und das durften sie ihm denn nicht verwehren. Er nahm nun
seine Axt aus dem Schnappsack, steckte sie wieder auf den Helft und
sprach dann: »Hau selber!« und sogleich fing die Axt an zu hauen, daß
nur die Späne so flogen, und da dauerte es nicht lange, so war die Eiche
herunter. Wie das gethan war, nahm Esben seine Hacke hervor, steckte sie
wieder an den Stiel, und sprach dann: »Grabe und hacke selbst!« und
sogleich fing die Hacke an zu graben und zu hacken, daß Erde und Steine
umherflogen, und da kann man sich denn wohl denken, daß der Brunnen tief
genug werden mußte. Als Esben ihn so tief und so groß hatte, wie er ihn
haben wollte, nahm er seine Wallnuß und legte sie unten auf den Boden,
dann zog er das Moos wieder aus dem Loch und sprach: »Fang' nun an zu
sickern!« Da fing die Wallnuß an zu sickern, daß nur das Wasser so
strömte, und da dauerte es nicht lange, so war der Brunnen bis an den
Rand voll. So hatte nun Esben Aschenbrödel die Eiche umgehauen, die
vor den Fenstern des Königs schattete, und einen Brunnen im Schloßhof
gegraben, der beständig Wasser hielt; und da bekam er die Prinzessinn
und das halbe Reich, so wie der König es versprochen hatte. Gut war es,
daß Peter und Paul ihre Ohren verloren hatten, denn sonst hätten sie es
immer und alle Tage hören müssen, daß Esben Aschenbrödel sich doch nicht
so schlecht gewundert hatte.




20.

Die Mühle, die auf dem Meergrunde mahlt.


Es waren mal in uralter Zeit zwei Brüder, der eine war reich, und der
andre war arm. Als nun das Weihnachtsfest herankam, hatte der arme
keinen Bissen Fleisch, noch Brod im Hause, ging darum zu seinem Bruder
und bat ihn um eine Kleinigkeit in Gottes Namen. Nun war es aber nicht
das erste Mal, daß der reiche Bruder dem armen Etwas gegeben hatte, und
er war daher eben nicht sonderlich froh, als er ihn kommen sah. »Willst
Du thun, Was ich Dir sage,« sprach er: »so sollst Du einen ganzen Schinken
haben, so wie er im Rauch hangt.« Ja, das wollte der Arme gern und
bedankte sich. »Da hast Du ihn!« sagte der Reiche, indem er ihm den
Schinken zuwarf: »und geh nun zur Hölle!« -- »Hab' ich es versprochen,
so muß ich es thun,« sagte der Andre, nahm den Schinken und ging fort.
Er wanderte wohl den ganzen Tag, und als es dunkel wurde, erblickte
er vor sich einen hellen Lichtschimmer. »Hier muß es sein!« dachte
er. Etwas weiter hin im Walde aber stand ein alter Mann mit einem
langen weißen Bart und hau'te Holz. »Guten Abend!« sagte Der mit dem
Rauchschinken. »Guten Abend! Wo willst Du hin?« sagte der Mann. »O, ich
wollte nur zur Hölle, aber ich weiß nicht, ob ich recht gegangen bin,«
versetzte der Arme. »Ja, Du bist ganz recht,« sagte der alte Mann: »denn
das hier ist die Hölle,« und weiter sagte er: »Wenn Du nun hineinkommst,
dann werden sie Dir wohl alle Deinen Schinken abkaufen wollen, denn
Schweinfleisch ist ein seltnes Gericht in der Hölle; aber Du sollst
ihn für kein Geld verkaufen, sondern sollst dafür die alte Handmühle
verlangen, die hinter der Thür steht. Wenn Du dann wieder herauskommst,
will ich Dir auch lehren, wie Du sie stellen musst; denn die Mühle ist
zu Etwas gut, musst Du wissen.« Der Mann mit dem Schinken dankte für
guten Bescheid und klopfte beim Teufel an.

Als er hineintrat, geschah es, wie der Alte ihm gesagt hatte: alle
Teufel, groß und klein, kamen um ihn herum, und der eine überbot immer
den andern auf den Rauchschinken. »Es war freilich meine Absicht, ihn
zum Weihnachts-Heiligen-Abend mit meinem Weib zu verschmausen;« sagte
der Mann: »aber weil Ihr alle so erpicht darauf seid, will ich ihn Euch
wohl überlassen; aber ich verkaufe ihn für keinen andern Preis, als für
die alte Handmühle, die da hinter der Thür steht.« Damit wollte aber der
Teufel nicht gern heraus, und er dung und feilschte mit dem Mann; aber
der blieb bei Dem, was er gesagt hatte, und da mußte ihm denn der Teufel
endlich die Mühle überlassen. Als der Mann nun wieder aus der Hölle
herausgekommen war, fragte er den alten Holzhauer, wie er denn die Mühle
stellen müsse, und als der es ihm gesagt hatte, bedankte er sich und
machte sich wieder auf den Heimweg; aber wie sehr er auch ausholte, so
kam er doch nicht eher, als nachts um zwölf Uhr zu Hause an.

»Aber wo in aller Welt bist Du denn eigentlich gewesen?« sagte seine
Frau, als er eintrat: »Ich hab' hier gesessen und gewartet von einer
Stunde zur andern und habe nicht einmal zwei Holzsplitter kreuzweis
über einander unter den Grützkessel zu legen, damit ich uns ein
Weihnachtsessen koche.« -- »O,« sagte der Mann: »ich konnte nicht gut
eher kommen, denn ich hatte ein Geschäft zu besorgen und mußte deßhalb
einen weiten Weg machen; aber nun sollst Du mal sehen, Was ich uns
mitgebracht habe!« und damit stellte er die Mühle auf den Tisch hin und
ließ sie mahlen, erst Lichter, dann ein Tischtuch, und darnach Essen und
Bier und Alles, was zu einem guten Weihnachtsschmaus gehört; und so wie
er es der Mühle befahl, so mahlte sie. Seine Frau stand da und kreuzte
sich das eine Mal über das andre und wollte durchaus wissen, wo der Mann
die Mühle herbekommen hätte; aber damit wollte er nicht heraus: »Es kann
ganz einerlei sein, woher ich sie habe, Frau,« sagte er: »Du siehst, daß
die Mühle gut ist, und daß das Mahlwasser nicht all wird, und das ist
Genug,« und er mahlte Essen und Trinken und Alles, was gut schmeckt,
für das ganze Weihnachtsfest, und am dritten Tag bat er seine Freunde
zu sich, denn er wollte ihnen einen Gastschmaus geben. Als der reiche
Bruder sah, Was da alles zum Schmaus bereit stand, lief es ihm heiß und
kalt über die Haut, weil er seinem Bruder durchaus Nichts gönnte. »Am
Weihnachts-Abend,« sagte er zu den Andern: »war er noch so bettelarm,
daß er zu mir kam und mich um eine Kleinigkeit in Gottes Namen bat,
und nun auf einmal lässt er's drauf gehen, als wenn er Graf, oder
König geworden wäre. -- Wo zum ewigen Satan! hast Du all den Reichthum
herbekommen?« fragte er den Bruder. »Hinter der Thür,« sagte der, denn
er hatte keine Lust, ihm zu beichten; aber gegen Abend, als er ein
wenig in den Krüsel bekommen hatte, konnte er sich nicht länger halten,
sondern kam mit der Mühle zum Vorschein. »Da siehst Du die Gans, die mir
all den Reichthum gebracht hat,« sagte er und ließ die Mühle bald Dies,
bald Jenes mahlen. Als der Bruder das sah, wollte er ihm die Mühle
durchaus abkaufen; aber der Andre wollte sich anfangs gar nicht dazu
verstehen; endlich aber, wie der Bruder so sehr darum anhielt, sollte er
sie denn für dreihundert Thaler haben; aber bis zum Heumonat, das bedung
er sich aus, wollte er sie noch behalten; »denn,« dachte er: »hab' ich
sie noch so lange, kann ich mir Essen damit mahlen für manches liebe
Jahr.« In dieser Zeit nun wurde die Mühle, wie man sich wohl denken
kann, nicht rostig, und als der Heumonat herankam, erhielt der Bruder
sie; aber der Andre hatte sich wohl gehütet, ihm zu sagen, wie er sie
stellen müßte. Es war am Abend, als der Reiche die Mühle nach Hause
brachte, und am Morgen sagte er zu seiner Frau, sie sollte mit den
Schnittern ins Feld gehen und das Heu hinter ihnen kehren, er wolle
derweile das Mittagsessen bereiten. Als es nun so gegen Mittag war,
stellte er die Mühle auf den Küchentisch hin. »Mahl Hering und Milchsuppe,
daß es Art hat!« sprach er. Da fing die Mühle an zu mahlen Hering und
Milchsuppe, erst alle Schüsseln und Grapen voll, und nachher so viel,
daß die ganze Küche davon schwamm. Der Mann stellte und dreh'te die
Mühle; aber wie er sie auch handthieren mochte, so hielt die Mühle nicht
auf, zu mahlen, und zuletzt stand die Milchsuppe schon so hoch, daß der
Mann nahe daran war, zu ertrinken. Nun riß er die Stubenthür auf; aber
es dauerte nicht lange, so hatte die Mühle auch die Stube vollgemahlt,
und nur mit genauer Noth konnte der Mann noch die Thürklinke in der
Fluth von lauter Milchsuppe erfassen. Wie er nun die Thür aufgemacht
hatte, stürzte er hinaus ins Freie, und Hering und Milchsuppe immer
hinter ihn drein, so daß der ganze Hof und das Feld davon strömte.

Indessen däuchte es der Frau, die das Heu auf dem Felde kehrte, es daure
ziemlich lange, eh' der Mann käme und sie zum Mittag abriefe. »Wir wollen
nur nach Hause gehen,« sagte sie zu den Schnittern: »denn ich kann es
mir wohl denken, er kann mit der Milchsuppe nicht allein fertig werden,
und ich muß ihm nur helfen.« Sie machten sich also auf und gingen nach
Hause. Wie sie aber hinter den Berg kamen, schwamm ihnen Hering und
Milchsuppe und Brod entgegen, alles durch einander, und der Mann lief
immer voran. »Gott gebe, daß Jeder von Euch hundert Bäuche hätte, um in
sich zu schlingen!« rief er: »Nehmt Euch aber in Acht, daß Ihr nicht in
meinem Mittagsessen ersauft!« und damit fuhr er ihnen vorbei, als wär'
der Teufel hinter ihm her, und hinüber zu seinem Bruder; den bat er nun
um Gottes willen, er möchte doch sogleich die Mühle wiedernehmen; »denn
mahlt sie noch eine Stunde dazu,« sprach er: »so vergeht das ganze Dorf
in lauter Hering und Milchsuppe.« Der Bruder aber wollte die Mühle nicht
wiedernehmen, wenn der Andre ihm nicht noch dreihundert Thaler dazu
bezahlte. Weil nun durchaus kein andrer Rath war, so mußte der Reiche
mit dem Gelde heraus. Nun hatte der Arme sowohl Geld, als die Mühle, und
da dauerte es denn nicht lange, so hatte er sich ein Haus gebau't, noch
weit prächtiger, als das, worin der Bruder wohnte. Mit der Mühle mahlte
er so viel Gold zusammen, daß er die Wände mit lauter Goldplatten
bekleiden konnte, und das Haus lag so nahe am Strande, daß man den Glanz
davon schon von weitem auf dem Meer sah. Alle, die da vorbeisegelten,
hielten dort an, um den reichen Mann in dem goldnen Hause zu besuchen
und die wunderbare Mühle zu sehen; denn es ging davon ein Gerede weit
und breit.

Einmal kam auch ein Schiffer dort vorbei, der wollte ebenfalls die Mühle
sehen, und als er sie gesehen hatte, fragte er, ob sie auch wohl Salz
mahlen könne. »Ja, Salz kann sie auch mahlen,« sagte der Mann; und nun
wollte der Schiffer sie ihm durchaus abkaufen, sie möchte kosten, Was
sie wolle; »denn habe ich die,« dachte er: »dann brauch' ich nicht immer
so weit über's wilde Meer zu segeln, um Salz zu holen; sondern kann mir
einen guten Tag pflegen.« Anfangs aber wollte der Mann sie durchaus
nicht losschlagen; aber der Schiffer bat ihn so lange und so flehend,
bis er sie ihm endlich für viele tausend Thaler verkaufte. Als nun der
Schiffer die Mühle bekommen hatte, blieb er nicht lange in der Gegend;
denn er dachte, dem Mann könne der Handel nachher wieder leid werden; er
ließ sich auch nicht einmal so viel Zeit, daß er ihn fragte, wie er die
Mühle stellen müßte, sondern ging schnell auf sein Schiff und stieß von
Land. Als er ein Ende hinausgekommen war in die große See, nahm er seine
Mühle hervor. »Mahl Salz, daß es Art hat!« rief er. Da fing die Mühle an
und mahlte Salz, daß es knisterte und sprüh'te. Als der Schiffer sein
Schiff voll hatte, wollte er die Mühle stopfen, aber wie er's auch
anfing und sie stellen und drehen mochte, die Mühle mahlte immer fort,
und der Salzhaufen wuchs höher und immer höher, und zuletzt versank das
ganze Schiff ins Meer. Da steht nun die Mühle auf dem Meergrunde und
mahlt noch den heutigen Tag, und daher kommt es, daß das Meerwasser
salzig ist.




21.

Die Prinzessinn auf dem gläsernen Berg.


Es war einmal ein Mann, der hatte eine Heuwiese, die lag auf einem Berg,
und auf der Wiese stand ein Schoppen, worin er das Futter aufbewahrte.
In den letzten Jahren aber war der Schoppen immer ziemlich leer gewesen;
denn allemal in der St. Johannisnacht, wenn das Gras am schönsten und
üppigsten stand, wurde die Wiese ganz kahl, als ob eine Viehheerde da
gegangen und das Gras abgefressen hätte. So geschah es das eine Jahr,
und so geschah es das andre. Das verdroß endlich den Mann, und er sagte
zu seinen Söhnen -- er hatte drei, und der dritte hieß _Aschenbrödel_,
musst Du wissen -- es solle einer von ihnen in der St. Johannisnacht im
Heuschoppen liegen und Acht geben, wie das Ding zusammenhinge; denn
es könne nicht angehen, daß jedes Jahr das Gras mit Stumpf und Stiel
abgefressen würde, sagte er. Nun machte zuerst der älteste Sohn sich
auf; er wollte schon aufpassen, sagte er, und es sollten ihm weder
Menschen, noch Vieh, noch der Teufel selbst das Gras von der Wiese
stehlen. Darauf ging er hin und legte sich in dem Heuschoppen schlafen.
Wie es aber auf die Nacht kam, entstand plötzlich ein solches Getöse und
ein Erdbeben, daß Dach und Wände krachten. Dem Burschen ward angst und
bange, und er sprang auf und lief davon, ohne sich umzusehen, und die
Wiese wurde in dieser Nacht wieder eben so kahl, als in den beiden
letzten Jahren.

Den nächsten St. Johannis-Abend sagte der Mann wieder, es könne nicht
angehen, daß sie jedes Jahr ihr Heu auf der Wiese einbüßen sollten, es
müsse einer von den Söhnen die Nacht über im Schoppen schlafen und gut
aufpassen. Da machte sich denn der zweite Sohn auf; aber es ging ihm
nicht besser, als seinem Bruder; denn in der Nacht entstand wieder ein
Getöse und ein Erdbeben, noch weit furchtbarer, als in der vorigen
Johannis-Nacht. Dem Burschen ward angst und bange, und er sprang auf und
schwang die Fersen, als ob's für Geld ginge.

Das Jahr darauf kam die Reihe an Aschenbrödel. Als er sich aber
anschickte, nach der Wiese zu gehen, fingen die andern Beiden an zu
lachen und machten sich über ihn lustig. »Ja, Du bist eben der Rechte,
um das Heu zu hüten,« sagten sie: »Du, der Du nichts Anders gelernt
hast, als in der Asche zu sitzen und Dich zu braten.« Aber Aschenbrödel
bekümmerte sich nicht um ihr Geschwätz, sondern als es Abend wurde, ging
er gradezu nach der Wiese. Als er eine Weile im Schoppen gelegen hatte,
fing es an zu donnern und zu krachen. »O, wenn's nicht schlimmer wird,
so kann ich's aushalten,« dachte Aschenbrödel. Als er noch eine Weile
gelegen hatte, entstand ein Krachen und ein Erdbeben, daß die Heuhalme
umherstoben. »O, wenn's nicht schlimmer wird, so halt ich's aus,« dachte
Aschenbrödel. Bald darauf kam ein drittes Krachen und Erdbeben, so daß
der Bursch glaubte, Dach und Wände würden zusammenstürzen; als das aber
vorbei war, wurde es mäuschenstill. »Ob's wohl wiederkommt?« dachte
Aschenbrödel; aber es kam nicht wieder. Nach einer Weile däuchte es dem
Burschen, als ob draußen vor dem Schoppen ein Pferd stände und gras'te.
Er schlich sich daher an die Thür und guckte durch die Ritze, und da sah
er denn ein Pferd stehen, welches das Gras abbiß; aber ein so großes
und stattliches Pferd hatte Aschenbrödel noch nie gesehen, und auf dem
Rücken trug es Sattel und Gebiß und eine vollständige Rüstung für einen
Ritter. Alles aber war von Kupfer, und so blank, daß es glitzerte.
»Haha! bist Du es, der uns immer das Gras abfrisst?« dachte der Bursch:
»aber das will ich Dir schon verbieten.« Er nahm darauf schnell sein
Feuerstahl aus der Tasche und warf es über das Pferd; da konnte es sich
nicht vom Fleck rühren, sondern war so zahm, daß der Bursch mit ihm
machen konnte, Was er wollte. Er setzte sich nun darauf und ritt damit
nach einem Ort hin, den Niemand kannte, als er allein, und da brachte er
es in Verwahrsam. Als er wieder nach Hause kam, fingen seine Brüder an
zu lachen und fragten ihn, wie es denn gegangen sei. »Du bliebst wohl
nicht lange in dem Schoppen liegen,« sagten sie: »wenn Du sonst überhaupt
nach der Wiese gekommen bist.« -- »Ich habe so lange in dem Schoppen
gelegen, bis die Sonne aufging,« sagte der Bursch: »aber ich habe Nichts
gehört, noch gesehen. Gott mag wissen, Was es ist, das Euch so in Furcht
gejagt hat.« -- »Ja, wir werden bald sehen, wie Du die Wiese gehütet
hast,« versetzten die Brüder. Als sie aber hinkamen, stand das Gras da
eben so hoch und so dicht, als den Tag zuvor.

Den nächsten Johannis war es wieder das alte Lied. Keiner von den beiden
Brüdern wollte nach dem Schoppen gehen und die Wiese hüten, aber
Aschenbrödel, der wollte. Nun ging es wieder eben so, wie in der
vorigen Johannis-Nacht: zuerst kam wieder ein furchtbares Getöse und ein
Erdbeben, dann noch einmal, und endlich zum dritten Mal; aber alle drei
Erdbeben waren diesmal weit stärker, als das vorige Jahr. Darauf ward
es plötzlich ganz still, und der Bursch hörte Etwas draußen vor dem
Schoppen knuppern; er schlich sich nun wieder ganz leise nach der Thür
und guckte durch die Ritze. Ja, richtig! da stand wieder ein Pferd dicht
an der Mauer und fraß das Gras ab; aber das war noch weit größer und
stattlicher, als das vorige, und auf dem Rücken lagen Sattel und Gebiß
und eine vollständige Rüstung für einen Ritter -- Alles von blankem
Silber, und so prächtig, wie man's nur sehen kann. »Haha! bist Du es,
der uns in dieser Nacht das Gras abfressen wollte?« dachte der Bursch:
»aber das will ich Dir verbieten,« und damit nahm er schnell sein
Feuerstahl aus der Tasche und warf es dem Pferd über die Mähne, und nun
stand es da, so fromm und so zahm, wie ein Lamm. Da setzte der Bursch
sich drauf und ritt damit nach demselben Ort hin, wo er das andre Pferd
stehen hatte, und dann ging er wieder nach Hause. »Heute sieht es wohl
schön aus auf der Heuwiese,« sagten die Brüder. »O ja, ganz gut,«
versetzte Aschenbrödel. Sie wollten nun hin und zusehen, und als sie
hinkamen, stand das Gras da so hoch und so schön, daß es nur eine Lust
war; aber die Brüder wurden darum nicht freundlicher gegen Aschenbrödel.

Als die dritte Johannis-Nacht herankam, wollte wieder Keiner von den
beiden ältesten Brüdern in dem Heuschoppen liegen und die Wiese hüten;
denn sie waren noch so eingeschüchtert von der ersten Nacht her, die
sie da gelegen hatten, daß sie's gar nicht wieder vergessen konnten. Da
mußte sich denn Aschenbrödel wieder aufmachen; und nun ging es wieder
eben so, wie die beiden vorigen Male: es kamen wieder drei Erdbeben, das
eine noch immer stärker, als das andre, und bei dem letzten tanzte der
Bursch von der einen Schoppenwand zur andern; aber darauf wurde es
mäuschenstill. Als der Bursch nun noch eine Weile gelegen hatte, hörte
er wieder draußen vor dem Schoppen Etwas knuppern. Er schlich sich nun
leise nach der Thür und guckte durch die Ritze -- da stand denn wieder
ein Pferd da, noch weit größer und stattlicher, als die beiden andern,
die er schon gefangen hatte. »Haha! bist Du es, der mir diese Nacht das
Gras abfressen wollte?« dachte der Bursch: »aber das will ich Dir schon
verbieten;« und damit nahm er sein Feuerstahl und warf es über das Pferd,
und da stand es auf dem Fleck so fest, als wär' es dran genagelt, und
der Bursch konnte mit ihm machen, Was er wollte; er ritt es nun nach
demselben Ort hin, wo er schon die beiden andern Pferde stehen hatte,
und ging dann nach Hause. Die beiden Brüder machten sich wieder über ihn
lustig, eben so wie die beiden vorigen Male. Diese Nacht, sagten sie,
hätte er die Wiese wohl gut gehütet, denn er sähe ja aus, als ob er noch
im Schlaf ginge, und Was Dergleichen Mehr war. Aber Aschenbrödel that,
als ob er nicht darauf achte, sondern sagte bloß, sie möchten nur
hingehen und zusehen; das thaten sie denn auch; aber das Gras stand da
eben so schön und üppig, als den Tag zuvor.

Um diese Zeit geschah es, daß der König des Landes, in welchem
Aschenbrödels Vater wohnte, ein Aufgebot in seinem ganzen Reich ergehen
ließ. Der König hatte nämlich eine Tochter von wunderlieblicher
Schönheit, und die wollte er verheirathen. Die Tochter aber saß mit drei
goldnen Äpfeln in ihrem Schoß oben auf einem hohen gläsernen Berg, der
war so glatt wie Eis und so blank wie ein Spiegel. Wer nun auf den Berg
reiten und ihr die drei Äpfel aus dem Schoß nehmen könnte, der sollte
die Prinzessinn und das halbe Reich haben; das hatte der König in
allen Kirchdörfern in seinem ganzen Reich und noch in vielen andern
Königreichen bekannt machen lassen. Weil nun die Prinzessinn so
außerordentlich schön war, daß Jeder, der sie nur ansah, sogleich in
sie verliebt ward, er mochte wollen, oder nicht, so hatten alle Prinzen
und Ritter große Lust, sie und das halbe Königreich zu gewinnen, und
kamen daher von allen Enden der Welt geritten, so stattlich, daß man den
Glanz schon von weitem sah; und ihre Pferde gingen einher, als ob sie
unter ihnen tanzten -- kurz, es war Niemand, der nicht daran dachte, die
Prinzessinn und das halbe Reich zu gewinnen.

Als nun der Tag gekommen war, den der König zu dem Ritt bestimmt hatte,
waren so viele Prinzen und Ritter um den gläsernen Berg versammelt, daß
es von ihnen wimmelte; und Jeder, der nur kriechen konnte, wollte hin
und sehen, Wer die Königstochter gewönne, und die beiden Brüder von
Aschenbrödel wollten auch hin, aber Aschenbrödel wollten sie nicht mit
haben, denn hätten sie einen solchen Wechselbalg bei sich, so schwarz
und abscheulich wie er, der immer da liege und in der Asche wühle,
sagten sie, dann würden die Leute sich nur über sie lustig machen.
Aschenbrödel aber sagte, es wär' ihm ganz einerlei, er bliebe auch eben
so gern zu Hause. Als nun die beiden Brüder zu dem gläsernen Berg kamen,
versuchten schon alle Ritter und Prinzen den Ritt, und sie ritten, daß
die Pferde unter ihnen schäumten; aber es half ihnen Alles nichts; denn
sowie nur das Pferd den Fuß an den Berg setzte, glitt es immer wieder
aus, und es war kein Einziger da, der nur ein paar Ellen lang an dem
Berg hinauf gekommen wäre, und das war eben nicht zu verwundern, denn
der Berg war so glatt wie ein Spiegel, und so steil wie eine Wand. Alle
aber wollten gern die Königstochter und das halbe Reich gewinnen, und
sie ritten und sie glitten, aber Alles umsonst. Zuletzt waren alle
Pferde schon so ausgemattet, daß sie nicht mehr vom Fleck konnten, und
über und über waren sie mit Schweiß bedeckt, und der Schaum stand ihnen
vor dem Mund. Da mußten sich denn die Prinzen und Ritter endlich geben.
Der König wollte nun schon bekannt machen lassen, daß das Wettreiten den
nächsten Tag wieder anfangen sollte, ob's dann vielleicht Einem gelingen
möchte; aber in demselben Augenblick kam ein Ritter in einer kupfernen
Rüstung daher, die war so blank, daß man sich darin spiegeln konnte, und
das Pferd, das er ritt, war so groß und so stattlich, wie noch Keiner
ein solches Pferd je gesehen hatte. Die andern Prinzen und Ritter
aber riefen ihm zu, er könne sich gern die Mühe sparen, den Ritt zu
versuchen, denn es würde ihm doch nichts helfen. Jener konnte aber auf
dem Ohr nicht hören, sondern ritt grade auf den gläsernen Berg zu und
hinan und hinauf, als wär' es gar Nichts gewesen. Als er aber um das
erste Drittheil hinaufgekommen war, lenkte er mit dem Pferd um und ritt
wieder zurück. Einen so schönen Ritter hatte die Prinzessinn noch nie
zuvor gesehen, und sie dachte bei sich selbst: »Ach Gott, wenn er doch
nur heraufkäme!« Als sie aber sah, daß er mit dem Pferd wieder umlenkte,
warf sie ihm einen von den goldnen Äpfeln nach, und der rollte hinab in
seinen Schuh. Sobald der fremde Ritter wieder unten war, gab er seinem
Pferd die Spornen und jagte davon, und Niemand wußte, wo er gestoben
oder geflogen war. Am Abend sollten alle Prinzen und Ritter vor
dem König erscheinen, damit Der, welcher an dem gläsernen Berg
hinaufgeritten sei, den goldnen Apfel aufzeigen könne, den die
Königstochter ihm zugeworfen hatte. Aber da war Keiner, der Etwas
aufzeigen konnte; der Eine kam nach dem Andern, aber den goldnen Apfel
hatte Niemand.

Als nun die Brüder Aschenbrödels wieder nach Hause kamen, erzählten sie
ein Langes und Breites von dem Ritt auf den gläsernen Berg: wie zuerst
Keiner auch nur einen Schritt lang an dem Berg hätte hinaufkommen können,
und wie nachher Einer gekommen wäre in einer kupfernen Rüstung, so
blank, daß man sich darin spiegeln konnte, »und das war ein Bursch,«
sagten sie: »der konnte reiten; er ritt wohl über den dritten Theil an
dem gläsernen Berg hinauf, und er hätte auch wohl ganz hinaufreiten
können, wenn er bloß gewollt hätte; aber da kehrte er wieder um, denn er
mochte wohl denken, es sei Genug für das Mal.« -- »O, den hätt' ich auch
wohl sehen mögen!« sagte Aschenbrödel -- er saß auf dem Herd und wühlte
in der Asche, wie er gewöhnlich zu thun pflegte. »Ja, Du!« sagten
die Brüder: »Du siehst auch darnach aus, daß Du Dich vor so hohen
Herrschaften kannst sehen lassen, Du abscheuliches Biest, so wie Du da
sitzest!«

Den andern Tag wollten die Brüder wieder nach dem gläsernen Berg, und
Aschenbrödel bat sie auch das Mal, sie möchten ihn doch mitnehmen, damit
er auch zusehen könne; aber nein, das ging nicht an, dazu wär' er viel
zu häßlich, sagten sie. »Ei nun, so bleib' ich auch eben so gern zu
Hause,« sagte Aschenbrödel. Als die Brüder zu dem Berg kamen, begannen
eben die Ritter und Prinzen wieder ihr Wettreiten, und das Mal hatten
sie ihre Pferde gehörig beschlagen lassen, kannst Du glauben; aber es
half ihnen doch Alles nichts, sie ritten und sie glitten eben so, wie
den vorigen Tag, und Keiner kam auch nur eine Elle lang an dem Berg
hinauf; und als sie ihre Pferde so lange abgequält hatten, daß sie nicht
mehr von der Stelle konnten, mußten sie alle wieder aufhalten. Nun
wollte der König schon bekannt machen lassen, daß das Wettreiten den
nächsten Tag zum letzten Mal vor sich gehen sollte, ob's dann vielleicht
noch Einem gelänge; da fiel ihm aber der Ritter mit der kupfernen
Rüstung ein, und er beschloß, noch ein wenig zu warten, ob er sich etwa
noch einfinden möchte. Aber der Ritter mit der kupfernen Rüstung fand
sich nicht ein; dagegen aber kam nach einer Weile ein anderer Ritter
daher gesprengt, der trug eine silberne Rüstung, die blitzte schon
von weitem, und das Roß, welches er ritt, war noch weit größer und
stattlicher, als das des kupfernen Ritters von gestern. Die Ritter und
Prinzen riefen ihm zwar zu, er könne sich gern die Mühe sparen, den Ritt
zu versuchen, denn es würde ihm doch nichts helfen; aber er achtete
nicht darauf, sondern ritt grade auf den gläsernen Berg zu und hinan und
hinauf, noch viel weiter, als der in der kupfernen Rüstung. Als er aber
um zwei Drittheile hinaufgekommen war, lenkte er mit seinem Pferd um
und ritt wieder zurück. _Den_ Ritter mochte nun die Prinzessinn noch
lieber leiden, als den von gestern, und sie wünschte, daß er doch nur
ganz hinaufkommen möchte. Als sie aber sah, daß er wieder umkehrte, warf
sie ihm den andern Apfel nach, und der rollte hinunter in seinen Schuh.
Der Ritter aber jagte schnell davon, und Niemand wußte, wo er geblieben
war.

Am Abend sollten wieder Alle vor dem König und der Prinzessinn erscheinen,
damit Der, welcher den goldnen Apfel hätte, ihn aufweisen könne; aber
den goldnen Apfel hatte Niemand.

Die Brüder erzählten zu Hause wieder, wie sich Alles zugetragen hatte.
»Alle Prinzen und Ritter, die da versammelt waren,« sagten sie: »konnten
Nichts ausrichten; zuletzt aber kam Einer mit einer silbernen Rüstung
-- Wetter nicht mal! der konnte reiten! Er kam wohl über zwei Drittheile
an dem Berg hinauf, und da kehrte er wieder um. Aber das war ein Bursch!
und die Prinzessinn warf ihm den zweiten Apfel nach.« -- »Ach, den hätt'
ich auch wohl sehen mögen!« sagte Aschenbrödel. »Ja, er war ein wenig
blanker, als die Asche, worin Du wühlst, Du schwarzes Biest!« sagten die
Brüder.

Am dritten Tag ging es wieder ungefähr eben so: Aschenbrödel wollte
wieder mit und zusehen; aber die Brüder wollten ihn durchaus nicht
mitnehmen. Als sie zu dem gläsernen Berg kamen, konnte wieder Niemand
auch nur eine Elle lang hinaufkommen. Alle warteten nun auf den Ritter
mit der silbernen Rüstung; aber der war weder zu sehen, noch zu hören.
Endlich kam ein Ritter in einer goldenen Rüstung dahergesprengt, die
strahlte, daß man den Glanz schon weit in der Ferne sehen konnte, und
das Pferd, das er ritt, war so groß und so stattlich, daß Keiner noch
dergleichen je gesehen hatte. Die Prinzen und Ritter konnten vor lauter
Verwunderung ihm nicht einmal zurufen, daß er sich die Mühe sparen solle,
den Ritt zu versuchen, und ehe sie sich's versahen, war er schon bei dem
gläsernen Berg und sprengte hinauf, als wär' es gar Nichts gewesen, so
daß die Prinzessinn nicht einmal Zeit bekam, zu wünschen, er möchte doch
ganz hinaufkommen. Oben nahm er ihr den dritten goldnen Apfel aus dem
Schoß, lenkte dann mit seinem Pferd wieder um -- und fort war er, als
wär' er verschwunden.

Als am Abend die Brüder nach Hause kamen, erzählten sie wieder ein Langes
und Breites von dem Wettreiten an dem Tage, und zuletzt erzählten sie
auch von dem Ritter mit der goldnen Rüstung. »Das war aber ein Bursch!«
sagten sie: »einen so stattlichen Ritter giebt's nicht mehr in der
Welt.« -- »O, den hätt' ich auch wohl sehen mögen!« sagte Aschenbrödel.
»Ja, es blitzt nicht völlig so in der Asche, worin Du immer wühlst, Du
schwarzes Biest!« sagten die Brüder.

Tages darauf sollten alle Prinzen und Ritter vor dem König und der
Prinzessinn erscheinen, -- denn am Abend, glaub' ich, war es schon zu
spät geworden -- damit Der, welcher den goldnen Apfel hätte, ihn
aufweisen könne. Es kam nun Einer nach dem Andern, erst kamen alle
Prinzen, und dann die Ritter; aber den goldnen Apfel hatte Niemand. »Ja,
Einer muß ihn doch haben,« sagte der König; »denn wir sahen es ja alle
mit unsern Augen, wie er da den Berg hinaufritt und ihn der Prinzessinn
aus dem Schoß nahm.« Da sich aber Niemand meldete, gab endlich der König
den Befehl, daß alle Leute in seinem ganzen Land aufs Schloß kommen
sollten, damit Der, welcher den goldnen Apfel hätte, ihn aufweise. Es
kam nun Einer nach dem Andern; aber den goldnen Apfel hatte Niemand.
Endlich kamen auch die beiden Brüder von Aschenbrödel; sie waren die
letzten. Darauf fragte der König, ob denn gar nicht mehr Leute in seinem
Reich wären. »Ja, wir haben noch einen Bruder zu Hause,« sagten die
Beiden: »aber der hat den goldnen Apfel wohl nicht genommen; denn er ist
in der Zeit nicht aus dem Aschhaufen gekommen.« -- »Einerlei,« sagte der
König: »sind alle die Andern hier gewesen, so mag er auch kommen!« und
da mußte denn Aschenbrödel auch aufs Schloß. »Hast Du den goldnen Apfel,
Du?« fragte ihn der König. »Ja, hier ist er, und hier ist der andre, und
hier ist der dritte,« sagte Aschenbrödel, indem er alle drei goldenen
Äpfel aus der Tasche nahm; und in demselben Augenblick warf er seine
russigen Kleider ab und stand nun da in seiner goldenen Rüstung, daß es
nur so blitzte. »Ja, Du sollst meine Tochter und das halbe Reich haben,«
sagte der König: »denn Du hast beides ehrlich verdient.« Darauf wurde
die Hochzeit gehalten, und Aschenbrödel bekam die Prinzessinn und das
halbe Reich. Bei der Hochzeit aber ging's lustig her; denn Hochzeit
feiern konnten sie alle, wenn sie auch nicht auf den gläsernen Berg
reiten konnten; und haben sie nicht aufgehört zu feiern, so feiern sie
noch.




22.

Schmierbock.


Es war einmal eine Frau, die hatte einen kleinen Knaben, der war so dick
und so fett und mochte immer so gern gute Bissen, und darum nannte die
Mutter ihn _Schmierbock_; auch hatte sie einen kleinen allerliebsten
Hund, welchen sie _Goldzahn_ nannte. Nun stand die Frau einmal beim
Backtrog und backte Brod; da fing der Hund plötzlich an zu bellen.

»Lauf mal hinaus, Schmierbock,« sagte die Frau: »und sieh zu, wonach
Goldzahn so bellt.« Da lief der Knabe hinaus, kam wieder herein und
sagte:

»Na, Gott steh uns bei! da kommt ein großes, langes Trollweib her mit
dem Kopf unter dem Arm und einem Sack auf dem Rücken.« --

»Kriech unter den Backtrog und versteck Dich!« sagte seine Mutter.

Nun kam das Trollweib an. »Guten Tag!« sagte sie.

»Schönen Dank!« sagte die Mutter von Schmierbock.

»Ist Schmierbock nicht zu Hause?« fragte das Weib.

»Nein, er ist mit seinem Vater im Holz und fängt Waldhühner,« versetzte
die Frau.

»Das wär' der Troll!« sagte das Weib: »ich hab' ein kleines silbernes
Messer, das wollt' ich ihm gern schenken.« --

»Pip! pip! hier bin ich!« sagte Schmierbock unter dem Backtrog und kroch
hervor.

»Ich bin so alt und bin schon so steif im Rücken,« sagte das Trollweib:
»Du musst in den Sack kriechen und es Dir selbst holen.«

Wie nun Schmierbock in den Sack gekrochen war, schwang das Weib ihn
auf den Rücken und ging damit fort. Als sie aber ein Ende gegangen
war, wurde sie müde und fragte: »Wie weit ist es noch bis zur
Schlafstelle?« --

»Ein Halbviertel Weges,« antwortete Schmierbock.

Da setzte das Weib den Sack am Wege nieder, strich durch's Unterholz und
legte sich schlafen. Nun benutzte Schmierbock die Gelegenheit, nahm sein
Messer, schnitt damit ein Loch in den Sack und kroch heraus; dann legte
er eine große Kienwurzel an die Stelle und lief wieder nach Hause zu
seiner Mutter. Als nun das Trollweib in ihrer Wohnung ankam und sah, Was
sie im Sack hatte, da wurde sie so böse, daß es gar nicht zu sagen ist.

Tages darauf stand die Frau abermals beim Trog und backte Brod; da begann
der Hund plötzlich wieder zu bellen. »Lauf mal hinaus, Schmierbock,«
sagte die Frau: »und sieh zu, wonach Goldzahn so bellt.« --

»Nun seh mal Einer das abscheuliche Biest!« sagte Schmierbock: »da kommt
sie wieder mit dem Kopf unter dem Arm und einem großen Sack auf dem
Rücken.« --

»Kriech unter den Backtrog und versteck Dich!« sagte seine Mutter.

Nun kam das Trollweib an. »Guten Tag!« sagte sie: »ist Schmierbock nicht
zu Hause?« --

»Ei, was wollt' er zu Hause sein!« sagte die Frau: »er ist mit seinem
Vater im Holz und fängt Waldhühner.« --

»Das wär' der Troll!« sagte das Weib: »ich hab' ihm sonst eine schöne
silberne Gabel mitgebracht, die wollt' ich ihm schenken.«

»Pip! pip! hier bin ich!« sagte Schmierbock und kroch hervor.

»Ich bin so steif im Rücken,« sagte das Trollweib: »Du musst selbst in
den Sack kriechen und sie Dir holen.« Als nun Schmierbock in den Sack
gekrochen war, schwang das Weib ihn auf den Rücken und ging fort. Wie
sie aber ein Ende gegangen war, wurde sie wieder müde und fragte: »Wie
weit ist es noch bis zur Schlafstelle?« --

»Eine halbe Meile,« antwortete Schmierbock.

Da setzte das Weib den Sack am Wege nieder, strich durch den Wald und
legte sich schlafen. Indessen aber benutzte Schmierbock die Gelegenheit,
schnitt ein Loch in den Sack und kroch heraus; dann legte er einen
großen Stein an die Stelle und lief wieder nach Hause zu seiner Mutter.
Als nun das Trollweib in ihrer Wohnung ankam, machte sie ein großes
Feuer auf dem Herd an, hängte einen großen Kessel darüber und wollte
Schmierbock kochen. Als sie ihn aber in den Kessel schütten wollte, fiel
der Stein heraus und schlug den Boden entzwei, so daß alles Wasser
herauslief und das Feuer auslöschte. Da wurde das Weib ganz wüthend und
sagte: »Wenn er sich auch noch so sehr sträubt, ich will ihn doch schon
kriegen.«

Das dritte Mal ging es wieder eben so. Goldzahn fing wieder an zu bellen,
und da sagte die Mutter zu dem Knaben: »Geh mal hinaus, Schmierbock, und
sieh zu, wonach Goldzahn so bellt.«

Schmierbock lief hinaus, kam wieder herein und sagte: »Na, Gott steh uns
bei! Da kommt wieder das Trollmensch mit dem Kopf unter dem Arm und
einem Sack auf dem Rücken.« --

»Kriech unter den Backtrog und versteck' Dich!« sagte die Mutter.

Es dauerte nicht lange, so kam das Trollweib an. »Guten Tag!« sagte sie:
»ist Schmierbock nicht zu Hause?« --

»Ei was wollt' er zu Hause sein!« sagte die Mutter: »er ist mit seinem
Vater im Holz und fängt Waldhühner.« --

»Das wär' der Troll!« sagte das Weib: »ich habe sonst einen hübschen
silbernen Löffel mitgebracht, den wollt' ich ihm schenken.« --

»Pip! pip! hier bin ich!« sagte Schmierbock und kroch unter dem Backtrog
hervor.

»Ich bin so steif im Rücken,« sagte das Trollweib: »Du musst selbst in
den Sack kriechen und ihn Dir holen.« Als Schmierbock hineingekrochen
war, schwang das Weib den Sack wieder auf den Rücken und ging fort. Das
Mal aber legte sie sich nicht wieder im Wald schlafen, sondern trug
Schmierbock gradesweges nach ihrem Hause. Als sie dort ankam, war es
grade Sonntag; darum sagte sie zu ihrer Tochter:

»Nimm diesen Schmierbock und schlachte ihn und koch Suppe davon; die muß
aber fertig sein, wenn ich zurückkomme; denn ich gehe jetzt mit Deinem
Vater in die Kirche, um Fremde zu bitten.«

Als nun das Trollpack gegangen war, wollte die Tochter den Schmierbock
schlachten; aber sie wußte gar nicht, wie sie das anfangen sollte.

»Wart, ich will Dir's zeigen, wie Du's machen musst,« sagte Schmierbock:
»Lege nur Deinen Kopf auf die Bank, dann sollst Du mal sehen.«

Das that denn das arme Mädchen auch; aber da nahm Schmierbock die Axt
und hieb ihr damit den Kopf ab, als wär's ein Küken gewesen. Dann legte
er den Kopf ins Bett und den Rumpf in den Kessel und kochte Suppe davon;
und als er das gethan hatte, nahm er die Kienwurzel und den Stein und
kroch damit in den Schornstein hinauf.

Als darauf das Trollweib mit ihrem Mann wieder nach Hause kam, und sie
den Kopf im Bett liegen sahen, meinten sie, es wäre die Tochter, die
schliefe; sie wollten sie nun nicht aufwecken, sondern gingen zum
Kessel, um die Suppe zu kosten.

»Schmeckt gut, die Schmierbocksuppe!« sagte das Trollweib.

»Schmeckt gut, die Tochtersuppe!« sagte Schmierbock oben im Schornstein;
aber das hörten sie nicht recht.

Darauf nahm der Troll den Löffel und wollte auch die Suppe kosten.

»Schmeckt gut, die Schmierbocksuppe!« sagte er.

»Schmeckt gut, die Tochtersuppe!« sagte Schmierbock im Schornstein.

Da wurden sie aufmerksam und konnten nicht begreifen, Wer es sei, der
da im Schornstein schwatze; sie stiegen daher auf den Herd und wollten
zusehen. Aber da nahm Schmierbock die Kienwurzel und den Stein und warf
sie damit auf den Kopf, so daß sie todt umfielen. Als Schmierbock das
sah, stieg er wieder herunter, nahm all das Gold und Silber, was er da
vorfand, und reis'te damit nach Hause zu seiner Mutter. Und nun war
Schmierbock ein reicher Mann.



 FUSSNOTEN -- FOOTNOTES

  1. _Ham_ bezeichnet in der nordischen Mythologie eine zauberkräftige
     Haut irgend eines Thiers mit den daran befindlichen Haaren, oder
     Federn, wodurch Derjenige, auf welchen diese Haut geworfen ward,
     augenblicklich in ein solches Thier verwandelt wurde.
     Anm. d. Übers.




 TRANSCRIBER'S NOTE -- ZUR KENNTNISNAHME

 Contemporary spellings have generally been retained even when
 inconsistent. The following additional changes have been made:


 Zeitgenössische Schreibungen wurden generell beibehalten,
 auch wenn gelegentlich mehrere Variaten auftauchen.
 Die folgenden zuätzlichen Änderungen wurden vorgenommen:

 daß man den Ganz schon             daß man den _Glanz_ schon
 weit in der Ferne sah              weit in der Ferne sah

 Darauf begann die Grimsschecke     Darauf begann die Grimsschecke
 einem Kampf                        _einen_ Kampf

 was wir zu sprechen haben,         was wir zu sprechen haben,
 können wie immer hier sprechen     können _wir_ immer hier sprechen

 »So?« sagte der Westwind           »So?« sagte der _Südwind_

 als eine Bettlermädchen            als _ein_ Bettlermädchen

 das erste Mal,                     das erste Mal,
 das ich gestohlen habe             _daß_ ich gestohlen habe

 es solle das erste Mal sein,       es solle das erste Mal sein,
 das sie gestohlen hätte            _daß_ sie gestohlen hätte

 habe nur auf auf Dich gewartet     habe nur _auf_ Dich gewartet





End of the Project Gutenberg EBook of Norwegische Volksmährchen vol. 2, by 
P. Asbjörnsen and Jörgen Moe

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NORWEGISCHE VOLKSMÄHRCHEN VOL. 2 ***

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or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
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collection are in the public domain in the United States.  If an
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are removed.  Of course, we hope that you will support the Project
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the laws of your country in addition to the terms of this agreement
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Gutenberg-tm work.  The Foundation makes no representations concerning
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with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
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     you already use to calculate your applicable taxes.  The fee is
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     has agreed to donate royalties under this paragraph to the
     Project Gutenberg Literary Archive Foundation.  Royalty payments
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     prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
     returns.  Royalty payments should be clearly marked as such and
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1.E.9.  If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
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1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
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liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees.  YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH F3.  YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

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received the work on a physical medium, you must return the medium with
your written explanation.  The person or entity that provided you with
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providing it to you may choose to give you a second opportunity to
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is also defective, you may demand a refund in writing without further
opportunities to fix the problem.

1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
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provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
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providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
[email protected].  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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