The Project Gutenberg EBook of Nicht da nicht dort, by Albert Ehrenstein This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Nicht da nicht dort Author: Albert Ehrenstein Release Date: July 26, 2011 [EBook #36862] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NICHT DA NICHT DORT *** Produced by Jens Sadowski Albert Ehrenstein Nicht da nicht dort Kurt Wolff Verlag Leipzig 1916 Siebenundzwanzigster und achtundzwanzigster Band der Bücherei »Der jüngste Tag« Copyright 1916 by Kurt Wolff Verlag · Leipzig Gedruckt bei Poeschel & Trepte · Leipzig Inhalt Das Martyrium Homers Der Fluch des Magiers Anateiresiotidas Liebe Der Knecht seines Schicksals Hildebrandslied Traum des 888. Nachtredakteurs Die alte Geschichte Frühes Leid Wodianer Tod eines Seebären Ausflug Vorbild Mammuthbaum Das Martyrium Homers Ich protestiere feierlich gegen die unerhört kurzfristige Prophezeiung des genialen Dandy Ovid »Vivet Maeonides, Tenedos dum stabit et Ida, dum rapidas Simois in mare volvet aquas.« Als ob Homer diese lausigen, durch das nächstfällige Erdbeben gehandikapten Örtlichkeiten nicht um Äonen überleben würde! Ich protestiere ferner gegen die tolle Verdrehung meines zynischen Freundes Lukian, Homer sei während des Trojanischen Krieges (1193-1184 v. Chr.) Dromedar in Baktrien gewesen. Wahr ist vielmehr das Trottelwort archaischer Pädagogen: »Sieben Städte stritten sich um die Ehre, Homer geboren zu haben: Smyrna, Rhodos, Kolophon, Salamis, Chios, Skyros, Athenai.« Warum sich aber die diversen Stadtväter so hartnäckig stritten, erfährt die leichtgläubig betrogene Nachwelt allerdings erst durch diesen Film. 1. Bild. Homer dichtet die Ilias und die Odyssee; der alte Mann geht vor seinem Zelte, skandierend und die Leier schlagend, auf und nieder. 2. Bild. Landgut des Odysseus: Homer trägt seinem König einiges vor. Odysseus läßt dem Sänger durch Sklaven einen Becher Wein reichen und ein Ehrengeschenk übergeben: eine milchstrotzende Kuh. Homer dankt freudig für die wandelnde Gabe, läßt sie durch einen Sklaven heimführen, trinkt und erklärt stolz, weinbesessen, kein Wesen hätte die Gabe mehr verdient als er. Und auf eine Statue des Phoibos Apollon deutend, versichert er, selbst dieser Gott hätte nicht besser, höchstens ebensogut dichten können wie er. Denn Apollon sei nur ein Stämmling des amusischen Zeus, er aber habe die Dichtkunst geerbt, ihn hätten Sänger, Phemios mit Demodokos, gezeugt. 3. Bild. Auf dem Olymp, von den neun Musen umtanzt, hört Phoibos Apollon diese frevle Selbstanzeige des Dichters und stürmt durch den weißen Bergnebel nach Ithaka: über die Schultern den Bogen gelegt und den Köcher voll tosender Pfeile. 4. Bild. Drohende Gebärden. Es kommt zum Wettkampf. Odysseus soll zwischen den Dichtern Apollon und Homer entscheiden. Apoll greift nach der Leier Homers. (Was der junge Gott singt, zeigt das) 5. Bild. Achilleus lehnt seinen leuchtenden Schild gegen die Mauer und versucht, mit seinem ungeheuren Eschenspeer anrennend, die Tore Trojas zu durchbrechen. Der Speer zersplittert. Der rasende Achill will die Tore mit seinen Händen aus den Angeln heben. Vergebens warnt, von der Mauer her dräuend, Apollon; der Pelide läßt nicht ab, und wie er des alten Troja mürbe Tore auf seine Simsonschultern lädt, benützt ein Pfeil des Gottes die Achillesferse. Griechen und Troer kämpfen in den bekannten malerischen Posen um den Leichnam Achills. Während der dicke Aias die kühnsten Troer tötet, trägt Odysseus, schwer bedrängt, den Leichnam hinab zu den Schiffen . . . Dankbar verleiht Achills Mutter Thetis dem Odysseus die Waffen des Achill. 6. Bild. Odysseus vernimmt diesen bestechenden Lobgesang mit Rührung, doch Homer bleibt unbewegt, sein Lied 7. Bild schildert die Liebe Apolls zu Daphne. Wie der verliebte Gott die sich über einer Quelle kämmende Nymphe beschleicht, belauscht, waldein, waldaus verfolgt -- die fast Erhaschte im letzten Augenblick zu ihrer Mutter, der Erde, bittend die Hände erhebt und abwärts neigt, und von ihr in dürren Strauch verwandelt wird. So daß der Gott statt des süßen Mädchens den bitteren Lorbeer (daphne laurus) umfängt. 8. Bild. Als Homer geendet, wird in Apollon der Schmerz um die geliebte Daphne neu, er verhüllt sein Haupt, gleichgültig gibt der weinende Gott zu, daß ihn Odysseus für besiegt erklärt, drückt mitleidsvoll die Hand Homers, fährt ihm bedauernd über Augen, Wangen und Schultern, und erklärt, da er besiegt sei, habe er nicht die Macht, von Homers Haupt das Schicksal eines Dichters abzuhalten. 9. Bild. Odysseus, ein Ruder auf den Schultern, verabschiedet sich von Homer. Poseidon, dem er den Sohn Polyphemos geblendet hatte, zu versöhnen, muß Odysseus eine Wallfahrt unternehmen, die so lange dauern soll, bis er ein Binnenvolk erreicht, das sein Ruder für eine Schaufel hält. Odysseus empfiehlt den Dichter der Fürsorge Telemachs und Penelopes. 10. Bild. Aber Telemach ist immer auf der Wildziegenjagd. Und Penelope gibt dem Dichter, da er sich im Hauswesen nicht sehr nützlich macht (ihrer schwersten, blaumaschigen, zahmen Lieblingsstopfgans einen Fuß zertritt), stets kleinere Portionen, bis er endlich schweren Herzens, halb und halb gedrängt durch einen Konkurrenten, den Hausbettler Iros, den Entschluß faßt, den Palast zu verlassen. Penelope schmiert ihm zwei Käsestullen, und Homer geht auf die Wanderschaft. 11. Bild. Da er in frühester Kindheit die Eltern verlor, und seine Vaterstadt, die ihn im Greisenalter zu ernähren hätte, nicht kennt, begibt er sich zunächst nach Reich-Asien. Phöniker, denen er dafür die von Odysseus geschenkte Kuh gibt, nehmen ihn mit auf ihrem Schiff. Die acht Leidensstationen 12. Bild. 1. _Smyrna_. Bevor der von langer Seefahrt und Entbehrungen geschwächte Dichter die Stadt betritt, färbt er sein ergrautes Haupthaar und den Bart. Singt auf den Plätzen ums liebe Brot. Aber das Volk verlacht ihn -- die Haarfarbe war schlecht gewesen, hatte ihm grüne Haar- und Bartlocken geliefert. Erschöpft setzt sich der arme, von höhnenden Kindern verfolgte Bettelmusikant im Stadtpark von Smyrna auf eine Bank und schläft ein, an die niedrige Stadtmauer gelehnt. Nicht gerührt durch die Tafel »Diese Anlagen sind dem Schutze des Publikums empfohlen« langt ein Kamel über die Mauer und frißt, durch die grüne Farbe verlockt, Homers Schädel rattenkahl. Seitdem trägt er eine Perücke. 13. Bild. 2. _Kolophon_. Infolge zu starken Kolophoniumgebrauchs und unausgesetzten Harfenschlagens beginnen Homers Finger zu eitern. Er fürchtet, die Hand werde ihm abfaulen, sehnt sich nach Ruhe, Pflege. Geht halb verzweifelt, halb sehnsüchtig einem schönen Weibe nach in den Tempel des Apollon Kourotrophos. Beugt sich und fleht den Gott an, das Weib möge wilde Liebesnächte und frische Jünglinge verschmähen und sich seiner erbarmen. Aber sie neigt sich einem Tempeldiener, und Homer bleibt nichts anderes übrig, als auch weiterhin die Ilias sowie die Odyssee zu verfassen. 14. Bild. 3. _Rhodos_. Enttäuscht verläßt Homer Asien. Auf Rhodos wird ihm anfangs guter Empfang bereitet. Aber dann wird er in die Königsburg geführt und, auf einen sanft verblödenden Greis deutend, versichert man ihm, dies sei der Heraklide Tlepolemos, den er in der Ilias von Sarpedons Hand habe fallen lassen. Hierauf erklärt ein Sohn des idiotischen Greises, ein Tlepolemiker, wütend, Homer habe einen Schlüsselroman geschrieben, und dem Dichter wird der fernerweitige Aufenthalt auf der Insel behördlich untersagt. 15. Bild. 4. _Chios_. Der gute Wein dieser Insel hebt wieder Homers Stimmung. Er singt seine Lieder vor sich hin. Da nähert sich dem Vertrauensseligen ein Jüngling semitischen Aussehens: Phron. Bittet den Homer, ihm noch einiges vorzudeklamieren. Der Dichter tut es. Phron lobt ihn, bietet ihm an, selbst auch Homers Gesänge vorzutragen, und zwar allenthalben. Aber Homers Name sei noch jung und unbekannt, an Propaganda werde zwar alles Erdenkliche geschehen, doch dergleichen sei sehr kostspielig, kurz er nast ihm als »Entschädigung und Kostenbeitrag« den pramnischen Käse ab, den ein Bauer dem Dichter geschenkt, mäkelt dann noch an dem Käse und verschwindet auf Nimmerwiedersehn. Phron war -- der erste Verleger. 16. Bild. 5. _Skyros_. Die Skyrioten feiern die Hochzeit des Peliden Neoptolemos mit Helenas und Menelaus' Tochter Hermione. Der Sänger Achills wird vom nichtbesungenen, trunkenen Pyrrhus mit Hunden fortgehetzt. 17. Bild. 6. _Salamis_. Homer kommt hier gerade zurecht, um einer zu Ehren des dicken Alias und des HEILIGEN Teukros abgehaltenen Prozession als Zuschauer beiwohnen zu können. Da der Kurzsichtige vor den Priestern die Perücke nicht abnimmt, wird er unter Pöbelgeheul von der Insel verjagt. 18. Bild. 7. _Athen_. Als Homer vom Prytaneion ausgespeist zu werden verlangt, beantragt Platon, der Sohn des Kassner, den Rhapsoden, da der in seinen übrigens hypermodernen Gesängen Athen zu wenig genannt und auch sonst zu sehr der Unzucht gefrönt, unsittliche Vereinigungen des Zeus mit der Hera, des Ares mit der Aphrodite geschildert habe, durch das Scherbengericht aus Athen zu verbannen. Geschieht. 19. Bild. 8. _Jos_. Halb erblindet und auf Vieren wankend, hier und da von mitleidigen Schiffern aufgenommen, irrt Homer von Stadt zu Stadt, von Insel zu Insel. Keine Bürgerschaft will ihn ernähren, er wird immer wieder als lästiger Ausländer abgeschoben, die Stadtväter jeglicher Gemeinde verwahren sich energisch dagegen, daß dieser krüppelhafte Kerl ihrer Polis entsprossen sei. Am Strande von Jos ruht er endlich erschöpft aus. Fischerknaben, leere Netze auf den Schultern, steigen aus Booten und necken ihn. Geben ihm ein Rätsel auf: »Was wir gefangen haben, ließen wir zurück. Was wir nicht gefangen haben, tragen wir bei uns.« Homer sinnt verzweifelt, kann die Lösung nicht finden. Ein Phron ähnlicher Knabe: der Sohn des Phron, klärt ihn auf; da sie keine Fische zu fangen vermocht, hätten sie sich am Strande die Läuse gesucht, die Gefangenen getötet, die Nichtgefangenen unfreiwillig nach Hause mitgenommen . . . Die Lausbuben ziehen ab. Homer schüttelt klagend das Haupt; vor Gram, nun auch geistig gealtert über das einfache Rätsel der Jungen gestrauchelt zu sein, stürzt er sich von den Klippen ins Meer. 20. Bild. Das arme Grab Homers auf Jos, Inschrift: »Hier deckt die Erde das heilige Haupt Homers, der in seinen Liedern die Helden sang.« 21. Bild. Zeigt den Bauch des Regierungsrats Professor Methusalem Leichenstil, der, um schneller zu avancieren, sich allen bildlichen Schmuck des achilleischen Schilds auf den Bauch tätowieren ließ. 22. Bild. Unterrichtsstunde bei Professor Leichenstil. Neben dem Katheder steht, Phron und dessen das Rätsel erklärendem Sohne sehr ähnlich sehend, der Primus Eugen Pelideles. Schnattert: Sieben Städte stritten sich um die Ehre, Homer geboren zu haben: »Smyrna, Rhodos, Kolophon, Salamis, Chios, Skyros, Athenai.« Meer wogt gegen das Kathederpodium, auf den Wogen daher treibt ein Leichnam: Homer. Wie der Blick seiner toten Augen auf Pelideles fällt, beginnen seine Wunden zu bluten . . . und über alles und alle stürzt das Wasser der Zeit. Der Fluch des Magiers Anateiresiotidas In einer alten Handschrift, an hundert Jahre vergilbter als die Stormschen zu sein pflegen, habe ich folgende wahre Geschichte gefunden, welche uneben und ruppig erzählt zu haben meine einzige Hoffnung ist, wenn nicht der Trost meines Greisenalters. Es war einmal eine Königstochter, Jezaide geheißen, aus dem uralten Geschlecht der Sirvermor. Über ihre Familie war, wie sonst nur in Märchen gebräuchlich, ein enormer Fluch verhängt. O geiziger König Zizipê der Siebenundsiebenzigste, warum hast du, als einst zur Taufe deines Erstgeborenen dreizehn glückwünschende Zauberer erschienen waren, und der Hofjuwelier, eingedenk trauriger Erfahrungen und Abzüge, erklärte, die goldenen Stiefelzieher nur mehr dutzendweise abgeben zu können, warum hast du damals die verhängnisvollen Worte gesprochen: »Ach was, der eine wird sich halt so gefretten!« Ja, er begnügte sich diesmal mit einem silbernen Stiefelknecht, der große Magier Anateiresiotidas, ingrimmig zwar, und so gewaltige Sprüche in seinen Bart brummend, daß der vor Schreck jeden Moment die Farbe wechselte. Mit einem violetten Bart erschien er bei der königlichen Tarockpartie, zu der er geladen war, und alle anderen Zauberer wußten, wieviel es geschlagen hatte. Nur der König bemerkte die Anzeichen fürchterlich aufziehenden Gewitters nicht, derart war er mit der Mondjagd beschäftigt. Er bot ihm in der Hitze des Gefechts weder die Teilnahme, noch einen Stuhl an, vielleicht um sich durch solche Höflichkeit nicht noch einen Hexenmeister zum Feinde zu machen. Und so mußte Anateiresiotidas kiebitzen, stehend kiebitzen. Auch dies hätte der Zauberer vielleicht noch ruhig hingenommen, aber ihm offerierte Zigarren trugen zwar die Leibbinden importiertester Havanna, waren jedoch mörderische Schusterkuba. Diesmal hatte wiederum Hoftrafikant Motschker die Upman nicht in minimalen Quantitäten zum Engrospreise liefern wollen und der königliche Geizhals daraus alberne Konsequenzen gezogen. Nur daß ein anständiger Hexenmeister in punkto Zigarren keinen Spaß versteht. Mit einem Griff hatte der Beleidigte seine Sprechwerkzeuge auf den Tisch gelegt und sich entfernt. Kein besserer Zauberer hat so viel Zeit und Geduld, seine eigenen Reden anzuhören. Und jetzt kam der Fluch: »Von nun an werden alle Kinder aus dem Hause Sirvermor, je nach dem Geschlecht, mit dem Ding oder Wesen, das ihrem Vater oder ihrer Mutter am liebsten ist, zur Welt kommen. Bis einst ein Jurist erscheint, dessen Namen dieselben Buchstaben wie »Sirvermor« besitzt, und nicht genug daran: ohne das geringste Plagiat ein Buch über Rechtsphilosophie schreibt!« »Wer gibt?« fragte guter Laune der König, dessen geheimen Gram es längst gebildet hatte, daß justament auf seinem Stamm kein vornehmer Erbfluch lag. Und ehe noch die Sprechwerkzeuge des Anateiresiotidas aus dem Spielzimmer ihrem Inhaber nachgeflogen waren, gab es bereits einen Solovalarpagatultimo, wie er in solcher Schönheit ohnstreitig noch nie dagewesen. Das aber hatten die anderen Zauberer getan, um den König zu trösten. Denn eines Trostes bedurfte Haus Sirvermor. Da doch gemeinhin die Männer sich und die Frauen am liebsten haben und umgekehrt -- wenn wenigstens, jenem Fluche nach, Gebärmänner: Hermaphroditen zur Welt gekommen wären! Die Dynastie hätte zwar zum längsten bestanden, aber Skandal, durch Jahrhunderte fortgesetzter Skandal wäre vermieden worden. Nein, deutlich getrennt von dem jeweiligen Kinde: für sich bestehend stieg das dem Vater oder der Mutter geliebteste Ding oder Wesen ans Tageslicht. Wo soll ich anfangen, wo soll ich enden! Mit dir, Dolgoruki, dem sein Weib außer einem Nachfolger eine ewig volle Kognakflasche gebar? Solches wäre lustig anzuhören, aber wem geraten nicht unwillkürlich die Tränen in die Augen, wenn er von dir vernimmt, Seeheld Aquavit? Wohl wurde dir deinem Wunsch gemäß ein Überdreadnought geschenkt, aber starb nicht dein Weib daran, ohne daß ein anderes sich hätte finden lassen, todesverachtend genug, bald oder später ein ähnliches Ende nehmen zu wollen? Starbst nicht bald hernach du selbst infolgedessen räudig an den Leibschneiden und Weltschmerzen der Langenweile, bloß weil keiner deiner ungeschickten Ingenieure imstande war, Weibautomaten zu fabrizieren?! Allerdings gelang bald nachher deinem Leiberfinder Heureka die Herstellung jenes Instruments, dem wir alle unser Leben verdanken, die Herstellung des Fernzeugers. Doch waren damit die Leiden dieser Tantaliden abgeschlossen? Panjimama, unter dessen glorreicher Regierung Apabauru und Tenteriki an Sirvermor kamen, geriet eben wegen dieser für den Ackerbau seines Landes äußerst wichtigen Guanoplätze in Streit mit dem Oberkaiser Adikran von Alazir und den Zentralkönigen von Lygien. Als gar zu dieser an sich übermächtigen Liga Araumenes der Große von Paphlagonien seine sieggewohnten Truppen stoßen ließ, und die Kunde schrecklicher Gefahren in Sirvermor sich wie Posaunenschall und Tubaklang ergoß, was konnte da der verzweifelte Landesvater anderes tun, als sein Weib eines mit den erforderlichen Kanonen und Vorräten ausgerüsteten Heeres von soviel Millionen Mann genesen zu lassen, daß sogar Rabelais darüber sein weißes Haupt schüttelte und den heiratsfähigen Königstöchtern der Erde den Rat gab, bevor sie sich mit Prinzen von Sirvermor in Verbindungen einließen, den Herren einen Eid abzunehmen, laut dem diese in Zukunft von derart gattinnenmörderischen Liebhabereien abzusehen hätten. Und als einem Herrscher, der, wie es scheint, sich selbst am meisten liebte, die Gemahlin einen Doppelgänger getragen hatte, worauf bemeldeter Monarch elendiglich in Wahnsinn verfiel, unwissend, wen er am meisten liebe und welcher der beiden eigentlich er sei; ein andermal ein in sich verzücktes Liebespaar ein Doppelgänger-Liebespaar hervorrief was unendlichen Jammer und blutige Bürgerkriege erregte -- da, von Grauen überwältigt, bildeten die Fürstinnen den ihnen anempfohlenen Trust. Das wird ihnen niemand verargen! Man rufe sich's ins Gedächtnis zurück, daß neben dem jeweils Regierenden in Sirvermor noch eine Menge Prinzen existiert! Und wie rasch zarte Prinzessinnen müde werden, Ballettratten, Vollblutrennpferde, Küchenchefs, Äbtissinnen und Jagdhunde in die Welt zu setzen, das läßt sich denken. Waren nun zwar die Prinzessinnen vor einem durch die Neigungen ihrer Gesponsen bewirkten frühen Tode sicher, so hatten nach dem Vertrag ihre Gebietiger den Leidenskelch bis zur Neige zu leeren. Wenn dies nicht früher der Fall gewesen war, lag das daran: die Gemahlinnen derer von Sirvermor blieben den Männern merkwürdigerweise immer genau eine Sothisperiode lang treu, dann waren sie wieder untreu. Und der gesetzmäßige Umschwung trat zufällig erst jetzt ein, somit das von einem hochweisen und vorsichtigen Rate erlassene Verbot, betreffend Ehen zwischen den Operntänzerinnen männlicherseits und etwa zu erwartenden Stierkämpfern weiblicherseits: dieses sogleich nach dem Fluche angeschlagene Verbot fand dergestalt niemals Gelegenheit, in Kraft und Wirkung zu treten. Vorerst machte sich keine Veränderung bemerkbar. Auf dem Throne saß gerade Frau Ordilschnut -- die Urgroßmutter Jezaidens und Schwester der berühmteren Ordilgund von Undulur -- ein Mägdlein annoch, so unschuldig, daß sie außer einem Töchterlein namens Bamalip nur einer Puppe das Leben schenkte, worüber sich der ganze Hof vor Lachen fast ausschütten wollte. Das zweite Mal -- ich will nicht lügen -- kam sie mit einem Mops und Zwillingen nieder, die jenem Töchterchen Bamalip aus der Maßen ähnlich sahen. Man nannte sie daher auch Barbara und Fresapo, und alle drei spielten, wie man weiß, in der sirvermorschen Geschichte nachmalen eine außerordentliche Rolle. Ihr Gatte war ein in der Räucherkammer der Zeit früh grau und faltig gewordener Herr in den kalten Vierzigern, den sie nicht lieben konnte und der durchaus und eigensinnig noch selbst etwas für die Thronfolge tun wollte. Als er die junge Königin in Armen hielt, klammerte sich die Bedauernswerte, schaudernd wie vor dem Tode, in der Angst an das wenige Liebe, das sie besaß, an ihr Töchterchen Bamalip und etwa noch an einen kleinen Mops, der sie in ihrer Einsamkeit zerstreut hatte. Als Aspramont die Zeichen der Kälte seiner Lebensgefährtin sah, die Kinder, deren Mutter sozusagen auch Bamalip war, schlug er ob dieser Blutschande die Hände über dem Kopf zusammen, ja, er hätte Ordilschnut verstoßen, wenn nicht letzte Überlegung für sie gesprochen hätte, die doch noch ein Kind war. Und so zog er denn in den Krieg wider die Orilanen, Menschen, denen der Bart auf der Nase entkeimt, und die sehr sonderbare Speisegesetze haben -- gebratene Eidechsen essen sie unter keinen Umständen, Sauerkraut mit Leberwurst hingegen ist ihnen erwünscht. Nach der über diese Leute verhängten Züchtigung, auf dem Rückwege geriet Aspramont -- wenn die sirvermorischen Annalen nicht trügen -- mit den Sultanen von Marabu und Talili in einen Kampf um die Weltherrschaft, und die Heimkehr verzögerte sich dadurch. Inmitten des gewaltigen Schlachtenlärmes hatte man es wenig beachtet, daß die Königin glücklich von einem Eunuchen entbunden wurde. Dies hätte eine Warnung sein sollen, war es aber nicht. Ordilschnut ergab sich einem ungezügelten Lebenswandel: eine Liebelei mit dem Prinzen Karfiol von der Mondscheinküste blieb nicht die einzige, die Leute vom Hofstaat wagten keine Vorstellungen, die Königin als die Höherstehende betrachtend, weil nicht sie durch einen Eid zur Entsagung verurteilt war, sondern der Gatte. Die kurze Pause eines mittlerweile eingetretenen Waffenstillstandes benützend, um an das abermalige erfreuliche Wochenbett der geliebten Gemahlin zu eilen, welche Überraschungen wurden da dem guten, alten Aspramont zuteil! Reitknechte, Tenore, Schwergewichtsathleten, Chauffeure, französische Sprachlehrer! Und so oft der besorgte Gatte: »Halt ein« oder strenger: »Jetzt aber Schluß« rufen wollte, kam noch irgendein Kaminfeger, Leutnant, Fleischhacker oder Kammerdiener zum Vorschein, bis Aspramont die Hand, die schwertesschwere, wider die Pflichtvergessene erhob und zustieß. Fiel aber dann selbst im Duell mit dem Leutnant. Es wird niemanden wundernehmen, wenn, durch so entsetzliche Ereignisse im höchsten Grade beunruhigt, geradezu außer Atem infolge wiederholt eintretender ähnlicher Vorfälle, die immerhin nicht so drastisch, weil sie auf die Hervorbringung eines einzelnen Jünglings beschränkt blieben, doch keinerdings ohne einige Mitwirkung höchstgeborener Prinzessinnen von statten gingen, ich sage, es wird niemanden wundernehmen, wenn eine löbliche Priesterschaft von Sirvermor sich da ins Mittel zu legen beschloß. Waren doch an diesen Begebenheiten Weltgesetze zuschanden geworden, vor allem jenes eine, gefaßt in das weiseste Wahrwort, welches je über die Lippen eines Lateiners kam: Pater semper incertus. Außerdem waren die Privilegien der Gottesdiener durch Attachés und Ausländer lädiert worden, deren, mangels Einheimischer, Ordilschnut sich zur Befriedigung ihrer Lüste bedient hatte. Sirvermor nämlich gehört zu den Ländern, wo, den Satzungen der Religion entsprechend -- die Prinzen des königlichen Hauses ausgenommen -- die Epheben sich kastrieren, und die Fortpflanzung auf eine wunderbare Weise durch die Priester der Göttin Kibla bewerkstelligt wird. Begünstigt ward das Vorhaben der Geschädigten, in ihren heiligsten Rechten Geschädigten, durch die übereinstimmenden Erklärungen der Mohnkipfelbeschwörer. Es nahe die Zeit, da das allerhöchste Herrscherhaus von dem Fluche befreit sein werde -- dies gaben sie vor, in den Sternen und Wurstabschnitzeln gelesen zu haben. Wie jedoch den Prinzessinnen kälteres Blut beibringen, ein Gefühlsniveau, das den ans beste Mannsfutter gewöhnten Damen sogar Juristen annehmbar erscheinen ließ? Auf die erste Nachricht von so entsetzlicher Zumutung ging wie ein verhaltener Wutschrei ein gewaltiges Rauschen des Zornes durch die Kleider der Betroffenen, ja, sie hätten mit einem Fächerschlag der Entrüstung ihre Zimmer verlassen, wenn nur jemand darinnen gewesen wäre. Ihnen Juristen antragen, Leute, deren kühn in die Brillen geschwungene Schnurrbärte keineswegs für ihre vernehmlichen Glatzen entschädigen konnten, helltönende Glatzen, die sich nicht einmal durch das berühmte Haarwuchsmittel »Kapitol« aufforsten ließen! Alles bäumte sich in ihnen. Juristen! Welcher feinere Prinz studiert Jus, und wenn, wo steht es geschrieben, daß so ein Ausnahmsprinz eines ohne Plagiat durchgeführten rechtsphilosophischen Aufsatzes fähig ist? Juristen heiraten! Menschen, die um der schnöden Leibesnotdurft willen jahrzehntelang Schweißgeruch sammeln, denen man's ewig anriecht, daß sie einst oft ein Paar Frankfurter mit Krenn für ein opulentes Mittagsmahl gelten ließen . . . Die Prinzessinnen fielen in Ohnmacht. Jede in ihrem Zimmer. Als sie wieder zu sich kamen, war ihr Wille gebrochen. . . Zehn Roßhähne wurden den Göttern der Unterwelt geopfert, dann faßte der Erzaugur den Beschluß, die Liebesneigungen der weiblichen Angehörigen des Königshauses durch Hypnose abzutöten. Und so geschah es, nachdem erst das Zustimmungstelegramm vom Delphischen Orakel eingetroffen war. Wohl gab es noch geraume Zeit harmlose Rückfälle, den Schwimmhäuten mancher Menschen vergleichbare atavistische Hervorbringungen von unschuldigem Spielzeug verschollener Generationen, als: Tennisrackets, Diabolos, Trompeten, Automobilbrillen. Doch schwanden diese Rückbildungen mit den Jahren, und jeder Wackere hätte Gift darauf nehmen können, daß die Prinzessinnen dieser Familie ebensowenig Liebe oder tiefere Neigungen empfanden, wie die irgendeines anderen Hauses. Alle Welt schickte nun die Kinder ins Gymnasium. Denn war früher eine Königstochter vom Drachen zu befreien, Tapferkeit und weitvorblickende Klugheit, ein andermal für derartige Erwerbung rätsellösend-einfältige Schlauheit vonnöten gewesen, dem an unsere Epoche heranreichenden aufgeklärten Zeitalter war es entschieden gemäßer, die Hand einer Fürstin an die durch den Besitz eines eigentümlichen Namens verschärfte Abfassung rechtsphilosophischen Essays zu knüpfen. Welch ein Wetteifer unter den Juristen sowohl des Königreiches Sirvermor als auch der anderen Länder! Sogar der arme Herrscher von Suminoye, dem sein Herzogtum abgebrannt war, ließ seine Söhne Jus studieren, bis sie schwarz wurden. Bald jedoch schwoll der Fleiß ab: die Ämter hatten alle Bittschriften um Namensänderung abschlägig beschieden und auch die mannigfaltigen Versuche, durch Beifügung des mütterlichen Namens oder durch Adoption zum Ziel zu gelangen, sie waren, nachdem eine Saison lang Leute namens Sir oder Sirver hoch im Preise gestanden, durch Edikte vereitelt worden, deren genauen Wortlaut jedermann kennen lernen kann, wofern er sich nur in einer Bibliothek die betreffenden Nummern des sirvermorizer Amtsblattes verschafft. Nicht ein Weichherziger wie ich, ein anderer möge den Jammer der enttäuschten Eltern beschreiben, die vergebens ihre Sprößlinge auf die Prinzessin hatten studieren lassen. Was mich anbelangt, so muß ich hier innehalten und einige ihrem gerechten Kummer geweihte Zähren weinen . . . Andererseits gingen entartete Untertanen in ihrem Groll zu weit; sie waren es, die zuerst Realschulen erfanden und gründeten, um möglichst viele Jünglinge der dynastie-erlösenden Beschäftigung mit den Rechtswissenschaften abspenstig zu machen. So groß ist die Schlechtigkeit der Menschen! Von da ab redete man nur wenig von unserer Angelegenheit; Artikel höchstens in den Familienblättern, königstreuer Mathematiker Berechnungen über die Wahrscheinlichkeit einer völligen Aufhebung des Fluches, erinnerten die Bürger ab und zu an jene unliebsamen Ereignisse. Und damit wären wir bis zu jener Zeit emporgeschritten, in der die eigentliche »Geschichte« sich abspielt. Erbprinzessin Jezaide Sirvermor lustwandelt im königlichen Garten. Ist doch der Frühling angekommen, auf seinen Schultern und Flügeln die Scharen der Singvögel tragend. Ja, sie singen im königlichen Garten die gewaltigen Nachtigallen, das heißt: mit allerhöchster Erlaubnis und soweit sie keinen Schnupfen haben. Aber nicht der Nachtigallen Gesange oder Nichtgesange lauscht ihre königliche Hoheit, Falte auf Falte schneidet sich in ihre Alabasterstirn, siehe: wie in tiefem Sinnen hebt sie eine Hand empor, mit dem Rücken nach oben, und spricht zu ihrer Obersthofmeisterin: »Mir scheint, es will regnen.« Und in der Haltung wollen wir sie verlassen. Um diese Zeit lebte in der Stadt Vienna ein edler Jüngling namens Srimoverr, Baron Aeneas Srimoverr. Er brachte die üblichen Jahre in einem geistlichen Gymnasium zu und widmete sie, wie billig, einem zwiefachen Studium. Auf der Bank lagen vor seiner Nase ausgebreitet lateinische Klassiker, unter dem Pult aber entzückte seine Sinne die Lektüre klassischer Franzosen. Nachdem er seinen ebenso verschiedenartigen als eindringlichen Studien durch das protegierende Auftreten noch einiger Freiherren namens Srimoverr und eine sogenannte Schlußprüfung Grenzen gezogen hatte, beehrte er die juridische Fakultät mit seinem Besuch. Nicht so sehr, weil ihn die Süßigkeit der Wissenschaft anzog: nein, eine bildgeschmückte Heiratsannonce Jezaidens hatte ihn mit den Bedingungen vertraut gemacht, unter denen ein Königtum von den Dimensionen des Reiches Sirvermor zu erringen war. Und seine Liebe erlahmte nicht angesichts der Schrecklichkeit seiner Aufgabe. Zwar: es ist richtig, wenn der berühmte lygische Geschichtsschreiber Moses Maria Archivstaub behauptet, Aeneas habe sich selbst hinlänglich für seinen bewundernswürdigen Fleiß belohnt. Er benützte nämlich nicht nur die reichhaltige Bibliothek seines Oheims, des Privatdozenten für Rechtsphilosophie, Bartholomäus Srimoverr, sondern auch dessen Gemahlin teilte von jeher mit demselben Eifer das Lager des jugendlichen Neffen, wie jene Annehmlichkeiten, die Stellung und Güter des gelehrten Gatten mit sich brachten. Dieser Umstand aber sollte Aeneens Verhängnis werden. Der Tag, da er mit dem vollendeten Werke sich zu seiner Tante begab, Abschied von ihr zu nehmen, der Tag ward sein Todestag. Tief, tief waren die beiden versunken, er in das Vorlesen seiner Schrift, sie in ein enthusiastisches Lauschen, und die Doppelschritte des nahenden Gatten wurden erst gehört, als es zu spät war. Kein zweckdienlicher Kasten im Zimmer, und schon schwang sich Aeneas, das kostbare Pergament in der Hand haltend, statt den Ehemann so ins Jenseits zu stürzen, in unbegreiflicher Verwechslung selbst auf das Fensterbrett und sprang zum letztenmal hinab in den Teich, dessen Wellen auch vor ihm bereits manchen Überraschten geborgen haben mochten. Ach, diesmal dürften die Mühen der Lektüre zu gewaltig gewesen sein. Des kühnen Tauchers Herz brach. Wild aufrauschten die Wasser, und indem er den Zwicker aufsetzte, sprach der Privatdozent die geflügelten Worte: »Traun! ich habe doch diesem Fischhändler gesagt, ich will nur echt Ibsensche Karauschen. Und was hat der geschickt? Sind das Ibsensche Karauschen? Mutwillige Fische, die sich hoch über Wasser schnellen. Die müssen von ganz wem andern sein! Was meinst du dazu, Rosa? Diesen Fall muß ich untersuchen. Magst mich begleiten?« Sprach's und befestigte an der Angel eine künstliche Fliege. Ich würde gewiß nichts von dem Froschkönig erzählen, wenn es nicht für den Gang dieser Geschichte so unumgänglich nötig wäre. Er saß ganz harmlos im Teiche unter seinem Sonnenschirm -- denn gerade, daß die Frösche keinen solchen brauchen, ist das Noble daran, und darum hatte der Froschkönig einen und memorierte unter ihm skandierend seine langweilige Thronrede: »Wir Quakorax, König der Frösche, Blattläuse, Malariamücken und so weiter; kraft uralt angestammtem Recht beriefen höchstwir alle Vasallen, die, sei es zu Lande, sei's zu Wasser unser sind, auf diesen hohen Reichstag. Hört, hört! wir selbst und Ihre Majestät, die Königin Guaplasa, um sämtlichen Untertanen kund zu tun, wie sie zu ehren wir gedenken, keinem unsrer Völker nah zu treten, keinem unsrer Achtung mehr noch minder zu erweisen als dem andern: ja! auf einem halbüberschwemmten Hügel, mit einem trocknen, einem nassen Fuße, staatsrechtlich, nicht bloß so zu sagen! über dem Berg im übrigen auf astbefestigetem Schaukelthrone uns bewegend« -- hier blieb der arme Quakorax, vielleicht schon zum zehnten Mal, über die jämmerlichen Versfüße stolpernd, stecken, diesmal, weil der Tote zu ihm glitt. Quakorax dankte den Göttern, daß sie ihm, falls als er bei der Thronrede wirklich ins Stottern geraten sollte, eine solche Entschuldigung vor Guaplasa darboten. Kein Zweifel: der junge Mann, gewiß ein Kollege, hatte den unerträglichen Leiden, die auch ihm eine Thronrede verursachte, durch Selbstmord ein Ende bereitet. Kaum daß Quakorax sich und den Ärmsten schicklich beweint hatte, machte er sich an den Genuß der vermeintlichen Thronrede, die dem Toten aus der klammen Hand zu winden, ihm vermittels eines Zaubers gelungen war, der so gewaltig ist, daß ich ihn hier nicht näher schildern kann. Durch seine Lektüre an den Rand der Verblödung gebracht, griff er, mit seinem Lose zufriedener, nach dem eigenen Manuskript. Da trieb vor seinen Augen eine verlockende Fliege auf und nieder. Nach hartem Kampfe mit der Pflicht beschloß er in seinem Herzen, die Fliege nicht zu verschmähen, schon um nicht die Götter zu beleidigen, die ihm den leckeren Bissen wohl zur Belohnung seines ausdauernden Fleißes gesendet hatten. Es empfiehlt sich, den Geboten der Unsterblichen mit beschleunigter Geschwindigkeit zu gehorchen, und so schoß denn auch der gute fromme Quakorax alsogleich, ohne etwas loszulassen, auf sein Opfer zu, verfing sich, ward ans Ufer geworfen und hauchte zappelnd seine Seele aus, welche geziemend zum Hades enteilte. »Froschschenkel sind auch gut,« meinte Bartholomäus, »die den Göttern gebührenden Eingeweide misse ich mit Vergnügen.« Dann bemerkte er, was er sonst erbeutet hatte, löste unverzüglich ein Billet nach Sirvermor und ein zweites, eine Umsteigkarte in die Zukunft. Denn in dieser geht der folgende Teil unserer Erzählung vor sich. Während der Fahrt, indem sowohl der Privatdozent in ihm eine Beschäftigung verlangte, als auch die Sorgen des seligen Quakorax merkwürdigerweise auf ihn übergingen, begann Bartholomäus die Thronrede auswendig zu lernen, und selbst als er der hold errötenden Jezaide den -- wenn auch unzureichenden -- Sonnenschirm des Froschkönigs anbot, rezitierte der Zerstreute noch immer sein »Wir Quakorax, König der Frösche . . .« Diese Phrasen, für unverfälschte Wahrheit genommen, verfehlten nicht, einen guten Eindruck zu machen; zudem: daß Srimoverr die Erbin des Reiches so ziemlich vor den Unbilden der Witterung geschützt hatte, erschien den Priestern, die pflichtigst darüber die Lage der Sterne und Butterbrotpapiere beobachtet hatten, ein dem Lande heilweissagendes Omen und Symbol. Und dies ist in unserer Geschichte, glaube ich, das einzig Unglaubliche, das man nicht glauben kann: eine alsbald angestellte Prüfung des rechtsphilosophischen Schriftchens ergab untadelige Resultate, kein einziges Plagiat! Worauf ohne weiteres wider Bartholomäus die Vermählung eingeleitet wurde. Für den Verstand von Leuten, die in diesen anspruchslosen Zeilen eine tiefsinnige Allegorie erblicken wollen, etwa in Jezaide die Tochter eines Hofrates oder Sektionschefs zu sehen vermeinen, die einem simplen Dozenten zum Throne, id est: zu einer ordentlichen Professur verhalf -- auch die anderen, wahrlich nicht wenig verschlungenen Begebenheiten auf kraß realistische Weise ausdeuten möchten: für den Verstand dieser Sorte von Leuten übernimmt der Verfasser keine wie immer geartete Garantie, wenn sie nicht so ruinösen Versuchen entsagen. Genannten Individuen aber trotzdem gebührend entgegenzutreten, gesteht der Autor offen und ehrlich, daß der Zweck seiner scheinbar nichts weniger als tugendhaften Historie, soweit ein solcher überhaupt vorhanden, ein hochmoralischer ist und hofft damit einer aufmerksamen Leserin nichts Neues zu sagen. Er hält dafür, nachträglich genug vor jenem verderblichen Geist gewarnt zu haben, der Zizipês sonst makellose Herrschergestalt verunzierte. Wolle doch ein Jeglicher seinem guten Rat gehorsamen und zur Taufe erscheinenden dreizehnten Zauberern keine silbernen Stiefelknechte und beileibe keine schlechten Zigarren anbieten, noch auf künstliche Fliegen mit übereilt zuschnappendem Rachen antworten. Den Folgsamen steht nicht bloß eventuell das Himmelreich offen, sondern ihnen und nur ihnen wird mitgeteilt, wie sich das Schicksal derer von Sirvermor-Srimoverr des Weiteren gestaltete. Es läßt sich nicht leugnen, der Prozentsatz an kleinen Mohren und Chinesen, den die Prinzessinnen dieses Hauses auch nach jener Sühnhochzeit herbeiführen halfen, er war und blieb ein größerer, als er in den übrigen Königsfamilien Usus ist. Doch wer wird der Bösewicht sein, zu fordern, eine künstliche, zauberische Einrichtung, durch die Länge der Zeit beinahe zur natürlichen Anlage geworden, möge wie mit einem Glockenschlage zu bestehen aufhören? Was die speziellen Schicksale Jezaidens und ihres Gatten anlangt, so beteuern manche Skribenten, beklagte Mohren und Chinesen, in dem unzureichenden Sonnenschirm bereits zart angedeutet, seien durch die Unterschiebung der Preisschrift verschuldet, und sei dieser Frevel nur darum nicht postwendend ans Tageslicht gekommen, weil Jezaide keine Kinder hatte, was weniger der abgetöteten Liebe als dem gelehrten Charakter ihres Gatten zuzuschreiben sei. Sonstige Erlebnisse des Ehepaares? Zur Beruhigung: und wenn sie nicht geboren sind, so sind sie auch heute noch nicht gestorben! Liebe Nitimur, ein wohlriechender Künstler, Erbauer der sechs großen Stockwerke, sah eines Tages die wohlwandelnde Königstochter Inve, und nicht genug daran: er wagte es, seine Augen zu ihr zu heben, die auf dem hochgelegenen Steige der Königstöchter knabenleichten Schrittes zur Lust tief und tiefer unten Wandelnder und also auch wohl zur eigenen Lust einherschwebte. Ja, er gewann es über seine in welcher Niedrigkeit aufgeschossene Seele, daß er den jäh ansteigenden Kotsee und den darauffolgenden Eisberg der vermeintlichen Glückseligkeit durchschwamm und überschritt. Diese beiden Stoffe nämlich, Kot und Eis, ausgezeichnet sowohl durch die Menge, in der sie sich an den genannten Orten befinden, als auch durch andere Eigenschaften, sind dazu bestimmt und geschaffen, die Wege der wohlwandelnden Königstöchter und der wohlriechenden Künstler zu trennen. Wohl war, wie ihr alle recht gut wisset, in diesem unseren Königreiche Titumsem die schreckliche Strafe der Spiegelentziehung auf das Erklimmen der Scheideflächen gesetzt. Nitimur aber mag vor, während und nach deren Durchquerung wenig an eine Selbstbespiegelung gedacht haben. Vielmehr: an dem Orte seines Strebens in welchem Aufzuge angelangt, warf er sich rücklings zu Boden, auf den heiligen Boden des Einherschwebens der Königstöchter, und schlug ihn dreimal mit dem Hinterhaupte. Dies ist die Art, mit der in diesem unseren Königreiche Titumsem Hohlheit und Wohlriechenheit gewiesen wird. Inve konnte nicht anders, sie mußte eine Zeiteinheit lang ihr Einherschweben in ungleichförmig verzögerter Geschwindigkeit vor sich gehen lassen -- gewöhnlich bewegen sich nämlich die Königstöchter in diesem unseren Königreiche Titumsem gleichförmig verzögert -- und eine weitere Zeiteinheit lang tat sie sich die Mühe, ihre konkaven Wangen in dem Blaurot des höchsten Unwillens erröten zu lassen. Nitimur nun -- war es Absicht oder Unfall? Meine der Verehrung wohlwandelnder Königstöchter sicherlich zuneigenden Zeitgenossen werden mir wohl recht geben, wenn ich steif und fest behaupte, daß es nicht seine Absicht war, und ebenso dürften meine dem Glauben an das Walten einer ursittlichen Welthausordnung herzhaft geneigten Zuhörer meiner wohlweisen Meinung sein, wenn ich statt Zufall Unfall sage . . . Nitimur nämlich, der wohlriechende Künstler, rutschte, von der Blauröte des höchsten Unwillens scheinbar gleichgültig durchstrahlt, mit gleichförmig beschleunigter Geschwindigkeit den Gletscher der anscheinenden Glückseligkeit hin und überschlug sich unter den spaßhaftesten Purzelbäumen und Kapriolen im darauffolgenden Kotsee. Wieder unten auf der Straße wohlriechender Künstler angelangt, begab er sich aber nicht in seine sechs großen Stockwerke, denn er wußte wohl, daß ihm sämtliche Spiegel mittlerweile entfremdet worden waren . . . Wer aber kann malen das Blaurot des noch sehr viel höheren Unwillens der wohlhabenden Königstochter Inve, als sie nächsten Tages an derselben Stelle Nitimurn gewahrte! Ihre Bewegung setzte sie da mit gleichförmig beschleunigter Geschwindigkeit fort, die sie nur um eine Zeiteinheit verzögerte, als sie an dem wohlriechenden Künstler das heiße Schweigen der Liebe, von dem die wohlwandelnden Königstöchter zu träumen pflegen, nicht kaltes Schweigen der Körperverehrung, das wohlriechende Künstler zu durchstrahlen pflegt, bemerkte. Als sie sah, daß er mit weit weniger gleichgültig durchstrahlter Miene seinen schmachvollen Heimweg abkugelte. Da aber jeder Tag diesen Vorfall gebar, Perku, ihr wenig geschlechtlicher Erzieher, der zwar seine Zeit meist damit füllte, noch weniger geschlechtliche Erzieher zu zerspotten, dennoch beinahe bemerkt hätte, daß seine wohlwandelnde Königstochter die zur Absolvierung ihres Einherschwebens nötige und also vorgeschriebene Anzahl von Zeiteinheiten stets überschritt, schließlich Inve einsah, daß bald ihr ganzer Reichtum an Erörterungsnuancen allewerden dürfte, tat sie es eines Tages, über den Wasserberg hinweg, der den Schwindelpfad der wohlschlafenden Könige von dem Steig der wohlwandelnden Königstöchter trennt, sie tat es, ihrem Vater Pimus zuzurufen, der wohlriechende Künstler Nitimur störe täglich die Regel- und Gesetzmäßigkeit ihres Einherschwebens. Der wohlschlafende König Pimus, dem es ein Neues war und den es mit Verblüffung durchstrahlte, daß ein wohlriechender Künstler auch nach Entfremdung seiner Spiegel vor wohlwandelnden Königstöchtern zu liegen wage -- deren heiligen Boden mit dem Hinterhaupte schlagend, Hohlheit und Wohlriechenheit weisend -- er erschrak zuerst über das Omen dieser sehr kuriosen Zugetragenheit, das und die in keinem königlichen Orakel- und Traumbuche verzeichnet und vorgesehen war. Also machte der wohlschlafende König Pimus seinem wohltanzenden Gotte Kwene dreiundachtzig und eine halbe Verbeugung und sagte ein Achtel Betrolle her. Kwene nämlich, der wohltanzende Gott, dessen Seil von dem Schwindelpfade der Könige durch einen Sonnenberg geschieden ist, sah sehr gut, hörte aber schlecht: daher dreiundachtzig und eine halbe Verbeugung und bloß ein Achtel Betrolle. Denn ihr wisset sowieso, und ich sage es auch nur, um euch der Abwechslung halber mit eurem Wissen zu ärgern: Man hat seine Freude nur an dem, was man bis in seine süßesten Einzelheiten auszukosten vermag, nicht jedoch an Dingen, die, ach, in höchst summarischer Weise fühlbar werden . . . Kwene aber wußte sehr wohl, daß der Thron eine Stütze des Glaubens an ihn sei. Nur darum reichte er dem wohlschlafenden Könige trotz des Achtels Betrolle schnell seine Ohren, und außerdem drangen gerade in dieser Zeiteinheit labend an des schlachtmesserumgürteten, wohltanzenden Gottes nicht ganz schlecht hörende Ohren des eben von ihm eigenhändigst, nach allen Regeln der Kunst geschächteten Schlachtopfers höchst rituelle Laute des Sterbens und Verzuckens. Dennoch aber unterdrückte der wohltanzende Kwene den wohlweisen Rat: »Sende dem wohlriechenden Künstler einen zweiten Spiegel, auf daß er sich darin besehe!« Nein, er wollte wieder einmal ein Exempel seiner Allmacht, Gerechtigkeit und ursittlichen Welthausordnung statuieren und gab dem wohlschlafenden Könige Pimus den minder weisen Rat, die wohlwandelnde Inve hinabzusenden zu dem wohlriechenden Künstler Nitimur, dem Erbauer der sechs großen Stockwerke. »Denn die gebotene Möglichkeit der Befriedigung wird des wohlriechenden Künstlers Sehnsucht und Liebe stracks töten, da sie bloß jener selbsterzeugte Hunger in Gedanken ist, den armgelebte Künstler hie und da aufzuziehen pflegen, der aber immer unbefriedigt stirbt, den sie wohlahnend sich vergehen lassen, wenn der Erfüllung Schmerz ihnen verstattet wird.« Und geheime, frohe Gedanken der Rache an dem verbeugungsfeindlichen Künstler und dem gern betrollenden Könige durchstrahlten des Gottes und Tänzers Miene, kaum verborgen durch ein nervöses Zwirbeln des Schnurrbartes. Nicht vergaß da zum Dank der wohlschlafende König eine halbe und dreiundachtzig Verbeugungen dem seiltanzenden Gotte Kwene zu machen, noch weniger vergaß er es, den Heimtückischen durch schnelles Ableiern von einem Achtel Betrolle zu ärgern. Schnell tat er es, über den Wasserberg hinweg seiner wohlwandelnden und gerade einherschwebenden Tochter eine Hymne auf seine Vatertugenden zu halten und ihr zu befehlen, allbereits hinabzuschweben zu dem wohlriechenden Künstler. Welche machte sich sofort auf mit ihren wohlschmeckenden Zofen, die ein wohlklingendes Geschnatter fortflattern ließen, als die Königstochter in einem Sprunge hinabsprang zur Straße der wohlriechenden Künstler, die ihr scharenweise zur gefälligen Matratze dienen wollten. Als aber Nitimur, auf seinem wohlgeborstenen Steine vor den sechs großen Stockwerken sitzend, sie kommen sah, da wandte er sich zur Flucht und sprang lieber hinab über grasbewachsene Wiesen zu den bewußtlos lebenden Bürgern und tauchte lieber unter in ihrem Meere der Gewöhnlichkeit. Tiefbetrübt gebot da die wohlwandelnde Königstochter den wohlriechenden Künstlern, ihre Spiegel zu legen über den Kotsee, ließ sich nur unwillig ihre goldenen Schlittschuhe anschnallen. Denn sich hinunterzukugeln über die Grashalden in der häringhaften Bürger Meer von Gewöhnlichkeit, dies war ihr wie jeder echten wohlwandelnden Königstochter unmöglich. In ungleichförmig beschleunigter Geschwindigkeit, in in rasendem Sturmlauf blitzte sie den spiegelbedeckten Kotsee hinan, hinan den darauffolgenden Gletscher der anscheinenden Glückseligkeit. Wenig kümmerte sie es, daß ihre wohlschmeckenden Zofen, diese Keineswegs-Königstöchter, vor den gefälligen Matratzenkünstlern ihr wohlklingendes Geschnatter fortflattern ließen und sich mit ihnen um die einerseits kotbelegten, andererseits wohlgeborstenen Spiegel balgten, im Schlamme wälzten und schließlich dem Geheul und Gewaltschmerz der nicht ganz ausgenützterweise sich um ihre Spiegel gebracht sehenden Wohlgeruchs-Künstler ein Ende taten, indem sie mit ihnen die Grashalde abkugelten in der kaninchengleichen Bürger Meer von Gewöhnlichkeit. Gar nicht kümmerte es die schnellhinwandelnde Königstochter Inve, daß sie, anfahrend ihren Steig, ihrem wenig geschlechtlichen Erzieher Perku und seiner aus noch weniger Geschlechtlichen gebildeten Gesellschaft die restlichen Geschlechtsteile abfuhr und alle tötete. Nicht mehr war sie bedacht darauf, in allen Zeiteinheiten gleichmäßig einherzuschweben, die wohlwandelnde Königstochter Inve, die früher und bis zu wohlriechenden Nitimurs Flucht zwar eingedrillterweise von Nuancen des Errötens, aber wenig von Liebe gewußt hatte, sie bewegte sich mit höchst ungleichförmiger Geschwindigkeit, und ihre Seele ergab sich wildem Weinen silberner Tränen. Pimus sogar, ihr wohlschlafender Vater, er hörte es, und ohne seinen ewigtanzenden Gott extra zu behelligen, griff er sofort zu dem in solchen Fällen höchst angezeigten und probaten Mittel: er zeigte seiner wohlwandelnden Tochter ihre Verlobung mit dem immer schlafenden Kaiser von Gata an. In ihrem tiefen Grame hörte sie es nicht, wie es der wohlschlafende König schlau geträumt oder berechnet haben mochte. Inve, mit Unrecht wahrlich eine wohlwandelnde Königstochter genannt oder etikettiert, fuhr immerzu fort mit ihren unsteten, ungleichförmigen Bewegungen, ihrer Seele Weinen überzog ihre Wangen mit Silberamalgam, machte sie fast konvex, und schon glaubten alle Ärzte und Urinoskospen dieses unseres Königreiches Titumsem, die weiland wohlwandelnde Königstochter Inve würde, ach, für immer der Stetigkeit und Gesetzmäßigkeit ihrer Bewegungen beraubt sein . . . Eines gemeinen Tages aber, da der wohlriechende Künstler Nitimur auf der Grashalde lag und in Träumen noch sechs große fahrende Stockwerke für die ochsenartigen Bewohner des Meeres von Gewöhnlichkeit ersann, schreckte ein schreckliches Getöse und Geflimmer ihn aus seinen Fieberträumen. Die Bürgerlein hatten nämlich von dem frohen Fest im allerhöchsten Herrscherhause gehört und feierten es, jeder nach seiner Art, der eine mit verschiedenfarbigen Fetzen, Liedern von gefälligen Matratzenkünstlern, der andere mit Lichtgestank oder Böller- und Kartaunenblähungen. Jäh fuhr der wohlriechende Künstler Nitimur auf, als er den Grund der verschiedenfarbigen Fetzen, der Hurralieder, des Lichtgestankes und der bürgerhaften Schießerei erfuhr. Wo waren da die sechs großen fahrenden Stockwerke für die gleichförmigen Bewohner des Meeres solcher Gewöhnlichkeit?! Jetzt aber möchte ich meine dem Glauben an das Walten einer sittlichen Welthausordnung herzhaft zugeneigten Zuhörer ersucht haben, mir ihren Beifall fühlbar zu machen und sich zu entfernen. Denn mit einem Satze über die Grashalde hinaus und die Straße der wohlriechenden Künstler, hinaus über den Kotsee und den Gletscher der anscheinenden Glückseligkeit: Nitimur war oben beim Steige der nicht immer wohlwandelnden Königstochter, und ehe noch der wohlschlafende König von Titumsem und der immerschlafende Kaiser von Gata Zeit gefunden, erwachen zu wollen, hatten sich Nitimur und Inve gefunden, in hoher Pracht gefunden. Jetzt aber möchte ich auch meine dem Glauben an das Walten einer urunsittlichen Welthausordnung herzhaft geneigten Zuhörer ersucht haben, mir ihren Beifall fühlbar zu machen und sich allbereits zu entfernen! . . . Vielleicht, um nicht tiefe Lust zur Gewohnheitsqual zu verherben, zu verderben; wer es fassen kann, der fasse es: mit einem Satz über den Wasserberg hinaus und den Schwindelpfad der wohlschlafenden Könige, hinaus über den Sonnenberg und das Seil des im Fluge herabgestoßenen wohltanzenden Gottes Kwene, der noch im Falle tanzte und seinen Bart nervös zwirbelte -- waren, war Nitimur-Inve geflohen, geflohen in das Reich des ewig seienden, einzig seienden Todes. Der Knecht seines Schicksals Auch über Analama, der auf der Insel Quo-uk mit den Schwänen lebte, kam das mannbare Alter, er mußte den grauen Chroglu überschreiten und fiel in das verfluchte Königreich Uttarakuru. Wie das immer so ist, meldete sich die Königstochter unpäßlich, und ihm blieb nichts anderes übrig, als mit den Ungeheuern des Blutflusses Uhuru zu kämpfen. Sein Sinn aber stand nicht nach Streit, sondern nach den sanften Gelöstheiten des Daseins. Er sehnte sich nach intimen Wangen, Frauenhaar, Schenkeln von himmlischer Güte. Die Königstochter aber tat andauernd unpäßlich. Da blieb auch Analama der Ströme seines Blutes nicht länger Herr. Er fand, daß die Norne Langeweile die Zeit stickt, wollte die gefrorene Zeit töten -- und aß nur seine Uhr auf. Er wollte alle Weiber vernichten -- und riß nur etlichen Mädchen mit besonders aufreizenden Waden die Zöpfe aus. Die Königstochter blieb andauernd unpäßlich. Analama drückte sich mit seinen eigenen Fingern famos die Augen aus, nichts mehr vom Dasein zu sehen. Die Königstochter zertrat seine Augen und empfahl dies Püree ihren Katzen. Analama verließ sich. Die Königstochter brachte die gesetzlichen Thronerben: junge, starke Hunde zur Welt. Hildebrandslied Es wird berichtet, daß eine Stimme sprach gegen Iskandar Zualkarnain und ihm befahl, seine Lenden todwärts zu gürten. Und da er auf seinen Reisen alle Gegenden und Menschen genossen hatte, sagte er vor sich hin: »O blinder Sklave des Geschickes, wohlan, freue dich endlich, denn nun wirst du erfahren, was nach diesem kleinen Leben sein wird.« Also haderte er nicht mit jener Stimme letzten Befehls, sondern gebot Sklaven, ihm seine zwei Hörner wie für ein Fest zu putzen. Und nachdem er noch vorsichtshalber einen ganzen Wildesel verzehrt hatte, bestieg er ein Eilkamel, um nicht zu säumen und so zu beleidigen den Ruf des ehrwürdigen Todes. Aber seine Dichter, die Nachtigalleulen, begannen auf eine schöne Weise zu klagen und versuchten, sein gleichgültig schauendes Herz mit ihren gelinden Traurigkeiten zu erfüllen und den der neuen Sache Beflissenen wieder an die knappen Habseligkeiten des Lebens zu binden. Das Eilkamel jedoch in seiner Weisheit erinnerte sich verzehrter Dattelkerne, und indem es den Dichtern warmen Mist des Lebens ließ für die rauhen Nächte der Zukunft, verschwand es mit dem König der Zeit im Walde. Er aber sprach zu seinem Barte: »Nicht begreife ich die sachte Trauer der Gefährten meines Atemholens. Wenn ich ihnen entgleite, so können sie mich doch zurückhalten in den Bogen und Windungen ihrer schlangengleichen Gedichte. Ich aber habe es schwerer als diese Gezähmten: ich muß etwas tun. Nun habe ich einen ganzen Wildesel gegessen, denn es ist nicht gut, dem Tod angstvoll und mit hungerndem Magen entgegenzutreten. Sollte er mir nicht gefallen, so kann ich, ein Herr, ihm wenigstens mancherlei ins Gesicht rülpsen, wie es sich gebührt. Doch noch sehe ich hier niemanden, der mich töten könnte.« Indem er also seinen Unwillen, auf den Tod warten zu müssen, ärgerlich kundgab, erschien auf dem Wege ein weiser Wildkater und klärte ihn auf: »Nicht dies ist der Weg zum Tode, o König Zweihorn; du könntest allerdings, wenn du schneller ans Ziel gelangen willst, gegen die Bäume reiten. Aber du reite lieber diese zwei Wälder hier seitwärts durch, und wenn du an der letzten Lichtung meine Frau siehst, so sage ihr, daß ich sie noch heute besuchen werde.« Da dankte der König dem liebenswürdigen Kater, und als er einen halben Kamelritt weiter wirklich die Katze erblickte, grüßte er sie höflich und richtete seine Botschaft aus. Dafür belehrte ihn die Wildkatze freundlich über die nahe Möglichkeit eines annehmbaren Todes -- nur eine Parasange weit! Und als er sich über diese Strecke hinweggesetzt hatte, traf er richtig dort einen Mann, an Stärke gleich einem ausgewachsenen Löwen. »Nächstens lasse mich nicht so lange warten,« brüllte der Mann. »Ich bin dein Vater Rustan, und da ich dich ins Leben gepflanzt habe, schickt es sich auch, daß ich dich töte.« Begann auch sogleich dem unpünktlichen Sohne die Hörner aus dem Kopf zu drehen, und Iskandar Zualkarnain ehrte den Vater, getreu dem Gesetze des Propheten. Er wagte es nicht, diesen Tod am Barte zu zupfen, noch auch ihm den vorbereiteten Esel ins Gesicht zu rülpsen. So benommen war er von den Schmerzen des Lebens. Traum des 888. Nachtredakteurs Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die achthundertundachtundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß im Lande der besoffenen Ströme ausnahmsweise ein geiernasiger Jüngling lebte, der gern im Schlaf ertrank und da er wenig arbeitete, Hunger trieb. Seine Sehnsucht und Begierde ging gleichwohl nach dem Faulen unerreichbarer Gewürze, und wegen dieser seiner dicken Gewohnheit nannten ihn die Ungläubigen Schinkenstern. Als er eines Tages seinen Magen nach den Marzipaninseln traumwandeln ließ, überfiel ihn ein Schnellzug und ließ nicht ab, ihn davonzutragen, bis alle Kohlen verdampft waren. »Dies ist nicht das Land des Safrans und der Wohlgerüche,« jammerte der Entführte, als er sich nach einem wahnwitzig schrillen Pfiff in einer robusten Halle ausgesetzt sah. Weil es notwendig war, brach er die Dämmerung seines Geistes ab und suchte nach einem Sofa, wo er sein Haupt niederlegen könne. Weiter strichen seine Pläne nicht, und indem er an einem Hotelportier vorbeiging, erreichte er es, mehrere Meldezettel ausfüllen zu dürfen. Nachdem er diese Dämonen besiegt hatte, warf er sich in den Schlaf, ob ihm vielleicht die Deutung der zu erwartenden Träume seine innersten Gedanken enthülle. Doch der Schlaf spie ihn rücksichtslos, traumlos wieder ins Leben aus, und als der Unglückliche zum abertausendsten Male kläglich im Raume erwachte, veranstaltete er einige Augenblicke der Besonnenheit. Aber ehe er etliche Vernünftigkeiten ausgeheckt hatte, verdrängte der Schrei nach einer Buttersemmel das Gekrächz seiner Seele. Als er dann, noch verdauungsmatt, seinen Kopf aufzusetzen versuchte, fand sich dieser nicht, und so beschloß er, seine Leiblichkeit vorläufig dem Hin und Her des Zufalls zu schenken. Keinesfalls war er jedoch geneigt, allzu hündische Arbeit zu tun und wollte lieber die Verhandlungen mit der Erde abbrechen. Er begann also über die Oberfläche der fremden Straßen als ein gemäßigter und nicht ganz zielloser Spaziergänger hinzugleiten. Seine Augen grasten ruhig die Erscheinungen ab und fielen schließlich in die Blätter, aus denen sich zahlreiche Toren über den Gang der Gestirne zu unterrichten versuchten. Da schlug in ihn ein schnelles Erinnern, und seine futterwitternde Geiernase, die ihm aus einem Spiegel entgegengrinste, bestärkte ihn zu einer seellosen Zeit in gewissen Betrachtungen. Er besaß zwar keine Feder der Fülle, aber an Schalttagen drangen tollkluge Worte aus ihm. Wenn er auch bezweifelte, daß diese seltenen Schalttage je sein ganzes Jahr anstecken würden, war er sich doch einer bescheidenen Kenntnis einiger, aber bei weitem nicht aller Gesetze der Interpunktion bewußt, und verdammte sich kalten Herzens dazu, von seiner Durchschnittssprache zu leben. Dieszwecks legte er Zylinder an und ehe er sich noch hatte warnen können, verscholl er in einem Verlagsgebäude. Er hätte besser getan, sich des Zephirs der Welt zu berauben. Denn als er vor den Journalisten der Zeit trat, zersetzte ihn der Druckgewaltige folgendermaßen: »Du gehörst zu den weltfremden Siriusochsen und bildest dir zwar nicht den Besitz des Stilmonopols ein, bist aber trotzdem stolz darauf, als erster den Ipunkt unter dem I befestigt zu haben. Ich kann jedoch nur eine rechtschreiberische Schreibmaschine brauchen.« Da ließ sich der Verräter Schinkenstern sterben, er antwortete: »O, König der Zeitung, ich höre und gehorche. Ich war ein Ifrit von den Marids der Dschann und bin bereit, den Eid auf das Zeilenhonorar abzulegen. Ich habe es eilig, ins Nichts zu hasten. Ich war mitunter die Zunge der Dinge. Werde ich es weniger sein, wenn ich mich zur Stimme des Rindviehs mache? Möge ich bald an einem Druckfehler sterben!« »Ich sehe, du gehörst zu den schwachen Zugtieren, die, statt ein Ende zu setzen, ihren unüberwindlichen Magen anklagen, o Halbdichter!« Es wird berichtet, daß der Geiernasige zunächst als Besprechungsliterat versank, einer jener vielen Kritikastraten und Verschnittenen wurde, die eifersüchtig den Harim des Ruhmes bewachen. Er ward eine kahle Negation, legte sein Gehirn bloß, exhibitionierte mit der raschwachsenden Glatze der Weisheit, aber seine Seele war im Übersatz. Er schrieb nur Kartoffeln, und die Worte der Dichter verdienten, mit Nadeln in die Spitzen seiner Augenwinkel geschrieben zu werden. Da bemerkte er endlich das Graue seines Tages und hielt inne in dem verstatteten Leben. Allah übersetze ihn nicht! Die alte Geschichte Es war einmal ein junger Dichter namens Eduard, der lebte in einem Palaste. Und in ihm war nichts als Sehnsucht. Seine Diener aber brachten ihm Schinkensemmeln mit Kaffee. Sehr traurig war der junge Dichter, und seine Sehnsucht ging von einem Zimmer in das andere. Herrliche Bilder konnte er sich vorgaukeln, und das junge Mädchen, das er liebte und haßte: Kunigunde! Doch wenn sein junger Leib, der sich sehnte, einen Schritt vorwärts tat, die geschaute Gestalt zu umarmen, schwand alles, und seine Lippen, die nach einem Kusse lechzten und glühten, sie sanken kümmerlich zusammen, und sein Kopf fiel schulterwärts . . . und er war wieder allein mit seinen Zimmern, Dienern und Schinkensemmeln. Da haderte der junge Dichter mit Gott und seinem Palaste und weinte über sie die Tage und Nächte, daß sie ihm nicht geben wollten, wonach er flammte . . . und hätte am liebsten die Wände geküßt und die Bäume seines Gartens umarmt: so sehnte er sich. Und er vergoß sieben Tränenströme. Und wollte nichts essen und zerfleischte sich das Gesicht und die lieben Hände und raufte sein Haar und zerriß seine Gedichte und lag wie ein Toter da auf seinen Teppichen. Sandte der liebe Gott zu ihm in den Traum eine ausgezeichnete Fee, und die sprach: Was gibst du deinem Körper Wunden und üble Farben? Sieh, sei wieder brav und ruhig, und Gott wird dein Haar streicheln, und dein Haupt soll liegen in dem Schoße deines jungen Mädchens. Da sprach der junge Dichter: Ich will ja gern wieder an den lieben Gott und meinen Palast glauben, aber warum ward ich so schwer geschlagen? Es ist ja wahr, ich habe vor sieben Jahren, zehn Monaten und drei Tagen beinahe eine Ameise zertreten! Küßte die ausgezeichnete Fee dem jungen Dichter langen Schlaf an und tat von seinem Leibe die Wunden und üblen Farben, nahm von seinen Händen die Betrübtheit . . . und als er erwachte, da taten sich alle seine Zimmer auf und strahlten, und sein Haupt lag gebettet in den Schoß des jungen Mädchens, und sie streichelte seine Haare und küßte ihn und klebte seine Gedichte wieder zusammen. Glaubt ihr das? Ich nämlich glaube es auch nicht! Sondern, als von dem jungen Dichter der Schlaf trat, da stand zu seinen Häupten ein Freund und wies ihm eine Kritik, in der Eduard niederträchtigerweise gelobt wurde, ein Briefträger feierte seinen Einzug mit einer Drucksorte, laut der sich Kunigunde mit Archangelus Lardschneider, jenem niederträchtigen Kritiker, verheiratet hatte, und eine jähe Drahtung zwang ihn, die Premiere seines letzten Stückes abzusitzen, des Schiffahrtsaktiendramas »Eduard und Kunigunde«, das ihm vom Lesen her übel bekannt war. Und zu Füßen seines Bettes stand ein Diener, in der Hand haltend eine Tasse Kaffee mit Senf. Frühes Leid Ich war kein Tierfreund, eher vielleicht ein tyrannischer Beobachter der Tiere. Seit jeher reizte es mich, diesen schwachen Wesen zuzusehen, mitzuspielen, Herrschaft über sie auszuüben, da ich die Menschen nicht knechten konnte. Ich ging ja in die Schule, war Sklave von Rohrstäben, Katalogen, Klassenbüchern und Zensurzetteln. Und daheim saßen grausame Zieheltern, die meine Abneigung gegen das Leben nährten, indem sie mich stets zum Essen zwangen, zur Strafe mit den widerwärtigsten Speisen traktierten, wenn ich den grammatikalischen Kram nicht wissenswert fand. Die Existenz von Schulbüchern war doch eine Gnade meinerseits? Nein! Man begnügte sich unbescheidenerweise nicht damit, daß ich das Vorhandensein derartiger Materialien hypothetisch annahm, gelten ließ, ich sollte sie empfangen, die Bücher sollten in mich übergehen und ich Buch werden. Paßte mir diese Besessenheit nicht, reagierte ich auf solche Vernichtung meines Ichs sauer oder, was meist geschah: ließ ich mich auf derlei Provokationen überhaupt nicht ein, sah man in meinem Vorgehen alles eher denn Selbstbewahrung. Meine früh erwachte Aversion dagegen, Gedichte anderer Schriftsteller auswendig zu lernen: von mathematischen Formeln koitiert zu werden, diese eminent männliche Eigenschaft hieß auf einmal Faulheit und man entleerte über mich ein Füllhorn von Strafen. Ich besaß eine kleine Kaninchenzucht. Gab ich mich mit Hühnern und Tauben ab, fesselten den Zarten, der für seine Person Raufereien scheute und mied, die schonungslosen Kämpfe zwischen rivalisierenden Hähnen oder Taubern. Blutliebe war es, Freude an diesen ebenso formstrengen als gefühlsheißen Duellen, die erbittert und unerbittlich bis zur Entscheidung ausgetragen wurden. Bei meiner Zucht, bei meinem Kult von übrigens unfreiwilligen Mitgliedern der Friedensgesellschaft, den geduldbehauchten Kaninchen gegenüber hatte ich lautere Motive. Ich ergötzte mich an rein vegetativen Prozessen, freute mich, wie die jungen Tierchen schnupperten und dann mit langen Froschsprüngen herbeieilten, mir die Kohlblätter aus der Hand zu fressen. Aber Kohl -- der kostete Geld, ein paar Heller täglich, und Futter, Wartung fraß Zeit, die ich nach Ansicht meiner Pflegeeltern besser an das Studium gewendet hätte. Ihr ewiges: »Hugo, lerne!« scholl an mir vorbei, ich betrachtete die unregelmäßigen Zeitwörter als Verbalinjurien und wußte mir etwas Besseres als Verben reiten, konjugieren: Kaninchen. Die waren mein Trost, halfen mir mit ihren Farben und Bewegungen über schlechten Ausfall der Schularbeiten und Mittagmahle hinweg. Bekam ich zu Weihnachten eine üble Zensur und wurde demgemäß statt jedes anderen Geschenkes strafweise täglich diejenige Speise aufgeführt, die ich am stärksten haßte: Sauerkraut -- und noch dazu in angebranntem Zustand -- flüchtete ich nach Tisch zu den Kaninchen. Und siehe da! es gab Wesen, denen die Verabreichung dieses Giftes, die Ausspeisung mit Krautblättern Glücksaugenblicke schuf, Wesen, die mir, dem göttergleichen Spender, durch ihr zufrieden-geräuschvolles Mahl zu einigem Selbstgefühle verhalfen und nicht genug daran: sozusagen durch die Vernichtung eines Teiles des Sauerkrautbestandes der Welt mir dankbar einen großen Dienst erwiesen. Es kam eine Zeit, wo ich mein Reich nicht verteidigen konnte, und die Bazillen drangen ein. Mit den Bazillen meine ich nicht etwa die Erreger der Windpocken. Die machten sich nicht so breit, mit denen wurde ich leicht fertig, und wenn ich dennoch mich schwach zu fühlen vorgab, nicht aufstehen wollte, so lag das in mir: ich hatte wenig Lust, ins äußere Leben zurückzukehren, in die Schule, diesen Garten voll bitterer Kräuter, die -- o bodenlose Verruchtheit -- obendrein botanisch-lateinische Namen trugen! Das Kranksein bedeutete für mich sorgsame Pflege, Ruhe und Waffenstillstand, und ich kann sagen, ich machte häufig von Halsentzündungen Gebrauch. Wenn das Fieber geschwunden war, sagte man wohl: »Liegend lesen schadet den Augen,« aber ich durfte eine Weile Lektüre treiben, was mir sonst -- schlechter Zeugnisse halber -- verwehrt war. Der Arzt ließ mich gerne liegen, er verordnete sogar zur Behebung der allgemeinen Schwäche kräftigende und wohlschmeckend von mir bejahte Gerichte, vor allem Weißfleisch. Doch für die Wirtschaft, für das Staubabwischen und Aufräumen bedeutete mein Kränkelnwollen, mein Zärtlichkeitsbedürfnis Hemmung und Überarbeit. Weißfleisch? Wozu Hühner kaufen, wenn herrliche Kaninchen im Hause waren, Kaninchen überdies, die, wenn man sie dem eigensinnigen Knaben ins Bett geben mußte, sich unsauber betrugen. Sonst zwar wurden Kaninchen nicht gegessen, aus Ekel . . . aber ein wehrlos in der Genesung begriffenes Kind aus der Geborgenheit, aus dem sicheren Bett zu scheuchen, dazu war kein Mittel schlecht genug. Thyestes nährte sich vom Fleisch der eigenen Kinder. Atreus hat ihn damit brüderlich bewirtet. Das ist noch gar nichts. Denn Thyest war ahnungslos, wußte nicht, wovon er zehrte, wußte nicht, was er wieder zu sich nahm. Auch ich mußte die Geschöpfe essen, die mir die liebsten waren. Aber ich fühlte, was ich hinabzuwürgen gezwungen wurde. Ich verschluchzte mein Herz. Anfangs sagte man, auf das Kaninchenfleisch weisend: »Backhuhn!« Als sich jedoch mein tiefes Wissen um diese Welt durch das Gerede nicht übertäuben ließ, hieß es, ich solle nicht so kindisch sein. Kindisch? Leichtsinnig hatte ich die Kaninchen preisgegeben, verraten! Während es mir beliebte, krank zu sein, wurden sie wenig gefüttert, gemordet. Da gab ich die Krankheit hin, stand auf, um die übriggebliebenen Kaninchen vor meinen Zieheltern, vor den Bazillen, vor dem Tode zu schützen. So rief mich das Leben. »Hugo, lerne!« Wodianer Der junge Baron Wodianer-Bruckenthal-Sarmingstein betrachtete sein himmelan starrendes Haar, das über seine Stirn, früh verwelkend, endlich grau hereingebrochen war in diesem dreißigsten Jahr seines ziellosen Lebens. Der Spiegel trug nicht die Schuld, der hatte Generationen von Wodianern in der Wiege strampeln und etwas stiller auf der ihr folgenden Bahre liegen gesehen und jedem in durchaus zuverlässiger Art ein Bild des veränderlichen Körpers gezeigt, über das in manchen Fällen sogar ein Abglanz der recht unsterblichen Seele gebreitet war. Nun saß Albrecht Wodianer als letzter vor dem treuen Möbel und ärgerte sich über ein Stück Materie, das ihn langen Atems überdauern würde, unerblindet ihm die Unreinheiten seines Geistes wies: die weiß angelaufenen Speere seiner Haare. Albrecht Wodianer ertrug den Anblick des Spiegels schließlich nicht länger; da er aber allen Freunden gegenüber sanften Gemütes war, zertrümmerte er ihn nicht, sondern trat den Rückzug ins Café »Prag« an. Er selbst, wiewohl verarmt, kam sich dort etwas deplaziert vor; ein Achtelliter Raubritterblut empörte sich in ihm gegen die spitzfindige Synagogenluft dieses Zionistenbeisels, in dessen Ecken immer ein paar jüdische Literaten urchristelten. Doch der Umstand, daß sich hier Räume ärmlichster Schlichtheit über zahllose Stilepochen hinweg unversehrt im zwanzigsten Jahrhundert geborgen hatten, beruhigte ihn wieder, sonderbarerweise, obwohl seine Nervosität und Zeitzerriebenheit sonst sich gegen die Dauer der Gegenstände empörte. Wodianer bestellte im leeren Café irgendwas und ging dann wieder nach Hause, froh, niemanden getroffen zu haben, denn das Öffnen des Mundes zu formellen Reden und Antworten, zu dialektischen Wortkrämereien, die nichts von seinem erschütterten Seelenzustande offenbaren durften, weil Haltung unter Egoisten Ehrensache war -- dieses ganze, immer wieder nur einen konventionellen Schein liefernde Gebaren war ihm verhaßt. Und doch mußte er täglich, täglich ins Café trotten, er konnte die Zeit vor Mitternacht nie zu Hause verbringen, gewohnheitsmäßig warf er diese Stunden an den nächstbesten Frauenleib, oder ließ die Worte nahe hockender und doch weltweit entfernter Literaten und Intellektbestien wie Fliegen in die Melange fallen, die er dann nicht austrank. Während des Heimweges empfand Wodianer eine seltsame Blutleere im Schädel und empfand sie ungern, denn sie erinnerte ihn an den Tag, da der Tod zum letzten Male sich in seiner Nähe aufgehalten hatte, eine Stirnwunde hinterlassend und kuriose Schwächen. Folgen eines Duelles mit dem Hauptmann Orbenhayn, der eine Bemerkung Wodianers -- was auf dem rötlichen Beteigeuze den Mädchen der Erde entspräche, müßte dort schöner sein -- auf seine Braut bezogen hatte. Albrecht Wodianer sah vor sich liegen den sterbenden Orbenhayn, dessen blutschäumender Mund rötlicher glänzte als der Stern Beteigeuze. Und spürte, in der Erinnerung wieder Leib an Leib mit Ex-Orbenhayns Braut, abermals die Wahrheit seiner Bemerkung. Auf einem winterkahlen Baume vor der Universität schwirrte es in kleinen Flügen von Ast zu Ast, um nicht zu erfrieren. Zweigauf, zweigab glatt verschluckbare weiße Flaumenbälle: Spatzen, die in Scharen über den Baum versammelt waren. Hie und da sauste, den Baum erschütternd, eine Elektrische vorbei, die in sich verkrochenen Klümpchen, wärmehungernd, versuchten am Stamm kleben zu bleiben. Wodianer fühlte mit ihnen kein Mitleid, er wußte: in den Tierchen schwangen die Seelen ungeborener oder abgeschiedener Mädchen, denen es bisher mißlungen war, in die Universität zu laufen, und die nun hier, nahe der Wissenspforte nächster Wiedergeburt harrten. Wodianer haßte Frauenstudium, seine schwarzhaarige Männerfaust fuhr hinab zu den Kieselsteinen der Reitallee, und eine Faustvoll ergoß sich über rasch aufschwirrende Sperlinge. »Viel Leben um nichts!« murmelte er, zerrte seinen Bart und fluchte schon lauter: »Nicht erwarten können sie es, die idiotischen Dinger! Stellen sich da in Nacht und Nebel an, als wäre so ein flaches Kolleg eine gute Burgtheatervorstellung. Und nicht früher werden sie aufhören, die zudringlichen Ludern . . . bis sie von Logarithmen ganz verwanzt sein werden. Pfui Teufel!« Sehr unvermittelt erklang in seinem Gehirn die Stimme seiner toten Mutter: »Bubi, das darf man nicht!« Albrecht schlug mechanisch die Hände gegeneinander, daß von den Handschuhen die schuldbeweisenden Steinkörnchen glitten. Hernach ward er doppelt unwirsch, krächzte heiser: »Das lebt noch immer in mir! Als ob so eine alte tote Baronin Wodianer-Bruckenthal-Sarmingstein wüßte, welche Gesetze heute im Leben gelten. Es war doch meine Pflicht, möglichst vielen dieser lebensschwangern Tierchen die nächste Wiedergeburt abzutreiben!« Seine Augen noch baumwärts gerichtet, strauchelte er über hervorstehende Straßenbahnschiene, fühlte sich plötzlich im Besitze zweier Kniee. Die leicht kitzelnden Schrammen bluteten stark, und indem er die eine gerechte Strafe Gottes behauptende Stimme seiner Mutter abwies, beschloß er, diesmal kein Mädchen zu frequentieren, da er spürte, er könne diesen Abend mit dem einen sanften Kräfteverlust ganz gut auskommen. Wieder in sein Zimmer ausgespien, fragte er sich, ob er den intriguanten Spiegel weiß oder schwarz verhängen solle. Die Antwort darauf gab ein Knall, irgend etwas, Stein oder Kugel, durchschlug Doppelfenster und Spiegel. Wodianer riß erfreut die Fenster auf, lehnte sich über die Brüstung, und seine Augen bohrten sich in die nächtigen Parks, aus denen her das Feindselige zu ihm gedrungen war. Dann verfolgte er, bei jedem Schritt Glassplitter zermalmend, die Flugbahn des Geschosses, fand eine abgeplattete Revolverkugel . . . und nannte schließlich diese Begebenheit irrsinnig, da ihm bis zum Überdruß bekannt war, daß er außer etlichen imaginären Halunken und Ausgeburten seines Hirnes keinen realen Freund oder Feind auf der Erde besaß. Die Schrammen der Knie bluteten noch immer im leisen Rhythmus eines kleinen Schmerzes. Er legte keinen Verband an. Schmutz in der Wunde? Wenn ein lächerlicher Sturz die Macht hatte, ihm durch Blutvergiftung das Leben zu nehmen, dann pfiff er überhaupt auf diese dumme Errungenschaft . . . Irgendwer hatte also nach ihm geschossen. Er ahnte dumpf und immer heller die altruistische Verpflichtung, den wohlgemeinten Versuch des Unbekannten zu Ende führen zu müssen, lud, am Fenster stehend, die abgeplattete Revolverkugel mechanisch in den Lauf eines Schießinstruments, die Sache ging zielgerecht in seine duellalte Schläfennarbe los, und mit der Hand nach den Sternen greifend, als wolle er diese Steinchen auf irgendwen werfen, hörte er noch, gegen den zertrümmerten Spiegel fallend, verzweifelt als letztes Wort in der Sprache der alten Welt die bekümmerte und eines tschechischen Akzentes nicht entbehrende Stimme des Ewigkeitsschaffners: »Wodianer-Bruckenthal-Sarmingstein umsteigen!« Tod eines Seebären Seit Kaiser Schnurrbart die Mode auf dem Kontinent kreiert hatte und auch im Königreich Kujavien jene reizenden Galeeren, die man Dreadnoughts nennt, eingeführt worden waren, kannte der Hochmut der Marineoffiziere dieses Landes keine Grenzen. Daß Jeremej, der junge Herrscher, niemals in einer anderen als der Admiralsuniform gesehen und photographiert wurde, mußte die frevelhafte Überhebung der Seeleute steigern, namentlich aber den Neid aller Kasten hervorrufen, die bis dahin den Großherrn mit einiger Berechtigung den Ihrigen hatten nennen können. Dubrogin, der Oberste der Spione, welcher übrigens dieser Bezeichnung den Titel eines Polizeiministers vorzuziehen liebte, ergrünte vor invidiöser Wut. Hatte doch früher er den um seine Sicherheit bangenden Fürsten besessen und reichen Sold und große Ehrungen zur Stärkung seiner dem Regenten teueren Lebensenergien bezogen. Nun hingegen vertraute der treulose Monarch den Schutz seiner Existenz den Seefahrern an, in deren Gesellschaft er die Tage seines Lebens verabschiedete. Dies war so gekommen: die Küste des Reiches, die Gestade des Blutigen Meeres, beschmutzten Stämme der Skiapoden und Monokotyledonen, und um deren Sprach- und Futterstreitigkeiten, sowie daraus erfolgenden Aufruhr in Schranken zu halten, bedurfte es einer stets paraten, bewaffneten Macht. Da die Seebehörden die nächsten am Platze waren, hatten sie wiederholt eingegriffen und durch ihre geräuschlosen Gewalttätigkeiten die Aufmerksamkeit des Landesherrn auf sich gelenkt und sie schließlich in dem angegebenen Grade zu fesseln gewußt. Der Oberste der Spione aß vor Wut darüber seinen Bart, ja, er ward der Freuden dieser Welt überdrüssig. Solches wurde also sichtbar: Im Königreiche Kujavien wie überhaupt in der gesamten Biosphäre sind die meisten Wesen genötigt, durch Einsatz und Preisgabe einzelner Körperteile und Fähigkeiten die übrigen zu ernähren. Dieses Lebensgesetz führt zu fast grotesken Nutzanwendungen. Zum Beispiel: eine verhältnismäßig große Anzahl von Mädchen kann nicht anders als durch jedermann anheimgestellte Benützung ihrer Leibesöffnungen den Magen mit Speisen füllen. Diese nichts als tragikomische Beschäftigung hatte aber irgendein alter Prophet, der sich von Gurkensalat nährte, scheinbar verurteilt. Demzufolge und aus vielen anderen ebenso triftigen Gründen müssen die Mädchen, wenn sie trotzdem auf die beschriebene Art zu eiweißhaltigen Substanzen gelangen wollen, Tribut zahlen, die Grausamkeit der über sie verhängten Gesetzesdrachen einlullen, in Schlaf wiegen. Also mußte, gleichwie jedes einzelne der Weibchen Körperteile zugesetzt, prostituiert hatte, auch die Gesamtheit, die Zunft, eines ihrer Glieder opfern, es den Spionen zum Fraße hinwerfen. So ward denn eines Tages nach alter Sitte ein Mägdlein namens Lisaweta seiner Schönheit wegen zum Opferlamm auserkoren. Mit Blumen, Bändern und Edelsteinen aufs herrlichste geschmückt, einen Myrtenkranz auf dem Haupte, wurde sie von ihren weißgekleideten Genossinnen unter frommen Gesängen unserem Dubrogin dargebracht, daß er segnend seine Hände auf sie lege und die Blüte ihres Leibes verkoste. Er aber befahl ihr nicht, ihren Körper zu entblößen und sich zu lagern, der Tyrann gab ihr keinen einzigen seiner Blicke, die Lieder ihrer Augen und der Gesang ihrer Schenkel rührte ihn nicht, und das arme Kind, sich so verschmäht sehend, vergoß reichliche Tränen, und es brach ihr das Herz. Die Späher in ihren Höhlen sannen vergebens darüber nach, was wohl die Mißstimmung ihres Häuptlings hervorgerufen haben möge? Aber einer unter ihnen, der bislang noch nie eine Erhöhung der zu seiner Mast bestimmten Speiserationen hatte bewirken können, im Gegenteil von jedem diesbezüglichen Bittgang mit zertretenem Zylinder heimgekehrt war, besaß ein kluges und ehrgeiziges Weib. Sie erriet die Ursache der Verstörtheit des Gewaltigen, und nicht genug daran: es fiel ihr ein Mittel ein, wie geschaffen, dem Regenten die Freude am Umgang mit den Wassermännern zu zerstören. Wenn nämlich die Seebären nach langer Fahrt ans Land steigen, befällt sie regelmäßig eine unendliche Sehnsucht nach Seebärinnen. Viele aber unter ihnen, nicht fähig, eine große Ewigkeit enthaltsam zu überstehen, hatten ihre Lust mangels an so vollendet angepaßten Materien, wie es Mädchen sind, an minder geeigneten Objekten gebüßt und fürchteten nun, dadurch an Liebenswürdigkeit verloren zu haben, die Prüfungen bei ihren Damen nicht zu bestehen und der Strenge des Auswahlgesetzes zum Opfer zu fallen. Obgleich manche aus ihrer Mitte berufen waren, dereinst an der Spitze ganzer Geschwader zu stehen, hatten sie doch nicht so viel allgemeine Bildung, um zu wissen, daß diese Verstimmung ihrer Generationswerkzeuge nur kurze Zeit anhalten, späterhin, kraft eines Weltprinzips, die Funktion das Organ tauglich schaffen würde. Unwissend lechzten sie nach Gewaltmitteln, die ihren Liebeswillen ins Ungeahnte steigern könnten. Diesem ihren Wunsche kam die Frau jenes beförderungssüchtigen Unterspähers entgegen. Sie erinnerte sich der Tage, an denen sie sich zu ihrer höchsten Befriedigung gemeinsam mit dem uralten Fürsten Yohimbin jenen transversalen Schwingungen überlassen hatte, deren innerer Gang und Rhythmus vielleicht dem der Bewegungen sehnsüchtig an- und auseinanderprallender Sterne gleicht. Tückisch sandte sie zahlreichen Kapitänen magische Zigarren, die angeblich ein vortreffliches Aphrodisiakum waren, in Wirklichkeit jedoch einen Stoff enthielten, zu dessen nebensächlichen Eigenschaften es gehörte, das menschliche Leben wesentlich abzukürzen. Ein Meergreis versuchte eine der Zauberzigarren, und sein Leib gab sich den Wirkungen des Giftes hin. Dies geschah gerade zu der Zeit, da ein ansehnliches Kometenmännchen sich der Erde in Liebe zu nähern begann, Es wollte ein zartes Liebesspiel spielen, die Veteranen aber und die Bürger beschlossen aus einer Art Patriotismus, ihre Schädel recht hart zu machen, um, soviel an ihnen lag, Widerstand zu leisten, die Erde zu verteidigen. Vielleicht ganz gegen die Absicht ihrer Herrin und Ernährerin, die wohl längst von solchem Zusammenstoß geträumt hatte. Trotz der Koinzidenz mit einem so seltenen Ereignis rief der Tod des Admiralaspiranten großes Aufsehen hervor. Von den Spionen bestochene Gazetten führten den Meuchelmord auf avancementlüsternen Brotneid zurück, und Jeremej, der junge König von Kujavien, entsetzt über so niedrige Gesinnungen und für sein Leben bangend, mied die Gesellschaft der Seeteufel und flüchtete eilends in die Windeln, die Dubrogin für ihn bereit hielt. Doch bald ermannte er sich wieder und verließ seinen Schlupfwinkel, ja! er konnte den Augenblick nicht erwarten, da ihm der Leibdiener die Admiralsjacke ausgezogen haben würde. Und jetzt geht der glorreiche Monarch auf und ab, rastlos auf und ab, Extraausgaben der namhaftesten Zeitungen sind in Vorbereitung, alle Untertanen harren in gespanntester Aufmerksamkeit des Momentes, der ihnen die Nachricht bringt, welche Uniform er nun tragen wird -- dem Kometen entgegen. Ausflug Auf einem meiner Spaziergänge durch das Weltall stolperte ich über den Schicksalsbaum, der in solid-arischen Zeiten Weltesche Ygdrasil hieß, nun aber längst blattlos verschrumpft, zwerghaft verkommen ist und von den Rittern des Raumes »Baum im Elend« genannt wird. Klein erschien er meiner hungrigen Seele, und auch ein Webstuhl der Zeit, an dem Baum mechanisch befestigt, wollte auf mich keinen besondern Eindruck machen. Zunächst darum, weil dieser Webstuhl der Zeit keineswegs sauste, sondern sich als versonnen einen Abgrund überhängendes Spinnennetz darstellte, in dem überwältigt, fliegengleich eingesponnen, linsengroß die Sonnen hingen und auch, kaum erkennbar, wie verrückt sich abzappelnd, die Laus »Erde«. In der Mitte des Netzes ein Fettpatzen, schwarz wie die Notwendigkeit: die Riesenspinne »Zeit«. Ich wollte ihr eine Nadel in den Hinterleib stechen, aber das darf nur der Finger Gottes. Vorbild Über die Bewohner von Morbihan, eines kleinen und momentan noch sehr jungen Sternes, erzählen die großen Weltfahrer der Vergangenheit seltsame Dinge. Früher erblickten die Sklaven des Palalu von Ohobdiro niemals die Sonne. Dann aber kam Jesus der Zweite, Schmernerenx, den ihre Jambenkönige in vielen heiligen Liedern als Erlöser namhaft machen. Infolge seines ergreifenden Gesanges wurden die den Bergwerken Verfallenen immer beim Erscheinen eines Schweifsterns, mit den trefflichsten Ketten gefesselt, an die Oberwelt geführt und mit einer Ration Tageslicht gelabt. Die Herren gewährten dies, auf daß die Arbeiter nicht das Gesicht verloren wie gewisse Fische in den Tiefen, erfrischende Strahlen in sich schlürften für die Jahre der Nacht. Damit sie jedoch ihre Sprechwerkzeuge dabei nicht zu herzzerreißenden Klagen mißbrauchten, wurde ihnen vorher die Zunge schmerzlos entfernt. Kam nun der Komet seines Weges, so riefen alle Freien »Heil«, entblößten das Haupt zum Zeichen ihrer Verehrung für den seltenen Gast, und sprachen fromm die anläßlich des Aufblitzens eines Haarsterns vorgeschriebenen Gebete. Einen Augenblick auch wurden die fahlen Gesichter der stummen Sklaven der schmerzenden Helle überlassen, sodann jeder wieder seinem Schachte zugetrieben und in Arbeit umgesetzt. Ein einziger Heiland kann ja auch gar nicht die Kraft haben, die moralische Zusammensetzung der Geschöpfe dauernd zu wandeln, er vermag auf diese chemischen Elemente höchstens färbend, kalmierend einzuwirken. Anhaltenden Erfolg dürfte aber erst die lange Reihe, das Ineinandergreifen von zwanzigtausend erstklassigen Erlösern erzielen. Den letzten Berichten nach scheinen mittlerweile wieder einige in Messiasse verwunschene Söhne des Sonnenfürsten zu längerem Aufenthalt auf Morbihan eingetroffen zu sein. Ein gewisser Fortschritt, vielleicht dem Entwicklungsdogma entsprechend, läßt sich jedenfalls nicht ableugnen: den Knechten der Bergwerke wurde zu Zuchtzwecken Oberweltsurlaub bewilligt. Diese Neuerung verdankten sie einer Reform der theologisch-wissenschaftlichen Anschauungen. Man sah in der herrlichen Annäherung eines Kometen an einen Wandelstern Werbung. Wer auf eine Staatsanstellung Anspruch erhob, mußte in dem stets entfalteten Pfauenrad und Feuerschweif des Irrlichtes -- dieses wie bei zahlreichen anderen Kreaturen bedeutend kleineren Männchens -- einen Balzakt, eine Exhibition erblicken. Jeden Gedanken an prahlerische Mimikry außer acht lassend, glaubte man, alle diese Scheingestirne seien Zuchtsterne, Befruchtungssterne, von irgendeiner Macht an einem der himmlischen Harems, an den Planetenweibchen eines Sonnendistriktes entlang geschleudert. Nun untersagte aber ein Religionsparagraph den Leuten von Morbihan, die Begattungskrämpfe ihrer Eltern zu betrachten. Also verboten die Großpriester ihren Anhängern einen unzüchtigen Anblick: die Beobachtung des Liebesspiels ihres Muttersternes mit dem Kometen. Da es für ein böses Omen galt, der Geburt eines Mondes beizuwohnen, ferner den unschuldigen Spermatozoën des Feuerverzehrten Amanten schädliche Eigenschaften angesonnen wurden, und zwar: den Gasen und Dämpfen eine den Atemorganen unbekömmliche, dem befruchtenden Magma, wenn es an der Oberfläche des Sternes zu Meteoriten gefroren war, sogar eine zermalmende Wirkung -- erklärten sich die Machthaber bereit, die Arbeitstiere als Bazillenfänger zu verwenden, sie zwischen sich und die giftigen Ejakulationen zu schieben. Die Kometen ihrerseits hielten sich ja stets vorsichtshalber, um nicht von der Geliebten verspeist zu werden, in respektvoller Distanz. War aber einer am Himmel zu erspähen, mußte er notgedrungen, gesetzlich-galant der Morbihan den Hof machen -- nach den ebenso ehernen als lädierlichen Geschlechtsregeln des Sonnendistriktes R. Nahte endlich der schöne »Telecoitus«, so bedeckten die Gewaltigen ihre Augen, stiegen, diesmal frommverhüllten Hauptes, tief in die nun schützenden Berge hinab. Aufwärts die Helotenmaschinen. In jenen Tagen der Angst verrichteten die Oligarchen unten in halb erheuchelter Demut das niedrige Handwerk der Leibeigenen. Der jähe Umsturz, der plötzliche Übergang von der Verehrung des Kometen zur Flucht vor dem Untier, dürfte allerdings schwerlich ohne blutige Religionskriege vor sich gegangen sein. War jedoch dieser Evolution wider alle Berechnung ein friedlicher Verlauf beschieden, so leitete die Regierenden dann wohl die Erwägung, eventuell, statt selbst sterben zu müssen, bloß die Hörigen fallen zu sehen. Außerdem die chimärische Hoffnung eines Gegenteils, dem Gutachten eines weisen Schäfers entnommen. Er sprach: »Melancholie und Verstimmung -- unverbrauchte Überkraft. Jedes unbefruchtete Ei weint in dem Weib, jeder verhaltene Samen weint in dem Mann. Liebe ist entweder eine Autointoxikation durch überschüssiges Sperma oder eine Vergiftung durch die Sekrete und Gase, durch die Strahlen und Düfte anderer. Gleichwie nun die der Zeugung Beflissenen Eier und Samen der getöteten Tiere: unterworfener Stämme als zweckdienlichstes Futter verspeisen, könnten die erotischen Ausstrahlungen des wackeren Kometen eine vermehrte Geschlechtstätigkeit, eine gesteigerte Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Sklavenkaninchen hervorrufen!« So ereilten die Proletarier von Morbihan gefährliche Saturnalien. Während der ganzen Brunstzeit des Kometenviehs durften die Zuchttrotteln im Lichte weiden, sich an dem seltenen Spektakel ergötzen. Ob zu ihrem eigenen oder dem Verderben in so siderischer Luft geschaffener Kinder und Enkel -- darüber fehlt nicht bloß in den Erzählungen der großen Weltfahrer der Vergangenheit, sondern sogar im Spektrum des Sternes jede Andeutung. Mammuthbaum In seinem Sputum hat man Kometen gefunden. Er starb an Lungensternen, jenen winzigen und scheinbar so harmlosen Mikroorganismen, die wir Planeten nennen. Was hatte diese gräßliche Erkrankung aufgerufen? Wahrhaftig, ich schäme mich es auszusprechen: Rassenhaß! Draußen spazieren die zarten Frühlingsdamen, ich kann ihnen nicht nahen. Unablässig sehen meine Augen jenes tragische Ereignis vor sich. Und so ist es mir beinahe lieb, daß von mehreren Seiten an mich appelliert wurde, einige »Details« der Öffentlichkeit preiszugeben. Da der Zweck ein löblicher, ja patriotischer ist, will ich, obgleich das Ansinnen fast eine Frechheit war, weil kein anderer den Fall auch nur mit den Fingern berühren mag, die Sache auf mich nehmen und in den Schlund springen . . . Reginald Mammuthbaum mußte endlich Rücksichten dem Vaterlande gegenüber platzgreifen lassen. Snob schon der Abstammung nach, wählte er das exklusivste Garde-Regiment. Früher war die Sache lebenslänglich und die Anführer dachten: »Was heute nicht geschieht, geschieht morgen«. Seitdem man aber diese detestable tausendjährige Dienstzeit eingeführt hat, eilt den Vorgesetzten die Ausbildung, und die Lage der Rekruten ist eine sehr prekäre. Gar die Mammuthbaums haben nichts Gutes. Nun, vorerst wurde das Usuelle gegen den Eindringling angewendet. Jahrzehntelang Gelenksübungen im Chaos, Kanonenschultern, Kniebeugen, Bauchwellen, Eilmärsche, man stelle sich vor: mitten im bittersten Universum! Das Terrain ist koupiert, gibt man einen Moment nicht acht, auf ja und nein hat man sich einen giftigen Stern eingetreten und wird ihn nie wieder los. Und die Gefühle! Riesenzecken sind nichts dagegen . . . Sterne aber, vor denen hatte Sidonie, Reginalds Mutter, großen Respekt. Sie sagte stets: »Kinder, wenn ihr die Welt aufeßt, immer hübsch die Sterne ausspucken!« Wie man weiß, gibt es viererlei Sorten von Sternen. Ihr Wohlgeschmack und Nährwert ist ihrer Größe gerade proportional. Erst das reifere Alter, und zwar nur der geschlechtlich quieszierten Exemplare verbürgt bei den Siderozoën die Genießbarkeit. Jugendliche oder gar infantile Individuen sind als unbekömmlich, unter Umständen sogar als giftig zu bezeichnen. Im übrigen ist ihr Wachstum wie das unsere an Nahrungsaufnahme gebunden, nur sind sie hierbei ganz auf schwächere, jüngere Artsgenossen beschränkt. Geselligkeitstrieb, was dasselbe wäre: Erotik, d. h. Hunger läßt Kometen größeren Kometen verfallen. Das größere Gewicht hemmt die Flüchtigkeit der neuentstandenen Organismen, die man Satelliten nennt, sie erliegen der anziehenden Kraft der Planeten und werden von ihnen schließlich einverleibt, All das nichts als Etappen der Sonnenbildung, Stationen auf dem Wege zum ausgewachsenen Fixsterne. Nur die Sonnen lassen sich leicht fangen, da sie nicht liebedurstig einherirren wie die jungen, sondern sexuell gesättigt und wiederkäuend ruhig an einem Ort verharren, bis die Luftfischer unseres Kaiserreiches Mirabilien kommen und nach ihnen sehen. Dann sprechen wir das Tischgebet und streichen uns die nahrhaften Körner wie Fischrogen aufs Brot . . . In geringer Quantität sind sie ganz unschädlich, in großen Mengen hingegen rufen sie Cholera hervor . . . Ich für meine Person vertrage ziemlich viel. Sterne, in Essig eingemacht, munden mir wenigstens bedeutend besser als Schwammerln. Die eßbaren Altersstufen selbstverständlich. Und auch die darf nur verzehren, wer einen heilen Mund besitzt. Sogar unzubereitet schmecken die kleinen, gustiösen Flammenbälle sehr pikant. Freilich: die Mitglieder des Tierschutzvereines schlagen Lärm, wenn man die armen Tierchen roh, bei lebendem Leib schnabuliert. Und die Vegetarier gar erblicken im Sternkonsum, in der Vereinigung mit niedrigstehenden Geschöpfen Sodomie . . . Aber -- Verzeihung dem Ausdruck -- wer wird sich noch um diese alten Weiber kümmern! Was unseren R. M. anlangt, so haben ihn derartige Anwürfe nie treffen können, seiner Mama ängstlich-nasale Laute: »Reggie! Paß auf, daß du keine Planetoiden schluckst!« hielten den Feigling ab, sich eine gewisse Fertigkeit im Sternschlucken anzueignen. Wahrscheinlich glaubte die würdige Dame, wie so manche Laien, diese Pfefferkugeln seien den Nieren unerwünscht. Vielleicht war auch in ihren famosen Speisegesetzen dieses Nahrungsmittel verboten und ein Rest von Antipathie zurückgeblieben. Ich weiß es nicht. Des schlappen Kerls reglementwidrige Furcht vor den Himmelsinfusorien wurde irgendwie notorisch. Und die Offiziere wollten einen derartigen Temperenzler nicht im Korps dulden. Niemand wird ihnen das weiter verübeln. Nur die Art und Weise, wie sie ihn abreagierten, war schon mehr als unkollegial. Man machte Reginald trunken. Unter dem Beistande des logischerweise gesinnungsverwandten Koches, der das fatale Nahrungsmittel schlecht passierte, im Zeichen eines symbolischen Termines, wurde von den Aufrechten Mirabiliens die übelriechend-zertretene Minderheit und Varietät in Mammuthbaum vernichtet. Ein krasser Fall von Soldatenmißhandlung! In der Ehrenstunde unseres Repräsentanten, der 5% Jehovaleute und 95% Andersgeartete zu vertreten hat, dessen Selbsterhaltungstrieb also mit einiger Notwendigkeit für die verschwindende Minorität weniger übrig haben muß als für die dominierende Masse seiner Stammesgefährten: am Geburtstag des Selbstherrschers machte man Reginald trunken. Im Urrausch fand er ein säuerliches Gelee, eine verhängnisvolle Sternsauce, sehr plausibel. Der Unglückliche litt an chronischem Rachenkatarrh. Die verschiedenen Sonnensysteme taten ihm nicht wohl und ein Satellit, ein verdammter kleiner Mond, blieb in der Kehle stecken. In dem törichten Bestreben, durch plötzlichen Schreck das Schlucken zu erleichtern, nannten die Offiziere den Namen der Speise. An wunden Stellen mochte es schon früher im Rachen nicht gefehlt haben, heftiges Würgen vergrößerte sie, und ließ die seltenen Gäste in die Blutbahnen eintreten, wo sie erfahrungsgemäß giftig wirken. Namentlich wenn Trunkenheit ihre Virulenz steigert. Zu spät holte man mich. Ich legte mein Ohr an Reginalds Thorax. Wenn Bazillen in unsereinen einmarschieren, singen sie zuerst ihre Volkshymne. Es ist ja ein Triumph für sie. Und auch diese hier produzierten sich im Mammuthbaum: bei ihren Atembewegungen und Umschwüngen summten die Sterne in ihm -- ihm und sich die Sterbegesänge. Die Krankheit dauerte relativ lang. Spät erst traten die Vorboten der Agonie auf: er erzählte Gleichnisse, einen Witz zwei- oder dreimal ein und demselben Zuhörer. In normalen Fällen pflegen wir ein Individuum, das so weit ist, zu erschießen, da es um erinnerungslos-greise Hirne nicht schad ist und wir Gesunden unter zu oft wiederholten Leitmotiven wimmern. Man muß es demnach als ein Zeichen von Schuldbewußtsein auffassen, daß man befahl, ihn über diese Grenze hinaus zu erhalten. Und die nach seinem Tode erfolgte Verfügung, laut der Gestirne von nun ab nur gegen ärztliche Anweisung verkauft werden dürfen, läßt sich ebenfalls nicht anders deuten. Ich ahne es tief: man wird, dieser scheinbaren Anklage wegen, mich, den in vielen Feldzügen dekorierten Stabschirurgen, mit Demokraten, Anarchisten oder gar Judäophilen in einen Topf werfen wollen. Das Gefühl der Pflichterfüllung wird mich über alle Anwürfe hinausheben. Es gibt nur zwei Wege. Entweder erläßt man wieder den Kultusgemeinden die Blutsteuer. Abgesehen von der erziehlichen Wirkung, welche die komische Körperhaltung der semitischen Soldaten auf die restliche Mannschaft ausübt, verliert man damit ein großes Quantum Kanonenfutter . . . Oder aber, und dazu möchte ich einraten: man verbiete den jüdischen Trilliardären, wenn sie schon adelshalber wohltätig sein wollen, das Gründen von Krankenhäusern für Konnationale. Man stelle nichtarischen Schriftstellern vorläufig den Betrieb ein. Man drohe Bibliotheksbenützern aus den Kreisen der Übelnasigen mit der Todesstrafe! Faßlicher zu sprechen: Siechenhäuser ins Leben rufen, heißt die Folgen bekämpfen, wo sich mit geringerem Aufwande die Ursache entfernen ließe: einfach durch Kreierung von Sportplätzen für die Patriarchenstämmlinge. Die Regierung wird anfänglich meinem Projekte mit Mißtrauen begegnen. Wenn die Zionisten des Universums die für sie charakteristischen Gesten und Körperlinien verlieren, muß das Ministerium befürchten, bei den Wahlen die Stimmen der Satiriker billiger Wirkungen, die Stimmen der Karikaturisten tiefstehender Rassen einzubüßen. Demgegenüber fällt ins Gewicht: es ist wahrscheinlich, daß wir zu groß sind, um von den Sternen oder gar schmarotzenden Bewohnern derselben gesehen und verstanden werden zu können. Dies darf uns aber nicht abhalten, dies entbindet uns nicht der Pflicht, uns vor diesen immerhin denkbaren Zuschauern anständig zu benehmen, unsere Tugenden exhibitionistisch vor ihnen zu entfalten und unsere Stellung als einzig-echte Bekenner wahrhaft humanen Christentums im Weltall von neuem zu kräftigen. Ich verbitte es mir, in meinem Exposé eine Beschuldigung erblicken zu wollen. Ich bin überzeugt, daß der größte Teil unseres Offizierskorps geschilderter Art der Mißhandlung jenes Freiwilligen innerlich ganz verständnislos gegenübersteht. Unterdrückte Klassen sind eben immer an sich lächerlich, und man steinigt, man reagiert auf diese Lächerlichkeiten absichtslos, rein instinktiv. Unerlaubt ist es bloß, unterdrückte Völker in einem Grade zu demütigen, der dem eigenen Land abträglich ist. Diese Möglichkeit liegt vor, deswegen erhebe ich meine Stimme. Mit den Gesetzen der Biologie nicht Vertraute werden behaupten, ich übertreibe. Das ist unwahr. Jedes Wesen weicht gern seinen Peinigern aus. Und so liegt gegenwärtig bei den diversen Mammuthbäumen ein den Rekrutierungen unbekömmlicher Wille zur Degeneration vor. Ihre Füße besitzen bereits keine Trittfläche mehr, nach der gewiß authentischen Klageschrift der Hutmachergenossenschaft weisen ihre Lockenköpfe sonst bloß bei Säuglingen statthafte Dimensionen auf. Sie wollen ihren Angreifern die ausgesucht kleinste Zielscheibe darbieten, sie verwehrlosen, verflüchtigen sich, sie schrumpfen ein, sie ducken sich unter das Militärmaß. End of Project Gutenberg's Nicht da nicht dort, by Albert Ehrenstein *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NICHT DA NICHT DORT *** ***** This file should be named 36862-8.txt or 36862-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: https://www.gutenberg.org/3/6/8/6/36862/ Produced by Jens Sadowski Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. 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