Meine Lebens-Erinnerungen - Band 4

By Adam Oehlenschläger

The Project Gutenberg EBook of Meine Lebens-Erinnerungen - Vierter Band
(of 4), by Adam Oehlenschläger

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Title: Meine Lebens-Erinnerungen - Vierter Band (of 4)

Author: Adam Oehlenschläger

Release Date: March 23, 2015 [EBook #48569]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE LEBENS-ERINNERUNGEN  ***




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                                  Meine

                          Lebens-Erinnerungen.

                               Ein Nachlaß

                                   von

                          Adam Oehlenschläger.

                        Deutsche Originalausgabe.

                              Vierter Band.

                                 Leipzig
                        Verlag von Carl B. Lorck.
                                  1850.

                    *       *       *       *       *




                              Vorbemerkung.


Nur wenige Worte erlaube ich mir diesem vierten und letzten Bande der
Erinnerungen vorauszuschicken.

Das eigene Manuscript des Verfassers endigt mit dem Anfang der
Reise im Jahre 1844, Seite 151. Bei der Darstellung seiner spätern
Lebensereignisse habe ich diejenigen seiner Briefe benutzt, die
in meinem Besitze waren, und Auszüge aus denselben gemacht, je
nachdem sie mir passend schienen. In diesen Briefen spiegelt sich
seine Individualität so klar und lebendig in den verschiedensten
Lebensverhältnissen ab, daß der Leser aus denselben ein weit besseres
Bild von ihm erhalten wird, als eine noch so treue Erzählung, selbst
wenn mir eine solche glücken könnte, zu geben vermöchte. Die Auszüge
enthalten hauptsächlich, was das eigene Leben des Dichters, seine
Urtheile und Ansichten über wichtige Zeitverhältnisse und Begebenheiten,
Persönlichkeiten, Kunstwerke u. dgl. betrifft. Sollte man auch finden,
daß einzelne kleine Züge hätten weggelassen werden können, so muß ich
dazu bemerken, daß ich es für meine Pflicht hielt, mich nicht so sehr
von Privatrücksichten leiten zu lassen, und daß ich dies und jenes
beibehalten habe, was, wenngleich für die Gegenwart von wenigerem
Interesse, einem kommenden Geschlechte von Nutzen sein und Aufklärungen
geben kann, die man möglicherweise sonst vermissen würde.

      Kopenhagen, im März 1851.
                                            $Johannes Oehlenschläger.$

                    *       *       *       *       *


[Sidenote: Literarische Fehde.]

Ich hätte noch auf ein Jahr mit Bertouch leicht und angenehm nach
Italien reisen können; aber das Heimweh, das mich vor neun Jahren in
Rom ergriff, und mich verhinderte, Neapel zu sehen, ergriff mich nun
wieder, und verhinderte mich Rom noch einmal zu sehen. Obgleich ich
gewissermaßen durch einen freiwilligen Ostracismus aus meinem Vaterlande
geflohen war, um den Haß meiner Feinde zu dämpfen, und ich gewiß klug
gethan hätte, noch länger fortzubleiben, so konnte ich es doch nicht;
ich sehnte mich nach meinem Hause, meinen Kindern; ich konnte nicht
länger ohne sie sein. Ich schlug deßhalb Herrn Hjort (jetzt Professor
in Sorde) vor, an meiner Statt zu reisen, und da er und Bertouch damit
zufrieden waren, zog ich das häusliche Glück im Kreise meiner Lieben
vor; aber es zog wieder von mehreren Seiten ein Ungewitter am Horizonte
meines Glückes auf.

Baggesen hatte, während ich fort war, ein Singspiel, =die Zauberharfe=,
geschrieben, welche Kuhlau componirte. Aus »Holger Danske« und »Erik
dem Guten« hatte man bereits gesehen, wie wenig er sich zu dramatischer
Dichtung eignete; nun da er »Ludlam's Höhle« und »die Räuberburg« als
die elendesten Pfuscherarbeiten heruntergerissen hatte, verlangte man
natürlich mehr von ihm, und es wurde doch noch weniger. Und hierzu kam
noch das Gerücht, daß das Stück nicht Original von ihm sei, sondern
daß er es nach einem ihm von einem Andern anvertrauten Manuscripte
umgearbeitet habe. Baggesen bewies juridisch sein Recht an dem Stücke;
und wenn man es ihm ästethisch absprechen wollte, so konnte dies meiner
Ansicht nach nur geschehen, weil es zu mittelmäßig war. Da er nun
mehrere Jahre hindurch fast ausschließlich meine dramatischen Werke als
der Bühne unwürdig heruntergerissen hatte, so war es ganz natürlich, daß
man mit seinem Benehmen unzufrieden war, und wenn es für das Auspfeifen
überhaupt eine Entschuldigung giebt, so fand sie sich gewiß hier. Das
Schlimmste war, daß Kuhlau's schöne Musik dabei ein gleiches Schicksal
leiden mußte; und besser wäre es freilich gewesen, wenn man -- was man
auch Kuhlau's Genie schuldete -- das Auspfeifen unterlassen hätte; um so
mehr, als es über Den ausging, den man rächen wollte. Kurz nach meiner
Rückkehr sollte Herr Violoncellist Funk ein Benefiz haben. Bei solchen
Gelegenheiten wird ein beliebtes Stück gewählt, das Zulauf hat. Da dies
nun mit Ludlam's Höhle der Fall war, so wählte er es. Aber das war ein
gefundenes Fressen, für meine Feinde. Nun pfiffen sie auch hier; und so
ging es mir wie Lars in Freia's Altar, dem Bilbo eine Ohrfeige giebt,
weil Clotilde ihm einen Korb gegeben hat. Dergleichen geschieht oft im
menschlichen Leben. Das Beste war, daß die Ohrfeige, die mir bestimmt
war, weil Thalia Baggesen einen Korb gegeben hatte, mich nicht traf.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Todesfälle.]

Aber bald sollte ich einen wirklichen Kummer erleiden. Meine geliebte
Schwester Sophia, deren Munterkeit und Lebenskraft so lange gegen den
Stoß angekämpft hatte, den sie in dem unglückseligen Scharlachfieber
bekommen, mußte endlich unterliegen. Bis zur letzten Zeit war sie die
Seele ihres Kreises. Nun kam ein hitziges Fieber und riß sie fort. Das
letzte Mal, wo ich sie besuchte, saß sie aufrecht im Bette und sprach
irre. »Gott segne Dich, meine gute Schwester,« sagte ich beim Abschiede.
»Ja,« sagte sie, indem sie auf mich hinstarrte, »das wäre nicht so
übel!« -- Ich glaubte doch noch nicht, daß sie sterben würde. O. H.
Mynster, ihr Arzt, meinte auch, daß nicht alle Hoffnung verloren sei.
Ich ging zwar betrübt, aber doch ruhig nach Hause; es ist nicht meine
Art, die Hoffnung aufzugeben, ehe sie mich ganz entschieden verläßt.
Ich wollte nach meiner Gewohnheit ein Wenig ins Theater gehen, um mich
zu zerstreuen, als mich in demselben Augenblicke eine erschütternde
Traurigkeit befiel. Ich ging in mein kleines Zimmer, warf mich auf die
Knie und rief weinend: »Ach, meine geliebte Schwester! Nun stirbst
Du gewiß in diesem Augenblicke! Habe Dank für alle Deine Liebe und
schwesterliche Hingebung! Gott erfreue Dich in seinem Himmel!« Eine
Stunde darauf kam die Nachricht ihres Todes. Sie war gerade in jenem
Augenblicke entschlummert.

                    *       *       *       *       *

Im October desselben Jahres verlor ich zwei meiner besten Freunde,
=Ole Hieronymus Mynster= und =Michael Rosing=. Rosing war viele Jahre
hindurch körperlich gelähmt gewesen. Ich besuchte ihn oft und las ihm
die Tragödien vor, in denen er leider nicht mehr spielen konnte, die er
aber, wie es seine bald funkelnden, bald thränenvollen Augen bezeugten,
gut verstand. Wenn ich meine Visiten hübsch regelmäßig wiederholte,
sagte er beim Eintreten: »Guten Tag, mein Sohn!« wenn ich aber zu lange
fort blieb, sagte er: »Guten Tag, Herr Professor!« Bei seiner Beerdigung
begegnete ich Rahbek auf der Treppe allein. Wir hatten seit der fatalen
Freia's-Altars-Fehde nicht wieder mit einander gesprochen. Ich fiel
ihm um den Hals, und nun waren wir die alten Freunde. Mynster wurde an
demselben Tage, wie Rosing beerdigt und ich folgte ihnen Beiden zu ihrer
letzten Ruhestätte.

Mein William hatte einen braunen Fleck auf dem Kinn, den ich gern
beseitigt gesehen hätte. Ich hatte gehört, daß es hälfe, wenn man ihn
mit dem Finger einer Leiche berührte, und wollte dieses Experiment
versuchen. Ich fragte den kleinen vierjährigen Knaben, ob wir Mynster
besuchen wollten. Das Kind wußte nicht, daß Mynster todt sei und konnte
sich überhaupt noch keinen Begriff vom Tode machen. Mit Erlaubniß der
Familie traten wir in die Leichenkammer. Es war dasselbe Haus, in dem
der Verstorbene und ich so oft lustig mit einander gescherzt hatten.
Nun lag er still und ernst da, als ich das Tuch zurückschlug: »Der
gute Mynster schläft!« sagte ich leise, »komm, William, willst Du ihn
sehen?« -- Der Knabe näherte sich furchtsam, ich berührte sein Kinn mit
dem kalten Finger der Leiche, und wir eilten fort. Erst auf der Straße
fragte William: »Vater: warum war Professor Mynster so weiß im Gesicht?«
Ich gab ihm eine beruhigende Antwort. Die Kur half nicht; erst ein paar
Jahr später verschwand der braune Fleck durch Hülfe des Professors
Jakobsen, und hinterließ nur eine unbedeutende Narbe.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Der kleine Hirtenknabe.]

Wenn die lieben Todten uns verlassen, knüpft uns das Band fester an die
Lebenden. Das Jahr vorher hatte ich meine Tragödie =die Blutbrüder=,
schön gebunden von Paris, ebenso wie mehrere Jahre vorher =Hakon=
und andere nach Hause geschickt. Meine Frau hatte mir von der Freude
geschrieben, die sie, Karl Heger, Boye und Hauch durch die plötzliche
Ueberraschung gehabt haben, und ich beschloß selbst ein Mal, Zeuge einer
solchen zu sein. Auf Friedrichsberg, wo Madame Voigt, die Wittwe des
Schloßverwalters die Güte hatte, mir einige Jahre hindurch Zimmer für
den Sommer zu überlassen, schrieb ich den =kleinen Hirtenknaben=, ließ
ihn hübsch einbinden, und packte ihn mit einem Briefe ein, als ob er mit
der Post von Paris käme. Eines Freitags nach Tisch, als die Leute beim
Kaffee saßen, kam das Mädchen herein und brachte der Frau vom Hause das
Paket. -- Sie machte große Augen, wurde angenehm überrascht, und nun
konnte ich, nachdem ich mich an der Verwunderung Aller geweidet hatte,
mich selbst hinsetzen und ihnen das Stück vorlesen. -- In demselben
Jahre, am 3. September, schenkte mir Gott als Ersatz für so viele
Verluste, meine jüngste Tochter Maria Louise.

Eine neue Bekanntschaft, die ich in der letzten Zeit gemacht hatte, und
die zu einer wahren Freundschaft wurde, war die der liebenswürdigen
Generalin =Hegermann-Lindenkrone=, vielleicht das poetischeste weibliche
Gemüth, das Dänemark besessen hat; und in ihrem Familienkreise fand ich
durchaus das Gepräge des freundlichen Geistes, der ihre Gedichte beseelt.

Im Jahre 1818 schrieb ich noch das Lustspiel =Robinson in England=. Ich
hatte auch die Freude, unsern großen Landsmann Thorwaldsen wieder im
Vaterlande zu sehen. Wir wetteiferten Alle, ihm zu huldigen, und bei dem
Feste auf der Schießbahn, hielt ich eine Rede, und dichtete ein Lied,
welches bei Tisch gesungen wurde, und sich in meinen Werken abgedruckt
findet.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Götter des Nordens.]

=Die Götter des Nordens=, eins meiner Hauptwerke, wurde im Jahre 1819
gedichtet. Ich wandte hier ebenso wie in Helge verschiedene Versarten
zu diesen zwar zusammenhängenden, aber im Charakter und Wesen sehr
abweichenden Fabeln an. Thor's Reise nach Jothunheim (bereits im Jahre
1805 gedichtet) diente dem Ganzen als Einleitung.

Am 28. November starb mein Waulundur, Christiane's Vater, mein alter
Freund der Conferenzrath Hans Heger, mit dem ich mehrere Jahre hindurch
in kindlichster Vertraulichkeit gelebt hatte. Er liebte mich wie ein
Vater, und jedes Lorbeerblatt, das ich gewann, war, als ob er es selbst
gewonnen. Der, welcher meine Gefühle für ihn näher kennen zu lernen
wünscht, den verweise ich auf das Gedicht, welches ich bei seinem Tode,
und auf ein anderes, welches ich kurz vorher zu seinem Jubelfeste
schrieb. Beide befinden sich in meinen Werken.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Tordenskjold. Erik und Abel.]

Meine folgenden Arbeiten (1820) war das Singspiel =Tordenskjold= und
die Tragödie =Erik und Abel=. -- Tordenskjold wurde angenommen und
honorirt, aber nicht aufgeführt. Es hieß: »daß dieses Stück nicht
aufgeführt werden könne, weil König Friedrich IV. darin auftrete.« Die
Erlaubniß, dänische Könige auf die Bühne zu bringen, ging nicht weiter,
als bis zur Souverainetät. Christian IV. konnte folglich auftreten,
aber Friedrich IV. nicht. Außerdem =sang= er im Stücke. Mir wäre Nichts
leichter gewesen, als dieses Lied zu streichen; ja mit geringer Mühe
hätte ich auch das Stück so umarbeiten können, daß der König nicht darin
auftrat; aber dadurch hätte die Scene mit Tordenskjold an dramatischer
Wirkung verloren; außerdem wußte ich, daß nicht =deßhalb= das Stück
verworfen wurde, und als nun mein Freund Collin als Theaterdirector an
betreffender Stelle darauf aufmerksam machte, daß das Stück angenommen
sei, und daß es nicht anginge, mir meine Einnahme zu entziehen, so
erhielt ich vierhundert Thaler, und war froh, da ich gern allen Chikanen
ausweichen mochte, denen ich ausgesetzt war, wenn meine Stücke gespielt
wurden, aber nicht das Geld entbehren konnte. Außerdem wußte ich, daß
eigentlich nicht der angeführten Gründe wegen das Stück verworfen
wurde; aber Rahbek vertraute mir, daß es folgendermaßen zusammenhänge:
Ich hatte das Stück bei Schimmelmann's in einer großen Gesellschaft
vorgelesen, wo Hofdamen und Hofherren zuhörten, und diesen gefielen die
Scenen mit dem Matrosen nicht, der von Tordenskjold's Extraction von dem
Kutscher der vornehmen Frau, u. s. w. spricht.

»Hättest du Ihnen wenigstens Namen als _species_ gegeben,« sagte
Rahbek, »so hätten sie es vielleicht gehen lassen; aber nun wurde der
vernünftige und der unvernünftige Hofmann als Genus genannt, und das
konnte man nicht leiden.« Das Stück wurde also nicht gegeben, und harrt
noch eines guten Componisten, um vielleicht zu einer Zeit zu gefallen,
wo dergleichen Einwendungen nicht mehr gemacht werden.

[Sidenote: Tod Thaarup's.]

Man las das Stück mit Vergnügen; ich hatte es Thaarup dedicirt, und
hatte die Freude, diesen edlen Dichtergreis ganz zu gewinnen, der sich
eine Zeitlang zur Partei meiner Gegner geschlagen hatte. In seinem
letzten Lebensjahre besuchte er mich oft. Schon früher hatte sein gutes
Herz und seine poetische Natur das Widerstreben oft besiegt, welches
der Aeltere zuweilen empfindet, den Jüngern anzuerkennen. -- Als ich
das erste Mal ins Ausland reiste, sagte er zu Steffen Heger: »Wenn die
Deutschen ihn nur nicht verderben!« Heger las ihm als Antwort Etwas aus
meinem Aladdin vor, und als Thaarup es gehört hatte, strich er sich
auf seine gewöhnliche humoristische Weise das Kinn und sagte: »Laß ihn
nur gehen! er wird sich schon hüten!« -- Ich hatte stets den Dichter
des Erntefestes geliebt, und als er kurz darauf starb, schrieb ich aus
vollem Herzen:

               So lang noch Fischerdörfer stehn
               Am dän'schen Strand beim Meerestang,
               So lang noch Wellen rauschend gehn,
               Stirbt, =Ewald=, nimmer dein Gesang.

               Doch, =Thaarup=! auch =dein= Bildniß lebt,
               Dein Lied klingt immer frisch und neu,
               So lang noch wer die Sense hebt,
               Und mäht das reiche, duft'ge Heu.

               Und weht die Fahne stolz und frei,
               Das weiße Kreuz auf rothem Grund,
               So denkt, der Dän' des Lieds dabei
               Das ihr zu Ehren sang dein Mund.

                    *       *       *       *       *

Ungefähr zu derselben Zeit gewann das Theater und besonders meine Stücke
sehr viel durch das Erscheinen der beiden großen Talente Fräulein
=Brenöe= und Herrn =Nielsen= auf dem Theater. =Foersom= war vor drei
Jahren gestorben; in Ryge hatten wir den Mann, den charakteristischen
Helden, den Greis für die Tragödie, aber es fehlte uns noch der Held als
Liebhaber und die Liebhaberin. -- Diesen Mangel füllten Herr Nielsen und
Fräulein Brenöe aus. -- Nielsen trat als =Axel= auf, zeigte was wir von
ihm erwarten konnten und hatte unsere Erwartungen nicht getäuscht. Unter
Fräulein Brenöe's ersten Rollen war Sophia in Erik und Abel, in der sie
gleich die anmuthige und gefühlvolle Natur an den Tag legte, durch die
wir später immer gerührt wurden. Ihr Genie für die Bühne zeigte sich
bald in großem Umfange.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Erik und Abel.]

Der kleine Hirtenknabe hatte Glück gemacht. Erik und Abel machte es auch
(1821). =Feindliche Brüder= tragisch darzustellen, ist ein alter Stoff,
an dem sich auch Neuere versucht haben. Wenn aber La Harpe von _Racine's
frères ennemis_ sagt: _Sujet, qui ne pouvait guère réussir sur notre
théâtre; ni l'un, ni l'autre des deux frères ne peut inspirer d'interet;
tous deux sont à peu près également coupables, également odieux etc._
-- so paßt das nicht auf Erik und Abel. Der Erstere kommt seinem Bruder
versöhnlich entgegen und rührt uns, da er in einem frommen Augenblicke
ohne es zu ahnen von der Hand des Meuchelmörders fällt. An dem
unglücklichen Abel rächt sich später, eben so rührend, das erwachende
Gewissen. Der bloße =Haß= kann nie tragisch sein, ebensowenig, wie
irgend ein anderes Laster; aber der Kampf des Hasses, des Lasters mit
den edlern Eigenschaften in der Brust des Menschen, der Sieg oder die
Niederlage desselben, dichterisch dargestellt, interessirt, begeistert
und rührt.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Ich falle durch.]

In dieser Zeit war ich zwei Mal in Lebensgefahr, und das
merkwürdigerweise auf der Bühne in meinen eigenen Stücken. Eines
Abends, als der kleine Hirtenknabe aufgeführt wurde, und ich gegen meine
Gewohnheit auf die Bühne gegangen war, um mit Ryge zu sprechen, stürzte
eine der größten Coulissen dicht an meinem Kopfe nieder. Wäre sie zwei
Zoll näher gekommen, so hätte sie mich getödtet, und man hätte dann bei
dem Aufgange des Vorhangs die Blutspur dem Publikum zeigen können; wo
der Dichter des kleinen Hirtenknaben sein Leben beschlossen hat. -- Das
zweite Mal war es auf einem Privattheater. Ich war wieder in Borup's
Gesellschaft eingetreten, und spielte zuweilen, wenn auch selten mit.
Nun wollte man daselbst einmal Correggio aufführen, und wünschte, daß
ich Michel Angelo's Rolle spielen solle. Ich that es; aber obgleich
mein Spiel nicht mißfiel, so fiel ich doch in meinem eigenen Stücke
durch. Ich ging nämlich beim Schluß des dritten Actes zur linken Seite
hinaus, wo ich vorher nicht gewesen war. Einen einzigen Schritt weit
von der Coulisse war eine Oeffnung nach dem Keller mit einer schmalen
Treppe auf der entgegengesetzten Seite. Ich ahnte eine solche Fallgrube
nicht, stürzte die Treppe hinab, und kam glücklicherweise davon, indem
ich mir nur Haut und Fleisch am Schienbein verletzte. Es war doch
ziemlich schlimm; denn ich konnte drei Wochen lang nicht gehen. Wenn
ich einen Schritt mehr seitwärts getreten wäre, so wäre ich in den
Keller gestürzt, und hätte wahrscheinlich den Hals gebrochen. -- Als
ich nach überstandener Gefahr und glücklich hergestellt, meinem Freunde
J. P. Mynster dies Ereigniß und den ähnlichen Unfall erzählte, den
ich vor zwölf Jahren in Italien zwischen dem vierten und fünften Acte
Correggio's, den ich damals schrieb, in der Cascade in Tivoli gehabt
hatte, sagte er: »Nun ja! das nächste Mal kommt es also zwischen dem
zweiten und dritten Acte!«

In diesem Jahre verließ uns mein Freund Hauch, um ins Ausland zu reisen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Holberg's Jubelfest.]

Im Jahre 1822 sollte Holbergs Jubelfest begangen werden. Es war 100
Jahre, seitdem der große Dichter Dänemark durch seine erste Komödie, den
politischen Kannegießer, erfreut hatte; und dieser =Dichter= Holberg
war derselbe =Professor= Holberg, der Dänemark seine historischen Werke
geschenkt hatte; und dieser =Professor= Holberg war derselbe =Baron=
Holberg, der Dänemark seine Baronie Soröe verehrt hatte. Ursachen genug,
sich seiner mit Dankbarkeit zu erinnern. Und doch war der Enthusiasmus
nicht sonderlich groß. Die =Damen= können Holberg nicht leiden, weil
er plump ist, weil keine Liebe in seinen Lustspielen vorkommt, und
die Damen haben in Sachen des Geschmackes einen entschiedenen Einfluß
auf die =Männer=. Was die Plumpheiten betrifft, so ist es leicht, die
schlimmsten bei der Aufführung fortzulassen; und von der Liebe ist
eigentlich auch nicht die Rede; aber Holberg's Stücken fehlt eine
gewisse galante Plaisanterie; es wird nicht die Cour in ihnen gemacht,
und das ist das Unglück! Wollten doch unsere Modedamen, die sich sonst
soviel nach den Pariserinnen richten, von ihnen unsern Holberg so achten
lernen, wie jene ihren Moliere schätzen; und wo die Dame, die Molière's
muntern Witz und gesunde Satyre nicht zu schätzen weiß, für eine Gans
gehalten wird.

Doch waren Leute genug von Geschmack und Verstand beiderlei Geschlechts
in Kopenhagen, um das Fest zu feiern. Es wurde mir übertragen, ein
dramatisches Vorspiel zu schreiben, und ich hatte die Freude, vier
Abende kurz hinter einander die Anwesenden für unsern unsterblichen
Dichter zu begeistern.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Robinson in England.]

Da dieses Jubelfest so die Herzen im Tempel Apollo's verschmolzen hatte,
schien es mir, daß es einmal Zeit sei, =Robinson in England= spielen
zu lassen. Freilich hatte ich gehört, daß Mehrere unzufrieden mit der
Theescene im Stück seien, weil sie darin Beziehungen auf sich zu finden
glaubten. Ein Dichter kann nicht aus dem Nichts schaffen, und eine
Satyre, die nicht die Mißbräuche der Zeit trifft, ist ohne Salz; aber
ich war mir bewußt, daß sich keine Persönlichkeiten im Stücke fanden,
und viele, die es gelesen, wünschten es aufgeführt zu sehen.

Rahbek, mit dem ich bei der Beerdigung unseres gemeinsamen Freundes O.
H. Mynster wieder ganz versöhnt worden war, schrieb mir folgenden Brief
darüber:

»Ich danke Dir für Dein Lustspiel, das ich gleich zu lesen anfing,
das ich nicht von mir legen konnte, bis ich es ausgelesen hatte, und
ich beeile mich es Dir zu senden, damit es gedruckt, angenommen und
aufgeführt werden könne, da wir so lange keine gute Originalcomödie
gehabt haben.

Ich habe Dir, wie Du siehst, bereits gesagt, daß Deine Komödie =gut=
ist, und trage kein Bedenken, hinzuzufügen, daß der ganze Theil, der
zwischen Selkirk, William, Betty, Defoe und Sir Robert Edgarson,
außerordentlich schön ist; nur möchte ich Du wolltest Peter, wie die
Gärtner es nennen, =strafen=, d. h. etwas beschneiden. -- Ich muß
übrigens bei dieser Gelegenheit bemerken, daß, wie ich stets die
drei ersten Acte Deines Correggio's für einen Nathan der Weise über
=Kunst= gehalten habe, so finde ich, daß die Scene im Gelehrtenklub
ein lucianischer Dialog über sogenannte =Kritik=, oder ein lehrreicher
Commentar über Lessing's Worte sei, daß der, welcher eine Art von
Kunstschönheiten schätzen könne, sei es als Dichter oder in andern
Künsten, sich darum nicht einbilden darf, daß er alle zu beurtheilen
verstehe; da es keine schlechtere aber auch keine gewöhnlichere Kritik
giebt als die, welche incommensurable Größen mit derselben Elle mißt.
Also -- »_Courage, mon ami! Voilà la bonne comédie, et peut-être
quelque-chose de mieux!_«

Ich ließ also das Stück aufführen, und es gewann großen Beifall.

Ein ausgezeichnetes Talent wurde erst bei dieser Gelegenheit erkannt und
geschätzt. Unser witziger komischer =Rosenkilde= erwarb sich als Peter
reichen Applaus.

Aber -- es war ganz richtig -- die =Theescene= konnte man nicht leiden,
und obgleich sie ganz ohne Persönlichkeiten war, so wollte man doch
Persönlichkeiten darin finden. Dies genügte einer gewissen Partei, mich
zu kränken und Lärm im Stücke zu machen. Die unsinnigste Einrichtung,
welche der Unverschämtheit und Ungerechtigkeit eine Hinterthür im
Tempel der Musen öffnet, von der aus sie, ohne das geringste Risiko,
ihres Sieges sicher, Geschmack und Genie verhöhnen können, fand früher
im Theater und findet leider noch jetzt darin statt. Aus alten Zeiten
her, wo man das Theater wie eine Bretterbude betrachtete, in welcher
Menschen, die nicht auf qualificirte Achtung rechnen durften, sich dazu
hergaben, die Leute wie andere Gaukler zu amüsiren, und wo die Stücke,
welche man spielte, als eine Art Spaß betrachtet wurden, die nur hierzu
daseien, und also von den Launen der hohen Herrscher (des Publikums)
abhingen, nahm man an, daß das tyrannische Recht, das Urtheil über
Leben und Tod eines Stückes zu fällen, mit den paar Groschen bezahlt
sei, die man für ein Billet gegeben hatte. Dieses Recht wird noch jetzt
geachtet. Jeder hat das Recht, sein Urtheil zu fällen. Das mag nun
sein, und obgleich das Pfeifen im Theater eine alte Unsitte ist, die
abgeschafft werden sollte, so könnte man sich doch wohl hierein finden,
wenn es so eingerichtet wäre, daß das Publikum selbst das Urtheil
fällen dürfte. Und aus Achtung für das Publikum ist ja diese Erlaubniß
gegeben, sodaß die öffentliche Meinung den Ausschlag geben kann. Aber
in der Art der Erlaubniß, die hier herrscht, liegt eine ebenso große
Beleidigung gegen das Publikum, wie gegen den Dichter, der das Stück
geschrieben hat. In Paris (von wo wir doch, was die Theatereinrichtung
betrifft, unsere ganze Weisheit geholt haben) ist es ganz anders. Dort
ist dieser Streit zwischen den Meinungen so gestattet, daß es ein
wirklicher Streit wird, der sich mehr oder weniger auf ein ästethisches
Urtheil stützt. Dort pfeift man in einem Stücke gleich an den Stellen,
von denen man glaubt, daß sie es verdienen. Wenn diese Stellen nun von
einer andern Partei in Schutz genommen werden, so kommt es darauf an,
welche von beiden die siegende ist. Es trifft sich äußerst selten, daß
die Meinungen gerade gleich getheilt sind. Die stärkere Partei siegt,
die schwächere muß schweigen, und wenn das nicht geschieht, so heißt es:
»_A la porte!_« und die Spectakelmacher müssen hinaus, wenn sie nicht
ruhig sein wollen. So vermag das Stück zu siegen, und das Publikum das
Stück bis zu Ende zu sehen. Hier ist keins von beiden möglich; erst wenn
der Vorhang fällt, ist es zu pfeifen erlaubt, früher zehn, jetzt fünf
Minuten, bis das Gongon ertönt, dann kommt die Polizei und bringt die
noch Pfeifenden fort. Aber in fünf Minuten können zwei, drei Menschen
mit gellenden Pfeifen in größter Ruhe und unter dem Schutze der Polizei
dem ganzen Publikum opponiren; und da das Schrillen der Pfeifen viel
stärker ist als das Händeklatschen, so kann es dem Ohre so erscheinen
als wenn der Kampf fast gleich wäre. Dies kann so oft wiederholt werden
als Jemand Lust dazu hat, und das Pfeifen gilt nur den Dichtern, nie
den Schauspielern; denn da erst gepfiffen werden darf, wenn der Vorhang
gefallen ist, so kann der Tadel nie diese treffen.

So wurde auch einige Abende hintereinander von einigen Wenigen nach der
Vorstellung von =Robinson in England= gepfiffen, während ein stürmischer
Beifall des ganzen Hauses vergebens suchte, sie zu unterdrücken. Ich war
selbst im Parket zugegen und blickte mit Gleichmuth auf die Pfeifenden,
bis Collin mich einmal bat, fortzubleiben, um sie nicht zu irritiren.
Das that ich denn auch, und so hörten sie endlich zu pfeifen auf, und
das Stück wurde in aller Ruhe gespielt.

                    *       *       *       *       *

Ich hatte bisher fast alle meine dänischen Dramen und Erzählungen in
das Deutsche übersetzt, auch einige lyrische; an das Epische wagte ich
mich nicht. Nun bekam ich Lust, das neuere deutsche Publikum mit unserm
großen Holberg bekannt zu machen. Herr Brockhaus in Leipzig übernahm
den Verlag.

[Sidenote: Die Inseln im Südmeer.]

Und als ich wieder in die Uebung gekommen war, soviel Deutsch zu
schreiben, bekam ich Lust, wieder einmal Etwas von vorn herein in
dieser Sprache zu dichten, was, seit dem Correggio, nicht geschehen
war. Ich bearbeitete mein altes Lieblingsbuch =Albertus Julius= ganz
frei, und benutzte nur seine guten Hauptsituationen. Der Stoff gab mir
Gelegenheit, eine Menge Charaktere zu schildern; poetische Begebenheiten
zu erfinden und sie in natürliche Verbindung zu bringen. Man muß die
=Inseln im Südmeer= nicht wie einen einzelnen Roman, sondern wie einen
Cyklus von Erzählungen betrachten; nicht in einer losen Verbindung (wie
in Tausend und einer Nacht oder wie in Boccaccio's Decameron), sondern
im innern poetischen Zusammenhang und in einem Vereinigungspunkt von
gemeinsamem Interesse. -- Ueber dieses Werk erschienen in Deutschland
drei für mich ehrenvolle Recensionen; einige andere rissen es herunter.
In Dänemark wollten die Inseln im Südmeer lange Zeit nicht schmecken.
Ich hatte die dänische Uebersetzung auf Subscription erscheinen lassen;
glaubte man vielleicht, es koste zu viel und sei zu viel auf ein Mal zu
lesen? ich weiß es nicht; genug, man war mit dem Buche unzufrieden, und
ich glaube ganz besonders die, welche es nicht gelesen hatten.

Uebrigens will ich gern gestehen, daß die Inseln im Südmeer einen
üblichen Fehler von Romandichtungen hatten, das Werk war zu weitläufig.
Ein Drittheil hätte zum Vortheil des Werkes fortgelassen werden können.
Dies ist bei den neuen Auflagen sowohl im Dänischen wie im Deutschen
geschehen.

[Sidenote: Brief an Walter Scott.]

Obgleich ich nun in diesen größtentheils erotischen Erzählungen
keineswegs Walter Scott nachzuahmen suchte, der fast gar nicht erotisch
ist, so wird doch das folgende Fragment eines Briefes, den ich diesem
großen Mann mit meinen Schriften ungefähr zu derselben Zeit sandte,
da ich meinen Roman dichtete, den Leser überzeugen, wie sehr ich ihn
bewunderte und liebte.

»Dem herrlichen Dichter, mit dem ich in vertrauter Bekanntschaft
gelebt habe, danke ich einen mehrjährigen Genuß, ohne ihn jemals mit
meinen irdischen Augen gesehen, ohne jemals seine Stimme gehört oder
einen Druck seiner Hand empfangen zu haben. Ich kenne ihn nicht, aber
ich kenne seinen rothhaarigen Campbell mit den langen Armen und der
ausgedehnten Wirksamkeit; seine holde Diana Vernon, die in ihrer Kälte,
wie der Mond leuchtet; seinen kräftig-schrecklichen Mac Merilles; seinen
in seiner Unbedeutendheit höchst poetischen Simson mit den schiefen
Beinen; seinen königlichen Bettler in dem zerfetzten Gewande. Ich sehe
seine entsetzlichen Schwärmer in der dunkeln Hütte, wie sie auf die Uhr
blicken und sie auf Zwölf stellen, damit sie ihre Opfer tödten können.
Ich sehe Allen Mac Auley in seinen Plaid gehüllt mit stolzem, gerührtem
Seherblick, einen wunderbaren Gegensatz, wie ein Funke in der Asche
zu der fast erloschenen Flamme des Alterthums, zu dem sanguinischen,
launischen Egoisten Dalgetty bilden. Ich sehe Maria Stuart, frei selbst
als Gefangene, in ihrer Anmuth, und Elisabeth in ihrem eifersüchtigen
Geistesgefängniß auf dem Throne. Ich finde dem Herzog von Argyle in
dem schönsten Verhältniß zu der heroisch anmuthigen Jenny Deans. Die
jüdische Madonna Rebecca erweicht mein Herz; und in der Schilderung
ihres Vaters und des Narren Wamba, finde ich -- wie in Allem --
Shakespeare's Landsmann und Nachkommen. Der stolze Fergus rührt mich auf
dem Wagen zur Richtstätte. Ich bin heimisch in Schottland, ohne dort
gewesen zu sein; ich kenne die einsamen Wege über die Moräste des Landes
hin nach den fernen Bergen; die Hütten mit ihren Rauchsäulen, die Felsen
mit ihren Höhlen, den Bach mit seinen Elfen, das Kloster mit seinen
Mönchen, die Burg mit ihren Rittern. Ja selbst in Glasgow habe ich einen
vertrauten Freund in dem liebenswürdigen, thätigen Spießbürger Jarwin.«

»In allen diesen Gestalten treffe ich stets einen in den verschiedensten
Gesichten sich offenbarenden Genius, den großen Dichter selbst; und
diesem schreibe ich diese Zeilen, um ihm meine Gefühle an den Tag zu
legen.«

[Sidenote: Walter Scott.]

Walter Scott gestand bekanntlich damals noch nicht, daß er der Verfasser
der Romane sei; von seinen andern Poesien hatte ich in meinem Briefe
nicht viel gesprochen. Er konnte mir also nur durch dritte Hand als
Anonymus danken; das that er denn auch auf das Freundlichste und sagte
mir viel Verbindliches, indem er mir auch seine Werke, sowohl die
Gedichte, wie die Romane sandte.

Wir schrieben uns später einige Male. Sir Walter Scott wollte mir
einen englischen Verleger für die Inseln im Südmeere verschaffen,
die Herr Gillies nach dem deutschen Manuscripte, das ich ihm sandte,
zu übersetzen versprochen hatte. Aber obgleich ich oft ehrenvoll im
Edinburgh Magazine besprochen und stückweise übersetzt war, und obgleich
Sir Walter Scott eine Vorrede zu meinem Romane schreiben wollte, gelang
es ihm doch nicht, einen Verleger zu finden, der soviel bezahlen wollte,
daß Herr Gillies und ich Vortheil davon haben konnten, wenn wir das
Honorar theilten. Walter Scott, dem es leid that, nicht durchführen
zu können, was er gehofft und wozu er mich selbst aufgemuntert hatte,
schrieb an Feldborg, der damals in London war und meine Commission
übernommen hatte: »_Mr. Cadel says, =no German Work= has ever stood
the expence of translating; and we know how very small that is. In
short, I had the mortification to see, that he is not in humour with
the undertaking. I wish, you would look into Constables shop, and talk
with Cadel on the subject. He will tell you, that I offered to do any
thing in my power, to make the British public acquainted with Mr.
Oehlenschlaegers merit, and I will turn your evidence, that the matter
does not miscarry for lack of zeal on my part._«

Uebrigens war für meinen Antheil nur die Rede von hundert Pfund. Kurze
Zeit darauf hatte Sir Walter Scott selbst das Unglück, durch den
Bankerott des Herrn Constable ein bedeutendes Vermögen zu verlieren,
aber er verschmerzte seinen Verlust und hat uns später mit mehreren
Werken erfreut, unter denen z. B. Quentin Durward und das schöne
Mädchen von Perth sich mit jedem seiner besten Werke aus früherer Zelt
sicherlich messen können.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Johann Ludwig Heiberg.]

Indessen versahen andere Dichter die dänische Literatur und Bühne
reichlich mit ihren Werken.

=Ludwig Heiberg= hatte bereits im Jahre 1814 sein Marionettentheater
herausgegeben. Ein paar Jahr, bevor es gedruckt wurde, sah ich eins
dieser Stücke, ich glaube Don Juan, bei seiner Mutter, Frau Gyllembourg,
aufführen, und der poetische Geist und Ton darin, überraschte mich
und gefiel mir ganz besonders. Das Stück wurde gut gespielt, woran
ohne Zweifel der Dichter selbst Theil nahm. Es war auch wirklich etwas
Kindliches darin, das mich rührte. Dies kam vielleicht zum Theil von
der Erinnerung vergangener Jahre, wo der Dichter selbst Kind bei seiner
Mutter gewesen war, deren Weihnachtsfeier, mit ihren Geschenken und
Spielen sich diesem Marionettenspiele näherten, theils rührte mich
das =Kunstkindliche= im Marionettenspiele selbst, die Erinnerungen
an Kasperle im Thiergarten u. s. w. Vor mehreren Jahren hatte ich in
Halle die Marionettentragödie Faust gesehen, in der sehr viel Gutes
ist, besonders in den tragikomischen Scenen, und die Lessing in
seiner Dramaturgie lobt. Und so mangelhaft es auch ist, könnte man
doch wünschen, tragische Werke öfter so aufführen zu sehen; man müßte
dann aber auch selbst soviel Phantasie mitbringen, daß sie die sonst
unaufhörlich gestörte Illusion ersetzen kann.

Um ein großes tragisches Drama mit vielen Personen aufzuführen, wird
ein großes Personal von so poetisch gebildeten Menschen erfordert, wie
man sie selten findet. Im Marionettenspiele kann man sich die Diction
von =wenigen= unsichtbar Spielenden meisterlich gesprochen denken, die
mehrere Rollen ausführen. So wurde es ein Zwischending von Vorlesung
und einem Bilde fürs Auge, mit dem man doch nicht zu scharf sehen, oder
es bewaffnen durfte, wenn man nicht den Mangel der Pantomime entdecken
wollte.

Als Heiberg diese Stücke: =Don Juan= und =Töpfer Walter=, drucken
ließ, nannte er sie noch: Marionettentheater, weil er meinte, »daß der
kindliche Geist der der eigentliche Charakter des Marionettentheaters
ist, sich mehr oder weniger sichtbar durch dasselbe ziehe«. Aber hierin
kann ich doch nicht mit ihm einig sein. Erstens liegt kein kindlicher
Geist in irgend einem der Stücke des alten Marionettentheaters
selbst; es war die =Kunst= in der Kindheit, die etwas Naives in ihren
gestrandeten Versuchen und ihrer kecken Unwissenheit hatte. Diese
Heiberg'schen Stücke sind, wenn man sie =liest=, durchaus nicht
kindlich. Das erste: =Don Juan=, ist eine sehr gute freie Behandlung
von Molière's Drama, besonders in den komischen Partieen. Aber ein
Schauspiel, das Laster, Verbrechen, Ausschweifungen, Leichtfertigkeit
und Spott, Scherz, Abscheu und Entsetzen darüber darstellt, kann doch
nicht kindlich genannt werden. Der =Töpfer Walter= ist ohne Zweifel
eine der poetischsten Dichtungen Heiberg's; besonders ist die Scene mit
Walter und Ulf, wo der erste Gott und der Natur eine ewige Freundschaft
schwört, sublim und tragisch erschütternd. Aber wenn man die Stellen
ausnimmt, wo Doctor Pancreas Prügel bekommt, ist doch Nichts darin,
das an das Marionettenspiel erinnert. Das Verhältniß zwischen Rosa
und Walter ist anmuthig und rührend; aber merkwürdig ist es, wie der
junge Dichter bereits hier fürchtet sentimental zu sein, sodaß er sich
(mit der später so sehr gepriesenen Ironie) beeilt, den Eindruck auf
den Leser zu vernichten, den seine Begeisterung geweckt hat, indem er
Harlekin mit einer Plattitüde das Stück beschließen läßt.

Ein paar Jahr später erschien Heiberg's =Weihnachtsscherz und
Neujahrsspiele=, eine Fortsetzung meines Sct. Hansspieles. Dieses Stück
steht ohne Zweifel den frühern um Vieles nach. Es ist in seiner ganzen
Composition eine Nachahmung von Tieck's »gestiefeltem Kater«, »Zerbino«
und der »verkehrten Welt«. Der ganze Spaß, die Illusion aufzuheben,
und die Zuschauer selbst mit in die Handlung zu verwickeln, ist nach
Tieck. Doch fehlt es mehreren Scenen nicht an Witz und Humor. Die kleine
Nanine tritt schön und ergreifend auf; doch verschwindet dies, wenn
sie in den Himmel kommt, und die Engel das irdische Weihnachtsspiel
nur fortsetzen, das doch wohl eine Ahnung von etwas viel Höherm
jenseits sein soll. Die Satyre über den Mangel an Fleisch und Blut in
der =Ingemann'schen Blanca= ist treffend. In einem Dialoge, der sich
nicht genügend in Kraft und Begeisterung erhebt, entwickelt sich ein
dem Gil Blas entnommener Stoff der auf die Menge durch schöne lyrische
Stellen wirkte, in dem aber der Haupteindruck doch peinlich wird,
weil es ein Unglück ist, das durch Intrigue oder Mißverständnis ohne
Entwickelung großer und interessanter Charaktere geschieht. Dem milden,
ruhigen Ingemann, der die Literatur durch so viele schöne, besonders
elegische Gedichte bereichert, und viele Leser dadurch erfreut hat, daß
er in seinen dichterischen Erzählungen den Volkston zu treffen wußte,
fehlt das Feuer, der Pathos, den die Tragödie nicht entbehren kann.
Bei dem Norweger =Boye=, der kurz darauf mehrere Dramen für die Bühne
dichtete, finden wir Feuer und Pathos; dagegen wieder zu wenig Milde und
schaffende Phantasie.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Zeuthen und Rahbek.]

[Sidenote: Schrödersee.]

In diese Jahre fiel meine Bekanntschaft mit der =Zeuthen'schen= Familie,
welche später als unsere Kinder aufwuchsen, durch das ganze Leben
fortgesetzt und zur Freundschaft wurde. Den alten Etatsrath Zeuthen
hatte ich bereits in meiner Kindheit gekannt, als er, ein eifriger
Freund der Schule für die Nachwelt sich derselben eifrig annahm und ich
oft beim Examen den muntern, imposanten Mann mit dem klugen Gesichte und
den feurigen braunen Augen als Director sah. Später in meiner Jugend,
als ich Rahbek's Freund wurde, hörte ich diesen und Andere oft Gutes
von Zeuthen reden; obwohl sie nicht miteinander umgingen. Zeuthen und
Rahbek waren beide Jütländer, aus den Dörfern, nach denen sie genannt
wurden. Sie waren beide mit dem reichen =Knud Lyne= verwandt, nach dem
Rahbek seine Vornamen empfing, und von dem er viel erbte; Zeuthen zwar
am meisten, aber Rahbek, soviel ich weiß, doch 12,000 Reichsbankthaler,
für damalige Zeit eine nicht unbedeutende Summe. Zeuthen, der Jurist,
später Assessor am Hof- und Stadtgericht und Geldmann war, schlug Rahbek
vor, sein Vermögen so zu verwalten, daß er gute Zinsen erhalten und
mit der Zeit durch Ankauf von Grundstücken gleich Zeuthen reich werden
sollte. Aber das wollte Rahbek durchaus nicht, er trug das Geld in der
Tasche; nach Rousseau'schen Ideen meinte er, Geld müsse ein gemeinsames
Eigenthum für Alle sein; mit diesen communistischen Grundsätzen lieh
er, oder richtiger gesagt, gab er seinen Freunden, was sie brauchten;
er selbst machte eine Reise ins Ausland auf eigene Kosten, ohne Buch
zu führen, oder auch nur etwas aufzuschreiben, und so währte es nicht
lange, bis der gute Rahbek nicht einen Schilling mehr besaß, und oft
in Verlegenheit gerieth, wenn die guten Freunde, an die er sich nun in
der Noth wenden mußte, seine communistischen Grundsätze nicht theilten.
Es währte dagegen nicht lange, als sich Zeuthen ein schönes Gut kaufen
konnte. Dergleichen mochte Rahbek aber nicht, das war ihm zu vornehm.
Daß zwei Menschen von so durchaus verschiedenem Character nicht Neigung
empfanden zusammen zu leben, ist begreiflich, doch achteten sie
gegenseitig ihre guten Eigenschaften und Zeuthen hatte auch Sinn für
die schönen Wissenschaften; obgleich man eigentlich nicht sagen konnte,
daß er ein Schöngeist war. In der ersten Zeit unserer Bekanntschaft
hatte er ein prächtiges Fest veranstaltet, was er häufig that. Hier fand
ich einen Mann bei Tisch, den ich oft in meiner Kindheit, in steifer
Uniform als Gardecapitain im Friedrichsberger Schloßhofe herumstiefeln
gesehen, und von dem ich damals nicht ahnte, daß ich jemals sein
Tischnachbar werden würde; er war der Kammerherr =Schrödersee=. Obgleich
ich glaube, daß er von einem gelehrten Großvater abstammte, hatte
Schrödersee in seiner Jugend doch dem Studentenwesen einen tödtlichen
Haß geschworen; er war ein sehr eleganter, steifer, gepuderter Officier;
an der Fehde, die zu Ewald's Zeit zwischen jungen Officieren und
Studenten, veranlaßt durch Bredal's dramatisches Journal, stattfand,
soll Schrödersee kräftig Theil genommen haben, und man glaubt, daß Ewald
eine Tirade in seinen brutalen Claqueurs auf ihn bezogen habe. Es war
recht merkwürdig mit diesen Lieutenants- und Studentenfehden, die sich
damals oft wiederholten; aber sie trugen doch alle nach und nach dazu
bei, die häßliche feindliche Trennung zwischen Kriegern und Gelehrten
aufzuheben, bis endlich die Jünglinge der militairischen Hochschule und
der Universität einander wie Brüder herzlich umarmten. Hierfür können
wir bereits Holberg danken, der in seinem Jakob v. Tyboe das _us_ und
das =von= verspottete. In Deutschland hielt sich diese Trennung bis in
die neuesten Zeiten aufrecht, aber aus einem ganz andern Grunde, hier
standen Adel und Bürgerschaft sich gegenüber; und hier ging es nicht wie
im Norden, wo dieses Vorurtheil sich niemals eingewurzelt hatte, wo das
deutsche »Von«, das uns von Holstein hergekommen war, sich nicht in die
Marine eingenistet hat, und wo der Adel seinen Todesstoß im Jahre 1660
erhielt. Aber um auf Schrödersee zurückzukommen, so beschuldigte man
ihn, in seiner Jugend zu jenen Bramarbasirern gehört zu haben. Wenn er
im Parquet mit seinem gepuderten Kopfe und seiner großen Nase dastand,
so blickte er oft auf eine Weise ins Parterre, welche die demokratischen
Köpfe daselbst verdroß. Aber Schrödersee war in der Periode, wo ich
ihn kannte, älter, zahmer und billigdenkender geworden. Wenn er auch
keine Kenntnisse hatte, so war er doch ein witziger Kopf. Als der
Danebrog-Orden auf mehrere Grade erweitert und er Ritter wurde, und man
ihm gratulirte, antwortete er: »Er ist noch sehr =jung=!« womit er
meinte, daß er, als ein alter Cavalier, auf einen höhern Grad gehofft
hatte. Als Graf Yoldy, früherer spanischer Minister, Oberkammerjunker
wurde, auf welchen Posten Schrödersee gehofft hatte, scherzte der König
einmal mit ihm und sagte: »Schrödersee! Ihr scheint mir in der letzten
Zeit so steif geworden zu sein«. »»Ew. Maj.««, antwortete Schrödersee,
»»das kommt daher, weil ich eine spanische Fliege im Nacken habe««. --
Hier bei Zeuthens richtete er eine Replik an mich, die sehr gutmüthig
und entschieden den Gegensatz von stolzer Eitelkeit war. Denn als der
Wirth, wie ich zum ersten Male bei ihm speiste, nach alter Sitte einen
Toast proponirte, »Denen zu Ehren, die die Kunst und Kultur im Lande
befördert hatten«, rief Schrödersee laut über den Tisch mir zu: »Der
Toast gilt uns Beiden«!

Einige Jahre darauf begegnete ich ihm wieder auf der Marmorbrücke beim
Christiansburger Schloß. »Wie befindet sich der Herr Kammerherr«? fragte
ich. »»Ach was, schlecht geht's mir««, antwortete er; »»ich bin ein
altes Pferd; den man eine Kugel durch den Kopf jagen muß««! Damit zeigte
er auf das Ohr, wo die Kugel hineingehen sollte, und verließ mich.
Wenige Tage darauf begegnete ich auf derselben Stelle dem Oberhofmeister
der Königin, Brockenhuus. Wir waren sehr gute Freunde vom Theater her,
wo er mir einmal gesagt hatte, als er von seinen Vorfahren sprach:
»Wir kamen mit Erik von Pommern hieher«. Bei dieser Begegnung auf
der Marmorbrücke wandte er sich nun wehmüthig nach dem Schloß zu und
sagte: »Sie können glauben, da habe ich viel Plaisir gehabt«! »»Nun««,
antwortete ich, »»Ew. Excellenz können noch viel Plaisir auf der Welt
haben««. »Ach«, seufzte er, »ich werde nie wieder soviel Plaisir
haben«. Er ging; ich stand einen Augenblick im Nachdenken versunken,
und gedachte der Zeit, wo ich als kleiner Knabe 1796 auf dieser Brücke
stand, in der finstern Nacht das Schloß mit den gelben, rothen und
blauen Flammen und mit der dunkeln Rauchwolke brennen und den Thurm
wanken und mit starkem Geräusche mit drei Donnerschlägen durch alle drei
Stockwerke hindurchstürzen sah. _Sic transit gloria mundi!_

[Sidenote: Die Familie Zeuthen.]

Der Leser verzeihe mir diese und ähnliche Ideenassociationen, welche
einige Gleichheit mit der lange gestatteten =lyrischen Unordnung= in der
Ode haben, und welche zu erwähnen zuläßt, was sonst nicht berührt werden
könnte, und das doch nicht ohne Interesse ist und dazu beiträgt, ein
Zeitgemälde zu vervollständigen.

Mehr als mit dem alten Zeuthen lebte ich mit seinem Sohne Wilhelm,
Assessor im Hof- und Stadtgericht, später im höchsten Gericht, und mit
dessen Frau und Schwester, die beide geistvolle und begabte Naturen
waren. Wilhelm Zeuthen wurde mein Freund; wir brachten mehrere Jahre
in traulichem Zusammenleben zu, und besuchten einander oft. Als seine
und meine Kinder aufwuchsen, dehnte sich die Freundschaft auch auf sie
aus, und wir brachten jeden Sommer mehrere Wochen bei ihm zu. Sein
jüngerer Bruder lebte im Auslande, und ich lernte ihn nie kennen.
Wilhelm Zeuthen war seinen Grundsätzen nach liberal; er liebte die
Poesie und zeigte mir große Zuneigung. Dieser schöne, starke, feurige,
junge Mann hatte dasselbe Unglück wie Bentzon: er hinkte etwas in
Folge eines unglücklichen Zufalls in der Kindheit. Dadurch fehlte ihm
die nothwendige Bewegung und das wurde ein Nagel zu seinem Sarge. Da
er nicht genug gehen konnte, so versuchte er zum Ersatz auf einem
kleinen Wagen ohne Federn zu fahren, der unmenschlich stieß. Einmal
lud er mich schelmisch ein, solch eine Spazierfahrt mitzumachen, ich
kannte den Wagen nicht, setzte mich hinauf, und wurde ganz entsetzlich
durchgeschüttelt, ohne sein Mitleiden zu erwecken, da er meinte, daß
mir, der etwas bequem sei, so etwas ganz gut bekommen würde. Er hatte
eine ganz herrliche Tenorstimme und erfreute mich oft durch seinen
Gesang. So lebten wir mehrere Sommer zusammen. Da starb er an einer
plötzlichen Krankheit in Kopenhagen. Er sollte auf dem Kirchhofe seines
Guts begraben werden, und seine Freunde zogen einen Tag vorher hinaus
um ihn zu Grabe zu geleiten. Welch' trauriges Gefühl, als wir hier als
Gäste zum letzten Male in seinem Hause schliefen. Wir saßen in der
Dämmerung noch beim Mittagstische -- da hörten wir einen Wagen auf dem
Hofe rollen. Es war der geschlossene Wagen mit der Leiche. Unser lieber
Wirth, unser lebensfroher, gastfreier Zeuthen saß nicht mehr unter uns
-- rothwangig mit den funkelnden, schönen, braunen Augen. Nun brachten
sie seinen entseelten Körper. Wir erhoben uns Alle schweigend, drückten
einander die Hände, und ich dachte: »Das ist das Loos des Schönen auf
der Erde«.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Ich studire wieder Latein.]

Im Jahre 1820 lag es mir als Professor ob, das Universitätsprogramm zu
schreiben, und die lateinische Rede am Reformationsfeste zu halten. Ich
hatte eine Zeit lang vorher wieder die Römersprache vorgenommen, die
ich seit meiner juristischen Studienzeit versäumt hatte. Nun las ich
fleißig, besonders Cicero's Schriften, doch auch die Dichter, von denen
mich besonders Ovid interessirte, und ich gab Holberg fast Recht, daß
er der beste der römischen Poeten sei. Er hat nicht Virgil's Reinheit
und Klarheit, aber er ist origineller. Unter den Alten näherte er
sich am meisten den modernen Dichtern, weil er der Einzige ist, der
das Herz rührt. Das hat ihm eine gewisse Schule zur Last gelegt, und
ihm weiche Sentimentalität vorgeworfen. Daß diese ihn oft, besonders
in seinen Tristien hingerissen hatte, will ich gern zugestehen. Aber
es waren auch nicht solche Klagen, die mich rührten. Seinen schönen,
epischen Dichtungen Daphne, Philemon und Baucis, und besonders Pyramus
und Thisbe, diese antike Romeo und Julie waren es, die im Vortrage und
in der Schilderung der Göthe'schen Poesie gleichen. Da ich Dichtung und
Studium nicht gut von einander trennen konnte, so übersetzte ich diese
Sachen, ebenso wie ich vor einigen Jahren Horaz, Properz und Catull
übersetzt hatte.

Aber nun sollte ich selbst Lateinisch schreiben! Es gab freilich einen
bequemen Ausweg, dem es nicht an Beispielen fehlte, es von einem Andern
machen zu lassen. Aber da ich es niemals leiden konnte, eine Fertigkeit
vorzugeben, die ich nicht besaß, so beschloß ich lieber in Gottes Namen
in meinen alten Tagen (ich war damals 40 Jahre alt) wieder in die Schule
zu gehen, einen Lehrer im Lateinischen zu nehmen, und bei ihm täglich
zu arbeiten. Das that ich denn auch und Herr =Repp= half mir ein Jahr
lang treulich. Aber hier zeigte sich nun eine Eigenthümlichkeit, welche
mich verhinderte, die Sache zur Reife zu bringen. Es ist mir stets
unerträglich gewesen, viel Grammatik zu lernen; ohne diese hatte ich
meine Muttersprache, und merkwürdigerweise auch die deutsche gelernt,
in der ich nach dem Urtheil von Sachverständigen mit den Besten
wetteifern konnte, obgleich ich -- aus jenem Grunde -- niemals kleine
Fehler vermeiden konnte, die von Andern leicht geändert wurden. Mit
dem Allernothwendigsten, den Declinationen, den Conjugationen und den
wichtigsten Regeln versehen, begab ich mich auf das Glatteis des Styls,
wobei oft der komische, aber sehr natürliche Fall eintrat, daß ein Satz,
von dem mein Lehrer erklärte, daß er Ciceronianisch sei, mit einem argen
Sprachfehler abwechselte, den ich doch gleich selbst ändern konnte, wenn
ich darauf aufmerksam gemacht wurde. So saß ich also ein paar Jahre
und übte mich, erst mit Herrn Repp, später mit meinem Freunde, dem
Oberlehrer Olsen. Mit Repp fing ich auch an, Lateinisch zu sprechen,
wenn wir nach Friedrichsberg zusammen spazieren gingen. Ich entsinne
mich noch, daß ich ein Mal mit ihm in der Allee vor dem Kirchhofe bei
einem schwierigen Satze stehen blieb, und es hätte mich gar nicht
gewundert, wenn die Todten sich über meine Phrase im Grabe umgewendet
hätten.

Indessen bekam ich im Laufe eines Jahres noch einige Fertigkeit, und
flickte mein Programm und meine Rede zusammen, die von den Betreffenden
durchgesehen und gereinigt, nicht ganz zu verwerfen war, und sogar vom
Bischof Fogtmann der _=copia verborum=_ wegen gelobt ward, die sich
darin befand, was daher kam, weil ich unverdrossen mein Lexicon benutzt
hatte. Außerdem gehen Geschmack und Wahl der Worte aus einer Sprachform
in die andere über, und hierin kam mir meine Fertigkeit im Dänischen und
Deutschen zu Hülfe. Oft, wenn mir ein Wort fehlte, das meine Lehrer mir
gesagt hatten, schüttelte ich so lange mit dem Kopfe, bis das rechte
kam, in dem die feine Nüancirung ausgedrückt war, die ich bezeichnen
wollte. Ich kannte das Wort wohl, aber ich hatte es nicht gleich im
Gedächtniß zur Hand.

[Sidenote: Professorengesellschaften.]

Da ich nun einmal dabei bin, meiner lateinischen Arbeiten zu erwähnen,
und wohl kaum wieder darauf zurückkomme, will ich bemerken, daß ich
mehrere Jahre später, 1828 und 1829 zwei lateinische Reden als Dekan und
Prodekan; 1832 wieder zwei als Rector, 1834 eine als Dekan, und endlich
1847 eine ganz kleine in derselben Eigenschaft hielt; von diesen ließ
ich mir doch zwei von einem guten Freunde übersetzen, da mir schien, daß
ich mich lange genug mit einer Uebung herumgequält hatte, bei der doch
Nichts weiter herauskam.

                    *       *       *       *       *

Da ich hier einmal bei der Universität bin, will ich, ohne mich ängstlich
an die Chronologie zu halten, der =Professorengesellschaften= erwähnen,
die eine Zeitlang fortgesetzt wurden. Diese Professorengesellschaften
waren für mich die langweiligsten Gesellschaften, denen ich in meinem
ganzen Leben beigewohnt habe. Nicht als ob es an vortrefflichen,
geselligen Leuten gefehlt hätte; aber Ton und Einrichtung waren
im Ganzen nicht nach meinem Geschmack. Eigentlich waren lange
Abendgesellschaften, in denen weder musicirt noch Karten gespielt wurde,
nie nach meinem Sinn, selbst wenn Damen daran Theil nahmen. Hier waren
nun keine Damen, mit Ausnahme der Wirthin; es wurde Taback geraucht
und Punsch getrunken. An keinem von Beiden konnte ich Theil nehmen, da
ich in diesem Jahre starke Anfälle von Podagra bekam, welche Krankheit
mich zwar nicht verlassen hat, aber doch in der spätern Periode meines
Lebens viel milder geworden ist. Hierzu kam, daß ich verstimmt und
zurückhaltend in einer Zeit war, wo ich so viele Gegner hatte; meine
Collegen waren auch zum Theil aus Bescheidenheit und Delikatesse
zurückhaltend gegen mich. Aber selbst an und für sich hatte hier, wie
es wohl gewöhnlich der Fall ist, eine Versammlung von Gelehrten kein
besonderes gesellschaftliches Talent. Sie gingen meistens mit ihren
Pfeifen umher und unterhielten sich in einzelnem Gespräch. Sobald der
Anstand es gestattete, zog ich mich zurück und ich glaube, daß Mehrere
meinen Geschmack getheilt haben, weil die Gesellschaft in ein paar
Jahren ganz aufhörte. Junge Studenten, bei denen jeder Gegenstand neu
ist, und Veranlassung zum Gespräch giebt, können sich auf diese Weise
wohl unterhalten; aber wenn der Aeltere sich auf solche Art unterhalten
soll, so kann er auch mit Göthe sagen:

                   So gieb mir auch die Zeiten wieder,
                   Da ich noch selbst im Werden war.

Mit meinen Freunden, den Professoren Peter Erasmus Müller, Jens Möller
und dem Arzt, Etatsrath Herholdt, setzte ich den Umgang fort, und wir
spielten oft L'hombre zusammen. An P. E. Müller knüpfte mich besonders
unsere gemeinsame Liebe zu dem Altnordischen. Mein Jugendfreund J.
P. Münster, damals Prediger an der Frauenkirche, war auch in der
Professorengesellschaft gewesen; er heirathete eine Tochter des Bischofs
Münter, wir besuchten einander und sahen uns oft bei Rahbeks und Münters.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Siboni.]

Ungefähr zu der Zelt kam ein Mann nach Kopenhagen, der Epoche in der
musikalischen Welt machte, der Gesanglehrer =Siboni=. König Christian
VIII. hatte, als Prinz, ihn in Italien kennen gelernt, wo Siboni sich
als Tenorist auszeichnete; später wurde er Singmeister, und fast ebenso
berühmt, wie jetzt Garcia geworden. Was Wunder daß man ihn unter sehr
günstigen Bedingungen nach Kopenhagen rief. Der große, sehr schöne,
kräftige Italiener kam, und machte gleich in der vornehmen Welt und
besonders bei den Damen großes Glück. In den ersten Jahren spielte er
zuweilen auch eine musikalische Heldenrolle auf der Bühne; aber obgleich
er wie ein Held aussah, und sich einen Theil von Talma's Manieren
angeeignet hatte, so ward ihm doch bisweilen die Stimme untreu, und wenn
er gleich den Mangel an Kraft im Tone durch Triller und Rouladen zu
verbergen suchte, so half das doch nicht viel, und er hörte bald selbst
auf, als Sänger zu wirken. Dagegen wurde er nun ein vortrefflicher
Gesanglehrer, dessen unser Theaterpersonal dringend bedurfte, auch
bildete er einige gute Schüler, obgleich sein Umgang mit den Großen, die
ihn Alle zum Privatlehrer für ihre Töchter haben wollten, ihm viele Zeit
raubte.

[Sidenote: Musikalische Zustände.]

Einige Jahre vorher war Rossini aufgetreten und setzte die Welt durch
sein Genie in Erstaunen. In seinen Opern hatte Siboni geglänzt, er
konnte sie auswendig, betete ihren Componisten an; was Wunder, daß er
versuchte, sie auf die dänische Bühne zu verpflanzen? Aber hier traf
er auf Widerstand. Weyse und später Kuhlau hatten auf die dänische
musikalische Welt eingewirkt, wo vorher Naumann, Schulz und Kuntzen
geblüht hatten. Fremde, welche diese nicht kannten, beschuldigten
die Dänen, unmusikalisch zu sein. Viel vortreffliche Stimmen haben
wir nicht gehabt; die rauhe Luft in der Nähe des Meeres, der häufige
Wind und Regen wirken nicht wohlthätig auf die Stimme ein; daß diese
Elemente aber auch auf das Ohr und die Seele in Bezug auf Empfängniß
musikalischer Eindrücke ungünstig einwirke, wäre wohl thöricht zu
behaupten. Das tiefe Gefühl für das Poetische in der Musik hat der
gebildete Däne wohl eben so gut, wie für die Poesie selbst; und
dramatische Musik, welche Leidenschaften, milde Gefühle und Charaktere
ausdrücken soll, muß immer poetisch sein.

Rossini, der schon als kleiner Knabe mit seiner Mutter auf dem Theater
sang, entwickelte früh sein Talent, aber erst später seinen Geschmack
und sein Gefühl. Nach vielen mittelmäßigen Versuchen componirte er die
Oper Tancred, die außerordentliches Glück machte. Es zeigte sich außer
der fruchtbaren Phantasie in der Erfindung von Melodieen, in Rossini's
Compositionen eine Richtung, welche neu war, und also Aufsehen machen,
eine Modesache werden und zur Nachahmung reizen mußte. Sowie Haydn
und Mozart den eigentlichen Gebrauch der Blasinstrumente in die Musik
einführten, so versuchte Rossini die menschliche Stimme selbst zu einem
Blasinstrumente zu machen. Kein Instrument erreicht die Menschenstimme
an Wohlklang; Rossini fand, daß besonders die Frauenstimme ebensogut wie
Oboe, Violine und Clarinette, die schwierigsten Passagen in der Musik
ausführen konnte. Nun componirte er Gesangsnummern, in denen Dieses
stattfand, wo der eigentliche Gesang ganz von Trillern, Rouladen u. s.
w. betäubt und verziert wurde, sodaß derselbe eine untergeordnete Rolle
spielte. In seinem Vaterlande fand er schöne Stimmen, die durch Uebung
vermochten, diese Compositionen mit größter Reinheit, Gewandtheit und
Stärke auszuführen. Was Wunder, daß diese neue Erfindung, dieser bisher
nicht dagewesene Genuß, eine außerordentliche Wirkung auf die Menge
ausübte, die überhaupt stets mehr von dem Sinnlichen als dem Geistigen
hingerissen wird. Ja selbst die tiefer und wahrer Fühlenden erstaunten
über diese neue Erfindung, und die seltene Virtuosität in der Ausführung
sagte ihnen im Anfange zu. Aber bald sahen alle wahren Kenner ein, daß
dieser Luxus, wenn er fortgesetzt und übertrieben würde, zum Untergange
des reinen Geschmackes und der wahren Musik beitragen müsse, weil
dieser sich zu sehr von der Natur entfernte. Die italienische Musik hat
oft an solchen Ausschweifungen und Uebertreibungen gelitten. Schon in
der Mitte des 16. Jahrhunderts wollte Papst Marcellus II. die entartete
Musik, als des Gottesdienstes unwürdig, aus der Kirche vertreiben, als
Palästrina sie rettete.

Der abscheuliche Mißbrauch, Castraten Liebhaber spielen zu lassen,
veränderte sich nun in Rossini's Zeit so weit, daß jetzt Frauenzimmer
mit starken Altstimmen Liebhaber spielten, denn wirkliche Männer
darin auftreten zu lassen -- zu einer solchen Trivialität konnte die
italienische Kunst sich nicht herablassen -- deshalb hatte stets ein
Frauenzimmer den Helden Tancred gespielt und gesungen, und das geschah
auch hier. Diese musikalische »Haupt- und Staatsaction« hat mir, trotz
aller seiner schönen Melodieen und seines brillanten Accompagnements nie
gefallen.

Da nun Siboni durchaus kein Interesse für die deutsche, französische
und dänische Musik hatte, da bei festlichen Gelegenheiten nur
Rossini'sche Opern aufgeführt wurden: so weckte dies das Mißvergnügen
des Nationalgefühls, und gab Veranlassung dazu, daß sich eine Partei
im Theater bildete, die, um sich zu rächen, stets die italienischen
Opern auspfiff, welche den Tag nach dem Feste aufgeführt wurden, was
gewiß sehr ungerecht war. Aber sie entschuldigte sich damit, daß sie
nicht die Musik, sondern die Wahl der Opern auspfiff. Der Hof stand
ganz auf Siboni's Seite; ich hatte gehört, daß der König böse auf mich
sei, weil er glaubte, daß ich Theil daran hätte; ich eilte zu ihm
hinauf, um ihn von meiner Unschuld zu überzeugen. »Ja,« sagte er, »ich
glaube wohl, daß Sie nicht unmittelbar daran Theil genommen haben, aber
doch mittelbar.« »»Weder mittelbar noch unmittelbar, Ew. Majestät!««
antwortete ich; »»ich hasse Spectakel im Tempel der Kunst zu sehr, und
habe selbst zu viel durch Kabalen gelitten, als daß ich sie gegen Andere
ausüben sollte.«« »Ja, ja!« antwortete er und legte die Hand auf meine
Schulter: »ich weiß, Sie sind ein braver Mann.« Damit ging ich.

Ich nannte es unbillig, daß man die Rossini'schen Opern auspfiff, und
das war es gewiß, wenn auch Dinge darin vorkamen, die gegen den guten
Geschmack und den natürlichen Sinn verstießen, und als es erst Mode
war, wurde, wie in der französischen Revolutionszeit, alle Musik, die
den aristokratischen (hier italienischen) Schnitt hatte, zur Guillotine
geschleppt. Es that mir unter Anderm sehr leid, daß wir nicht _La gazza
ladra_ zu hören bekamen, in welcher Oper auch das Sujet schön ist: eine
stehlende Elster, die ein unschuldiges Mädchen auf das Schaffot bringt,
aber sie im Augenblicke des Todes wieder rettet.

Bei Geheimrath Malling's hörte ich oft schöne Melodieen vortragen.
Die älteste Tochter (später Frau Professorin Hohlenberg), hatte eine
herrliche Stimme. In dieses Haus kamen auch Weyse und Siboni. Man
kann sich nicht zwei verschiedenere Menschen denken. Jener bleich,
kränklich, ein Sonderling, größtentheils fremde Musik verschmähend, und
aus der Wieland'schen Schule hervorgegangen, auch die meiste neuere
Poesie verdammend; aber Weyse war ein musikalisches Genie, phantasirte
unvergleichlich schön, war in Sprachen und selbst in Metaphysik
bewandert, witzig, schelmisch und unterhaltend, wenn er bei guter Laune
war. Er ging am liebsten mit ganz jungen Leuten um, hatte eine große
Anzahl von Freunden unter diesen, und spielte ihnen gern etwas vor. Er
war ein ausgezeichneter Virtuos auf dem Fortepiano gewesen; später gab
er sich nicht mehr damit ab; erst als =Moscheles= uns einmal besuchte,
bekam er Lust, sich wieder zu üben, und Moscheles erstaunte über seine
Fertigkeit, in der er selbst ihm nur wenig nachgab. Weyse war ein armer
Kaufmannslehrling in Altona; hier entdeckte der Professor Cramer in
Kiel sein musikalisches Genie und sandte ihn zum Kapellmeister Schulz
nach Kopenhagen. Weyse hatte sich selbst mit einer gewissen Fertigkeit
Klavierspielen gelehrt, Schulz mußte ihm erst den falschen Fingersatz
abgewöhnen und ihm den richtigen lehren. Uebrigens that er in den
ersten Jahren nicht viel, und Schulz soll einmal, unzufrieden darüber,
gesagt haben: »Wenn ich =sein= Genie hätte, was würde aus =mir= geworden
sein!« Er meinte nämlich, verbunden mit der Charakterstärke und dem
tiefen Gefühl, was er selbst hatte. Der Grundton in Weyse's Wesen war
eine muntere Schelmerei, ein origineller Humor, daher ist gewiß auch der
»Schlaftrunk« als seine beste dramatische Composition zu betrachten;
aber er besaß auch eine reiche träumerische Phantasie und ein fein
elegisch schwärmerisches Gefühl. Das Spukwesen in Ludlam's-Höhle
ist vortrefflich ausgedrückt, und in vielen Nummern zeigt sich auch
tiefes Gefühl und schöne Humanität. Selbst von Denen, welche Weyse als
Theatercomponisten nicht lieben, wurde doch seine Kirchenmusik sehr
geschätzt. In dieser zeigen sich gewiß die erwähnten Eigenschaften oft
mit den herrlichsten Harmonieen verbunden, welche darlegten, daß Weyse's
Compositionen ihre Nahrung ebenso sehr in der gründlichen Bach'schen
Schule, wie in der alten italienischen Kirchenmusik gefunden hatten,
und daß er ein würdiger Schüler von Schulz war; doch fehlte ihm das
warme Herz und die echte christliche Begeisterung desselben. In Weyse's
Kirchenmusik finde ich den religiösen Künstler mehr als den religiösen
Menschen; er ist auch nicht, wenngleich im Besitz viel reicherer
musikalischer Mittel, nicht so originell und melodienreich als Schulz.

Kuhlau war durchaus anders als Weyse. Letzterer, der fast von seiner
Kindheit auf hier gewesen war, war Dänisch geworden; Kuhlau blieb
immer Deutsch. Kuhlau war ein schöner Mann mit rothen Wangen, hatte
aber in seiner Jugend das Unglück gehabt, ein Auge zu verlieren. Er
gab sich weder mit fremden Sprachen noch Wissenschaften ab; er trank
sein Glas Wein, rauchte seine Pfeife Taback, war ein gelehrter Musiker
und componirte schöne Musik. In seiner Musik waren nicht der Duft, die
Schwärmerei, die geistigen Ahnungen, wie in Weyse's; aber mehr Körper,
stärkere Effecte, größerer Melodienreichthum, und mehr lebendige
dramatische Bewegung. Nach Kuntzen's Tod wäre es Weyse leicht geworden,
Kapellmeister zu werden, wenn er es darauf angelegt hätte. Aber er
war zu bequem für dieses Amt und verstand auch nicht, das Ganze mit
Kraft und Bestimmtheit in Ordnung zu erhalten. Kuhlau wurde es auch
nicht. =Schall= dagegen, der Concertmeister war, wurde nun Chef vom
Orchester, wozu er sich vortrefflich eignete; dagegen verachteten Weyse
und Kuhlau ihn als Componisten, woran sie gewiß Unrecht thaten. Kuhlau
sagte von ihm: »Er kann nicht acht Tacte nacheinander richtig setzen.«
Das war sehr übertrieben; aber es ist ganz gewiß, daß Schall von
Kindesbeinen auf beim Theater erst als Figurant, dann als Repetiteur,
endlich als Concertmeister durch practische Uebung einen großen Theil
Dessen ersetzte, was ihm als Theoretiker abging. Er war ein echt
musikalisches Genie; seine erste Arbeit, »=die Chinafahrer=« ist voller
Leben und Humor. Zur Balletcomposition hatte er ein entschiedenes
Talent. Zuerst zeigte er dies in kleinen komischen Balleten. Seine
Compositionen von Lagertha, Rolf Blaubart und Romeo sind vortrefflich;
und ungeachtet aller grammatikalischen Fehler (d. h. Fehler gegen den
Generalbaß; den Kirnberger konnte er nicht verstehen, als mein seliger
Schwiegervater ihm diesen lieh) waren seine Musikstücke voll Effect,
Melodie, Charakter, und einige von ihnen in einem tragischen Fluge und
einer Begeisterung, in der weder Weyse noch Kuhlau ihn erreichten. Aber
Galleotti, der die Ballete zu Schall's Musik componirt hatte, war nun
todt; die Ballete wurden nur selten aufgeführt und Bournonville, der
später Galleotti bedeutend überragte, war noch nicht aufgetreten.

                    *       *       *       *       *

Die vortrefflichen =französischen Singspiele= hatte unser Theater von
Monsigny's Deserteuren bis zu Boyeldieu's Rothkäppchen mit Glück
aufgeführt; nicht die stark pathetische Musik darf man in diesen Stücken
suchen; dagegen werden die Gefühle der Liebe, der Humanität, der
Munterkeit, eines milden Mitleides, echte französische Nationalität,
Anmuth und Naivetät in diesen originellen und schönen Compositionen
ausgedrückt, und das französische Singspiel ist gewiß eine der schönsten
Blumen in der französischen Kunst. Welche Namen begegnen uns hier nicht?
=Monsigny=, =Gretry=, =Daleyrac=, =Isouard=, =Mehul=, =Cherubini= (ganz
französisch in diesem Genre), =Boyeldieu=, sowie auch später =Auber=.
Und die Texte zu diesen Stücken sind oft vortrefflich, wenn auch nicht
von Seiten der Ausführung, so doch des Stoffes und der Situationen: der
Deserteur, der Böttcher, Felix, Zemire und Azor, Richard Löwenherz, die
kleinen Savoyarden, Joconde, der Schatz, Aschenbrödel, Rothkäppchen, die
weiße Dame, der neue Gutsbesitzer u. s. w. Der große =Gluck=, obgleich
ein Deutscher, hatte seine musikalischen Tragödien zu französischen
Texten gedichtet. In Mehul fand er einen großen und würdigen Nachfolger,
denn Joseph in Egypten verbindet die hohe Einfalt und den Pathos
Gluck's mit musikalischem Reichthum und Anwendung von Instrumenten der
neuern Periode. Auch Auber wußte sich dieses Pathos auf eine Weise zu
bedienen, die in die politische Stimmung eingriff, sodaß seine Stumme
von Portici der Vorläufer und Beförderer einer Revolution ward, sowie
eine Comödie, Figaro's Hochzeit, der einer frühern gewesen war. Durch
die schöne, genußreiche Verbindung von Poesie und Musik, von Schauspiel
und Oper, hatte sich die _Opéra comique_ in Paris stets ausgezeichnet,
und, was gute Schauspieler betraf, dem _Théâtre français_ fast stets
die Spitze geboten. Auch bei uns hatte das Talent in diesen Stücken,
von Frau Walters bis zu Madame Frydendahls, Gielstrup's, Knudsen's und
Frydendahl's Zeit geblüht. So war der Zustand auf unserer musikalischen
Bühne, als Siboni mit seinem mächtigen Rossini kam, der ganz Europa
eingenommen hatte, und nun auch uns einnahm.

Der Wessel'sche Vers:

                  Die theuren Dänen will ich preisen,
                  Wenn sie bescheiden sich erweisen,
                  Die Tugend trifft sich selten an.
                  Doch wenn sie gar zu weit getrieben,
                  Daß Dänen alles Fremde lieben,
                  Ich nenn' es keine Tugend dann,
                  Denn er erniedrigt jeden Mann.

paßte nun hier in Kopenhagen sowohl auf unsere, wie auf seine Zeit; aber
er konnte leicht mißverstanden werden. Es muß ein Unterschied zwischen
den =gebildeten Dänen= (der größte Theil war vom Mittelstande), und
zwischen den Vornehmen (der größte Theil war aus den Herzogthümern),
gemacht werden. Von Königin Margaretha's Zeit an, haben der Hof und
die Vornehmen stets Lust gehabt sich vom Volke durch die Sprache, erst
durch Deutsch, dann durch Französisch und Italienisch zu trennen.
Was mir besonders in Frankreich gefiel, war: daß das ganze Volk Eine
Sprache redete, und daß das Land keine Hofsprache hatte. Aber selbst
in Frankreich war die =italienische Oper=, wo das hohe Entrée den
Mittelstand verhinderte hinzukommen, der Sammelplatz für den Hof und die
_beau monde_. Hier sah man einander; die Oper war ein Sammelplatz, ein
Salon, eine Fortsetzung und Variation der Hofvergnügungen; die Kunst
wurde als etwas Untergeordnetes betrachtet, nur die Virtuosität war es,
mit der man sich die Zeit vertrieb, und die man aus Eitelkeit protegirte.

Aber Eins dürfen wir bei dieser Gelegenheit nicht vergessen: Christian
VIII. und seine holde Gemahlin, Caroline Amalie, waren in ihrer
schönsten Zeit im schönen Italien gewesen, wo Alle sie bewunderten
und darin wetteiferten, ihnen zu huldigen; hier hatten sie mehrere
Monate in dem herrlichen Neapel gelebt, und Rossini's Musik von den
größten Virtuosen vortragen gehört. Wie natürlich, daß sie einige Jahre
nach ihrer Heimkehr sich freuten, diese lieben Jugenderinnerungen zu
erneuern, die schöne Sprache wiederzuhören, mit der sie so vertraut
geworden waren? Hierzu kam, daß immer einige gute Sänger da waren, die
die italienische Kraft im Ton mitbrachten, welche unser Klima selten
zuläßt, und Madame =Forconi= war zu gleicher Zelt eine sehr gute
Schauspielerin voller Feuer und Gefühl.

Siboni war also eine Zeitlang hier der Herrscher über den Geschmack in
der Musik. Es ist natürlich, daß man mehrere komische Anecdoten von dem
feurigen Italiener erzählte, der auch gleichsam das Dänische auf seine
Lippen zwingen wollte, ehe er es konnte. Seine Unwissenheit in der
Sprache gab auch zuweilen Veranlassung zu lächerlichen Mißverständnissen.

Nun lernten wir also recht Rossini kennen, dessen Moses, Othello und
besonders Wilhelm Tell ihn von einer viel größern Seite zeigten, als
wir ihn anfangs gekannt hatten. Auch der herrliche Bellini, dessen
Norma eine unvergleichliche Musiktragödie ist, erfreute uns. Den
außerordentlichen Lärm und die Ausschmückungen durch Fiorituren vergab
man gern dem Genie, wenn nicht die wirkliche Schönheit dadurch übertäubt
und versteckt wurde, sowie später von Donizetti und besonders dem ebenso
lärmenden, wie melodie- und characterlosen Verdi, der Jericho's Mauern
durch Posaunentöne einstürzen läßt, wenn ein Mädchen eine süßliche
Liebesarie singt; dessen tragische und komische Musik ganz in demselben
Styl ist, und der das rothe Meer wie Eulenspiegel (aber ohne Witz) malt,
indem er die ganze Wand mit Zinnober bestreicht; fügt man nun noch
hinzu, daß diese lärmenden Opern nur einigermaßen damit entschuldigt
werden können, daß sie für ungewöhnlich große Schauspielhäuser componirt
sind, so fiel diese Entschuldigung ganz fort, wenn man sie in einem
kleinen eingeschlossenen Raume, wie unser Hoftheater, hören mußte, wo
sie -- was mich betrifft -- wie eine Bremse brummten, die Einem in's Ohr
gekommen war.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Vaudevilles.]

Man erzählt von einem preußischen Prinzen, daß er, als er einmal aus
diesen Stücken herauskam, wo sein Ohr sehr gelitten hatte, sich an der
milden Einwirkung des Zapfenstreichs erquickte, der ihn auf der Straße
entgegenkam. Auf eine viel angenehmere Weise sorgte J. L. =Heiberg=
für unsere musikalische Erfrischung. Er verfaßte eine Reihe burlesker
Comödien, die er Vaudevilles nannte; aber sie standen sowohl im
komischen Humor, wie in musikalischer Beziehung, weit über den meisten
französischen Vaudevillen, von denen sich doch einige in der idyllischen
und historisch-charakteristischen Art auszeichneten; Heiberg's Stücke
waren alle Das, was die Franzosen =Farcen= nennen; aber meine Leser
wissen, daß ich mit dieser Benennung nichts Tadelndes verbinde, da ich,
im Gegentheil, selbst Schauspiele dieser Art gedichtet habe. Daß später
mein Freia's Altar, den ich wohl an die Seite der Heiberg'schen Farcen
zu stellen wage, in seiner fliegenden Post als ein jämmerliches Product
heruntergerissen wurde, darein mußte ich mich, wie in so vieles Andere
fügen. Diese Stücke sind ohne Zweifel im Besitz von Humor und luftigen
Situationen; hierzu kommt, daß sie in musikalischer Beziehung weit die
französischen Vaudevilles überragen, deren Dialog jeden Augenblick von
einem einzelnen Vers unterbrochen wird, welcher einen kleinen witzigen
Einfall (_pointe_) enthält, auf eine bekannte Melodie von Schauspielern
gesungen wird, die gar keine Sänger sind ja größtentheils nicht singen
=können=, und insofern gar keine Prätensionen machen, sodaß der Vortrag
bei ihren Liedern mehr Recitation als Gesang genannt werden kann. Auf
unserm Theater, wo Schauspiel und Singspiel verbunden sind, konnte
Heiberg wirkliche Sänger anwenden. Seine musikalische Bildung und
sein Geschmack gaben ihm Gelegenheit, ganz vortreffliche Musiknummern
zu wählen, die durchaus zum Gegenstande paßten, was nicht wenig zum
Erfolg der Stücke beitrug. Was ihnen aber noch mehr Beifall erwarb,
war die Art, wie sie nach den Talenten der Schauspieler berechnet
waren. So machte »König Salomon und Hutmacher Jürgen«, das in den
Hauptsituationen große Aehnlichkeit mit dem Singspiel: =der Einzug=, vom
Vater des Dichters, hatte, außerordentliches Glück, hauptsächlich durch
Ryge's vortrefflichen Juden. In den »Aprilnarren« stellte der herrliche
=Winslöw= einen ganz eigenthümlichen Charakter in Zierlich dar. In
»Der Recensent und das Thier« und in »die Unzertrennlichen« stand
Rosenkilde als ein würdiger Nebenbuhler Brünet's und Potier's in seinem
unvergleichlichen =Trop und Hummer= da. In »Die Dänen in Paris« und in
»Kjöge's Hauskreuz« bewunderten wir Phister's herrliche, vortreffliche,
dänische Bauerjungen. Was aber in diesen Stücken besonders dazu beitrug,
ihnen die außerordentliche Kraft, mit der sie wirkten, zu verleihen,
war: daß Thalia selbst vom Olymp herniederstieg und darin spielte. Sie
trat zuerst vermummt, wie eine kleine tanzende Terpsichore im Ballet
auf, und Heiberg war scharfblickend genug, um ihren Werth zu entdecken,
sich ihrer anzunehmen, sie erziehen und in seinen Stücken auftreten
zu lassen, wo sie alle Menschen durch ihre unbeschreibliche Grazie,
ihre muntere Schelmerei, ihre Anmuth und ihr Genie hinriß. Später hat
sie sein Leben als seine Gattin beglückt, und uns in vielen Rollen
Gelegenheit gegeben, ihre Reife zu bewundern. Auch meine Stücke hat sie
geehrt und ihnen genützt. Ihr Talent, einen liebenswürdigen Jungen zu
spielen, zeigte sich in dem »kleinen Schachspieler«; in »Gyda« war sie
die tragische, abgelebte Hexe, und in »Dina« und »Gudrun« das anmuthige,
blühende, eigenthümliche Weib.

                    *       *       *       *       *

Als ich eine Zeitlang Deutsch geschrieben hatte, gab ich meine dänischen
Gedichte in drei Bänden heraus und schrieb einige Singspiele, ehe ich
wieder größere Werke anfing. Es geht dem Dichter wie dem Maler; die
Einförmigkeit ermüdet, die Abwechselung stärkt. Ein thätiger Geist kann
nicht ganz ruhen. Aber es giebt eine leichtere Arbeit, die doch mehr
erquickt, als die bloße Ruhe. Diese Arbeit kann auch ein angenehmer
Genuß für den Leser und Zuschauer sein, dessen Geist nicht stets auf das
Höchste gespannt sein will. Wenn man den Strom tragisch herabstürzen,
die Quelle lyrisch durch Blumen dahin hüpfen gesehen, so kann man wohl
zuweilen dem ruhigen muntern Bache folgen, wie er mit kleinen Steinen
in seinem Bette spielt, oder im Schilfrohre schäumt. -- Aber diese
Freiheit versagte man mir. Ich durfte nicht komisch und lustig sein.
Ich sei nicht komisch, sagten meine Tadler. Aber sie sagten es zu
derselben Zeit, als sie behaupteten, daß ich auch nicht recht lyrisch,
oder episch, oder tragisch, oder überhaupt echt dramatisch sei, daß
all' meine Werke, bis auf die Romanzen, mehr oder weniger mißglückte
Versuche seien, denen es an Charakter, Composition, Gedankenreichthum
und Witz fehlte. Aber -- _mirabile dictu_ -- doch sei ich ein wahres
Genie und ein großer Dichter! -- Also nur die Phantasie und das Gefühl
sollten zuweilen unbewußt und wie im Traume über mich kommen und mich
den Parnaß, wie einen Nachtwandler das Dach, im Mondenscheine ersteigen
machen. Uebrigens war es merkwürdig, daß größtentheils Poeten, oder
Leute, die selbst Verse machten, mich so streng tadelten.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Flucht aus dem Kloster.]

Ein Stück, welches mir wirklich mißglückte, war »Die Flucht aus dem
Kloster.« Eine kühne Idee verführte mich, es zu schreiben. Ich wollte
das Meiste von den Tönen in Mozart's _Cosi fan tutte_ mit menschlichem
Stoff verbinden, denn der Text, zu dem er die Musik componirt hatte,
war wirklich unter aller Kritik. Hier ist nicht die Rede von der
Ausführung oder von der poetischen Behandlung des Stoffes, sonst würde
auch die Zauberflöte unter aller Kritik sein. Aber all' die poetischen
Elemente: das Uebernatürliche, das Erhabene, das Erotische, das
Anmuthige, das Luftige und Naive bewegen sich in der Zauberflöte wie
in einem Traume, deutlich gemacht und poetisch ausgemalt durch die
Musik, und wenn man nicht Schikaneder's Unsinn liest, und dem Dialoge
nicht aufmerksam folgt, so genießt man durch Mozart, der hier zugleich
Dichter und Componist ist, die schönsten Märchen. Aber _Cosi fan
tutte_ ist lauter schwache Unnatur. Zwei Liebhaber kommen nach einer
fingirten Reise verkleidet zurück, um ihre Geliebten zu prüfen, ohne
daß diese sie kennen, und hierdurch entstehen buhlerische Coquetterien
(eine echte Wiener Torte), die nur den Wienern schmecken konnten. Aber
Mozart's Musik schmeckte Allen; denn wenn man sie hörte, waren diese
schönen Töne, in denen besonders das Adagio vorherrscht, voller Gefühl
und Wahrheit. Aber ein neues Stück zu einer großen fremden Musik mit
combinirten Nummern zu schreiben, wurde stets für eine Unmöglichkeit
gehalten; und ich überzeugte mich davon, obgleich ein großer Theil recht
gut ging und nur der letzte Act und der Schluß des Stückes sich nicht
fügen wollte. Es wurde doch vier Mal kurz hintereinander aufgeführt.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Wäringer in Constantinopel.]

Im Jahre 1826 schrieb ich die =Wäringer in Constantinopel=, in denen das
herrliche Kleeblatt, Madame Werschall (jetzt Nielsen) als Maria, Ryge
als Eremit und Nielsen als Harald mich kräftig unterstützte. Das Stück
erwarb sich großen Beifall. Die folgende Tragödie: =Karl der Große= fand
auch Beifall, aber kein so volles Haus. Ryge war hier wieder herrlich
als Karl, nicht minder waren es Madame Werschall und Fräulein Pätges
(jetzt Frau Heiberg), als seine Töchter Imma und Bertha. Ich habe dieses
Stück vielfach umgearbeitet. Die Scene zwischen Karl und Wittekind
endigt jetzt die Tragödie. Die Episode mit Gottfried und dem Bilde des
Holger Danske ist aus dem Stücke herausgenommen und zu einem Nachspiel
gemacht.

Von den =Drillingsbrüdern von Damask=, wozu Kuhlau herrliche Musikpieçen
geschrieben hat, kann ich wohl sagen, daß sie nicht das Glück
machten, welches sie verdienten. Dies entsprang hauptsächlich aus der
Schwierigkeit, drei Schauspieler zu finden, die einander so glichen,
daß es natürlich war, wenn man den einen für den andern hielt. Man
wollte und konnte keine Masken gebrauchen; an die Leichtigkeit hingegen,
durch aufgeklebte Augenbrauen, Nasen und Bärte, die Aehnlichkeit
hervorzubringen, dachte man nicht. Winslöw war als Babekan und Madame
Werschall als Lyra vortrefflich. Ich übersetzte später dieses Stück ins
Deutsche; es erwarb sich Tieck's Beifall (ich hatte es ihm vorgelesen),
und er las es selbst häufig in seinen Abendgesellschaften vor.

In den =Longobarden=, einem Stücke in Einem Akte, das darauf folgte,
suchte ich Sophokles noch um einige Grade näher zu kommen, wie in Baldur
und Yrsa, obgleich der Stoff in Baldur großartiger und in Yrsa rührender
ist.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Hrolf Krake.]

Im Jahre 1827 schrieb ich das Heldengedicht =Hrolf Krake=, der sich
von meinen beiden andern epischen Gedichten: Helge und die Götter des
Nordens, in Charakter und Colorit durchaus absondert, sowie auch diese
beiden untereinander verschieden sind. Die Romanzen in Helge sind kecke,
leicht hingeworfene Skizzen, starke Conturen der nordischen Natur und
äußerer Thaten, wobei wohl auch mit einzelnen deutlichen Zügen der
geistige Zustand angedeutet ist. Die Götter des Nordens sind große,
sorgfältig ausgeführte Phantasie- und Naturbilder für religiöse und
philosophische Ideen. Hrolf Krake nähert sich der Tragödie und ist mehr
ein eigentliches Epos. Hier wird zwar auch das alte Heldenleben in
epischer Vollständigkeit dargestellt; aber das Charakteristische, das
innere Menschliche ist die Hauptsache. Tugend und Laster, Charaktere,
milde Sitten und Barbarei kämpfen tragisch und rühren wie in der
Tragödie zu Schrecken und Mitleid.

Vor vielen Jahren war von der Gesellschaft der schönen Wissenschaften
ein Preis für eine gute Epopöe ausgesetzt. Der Pastor =Jens Michael
Hertz= gab im Jahre 1804 sein in Hexametern geschriebenes =befreites
Israel= heraus. Obgleich nun die Richter meinten, sie dürften dem
Verfasser für das eingereichte Preisgedicht der epischen Poesie nicht
das ganze Honorar geben, so bekam er doch 600 Reichsthaler; 400 Thaler
waren also übrig geblieben, und erwarteten nach einem Verlauf von
23 Jahren den Würdigen, der sie verdienen könne. Ich hatte freilich
bereits die Götter des Nordens und Helge gedichtet; da diese Gedichte
aber nicht in Einem Versmaße zusammenhängen, sondern Cyklen mehrerer
(freilich zusammenhängender) Gedichte waren, so wagte ich nicht, um
die 400 Thaler zu bitten, da ich mich der Möglichkeit auszusetzen
befürchtete, daß man sagen könnte, es seien keine ordentlichen Epopöen.
Der Gebrauch, den Dichtern Honorar zu geben, die nicht darum ansuchten,
war in der Gesellschaft noch nicht eingeführt, und ich erhielt also
Nichts. Indessen lief mir doch das Wasser nach den 400 Thalern im Munde
zusammen, und obgleich Hrolf Krake kein wirklich =klassisches= Epopöe
war, da ich weder die Muse des Gesanges angerufen, noch Homer und
Virgil nachzuahmen, sondern im Gegentheil so originell und national,
als möglich zu sein versucht hatte, so dachte ich, daß es vielleicht
doch anginge, und reichte der Gesellschaft durch Rahbek, welcher ihr
Secretair war, das Gedicht ein.

Später hörte ich, daß Geheimrath Malling, der Präsident der
Gesellschaft, Mühe gehabt hatte, mit dem Metrum zurechtzukommen, das ich
im Hrolf Krake gewählt hatte; aber Hohlenberg, Professor der Theologie,
sein Schwiegersohn, war dem Gedichte zu Hülfe gekommen, hatte es ihm
vorgelesen; und hierdurch war er auf die Wirkung aufmerksam geworden,
die ich durch das Versmaaß hervorzubringen gesucht hatte. Helge und die
Götter des Nordens waren Verbindungen von mehr getrennten Gedichten,
deren Verschiedenheit in Inhalt und Wesen auch Verschiedenartigkeit
in Ton und Ausdruck erfordert. Hier kamen mir also die wechselnden
Versformen (und bei Helge sogar die Tragödienform) sehr zu Hülfe. Aber
Hrolf Krake war ein zusammenhängendes Ganze, bei dem der Grundton
nicht verändert werden durfte. Ich hatte mich also nach einer Versart
umgesehen, die durchweg gebraucht werden konnte; aber wie nun eine
solche finden? Den Hexameter wollte ich nicht wählen, um in meinem
Gedicht nicht das griechische Colorit vorwalten zu lassen. Man könnte
sagen: Warum gebrauchtest Du denn den Trimeter in vielen Deiner
nordischen Tragödien? ich antworte: Eine edle, große Sprachform =mußte=
ich haben; die alte, nordische Poesie besitzt keine solche dramatische
Form; der Trimeter hat eine hohe Einfalt, und das alte nordische
Heldenleben zeigt in seinen großen Thaten eine gewisse Aehnlichkeit mit
dem Altgriechischen; deßhalb ließ sich der Trimeter mit seiner kräftigen
Würde sehr gut in das Nordische überführen ohne dessen Eigenthümlichkeit
zu verwischen. Wenn ich nichts Anderes gehabt hätte, würde ich den
Hexameter auch hier gebraucht haben; aber wir hatten, wenn auch nicht
von der Edda und den Skalden her, so doch von den Kämpenweisen des
Mittelalters einen epischen Grundton, der weder verschmäht noch verkannt
werden durfte. Aber in den Kämpenweisen gehen die vier kurzen Zeilen zu
sehr in das Lyrische über, und ermüden das Ohr durch die Wiederholung.
In dem deutschen Nibelungenliede sind die Zeilen doppelt so lang und
nehmen doppelt so viel Stoff in sich auf; aber auch so schien mir
für ein großes Gedicht der Klang zu monoton wiederzukehren. Darin
besteht der Vorzug des Hexameters, daß er den Wohlklang des Verses der
Abwechselung der Prosa in Takt und Wortwendungen verbindet. Ich beschloß
nun in dem Hrolf Krake selbst ein ganz episches Versmaaß zu bilden,
indem ich die Verse, wie sie sich im Nibelungenliede finden, bald in
größeren, bald in kleineren Perioden verband; mit einem Aufenthalt in
den Zeilen, bald hier bald da, bald am Ende mit einem Reim; auf diese
Weise schaffte ich mir selbst einen Vers, der noch nicht gebraucht war,
und glaube dadurch auch die Versmonotonie vermieden zu haben, die sich
in den schönen Dichtungen Ariost's und Tasso's findet.

Hrolf Krake wurde von der Gesellschaft der schönen Wissenschaften gut
aufgenommen, und ich bekam die 400 Thaler.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Baggesen's Tod.]

In dem Jahre wo ich Hrolf Krake schrieb, starb Baggesen in Deutschland.
In den späteren Jahren nach meiner =Erklärung an das Publikum= hatte er
aufgehört mich zu verfolgen. Der Tod versöhnt, und das ist das Schöne
am Tode, daß er die ganze Schattenseite des Menschen im Dunkel des
Grabes verschwinden läßt; die Lichtseite bleibt wie ein Lichtgenius
zurück, wie das Unsterbliche, das, wenn der Mensch sich ausgezeichnet
hat, nicht allein dem Himmel angehört, sondern auch etwas Himmlisches
auf der Erde zurückläßt. Und das war mit Baggesen gewiß der Fall.
Seine muntere Laune, sein Witz, seine augenblicklich aufflackernde
Begeisterung, seine Beredsamkeit, sein durch viele Reisen und geistige
Beschäftigung erworbenes Wissen und seine Menschenkenntniß, seine
unendliche Freundlichkeit und Ergebenheit, wenn er gut gegen Jemand
gestimmt war: alles Das mußte ihm Freunde und Bewunderer erwerben. Aber
was ihm leider fehlte, war Ausdauer in Gefühl, Ansichten und Handlungen,
und dieses Wanken störte die meisten schönen Verhältnisse in seinem
Leben, wenn sie eine Zelt lang gewährt hatten. Er hatte nicht männliche
Kraft genug, um seine Bestimmung recht zu erkennen und die Eitelkeit
trieb ihn zu sehr nach dem Scheine zu haschen, und sich selbst und
Andere durch Spitzfindigkeiten und Halbwahrheiten zu täuschen, die in
einem fieberhaft erregten Zustande zu Unwahrheiten und Sünden gegen
Recht und Billigkeit übergingen. Wenige Andere sind mehr von seinen
glänzenden guten Eigenschaften eingenommen gewesen, als ich. In Paris
lebten wir in brüderlichem Verhältnisse, erst in Kopenhagen wandte sich
das Blatt ganz. Wenn ich im Anfange etwas geduldig und vorsichtig gegen
ihn gewesen wäre, so würde er wohl nicht soweit gegangen sein. Eine
gewisse Heftigkeit und Stolz in meinem Wesen fachte damals das Feuer an.
Ich achtete vielleicht auch sein Genie zu wenig; erst mit den Jahren
kommt man zu der besonnenen Billigkeit, die Jedem sein Recht widerfahren
läßt und nicht von gewissen Vorurtheilen der Zeit beherrscht wird. Gegen
Ende unsers Zusammenlebens war der Bruch so gewaltig stark geworden,
daß erst der Tod eine Brücke über diesen Abgrund schlagen mußte. Das
war nun geschehen; der Eindruck der milden friedlichen Tage kehrte
zurück; die schöne Erinnerung rührte mich, und in diesem Gefühle schrieb
ich folgenden Prolog, der auf dem Theater bei seiner Gedächtnißfeier
gesprochen wurde.

         Von wehmuthsvollem Schweigen tief durchdrungen
         Stehn wir bei dieses Festes trübem Glanz;
         Wer hat: »Als ich noch klein war« je gesungen,
         Und gönnt der Dichterurne nicht den Kranz?

         Wer ging zur Schul' in seiner Kindheit Tagen,
         Den Kallundborg'sches Lied nicht froh gemacht?
         Wer hat den schwarzen Schülerrock getragen,
         Und über Jeppe's Scherze nicht gelacht?

         Wer, dem die Liebe einst geflochten hätte
         Den Kranz, als sie im Herzen ihm erwacht --
         Wer sang mit =Baggesen= nicht Henriette,
         Und von Lyciliens, von Selinens Macht?

         Wer saß mit Freunden bei dem heitern Mahle,
         Und hat sich mit dem Dichter nicht vereint:
         »Daß stets das Weib in holder Anmuth strahle,
         Daß Bacchus Freude bringt, wo er erscheint?«

         Wer fühlt' die Wangen bei der Heimkehr glühen
         Und stimmt' nicht jubelnd mit dem Sänger ein:
         »Daß nirgends so die Rosen roth erblühen,
         Und daß die Dornen nirgends gar so klein?«

         Von Stadt zu Stadt wirst Du nicht weiter wallen,
         Du muntrer Sänger mit dem heitern Sinn;
         Die stumme Harfe trauert in den Hallen
         Ihr Leben schwand mit Deinem Leben hin.

         Wohl bist Du todt! Doch in dem sel'gen Schlummer
         Ward Deinem Herzen Ruh', es blutet nicht.
         Gleich Wolkenschatten schwand des Lebens Kummer,
         Und herrlich strahlt Dir jetzt das ew'ge Licht.

         Es schwindet mit dem Tod des Lebens Grauen.
         Es schweigt der Sturm -- der Himmel strahlt im Glanz --
         Und wenn wir weinend auf Dein Grab gleich schauen,
         So tröstet uns darauf der Lorbeerkranz.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Tod meines Vaters.]

Kurz darauf verlor ich meinen Vater. Dieser Greis zeichnete sich noch in
einem Alter von 79 Jahren durch Kraft und Munterkeit aus. Seine blauen
Augen strahlten, seine rothen Wangen glühten wie bei einem Jüngling. Wir
nannten ihn den Alten vom Berge. Mehrere Jahre hindurch war es meine
größte Freude, ihn am Sonntag mit Weib und Kindern zu besuchen, und die
Kleinen da spielen zu lassen, wo ich als Kind selbst gespielt. Er war
hitzig und aufbrausend, hatte aber das beste Herz, war versöhnlich,
zuvorkommend, wohlthätig und von Allen die ihn kannten, wegen seiner
Gutmüthigkeit und seines Humors geliebt. Er war eitel auf seinen Sohn;
aber als vernünftiger Vater, der seinen Sohn nicht verziehen wollte,
ließ er mich Nichts davon merken. Nur zuweilen überrumpelte ich sein
Gefühl, wenn er meine Gedichte gelesen hatte. Er unterhielt sich gern
mit Spaziergängern auf dem Schloßberge und besonders gern mit Studenten;
dann leitete er die Rede auf mich, und wenn sie etwas Gutes von mir
sagten, that es ihm wohl, da er sein Incognito noch unentdeckt glaubte.
Das wußten viele gute Menschen und machten dem Alten oft die unschuldige
Freude. Unser Freund Professor Sibbern schrieb vor einigen Jahren zu
seinem Geburtstage ein Gedicht, in dem folgende ehrende Worte standen.

                  Vor manchem andern schönen Loos',
                  Das aus der Götter reichem Schooß'
                  Dem Menschen fällt, erheb' ich Eins,
                  Das ist, verehrter Alter! Deins.

                  Dir ward ein ewig wahres Gut:
                  Die rege Lust, der leichte Muth,
                  Und zu dem losen, heitern Scherz
                  Der rechte Quell, das edle Herz!

                  Der Jugend frischer Lebenssaft,
                  Des Mannes starke, rasche Kraft,
                  Dazu des Alters Ehrentracht:
                  Der weißen Haare Silberpracht.

Er hatte viel natürlichen Witz, von dem ich einige Züge anführen
will. Als er einmal in der Stadt bei einer reichen Freundin zu Mittag
gespeist hatte, wo aber der Ueberfluß nicht stets mit Geschmack und
Ordnung vereinigt war, und wir nach der Rückkehr ihn fragten, wie es ihm
gegangen sei, antwortete er: »Vortrefflich, ich lebte grade so gut wie
Christus am Kreuze, ich bekam Essig und Myrrhen.« Der König kam einmal
hinaus, um eine Fuchsjagd im Südfelde zu halten. Die Treiber umringten
es klappernd. Am Eingange zum Südfelde stand mein Vater und machte als
Schloßverwalter die Honneurs. Der König ging voran und die Hofherren
folgten in geringem Abstande nach. »Guten Morgen, Oehlenschläger,«
rief der König, »sind viel Füchse im Südfelde?« -- »»Noch nicht, Euer
Majestät!«« antwortete mein Vater sich tief verbeugend, mit einem Blicke
auf die Hofherren, »»aber sie werden gleich kommen.«« Das Gelächter, das
Friedrich der Sechste aufschlug, zeigte, daß er ihn verstanden hatte.
-- Aber nicht immer gefielen dem Könige die Antworten des Alten. Als er
einmal mit ihm über einige Zimmer im Schlosse zur weiteren Benutzung
sprach, sagte mein Vater: »Euer Majestät! s' ist kein Loch mehr da,
groß genug, daß ein deutscher Prinz darin liegen könnte.« Mit ernster
Miene aber schonendem Tone, sagte der König zum Oberhofmarschall: »S'
ist Oehlenschläger!« Er meinte also, »dem man Etwas zu Gute halten
muß.« Als mein Vater einmal den König um freies Holz bat, fragte dieser
scherzend: »Sind Sie nicht Holzverwalter?« -- »»Ja, Euer Majestät!««
-- »Und Sie wollen mich glauben machen, Sie hätten nicht freies Holz?«
-- »»Vielen Dank, Euer Majestät!«« antwortete mein Vater, indem er
sich wegen der in scherzendem Tone gegebenen Erlaubniß tief verbeugte.
Mit seiner alten Magd hatte er, wenn er allein saß, viel komische
Gespräche. Als Organist an der Friedrichsberger Kirche war er gewohnt,
Begräbnisse mit derselben Munterkeit zu betrachten wie Hochzeiten
und Kindtaufen; denn bei solchen Gelegenheiten ertönte die Orgel
und war Etwas zu verdienen. Eine stille Beerdigung war früher eine
Strafe, die nur Selbstmörder und andere große Verbrecher traf. Eines
Winterabends sagte er zu dem Mädchen, die in demselben Zimmer spann,
wo er im Lehnstuhle las: »Hast Du Aeltern?« -- »»Nein!«« -- »Verwandte
und Freunde?« -- »»Nein!«« -- »Na, das hat nichts zu sagen, Du sollst
doch ehrlich begraben werden, wenn Du einmal stirbst, Du sollst einen
großen, festen Sarg von gutem Fichtenholz bekommen, und für ein hübsches
Leichenhemde will ich auch sorgen.« Das Mädchen dankte sehr, konnte
aber nicht begreifen, woher diese Güte käme, da ihr nicht das Geringste
fehlte, und sie zwanzig Jahre jünger war, als er. Aber es war, als er
da saß und las, ihm eingefallen, daß sich so etwas ereignen könne, und
so wollte er aus lauter Sorge für das arme Mädchen, da er fürchtete daß
die bevorstehenden Ausgaben bei der Beerdigung sie ängstigen könnten,
ihr den Stein vom Herzen nehmen. Auf diese Weise konnte er ihr nun nicht
helfen, da er früher als sie starb, aber er half ihr doch wirklich
während seiner Lebenszeit, und das auf eigene Weise. Er spielte in der
Lotterie. Der Collecteur wohnte in der Friedrichsberger Allee und
besuchte ihn mitunter des Vormittags. Als mein Vater sich einmal darüber
beklagte, daß er nie Etwas gewonnen hätte, rieth ihm der Andere, weiter
zu spielen, »man könne ja nicht wissen, ob das Glück sich nicht wenden
würde.« Mein Vater nahm also ein Loos, schenkte es aber dem Mädchen,
und diese gewann wirklich 500 Thaler. Einige Zeit darauf wurde derselbe
Collecteur ergriffen als Betrüger, der durch Taschenspielerkünste alle
Nummern ziehen konnte, die er wollte, und sich dadurch große Summen
angeeignet hatte, die er nachher wieder mit Dirnen und vornehmen Gästen
vergeudete. Zuweilen hatte er gute Freunde gewinnen lassen; es mußte
also meinem Vater lieb sein, daß er nicht gewonnen hatte, aber das
Mädchen nahm es nicht so genau und bekam auf diese Weise mehr als sie
zur anständigen Beerdigung brauchte.

Gegen das Ende seines letzten Lebensjahres begann mein Vater zu kränkeln
und litt oft an Erkältungen. Im Frühjahr 1827 bekam er das kalte
Fieber, das oft wiederkehrte, und in der Hitze desselben starb er in
einer frühen Morgenstunde. Als ich hinaus kam und seine freundliche
Leiche in der kleinen Kammer sah, wo ich als Knabe so viele Jahre neben
ihm geschlafen hatte, sang eine Nachtigall draußen im Baum. Und --
sonderbar -- ich habe nie, weder früher noch später, eine Nachtigall
daselbst gehört. Einige Tage später fuhr er den Hügel hinab, den er
so oft betreten hatte, und in der Kirche, in der er 46 Jahre lang die
Orgel gespielt und Psalmen gesungen hatte, wurde sein Sarg vor dem Altar
hingestellt, und sein würdiger Freund, Herr Hofprediger Schiödte, der,
obgleich ein jüngerer Mann, viele Jahre mit ihm umgegangen war, sprach
ehrende Worte an seiner Leiche.

                    *       *       *       *       *

Nun wurde mir also das Friedrichsberger Schloß, das mir während meines
ganzen Lebens meine eigentliche Heimath gewesen war, eine fremde
Stätte, und der liebe Heerd von einer andern Familie eingenommen.
Zufälligerweise geschahen gleich nach dem Tode meines Vaters viele
Veränderungen an dem Schlosse, dem Garten und der Landstraße, welche
viel dazu beitrugen, mir das Wohlbekannte fremd zu machen. Der kleine
Garten meines Vaters, den er aus einem Steinhaufen in ein fruchtbares
Plätzchen umgewandelt hatte, lag neben dem der Kronprinzessin. So
lange der Greis lebte, konnte sie es nicht über sich gewinnen, ihm
denselben zu entziehen, aber, als er nun todt war, wurde das Plankenwerk
fortgenommen, dieser Platz verändert und mit den übrigen Anlagen
verbunden. Einige Fruchtbäume blieben stehen, und hier muß ich einen
schönen Zug vom Herzen der Kronprinzessin anführen. -- Im nächsten Jahre
in der Kirschenzeit schickte sie meinen Kindern einen Korb mit Kirschen,
in welchem ein kleiner Zettel lag auf dem von ihrer Hand geschrieben
stand:

                        »Von des Großvaters Baum
                                   =Caroline=«.

            Ich habe diesen Zettel in mein Stammbuch geklebt.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Carsten Hauch.]

Kurz nach dem Tode meines Vaters kam mein Freund =Carsten Hauch= von
seiner Reise ins Ausland zurück. Das Wiedersehen erfreute mich, denn ich
hatte lange den Umgang dieses herrlichen Freundes entbehrt. Seine Reise
hatte seine Kenntnisse vermehrt und erweitert, und ihn mit vielseitiger
Bildung bereichert; auch den Musen hatte er gehuldigt und brachte mehre
Dichtungen heim, die er in Italien geschrieben hatte. Von diesen gefiel
mir =Die Hamadryade= am Wenigsten; aber da Ludwig Tieck besonders dieses
Gedicht (das auch Deutsch geschrieben war) gelobt und sich erboten
hatte, es mit einer Vorrede herauszugeben -- was übrigens unterblieb, --
so wollte ich nicht widersprechen.

In =Tiberius= bewunderte ich das vortreffliche historische Portrait und
fand, daß Hauch den Tacitus meisterhaft in Poesie übertragen habe. In
diesem sowie in den übrigen Stücken herrscht eine edle Indignation über
die empörenden Laster der Erde, die sich in beißender, tragischer Satire
ausspricht. Die vielen schönen pathetischen Stellen, die originellen
Bilder, z. B. Gregor's Beschreibung der Kirche, Tiber's Monologe, zeugen
von wahrem Dichtergenie. Nur scheint es mir, als ob in diesen Tragödien
und später besonders in =Don Juan= zuviel Grau in Grau gemalt sei.

Daß er in seinem =babylonischen Thurmbau= (in dem übrigens viel
=Aristophanisches= ist) zu weit ging, muß mit der Heftigkeit
entschuldigt werden zu der man leicht verleitet wird, wenn man lange
vergebens gegen Unbilligkeit und Spott ankämpft.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Meine gesammelten Werke.]

Im Mai 1828 erhielt ich vom Buchhändler Max in Breslau einen Brief,
der mich auf angenehme Weise überraschte. Als deutscher Verfasser
hatte ich in oft wechselnden Verhältnissen zu deutschen Buchhändlern
gestanden. Cotta kam mir liberal entgegen, bezahlte gut, that aber
nichts, meinen Büchern Absatz zu verschaffen. Er druckte sie, wie der
alte Brockhaus sagte, auf Löschpapier, ließ sie auf dem Boden liegen,
ohne recht für den Absatz zu sorgen, und sie dann in seinen eigenen
Blättern herunterreißen. Das Manuscript zum Palnatoke war ihm abhanden
gekommen, doch fand er es aber nach Jahren wieder. Meinen Correggio ließ
er auch mehrere Jahre liegen, ehe er ihn druckte. Kein ästhetisches Werk
in Deutschland hat größeres Glück gemacht. Correggio wurde auf allen
Theatern 30 Jahre lang gespielt, und Cotta, der keinen Contract mit
mir geschlossen, hat gewiß mehrere Auflagen davon gemacht. Uebrigens
glaube ich, daß er an den meisten meiner Arbeiten verloren hat; das
Altnordische schmeckte den Deutschen nicht. Zuletzt hatte weder er, noch
der jüngere Brockhaus Lust, meine Gedichte zu verlegen. Als ein Beispiel
hierfür mag dienen, daß mir Brockhaus die Uebersetzung meines Helge
zurücksandte, ohne das Werk verlegen zu wollen. Helge hatte ich nicht
ganz allein übersetzt; ein Herr Voß in der deutschen Kanzlei hatte
erst das Gedicht übersetzt und mir dann erlaubt, es ganz nach meinem
Sinne zu bearbeiten. Das hatte ich dann auch gethan. So ist Helge in der
Sammlung gedruckt, die später bei Max erschien, und so las Brockhaus das
Gedicht, wie er mir versicherte, mit großem Vergnügen. Aber er wagte
nicht, es zu verlegen, aus Furcht vor Mangel an Absatz. Die Uebersetzung
von Tegnér's Frithiof war in Aller Mund und erlebte eine Auflage nach
der andern; -- aber Helge wurde nie besprochen und stets nur von Wenigen
gelesen. Weshalb? theils wohl, weil die Kraft der Originalsprache
nicht darin war; das war aber auch bei den Uebersetzungen des Frithiof
nicht der Fall. Die Hauptursache war, daß Frithiof mit seiner
=sentimental-erotischen= Lyrik den Damen gefiel; dagegen hatten nur
wenige deutsche Männer Interesse für das =Episch-Heroische= in Helge.

Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, als Schriftsteller in
Deutschland ferner noch aufzutreten, als Max mir schrieb:

»Euer Wohlgeboren wollen mir vergönnen einige Zeilen an Sie richten zu
dürfen. Es betrifft Ihre Werke, welche vor vielen andern es verdienen,
vollständig gesammelt in einer neuen Ausgabe zu erscheinen. Erlauben
es Zeit und Verhältnisse an eine Gesammtausgabe Ihrer vortrefflichen
Schriften zu denken, so wage ich es mich als Verleger anzubieten, --
indem ich und meine Firma dadurch geehrt werden. Die Autoren sind einmal
die Sonnen der Buchhändler, diese erhalten nur Licht und Glanz durch
jene, und todt ist ihr Wirken, wird es nicht durch jene belebt«.

Das war nun eine erfreuliche Nachricht, und wir wurden bald einig.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Camma Rahbek's Tod.]

Noch ein paar Jahre nach dem Tode meines Vaters blieb mir das Hügelhaus
in jeder Beziehung ungestört. Rahbeks hatten keine Kinder, sie lebten
in denselben Zimmern, auf dieselbe Weise, wie vor dreißig Jahren, wo
ich ihre Bekanntschaft machte. Eines Abends, im Jahre 1828, als ich
bei ihnen am Tische saß, schien es mir selbst so höchst wunderbar, daß
ich kein rechtes Vertrauen zur irdischen Beständigkeit fassen wollte,
sie erschien mir wie ein Blendwerk. Und das war es, denn kurz darauf
verschwand die schöne Seifenblase. Camma Rahbek's Husten nahm immer mehr
zu; sie hatte einige Jahre hindurch gekränkelt, und man gewöhnt sich
endlich an so Etwas, daß man sich nicht mehr darüber beunruhigt, weil
man immer hofft, daß es wenigstens beim Alten bleiben werde; aber der
Lampe fehlt es endlich an Oel und sie geht aus. Rahbek hat im letzten
Theil seiner Erinnerungen ihren Tod so anziehend und schön beschrieben,
daß ich nichts Besseres thun kann, als den Leser, der mehr von ihr
wissen will, darauf zu verweisen. Mein Freund, Bischof Mynster, hat uns
eine vortreffliche Charakteristik von Beiden gegeben.

Als in den letzten Tagen ihr Husten sich sehr verschlimmerte, schenkte
ihr Frau Brun eine hübsche Ziege, deren Milch sie trank, und die sie
zu ihrem Vergnügen im Zimmer hatte. Ich pflegte ihr sonst selten Etwas
von dem, was ich schrieb, vorzulesen, aber nun fühlte ich gleichsam
einen Drang dazu in der Ahnung, daß es das letzte Mal sei. Ich hatte
grade Karl den Großen vollendet, und Camma lag auf ihrem Sopha und
hörte zu, während Rahbek an ihrer Seite saß. Ich entsinne mich noch,
wie sie bei der Stelle zusammenschreckte, wo Wittekind Karl, der ihn
bittet, die Axt liegen zu lassen, mit einem donnernden: »Nein, Karl«!
antwortet. Sie folgte der Lectüre mit Theilnahme und Aufmerksamkeit.
Dies war aber auch unser letzter geistiger Verkehr hier auf Erden. In
der strengen Winterkälte bekam ich einen Podagraanfall; der starke Frost
hat vielleicht auch ihr Ende beschleunigt; sie starb und ich konnte
ihrem Sarge nicht folgen, aber ich schrieb ein Lied, das sich in meinen
Gedichten findet.

[Sidenote: Rahbek's Tod.]

Rahbek folgte seiner Camma ein Jahr darauf. Dieser merkwürdige Mann
hat viel zur Verbreitung der ästhetischen Kultur in seinem Vaterlande
beigetragen, obgleich er oft verkannt wurde, und, wie dies häufig der
Fall ist, viel von der Undankbarkeit einer jüngern Zeit litt. Rahbek's
Geist war nicht tief, seine Phantasie nicht feurig, sein Verstand
nicht scharf, aber mit einer außerordentlichen Liebe für den Theil
der Poesie, für den er sympathisirte, hatte er seine Empfänglichkeit
dafür, seine Einsicht darin durch unablässiges Studium und wiederholte
Lektüre ausgebildet. Mit feinem Scharfblicke, Witz und Beobachtungsgabe
ging er auf das Psychologische in den dichterischen Motiven ein; aber
obgleich Ewald ihn erst geweckt hatte, und er diesen Dichter stets
als unerreichbar groß ansah, so hatte doch Rahbek's eigene Natur ihm
besonders die Schilderungen des Lebens lieb gemacht, die sich in den
Iffland'schen Stücken finden, von denen wir nach seiner Zeit herrliche
Früchte in den von Heiberg herausgegebenen Alltagsgeschichten, kurz, in
dem poetischen Genrebild erhalten haben. In den besseren Iffland'schen
Stücken spielte Madame Rosing in Rahbek's jüngern Jahren ganz
vortrefflich; diese herrliche Künstlerin hatte einen tiefen Eindruck
auf Rahbek gemacht, er liebte sie mit platonischer Liebe, und das trug
gewiß nicht wenig dazu bei, ihn diese häuslichen Scenen lieb gewinnen
zu lassen, die sein erstes sentimentales Entzücken über Rousseau's neue
Heloise und Göthe's Werk verdrängte. Für das Pathetische hat er von
Natur weniger Interesse, obgleich das Große und Patriotische stets einen
tiefen Eindruck auf ihn machte. Aber in seiner witzigen kalten Stimmung
konnte er auch oft das Schwülstige und Uebertriebene auffinden, das er
ebenso sehr wie den Luxus und die Vornehmheit haßte.

Als Ryge einmal von Deutschland nach Hause kam, wo er Eßlair gesehen
hatte, und nun Hakon Jarl wieder spielte, meinte Rahbek, daß er wider
seine Gewohnheit ein Bischen zu stark auftrüge, und sagte, indem er ihn
fortwährend durch sein Perspectiv ansah: »Ja, das ist ganz gut, aber
die Natur ist nicht Deutsch«. Daß Rahbek witzig war, und daß seine
Trinklieder mit das Beste sind, was wir in dieser Art besitzen, darüber
sind Alle einig. Und ihm selbst lag doch nichts am Trinken, obgleich
er sich in seiner Jugend in Dreyer's Klub und in der Norwegischen
Gesellschaft aus Freundlichkeit und Nachgiebigkeit gegen die Anderen
bisweilen einen Rausch getrunken hatte. »Der Wein schmeckt mir
eigentlich wie Essig«, sagte er. Und darin hatte er Recht; denn =der=
Wein, den er in einzelnen Flaschen täglich nach dem Hügelhause aus der
Stadt holen ließ, hatte wirklich viel gemein mit dieser Säure. -- Rahbek
fehlte es an Charakterfestigkeit, so eigensinnig er auch war; eine
gewisse Schwäche des Geistes verhinderte ihn zuweilen ganz aufrichtig
zu sein; aber im Grunde war er ein sehr guter und sanfter Mensch. Er
hatte nicht nur Witz, sondern auch echtes Gefühl als Dichter in seiner
Bearbeitung von =Der Todten Wiederkehr=, seinem =Marienhügel= u. a. m.
an dem Tag gelegt. In seiner Persönlichkeit war sehr viel Komisches.
Zwei Dinge, zu denen die Natur ihm jede Fähigkeit versagt hatte, hatte
er am liebsten werden wollen, und beklagte immer, daß ihm die Umstände
dies versagt hätten, nämlich Soldat und Schauspieler. Im Studentencorps
war er stets ein eifriger Krieger; obgleich er nicht das Exercitium
lernen konnte, und selbst einmal gestand, »daß sie ihn zum Lieutenant
_à la Suite_ gemacht hätten, weil er nicht zum Gemeinen taugte«, trug
er doch noch beständig die Uniform, nachdem sie die Andern schon längst
abgelegt hatten. Comödie wollte er ungeheuer gern spielen. Einmal
sollte Robinson in England in Borups Gesellschaft aufgeführt werden.
Ich begegnete Rahbek sehr vergnügt auf der Straße. »Wo willst Du hin«?
fragte ich -- »»Ich will meine eigene Rolle spielen««. Es war die des
Magister Romanus. Rahbek meinte, daß ich in der Replik, wo von diesem
Magister gesagt wird, daß er für jede Meinung, die er sagte, wenn sie
noch so alltäglich sei, eine classische Autorität anführen müsse, auf
ihn gestichelt hätte.

[Sidenote: Zur Charakteristik Rahbek's.]

Rahbek war ein Cyniker; seiner Frau schenkte er oft schöne Kleider
und Putz; er selbst aber ging in einem groben dunkelblauen Rock und
kaufte sich erst einen neuen, wenn der alte ganz abgetragen war. Ich
sah ihn einmal, wie er auf offener Straße, vor einem Kleiderladen,
einen Rock anprobirte, den er kaufen wollte. Einen Regenschirm brauchte
er niemals; oft kam er durch und durch naß vom Hügelhause zur Stadt,
um Vorlesungen zu halten. Einmal wollte ihm der Pedell einen Rock
leihen, da er wie eine gebadete Maus aussah, aber er nahm ihn nicht an;
naß, wie er war, bestieg er das Katheder. Es wäre gewiß kein Wunder
gewesen, wenn er in diesem Zustande eine ziemlich trockene Vorlesung
gehalten hatte. Gastfrei empfing er seine Freunde bei seinen kleinen
Abendgesellschaften; aber wenn man den ganzen Weg gekommen war, ohne
beschmutzt worden zu sein, so konnte man dies doch unmöglich vermeiden,
wenn man dicht an seine Hausthür kam, die durch einen Tümpel verschanzt
war. Bischof Mynster schenkte Rahbek einmal etwas, das er selbst finden
sollte, zu seinem Geburtstage; wenn es aber Andere nicht gesagt hätten,
so würde er selbst es nicht entdeckt haben: es war nämlich ein eiserner
Abstreicher, den Mynster draußen vor der Thüre hatte anbringen lassen.
Als Rahbek todt war, that es den Leuten leid, zu hören, daß das liebe
Hügelhaus, welches so reich an schönen Erinnerungen war, eingerissen
und umgebaut werden sollte! Aber dies war wirklich durchaus nothwendig,
denn das Hügelhaus war eine elende Baracke, die nicht länger stehen
konnte. Bereits vor dreißig Jahren war es ein schlechtes Gebäude; aber
es lag anmuthig bei dem Südfelde (wohin Rahbek übrigens niemals einen
Fuß setzte) und er liebte die schöne Aussicht von dort. Eigentlich hatte
Pram diesen hübschen Landsitz gefunden und Rahbek vorgeschlagen, dort
mit ihm zu wohnen; denn von selbst wäre Dieser nicht darauf gefallen.
Eines komischen Scherzes von Pram entsinne ich mich, den Rahbek mir
erzählte. Als sie die Wohnung gemiethet hatten, ging Rahbek umher,
die Zimmer anzusehen, und als er zu dem Zimmer zurückkehrte, wo er
Pram verlassen hatte, lag dieser auf dem Rücken, alle Viere von sich
gestreckt, auf den Dielen. Rahbek wurde ängstlich und glaubte, Pram
hätte einen Anfall bekommen; dieser aber beruhigte ihn und sagte: »Mir
fehlt Nichts; ich habe mich nur so hingelegt, damit das Zimmer ein
Bischen höher wird«.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Besuch in Schweden.]

Im Sommer 1829 bekam ich eines Tags einen Brief vom Literaten Ove
Thomsen, in dem er mir vorschlug, mit ihm eine Lustfahrt auf dem
Dampfschiffe nach Malmöe und Lund zu machen. -- Eine solche Aufforderung
war nöthig, denn sonst wäre es mir nicht eingefallen und ich hätte mich
mit meiner gewöhnlichen Abendpromenade nach Friedrichsberg begnügt.

Mit meinem jüngsten Sohne William machte ich nun diese schwedische
Reise, und als ich auf dem Schiffe stand und mich der fremden Küste
näherte, konnte ich selbst nicht begreifen, warum es mir nie eingefallen
war, öfter hinüber zu fahren. Von meiner frühesten Kindheit an hatte
vom Friedrichsberger Hügel aus stets die Schoonen'sche Landstrecke den
Horizont für mein Auge gebildet. Durch das Telescop meines Vaters hatte
ich oft nach Malmöe hinüber gesehen, wenn der Sonnenschein daselbst auf
den Kirchthurm fiel.

In dem Bade =Ramlöse= bei Helsingborg, war ich freilich schon gewesen.
Um einmal an einer gesellschaftlichen Unterhaltung an diesem Orte
Theil zu nehmen, und um das Gewimmel der Nachbarnation zu sehen, von
der ich nur Einzelne kannte, fuhr ich eines Tags hinüber, als ein Ball
stattfinden sollte. A. S. Oersted, Spieß, Winckler und noch viele Dänen
fuhren mit. Man hatte nicht den König =Karl Johann= zum Feste erwartet;
er kam, und dies veränderte die Situation etwas. Man hatte geglaubt, daß
der Ballsaal zu öffentlichem Gebrauche sei, nun kam der schwedische Hof,
aber die Fremden wurden sehr artig empfangen. Im Saal konnte freilich
Keiner in des Königs Quadrille tanzen, der ihm nicht vorgestellt
war, weshalb der Hofmarschall mit vieler Höflichkeit mehrere sich
eindrängende Gäste darauf aufmerksam machen mußte. Ich drängte mich
durch das Gewimmel, um in das Vorgemach zu kommen, das auch voller
Menschen war. Hier wollte ich an der Thüre stehen bleiben, um den König
zu sehen, wenn er vorbeiginge, weil ich doch diesen großen Helden und
ausgezeichneten Menschen einmal in meinem Leben zu sehen wünschte. Ich
hatte noch nicht lange gestanden, als sich ein Adjutant den Weg zu mir
bahnte, und mich fragte: »ob ich Oehlenschläger sei!« Ich antwortete:
»»Ja.«« »Dann habe ich den Befehl, Sie zu Se. Majestät zu bringen.«
Ich folgte ihm und stand vor Karl Johann's ausgezeichnetem Antlitz. Er
sprach sehr gnädig mit mir, und fragte mich unter Anderm, ob ich einige
schöne schwedische Damen gesehen habe. Als ich es bejahte, lud er mich
ein, da zu bleiben und mit zu Abend zu speisen. Ich saß lange und sprach
mit dem alten Grafen de la Gardie, später aber, als ich in den Pavillon
gehen wollte, um zu speisen, war dieser schon ganz besetzt, zum Theil
von Dänen, die wohl kaum eingeladen worden waren. Ich bekam nichts. Dies
gab mir Veranlassung, viele Jahre darauf den König Oskar zum Lachen
zu bringen, als ich ihm erzählte, daß ich einmal von einem Souper mit
trocknem Munde gehen mußte, obgleich sein hochseliger Vater mich selbst
eingeladen hätte.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Lund.]

Wir reisten also nach Malmöe. Der gegen alle Dänen so freundliche und
äußerst gastfreie Landrichter Hoffmann näherte sich in einem Boote dem
Dampfschiff, um uns zu empfangen. Im Wagen des Landrichters fuhr ich mit
meiner Reisegesellschaft in die Stadt. Wie wohlgestimmt fühlte ich mich
gleich bei diesem heitern Mann! Die fremde Küste übte, in der schönsten
Jahreszeit vor uns ausgebreitet, ihre Zaubermacht auf uns aus. Wir waren
von lauter zuvorkommenden Schweden umgeben; der früher dem dänischen Ohr
so feindlich klingende Dialekt schmeichelte sich mit allem Wohlklange
ein. Mein lustiger, herzlicher Wirth bewohnt ein Haus, das, wenn auch
nicht regelmäßig, doch behaglich ist. Eine Menge Zimmer hängen voll
von Kupferstichen und Gemälden; gute Möbel standen überall, und ein
mechanischer Canarienvogel in einem Bauer wurde gleich in Bewegung
gesetzt und mußte uns etwas vorpfeifen. Kleine Tannenzweige waren auf
die Dielen gestreut. Dies ist ein allgemeiner Brauch in Schweden, und
ich möchte ihn um Vieles nicht entbehren; es versetzte meine Einbildung
ganz in das Land der Tannen- und Fichtenwälder.

Später gingen wir mit dem Probst =Gullander= in die Kirche, die
ich so oft vom Friedrichsberger Hügel gesehen hatte. Hier traf ich
Leichensteine und Tafeln voll von dänischen Grabschriften. Die Bauern
in Schoonen haben noch sehr viel von unserer Sprache, und die andern
Schweden sagen von ihnen, daß sie Dänisch sprechen. Der Knudsaal auf dem
Stadthause, groß und schön gebaut, erinnerte gleichfalls an Dänemark;
in der Vorhalle hängen die Bilder der Königin Margaretha und aller
dänischen Unionskönige, und im Saale selbst ist der Hintergrund mit
einem Bild geschmückt, das den König Knud den Heiligen in Lebensgröße
darstellt. Ich sah auch die Portraits Karl XII. und Gustav III., beides
schöne junge Köpfe; aber man kann sich keinen größern Gegensatz denken,
von trotziger Ehrlichkeit und feiner List, die sich unter der Maske der
Höflichkeit verbirgt.

Unser guter Landrichter fuhr uns darauf nach Lund, wo wir in dem Hause
des verstorbenen Professors =Lidbeck= abstiegen, und wo der Adjunct
=Wieselgren= mich bewirthete. Nach der Mahlzeit kam eine Deputation
Lunder Studenten, schwarz gekleidet, mit Degen an der Seite, und luden
mich ein, in nächster Woche dem Rectorwechsel und der Magisterpromotion
beizuwohnen. Professor =Engeström= führte mich darauf in die Bibliothek,
in das Museum und endlich in den botanischen Garten, wo die Studenten
in einem Pavillon sich versammelt hatten. -- Engeström sagte mir hier
einige ehrende Worte; alsdann wurde ein vierstimmiges Lied gesungen.

Darauf ging ich mit Engeström zu Professor =Lindfors=, der Kindtaufe
hatte und mich bei dieser Gelegenheit bei sich zu sehen wünschte.
Wenn ich kurz zuvor in dem Pavillon die begeisterte akademische
Jugend kennen gelernt hatte, so erfreute es mich hier, bei einem
kleinen Feste, fast alle Professoren zusammen zu sehen und mit einigen
Bekanntschaft zu machen, unter Anderen mit einem alten ehrwürdigen
Juristen, der mir sagte: »Ich kenne auch Kopenhagen, aber nur aus dem
vorigen Jahrhundert.« Die idyllische Weise, wie solche Feste gefeiert
werden in dem mit Blumen geschmückten Zimmer, wo der Wirth selbst mit
dem Präsentirteller umhergeht und den Gästen Wein anbietet, erinnerte
mich an meine Jugend, als ähnliche alte Gebräuche auch noch bei uns
stattfanden und die Herzlichkeit und Festlichkeit noch nicht ganz und
gar durch das galante und vornehme Element verdrängt waren.

Nun fuhr ich mit meiner Gesellschaft wieder nach Malmöe und glaubte
Alles sei vorbei; aber wie ward ich überrascht, als ich eine weite
Strecke von der Stadt entfernt alle Studenten wiedersah; als der Adjunct
der theologischen Facultät =Thestrup= an den Wagen trat und in einer
begeisterten Rede im Namen der Schweden für den Genuß dankte, den
ihnen meine Schriften bereitet hätten. Unter einem oft wiederholten
Hurrah fuhr ich tief bewegt davon, es erschien mir wie ein Traum.
Ich, der zu Hause soviel Verfolgungen hatte erleiden müssen, der
unaufhörlich in öffentlichen Blättern getadelt, der jeden Augenblick
auf der Bühne angegriffen wurde, der nicht mehr in der galanten Welt
Mode war, ich ward hier so aufgenommen! -- Aber ich wurde deshalb
nicht undankbar gegen mein geliebtes Dänemark. Die schöne Flamme eines
begeisterten Augenblickes ergriff mich, aber ich vergaß nicht, daß es
ein begeisterter Augenblick war; ich wußte, daß ich auch daheim Freunde
hatte.

[Sidenote: Der Dichter und die Eitelkeit.]

Wenn man einander doch recht verstehen wollte! Viele glauben, daß wir
Dichter, als höchst eitle Wesen stets Weihrauch verlangen; daß wir nicht
glücklich seien, wenn nicht von uns gesprochen wird. Durchaus nicht!
das allzugroße Lob ängstigt im Gegentheil, weil wir fürchten, daß die
Tadelsucht auf den Augenblick, sich zu rächen harre. Wären wir doch
so glücklich, eine ruhige, unerschütterliche Achtung, wie ein anderer
ehrlicher Bürger im Staate zu genießen, der sich durch die Handlungen
seines Lebens Zutrauen erworben hat. Aber nein! Erst zweifelt man, daß
wir Dichter =seien=, und kaum haben wir dies bewiesen, so zweifelt man,
daß wir es =bleiben= werden. Mit jedem neuen Werke müssen wir, wie vom
Anfang an, Alles beweisen. Und gefällt ein Werk nicht, so übertäubt der
Tadel eine Zeit lang alles frühere Lob. Alle Halbgebildeten wollen uns
unsere Kunst lehren; eine Menge Leser trauen sich zu uns als Richter
=übersehen= zu können. Also sind wir in unserer eignen Kunst die am
Verstande Aermsten! Jean Paul sagt: »Wer sich, wie Adelung das Genie
ohne Verstand denkt, der denkt es wirklich ohne Verstand! -- Aber das
geschieht doch oft. Die Reife und Menschenkenntniß, der Scharfsinn und
die Urtheilskraft, die dazu gehören ein großes Dichterwerk zu beginnen
und zu vollenden, kommen nicht in Betracht. »Es =glückt uns= zuweilen,«
heißt es, -- »und häufiger =mißglückt= es.« »Wir sind große Kinder, die
mit verbundenen Augen in das Glücksspiel des Genie's hineingreifen;
Fruchtbäume, die reife oder unreife Früchte, gerade wie es sich trifft,
den vernünftigen, gebildeten, geschmackvollen Essern darbieten!« --
Und mit dieser Achtung, die fast an Verachtung grenzt, sollten wir uns
begnügen lassen! -- denn was ist ein Künstler, wenn er nicht einmal ein
Mann ist? Und was ist ein Mann, ohne Vernunft, ohne Geschmack, ohne
Sicherheit in seiner Kunst? Ich will nicht ausführlicher erinnern, was
ich durch unbilliges Herunterreißen gelitten habe; ich will nur noch
erzählen, daß auch meine Kinder von anderen Kindern Hohn und Spott
ertragen mußten, weil sie einen solchen Vater hatten. Das war auch ganz
natürlich, denn Kinder sprechen nach, was sie von den Aeltern hören.
Aber diese Stimmung war, Gott sei Dank, schon ziemlich vorüber. Heute
hatte mein Sohn Freude an seinem Vater, und meine guten Landsleute
hatten sich auch gefreut, was sie bei der Heimkehr mir durch ein Vivat
kundgaben; auch das Jahr darauf ehrten mich dänische Studenten an meinem
Geburtstage durch ein Hoch.

                    *       *       *       *       *

Nach oben gethaner Aeußerung hoffe ich, daß man mich weder der Eitelkeit
noch des Hochmuthes beschuldigen wird, wenn ich mich künftig öfter bei
der Güte und Ehre aufhalte, die mir daheim und in der Fremde erwiesen
worden, ebenso wie ich früher oft bei der Feindseligkeit und dem Undank
weilte, die ich ertragen mußte. Man hat mich zuweilen der Eitelkeit und
Eigenliebe angeklagt. Es dürfte bei dieser Gelegenheit wohl der Ort
sein, von diesen Fehlern und der Anwendung auf mich zu sprechen. Daß ich
ehrlich und aufrichtig bin, glaube ich durch mein ganzes Leben bewiesen
zu haben. Wir wollen erst die Eitelkeit vornehmen. Die eigentliche
Eitelkeit besteht darin, daß man sich mit Kleinigkeiten brüstet, oder
scheinen will, was man nicht ist. Diese Eitelkeit trifft mich nicht: ich
hatte stets einen Abscheu davor, mich mit fremden Federn zu schmücken.
In meiner Jugend suchte ich mein Aeußeres so hübsch als möglich zu
machen; aber das war nicht Eitelkeit, um zu glänzen, sondern um den
Damen zu gefallen, die mir stets außerordentlich gefielen. Diese Lust zu
gefallen, die ja jedem Dichter bei seinen Werken vorschwebt, ist nicht
Eitelkeit, sondern ein ganz natürlicher Trieb. Wozu sollte man sie sonst
veröffentlichen? Ich leugne nicht, daß es Dichter giebt, selbst einige
mit scharfem Verstande und viel Phantasie, die mit Recht eitel genannt
werden können, weil sie mehr an sich selbst als an ihr Werk denken, aber
derjenige, der mit warmem Herzen seine geistigen Erzeugnisse mehr als
sich selbst liebt, wünscht ja nichts Anderes als Sympathie zu finden,
das heißt Liebe und Harmonie in der Gedanken- und Gefühlsweise, und das
ist nicht Eitelkeit: das ist eine der unentbehrlichsten Grundtriebe
der Natur. Diese Lust zu gefallen leitet, mit Tüchtigkeit verbunden,
zu all den liebenswürdigen, erquickenden Verhältnissen im Leben, die
der kalte Egoist, der hochmüthig schweigt und sich selbst genügt, weder
kennt noch zu denen er beiträgt. Er ist der wirkliche Eitle, denn er
strebt nach einem Nichts, das weder Realität noch Idealität hat. -- Was
nun die Selbstliebe betrifft, so ist diese auch natürlich, wenn sie
mit Liebe zu allem Guten außer uns verbunden ist. Als Christus sagte:
»Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,« räumte er der Selbstliebe eine
bedeutende Stelle ein. Wer nicht sich selbst und Andere belügt, gesteht
auch, daß er sie hat. Sie ist genau mit dem Selbsterhaltungstriebe
verbunden. Daß die heroische Selbstaufopferung für Andere etwas Großes
und Erhabenes ist, das bei weitem nicht Alle besitzen, leugne ich nicht;
die verschiedenen Tugenden strahlen in verschiedenen Richtungen; der
Künstler ist meist gewöhnt, seine Lebenskraft seinem Werke zu opfern;
doch kann auch er, wenn es die Noth verlangt und die Begeisterung ihn
entflammt, Leben und Blut für Vaterland, Gesundheit, Glück und Freude,
für seine Lieben aufopfern.

Es giebt noch mehrere Gründe das zu besprechen, was ich nun künftig
besprechen werde. Es verschweigen, hieße meiner Biographie ihren halben
Stoff rauben, hieße undankbar sein gegen die vielen Edlen, die dazu
beigetragen haben, mir mein Leben zu versüßen; würde Züge vernichten und
verwischen, die zur Charakteristik des Zeitalters gehören.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Zweite Fahrt nach Schweden.]

Ich reiste also den Sonntag darauf mit meiner Familie nach Malmöe.
Es war, als ob das Schicksal bestimmt hatte, daß ich die wenigen
Tage, die ich in Schweden zubrachte, Zeuge der verschiedenartigsten
Auftritte menschlicher Zustände, Leidenschaften und Gefühle sein
sollte. Herr Crysander, Vorsteher des Irrenhauses, zeigte uns diese
Anstalt; und hier sahen wir travestirte tragische Masken genug in
einem lustigen Tanze. Einen eingebildeten Gott, eine 70jährige alte
Jungfrau, die noch wie eine Hamlet'sche Ophelia mit Blumen und bunten
Lappen schwärmte, einen verrückten Gelehrten, der täglich einen Bogen
voll Krimskrams schrieb u. s. w. -- Diese Scene wechselte mit einer
durchaus entgegengesetzten Art. Der hochverdiente Landeshauptmann Baron
Klinteberg war gestorben. So wie ich in der vorigen Woche eine Einladung
in Lund zu einer Kindtaufe erhielt, so bekam ich hier eine zu einer
Beerdigung. Eigentlich war es eine Beisetzung, denn die Leiche wurde
Abends in eine Kapelle gebracht, um später beerdigt zu werden. Ich trat
in den dunkeln Saal, wo schwarze Vorhänge das blendende Tageslicht
verdeckten, und schwache Wachskerzen ihren Schimmer über den schwarzen
Sarg warfen. Die angesehenen Männer der Gegend standen stumm in einem
Kreise, der Propst Gullander trat hervor und sprach kräftig und rührend.
Das Gefühl, daß ich hier als Lutheraner unter Lutheranern stand, die
fast meine Sprache redeten, und ungefähr unsere Religionsbräuche hatten,
brachte mich den Schweden noch näher; aber hauptsächlich daß ich mich
als Christ und Mensch unter christlichen Menschen an einem Sarge befand!
-- Der edle Sohn, der durch den Tod seines edlen Vaters vernichtet war,
rührte mein Herz, und ich fand es so schön, daß, als der Sarg auf den
Leichenwagen getragen werden sollte, er selbst, nach dem Gebrauch des
Landes, anfaßte und die Leiche des Vaters hinabtragen half, indem er
sein Haupt über den Deckel hinbeugte und ihn mit Thränen benetzte.

[Sidenote: Ernste und heitere Eindrücke.]

Welch ein Unterschied! als ich später in der herrlichsten Abendröthe,
im Treiben munterer Menschen, nach dem Hafen hinunter zum Dampfschiff
ging, das gepfropft voll unter einem brüderlichen Hurrah von Dänen und
Schweden nach Kopenhagen zurückkehrte.

Den Tag darauf aßen wir bei Kammerrath Qvenzel, wo die besten Männer
Malmö's versammelt waren, und mir wieder ein Lied zu Ehren sangen.
Ich saß neben der anmuthigen Frau Kiellander, einer jungen Dame
voll Talenten und feiner Bildung. Ich ahnte nicht an diesem warmen
Sommertage, daß sie den Winter darauf mit ihrem Manne und ihrem Kinde in
den kalten Wogen unter dem Eise den Tod finden würde! --

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Lund. Tegnér.]

Nachmittags fuhren wir nach Lund, um das Concert von Fräulein =Schoulz=
in dem alten Dom zu hören. Mit welcher Ehrfurcht betrat ich diesen
Tempel! Eines der größten Denkmäler dänischer Geschichte. Absalon's,
Anders Sunesen's und Saxos Heimath, von wo die älteste dänische
Wissenschaftlichkeit ausging. Ich erhob die Augen mit Ehrfurcht zu
der heiligen Wölbung, unter welcher der Staub so vieler dänischer
Ritter und Geistlichen ruht. Ich sah in der Krypta den versteinerten
Zauberer Finn die Säule umklammern, und oben in dem innern Chor stand
der heilige Laurentius aus Erz gegossen, auf einer Säule, seinen Rost
in der Hand haltend. In dem äußern Chor der Kirche war eine Erhöhung
mit reichen Blumengewinden und Kränzen zum heutigen Feste gebaut. Aber
heute Abend benutzte sie das junge schwedische Fräulein, und schlug wie
eine Nachtigall ihre reinen Triller unter der Wölbung in die Abendröthe
hinaus, zur Freude für die vielen Menschen, welche die Kirche anfüllten.
Hier traf ich meinen Freund, den Bischof Tegnér wieder, der mich
verschiedene Male in Kopenhagen besucht hatte.

Wir aßen Abends zusammen bei der Frau Bischof Faxe, und wurden durch
die Studenten vom Tisch in den Lustgarten gerufen, um ein Vivat zu
empfangen, das sich verstärkte, als wir unsern Dank und unsere Gefühle
in einigen herzlichen Worten aussprachen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Akademische Feierlichkeit.]

Am nächsten Tage verkündete der tiefe, starke Glockenklang vom Thurme
des ehrwürdigen Doms herab die Feierlichkeit. Man versammelte sich im
Museum; die ganze gelehrte Welt aus den südlichen schwedischen Provinzen
war zugegen und auch ein Theil der Honoratioren aus der Nachbarschaft.

Der Zug ging in folgender Ordnung zur Kirche: erst zwei kleine,
hübsche, weißgekleidete Mädchen mit herabhängenden Locken, welche
Körbe mit Lorbeerkränzen trugen; dann die jungen Gelehrten paarweise,
die zu Magistern creirt werden sollten. -- Nun bahnten die Pedelle,
mit silbernen Sceptern in den Händen einer neuen Abtheilung den Weg,
dessen erstes Paar war: Tegnér, der als Bischof in Wexiö für den
abwesenden Schoonen'schen Bischof Faxe an der Stelle des Patrons Sr.
königlichen Hoheit des Kronprinzen, dem Feste beiwohnte; neben ihm ging
der _Rector magnificus_ Engeström in rothem Sammtmantel und mit einem
goldgallonirten runden Sammthut. Darauf kam der oberste Befehlshaber
Schoonen's, Generallieutenant Baron Cederström, neben dem man mir
einen Platz angewiesen hatte, dann folgte Baron Gustav Gyllenkrok,
Generaladjutant Oberst Clairfeldt und alle Professoren und Adjuncten
paarweise.

Wir gingen Alle, außer dem Bischof und dem Rector, mit entblößtem Haupte
in die Kirche. Es war eine starke Sommerhitze, und ich mußte meinen Hut
oft als Sonnenschirm über meinen Scheitel halten. Auf dem Wege, während
der Zug sich Schritt vor Schritt durch die Stadt bewegte, hatte ich
Gelegenheit die Bekanntschaft meines edlen Nachbars, General Cederströms
zu machen; sein herrliches offenes Antlitz hatte mir gleich Vertrauen
eingeflößt, und ich fand mich nicht getäuscht. Unsere Herzen kamen
sich entgegen und ich merkte, daß es den edlen Kriegsmann erfreute,
den dänischen Dichter durch einen Platz an seiner Seite zu ehren. So
fand ich auch die anderen schwedischen Herren. Unter dem Geläute der
Glocken und dem Donner der Kanonen traten wir in die Domkirche ein, die,
obgleich sie voll Menschen war, doch durch ihre Kühlung erquickte.

[Sidenote: Tegnér krönt mich als Dichter.]

Tegnér hatte mir vorher gesagt, was er beabsichtige. »Zum Doctor kann
ich Dich nicht ohne Wissen des Patrons creiren,« sagte er: »aber er
wird Nichts dagegen haben, wenn ich Dich als =Dichter= kröne«.

Nachdem er das Fest mit einer schwedischen Rede in Hexametern begonnen,
und zum Schluß den Rector gebeten hatte, die Magisterpromotion zu
beginnen, wandte er sich an mich, der zu seiner Seite am Hochaltare
stand und sagte, erst zu Engeström und dann zu mir, mit lauter Stimme
vor der Versammlung;

  Aber bevor Du den Lorbeer vertheilst, so schenke mir einen.
  Nicht für mich; in dem einen jedoch will adeln ich Alle.
  Nordens Sängermonarch ist hier, der =Adam= der Skalden.
  Erbe des Throns im Reich des Gesangs, denn der Thron er ist =Göthe's=.
  Wüßte doch Oskar darum, im Namen des Theuern geschäh es.
  Nun nicht ist's in dem seinen, noch minder in meinem, es ist im
  Namen des ew'gen Gesangs, lauttönend in Hakon und Helge,
  Daß ich Dir biete den Kranz; er wuchs wo Saxo gelebt hat.
  Hin sind die Zeiten der Trennung -- im Reiche des Geistes, dem freien
  Sollten ja nimmer sie sein -- und verschwisterte Lieder ertönen
  Ueber den Sund und entzücken uns jetzt, und vor allen die Deinen.
  Drum beut Svea den Kranz Dir -- ich sprech' im Namen von Svea:
  Nimm von dem Bruder ihn an, und trag ihn zur Ehre des Tages.

Mit diesen Worten setzte er unter dem Schall der Pauken, Trompeten und
dem Donner der Kanonen einen Lorbeerkranz auf mein Haupt.

Alle lächelten mir dabei freundlich zu; ich war tief bewegt, faßte mich
aber, und sprach ein Gedicht, das ich aus Dankbarkeit für all' die
Güte und Ehre geschrieben hatte, die man mir bei meinem ersten Besuche
erwiesen hatte; und in dem Dom von Lund ertönte wieder nach Verlauf
von mehrern Hundert Jahren die dänische Sprache mit lauter Stimme von
begeisterten Lippen.

Daß Tegnér sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht hatte, zeigte der
Ausfall, da seine schwedische Majestät einige Monate darauf mich mit dem
Nordsternorden beehrte, und seine königliche Hoheit der Kronprinz seine
Einwilligung dazu gab, daß die Universität Lund mir das philosophische
Doctordiplom sandte.

Mittags nach der Promotion war große Studentengesellschaft in Lund, zu
der die Honoratioren und Professoren eingeladen wurden. Ich ging zuvor
in den Saal, um mir einen kühlen Platz zu suchen, aber es traf sich
so, daß gerade die Ehrenplätze von der Sonne beschienen waren, und es
gab dort keine Rouleaux. Das würde mir nun alle Freude gestört haben;
aber kaum merkte man meine Noth in der Sonnenhitze, als einige rasche
Hände ein paar Rouleaux improvisirten, was eine bedeutende Erleichterung
verursachte, um so mehr, als ich -- nach Tegnér's Beispiel -- gewagt
hatte, mein Halstuch abzubinden.

Hier wurden nun wieder Toaste ausgebracht. Als wir vom Tische aufstehen
wollten, ergriffen mich ein Dutzend Musensöhne bei den Beinen und hoben
mich auf ihre Schultern; das ist hier zu Lande Gebrauch, wenn man Jemand
eine ganz besondere Ehre erweisen will. Dasselbe war wieder unten im
Lusthause im botanischen Garten beim Kaffee der Fall, wo Professor
Agardh mich durch eine kleine Rede ehrte.

Am Abend wagte ich mich, der fürchterlichen Hitze wegen, fast nicht
auf den Ball. Ich ging in den Lustgarten hinab, setzte mich unter die
großen schattigen Bäume und ließ mich mit ein paar stillen, freundlichen
Bürgern in ein Gespräch ein, die auch dorthin gekommen waren, um sich in
der Abendkühle zu erquicken.

[Sidenote: Rückreise.]

Ziemlich spät am nächsten Nachmittage fuhren wir im Wagen des
Landrichters nach Malmöe. Ein kleiner, schelmischer Kobold, der
wahrscheinlich meinte, daß wir Schoonen nicht ohne irgend einen Unfall
verlassen dürften, zerbrach an unserm Wagen die Axe; aber es war nur
eine Viertelstunde Weges von Malmöe. In der schönen Sommernacht genossen
wir nun erst recht die Kühle und hatten einen angenehmen Spaziergang.

Am nächsten Tage segelten wir mit dem Packetboote bei gutem Winde nach
Kopenhagen, und eine Lustreise war damit beendigt, die mir und meiner
Familie unvergeßlich bleiben wird.

                    *       *       *       *       *

Ebenso glaube ich, daß viele Dänen freundlich des Besuchs gedenken
werden, den der Dichter Axel's und Frithiofs mit Agardh, Thestrup
und vielen Einwohnern Schoonen's, uns kurz darauf im Thiergarten bei
Bellevüe machten, wo wir Gelegenheit hatten, unseren Nachbarn für all'
die Gastfreundschaft, die wir bei ihnen genossen hatten, auch einige
Freundlichkeit zu erweisen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Der Bischof Münter.]

[Sidenote: Wunderlichkeiten des Bischofs Münter.]

Unsere bisherige Wohnung in der Breiten-Straße war uns zu klein
geworden; der Bischof Münter, der stets freundlich gegen uns gewesen
war, und den ich oft bei seiner Schwester, Frau Brun, sah, überließ
uns gern, unter günstigen Bedingungen, seine Parterre-Etage, die groß
genug für uns war. Dieser feurige, gutmüthige Mann lebte mit seiner
Gelehrsamkeit und Phantasie größtentheils in den südlichen Ländern,
wohin die Theologie und Philosophie ihm winkten. Ich hatte seine
Abhandlungen von den »Karthageniensern« und »der Stellung des Weibes in
den ersten christlichen Jahrhunderten« mit vielem Interesse gelesen.
Nur Schade, daß man so wenig erfahren kann, wo die Geschichte schweigt.
Sollte man es für möglich halten, wenn man es nicht wüßte, daß man die
Sprache eines Volks, welches an Stärke und weltgeschichtlicher Bedeutung
mit den Römern wetteiferte, nur aus einer Replik in einem Lustspiele
jener Zeit kennt? -- Münter's Kirchengeschichte war auch sehr geachtet.
Seine Uebersetzung der Offenbarung Johannis ist von einem guten Vorwort
über die erste christliche Poesie begleitet und in der in Hexametern
geschriebenen Uebersetzung erkennt man den würdigen Schüler Klopstock's.
Münter liebte sehr die historischen Reliquien aus alter Zeit, er
hatte eine Menge Steine mit Hieroglyphen aus Egypten, Mauersteine mit
Verzierungen aus Babylon, Steine mit Fischen von den ersten christlichen
Grabmälern her, Pagoden u. s. w. Dies Alles schenkte er dem Vaterlande
und ließ es in die Wände der Amtswohnung des Bischofs einmauern. Eines
Tages ließ er eine Pagode, die mit gekreuzten Beinen dasaß, in eine
Nische setzen, die über einer Thür angebracht war. Etwas Zerstreutes
hatte Münter immer in seinem Wesen gehabt. Er stand lange da und starrte
die Pagode und die Nische an, endlich rief er dem Maurergesellen, der
neben ihm stand, eifrig zu: »Die Nische ist zu niedrig; die Pagode
hat keinen Platz, wenn sie aufstehen will«! »»Ew. Hochehrwürden««!
antwortete der Maurergeselle ganz ernst, »»das thut sie wohl nicht««.
Mit dieser Zerstreutheit verband Münter eine sanguinische Zuversicht,
daß Alles was geschehen möchte gut ausfallen würde, die ihn selten
verließ. Eines Mittags kam Sophie, seine Tochter, zu uns herunter, und
theilte uns ganz erschreckt mit, daß ihrer Schwester Ida eine Fischgräte
in den Hals gekommen sei. Ich eilte hinauf. Ein Barbier war bereits
geholt und stand mit einem langen Fischbeine da und sondirte Ida's Hals,
wobei ich, so wenig sie auch einer Wölfin glich, doch an die äsopische
Fabel vom Wolfe und Kranich dachte. Ich wollte fragen, wie es gehe, als
der Bischof mir entgegentrat. Er stand mit einer Correktur, die er sehr
aufmerksam las, mitten im Zimmer, und rief in einem Tone, der zeigte,
wie tief er in seiner Arbeit versunken sei: »Oehlenschläger! soll hier
ein Komma stehen, oder nicht«? »»Ew. Hochehrwürden««! antwortete ich
ernst: »»wir wollen uns doch erst nach dem Komma umsehen, das Ihrer
Tochter im Halse steckt««. »O«, antwortete er ganz ruhig, »das wird sich
schon wieder geben«. Und das war auch der Fall; aber das konnte er doch
nicht so bestimmt voraus wissen. Er hatte auch gleich nach dem Barbier
geschickt. Als dieser die Operation zur Zufriedenheit aller Theile
gemacht hatte, schenkte ihm der Bischof ein Glas Wein aus der Flasche
ein, die noch auf dem Mittagstische stand; und als der Barbier es mit
einer tiefen Verbeugung und den Worten leerte: »Ew. Eminenz«! belohnte
Münter ihn mit einem freundlichen väterlichen Lächeln.

Gerade so wie Bittermann im Menschenhaß und Reue und wie Bröndsted,
stand Münter mit der ganzen Welt in Correspondenz; nur mit dem
Unterschiede, daß die erstere erlogen, die beiden letzteren aber
wirkliche waren. Das kam nun Keinem wunderbarer vor als mir, der ich
das entschiedene Extrem davon abgab. Bröndsted hatte mir während unsers
Aufenthalts in Paris einen Widerwillen gegen diese Passion beigebracht.
Oft, wenn ich zu ihm kam, hatte er nicht Zeit mit mir zu sprechen, weil
er Briefe schreiben mußte, sodaß ich, als ich einmal ärgerlich darüber
aus dem Zimmer ging, sagte: »Ich wollte wünschen, ich wäre der abwesende
correspondirende Freund«! Eines Tags begegnete ich Münter mit einem
versiegelten Packet auf der Treppe, das ihm unfrankirt aus Italien
geschickt worden war und einen Louisd'or kostete. »Ich weiß nun, daß
es Nichts werth ist«! rief er verzweifelt. »»So schicken Sie es doch
uneröffnet zurück, Hochehrwürden««! Aber das konnte er nicht über's Herz
bringen. Er war auch neugierig zu wissen, was darin sei, bezahlte seinen
Louisd'or, und fand -- eine langweilige italienische Doctordissertation.

Er hatte mich sehr lieb, als ich aber Ritter vom Nordstern wurde, sagte
er mir in einem Tone, als ob er mir eine Reprimande geben wollte: »Der
König liebt das nicht«! Ich antwortete ihm, daß ich keine Schritte
gethan hätte, um den Orden zu bekommen, und daß Bischof Tegnér mir
geschrieben: »König Karl Johann hat hierdurch nur Schwedens Wunsch
erfüllt«.

[Sidenote: Tod des Bischofs Münter.]

Wenige Jahre darauf kam Ida eines Abends zu uns herunter und sagte, daß
ein apoplectischer Anfall ihren Vater getroffen habe. Ich eilte hinauf,
nahm ihn in meine Arme, er war noch bei Bewußtsein, wurde zu Bett
gebracht, starb aber in der folgenden Nacht.

Er war in der letzten Zeit nicht auf Rosen gewandelt; mit
bewundernswürdiger Geduld aber hatte er ein schweres Hauskreuz getragen.
Seine edle Gattin -- mit ebenso viel Verstand, wie Gemüth begabt --
verfiel in eine tiefe Melancholie, die bis zu ihrem Tode währte.

Nach Münters Tode wurde P. E. Müller Bischof, und ich blieb in dem
Bischofshause wohnen. Man wünschte eine Büste von dem Dahingegangenen
zu besitzen; =Freund= nahm eine Todtenmaske ab, und mußte sich nun mit
einem Portrait von Hornemann und seinem eigenen Gedächtnisse helfen.
Alles ging recht gut, bis auf die Augen. Da gab ihm ein Freund den Rath:
»Die Augen«, sagte er, »sind ja noch da, frisch und klar; Sie brauchen
Sie nur zu kopiren«. Das war ein Räthsel! Die Augen des todten Münter
lebten noch! Aber der Freund hatte ganz recht. Er meinte die Augen von
Frau =Friederike Brun=, die denen ihres seligen Bruders auf ein Haar
glichen. Freund brachte die nach der Schwester modellirten Augen an der
Büste des Bruders an, und Keiner zweifelte, daß es seine eigenen seien.
Die sehr ähnliche in Marmor ausgeführte Büste wurde der Universität
geschenkt, und im Consistorium aufgestellt.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Ein sonderbarer Besuch.]

Ein Bekannter des Bischofs Münter machte mir in diesen Jahren einmal
einen Besuch. Es war ein großer, stattlicher Schwede, der mir beim
Eintritt seinen Namen nannte, den ich aber nicht verstand. Da ich mich
nun genirte, ihn wieder darnach zu fragen, hoffte ich ihn im Laufe
des Gesprächs nochmals zu hören, oder ihn durch Eins oder das Andere
errathen zu können. Er sagte, daß er gekommen sei, um mich zu fragen,
was ich von dem Stoffe zu einem Vaudeville halte, das er zu schreiben
gedenke. Er erzählte es mir; es war recht hübsch, und ich hielt daran
fest und dachte: es ist also ein Vaudevillendichter. Darauf sprach er
von Münter, als von einem alten Freunde: »ich muß Ihnen sagen«, fuhr
er fort, »daß ich auch Theologie studirt und die Offenbarung Johannis
übersetzt habe«. -- Ein Vaudevillendichter, dachte ich nun, der auch
Theolog ist. »Münter ist auch Freimaurer«, fuhr er fort, »all seine
Freimaurerei hat er von mir gelernt, denn ich bin Meister vom Stuhl«.
Jetzt rechnete ich im Kopfe weiter zusammen: Vaudevillendichter,
Theolog, Meister vom Stuhl. -- Nun sprach er vom König Karl Johann,
den er sehr lobte, und sagte: »Ich kenne ihn gut! Ich habe manches
Glas mit ihm geleert«. Ich sagte: Vaudevillendichter, Theolog, Meister
vom Stuhle, und ein Freund von Karl Johann. Er fuhr fort: »Hier in
Dänemark tragen die Leute nicht ihre Orden; morgen gehe ich in die
Kirche, da lege ich die meinigen an«. »»Das können Sie auch sehr gut««,
antwortete ich, und er fuhr fort: »Ich habe sie alle mit«! Ich sagte:
Vaudevillendichter, Theolog, Meister vom Stuhl, Karl Johann's intimer
Freund, Seraphimritter. Endlich sprach der Fremde von seinem Sohne, den
er daran erinnert hatte, daß ihr Stammvater zu den Ersten gehört habe,
welche bei der Eroberung Jerusalems die Mauern dieser Stadt bestiegen.
Nun wurde mir klar, daß es der Graf =von Saltza= sein müsse. Und der war
es auch.

Als wir nun bekannt miteinander geworden waren, führte er mich zu seiner
Familie nach dem Hôtel du Nord. Dort traf ich den schönen alten Grafen
de la Gardie, dessen Bekanntschaft ich in Ramlöse gemacht hatte, und
der mir erzählte, daß sein Ururgroßvater bei der Belagerung Kopenhagens
Einer der Ersten auf dem Walle gewesen sei. Es war auch ein Baron
Bannér dort, von dem Saltza scherzend erzählte, daß er von einem Koch
abstamme, der bei einer wichtigen Gelegenheit den Seinigen dadurch den
Sieg verschafft hatte, daß er seine Schürze und den Küchenbesen als
Banner benutzte, und so die Fliehenden zurückrief. Später nahm Saltza
mich in sein Zimmer, zeigte mir verschiedene fromme Bücher, und äußerte
religiöse Ansichten, in die ich mich nicht weiter mit ihm einließ.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Schwedische Bekanntschaften.]

Da ich hier von Schweden spreche, muß ich noch einige von den lieben
Freunden nennen, die von Zeit zu Zeit über den Sund kamen, um uns
zu besuchen. Schon im Jahre 1819 lernte ich =Beskow= kennen, der
später einer meiner besten Freunde wurde, und auf den ich im Folgenden
zurückkomme. =Tegnér= trat als ein munterer, rothwangiger, goldlockiger
Jüngling bei mir ein, als ich schon ein paar Jahre Professor gewesen
war. Früher hatte ich den noch blonderen =Ling=, Dichter und
Fechtmeister gesehen, der in seiner Gylfe, Phantasie und Sinn für
altnordische Poesie zeigte, ohne doch eigentlich den richtigen Ton in
der Darstellung gefunden zu haben. =Geijer= schenkte mir in späteren
Jahren auch einen kurzen Besuch, aber wir lernten einander doch nicht
recht persönlich kennen. Er hatte meine früheren Arbeiten gelesen,
später, vielleicht durch den häufigen Tadel bewogen den er über mich
gehört hatte, sagte er selbst in einer Schrift, die von ihm erschien,
daß er mir nicht weiter gefolgt sei. Obgleich er die harten Angriffe
mißbilligt, so scheint es doch, als ob sie ihm das Zutrauen zu meiner
Entwickelung geraubt hätten und er mich deßhalb fallen ließ. Ich selbst
lernte diesen ausgezeichneten Mann erst kennen und schätzen, als ich
seine =Chronik des schwedischen Reiches= las; philosophisch-dichterisch
hat er die älteste Mythologie und Sagengeschichte des Nordens aufgefaßt,
wie noch kein Anderer. Der Geschichtsschreiber Geijer war auch Dichter,
hat gute Lieder geschrieben und selbst reizende Melodieen dazu
componirt. Später besuchte mich =Fryxell=, und ich wurde sehr für diesen
liebenswürdigen Mann eingenommen, durch dessen vortrefflich geschriebene
Geschichte ich Schweden erst recht kennen gelernt habe.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Frederik Classon Horn.]

Noch muß ich hier des unglücklichen Grafen =Frederik Classon Horn=
erwähnen, der als Theilnehmer an dem Königsmorde Gustavs des Dritten
nach Dänemark floh, wo er unter dem Namen Classon mehrere Jahre ein
armes, kummervolles Leben führte. Ich lernte ihn bei Rahbeks kennen,
und er besuchte mich. Er war auch Dichter, blies vortrefflich die
Flöte und soll ein vorzüglicher Mathematiker gewesen sein. Obgleich
er mir nie recht seine Reue über das Verbrechen eingestehen wollte,
und, wenn man von Gustav III. sprach, sagte: »Das war, hol' mich
der Teufel, ein sakermentscher Ränkemacher«, so konnte man doch die
Gebeugtheit an seinem ganzen Wesen erkennen, denn Horn war weit davon
entfernt, ein grausamer, blutdürstiger Mensch zu sein; phantastische
Freiheitsschwärmerei mit persönlicher Unzufriedenheit verbunden,
hatte ihn, ebenso wie Ribbing, mit Ankarström in Verbindung gebracht,
der Gustavs eigentlicher Feind war. Die alten Aristokraten, Pechlin
und Liljehorn, benutzten diese demokratisch gesinnten Jüngeren als
ihre Handlanger, obgleich beide Parteien von entgegengesetzten
Motiven getrieben wurden. -- Als die Gefangenen im Correctionshause
auf Christianshafen Aufruhr gemacht hatten, und mehrere von ihnen
hingerichtet waren, schlug Steffen Heger, der viel mit Horn umging,
ihm vor, daß sie eines Nachmittags hinausgehen wollten, um die Köpfe
der Hingerichteten auf den Stangen zu sehen. Der phantastische Horn
war gleich dazu bereit. Auf der Richtstätte beobachtete Heger, welchen
Eindruck es auf ihn machte. Er stand lange still da, und starrte auf
die leblosen Köpfe; darauf sagte er leise, indem er fortging: »Ich
bin«, indem er den Zeigefinger in den Mund steckte, »hol' mich der
Teufel! auch nicht weit davon entfernt gewesen«! -- Ich beklagte
oft diesen unglücklichen Mann, wenn ich mit ihm zusammen war und
ihn betrachtete, ohne daß er es merkte. Er war groß und schlank,
hatte ein sehr ausdrucksvolles Gesicht, Adlernase und feurige Augen,
aus denen Begeisterung und Milde sprach. Ich stellte ihn mir als
Minister mit Ordensband und Sternen vor, eine Stellung, die er in
seinen Verhältnissen leicht hätte erreichen können, wenn nicht die
verbrecherische That ihn in Armuth und Elend gestürzt hätte: ein
Zustand, den er nach Allem, was geschehen war, doch ein Glück nennen
mußte, da er dem Schafote entging. Gewiß muß etwas Schiefes in der Natur
und ein Mangel an höherm Humanitätsgefühl in der Seele sein, die sich
verlocken und verblenden läßt, einen Meuchelmord zu begehen.

Er schenkte mir seine Gedichte, in die er schrieb: »Meine Thränen bei
Deinem Correggio waren ohne Zweifel ein Deiner würdigeres Opfer als
diese Blätter«.

                    *       *       *       *       *

Mit =Berzelius= machte ich keine nähere Bekanntschaft. Er besuchte mich
einmal den Tag vor seiner Abreise, und da er hörte, daß ich im Theater
sei, sagte er: »Ja, ja, das ist nun =sein= Laboratorium«.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Kammerherr Ries.]

[Sidenote: Anekdoten von Christian VII.]

Eines merkwürdigen Mannes muß ich hier erwähnen, den ich von meiner
frühen Jugend her kannte, und dessen Bekanntschaft jetzt erneuert wurde.
Es war der Kammerherr =Ries=. Er war Christian VII. dienstthuender
Cavalier gewesen, und ich sah ihn täglich mit dem Könige spazieren
gehen. Im Anfange meiner Dichterperiode besuchte ich ihn auf dem
Friedrichsberger Schloß; er hatte meine Arbeiten gern, war selbst
deutscher Dichter, und ich übersetzte ein paar seiner Stücke ins
Dänische. Nun vergingen wohl zwanzig Jahre, ehe wir uns wiedersahen.
Er war nach Christian VII. Tode Zollbeamter auf Fehmarn geworden. Er
war mir stets gefolgt, seine Liebe zu meinen Schriften war gestiegen;
beim Eintreten in mein Zimmer fiel er mir um den Hals und bat mich in
dem kräftigen, herzlichen Tone, den ich von Alters her kannte, ihn Du
zu nennen. Wir wurden bald Freunde und Vertraute, obgleich er um eine
gute Zahl von Jahren älter war als ich. Er war ein großer, starker
Mann, der seine Jugend unter dem Militair zugebracht hatte; sein
ausdrucksvolles Gesicht war derb und ehrlich; ich nannte ihn meinen Götz
von Berlichingen. Er hatte viel mit Christian VII. zusammen gelebt; ich
bat ihn, seine Memoiren zu schreiben, die gewiß viel Interesse gehabt
haben würden, er versprach es, aber es wurde nie Etwas daraus. Es war
wohl auch noch zu früh, damals Etwas zu erzählen, was übrigens Alle
wußten. Die Geistesschwäche des Königs hatte den sonderbaren Charakter,
daß der äußere Anstand aufrecht erhalten werden konnte, ohne daß man
ihn von seinem Hof zu entfernen, oder ihn abzusetzen brauchte; der
Kronprinz, sein Erbe, wurde schon bei seinen Lebzeiten sein Nachfolger.
Er war es, der die Macht in Händen hatte; Alles ging nach ihm, Alles
bestimmte er, nur mußte Christian unterschreiben. Zuweilen hielt dies
ziemlich schwer, wenn man ihn aber das drohende Wort »Absetzung« ins
Ohr flüsterte, so wurde ihm angst, und er that, was man wollte. Kleine
Neckereien, eine Folge seiner Krankheit, suchte man durch Vorsicht zu
verhindern. So waren die Pagen instruirt, bei der Tafel seinen Stuhl
festzuhalten, wenn er zuweilen aufstehen wollte, um die Andern am Essen
zu verhindern. Einen und den andern Pagenstreich dagegen konnte man doch
nicht hintertreiben. Es war am Hofe verboten, mit ihm zu reden, und ihm
zu antworten, wenn er fragte; nichtsdestoweniger hatte ihn ein Page doch
einmal in einen Winkel zu locken gewußt, und ihm gesagt: »Verrückter
_rex_! mach' mich zum Kammerjunker«. -- Bei dieser Gelegenheit will ich
auch erwähnen, wie er einmal einen Kammerherrn creirte. Er war genöthigt
worden, die Kammerherrnbestallung für einen Mann zu unterschreiben, den
er nicht leiden konnte. In demselben Augenblicke kam einer der niedern
Hausofficianten ins Kabinet, in seiner gelben Jacke, die Mütze mit des
Königs Namenszuge auf dem Kopfe, mit einer Tracht Brennholz auf dem
Rücken, das er beim Kamine niederlegte. »Du, höre mal«! rief der König:
»willst Du Kammerherr sein«? Auf die wiederholte Frage antwortete der
Knecht, daß es nicht so übel wäre, wenn er es werden könnte. »Nichts
ist leichter«! antwortete der König, »folge mir«! Es war gerade eine
Versammlung des Hofes in dem großen Saal neben dem Kabinete. Der König
faßte den Hausknecht bei der Hand, öffnete die Thür, trat in die
Mitte der Versammlung ein und rief mit lauter Stimme: »Ich ernenne
diesen Mann zu meinem Kammerherrn«. Der Marschall nahm später den Mann
zu sich hinauf; dieser sah selbst ein, daß er nicht zum Kammerherrn
paßte, und daß ihm mit einer Würde nicht gedient sein könne, zu deren
Aufrechterhaltung ihm die Mittel fehlten; und er war deshalb sehr
erfreut über die Nachricht, daß man, in Betracht der gnädigen Gesinnung,
welche Sr. Majestät gegen ihn gezeigt habe, ihm ein schönes Bauerngut
kaufen wolle. -- Aber Christian hatte auch seine lichten Augenblicke.
Einmal in einer ähnlichen Abendgesellschaft trat er mitten unter den
großen Hofschwarm, machte ein Zeichen mit der Hand und rief: Ruhe!
Und als Alle vor Verwunderung und Bestürzung schwiegen, declamirte er
laut, deutlich, vortrefflich und mit tiefem Ernste Klopstock's Ode an
die Fürsten. Als es geschehen war, lachte er laut und ging wieder. --
In seiner Jugend hatte er (ebenso wie Gustav III. in Schweden, den er
Vetter Don Quixote nannte) viel scenisches Talent gehabt, und soll den
Orosman in Voltaire's Zaïre gut gespielt haben.

Ries versuchte auf alle Weise, ihn zu zerstreuen und zu unterhalten, so
gut er konnte. Er war mitten im Treiben des Hofes sein einziger Umgang.
Sie spielten täglich Billard zusammen; der König wollte immer hoch
spielen. Ries that als ob er sich darin fand, und gewann scheinbar große
Summen. Wenn er dann sagte: »Wollen Ew. Majestät nicht die Gnade haben
mich zu bezahlen, ich brauche Geld«, so antwortete der König schlau:
»Sprecht mit dem Kronprinzen«!

Aber obgleich nun Christian VII. auf seine Art Ries lieb hatte, und
vom Morgen bis zum Abend mit ihm lebte, so war Christian doch so kalt,
gefühllos und feig geworden, daß es ihn gar nicht geschmerzt hätte, wenn
man ihm eines Tages erzählt haben würde: »Ries ist gefangen«! »Und«,
sagte dieser, »hätte er gehört, daß ich hingerichtet werden sollte,
so würde er nicht nach der Ursache gefragt, oder irgend einen Schritt
gethan haben, um mich zu retten«.

Ries starb vor ein paar Jahren; in seinen Gedichten war Phantasie und
Kraft, er hatte etwas »Bürger'sches«, und die Romanze glückte ihm am
besten.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Commandeur Sölling.]

Ein Mann, dessen ich mich gerade wegen seiner außerordentlichen
Verschiedenheit von Ries bei dieser Gelegenheit erinnere, und der
mich oft besuchte, war Commandeur =Sölling=. Keiner leugnet, daß der
dänische Matrose stets etwas ganz besonderes Charakteristisches gehabt
habe. So lange das deutsche Element hier in Dänemark herrschte, war der
Seeetat fast das Einzige, was das nationale Gefühl repräsentirte. Unsere
alten Wikingszüge, Knud's, Svend Gabelbart's, Waldemar's und Absalon's
Heldenzüge, und (nachdem die unglückselige lübecker Zeit vorüber war,
wo die deutschen Krämer auf ihren Schiffen hersegelten und uns in Zucht
hielten) das Andenken an die Juels Hvidtfeldt, Adeler, und Tordenskjold
frischte das alte nationale Gefühl auf. Diesem Gefühle setzte die
Schlacht am 2. April 1801 die Krone auf, bei welcher Gelegenheit Nelson
sagte: (Siehe: _Southey, Life of Nelson_): »Die Franzosen schlagen sich
gut; aber das Feuer, das die Dänen vier Stunden lang ausgehalten haben,
würden jene nicht eine einzige ertragen haben.«

Das muntere, schnelle, stolze, unerschrockene, launige, oft witzige
Wesen, das sich so vielfach bei dem dänischen Matrosen zeigt, fand
sich auch bei vielen der Officiere. Englisch und Französisch wurde
auf der Seecadettenakademie gelehrt, aber nicht Deutsch. Mit dem
Deutschen hatten die Söhne des Meeres Nichts zu thun; sie trugen kein
Von vor ihrem Namen, und selbst der Adelige legte als Marineofficier
das seinige ab. Ein gewisses Verspotten der Convenienz gehörte mit zu
diesem Tone. Allmälig hörte dieser auf; Sölling aber war noch eines
der Exemplare, die dieses Gepräge behalten hatten, er setzte es fort,
und das stand dem kleinen gewandten, feurigen Seemanne gut, man mußte
es ihm verzeihen, daß er das Wesen bisweilen mit einer Art Coquetterie
übertrieb, und es ein Bischen zu lange als alter Mann fortsetzte. -- Ein
paar Anekdoten von ihm fallen mir ein. Als er ein Mal aus Westindien von
einer mißglückten Speculation heimkehrte (die dänischen Marineofficiere
hatten damals das Recht Handel zu treiben), bei seiner hübschen Frau auf
Fredensburg zum Kaffee war und sie ihm ein paar Henkeltassen vorsetzte,
sagte er: »Nein, liebes Kind, dazu haben wir, hol mich der Teufel, die
Mittel nicht!« Damit brach er die Henkel von der Kaffeetasse ab. -- In
der Operette =Peter's Hochzeit= kommt ein schöner Seemannschor vor,
der vor mehreren Jahren bei der Aufführung auf Verlangen des Publikums
wiederholt wurde; denn obgleich es eigentlich nicht gestattet war,
sich nach dem Dacaporuf zu richten, so fand hier eine Ausnahme statt,
und es wurde nicht als eine Wiederholung aus Kunstgenuß, sondern --
was es auch war -- aus Vaterlandsbegeisterung betrachtet. Es ist sehr
möglich, daß Sölling auch damals Derjenige war, der Dacapo gerufen
hatte. Das war aber schon lange her. Nun sollte wieder Peter's Hochzeit
aufgeführt werden, und er ging hin, um sein Dacapo wieder zu rufen, da
er aber nicht musikalisch war, so hatte er vergessen, daß die Strophen
des Chores mehrere Male wiederholt werden. Kaum waren sie das erste
Mal gesungen, so stand er im Parterre auf (ich war selbst zugegen) und
rief sehr höflich, aber mit durchdringender Donnerstimme: »Dürften
wir Sie wohl bitten, das noch ein Mal zu singen?« Da die Wiederholung
gleich kam, so nahm man weiter keine Rücksicht auf die Aufforderung
und setzte den Chor fort. Sölling aber ließ sich nicht abschrecken,
und als er merkte, daß es wirklich zu Ende sei, bat er noch ein Mal
darum, und sein Wunsch wurde erfüllt. -- Sölling hatte sich dadurch
bei der Marine verdient gemacht, daß er die bedeckten Lootsenboote
in Norwegen einführte, wodurch jährlich viele Menschenleben gerettet
wurden. Hier stiftete er die =Bombenbüchse=, eine Anstalt in der
alte Seeleute Aufnahme fanden. Wegen der Concerte, die jährlich zum
Besten dieser Stiftung gegeben wurden, kam Sölling oft zu mir, um sich
Lieder schreiben zu lassen. Bei solchen Gelegenheiten hatten wir lange
Gespräche, in denen er mir seine Schicksale und Abenteuer erzählte.
Diese Erzählung begleitete er stets sehr lebhaft mit starken Bewegungen
und Ausdrücken. Einmal stand er mit mir am Fenster meines Zimmers, das
nach der Universität zu lag. Hier erzählte er mir eine Geschichte, die
ich vergessen habe, wie er einmal an einer Thüre gelauscht und durch
eine Spalte in der Diele geblickt habe, um Etwas zu erfahren. »Ich zog
den Rock aus, sagte er« (dabei that er es), »warf mich auf die Erde«
(dieselbe Bewegung), »und sah durch die Spalte!« (da legte er das
Gesicht gegen meine Thür). »»Lieber Herr Commandeur!«« sagte ich: »»ich
verstehe Sie auch ohne das. Was sollen die Leute denken, wenn man, von
der Straße aus, sieht, daß Ihr Rock ausgezogen wird und Sie auf den
Boden stürzen, während ich neben Ihnen stehe? Man muß ja glauben, daß
ich Sie in meinem eigenen Hause überfalle und plündere. Und wenn nun
Jemand kommt und die Thüre öffnet, so schlägt er Sie vor die Stirn.««
»O, es ist nicht so gefährlich,« sagte er, und sprang wieder auf.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Reise nach Leipzig.]

[Sidenote: Dresden. Dr. Carus.]

Im Jahre 1830 machte der Buchhändler Heinrich Brockhaus mit seiner
Frau eine Reise nach Kopenhagen. Er besuchte mich. Frau Brockhaus und
meine Tochter Charlotte wurden bald sehr gute Freundinnen, und da sie
mich baten, diese mit nach Leipzig nehmen zu können, und mich, sie im
nächsten Sommer abzuholen, willigte ich gern ein. Ich traf dort im Juni
1831, wie es verabredet war, ein. Während dieser Zeit hatte Charlotte
Deutsch wie eine Eingeborne gelernt, und corrigirte mich zuweilen,
wenn ich Danismen sagte. Ich hatte auch den =Fischer= übersetzt und
umgearbeitet, den, da er nicht zum Accord mit Max gehörte, Brockhaus
verlegte. Prinz Friedrich von Sachsen war damals in Leipzig und hatte
die Revue über die Communalgarde abgehalten. Friedrich Brockhaus war
hier sein Adjutant. Der Prinz lud mich Abends im Theater in seine Loge
ein, und ich versprach ihm, meine Aufwartung zu machen, wenn ich nach
Dresden kommen würde. Als wir von Leipzig abreisten, begleitete uns
Charlotte's Freundin, Fräulein Ottilie Wagner, eine Schwester der Frau
Brockhaus, nach Kopenhagen. Wir reisten zuerst nach Dresden und dann
nach Berlin; aber ich hatte nicht Zeit, mich an diesen Orten lange
aufzuhalten, da ich nach Hause mußte, um das Rectorat zu übernehmen. In
Dresden war ich einmal bei dem Prinzen Friedrich zu Mittag. Hier traf
ich den berühmten Dr. med. Carus, der in Dresden für eines der größten
ästhetischen Lichter galt, und ein specieller Freund von Tieck war.
Er kam mir nicht sehr freundlich entgegen, opponirte vornehm, und als
die Rede auf Thorwaldsen kam, sagte Herr Carus, daß Thorwaldsen kein
Bildhauer sei; er sei mehr Maler, und deshalb sei auch das Basrelief,
das sich der Malerei mehr nähere, ihm am besten geglückt. Ich erstaunte
höchlichst, und antwortete nur: »Wenn Thorwaldsen nicht Bildhauer ist,
dann weiß ich nicht, was ein Bildhauer ist.« Ich erinnerte mich meines
Gesprächs vor 15 Jahren mit Tieck, als er sagte: »Wenn Canova ein
Bildhauer ist, so weiß ich nicht, was ein Bildhauer ist« und ich dachte:
»Ihr guten Leute; wüßtet Ihr nur was Ihr selbst seid.« Ich konnte leicht
einsehen, daß ich als Dichter nicht viel in Carus' Augen gelten konnte,
da mein großer Landsmann so abgefertigt wurde.

[Sidenote: Zusammentreffen mit Tieck.]

Aber Tieck fand ich sehr liebenswürdig, er kam mir freundlich entgegen
und das rührte mich. Ich las ihm meinen Fischer und die Drillingsbrüder
von Damask vor, die ihm gefielen. Ich dedicirte ihm beide Stücke mit
folgendem Gedicht:

           »Zu meinen Kindermärchen kehr ich wieder;
           Doch kann der Mensch nicht aus sich selbst heraus.
           Noch schwingt die Phantasie leicht ihr Gefieder,
           Doch hat der Dichter Kinder, Weib und Haus.
           Nicht mehr Aladdin er die Lampe scheuert,
           Ein Fischer, harrt er an dem Strande dreist;
           Hat sich das hübsche Wunder doch erneuert?
           Zog er in seinem Netz hinauf den Geist?

           Doch -- wie die alten Bilder mich besuchen,
           Und bringen wieder manch verschwund'nes Glück,
           Kehrt auch lebendig -- unter meinen Buchen --
           Des Freund's Erinnerung mir treu zurück.

             Dir reich ich gern, was in den letzten Träumen --
           Zu sehn die nord'sche Muse sich gewagt,
           »Ich habe nie verlangt, daß allen Bäumen
           Dieselbe Rinde wachse,« Lessing sagt.
           Doch edler =Tieck=! wenn auch in ein'gen Dingen
           Verschieden, stehen wir uns gar nicht fern:
           Den Hippogryph mit breiten bunten Schwingen
           Wir reiten nach dem Wunderlande gern.
           Hast mir den Weg gezeigt, vom edlen Britten
           In Sturm und Sommernacht vorher geritten:
           Mein Tieck, ich seh' Dich wieder, helle Thränen
           Stehn mir im Auge; Du bist wieder mein.
           Holberg's Apostel und Du Freund der Dänen
           Du hast nicht aufgehört mein Freund zu sein!« -- --

Tieck schrieb in mein Stammbuch:

                    Freud' ist mir jetzt geworden,
                    Es bringt mir lieben Gruß,
                    Der Dichter aus dem Norden,
                    Und seinen Bruderkuß.
                    Er sprach: Warum denn richten?
                    Da noch die Kraft gesund?
                    Weit besser klingt das Dichten
                    Von einem Sängermund.
                    So darf der Dichter sprechen,
                    Dem hold die Muse lacht;
                    Er wird die Lorbeern brechen,
                    Die sie ihm zugedacht.
                    Dein freundliches Gemüthe
                    Hat sich mir längst bewährt;
                    Mit Deines Kindes Blüthe
                    Bist Du zurückgekehrt.
                    Sie spricht des Vaters Wahrheit,
                    Sie lächelt seinen Blick;
                    So bleibt denn Lieb' und Klarheit
                    Der Zukunft auch zurück.
                    Und neu mit Dir verbunden
                    Reich ich die Freundes-Hand,
                    Wie wir uns früh gefunden,
                    Hast Du mich nie verkannt.
                    Wir Sanges-Brüder wallten
                    Durch manchen schönen Raum,
                    Lebendig festzuhalten
                    Des Lebens Wunder-Traum.
                    Seh' ich einst Deine Auen?
                    Kehrst Du zu unsern Gauen?
                    Grüß ich Dich dorten, hie?
                    Doch, wie sich's mag gestalten,
                    Wir bleiben stets die Alten!
                    Entfremdet sind wir nie!!«

          Dein treuer Freund und Bruder
                                             =Ludwig Tieck=.

[Sidenote: Burgstorph. Rumohr.]

So verbrachte ich einige schöne Tage mit Tieck; ja eines Abends nahm er
sogar meine deutsche Uebersetzung des Holberg hervor und las uns ein
Stück daraus vor, während er sich gewöhnlich an die alte Uebersetzung
zu halten pflegte, was er auch wohl später wieder that. Die pedantische
Weitläufigkeit im Styl und die Plumpheit in den Ausdrücken, die Holberg
selbst weit übersteigen, waren für ihn, der das Original nicht kannte,
nicht abstoßend. Tieck war als vortrefflicher Vorleser bekannt; dieses
Talent hatte er entwickelt, als er eine Reihe von Jahren, als die Gicht
ihn am Gehen verhinderte, fast jeden Abend in einem Kreise von Freunden
oder Reisenden, die ihn besuchten, eins oder das andere Dichterwerk
vorlas. Die Aerzte hatten ihm diese körperliche Anstrengung gerathen,
die also ebenso nützlich für ihn, wie angenehm für Andere wurde. Es
war für ihn ein doppelter Nutzen; denn er machte sich dadurch eine
große Menge von Freunden verbunden, welche seine Gastfreundschaft,
und jeden Abend eine so schöne Unterhaltung in seinem Hause genossen.
Freilich mußte es ihm viel kosten; oft waren zwanzig und mehr Menschen
jeden Abend zum Thee da. Ob Tieck damals eine Pension hatte, weiß ich
nicht. Er schrieb jedes Jahr eine Novelle für Brockhaus' Urania, die
ihm sehr gut honorirt wurde. Aber er stand in einem andern merkwürdigen
Verhältnisse, das so charakterisch war, daß es hier besprochen zu
werden verdient. Durch seine außerordentliche Persönlichkeit -- er
hatte ein schönes Gesicht, dessen große, braune, feurige, und wenn er
wollte, milde Augen, welche Alle einnahmen, die ihm begegneten -- durch
seine Beredtsamkeit, die oft satyrisch und polemisch war, schuf er
sich eine große Partei. Da er nun ganz sein eigener Herr war, kein Amt
hatte, durchaus nicht von der Zeit abhing, und sehr viel Lust spürte,
umherzureisen, und Kunstwerke und Naturschönheiten zu sehen, so fand er
sehr leicht junge enthusiastische Freunde, die nichts mehr wünschten,
als in dem innigsten Verhältnisse mit ihm zu stehen, und das Leben
mit ihm zu theilen. So fand er früh einen Baron =Burgstorph=, später
den berühmten =Rumohr=, die beide reich waren, und eine Freude daran
fanden, Das herbeizuschaffen, was Tieck fehlte. Auf diese Art reiste
er wahrscheinlich nach Italien. Daß Rumohr später Tieck nicht leiden
konnte, beweist Nichts, da Rumohr ein Sonderling und rechthaberisch
hinsichtlich seiner Kunsturtheile war (wenn auch wirklich ein seltener
Kunstkenner); er wollte auch Poet, wenigstens Novellenschreiber sein,
und hat als solcher wahrscheinlich Tieck nicht gefallen. In spätern
Jahren hatte sich eine Gräfin Finkenstein aus einer der ersten
preußischen Familien der Tieck'schen ganz angeschlossen. Tieck's Frau
war eine Tochter des Predigers Alberti, seine Töchter, Dorothea und
Agnes, waren bereits erwachsen. Nun lebten sie mehrere Jahre zusammen,
und die Einladungen von Tieck geschahen stets im Namen der Gräfin von
Finkenstein. Sie freute sich während der Vorlesungen zugegenzusein, und
ihre Augen beobachteten die der Zuhörer, um zu sehen, welchen Eindruck
der Vortrag ihres Lieblings auf sie machte.

[Sidenote: Gräfin Finkenstein. Böttiger.]

Tieck las den Holberg mit seiner gewöhnlichen Virtuosität und Laune vor;
aber es fehlte ihm natürlich Etwas vom nationalen Elemente. Ich hätte
gern auch einmal ein Stück von Holberg vorgelesen, um Tieck eine Idee
von der Art und Weise zu geben, wie wir Dänen den Dichter auffassen;
auch mir ist zu Hause Beifall beim Vorlesen von Dichterwerken geworden,
obwohl ich nur selten las. Aber -- ich merkte wohl, daß Tieck ein
Bedürfniß hatte, selbst zu lesen, und sprach also nicht davon. Wenn es
Dramen waren, so ging es gut; zuweilen aber las er ganz lange Novellen
vor, und das war zu viel. Auch glückte ihm das Komische viel besser als
das Tragische, wobei er nicht selten in einen trockenen, manirirten Ton
verfiel. Wenn nun hiezu kam, daß die Fenster selbst in den Hundstagen
geschlossen werden mußten, so verursachte mir das eine Betäubung, die
zuweilen in unbezwinglichen Schlummer überging.

In Dresden besuchte ich auch meinen alten Freund =Böttiger=. Seit dem
gestiefelten Kater, in welchem Stücke Böttiger eine persönliche Rolle
spielt, war kein gutes Vernehmen zwischen ihm und Tieck gewesen, wobei
die Schuld wohl mehr an diesem als an jenem liegen mochte. Tieck sprach
stets mit Geringschätzung von Böttiger, der vorsichtige, artige, alte
Mann dagegen wägte stets seine Worte ab. Nur einmal, da es ungeheuer
heiß war, sagte er mit schelmischem Lächeln: »Sie sollen Tieck heute
Abend hören! Sie Glücklicher«!

In mein Stammbuch schrieb er:

           »Zweizüngig ward einst Ennius genannt
           Auch Du, mein Freund, hast, wie bekannt,
           Unsterblichkeit Dir in zwei Schwesterzungen
           Mit aller Musen Gunst errungen.
           Teutonia und Daniska legt' ein Lorbeerreis
           Dir auf die Wiege. Wer möcht' nicht um diesen Preis
           Zweizüngler sein in biedrer Männer Kreis?«

                    *       *       *       *       *

In Berlin ging ich gleich zu meinem alten Gönner, dem Grafen Bernstorff,
der nun preußischer Minister war. Er kam mir mit offenen Armen entgegen,
und sagte, indem er auf den Tisch zeigte: »Da liegen Sie! Ich habe mich
gerade in diesen Tagen mit Ihnen beschäftigt«. Es war meine Deutsch
geschriebene Selbstbiographie, mit der meine Werke bei Max anfingen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Berlin. Wilhelm von Humboldt.]

Ein paar Tage darauf fuhr ich nach Tegel hinaus, um den Staatsminister
Wilhelm von Humboldt, nicht als Minister, sondern als Gelehrten, als
Aesthethiker, und als Schiller's vieljährigen vertrauten Freund, zu
besuchen. Es hatte sich bisher in meinem Leben noch nicht so gefügt, daß
ich mit diesem seltenen Manne zusammengetroffen war. Seine Frau hatte
ich in Rom 1809 sehr gut gekannt, wo ich sie zuweilen mit Frau Brun und
Thorwaldsen besuchte.

Als ich nach Tegel in den kleinen Lusthain kam, der an das Haus stößt,
wo er wohnte, stand Graf Raczynski da und zeichnete eine Waldpartie. Er
war mehrere Jahre preußischer Minister in Kopenhagen, wo er mich gleich
besuchte und mich zu seinem gastlichen Tische einlud. Er war reich, ein
Pole von Geburt, Kunstkenner, Freund der Poesie, und zeichnete selbst.
-- Als ich ihm erzählte, daß ich Humboldt besuchen wolle, sagte er
mir, daß er bereits dort gewesen, aber nicht angenommen worden sei.
Ich wollte wieder umkehren; aber Raczynski sagte: »Nein, gehen Sie
nur! Sie werden schon vorgelassen«! Er meinte wohl, daß, obgleich der
Minister nicht für den Minister zu Hause sein wollte, um sich nicht mit
Staatsangelegenheiten beschäftigen zu müssen, er doch gerade dadurch
als Gelehrter und Kunstfreund eine Musezeit gewonnen hätte, die er dem
Dichter schenken könne. Und das war auch der Fall. Humboldt kam mir wie
ein alter Freund entgegen, ergriff meine beiden Hände, sah mich lange
und freundlich mit seinen großen geistvollen Augen an, indem er ausrief:
»Oehlenschläger«!

Wir hatten nun ein langes Gespräch, und ich mußte mit ihm durch den Wald
zum prächtigen Grabmal seiner Frau gehen. Auf dem Wege stand Raczynski
noch immer und zeichnete. Humboldt grüßte ihn freundlich, ohne das
Gespräch zu unterbrechen, und ging weiter. Dies war das erste und letzte
Mal, daß ich diesen ausgezeichneten Mann sah.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Raczynski. Stieglitz.]

Mit Raczynski war ich im Theater und sah Devrient den Shylok und Madame
Stich die Portia in Shakespeare's Kaufmann von Venedig spielen. Ich
bewunderte hier die letzten Strahlen des großen Künstlergenies, das sich
seinem Ende näherte. Madame Stich war anmuthig und herrlich als Portia.
--

Einen angenehmen Abend brachte ich bei einer Familie zu, die später
durch ihr unglückliches Geschick berühmt geworden. Es war dies beim
Doctor Stieglitz und seiner jungen reizenden Frau. Hier traf ich auch
Theodor Mundt als ganz jungen Mann. Er hat später in einer Schrift das
unglückliche Ereigniß erzählt. Die junge Charlotte Stieglitz liebte
ihren Mann sehr, und er sie; aber doch glaubte sie, von einer stillen,
sonderbaren Schwärmerei ergriffen, daß sie ihn nicht glücklich mache.
Sie sprach nicht darüber, und er hatte keine Ahnung von Dem, was in
ihrem Innern vorging. Einmal, als er in Gesellschaft gehen wollte,
hatte sie sich zu entschuldigen gewußt. Als er nach Hause kam, fand
er das Haus in der gewöhnlichen Ordnung, aber seine Frau hatte sich
zu Bett gelegt. Er näherte sich dem Bette, das auch sehr reinlich mit
feinen, weißen Laken bedeckt war. Sie lag lächelnd in graciösem Negligée
da. Aber einige Blutflecken erschreckten ihn, und als er die Decke
zurückschlug, sah er die schöne Charlotte Stieglitz mit einem Dolche in
der Brust in ihrem Blute schwimmen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Prometheus. Tordenskjold.]

Bei meiner Rückkehr in die Heimath wurde ich Rector, und war in den
Jahren 1831, 32 und 33 sehr fleißig. Ich schrieb und hielt zwei
lateinische Reden, gab die Monatsschrift =Prometheus= heraus, wobei ich
nur wenig Hülfe hatte, und in der Vieles Original war; außerdem schrieb
ich die Tragödien =Tordenskjold= und =Königin Margareta=.

Prometheus enthält unter Anderm Novellen vom Herausgeber, Urtheile
über Heiberg's, Overskou's und Hertz's dramatische Arbeiten, die
Vertheidigung Thomas Thaarup's gegen Molbech's Herabsetzung, eine
Widerlegung der Beurtheilung desselben über Balder's Tod von Ewald u.
a. m. Aber hiervon will ich keine Auszüge geben, da ich, wenn diese
ausführlichere Lebensbeschreibung erschienen ist, gedenke, meine
=ästethischen Abhandlungen= in einem besondern Bande herauszugeben.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Meine Tochter Charlotte.]

Fräulein Ottilie Wagner, welche mit von Leipzig gekommen war, blieb
ein Jahr bei uns und war Charlotte's vertraute Freundin. -- Ich muß
nun Etwas von diesem lieben Kinde, das mich so früh verließ, sprechen.
Alle, die sie kannten, waren von ihrem Wesen und ihren Fähigkeiten
eingenommen. Auf der Reise hatte sie auf Jeden, dem sie begegnete, einen
angenehmen Eindruck gemacht, unter Anderen auf Tieck, was man aus dem
Gedichte sieht, das er mir schrieb. Sie hatte viele Fertigkeiten, tanzte
hübsch, spielte gut das Piano, sang mit Leichtigkeit und Grazie alle
Mozart'schen und Rossini'schen Arien. Sie sprach Deutsch so gut wie
Dänisch, konnte Französisch und Englisch, wie auch etwas Italienisch;
alle weiblichen Arbeiten gingen ihr leicht von Händen. Sie war witzig,
begeistert und oft beredt; aber eigentlich munter war sie nicht, und
es fehlte ihr die im Leben nöthige Besonnenheit und Ruhe; sie nahm
auch keine Rücksicht auf Verhältnisse; was sie wollte, das wollte sie.
Wenn Alles nach ihrem Wunsche ging, war sie kindlich und sanft; aber
Widerstand konnte sie zu einer Leidenschaftlichkeit bringen, die keine
Vernunftgründe mehr annahm.

Liebe zur Poesie und Schauspielkunst hatte sie von mir geerbt; sie
sah den jungen =Ludwig Phister=, der gerade damals anfing sich
auszuzeichnen; er besuchte uns zuweilen, hörte sie singen und wurde
von ihr eingenommen. Sie gewann ihn lieb, wollte ihr Schicksal mit ihm
theilen, und betrat als seine Gattin selbst auf kurze Zeit die Bühne.
Ich sah ein, daß es damit keinen Bestand haben würde. Obgleich sie das
Hegersche Talent geerbt hatte, Leuten ihre Stimme nachzumachen, sodaß
ihre Freunde und Freundinnen sich gruppenweise um sie versammelten, wenn
sie ihnen dies Vergnügen bereitete, so besaß sie doch wohl kaum ein
eigentliches Talent für die Bühne. Hatte sie auch viele Jahre hindurch
als Dilettantin die größten Arien schön gesungen, so war dies doch für
eine Künstlerin nicht genügend; es fehlte ihr die nöthige Schule, und
=Siboni=, der sie sonst sehr lieb hatte, durfte sie doch nur in der
kleinen Partie der =Fanchon= auftreten lassen. Und selbst hier hätte sie
beinahe nicht ausgereicht; denn als sie eine kleine Arie singen sollte,
vergaß sie gleich einzufallen und verneigte sich bittend gegen den
Concertmeister =Schall=, welcher dirigirte. Aber er konnte nicht noch
einmal anfangen, und schüttelte mit dem Kopfe. Nun faßte sie sich, fiel
rasch im nächsten Tacte ein, und sang ihre Arie so gut, daß sie einen
stürmischen Beifall erhielt, der kaum enden wollte. Aber sowohl sie als
auch wir Anderen fühlten wohl, daß dieser Ausbruch des Publikums nicht
als Beifall für die Sängerin, sondern als Theilnahme für die Tochter des
Dichters betrachtet werden mußte. Sie wurde selbst bald dieser Versuche
müde und trat zurück.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Plan Norwegen zu besuchen.]

Ich hatte einen so freundlichen Empfang in Schweden gefunden, daß
die Lust, Norwegen einmal zu sehen, natürlich in mir erwachen mußte.
Ich zweifelte nicht daran, daß ich auch dort Freunde finden würde.
Freilich war eine Zeitlang nach Norwegens Vereinigung mit Schweden
eine eigenthümliche Stimmung gegen Dänemark und Alles was Dänisch
war, eingetreten, sodaß dies fast von einem solchen Versuche hätte
abschrecken können. Aber diese Verachtung, die fast in Haß überging,
fand sich nur bei einigen exaltirten jungen Leuten, die freilich in
den ersten Jahren den Ton angaben. Nun hatte der Sturm sich gelegt,
Billigkeit war an seine Stelle getreten, die Stimme der Aelteren wurde
wieder gehört. Von der Zeit an, wo ich denken konnte, bis zum Jahre
1814, d. h. von meinen frühsten Kinderjahren an bis in mein reifes
Mannesalter, war ich gewohnt gewesen, die Norweger als meine Landsleute
und Norwegen halb als mein Vaterland zu betrachten. Deshalb entstand
auch, wenn ich dichtete, niemals in meinem Herzen die Frage, ob die
Scene in Dänemark oder in Norwegen, ob der Held ein Norweger oder
ein Däne sein solle. Und trotz der politischen Trennung ist dieses
Gefühl bei mir nie erstorben, weil die Sprache und Literatur und viele
Familienverhältnisse uns stets geistig verbinden.

Bei Rahbeks war ich als Jüngling gewöhnt begabte junge Norweger zu
sehen. Das rasche, stolze Wesen der Bergbewohner sagte uns zu, weil
es mit inniger Gutmüthigkeit verbunden war. Wenn sie uns recht kennen
gelernt hatten, liebten sie uns. Ueber ihr zuweilen zu weit getriebenes
Selbstgefühl scherzten wir. Eines Abends sagte Camma in dem muntern
Tone, der ihr so gut stand, zu einem jungen norwegischen Maler Kalmeier:
»Ich mag die Norweger sehr gern, wenn sie nur nicht so großmäulig wären;
doch Kalmeier macht eine Ausnahme«. -- »»Ich wär nicht großmäulig««?
fragte Kalmeier in demselben lustigen Tone: »»ich bin es gerade erst
recht««!

Meine Freundschaft zu den vielen Norwegern, mit denen ich in
verschiedenen Zeiten verkehrt hatte, machte, daß ich Norwegen stets
liebte. Baldur der Gute und die Götter des Nordens gehören ja ebenso
sehr Norwegen, wie Dänemark; Hakon Jarl, Axel, Hagbarth, Stärkodder,
Tordenskjold sind norwegische Helden. Ich meinte es sei unvernünftig
und herzlos, wenn man diese Gedichte, als etwas der norwegischen
Literatur Fremdes, von ihr trennen wollte. Aber es gab auch Niemanden,
der das that, und als ich in das liebe Felsenland kam, fand ich die
freundlichste Aufnahme.

In einem Gedichte, =die Reise nach Norwegen=, habe ich poetisch
beschrieben, was mir dort begegnet; in meinen gesammelten Schriften
habe ich diese Gedichte getrennt; einige stehen unter den lyrischen
Gedichten, andere unter den Romanzen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Reise nach Norwegen.]

In Christiania traf ich einige alte Bekannte wieder, die hier meine
Freunde wurden, unter Anderen den Staatsrath =Treschow=, die Professoren
=Sverdrup= und =Schjelderup=. Wir waren Alle vor etwa zwanzig Jahren
Collegen an der Kopenhagener Universität gewesen. Treschow war mir
früh dadurch merkwürdig, daß er bereits Rosing's Rector gewesen war,
als dieser in Drontheim die Schule besuchte. Ich machte dem Prinzen
Oskar meine Aufwartung, um ihm für die Gnade zu danken, die er mir
erwiesen hatte. Der schöne junge Fürst kam mir freundlich entgegen,
und ich lernte in ihm bald den vertrauten Freund der Musen kennen. Ich
war zweimal bei ihm zur Tafel. Ryge war nach Christiania gekommen und
Hakon Jarl sollte aufgeführt werden. Prinz Oskar lud mich ein, ihm in
seine Loge zu folgen; aber ich verstand ihn nicht recht und glaubte,
ich sollte mich beim Theater einfinden. Ich stand und wartete, aber
der Wagen des Prinzen kam noch immer nicht. Endlich spazierten seine
Cavaliere nach dem Theater und wunderten sich, mich an der Thür stehen
zu sehen; sie erzählten mir, daß der Prinz mich im Hôtel mit seinem
Wagen erwarte. Nun wurde ich sehr verlegen und bat einen der Cavaliere,
der ohnehin zurückkehren wollte, mich zu entschuldigen und dem Prinzen
zu sagen, daß ich seine Einladung mißverstanden hätte, mich aber
jetzt schäme wieder durch die Stadt zurückzugehen. Der Prinz lachte
und nahm meine Entschuldigung freundlich auf; ich war bei ihm in der
Loge und Ryge spielte seinen Hakon, aber nicht ganz mit dem Leben, wie
gewöhnlich, da es ihm an Unterstützung bei seinen Mitspielern fehlte.
Bei dieser Gelegenheit merkte ich im Laufe des Gesprächs während des
Schauspiels, daß der Prinz Oskar seinen Suorro Sturleson und seine
isländischen Sagen trotz Einem kannte.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Ehrenvolle Aufnahme.]

Ein paar Tage darauf kamen die Professoren =Sverdrup=, =Hersleb= und
=Hansteen= zu mir ins Hôtel du Nord, um als Deputation der Universität,
der Männer des Storthings und der Stadt mich zu einem Festmahle
einzuladen. Ich habe beschlossen, im Verlauf dieser Biographie, mit
Ausnahme der historisch merkwürdigen Gedichte, alle diejenigen zu
überspringen, welche mich bei dieser und ähnlichen Gelegenheiten ehrten;
deshalb lasse ich hier auch Welhaven's schönes Lied aus. Was ich aber
nicht über mich gewinnen kann auszulassen, ist Sverdrup's Rede. Dieser
seltene, schöne, kräftige Norweger, von griechischem Geiste gebildet,
einer der ersten Staatsbürger des Landes, der in der Katastrophe von
1814 großen Einfluß auf König Christian gehabt, und ihn unter Anderm
dazu vermocht hatte, als er nach Drontheim zur Krönung reiste, keinen
Anspruch auf die Souverainetät zu machen; -- dieser Mann ehrte mich
bei dem Feste durch eine Rede, welche ich ebenso hoch stelle, wie die
Ordensdecoration eines Fürsten, und sie deshalb nicht entbehren möchte.
Ich besitze sie von seiner eigener Hand; meine Leser sollen sie kennen
lernen, und ich drucke sie deshalb hier ab.

»In seinem Zeitalter ausgezeichnet durch große und seltene Dichtergaben,
und als Lehrer und Meister seiner und aller künftigen Zeiten
dazustehen, ist groß und herrlich, und weckt Aller Bewunderung. Wenn
diese herrlichsten Gaben des menschlichen Geistes sich aus einem
frommen und tiefen Gemüthe entwickelt haben, so strahlen sie in mildem
Glanze der Liebe und gewinnen alle Herzen. Lebhafte Anerkennung von
dem hohen Werthe des großen Dichters unsers Nordens, Dankbarkeit
und Liebe, haben heute diese Gesellschaft norwegischer Männer und
Jünglinge versammelt, welche ihre Dankbarkeit und ihre hohe Achtung
vor dem Dichter Adam Oehlenschläger an den Tag legen möchten, der uns
zuerst die großen, geistigen Schätze kennen lehrte, welche unsere
Vorfahren uns hinterlassen haben, und in unserer eigenen Heimath
unserm Blicke eine neue und große Welt der Poesie, der Wissenschaft
und Kunst öffnete; der mit dem Falkenblicke des Genie's durchschaute,
mit der lebhaftesten Phantasie vereinigte und in den kräftigsten,
anmuthigsten und schmelzendsten Tönen sang, was unsere Vorfahren
geahnt, gedacht, gehandelt und gelitten haben. Empfange, edler Dichter,
den ungeheucheltsten Beweis unserer Hochachtung und Liebe, und sei
willkommen, herzlich willkommen in dem alten Felsenlande unserer Väter«!

[Sidenote: Festmahl.]

Es war mir bei diesem Mahle lieb, als ich dankbar einen Toast auf
Norwegens Wohl ausbringen wollte, denselben mit einem herrlichen,
norwegischen Liede aus älterer Zeit begleiten zu können, das Keiner der
Anwesenden, außer mir, auswendig wußte, weshalb ich es auch vor der
ganzen Gesellschaft allein sang; es war das herrliche Volkslied =Nordahl
Bruun's=: »Wohn' ich auf dem hohen Fels u. s. w.«. Ein schöneres giebt
es nicht, und schon durch dieses allein hat sich der Verfasser einen
verdienten Namen unter den norwegischen Dichtern erworben. Zarine und
Einar Tambeskjälver konnten ihn ihm nicht verschaffen; und seine andern
Gesänge stehen weit unter jenem.

                    *       *       *       *       *

In Opslo besuchte ich den ehrwürdigen Bischof =Sörensen=. Seinen
Fenstern gerade gegenüber hatte die Kirche gestanden, wo Sigurd, der
Jerusalemsfahrer, begraben war. Wir spielten l'Hombre zusammen; ich war
unglücklich gewesen und hatte verloren; es war unbedeutend, denn ich
spiele nie hoch; aber der gute alte Bischof wollte wahrscheinlich, daß
ich auch nicht das Geringste in seinem Hause verlieren sollte, weshalb
er, als das Spiel zu Ende war, alle Marken untereinander warf.

In Opslo begegnete ich einigen so zerlumpten Armen, wie ich sie nie
früher gesehen hatte. Einige taumelten umher und konnten kaum stehen.
Ich glaubte sie wären krank, hörte aber zu meiner Beruhigung, daß sie
nur betrunken seien.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Reise in das Innere Norwegens.]

Ich beschloß eine Reise ins Land, wenn gleich diesmal nur ins
Christianiastift zu machen. Mein Freund, der Buchhändler =Dahl=, der mir
stets die größte Zuneigung gezeigt hatte (ich kannte ihn von Kindheit
an), übernahm, als Reisegefährte, die nothwendigen Geschäfte.

Ich sah zuerst den herrlichen =Krogklev=, der zwar nicht zu den wilden,
großen Gebirgsgegenden gehört, welche sich im Stift Bergen, besonders
in Telemarken finden; aber er ist schön und malerisch, man kann leicht
von der Hauptstadt dahin gelangen, und er wird in Norwegen, sowie der
Rigi in der Schweiz, von allen Reisenden besucht. Der Krogklev hat vor
den wilden Berggegenden das voraus, daß er eine hohe, kühne Natur mit
ruhiger Thalschönheit vereinigt, denn durch seine Riesenspalten sieht
man (bei Sonnenschein) das ganze, lachende, fruchtbare Ringerike, wo
Halfdan Svarte's Haupt mitten auf dem Felde begraben liegt, und von dort
kamen wir nach dem Predigerhause in Norderhoug, das durch die Sage von
der tapfern Anna Kolbjörnsen verherrlicht ist.

Die Ströme und Wasserfälle, Ringerike und Modun, die zwei
Skjutszwillinge, die mich fuhren, das schöne norwegische Bauermädchen
in der Hütte, Sct. Olaf's alte Sage, die man überall hört, wo ein
Felsstück seltsam hervorspringt, meine Fahrt in die Kongsberger Grube
hinab, wo ich vor Müdigkeit fast nicht wieder hinaufgekommen wäre, mein
Besuch in Drammen bei dem gastfreien Amtmann Blom, wo ich mein Bild
an der Wand, einen alten Jugendfreund Wulfsberg bei Tisch, und in der
Kirche Erinnerungen der Kindheit fand; -- das Alles findet sich zugleich
mit meinem dankbaren Lebewohl in dem Gedichte: »Die Reise nach Norwegen«
besungen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Ein Brief des Kronprinzen Oskar.]

Sobald das oben genannte Werk gedruckt war, sandte ich meinem
königlichen Gönner, dem Kronprinzen Oskar, ein Exemplar desselben. Sr.
Majestät wird gewiß nicht zürnen oder es ungnädig aufnehmen, daß ich den
Brief, mit dem er mich beehrte, hier abdrucke; ich kann mir die Freude
nicht versagen, die mir erwiesene Ehre zu veröffentlichen, und die
Nachwelt soll den Ton kennen lernen, in dem ein erhabener Fürst zu einem
Künstler sprach.

                                      Stockholm, den 28. Februar 1830.

»Herr Professor Oehlenschläger! Mit wahrhafter Freude habe ich die mir
übersandte Reise in Norwegen gelesen, welche nicht allein so schöne
Bilder von der Natur und dem Volke des Nordens bringt, wie man sie vom
Verfasser des Hakon Jarl erwarten konnte, sondern welche auch in mir
die Erinnerung an die angenehmen Stunden wiedererweckt hat, welche
ich im vergangenen Sommer in Norwegen zubrachte. Unter die vielen
Veranlassungen zur Freude, welche ich daselbst gefunden, zähle ich auch
die Befriedigung, einen Mann persönlich kennen gelernt zu haben, dessen
allgemein geachtete Schriften mir so lange bekannt waren, und mir so
viele Genüsse bereiteten. Der ungetheilte Beifall, den Ihre Arbeiten,
Herr Professor, hier in Schweden gefunden haben, muß Sie überzeugen,
daß wir mit Freuden den Sänger =Helge's= und der =Götter des Nordens=
bei uns sehen würden; und indem ich Sie an Ihr Versprechen erinnere,
uns einmal zu besuchen, wiederhole ich, was ich mündlich in Norwegen
äußerte, daß Sie uns herzlich willkommen sein werden, wenn die Umstände
es Ihnen gestatten, diese Reise zu unternehmen.

Ich benutze mit Freuden diese Gelegenheit, Sie, Herr Professor, meiner
besondern Hochachtung und aufrichtigen Freundschaft zu versichern.

                                                             =Oskar=«.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Veränderungen in meinem häuslichen Leben.]

In diesem Jahre starb mein Freund, der Bischof =Peter Erasmus Müller=,
der sich durch seine vortreffliche Sagenbibliothek und andere Schriften
so verdient um die nordische Literatur gemacht hat. Nun wurde der
Confessionarius Dr. Jakob Peter Mynster Bischof und mußte seinen
Amtsantritt mit dem traurigen Geschäfte beginnen, einen seiner ältesten
Freunde aus seinem Paradiese oder dem Bischofshause zu jagen. Es war
nicht anders möglich, da die Wittwe des Bischofs in den Zimmern wohnen
sollte, die ich früher inne hatte. Ich zog also nach der Weststraße,
wo es lange nicht so schön war. Aber ich wollte gern in der Nähe des
Westthores wohnen, um leicht nach Friedrichsberg hinauskommen zu können,
wo ich jeden Nachmittag meinen Thee trank. Die Weststraße bot mir
überhaupt liebe Erinnerungen dar; dort hatte ich in meiner Jugend fünf
Jahre gelebt, den Aladdin und mehrere andere Dichtungen geschrieben;
dort hatten Oersteds gewohnt, und mir war im Kreise meiner lieben
Schwester manche frohe Stunde daselbst verstrichen.

Aber es hatte bei dieser Ortsveränderung nicht sein Bewenden, eine
andere viel größere, geistige Veränderung sollte in mein Leben
eingreifen; ich sollte wieder einen Schmerz und eine Wehmuth gleich
denen bei Sophia's und Camma's Tod empfinden; meine =Charlotte= folgte
ihnen.

[Sidenote: Tod meiner Tochter Charlotte.]

Das Jahr vorher hatte sie eine Tochter geboren, die nach ihrer seligen
Tante genannt wurde; nun war sie wieder guter Hoffnung und sehr
schwächlich. Ihre frühere, blühende Gesundheit war dahin. Ich besuchte
sie täglich nach der Entbindung, und hatte doch noch Hoffnung. Ich
hatte gerade kurz vorher meinen Sokrates geschrieben, mußte ihr Viel
davon erzählen, und besonders =Daphne= beschäftigte ihre Phantasie.
Das letzte Mal, als ich sie besuchte, war sie dem Tode nahe. Ich hatte
ihr einmal von Herder erzählt, der, als er seinem Ende nahe war, einen
Freund gebeten hatte: »Sage mir einen großen Gedanken«! Nun flüsterte
sie mir freundlich zu: »Sage mir einen Trost«! Ach, ich konnte in diesem
Augenblicke Nichts sagen. Ich drückte ihre Hand mit einem liebevollen
Vaterblick und ging. Als ich das nächste Mal wieder kam, bedurfte
sie keines Trostes mehr. Das bleiche Antlitz zeigte keinen Zug von
Schmerz oder Kummer. Die hohe, schöne Ruhe lag darauf, die man in den
griechischen Marmorköpfen bewundert, aber es lag noch mehr, es lag etwas
Himmlisches darin.

Am Beerdigungstage, als ihre Leiche fast bedeckt von Hyacinthen
war, welche die Freundinnen reichlich in dem frühen kurzen Lenze
gesandt hatten, beschien die Sonne noch einmal ihre herrliche Stirn,
die ich küßte, ehe der Schreiner den Deckel des Sarges aufnagelte.
Der gute Mynster hielt eine schöne Gedächtnißrede über sie in der
Friedrichsberger Kirche, wobei er auf den Vers von Salis hindeutete:

                      Das arme Herz hienieden
                      Von manchem Sturm bewegt,
                      Erlangt den wahren Frieden
                      Nur wo es nicht mehr schlägt.

Charlotte's Tod versetzte meine Seele eine Zeitlang wieder in den
wehmüthigen Zustand, der ein starker Zug meines Charakters ist und der
in unglücklichen Augenblicken oft die Ueberhand nahm, mich aber nie
so beherrschte, daß er mir meine Kraft geraubt und meinem Geiste eine
Einseitigkeit gegeben hätte, die ihn unfähig gemacht haben würde, als
echter Dichter das Menschenleben zu fühlen, zu schauen und darzustellen.
Hierdurch unterscheidet das gesunde Gefühl sich von der schwachen,
krankhaften Gerührtheit, die man später, sehr unphilosophisch, mit jenem
vermischt und mit Verachtung Sentimentalität genannt hat; aber nur die
krankhafte Sentimentalität muß verworfen und verachtet werden; die
gesunde ist die Wirkung vom gemüthlichen Theile des Menschenwesens, sie
ist der negative, empfängliche, leidende Theil, dessen Organ wir Seele
nennen, sowie der Geist das Organ für den positiven, handelnden ist.
Es muß in unserm Ich sowohl ein Activum, wie ein Passivum existiren.
Dieses Letztere spricht seine höchste Idealität im Christenthum
aus; ohne das würden wir bei aller Kraft Heiden bleiben, und wenn
diese Kraft nicht durch Liebe, Selbstverleugnung, Hoffnung und Trost
geleitet wird, so werden wir wieder zu wilden Barbaren. Diese Gedanken
sollten einleuchtend scheinen. Christus lehrte sie uns mit himmlischer
Begeisterung. Aber die Menschen haben stets einen dämonischen Hang, das
milde Gefühl zu verachten, und selbst viele Begabte suchen sie aus der
Philosophie, der Religion, der Poesie und also -- wenn es ihnen glückte
-- aus dem Leben selbst zu verdrängen. Aber es glückt ihnen nicht! Die
Vernunft wird doch die Oberhand behalten; und die Vernunft ist die
harmonische Verbindung von Verstand und Herz, von Geist und Seele.

Ich besuchte also nach dem Tode der lieben Dahingeschiedenen den
Kirchhof recht oft, und setzte auf ihren Leichenstein (ohne zu wissen,
oder mich zu erinnern, daß David Dasselbe von seinem Sohne gesagt
hatte): »Sie kommt nicht mehr zu uns, aber wir kommen zu ihr«!

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Besuch beim Prinzen Christian.]

Von diesen allzuhäufigen Kirchhofbesuchen brachte mich nun eine sehr
herzliche und ehrende Einladung des Prinzen Christian ab: ihn in Odensee
auf Fühnen, wo er Gouverneur war, zu besuchen.

Mein Aufenthalt daselbst war sehr angenehm; und ich hatte, indem
ich einen Monat lang vom Morgen bis zum Abend mit ihm umging, recht
Gelegenheit, seinen milden, freundlichen Charakter kennen zu lernen, der
mit Kenntnissen nach allen Richtungen und einer Intelligenz verbunden
war, die unter Fürsten ihres Gleichen sucht.

Eines Morgens -- ich bin nie eigentlich ein Freund der frühen
Morgenstunden gewesen -- erschreckte mich der Lakai, als ich noch in
Morpheus' Arme lag, indem er mich mit den Worten weckte: »Se. königl.
Hoheit, die im Garten spazieren geht, wünscht, daß Sie ein Wenig zu
ihm herunterkommen mögen«. Ich warf mich eilig in die Kleider und kam,
sobald ich konnte, d. h. nach einer Viertelstunde. Der Prinz, der wohl
von meiner Langschläferei gehört haben mochte, kam mir lächelnd in einer
herrlichen Allee entgegen, in der er mit einem Buche auf- und abging,
und mit seinem Stock auf eine Schnecke zeigte, die ich beinahe zertreten
hätte, als ich mich ihm näherte. Ich ging oft mit ihm in diesen kühlen
Alleen im heißen Sommer; aber eines Tages, als es unerträglich heiß
war, sagte er: »Nun wollen wir einmal hinausgehen, und die Wegearbeit
besehen«. Und nun mußte ich ihm in der brennenden Mittagshitze auf die
Landstraße folgen, wo wir vor los umherliegenden Steinen kaum vorwärts
kommen konnten. Als er die Arbeit angesehen, und mit den Steinsetzern
gesprochen hatte, gingen wir wieder in den schattigen Garten zurück. »Es
war draußen heiß«, sagte er lächelnd. -- »»Hier ists freilich besser,
Ew. königliche Hoheit««! antwortete ich.

Er vereinigte in Odensee das Wesen des Fürsten mit der bequemen
Freiheit des Privatmannes. Mittags war er in Uniform; dann wurden die
Gäste zur Tafel gezogen, und Alles war königlich. Aber am Abend hatte
er es so eingerichtet, daß bei seinem Gouvernementssecretair, Herrn
Etatsrath Holten, Soirée war. Hierher kam er dann selbst als Gast im
schwarzen Frack. Zur Abendgesellschaft waren alle Stände eingeladen:
Gutsbesitzer, Officiere, Beamte und Bürger aus der Stadt. Wenn ich
das Tabackrauchen ausnehme, so ging es hier zu, wie in jeder andern
bürgerlichen Gesellschaft auf dem Lande.

Der Prinz nahm an dem Kartenspiel Theil. Am ersten Abend, wo ich da
war, und er mich nicht sah, fragte er Holten: »Wo ist Oehlenschläger«?
-- »»Er sitzt im andern Zimmer und spielt l'Hombre««! -- »Spielen Sie
l'Hombre«, sagte der Prinz, als ich zu ihm hineinkam, »dann sollten Sie
doch eigentlich mit uns spielen«. -- »»Nein««, antwortete ich, »»Ew.
königl. Hoheit spielen nicht =mein= Spiel; ich spiele nie höher, als
vier Points zu einem Schilling««.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Der Herzog von Augustenburg.]

Der Herzog von Augustenburg besuchte den Prinz Christian in Odensee.
Hier sah er mich. Sein Vater hatte mein Glück gemacht, indem er den
König auf Schimmelmann's Empfehlung vermochte, mich als Professor an
der Kopenhagener Universität anzustellen. Kein Wunder, daß ich dem
Sohne dankbar entgegen kam. -- Er bat mich, ihn einmal zu besuchen,
und hiervon nahm Prinz Christian Veranlassung, mich mitzunehmen, als
er nach Alsen fuhr. Wer ahnte damals, was leider später geschehen
ist? Ich war der Gast des Herzogs von Augustenburg; obgleich er etwas
Kaltes und Stolzes hatte, das die Herzen nicht gewann, so war er doch
sehr artig und zuvorkommend. Schön war er auch und von der Natur reich
begabt. Obgleich man stets merkte, daß er sich als eine fürstliche
Person fühle, war doch etwas Burschikoses in seinem Wesen. Er war
durchaus der Gegensatz des Prinzen Christian. Dieser hatte, ohne
Stolz zu zeigen, einen Tact, durch den der richtige Ton zwischen ihm
und seiner Umgebung stets auf eine natürliche Weise aufrechterhalten
wurde. Prinz Christian war ein fleißiger Beobachter alles Dessen, was
geschah; er hörte gern Andere sprechen; das Geistreiche interessirte,
das Schöne rührte ihn; heiterer Humor konnte ihn herzlich lachen machen.
Der Herzog hatte diese Aufmerksamkeit für Andere nicht; er war stets
eifrig mit seinen eigenen Ideen beschäftigt, und seine Conversation
bestand eigentlich darin, daß er diese mit einem festen Glauben an
ihre Richtigkeit mittheilte. Prinz Christian konnte den Taback nicht
ausstehen; der Herzog hatte eine Tabagie _à la_ Friedrich Wilhelm I.,
wo er seine Vorlesungen hielt. Ob diese damals bereits politischer
Natur waren, will ich ungesagt sein lassen, denn ich rauche auch nicht
Taback und war nur einmal in der Tabagie, als der Herzog selbst mir auf
dem Vorsaale nachkam und mich hineinholte. Von Poesie und Kunst war
nicht die Rede. Als ich sagte, daß ich zum Prinzen und der Prinzessin
heruntergehen müsse, um Helge vorzulesen, antwortete er: »O das eilt
nicht; Sie können noch ein Bischen warten, bis der Prinz zum Thee alle
seine zwölf Zwiebacke verzehrt haben wird«. Ich dachte: Zwölf kleine
Zwiebacke sind kein großes Abendbrod. Auch anderer Spott blieb nicht
aus. Mittags bei Tische, gewöhnlich, wenn der Herzog nach Art der
englischen Lords selbst den Braten vorschnitt, begannen die Sticheleien
gegen den Prinzen Christian (auch zuweilen gegen die Prinzessin), und
es ging oft so weit, daß ich dachte: wird der Prinz nun nicht aufstehen
und fortgehen? Aber er fand sich sehr geduldig darein. Nur einmal, als
wir uns eines Morgens, wie gewöhnlich, die Vollblutpferde des Herzogs
in ihren hübschen Ständen besahen, legte Prinz Christian seine Hand auf
meine Schulter und sagte: »Nun sind wir in unserm Elemente«!

Zu Caroline Amaliens Geburtstag brachte der Herzog meine Gesundheit aus
und forderte die andern Herrschaften auf, ein Gleiches zu thun. Ich
habe später oft hieran gedacht, und mich darüber gewundert. Ich wußte,
daß der Herzog sich nicht viel um Poesie kümmere; ich glaube er hat nur
wenig von meinen Schriften gelesen, und doch bekam er diesen Einfall! --
Aber ich fühlte mich nicht recht heimisch auf Augustenburg, obgleich der
Herzog in gutem Vernehmen mit der Herzogin lebte, die sehr liebenswürdig
war und reizende Kinder hatte. Das gespannte Verhältniß zwischen Prinz
Christian und ihm peinigte mich. Ich war froh, als ich fort war, zählte
die Tage bis zu meiner Abreise, und athmete erst wieder leicht, als ich
Abschied genommen hatte und von dannen fuhr.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Güte des Prinzen Christian.]

Als Prinz Christian und die Prinzessin auch nach Seeland zurückkamen,
war ich eines Tages bei ihnen auf Sorgenfrei zu Tafel. Nach der Mahlzeit
sagte mir der Marschall, daß Ihre königlichen Hoheiten mit mir im
Gemache der Prinzessin sprechen wollten. Auf dem Wege dorthin begegnete
ich dem Prinzen, der ein großes Gemälde trug. Es war ein Bild von
=Södring=, Axel und Valborg's Grab, das ein junges Bauernpaar mit Rosen
bekränzt. Der Prinz stellte es vor mir auf, zog ein Blatt Papier hervor
und las, augenscheinlich bewegt, ein von ihm selbst verfaßtes Gedicht
vor, welches in Uebersetzung lautet:

              Du schauest hier schön Valborg's Grab,
              Mit Blüthenkränzen reich geschmückt;
              Das Brautpaar ihr die Kränze gab
              In Liebeslust so hoch beglückt.
              So steigt Vergangenheit hernieder
              Und strahlt uns durch die Liebe wieder.

                    *       *       *       *       *

              Doch, wer hat Worte ihr gegeben?
              Wer führte sie von Norge's Felsenland,
              Wo sich die Eschenbäume hoch erheben
              Zu trüber Lust uns her nach Dän'marks Strand?
              Wer anders war's, als Oehlenschläger, Du?
              Von Deinen Lippen klang das Lied uns zu.

              Empfang, was Deine Dichtung rief in's Leben,
              Wenn die Begeisterung in des Künstlers Hand
              Durch Farbengluth ein neues Sein gegeben
              Dem, was im hohen Dichtergeist entstand.
              Nimm es vom Freunde als ein Angedenken,
              Dem Deine Liebe frohe Stunden schenken!

Dem Dichter Adam Oehlenschläger gewidmet von
                                            =Christian Frederik=.

Dieses Gedicht überreichte mir der gute Fürst, nachdem er es mir
vorgelesen hatte, umarmte und küßte mich, und die Prinzessin reichte mir
freundlich die Hand.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Tod Karl Heger's.]

Kaum saß ich zu Hause in Ruhe, so wurde der Himmel meines Glücks
wieder durch Wolken verdunkelt. Eines Abends, als beide Oersteds mich
besuchten, kam eine Ordonnanz vom Prinzen Christian, um zu melden, daß
mein lieber Schwager und treuer Freund, Karl Heger, plötzlich gestorben
sei. Ich habe in einem Gedichte über ihn Alles gesagt, was ich von
diesem edlen, seltenen Menschen sagen konnte. Er war Bibliothekar des
Prinzen und sehr bei ihm beliebt. Eine Stunde vorher war er noch bei
dem Prinzen gewesen, als Jemand zu ihm kam. Dieser sah ihn in seinem
Lehnstuhle, mit dem neuen Testamente auf dem Schooße dasitzen. So war er
sanft hinübergeschlummert. Er wurde auf dem Friedrichsberger Kirchhofe
neben Camma und Rahbek beerdigt.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Kritik über Sokrates.]

Mein Sokrates sollte nun aufgeführt werden. Ich war überzeugt, daß
Ryge diese Rolle vortrefflich spielen würde, und er soll es auch
gethan haben; ich sah die ersten Vorstellungen nicht, und das Stück
wurde nur zweimal aufgeführt, es machte kein Glück. Der ganze damals
herrschende Ton verwarf es, und kein einziger Aesthetiker stand
öffentlich mir zur Seite, außer Wilster in Soröe. In der Monatsschrift
für Literatur erschien eine Recension, die mit Verstand, Sachkenntniß,
Achtung und Wohlwollen, aber kalt und tadelnd geschrieben war, trotz
der Zugeständnisse des Guten, die mir der Verfasser weder vorenthalten
konnte noch wollte. Diese Kritik trug mehr das Gepräge des Philologen
und Antiquars, als eines reifen Geschmackrichters. Obwohl zugestanden
wurde, daß das Stück seine Entstehung dem Dichtergeiste und einem
sorgfältigen Studium verdanke, so genügte es doch nicht, weil es nicht
das Product vieljähriger gründlicher Gelehrsamkeit war, und weil sich
Dies und Jenes den Ideen und Gefühlen der Gegenwart fügte. Danach durfte
ein Dichter niemals eine Sage des Alterthums behandeln, und von diesem
Standpunkte aus betrachtet, müßten all' meine nordischen Heldendramen
verworfen werden. Meine Fähigkeiten wurden auch darin besprochen, und
-- nach der damals gebräuchlichen Weise -- nannte man mein allzusehr
überwiegendes Gefühl für das Gute »die Wollust des Guten«, und tadelte
es als zu einseitig für echt dichterische Compositionen, wenngleich es
persönlich zu achten sei. Ich hatte Aristophanes Unrecht gethan, indem
ich ihn selbst die Anwendung des Namens Sokrates' zu seinem Lustspiele
»die Wolken« eine jugendliche Unbesonnenheit nennen ließ. Was noch mehr
dazu beitrug, die Leser gegen mein Stück zu stimmen, war eine deutsche
Abhandlung des Professor Forchhammer in Kiel, welche damals erschien,
und in der er bewies, daß Sokrates wirklich ein Empörer gewesen, und ihm
also kein Unrecht geschehen sei.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Der Geschmack damaliger Zeit.]

Da ich hier nun wieder zu einem Ruhepunkte in meiner Dichterbahn
gelange, so will ich hieran einen Ueberblick über den Geschmack knüpfen,
der damals herrschte und den ich eine Zeitlang vergebens bekämpfte.
Wir haben in dem Vorigen gesehen, wie Göthe, Tieck -- die romantische
Schule -- gegen das Rührende in der Poesie als gegen etwas Schwaches
und Weichliches polemisirten. Eine Zeitlang später hatten sich
phantastische Convulsionen in Werner's, Müllner's, Grillparzer's und
den französischen Stücken Victor Hugo's bewegt: hier galt es nicht, wie
Aristoteles es nennt, die Leidenschaften durch Schreck und Mitleid =zu
läutern=, sondern vorzüglich durch brillante Schilderungen bewunderter
Laster gespannt und nervenerschüttert zu werden. Von der andern Seite
schwebte die unschuldige, naive Dichtkunst in Gefahr, durch glänzende
Talente mit außerordentlicher Sprachfertigkeit verdrängt zu werden.
An der Spitze dieser steht Lord Byron als ein wirklicher Dichter.
Aber drücken sich nicht Egoismus, Sinnlichkeit, Stolz und Verachtung
in allen Werken seiner hinreißenden Beredtsamkeit aus? Schöne, tiefe
Gedanken, eine lebhafte Phantasie, eine starke, wichtige Begeisterung
findet sich gewiß darin; aber stets hört man den englischen Lord, der,
während er sich selbst der Laster beschuldigt, doch stolz auf alle
Andere und alle bürgerlichen Verhältnisse herabblickt. Es ist der
blasirte Jüngling, der die Sinnengluth hinreißend, nie aber die wahre
Liebe schildert, und schließlich von den Frauen sagt: »Wenn sie einen
Spiegel und ein Zuckerplätzchen haben, so sind sie zufrieden«. Byron
ist ein vortrefflicher poetischer Landschaftsmaler; aber die poetische
Landschaftsmalerei ist ein untergeordnetes Genre. Echt dramatisch
konnte er nie werden; denn die einzige Person, die er recht episch und
dramatisch schildert, war, wie gesagt, Lord Byron, sei dies nun als
Childe Harold, Don Juan, Manfred oder in einer andern Gestalt. Und
doch blickt er mit tiefer Verachtung auf seinen Landsmann, den Stolz
Englands, den göttlichen Shakespeare herab und spricht von ihm in einem
Briefe an die Lady Betterton, als von einem Pöbeldichter. Daß aber Byron
bei seiner Jugend und Schönheit (bis auf den Klumpfuß), seinem Genie,
seiner englischen Lordschaft, seiner Tapferkeit, seiner persönlichen
Entschiedenheit und endlich bei seiner lobenswerthen Begeisterung für
die griechische Sache, welche damals Europa's höchstes Interesse weckte,
eine glänzende Epoche machen mußte, ist ganz natürlich, und ich mißgönne
ihm seinen Lorbeer nicht, den er, wenn auch Alles, was hier gesagt, wahr
ist, doch verdient. Der unglückliche Klumpfuß hat gewiß nicht wenig zu
dem Stolz und Spleen beigetragen, der ihn unablässig peinigte und sein
Leben verkürzte.

In Deutschland spielte Graf Platen eine Art Byron. Sie hatten das
gemein, daß der Eine Lord, der Andere Graf und Beide vorzügliche
Künstler in der Behandlung der Sprache waren. Platen hat ebenso wie
Byron einige schöne Sachen geschrieben; aber sein Stolz war kälter
und unangenehmer, und er legte seine Gedanken in elegante, polirte
Versformen, wie in Marmorsarkophage.

Noch zwei deutsche Aesthetiker, von denen Einer ein begabter Dichter
war, äußerten sich damals mit der ganzen Kraft der Beredtsamkeit,
vornehm, polemisch und mit der Verachtung gegen alles Geltende, wie sie
damals Mode war. Dies waren =Börne= und =Heine=. Ihr Adel war älter, als
der Byron's und Platen's, denn sie stammten von David und Salomon ab; da
man aber diesen Stammbaum nicht anerkannte, so erweckte das einen Depit
in ihrem Wesen und ihrem Styl, der sie oft mehr als billig erbitterte.

Heine hatte alle Ingredienzien zu einem wahren Dichter, mit Ausnahme
des treuen Herzens, des männlichen Charakters, des wahren Ernstes
und tiefer Ehrfurcht vor dem Heiligen. Was übrigens Phantasie,
augenblickliches Gefühl, Verstand und besonders Witz hervorbringen kann,
darin excellirte er und riß die Jugend hin. Seine Phantasie und sein
Witz erfreuten auch mich. Der Ton in seinen lyrischen Gedichten ist,
trotz all' seiner Kühnheit, nicht originell, sondern ahmt unbewußt den
Ton von Göthe's jüngern Gedichten nach, in denen sich auch eine gewisse
stolze Verachtung gegen die Umgebung, aber gewiß viel mehr Herz zeigt.
=Rückert= florirte damals auch; aber obgleich ich seinen Blumenflor
bewunderte, konnte ich mich doch aus Mangel an frischer Luft nicht lange
in seinen Treibhäusern aufhalten, in denen mir die Blumen über den Kopf
wuchsen.

Bei uns hatten sich mehrere Dichter mit Recht geltend gemacht.
=Heiberg's= Vaudevillen gehörten zur Tagesordnung. Als Professor
der dänischen Sprache in Kiel hatte er eine nordische Mythologie
herausgegeben, in der er besonders Rücksicht auf meine Götter des
Nordens genommen und viele Stellen daraus vortrefflich übersetzt hatte;
aber nun gefiel ich ihm nicht mehr; er war ein eifriger Hegelianer
geworden, und da meine Werke nicht den Hegel'schen Bedingungen
genügten, so schätzte er wohl eins und das andere davon, betrachtete
aber alles Andere mit Ausnahme der ältesten Arbeiten als mißglückt. Das
thaten Mehrere. Sie trennten das Gute, das ich hervorgebracht hatte,
von dem Mißglückten, das allein ich nun schuf; sie theilten mein Leben
in zwei Theile; nur in der ersten Periode hatte ich dichterisch gelebt;
nun war der Dichter todt; mit seinem Gespenst wollten sie Nichts zu thun
haben und verstanden sich, ihrer eigenen Einbildung nach, viel besser
auf den wahren Oehlenschläger, als der arme Geist, der nach seinem Tode
spukte.

So stand ich also allein da. =Hauch=, der auch lange leiden mußte, weil
er zu meiner Schule gehörte, richtete sich etwas nach der Zeit, und
vermied so den Tadel. Einige, die vielleicht an mir sahen, wie wenig ein
Dichtername zu bedeuten habe, traten anonym hervor und zogen aus dieser
Namenlosigkeit großen Vortheil. So galt =Overskou's= Comödie »Oststraße
und Weststraße« als ein Meisterstück, dem nichts gleiche, =bis= man den
Verfasser kannte; später hatte das wirklich gute Stück Mühe genug, sich
zu halten. =Hertz's= »Gespensterbriefe«, die auch anonym erschienen,
machten Furore. Sie waren in einer witzigen, eleganten Sprache, mit
vielen freien und geistreichen Bemerkungen geschrieben; aber der
Geschmack, für den sie kämpften, berührte eigentlich nur die Form; und
als Form wurde wieder hauptsächlich die schöne Sprachform angesehen.
Der Kern eines Gedichtes, die viel wesentlichere =Form des Stoffes=,
kam nicht in Betracht. Das Gespenst, welches hier herauf beschworen und
gewissermaßen als Heiliger und Schutzgeist angebetet wurde, um den guten
Geschmack wieder herzustellen, war -- merkwürdiger Weise -- der selige
Baggesen! Und was noch merkwürdiger war, viele gebildete und verständige
Leser, die wenige Jahre vorher Baggesen getadelt und gemißbilligt
hatten, nahmen dies für gute Waare an und schworen wieder zu Baggesen's
Fahne.

Der talentvolle Hertz hatte einige Stücke geschrieben und schrieb
deren noch mehrere. Mir gefiel er am besten in seinen Lustspielen,
besonders in der =Sparkasse= und in der =Debatte= im »=Polizeifreund=«.
In =Svend Düring's Haus= ist viel Schönes, besonders der schwärmerische
Charakter der Liebhaberin, der von Frau Heiberg vortrefflich dargestellt
wurde. Die Mutterliebe, welche in der alten herrlichen Kämpeweise die
Hauptrolle spielt, hat in Hertz's Stück wenig zu bedeuten. Die Kinder
leiden nicht Noth und das Gespenst kommt nicht, um sie zu pflegen,
sondern um Wehe über ihre Stiefmutter zu rufen. Die Musik von Herrn Rung
ist schön und that ihre Wirkung, besonders in den Gespensterscenen.
Hertz hatte die Kämpeweisen fleißig studirt und viele Redensarten und
Ausdrücke derselben in seiner gereimten Tragödie angebracht. Wilster
sagt in seiner Uebersetzung des Euripides: »Neuere Dichter haben
zuweilen den Uebergang des Dialogs zu lyrischem Schwunge durch die
Anwendung des Reimes ausgedrückt. Am schönsten hat Oehlenschläger
diese tragische Lyrik in der Königin Margarete behandelt, wo er die
Scenen zwischen Ingeborg und Oluf in dem herrlichen alten Versmaße der
Kämpeweisen gedichtet hat. Diese Idee ist, wie bekannt, im Großen in
Svend Düring's Haus ausgeführt«.

Aber obgleich nun die Anonymität damals von guter Wirkung gewesen war,
so bedienten sich doch nicht Alle derselben; im Gegentheil wirkte einer
unserer Dichter, der in gewisser Richtung sich wohlverdienten Ruhm
erworben hat, gerade außerordentlich viel durch seine Persönlichkeit.
Die subjektiv-originelle Auffassung des Mährchenhaften war so ganz
mit =Andersen's= Wesen verwachsen, daß er selbst richtig fühlte, die
persönliche Mitteilung vollende, so zu sagen, seine Dichtung, weshalb er
auch auf alle Weise, durch Bekanntschaften, Besuche und häufige Reisen
in ein persönliches Verhältniß zu seinen Lesern zu kommen und ihnen
mündlich das Werk mitzutheilen suchte. Und es ist nicht zu leugnen, daß
es dadurch etwas an Naivetät und Humor gewann, den das gedruckte Wort
nicht ganz hervorzurufen vermochte. Freilich könnte man sagen, daß dies
ebenso mit jedem Dichterwerke geht, wenn der Dichter die Gabe hat,
gut vorzulesen; was aber dabei verloren oder gewonnen wird, entspringt
doch mehr oder weniger aus der Natur der Dichtung. =Christian Winther=
und =Paludan Müller= schrieben auch unter eigenem Namen und machten dem
Namen Ehre.

[Sidenote: Die Kritik über »Sokrates«.]

Aber ich kehre wieder zu Sokrates zurück.

Was hatte mich veranlaßt, diesen Stoff zu behandeln? Die Lust, mich
durch eigene Productivität originell zu zeigen, konnte es nicht sein;
denn das ganze Zeitalter in Griechenland, in dem Sokrates lebte,
steht ja in der Geschichte genau ausgemalt da; er selbst tritt bei
Plato und Xenophon so bestimmt und charakteristisch hervor, daß etwas
Selbstgemachtes hier ganz thöricht und geschmacklos gewesen wäre. Aber
der wahre Dichter singt nicht aus Eitelkeit und Egoismus, sondern aus
Liebe zum Gegenstande. Ich liebte Sokrates; meine Phantasie, mein
Gedanke, mein Gefühl empfanden Lust, sich mit ihm zu beschäftigen.
Ich wollte das Zeitalter, den Plato, den Xenophon studiren, und das
wurde mir erst recht möglich, als ich dieses Studium in Verbindung mit
meiner eigenen Kunst brachte; die Activität, die dabei meinen Geist
in Bewegung setzte, verlieh ihm erst die wahre Kraft, den Gegenstand
zu erfassen. Außerdem -- eine historische Person muß so bestimmt
und deutlich hervortreten, als möglich -- gehört doch Dichtergeist
dazu, ihn auf die Scene zu bringen, ihn sich in selbst erfundener,
dramatischer Composition bewegen zu lassen. Es ist so, als ob man ein
vortreffliches Gemälde sähe, das ein Zauberer durch seinen Stab aus dem
Rahmen heraustreten und sich in verschiedenen Gemüthszuständen bewegen
ließe, ohne daß dadurch das Bild die richtige Zeichnung verlöre. Ich
wollte Kampf und Versöhnung zwischen dem ethischen und ästhetischen
Princip, in Sokrates und Aristophanes darstellen. In Xantippe und Daphne
fand ich Gelegenheit, von mir selbst erfundene Charaktere zu zeichnen.
Und obgleich mein Stück nicht das Produkt eigentlicher Gelehrsamkeit
war (ich habe mich niemals für ein Stockgelehrten ausgegeben), so
darf ich doch behaupten, daß hier nicht die Gelehrsamkeit in Betracht
kam, sondern das dichterische Talent, verbunden mit den historischen
Charakteren und der tragischen Handlung. Wenn diese so wirkte, wie sie
wirken sollte, so würde es vielleicht nicht so übel gewesen sein, das
große Publikum (hier ist nicht von einzelnen Gelehrten die Rede) über
ein Zeitalter zu unterrichten, das so wichtig, so lehrreich war, und so
großen Einfluß auf alle folgenden Zeiten gehabt hat.

Ich hatte doch die Genugthuung, daß ein Mann, der sich in dieser
Angelegenheit, was Gelehrsamkeit und Kenntniß der griechischen Literatur
betraf, mit dem Besten messen konnte, mein Freund =Bröndsted=, Professor
der griechischen Sprache, eine poetische Natur, ein warmes, edles Herz,
ein Mann, der lange in Griechenland gelebt, und die Sprache wie seine
Muttersprache gelernt hatte, mir zu meinem Geburtstage einen Ring mit
dem Bilde des Sokrates und von einem Gedichte begleitet, worin er sich
in anerkennendster Weise aussprach, übersandte.

Ein großer Uebelstand für mich war der, daß mir, da mehrere meiner neuen
Stücke nur einige Male gegeben wurden und ich dadurch meine Einnahme
verlor, das nothwendige Geld fehlte; und da die Stücke aus demselben
Grunde auch keinen guten Absatz hatten, und ich außerdem ein schlechter
Buchhändler war, so kam ich in Schulden, die bedeutend wuchsen, und um
so empfindlicher wurden, da ich keinen Ausweg zu ihrer Bezahlung sah.
Denn auch der Absatz meiner deutschen Schriften verringerte sich zum
Theil durch den fortgesetzten Tadel in der Heimath, der auch in deutsche
Blätter überging. =Max=, der vor wenigen Jahren noch so zuvorkommend
gewesen war, sandte mir die Uebersetzung von =Olaf dem Heiligen=,
den =italienischen Räubern= und =Tordenskjold= als Werke zurück, die
meiner nicht würdig seien. =Campe= in Hamburg verlegte sie doch; er
setzte aber bei dem Verlage gewiß zu. In den Blättern für literarische
Unterhaltung stand eine Recension von einigen Zeilen über diese Stücke.
Einen Beweis (und zwar den einzigen), wie tief ich als dramatischer
Verfasser gesunken sei, zog der Recensent daraus, daß ich in einer
Parenthese in meinem Tordenskjold =Stahl in einer Terz ausfallen lasse,
welche Tordenskjold parirt=. Man sollte es nicht für möglich halten, daß
eine solche Bêtise in einem Blatte aufgenommen werden konnte, das in
allgemeiner Achtung stand; aber es verhält sich doch so.

Um nun einiges Geld zu bekommen, übersetzte ich durcheinander all' die
Stücke fürs Theater, die der Directeur Collin mir schaffte. Einige von
diesen waren doch von Bedeutung; so legte ich den Text in den Partituren
zur italienischen Norma, dem deutschen Freischütz und dem englischen
Oberon dänische Worte unter.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Frau Friederike Brun.]

In diesem Jahre starb auch meine Freundin Frau =Friederike Brun=,
mit der ich so viele angenehme Stunden verlebt hatte. Von diesem
ausgezeichnetem Weib muß ich umständlicher sprechen. Sie war eine
Tochter des Predigers der deutschen Petrikirche in Kopenhagen, des Dr.
Münter, der, wie er es sicher hoffte, Struensee bekehrt hatte, wie man
dies in der Bekehrungsgeschichte lesen kann, die Münter nach dem Tode
des Unglücklichen herausgab. Daß Struensee, als Gefangener, da er sich
seinem Ende näherte, in dem Gespräch mit dem begabten, von Religion
begeisterten, durch die Wissenschaft gründlich gebildeten Münter seine
flache Voltaire'sche Philosophie aufgab, die ihn gelehrt hatte, daß
der Mensch eine Maschine sei, deren geistiges Leben zugleich mit dem
irdischen aufhöre, ist ganz natürlich und wahrscheinlich. Es kann nicht
geleugnet werden, daß zu einer Zeit, wo das Deutsche hier im Lande die
Ueberhand gewonnen hatte, die begabtesten Deutschen, welche hier ihr
Glück machten, sich wirklich durch eine höhere Bildung auszeichneten,
als die Dänen. Bernstorff war ein ausgezeichneter Minister; Klopstock,
Deutschlands großer Dichter, besuchte uns auch und schrieb einige
Gesänge der Messiade in Kopenhagen bei seinem Freunde, dem Prokanzler
=Cramer=, dessen Haus der Sitz der Musen war, in das auch der ältere
Schlegel kam, der den nordischen Aufseher schrieb, in welchem er seine
Landsleute mit dem dänischen Guten bekannt zu machen suchte. Nach
Bernstorff zeichnete sich der jüngere =Schimmelmann= als Liebling der
Musen und als Mäcen aus. Cramer's Tochter verheirathete sich später mit
Schimmelmann's Secretair =Kirstein=. Schiller schickte aus Dankbarkeit
Schimmelmann (der während seiner Krankheit zugleich mit dem Herzoge von
Augustenburg für ihn gesorgt hatte) seine Tragödien, ehe sie gedruckt
wurden. In diesen Zirkeln wuchs die junge liebenswürdige Friederike
Münter auf. Und man kann diesen Deutschen nicht den Vorwurf machen,
daß sie das dänische Gute ignorirt hätten. Schlegel war Holberg's
eifriger Apostel und hat gewiß dazu beigetragen, daß =Schröder= dessen
Stücke auf die deutsche Bühne brachte und selbst so meisterhaft darin
spielte. Als Ewald starb, streute die junge Friederike Münter Blumen
auf sein Grab; und ihr Bruder (der Bischof) war Ewald's warmer Freund.
Aber es ist natürlich, daß ihre ganze Umgebung, ihre Ehe und späteren
Reisen sie Deutsch ausbildeten, und sie selbst Dichterin wurde. Ihre
Ehe war merkwürdig. Es würde einem Lustspieldichter schwer werden,
einen komischeren Contrast zwischen einem Ehepaare herauszufinden,
als den zwischen der mit Salis und Matthisson innig sympathisirenden
Friederike Münter und dem fast ausschließlich mit Gelderwerb und
Handelsspeculationen beschäftigten =Constantin Brun=. Er fing als armer
Commis an, aber er war ein hübscher junger Mann und ein gewandter
Kopf. Münter war ein Freund des alten Schimmelmann, und dieser hatte
viele Handelsverhältnisse ganz in seiner Hand. Brun machte der jungen
Friederike den Hof, wurde ihr Mann und durch Schimmelmann's Hülfe kam er
gleich in gute Handelsverhältnisse, die er mit seinem großen Erwerbgenie
benutzte, so daß es nicht lange währte, bis er reich wurde. So habe
ich ihn kennen gelernt; er äußerte bei jeder Gelegenheit seinen Spott
und sein Mißvergnügen über die poetischen Narrheiten seiner Frau, wie
er sie nannte. Es war nicht zu leugnen, daß sie etwas zu sentimental
war; an Oekonomie dachte sie nicht, und unglücklicher Weise wurde sie
von einer Taubheit heimgesucht, die in späteren Jahren zunahm. Aber
diese Taubheit hatte doch auch ihre gute Seite: sie konnte ihren Mann
nicht schelten hören; und dessen Handelsgeist hatte wiederum seine gute
Seite: er machte sie zu einer reichen Frau, und sie würde weder alle
einsichtsvollen Männer und Frauen Europa's mit so vieler Einsicht und
Urtheilsfähigkeit, noch die Natur mit so vielem poetischen Malertalent
kennen gelernt haben, wenn sie nicht durch das Vermögen ihres Mannes
die Mittel erlangt hätte, eine Reise nach der andern und besonders
nach ihrem lieben Italien zu machen. Constantin schalt und brummte,
aber sie hörte es nicht. Eines schönen Tages stand ich neben ihm auf
Sophienholm in Frederiksdal. »Ist das nun nicht ein herrlicher schöner
Ort«? fragte er mich -- »und doch will sie wieder aus dem Lande fort.
Es ist rein um toll zu werden«. Aber das Beste dabei war, daß er
sie, trotz all' des Lärmens, den er machte, doch thun ließ, was sie
wollte, und es, trotz all' der Klagen über die vielen Ausgaben, doch
seiner Eitelkeit schmeichelte, das eleganteste und angenehmste Haus
in Kopenhagen zu machen, wozu Er das Geld, seine Frau Geist, Grazie
und Anmuth beisteuerte. Keines von Beiden konnte entbehrt werden. Ganz
psychologisch merkwürdig war der Geist der Sparsamkeit, der bei ihm zum
Instinkt geworden war, wie bei einem Eichhörnchen das Sammeln der Nüsse
in einem hohlen Baum. Er zeigte uns nämlich eine große Schublade voll
Zucker. Diesen Zucker hatte er in der Harmonie zum Kaffee, den er dort
jeden Nachmittag trank, bekommen; jeden Tag aber sparte er einige Stücke
und nahm sie in der Tasche mit nach Hause. Es war in seinem Charakter
ein naiv-komisches Element. Einmal kam ein Mann zu ihm und bat ihn um
ein Gelddarlehn. Brun versicherte, er hätte Nichts, und um es ihm zu
beweisen, öffnete er seine Schatulle, zog alle Schubläden heraus und
zeigte ihm, daß kein Geld darin sei.

Was Frau Brun betraf, so machte sie durch ihre liebenswürdige
Persönlichkeit, ihren ausgezeichneten Geist und durch die, bei einem
Weibe seltenen, Kenntnisse Eroberungen, wohin sie kam, vom Palast bis
zur Hütte, und es gab damals fast keine einzige männliche und weibliche
Berühmtheit in Dänemark, Deutschland, der Schweiz und Italien, die
sie nicht kannte, mit der sie nicht in freundschaftlicher Verbindung
gestanden und deren Wesen sie nicht mehr oder weniger mit Phantasie
und Verstand erfaßt hätte, und durch charakteristische lebendige Züge
zu schildern vermochte. Dies trug sehr viel dazu bei, ihren Umgang
angenehm zu machen; man hörte sie gern erzählen; und als ihre Taubheit
zunahm, war sie auch interessanter im zusammenhängenderen Vortrage, als
im Gespräche. An Dem, was rund um sie her vorging, konnte sie nicht
recht Theil nehmen. Sie war von jungen Damen umringt, denn außer ihren
eigenen Töchtern und Nichten hielten sich auch zwei Töchter des in
Paris verstorbenen Ministers =Dreyer= in ihrem Hause auf. Sie waren
in einer pariser Pensionsanstalt erzogen; die älteste, =Mariquita=,
war sehr begabt; in diesem Zirkel bekam der junge =Ludwig Heiberg=,
den man im Scherz »_l'enfant_« nannte, und der oft zu Bruns kam, seine
erste Politur. Daß nun die gute Frau Brun, die so in ihren eigenen
Gedanken vertieft war, die neuste Zeit nicht recht kannte und zuweilen
etwas zu sentimental war, der lieben leichtsinnigen Jugend mitunter,
wenn nicht Ursache, so doch Veranlassung zum Lachen gab, kann man sich
leicht denken. Es ging der guten Dichterin wie es Jedermann unter den
sündigen Menschenkindern ging: die Fehler fallen viel leichter in die
Augen, als die Vorzüge. So ging es auch in Italien, wo ich mit ihr
zusammen war. »Gott hat mir die Gnade erwiesen«, sagte sie einmal in
einem Concert, »daß ich für Musik nicht taub bin«. -- »Die Gnade hat
Gott ihr nicht erwiesen«, sagte der Maler =Christel Riepenhausen=, der
ein großer Schelm war; denn als wir einmal in einem Passionsconcert
zusammen waren, das mit einem starken Chore anfing, fragte sie mich,
nachdem der Chor gesungen war: »Geht's nicht bald an?« Ich entschuldigte
diese anscheinend komische Unwahrheit mit einer Delikatesse von ihrer
Seite, die man mißverstand; sie meine, es würde ihren Freunden lieber
sein und den eigenen Genuß nicht stören, wenn sie glaubten, daß auch
ihre Freundin Theil daran nehmen könne. Man hielt sie auch für geizig,
obgleich sie es nicht war. In der für Dänemark schlimmsten Finanzperiode
reiste sie nach Italien. Das kostete schon viel und ihr guter Mann
fand sich darein; daß er ihr aber Summen gegeben hätte, um Kunstwerke
zu kaufen, daran war nicht zu denken. Doch waren die Künstler in Rom
unzufrieden damit, daß sie es nicht that. Ich besuchte einmal mit ihr
den berühmten Landschaftsmaler =Reinhart=, eine kräftige, derbe Gestalt.
Er besaß ein Buch, was sie gern lesen wollte, und sie bat ihn, es ihr
zu leihen. »Ja,« rief er mit fast zürnender Donnerstimme, »Sie können
es nehmen; aber Sie sollen es mir wiedergeben; denn ich bin arm und
Sie sind reich.« -- »»Der gute Reinhart,«« sagte sie milde mit einem
versöhnenden Lächeln.

Die Taubheit war ihr oft sehr unbequem, da sie die Einwendungen und
Bemerkungen nicht hören konnte, die man ihr machte, und sie war daher
gewöhnt, ihrem eigenen Kopfe zu folgen. Als sie von Italien zurückkam,
gab sie wöchentlich musikalische Soiréen, bei denen Ida mit ihrer
anmuthigen Persönlichkeit und ihrer schönen Stimme die Hauptrolle
spielte. In Italien giebt man solche Gesellschaften, ohne die Gäste
mit etwas Anderem als einem Glase Eiswasser, oder höchstens einer
Portion Eis zu tractiren. Das wollte Frau Brun hier einführen. Sie
war aber auch die Einzige in der ganzen Gesellschaft, der es gefiel.
Der Concertmeister =Schall=, der es übernommen hatte, diese Concerte
zu dirigiren, sagte ihr gerade heraus, daß man hier zu Lande daran
gewöhnt sei, Abendbrod zu essen. Was geschieht? Bei dem nächsten
Concert führt der Diener ihn in ein kleines Zimmer, wo ein elegantes
Souper angerichtet war; aber -- nur für ihn! Erst als er sich, wie
Don Juan, weigerte, sich allein an den Tisch zu setzen, wurde es Frau
Brun einleuchtend, daß sie mit der Einrichtung der Speiseanstalt etwas
mehr ins Große gehen müsse, und bei dem nächsten Concerte fehlte auch
Nichts, um die Gäste sowohl körperlich, als geistig zu erquicken. Bei
solchen Concerten saß sie zuweilen mit einem Stäbchen im Munde, das
den Resonanzboden des Instruments berührte, wenn dasselbe von einem
Virtuosen, z. B. als =Moscheles= da war, gespielt wurde. =Siboni= löste
Schall als ihren Concertmeister ab. Nun wurden lauter moderne Sachen
gesungen. Wenn sie mitunter einmal aus alter Liebe zu dem herrlichen
Schultz Etwas von ihm vortragen ließ, so wurde das auch als etwas
Lächerliches betrachtet, in das man sich finden müsse.

=Ida= war ein anmuthiges Mädchen, blendend weiß, schlank, wie eine
Nymphe, mit einem ovalen, regelmäßigen, blondlockigen Kopfe und einem
Gesicht, dessen muntere Freundlichkeit auf uns Alle Eindruck machte,
obgleich ihre blaßblauen Augen nicht feurig funkelten. Mein Vetter,
der Maler, Professor =Lund=, brachte sie bewußt oder unbewußt auf den
meisten seiner Bilder an. Die Mutter war ganz verliebt in ihre Tochter
und sah in ihr ein Genie, was sie doch nicht war; für Poesie hatte Ida
nicht viel Sinn, obgleich sie gern über das Lustige lachte, und wenn
sie gleich schön sang, so war ihr musikalischer Geschmack doch durchaus
modern. In Italien hatte sie auch von der Lady Hamilton gelernt,
schöne malerische Stellungen auszuführen, was sie freilich in dem
Lenze der Jugend mit ihrer Nymphengestalt besser kleidete, als Madame
Händel-Schütz mit ihrem schwerfälligen Körper, nachdem sie schon fast
verblüht war.

Es vergingen einige Jahre und Ida hatte in der ganzen Zeit, so viel
ich weiß, keinen Freier gehabt. Sie selbst war nicht erotischer Natur,
sondern etwas undinenmäßig kalt. Da kam der österreichische Minister
Graf =Bombelles=. Seine Jugend war dahin; er war durchaus nicht hübsch,
sondern bleich und sehr pockennarbig. Er hatte eine heisere Stimme; war
aber ein heller Kopf, ein lustiger, munterer Mann. Er verliebte sich
sterblich in Ida und suchte sie auf alle Weise zu gewinnen. Eines Abends
z. B. sprang er, als sie von einer Gesellschaft nach Hause fuhr, auf
ihren Wagen, und half ihr als Diener beim Aussteigen. Das Ende vom Liede
war, daß er sie zur Frau bekam und mit ihr fortreiste; und Sophienholm
war nicht mehr Sophienholm, nachdem es seine Nachtigall verloren hatte.
Einige Jahre lang kam ich auch nicht zu Bruns; aber das hatte einen
andern Grund. In der schlimmsten Baggesen'schen Zeit traf ich ihn als
Frau Brun's alten Freund dort, und das störte mir den Genuß ihrer
Gesellschaft. Da sie das nun wohl merken mochte, fiel sie auf einen
wunderlichen Gedanken. Sie hatte ihrem Portier befohlen, daß er, wenn
Baggesen da sei, mir sagen solle, sie wäre nicht zu Hause, und ebenso
umgekehrt zu Baggesen, wenn ich dort war. Dadurch glaubte sie nun eine
bewaffnete Neutralität gestiftet zu haben, die nach dem Sinne beider
feindlichen Mächte sein müsse; und ich glaube auch, daß Baggesen sich
darein fand; denn sie klagte später nur über mich, der ich fortblieb,
sobald ich das wunderliche Portierarrangement erfahren hatte.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Angenehme Ueberraschungen.]

Mehrere angenehme Ueberraschungen wurden mir in den Jahren 1838 und 39
bereitet. Man wird sich erinnern, daß der Bischof Münter, mir, als ich
Ritter vom Nordsternorden geworden war, sagte: »Der König kann es nicht
leiden«! und ich hatte später Ursache, ihm zu glauben; denn drei Mal
war ich von der Universitätsdirection meiner Anciennetät als Professor
zufolge zum Etatsrath vorgeschlagen, ohne daß ich es wurde; und ich
weiß, daß alle Betreffenden sich darüber wunderten. Vielleicht hat der
selige König geglaubt, daß ich selbst mich um jenen Orden bemüht habe.
Die Wunde des verlorenen Norwegens war noch nicht geheilt -- und die
Unzufriedenheit des Königs läßt sich menschlich erklären. Aber sein
gutes Herz gestattete ihm doch nicht lange dem Unschuldigen zu grollen.

Im Jahre 1838 wohnten die königlichen Herrschaften nicht auf
Friedrichsberg; das Schloß stand leer, und ich bekam so große Lust,
wieder einmal dort zu wohnen, daß ich dem Triebe nicht widerstehen
konnte, meinen Wunsch gegen den Oberhofmarschall auszusprechen. Er trug
dieses darauf dem Könige vor und brachte mir die angenehme Nachricht,
die ich gar nicht erwartet hatte, daß der König es gleich erlaubt
und gesagt hätte: er könne ganz gut begreifen, daß ich wünschte,
wieder einmal da zu wohnen, wo ich meine Kindheit verlebt, und wo er
mich gekannt hätte, als ich nicht größer, als =so= war! Hier machte
er mit der Hand eine Bewegung nach der Erde zu. -- Ich zog also mit
meiner lieben Marie hinaus und lebte in schönen Jugenderinnerungen
mit dem theuren Kinde, das mich (was ich damals noch nicht wußte)
bald verlassen sollte; ich ging, von vergangener Zeit träumend, umher
und besuchte täglich die Portraits meiner ältesten Geliebten in den
königlichen Zimmern. Die Vergangenheit stand wieder so klar vor mir,
daß ich Lust bekam, mein Leben ausführlicher und vollständiger, als
das erste Mal zu schreiben, und ich begann die gegenwärtige Ausgabe.
Damals vollendete ich nur die Periode meiner Kindheit. Manche Stelle
zeugt von diesem meinen letzten Aufenthalte auf dem Schlosse, z. B. die
genaue Beschreibung und das Urtheil über das große Gemälde von Rubens,
das, von Lorenzen copirt, in dem Zimmer der Königin hing. Täglich ging
ich mit meiner Maria im Garten und im Südfelde spazieren, wie ich es
gethan hatte, als sie klein war. In diesem Sommer schrieb ich auch die
Tragödie: »Knud der Große«.

In unserer ländlichen Einsamkeit wurden wir durch die freudige Nachricht
überrascht, daß =Thorwaldsen= nach Dänemark komme, um sein übriges Leben
bei uns zuzubringen.

Sein Empfang ist eine historische Scene, deren Schilderung nicht in ein
idyllisches Gemälde gehört. Ich war auch auf der Rhede in einem Boote,
um ihn zu begrüßen, was mir wegen des großen Schwarmes von Fahrzeugen
doch nicht glückte; aber ich sah ihn ziemlich fern in dem Königsboote
sitzen, und entdeckte da bereits, daß sein Haar, welches früher (nach
seinem eigenen lustigen Ausdrucke) gepudert gewesen, nun schneeweiß
geworden war.

                    *       *       *       *       *

In diesem Jahre ernannte mich König Friedrich VI., ohne einen Vorschlag
von Seiten der Universität, als ich es am wenigsten erwartete, zum
Etatsrath.

                    *       *       *       *       *

Im Jahre 1839 fiel es meinem Freunde =Bournonville= ein, meinen
=Aladdin= zur Aufführung auf dem Theater einzurichten. Mit dem ihm
eigenen Geschmacke wählte er die Musiknummern, componirte schöne Tänze
zu den Feenscenen und Aufzügen und tanzte selbst vortrefflich darin. Ich
hatte ihm und =Overskou= die Vollmacht gegeben, das Stück nach Gutdünken
zu kürzen und zusammenzuziehen. So wurde es wiederholt mit vielem
Beifall gegeben und verschaffte mir eine so reiche Einnahme, daß ich
eine Freude genießen konnte, die mir in meinem ganzen Ehestandsleben nur
ein einziges Mal, vor 22 Jahren, zu Theil geworden war, und an der ich
jetzt auf dem Schlosse Geschmack gefunden hatte: einen Sommer mit meiner
ganzen Familie auf dem Lande zuzubringen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Tod Friedrich des Sechsten.]

Gegen Ende dieses Jahres starb auch König Friedrich VI. Ich schrieb als
Universitätsprogramm ein Gedicht über ihn, und es wurde mir übertragen,
die Trauercantate zu verfassen, welche bei seiner Beisetzung in der
Roeskilder Domkirche aufgeführt wurde. Ich war mit dort, und bei einer
schneidenden Kälte bei dem Probst =Hertz= einquartirt, wo ich diese
Nacht dem lieben Gott für Etwas dankte, das ich sonst verabscheute,
nämlich für ein paar warme Federkissen. Mit meiner Cantate, zu der
Weyse die Musik geschrieben hatte, war ich selbst nicht recht zufrieden.
Im Programm hatte ich das ganze preiswürdige Leben Friedrich's VI. in
naiven Knüttelversen besprochen; aber sein Tod versetzte mich nicht in
eine höhere Begeisterung. Auch die alte Einrichtung von Solo, Duett,
Recitativ und Chor genirte mich. Später schrieb Heiberg eine Cantate
für die Universität, welche besser war, als die meinige; Weyse's Musik
war auch besser, besonders fand sich ein Duett von unvergleichlicher
Schönheit darin.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Brief des Kronprinzen Oskar.]

Im Jahre 1840 zeigte Tegnér mir in einem sehr freundschaftlichen Briefe
an, daß mir König Karl Johann das Großkreuz des Nordsternordens ertheilt
habe, und ich erhielt auch bald das Diplom. Zu gleicher Zeit sandte
der Kronprinz mir eine goldene Medaille mit seinem Brustbilde und der
Inschrift: _Memoriae pignus_, nebst folgenden Zeilen:

»Herr Etatsrath Oehlenschläger! Durch mehrfache wichtige Geschäfte
abgehalten, sah ich mich länger, als ich wollte und wünschte, der Freude
beraubt, Ihnen meine Dankbarkeit für das schmeichelhafte Gedicht zu
bezeugen, das Sie mir letzthin, von Ihren ins Deutsche übertragenen
Arbeiten begleitet, zugeeignet haben«.

»Mehrere unter diesen sind mir zwar alte und liebe Bekannte, aber als
Geschenk des Verfassers haben sie für mich einen neuen und erhöhten
Werth. Ueber das schöne Gedicht darf zwar Der, welcher der Gegenstand
desselben ist, nicht urtheilen, aber ich kann es mir doch nicht
versagen, Ihnen, Herr Etatsrath, meinen Dank für die freundschaftliche
Gesinnung auszusprechen, die sich darin zeigt, und die ich mit
derselben Aufrichtigkeit, wenn auch in einfacheren Worten, erwidere.
Das Andenken an unsere Begegnung in Christiania bereitet mir stets
Freude, und ich rief es mir aufs Neue ins Gedächtniß zurück, als Ihr
Sohn mich besuchte. Ich hoffe, daß er meine Grüße bestellt hat, und daß
Sie, Herr Etatsrath, bald Ihr Versprechen, Ihre schwedischen Freunde
zu besuchen, erfüllen werden. Indem ich mit Freude diese Gelegenheit
benutze, Sie meiner Freundschaft und Hochachtung zu versichern, bitte
ich Sie, die beifolgende Medaille anzunehmen, welche, wie ich hoffe,
Sie an Denjenigen erinnern wird, der, wie ich, Ihren Geist und Ihre
Eigenschaften, Herr Etatsrath, so hochschätzt.

      Stockholm, den 8. Mai 1840.
                                                        =Oskar=«.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: König Christian der Achte.]

In diesem Sommer wurde König Christian VIII. und Königin Karolina
Amalia auf Friedrichsborg mit vieler Pracht gekrönt. Die Ritter
vom Elephantenorden und die Großkreuze des Dannebrog waren in
purpurrothen und citrongelben Sammetmänteln, weißen Seidentricots und
großen Federhüten gekleidet. Die Meisten nahmen sich in dieser ihnen
ungewohnten Tracht eigenthümlich aus.

Der König machte mich in diesem Jahre, am Tage seiner silbernen
Hochzeit, zum Dannebrogsmann. Ich hatte auf seinen Befehl eine
Tischcantate zum Krönungsfeste gedichtet, die, von =Fröhlich= componirt,
bei Tafel aufgeführt wurde. Aber die Unmasse von Menschen, die hin- und
herging, um zu sehen, wie die Majestäten von den Staatsministern bedient
wurden, kümmerten sich nur wenig um die Musik; die Herrschaften saßen am
andern Ende des Rittersaales; die Teller klirrten, die Menge lärmte, und
ich glaube, daß Keiner, mit Ausnahme der Spielenden und Singenden, die
Cantate gehört hat. Ich war selbst im Saale, hörte sie aber nicht.

[Sidenote: Zusammenleben mit Thorwaldsen.]

Steffens war auch zugegen. Der König hatte ihn mit seiner Familie
nach Dänemark eingeladen und bezahlte die Reise. Ich besuchte mit
Thorwaldsen, Steffens und Grundtvig den Baron =Stampe= auf Nysöe. Schon
früher war ich einige Male mit Thorwaldsen dort gewesen. Des Abends,
wenn wir nicht Lotto spielten (das einzige Spiel, an dem Thorwaldsen
Theil nahm, wo er aber auch ein sehr leidenschaftlicher Spieler war
und sich ebenso sehr freute, wenn er einige Schillinge gewonnen, als
wenn er eine bedeutende Summe für seine Arbeiten bekommen hatte), mußte
ich ihnen Etwas aus Holberg oder meinen eigenen Arbeiten vorlesen,
und dann war er ein aufmerksamer Zuhörer. Er liebte überhaupt das
Schauspiel sehr; in Kopenhagen saßen wir fast jeden Abend im Theater
neben einander. Er konnte herzlich lachen und bei den rührenden
Stellen rannen ihm die Thränen an den Wangen herab. Er hatte oft davon
gesprochen, meine Büste zu modelliren; aber es verzögerte sich immer und
ich mochte nicht daran erinnern. Endlich machte die Baronesse Stampe
kurzen Prozeß damit. Sie bestellte bei dem Tischler ein Brett mit einem
Stift darin, ließ ein Gefäß mit nassem Ton heraufbringen, formte mit
ihren eigenen Händen einen großen Klumpen davon mit einem Hals wie an
einer Flasche, und aus dieser Erde schuf Thorwaldsen seinen Adam, d. h.
meine Büste. Den nächsten Tag hatte er keine Lust, daran zu arbeiten,
und entschuldigte sich damit, daß er nicht recht aufgelegt sei. Als ich
dann wieder zu ihm kam, componirte er die Skizze zu einem Taufengel. Ich
fand es sehr natürlich, daß er lieber an einem Taufengel als an einem
getauften Poeten arbeiten wollte.

Den nächsten Tag dagegen war er fleißig an der Büste beschäftigt und
machte sie fertig. Er modellirte auch ein Basrelief von Steffens, als
derselbe hier war. Bei Tische hielt Steffens Vorlesungen, die weder
Grundtvig noch mir gefielen. Mein Verhältniß zu meinem alten Freunde
war ganz wunderlicher Art. Er übersprang ganz die 37 Jahre, die wir
getrennt gewesen waren und sprach mit mir noch immer, wie mit seinem
Schüler vom Jahre 1803. Ich fand mich darein; einstmals gingen wir
im Südfelde zusammen spazieren und es freute mich, alte Erinnerungen
wieder heraufzubeschwören. In diesen Gefühlen sympathisirten wir
brüderlich. Seine Frau war auch hier; die schöne Hanna Reichardt hatte
sich außerordentlich gut conservirt; wir waren stets gute Freunde. Seine
Tochter =Klärchen= hatte viel von dem Geiste des Vaters geerbt. Verstand
und Herz standen bei ihr in seltener Harmonie. -- In diesem Jahre
feierte auch meine Tochter Marie ihre Hochzeit mit dem Doctor =Wollert
Konow= aus Norwegen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Tod meiner Frau.]

Im Jahre 1841 dichtete ich =Dina=. Ich las meiner Frau und meinen
Kindern die drei ersten Acte in demselben Zimmer vor, in welchem sie
in kurzer Zeit als eine Leiche stehen sollte. Noch hatten wir keine
Ahnung davon, obgleich sie in den letzten Jahren ihre Gesundheit
verloren hatte. Sie konnte Nachts nicht schlafen. Die Folge davon
war, daß sie oft am Tage einschlummerte und nicht recht an Dem Theil
nehmen konnte, was uns Anderen interessirte. Meine Dichtungen hörte
sie stets mit großer Aufmerksamkeit und Theilnahme an. Da ich an dem
fünften Acte von Dina arbeitete, konnte ich ihr noch das Meiste davon
vorlesen. Das Letzte, was sie hörte, war Eleonore Christine's Monolog,
wo sie aus Liebe zu Mann und Kindern beschließt, das geliebte Vaterland
zu verlassen. Da füllten sich Christiane's große blaue Augen, die
trotz aller Schwäche noch nicht den Stempel ihrer frühern Schönheit
verloren hatten, mit Thränen. Und das war der Abschied dieser edlen
Seele vom Dichter und Gatten, denn später ergriff die Lähmung und das
Fieber des Todes sie und machte ihren Geist unempfänglich für zarte,
rührende Eindrücke. Selbst der kleine Enkel konnte sie nicht recht
erfreuen. Sie war oft vom Schwindel geplagt gewesen; ein krampfhaftes
Zucken des Mundes und der Augenliden ließ einen apoplectischen Anfall
befürchten. Das würde, sagten die Aerzte, sie, wenn auch langsamer, dem
Tode zugeführt haben. Nun endigte gutmüthige Dienstfertigkeit, die ein
Charakterzug bei ihr war, plötzlich ihr Leben. Eine arme Frau, die im
Hause zuweilen waschen und dergleichen half, wurde krank. Christiane
besuchte sie und bekam den Typhus! An dem letzten Tage ihres Lebens
wo ich sie sah, lag sie wie in einer Betäubung, kannte mich kaum
und als ich mit unterdrücktem Gefühl ihr Lebewohl sagte, machte sie
eine mechanische Bewegung mit der Hand nach dem Munde zu. Ich ging
untröstlich nach Friedrichsberg hinaus; aber da hatte ich keine Hütte
mehr, keinen Winkel, in den ich mich hinsetzen und über meine Einsamkeit
trauern konnte. Der Kaufmann Melchior, den ich früher von einer edeln
Seite kennen gelernt hatte, erlaubte mir in einem Hause zu wohnen, das
er in der Friedrichsberger Allee besaß, bis ich andere Zimmer finden
würde. Kaum war ich dort hinaus, als mein Sohn Wilhelm mir die Nachricht
von dem Tode seiner Mutter brachte.

In dieser Trauer kam Bröndsted zu mir und fragte mich mit seiner
gewöhnlichen herzlichen Bereitwilligkeit, ob er mir irgend einen Dienst
leisten könne? »Ja,« antwortete ich, »das kannst Du. In diesem Hause
kann ich nur einige Tage bleiben; ich weiß, daß das Schloßverwalterhaus
leer steht. Da verbrachte ich, als mein seliger Vater noch lebte,
manchen Sommer, und es würde mir Trost gewähren, wenn ich die Erlaubniß
erhielte, jetzt wieder dort zu wohnen. Aber ich bin zu betrübt und
niedergeschlagen, als daß ich zum König gehen und ihn darum bitten
könnte. Willst Du es für mich thun«? -- »»Ja, mit größtem Vergnügen!««
-- Er ging. Den Tag darauf kam er wieder und brachte mir einen Brief,
den der König mir geschrieben hatte, in welchem stand, daß es Sr.
Majestät freue, meine Trauer lindern zu können, und daß er gleich
Befehl gegeben habe, daß das Schloßverwalterhaus mir für diesen Sommer
eingeräumt werde. Dafür hatte ich nun meinen guten Bröndsted zu danken,
wenigstens dafür, daß es so schnell geschah; denn mir selbst wäre es in
meiner Gemüthsbewegung unmöglich gewesen zum Könige zu gehen.

[Sidenote: Meine Tochter zieht nach Norwegen.]

Ich zog nun mit meinen Söhnen in das Schloßverwalterhaus. Mein
Schwiegersohn Konow und meine Tochter wohnten in der Stadt. Er hatte
erst die Absicht gehabt, sich ein Gut in Dänemark zu kaufen. Aber da er
keins fand, was ihm convenirte, und da wohl auch der freiheitsliebende
Norweger sich nicht dazu entschließen konnte, Unterthan eines
souverainen Königs zu werden (damals zeigte sich viel Gährung und
Opposition hier im Lande), so beschloß er ein schönes Gut, =Steen=, zwei
Meilen von seiner Vaterstadt Bergen, zu kaufen. Nun sollte ich also
auch, wenngleich, gottlob nicht für stets, meine Maria verlieren.

Die traurigen, stillen Vormittage in der ersten Zeit nach Christiane's
Tod (mich trennte nur ein breiter Platz von dem Kirchhofe auf dem
sie begraben war) brachte ich damit zu, alle ihre Briefe zu lesen,
wodurch ich mich gleichsam in meine erste Jugend zurückversetzte und
das entschwundene Leben noch ein Mal mit ihr durchlebte. Ich miethete
Zimmer für den Winter, besuchte die lieben Neuvermählten, und ihre
Nähe erquickte mich sehr, bis die Abschiedsstunde kam, wo ich meine
schmerzlichen Gefühle bemeistern mußte. Die Trauer wurde durch den
tröstlichen Gedanken gemindert, daß ich sie, unserer Verabredung gemäß,
bald in Norwegen besuchen würde.

Bevor sie aber abreisten, versuchte eine Zahl der begabtesten und
gebildetsten jungen Männer des Vaterlandes, mich dadurch zu trösten, daß
sie mir einen neuen ehrenvollen Beweis ihrer Achtung gaben. Ich erhielt
folgenden Brief:

              »Der Studentenverein an Adam Oehlenschläger!

Sie vollenden heute das 62. Jahr ihres Lebens, welches dem Dienste
der Musen geheiligt war, dessen bedeutungsvolle Wirksamkeit ihrem
Namen Unsterblichkeit verleihen wird. Gegen diese muß eine wenn auch
noch so kräftig ausgesprochene Anerkennung eines kleinen Kreises der
Gegenwart einem Nichts gleich sein; aber eine Gesellschaft junger
Musensöhne, welche Sie in einer Reihe von Jahren mit Freuden unter
sich gesehen hat, fühlt die Pflicht auszusprechen, daß sie es für eine
Ehre für die Gesellschaft hält, Sie zu deren Mitgliedern zu zählen.
Der Studentenverein bittet Sie daher, den Platz als Ehrenmitglied der
Gesellschaft anzunehmen, und indem wir, die Vorsteher des Vereins, Ihnen
dies, laut uns gegebenem Auftrage, mittheilen, konnten wir dem Drange
nicht widerstehen, Ihnen persönlich unsere Freude darüber auszusprechen,
daß uns die Ehre zu Theil geworden ist, diese Handlung der Gerechtigkeit
gegen den ersten Dichter unseres Vaterlandes zu vollziehen.

          Das Seniorat des Studentenvereins am 14. Nov. 1841«.

Diese Huldigung war früher nur Rahbek und Thorwaldsen zu Theil geworden,
und es fand in Folge derselben ein schönes Fest Statt.

                    *       *       *       *       *

In demselben Jahre wurde ich Commandeur des Dannebrogordens. Kurz
darauf ward ich auch Mitglied der niederländischen Gesellschaft der
Wissenschaften, und erhielt die große goldene Medaille der schwedischen
Akademie für Geist und Geschmack (_för Snille och Smak_).

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Gnade des Königs.]

Der König hatte mir erlaubt, »diesen Sommer« im Schloßverwalterhause zu
wohnen. Ich wünschte nun sehr, daß diese Erlaubniß auf mehrere Sommer
ausgedehnt werden möchte. Als ich ihm für seine Güte dankte, fragte er,
ob nicht auch ein Garten dabei sei, und ob ich diesen pflege? Dies gab
mir die beste Gelegenheit, meine Bitte anzubringen. Ich antwortete, daß
ich ihn sehr gern pflegen würde, wenn ich hoffen könnte, in der Zukunft
auch die Früchte zu ernten. Der König antwortete: »Wenn es möglich sei,
sollte ich die Erlaubniß erhalten, dort wohnen zu bleiben«, und als ich
in dem muntern Tone, in dem er mich gern sprechen hörte, antwortete:
»für Ew. Majestät ist sehr Viel möglich«, erlaubte er mir die Wohnung zu
behalten. Ungefähr um dieselbe Zeit starb die Conferenzräthin =Jessen=,
welche nach dem Tode ihres Mannes auf dem im Friedrichsberger Garten,
von üppigen Gebüschen und Bäumen verborgen gelegenen Fasanenhofe wohnen
geblieben war. Der Oberhofmarschall =Levetzau=, den ich von Jugend auf
kannte, und der stets freundlich mit mir gewesen war, erzählte mir, daß
der König mir erlaubt habe, zu wohnen, wo ich es selbst am liebsten
wünschte: entweder im Schloßverwalterhause oder auf dem Fasanenhofe. Als
ein Freund des Alten, an das sich viele liebe Erinnerungen knüpften, zog
ich es zuerst vor, da zu bleiben, wo ich war; als mir aber der Marschall
lächelnd rieth, erst den Fasanenhof anzusehen, that ich es und schwankte
nicht länger.

[Sidenote: Tod Wullf's und Bröndsted's.]

In dieser Zeit traten kurz nach einander zwei traurige Todesfälle ein,
welche mir zwei meiner besten Freunde raubten. Zuerst starb plötzlich
mein lieber Peter =Wullf=. Ich hatte ihn im Jahre 1814 als Capitain
und Lehrer der Seecadetten kennen gelernt. Unsere Freundschaft wurde
in der Baggesen'schen Periode geknüpft, in welcher Wulff sich uns warm
angeschlossen hatte.

Er schrieb schöne Gedichte, und setzte die Foersom'sche Uebersetzung
des Shakespeare zwar nicht mit der Virtuosität Foersom's, aber doch
lobenswerth fort. Jetzt war er Contreadmiral und Generaladjutant. Seine
gute Frau hatte er einige Jahre vorher verloren. In dem liebenswürdigen
Kreise seiner Familie verlebte ich viel heitere Tage. Weyse war auch ein
Freund des Hauses und erquickte uns oft durch seine schönen Phantasieen
am Fortepiano.

Der gute Wulff litt zuweilen an einem leichten Podagra, war aber niemals
eigentlich krank. Eines Abends im Theater fühlte er sich nicht recht
wohl, ging hinaus, nahm eine Droschke, um nach Hause zu fahren, und ehe
er nach der Cadetten-Akademie kam, -- war er todt!

[Sidenote: Tod Bröndsted's.]

Im folgenden Jahre hatte mein lieber Bröndsted ein ähnliches Schicksal.
Von Natur war er riesenstark und genoß einer vortrefflichen Gesundheit.
Aber er war vollblütig und bedurfte der Bewegung. Da er nun viel
saß und nach alter Gewohnheit immer lange zögerte ehe er sich in
Bewegung setzte, so beeilte er sich dann um so mehr zu Pferde, denn
er ritt lieber, als er ging. Ein paar Jahre wohnte er des Sommers auf
Friedrichsberg, wo ich ihn und seine liebenswürdigen Töchter Friederike
und Marie häufig besuchte. Die armen Mädchen gingen oft des Abends um
sieben, halb acht Uhr auf die Landstraße, um nach ihrem Vater zu sehen,
der noch nicht zum Mittagsessen gekommen war. Wenn sie ihn dann in
weiter Ferne herangalopiren sahen, freuten sie sich. Leider sollte diese
Freude bald in Trauer verwandelt werden.

In Kopenhagen wollte er eines Tags zu einem der Thore hinaus reiten. Auf
der Esplanade begegnete ihm der Etatsrath, späterer Minister =Bang=.
Sie hielten an und sprachen mit einander. Das Gespräch war zu Ende und
Bröndsted wollte weiter reiten, als er, gutmüthig und höflich wie er
stets war, den unglücklichen Einfall bekam, Bang für eine Abhandlung zu
danken, die dieser kurz zuvor geschrieben hatte. Rasch und kühn warf er
das Pferd herum; aber bei dieser Bewegung fiel er ab. Er war zwar an
das Reiten gewöhnt; aber da er kurz und untersetzt war, konnte er sich
nicht fest genug halten. Er bekam einen fürchterlichen Schlag, wobei
er wohl merkte, daß Etwas in seinem Körper zerbrach. Er hatte noch so
viel Kraft, daß er sich mit Hülfe eines Andern nach dem nahe gelegenen
Friedrichshospital schleppen konnte. In den ersten Tagen schien es, als
ob die Gefahr nicht sehr groß sei; nun aber schwoll der Körper auf, und
er starb glücklicherweise plötzlich, wobei er von heftigen Schmerzen
verschont blieb. Das Becken war ihm gebrochen! und doch hatte er
Muskelkraft und Körperstärke genug gehabt, um von der Esplanade nach dem
Hospital zu gehen. Armer Bröndsted! wie viele Gefahren hast Du in Deinem
Leben besiegt! auf Felsen und Bergen in der dunkeln Nacht bist Du an
tiefen Abhängen vorübergeritten -- und es hatte Dich Nichts betroffen!
Und nun solltest Du an einem schönen, stillen, hellen Tage unter den
freundlichen Bäumen in einer schönen Allee der Hauptstadt Deines
Vaterlandes stürzen!

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Aufführung von Dina.]

Ehe ich nach Norwegen reiste, wurde Dina aufgeführt und machte
vorzüglich durch das vortreffliche Spiel der Frau Heiberg Glück. Das
Stück wurde sehr gelobt; die Tadler hielten sich nun daran, »daß ich
der Geschichte Gewalt angethan, Ulfeld als zu schlecht und Dina als
zu gut gezeichnet hätte; daß sie eine niedere Verbrecherin sei«. Aber
Alles, was zu Ulfeld's Lob gesagt werden kann, habe ich ihm im Stücke
gelassen; ich habe ihn nur auch mit seinen Schattenseiten gezeichnet.
Daß ich durch die Idealisirung Dina's der Geschichte zu nahe getreten
sei, können nur Thoren sagen. Dina ist gar keine historische Person.
Ihr Auftreten ist eine Privatanekdote in Ulfeld's Leben; wenn diese
mir Veranlassung dazu gegeben hat, und es mir geglückt ist, aus einem
groben Feuerstein einen Diamanten herauszuschlagen, so ist dies ein
Gewinn für die Poesie und kein Verlust für die Geschichte. Die strenge
historische Wahrheit würde bei den meisten Stoffen die Dichterschönheit
unmöglich machen. Hakon Jarl schlachtete thatsächlich seinen Sohn ohne
Liebe; er verbarg sich, ehe er von seinem Diener gemordet wurde, in
einem Schweinestalle; Palnatoke erschoß den Harald Blauzahn von hinten
in einem Walde, wo derselbe bei einer gewissen Verrichtung saß; Hagbarth
schlich sich nach der Kämpeweise nach Signe's Kammer und lag bei ihr,
als er ergriffen wurde. Habe ich auch hier die Geschichte verunstaltet?
Sophokles sagte zum Euripides: »=Du= zeichnest Deine Helden, wie sie
sind, =ich= wie sie sein sollten«. »Aber«, wird man sagen, »Du hast
Ulfeld eines Meuchelmordes beschuldigt«. Das habe ich nicht gethan.
Dina hat ihn dessen beschuldigt; selbst als sie zum Tode ging berief
sie ihn noch vor Gottes Richterstuhl, und das Ganze blieb -- ein
ewiges =Geheimniß=. -- Dies genügte dem Dichter. Ich habe jenes Motiv,
welches die Triebfeder meines Werkes war, soviel als möglich moderirt.
Es ist nur ein flüchtiger Gedanke des erhitzten Ulfeld, wird aber von
der tragischen Nemesis festgehalten. Die Möglichkeit eines solchen
Gedankens lag nicht außerhalb Ulfeld's Charakters, er war bei all seinen
glänzenden großen Eigenschaften herrschsüchtig und rachgierig; und wenn
gleich die Humanität gebot, seine Schandsäule niederzureißen, so wird
doch die historische Wahrheit selbst nie leugnen können, daß zu großer
Ehrgeiz und Stolz, sowie Mangel an Edelmuth und echter Tugend ihn zum
Landesverrath getrieben haben.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Ole Bull.]

Im Juni reiste ich mit meinem jüngsten Sohne Wilhelm nach Norwegen.
Als Reisegefährte folgte uns der Violinist =Ole Bull=, der durch sein
seltenes Talent einen nicht nur europäischen, sondern einen Weltruhm
erlangte. Ich hatte oft Gelegenheit gehabt, diesen großen Künstler
zu bewundern, aber auch mich über ihn zu wundern. Sein Leben ist
merkwürdig: wie er als ein armer, unbekannter Musiker durch Paris
kam, und von der äußersten Noth getrieben, beabsichtigte, in der
Verzweiflung sein Leben zu enden, als er gerettet, gekannt, gehört,
anerkannt, geliebt, verheirathet, und sich durch seine Concerte bald
ein erkleckliches Vermögen erwarb. Seine musikalischen Leistungen
waren ein Ausdruck seines eigenen Charakters; eine eigenthümliche
Mischung von liebenswürdiger kindlicher Gutmüthigkeit und Milde, die
oft durch eine unruhige Heftigkeit unterbrochen wurde. So wechselten
die schönsten, schmelzendsten Töne und genialsten Phantasien mit einem
plötzlichen, gellen Schreien der Saiten ab. Es war gleichsam, als ob
Bull ein Vergnügen daran fand, mit launischem Wankelmuth die milde
feierliche Stimmung zu vernichten, die er selbst erweckt hatte, und
dieselben Zuhörer, die er soeben noch entzückte, durch eine Bizarrerie
zu verletzen, die nicht ihn beherrschte, sondern die er in stolzer Laune
hervorrief, wenn er wollte. Er kam mir oft wie ein Maler vor, der uns
ein schönes Bild zeigt, das er soeben vollendet, und in dem Augenblicke,
wo wir es genauer betrachten wollen, mit einem Pinsel darüber hinfährt
und es wieder verwischt. Doch muß man ihm Gerechtigkeit widerfahren
lassen. Wir hörten manch' herrliches Stück, das nicht auf diese Weise
abgebrochen wurde; und es ist höchst wahrscheinlich, daß diese Manier
ihn im reifen Alter ganz verlassen hat. Keiner spielte ein Adagio von
Mozart so anmuthig, wie er, hier verleugneten sich ganz jene grellen
Töne einer zu heftigen Persönlichkeit. Ich sage, daß er ebenso in
seinem Leben war: er machte zuweilen das Gute schlimm; aber mit der
Kindlichkeit, die dem kräftigen, schönen, jungen Norweger so gut stand,
war es ihm auch leicht, das Schlimme wieder gut zu machen.

Als er mir ein Mal auf dem Schiffe mißfallen hatte, weil er zu
übertrieben auf die Schweden loszog, und ich fortging und mich auf eine
Bank abseits setzte, kam er bald nachher auf allen Vieren kriechend und
bellte mich wie ein Hund an. Das war nun eine ebenso originelle wie
liebenswürdige Art, die Versöhnung herbeizuführen, und den Verstimmten
zum Lachen zu bringen. Er besuchte mich mehrere Male in Kopenhagen. In
Christiania, wo seine kleine hübsche Frau wohnte, die sich als Pariserin
nicht recht in den Norden finden konnte, war ich zu Mittag bei ihm,
und als wir reisten, war er so gut, uns einen seiner Wagen zur Fahrt
nach Bergen, seiner Vaterstadt, zu leihen, wohin er auch bald reisen
wollte. Er war außerordentlich stark; seine Arme waren wie von Eisen
gegossen, und es ist wohl möglich, daß es seine allzu große Körperkraft
war, die zuweilen ungeduldig die milden Töne unterbrach, während er mit
dem Haupte schüttelte, daß ihm die Haare in die schönen braunen Augen
fielen. Ein Beweis für seine Gutmüthigkeit ist, daß er mir seinen besten
Wagen zu dieser Reise lieh. Er selbst beabsichtigte, in einem Wagen
mit drei Rädern zu fahren; als man ihm aber vorstellte, wie gefährlich
dies sei, wählte er einen großen Wagen, der nicht ordentlich die Spur
hielt, und mit dem er auch ein Mal umwarf und beinahe den Hals gebrochen
hätte. Als er vor dem Könige in Kopenhagen spielte, und Friedrich VI.
ihn fragte, von wem er seine Kunst gelernt habe, antwortete er: »Von den
norwegischen Felsen, Ew. Majestät!« Der König, der an solche poetische
Redensarten nicht gewöhnt war, und den Namen eines Menschen erwartet
hatte, setzte das Gespräch nicht weiter fort.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Norwegische Bekanntschaften.]

In Christiania besuchte ich meine alten Freunde und Gönner. Der Einzige,
den ich nicht so fand, wie ich ihn verlassen hatte, war =Sverdrup=,
der an Augenschwäche litt, und den ich nie wieder sah. Die Studenten
begrüßten mich eines Abends im Hôtel du Nord mit einem Ständchen. Ich
machte die Bekanntschaft =Schweigaard's=, eines der brillantesten
Köpfe des Nordens, der Genie und Kenntnisse mit einem edlen Herzen
verband, =Dahl= kam uns mit der alten Freundschaft entgegen, und seine
gute Frau erquickte uns unter Andern mit schöner italienischer Musik.
=Collets= empfing mich mit unveränderter Herzlichkeit. Auch meinen
alten Reisekamerad =Krog= sah ich wieder, und lernte seinen Vater, den
Staatsrath kennen, der, als ich das erste Mal Norwegen besuchte, in
Schweden gewesen war.

Der Statthalter Baron =Lövenskjold= erwies mir viel Freundlichkeit
und Ehre. Am Namenstage des Königs waren wir bei ihm zu Tisch, und
bei dem dritten Toast bat er mich, Dänemark Norwegens brüderlichen
Gruß zu bringen. Fünf Jahre darauf sah ich seinen Sohn in Dänemark;
der begeisterte, tapfere Norweger kam her, um unter dem Dannebrog
für die Sache unsers Vaterlands zu kämpfen. Seine ehrliche, derbe,
herzliche Freundlichkeit rührte uns Alle. Er war oft bei mir auf dem
Fasanenhofe. Als ich in die Stadt gezogen war, kam der Diener eines
Tages herein und sagte: »Herr! draußen steht ein Soldat, der mit Ihnen
zu sprechen wünscht.« Ich ging hinaus. Die Gardinen waren der Sonne
wegen herabgelassen; ich konnte das Gesicht nicht recht erkennen, und
sah nur einen Soldaten in seinem groben Rock, mit Patrontasche und
Säbel, der ehrerbietig an den Czako faßte. Es war Lövenskjold, der in
den Kampf ging. Nachdem er sich bereits durch Tapferkeit ausgezeichnet
und Dannebrogsmann geworden war, besuchte er uns wieder; wir hatten die
Freude, ihn im Soldatenrocke an unserm Tisch zu sehen und auf sein Wohl
zu trinken, ehe er seinem ehrenvollen Tode entgegenging. Er steht vor
meiner Seele als ein schönes Ideal all' der edlen Norweger und Schweden,
die mit ihrem Bruderherzen für uns stritten, und ihr Blut für uns wagten
und vergossen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Reise nach Bergen.]

Den Reiseplan nach Bergen hatte uns unser Freund =Holger Collet=
aufgeschrieben; und da der Staatsrath =Sibbern= einen Tag vorher eine
weite Strecke auf demselben Wege gefahren war, so hatte er Pferde
für uns bestellt. Holger hatte uns aber zu kurze Zeit gelassen, und
obgleich wir eilten, so mußten wir doch an ein paar Orten doppelt
bezahlen, weil man uns zur bestimmten Zeit vergebens erwartet. Der
Weg führt größtentheils an Abgründen entlang, doch ereignen sich
selten Unglücksfälle; denn die norwegischen Pferde sind ebenso wie die
italienischen Esel daran gewöhnt, die Felsen auf und ab zu klettern.
Zwei Dinge gehören zu den wichtigen Erfordernissen einer Reise in
Norwegen: ein guter Kutscher und ein Cabriolet. Ersteren verschafften
wir uns; aber statt des Cabriolets bekamen wir Bull's Chaise. Da diese
nun ziemlich hoch war, so war sie auch gefährlicher; hatte aber auch
wieder den Vortheil, daß sie beim Regen zugemacht werden, und daß man
mehr darin mit sich führen konnte. Im Anfange erschien mir die Nähe des
Abgrundes etwas bedenklich; aber man gewöhnt sich an Alles und es währte
nicht lange, so ließ ich den lieben Herrgott sorgen und schlief ganz
ruhig in dem bequemen Wagen. Selbst eine Stelle, wo ein paar Tage vorher
eine Karre mit einem Pferde herabgestürzt war, machte keinen Eindruck
auf mich.

Wir machten unsere Reise in vier bis fünf Tagen. Ich will hier nicht
all' die Ruhepunkte aufzählen, sondern nur einiges Charakteristischen,
dessen ich mich entsinne, Erwähnung thun. Am ersten Abend kamen wir in
ein Haus, wo der Wirth und die Wirthin, obgleich Bauersleute, meine
Biographie und mein Freia's Altar gelesen hatten, und sich alle Mühe
gaben, uns nach besten Kräften zu bewirthen. Zu dem Ende brateten sie
ein Spanferkel, das sie auf den Tisch setzten. Unglücklicherweise
aber konnte ich Nichts davon genießen; denn es ist mir stets zuwider
gewesen, von einem Spanferkel zu essen, das mit Kopf und Schwanz und
geschlossenen Augen, fast als ob es noch lebte auf den Tisch kommt. Das
Gefühl von einer Art Kanibalismus bei dem Genusse eines, wenn auch nicht
Mitmenschen, so doch Mitgeschöpfes macht mir die Mahlzeit widerlich. Es
darf keine Spur des verschwundenen Lebens mehr vorhanden sein, wenn die
Fleischspeise schmecken soll. Nur durch diesen Selbstbetrug versöhnt
sich unser, wenn auch nicht ethischer, so doch ästhetischer Sinn mit den
Forderungen der Natur. Indessen kostete ich doch von der Speise, um den
braven Leuten nicht zu mißfallen, die uns so gern Etwas zu Gute thun
wollten.

Der Wagen wankte oft an steilen Punkten; das störte mich aber doch
nicht in der Betrachtung der wunderbaren Natur. Norwegen besteht mit
Ausnahme einiger großen Thäler aus lauter Felsen, zwischen deren
Spalten die Flüsse dahinströmen. Zwischen dem Fluß auf der einen
Seite und dem Felsen auf der andern erstreckt sich ein breiter oder
schmaler Erdstreifen mit Ackerboden und einem Fahrwege zwischen sich
und dem Flusse. =Das= ist Norwegen! Man hat so viel von dem kalten
unfruchtbaren Klima gesprochen; nicht das Klima im Ganzen genommen ist
es, das Norwegens Unfruchtbarkeit verursacht; hieran sind größtentheils
die unglücklichen einzelnen Nachtfröste schuld. Eine einzige Nacht
kann die Ernte eines ganzen Jahres zerstören. Was Norwegen besonders
fehlt, ist =Erde=. Steine können nicht zu Brot werden, und Norwegen
besteht größtentheils aus Steinen und Wasser. Aber wenn eine Zaubermacht
die gegen Süden gewandten Bergabhänge hinreichend mit fruchtbarer
Erde bedecken könnte, so würde Norwegen ein Paradies werden; denn das
Klima auf der Süd- und auf der Nordseite des Berges ist durchaus
verschieden. Wo die Sonne in dem Thale scheint, welches die Felsen vor
Stürmen schützen und die Sonnenwärme verstärken, indem sie die Strahlen
zurückwerfen, würde fruchtbare Erde den Fleiß des Landmannes durch die
reichste Ernte belohnen.

Unser Kutscher fuhr rasch. Aber ein Mal hatte er schlechte Pferde
bekommen, und wollte auf einer unwegsamen Stelle sie mit der Peitsche
vorwärts zwingen, was wir ihm aber untersagten. Die Bauern umgaben uns
in großen Haufen, darunter war auch ein baumstarker großer Bauer mit
finsterm Gesicht, der sich uns erbittert und drohend mit wilden Blicken
näherte. Glücklicherweise kam der Prediger dazu, der ihn beruhigte,
sonst wäre es dem Kutscher und uns vielleicht auch schlecht gegangen.
Dies war der erste und letzte Norweger auf meiner Reise, der sich mir
unfreundlich zeigte.

Wir näherten uns dem Filefjeld, dessen Kamm jetzt, in der Mitte des
Sommers noch an vielen Stellen mit Schnee bedeckt war. Hier aßen wir
einen guten Rennthierbraten, und ein starker Bauer trug mich auf seinem
Rücken durch den Schnee; doch nicht ganz ohne Schwierigkeit; denn ich
war nicht so leicht, als er geglaubt hatte.

Von dort kamen wir nach dem Leerthale, wo Manöver gewesen war. Die
Soldaten mußten von fernen Gegenden dorthin ziehen, um einen flachen
Raum von genügender Ausdehnung zu finden, auf dem sie marschiren und
exerciren konnten.

Von hier fuhren wir mit einer Abtheilung norwegischer Soldaten auf einem
Dampfschiffe nach Bergen wo uns meine geliebte Maria und ihr Mann auf
einem Boote im Hafen entgegenkamen. In dem Augenblick, wo ich aus dem
Schiff ins Boot steigen sollte, mußte ich, als ich mein geliebtes Kind
wiedersah, meine Gefühle unterdrücken, um nicht ins Wasser zu fallen.
In der Stadt erwartete uns ihr Wagen, und nun fuhren wir rasch den
herrlichen Weg entlang bergauf, bergab nach =Steen=.

[Sidenote: Aufenthalt bei meiner Tochter.]

Bei der Einfahrt in Konow's Gut stand in dem Thore das Kindermädchen
mit dem kleinen =Harald=, der seinen Großvater an der Grenze empfangen
sollte. Durch eine lange Allee mit gut bebauten Feldern zu beiden
Seiten, von nackten, hohen Riesenfelsen begrenzt, kamen wir nach dem
traulich und schön eingerichteten Hause. Hier verbrachte ich sechs
glückliche Wochen im Schooße meiner Familie. Meine Maria spielte mir
täglich einige der Mozart'schen und Beethoven'schen Compositionen vor,
die ich stets so gern hörte, und ich ging daran, meine Tragödie »Erik
Glipping« zu vollenden, die ich bereits im Fasanenhofe begonnen hatte.
In Bergen besuchte ich den herrlichen =Christie=, der Stiftsamtmann
gewesen, Staatsminister hätte werden können, sich aber mit dem Amte
eines Zollinspectors begnügte, und einer der Begründer der norwegischen
Constitution war.

Es währte nicht lange, so erhielt ich eine Einladung von Bergens
Einwohnern aus allen Classen zu einem Feste im Locale der dramatischen
Gesellschaft. Ich wurde von den Stiftsamtmännern Hagerup und Christie,
dem Amtmann Schütz und den Directoren der Gesellschaft empfangen, und
in des Prinzen Oskar Loge hinaufgeführt. Ungefähr fünfhundert Personen
empfingen mich mit einem Liede und einem schönen Prologe von meinem
alten Freunde, dem Oberlehrer =Lyder Sagen=. Später war Souper und Ball
für über hundert Personen. Ich sprach meinen Dank für diese Ehre in
einem Gedichte aus, das in meinen Sammlungen abgedruckt ist. Aber es
blieb nicht dabei; die edlen Bergener erwiesen mir auf mehrere Arten
ihre Zuneigung.

Je mehr sich die Abreise näherte, desto schwerer athmeten Maria und
ich, und manche Thränen wischten wir fort, die sich am Ende doch nicht
mehr verbergen ließen. Wir hatten Beide versucht unser Gefühl zu
unterdrücken, wenn vom Abschiede die Rede war; aber wir wußten wohl, was
wir einander waren, und der Gedanke an die schwere Trennung, die uns
bevorstand, erschütterte uns. Eines Vormittags, als Konow und William
ausgegangen waren, hatte ich mich in mein Zimmer gesetzt und las; als
ich zu Maria hineinkam, fand ich sie an ihrem Nähtische still weinend.
Ich fragte sie besorgt um die Ursache? »Du gehst von mir weg und liest,«
sagte sie, »während ich hier allein bin. Dazu hast Du Zeit genug, wenn
uns mehr als eine Thür trennt.« In solchen Zügen äußerte sich ihr
schönes Herz.

In ein paar Bäume auf dem Wege nach der See zu hatte ich einige Worte
eingeschnitten; gleich vornan in einen: »Lebe wohl!« und weiter
unten am Strande: »Auf Wiedersehn!« Nun schnitten wir auch unsere
Namen in einen Baum im Garten. Bei dieser Gelegenheit darf ich eines
poetischen Charakters nicht vergessen. Die Sage von den Hausgeistern ist
hinreichend bekannt: es sind gute, unschuldige Wesen, die mit größter
Bescheidenheit nur wenig von Dem genießen, was man ihnen anbietet, und
mit größter Freude allen nur möglichen Nutzen im Hause thun, während sie
sich an die Familie anschließen. Freilich haben sie etwas Wunderliches
an sich, aber das wird hinreichend durch ihr muntres Wesen und ihre
innige Gutmüthigkeit ersetzt. Solch' einen Hausgeist besitzt Steen im
=Onkel Jahn=. Ohne an den Speculationen und dem Handelsfleiße seiner
Brüder, wodurch diese reiche Männer wurden, Theil zu nehmen, führte er
ein abenteuerliches Leben, ging in seiner Jugend auf die See, und schloß
sich später als ein reisendes Mitglied den Familien an. Auf Steen ist
er der Abgott der Kinder, denn er lebt mit ihnen wie ein Kind, erzählt
ihnen Märchen, spielt ihnen auf der Violine und der Mundharmonika vor,
und sie haben kein Spiel, an dem er nicht Theil nähme. Aber er kann auch
schmieden, zimmern und dem Hauswesen nützen.

Als nun Maria und ich zum Abschiede unsere Namen in einen Baum
geschnitten hatten, fand Onkel Jahn die Idee so hübsch, daß er Lust
bekam, auch den seinigen daneben zu stellen. Als ihm aber später
Jemand sagte, daß sein Name nicht dahin paße, wollte er ihn durchaus
wieder wegschneiden, und es kostete viele Mühe, ihn zu bewegen, daß er
denselben stehen ließ.

So riß ich mich denn also aus den Armen meiner geliebten Maria. Um uns
zu trösten, versprach der gute Konow, sie bald mit dem kleinen Harald
nach Dänemark zu bringen. Und er hielt mehr, als er versprochen hatte,
denn Harald kam mit noch zwei Brüdern.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Rückreise nach Kopenhagen.]

Das Wetter war herrlich, es ging kein Wind, darum kümmerte sich aber das
Dampfschiff nicht. Ich starrte lange nach der Küste hinüber, als ich an
Steen vorüber fuhr, aber es war zu weit, um Jemanden sehen zu können,
und das war recht gut; denn der Anblick der Geliebten würde die Wunde
nur wieder aufgerissen haben. Beim Vorübersegeln betrachtete ich die
große, schöne Stadt, die zwischen nackten Felsen eingeklammert liegt.
Auch Norwegen hat in früheren Zeiten durch die Deutschen gelitten. Hier
setzten sich die Hanse-Kaufleute fest und belästigten lange die Bergener
Bürger. Die alten Heldenkönige, die hier gestrahlt hatten, wurden
vergessen, selbst ihre Grabmäler in den Kirchen sind zerstört, und
keiner wußte, wo sie gestanden hatten. Die nackten Felsen machten einen
traurigen Eindruck; doch würden die der Stadt zunächst gelegenen nicht
so unfruchtbar sein, wenn sie vor dem Viehe geschützt worden wären, das
die hervorsproßenden Keime abnagt, wenn man das Ackerland nicht einhegt.
Auf dem eingehegten Gute des Stiftsamtmanns Hagerup z. B. erstreckte
sich das Grüne ein gutes Stück den Berg empor.

Um mich zu erheitern, hatte das Schicksal uns den herrlichen
=Rosenkilde= auf das Schiff geführt. Diesen vortrefflichen Schauspieler,
ebenso ausgezeichnet durch seinen Humor wie durch sein Herz, der sich
auch im »Fest der Freunde« als ein guter Dichter bewährt hat, kannte
ich bereits seit meiner Jugend, wo er oft bei Madame Möller in der
Weststraße aß. Er war auf einer Kunstreise begriffen, und kam von
Drontheim. Das Wetter war so schön und ruhig, daß wir auf dem Verdecke
Karten spielen konnten. Eine große Anzahl norwegischer Matrosen wurden
auf dem Schiffe transportirt; jetzt hatten wir Gelegenheit, norwegische
Seeleute zu sehen, sowie auf der Fahrt vom Leerthale nach Bergen
Soldaten. Des Abends legten sie sich bis früh auf dem Decke zur Ruhe,
und wenn wir Andern, die wir später zu Bette gingen, über das Verdeck
gehen wollten, mußten wir über die schlafenden Matrosen wegschreiten.
Ich fragte einmal den Capitain im Scherz, ob er nicht fürchtete, daß sie
Aufruhr machen könnten? »Davor bin ich von moralischer Seite sicher,«
sagte er. -- »»Genügt das?«« fragte ich. -- Er zeigte auf fünf bis sechs
Männer, die Riesen nichts nachgaben, und sagte: »Auf diese kann ich mich
in jedem Falle verlassen.«

Es geht sehr langsam auf dieser Reise, weil man zwischen unzähligen
Scheeren und Bänken in der Nähe kleiner Felseninseln dahin fahren muß.
Ueberall gebraucht man Lootsen. Wir näherten uns einmal zwei solchen
Straßen, deren eine breit, die andere sehr eng war. Aber gerade durch
diese letztere mußten wir fahren, denn in der andern wären wir auf den
Grund gelaufen.

In Stavanger, wo das Schiff sich einen Tag aufhielt, war ich in der
Kirche, und sah das Taufbecken, in dem Steffens getauft worden war. Er
kam ein Jahr alt mit seinen Eltern nach Dänemark; sie hatten gerade ein
Jahr in Norwegen gelebt. Erst als Jüngling besuchte er Norwegen wieder;
indessen hatte er doch das Recht Norwegen sein Vaterland zu nennen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Thorwaldsen.]

Im Jahre 1844 verlor Dänemark seinen =Thorwaldsen=. Er war ein paar
Jahre vorher wieder in Italien gewesen. Sein Herz schwebte zwischen
Süden und Norden. In Italien hatte er sein Leben von der ersten Jugend
an bis zum Alter zugebracht. Dort hatte er sein Genie entwickelt,
dort war er groß und weltberühmt geworden. Aber obgleich er Italien
liebte, und die griechischen Werke ihm heilige Götterbilder für
Studium und Kunst wurden, so brachte er nach Rom doch eine so stark
nordische Persönlichkeit mit, daß weder Zeit noch Raum ihr Gepräge
verwischen konnten, und wenn er uns besuchte, so war er in Wort und
That, als ob er nie fern gewesen wäre. Thorwaldsen hatte, wie die
meisten Künstler seiner Zeit, keine wissenschaftliche Erziehung gehabt.
Sprachen waren nicht seine Sache; selbst seine eigne Muttersprache
redete er schlecht; aber er war ein unvergleichlicher Meister in der
Fingersprache. Wenn eine Sprache so vortrefflich ist, daß man in
derselben das Höchste und Beste ausdrücken kann, und wenn man dies
thut, so ist man beredt, selbst wenn man auch stumm wäre. Die Sprache
selbst ist nur ein sinnliches Mittel um die Gedanken des Geistes und
die Gefühle der Seele auszudrücken; unzählige Menschen schreien und
grunzen, trotz ihrer Sprache, wie die Thiere, zwitschern wie die Vögel,
schwatzen wie Staarmätze und Papageien. Wenn Mozart und Thorwaldsen die
höchste Intelligenz in Tönen und Bildern ausdrücken, so hat weder die
tiefsinnige noch die flache Metaphysik Recht, ihre Ideen undeutlich
und dunkel zu nennen, weil sie dieselben nicht in Begriffe aufzulösen
verstehen. Diese Begriffsauflöserei, diese bornirte Logik hat oft durch
triviale Spitzfindigkeit die Begeisterung vernichtet, den Eindruck
geschwächt und der Flachheit einen breiten Weg geöffnet, um den guten
Geschmack durch Sophismen und Wortklauberei zu verderben. Die gesunde
Logik, die wahre Philosophie steht in dem innigsten Verhältnisse zu
Kunst und Genie, wie Minerva zu den Musen; wir sprechen hier nur von
dem Misbrauche, der sich am Häufigsten findet. Auf eine naive, aber
gerade richtige Weise entwickelte sich Thorwaldsen's Kunst, stets auf
dem praktischen Wege. -- Man erzählt sich eine hübsche Geschichte,
wie ein Deutscher, der sich seinen Kunstgeschmack durch Theorien und
Abstractionen gebildet, zu ihm kam, kurz bevor er nach Rom reiste
und als er eben ein paar Figuren componirt hatte, die für sein Alter
merkwürdig schön waren. Der Fremde wollte wissen, welchen Weg er
gegangen sei, welche Werke er studirt habe, um zum Ziele zu gelangen.
Thorwaldsen, der all' das gelehrte Geschwätz nicht verstand, starrte ihn
lange verblüfft an und sagte endlich: »Ach so! Sie wollen wissen, wie
ich die Statue gemacht habe?« -- »»Ja, das möchte ich gern wissen!«« --
»Das will ich Ihnen sagen,« antwortete Thorwaldsen, der sich alle Mühe
gab, recht deutlich zu sein, damit der Fremde ihn verstehen könne; --
»ich nahm ein Bret, bohrte ein Loch hinein, steckte dann eine Stange
in das Loch, nahm feuchten Thon, den ich um die Stange legte -- =und
dann machte ich sie=!« Welch unbewußte herrliche Satire liegt in dieser
scheinbaren Einfalt!

Aber Thorwaldsen wurde, als er nach Rom kam, ein gelehrter Grieche,
denn er studirte die griechische Bildhauerkunst mit einer Tiefe und
Gründlichkeit, von der kein griechischer Philolog eine Ahnung hatte.
Canova war sein großer Vorgänger; ihm, dem Italiener und Römer, dem
klugen Weltmanne, war es viel leichter als Thorwaldsen geworden, sich
berühmt zu machen. Seine prächtigen Ateliers lockten die reiche _beau
monde_ herbei; lange Zeit standen Thorwaldsen's Meisterwerke unter
elenden Bretterschuppen; er selbst war unordentlich gekleidet, sprach
die fremden Sprachen schlecht -- und war ein Däne! Was konnte man aus
Dänemark erwarten? Aber echte Kenner ließen sich doch nicht durch den
Schein blenden. Der reiche Engländer =Hope= bestellte eine Marmorstatue
seines Jason, dessen Thonmodell er, in seiner Verzweiflung, im Begriff
war in Stücke zu schlagen, als er nach Hause reisen wollte, weil er
keinen Käufer fand. Und nun währte es nicht lange, so überstrahlte
er in den Augen wahrer Kunstkenner Canova. Aber man darf doch nicht
vergessen, daß Canova der Erste war, der den schönen, guten Geschmack
zurückbrachte. War er etwas zu kokett und sinnlich in seinen Werken, so
war die Thorwaldsen'sche Keuschheit vielleicht zuweilen etwas zu kalt,
und daß Jener der Vorgänger gewesen, darf man nie vergessen! Voß's
=Louise= steht an poetischem Werthe unter Göthe's Hermann und Dorothea;
aber Göthe hätte Hermann und Dorothea schwerlich gedichtet, wenn Voß
nicht vorher seine Louise geschrieben hätte. Während Thorwaldsen lebte
und wirkte, besaß er am Ende seiner Laufbahn eine unbegrenzte Celebrität
und Autorität. Später hat man in Deutschland auch angefangen, ihn zu
bekritteln. Er könne sich nur in das Griechische versetzen; nicht die
Kunst in die Gegenwart hinüberführen; trotz der göttlichen Apostel und
des Taufengels war er nicht christlich genug; eigentlich sei er ganz
besonders groß nur im Basrelief u. s. w. -- Mir that es nur leid, daß
er nicht die Götter des Nordens verherrlichte, da er doch aus Island
stammte. Aber es ist gut, daß auch der Zukunft etwas zu thun übrig
bleibt und vielleicht setzt =Jerichau= fort, was =Freund= und =Bissen=
so gut begonnen haben.

Auf Nysöe bei Baron =Stampe= war ich oft mit ihm zusammen. Die
Baronesse hatte ihm ein hübsches Atelier im Garten bauen lassen, und da
vollendete er, im letzten Sommer, den er dort zubrachte, seine eigene
Statue. Wie ein echter Baulundur steht er mit Hammer und Meißel da.
Den letzten Winter und den letzten Tag seines Lebens war ich auch bei
Stampe in Kopenhagen mit ihm zusammen. Er aß und trank gut, befand sich
vollkommen wohl, saß mit mir auf dem Sopha und scherzte nach Tische beim
Kaffee. Es stand ein Korb mit Visitenkarten auf dem Tische, in dem wir
herumwühlten. »In alten Tagen«, sagte Thorwaldsen, »hatte man solche
Visitenkarten nicht; da schrieb man die Namen auf wirkliche Karten.«
Einmal hatte sich eine Familie ein ganzes Spiel solcher Visitenkarten
gesammelt, mit denen sie des Abends wieder spielten, wenn sie keine
andern Karten hatten. »Ich kann nicht stechen«! sagte der Eine bei
einer Partie. »»So gieb schlechtes Zeug zu««! sagte sein Aide, und da
warf er den »Herzog von Württemberg« drauf. Während dessen wühlte ich
im Korbe umher, und fand eine Karte, auf der ein Name so klein gedruckt
war, daß man ihn kaum lesen konnte; sie war aber wieder von einem
Anderen benutzt worden, der seinen Namen sehr groß auf die Rückseite
geschrieben hatte. »Hier ist eine Karte«, sagte ich, indem ich sie
Thorwaldsen hinreichte, »die man recht gut gebrauchen könnte, wenn man
Trumpf zugeben wollte«. Er sah auf den kleingedruckten Namen, konnte
ihn aber nicht lesen. »Kehre sie um«! sagte ich. Er that es und las:
»Thorwaldsen«. So scherzten wir mit einander. Aber plötzlich sagte er
ganz ernst: »»Oehlenschläger! den kleinen Genius der Poesie, den ich
gemacht habe, habe ich zu einer Medaille für Dich bestimmt««. -- »O,
mein guter Thorwaldsen«! sagte ich nun in ganz anderm Tone; »das ist
zu viel«! -- »»Nein, das ist es nicht««, entgegnete er, indem er sich
erhob. Das waren die letzten Worte, die er an mich richtete. Wir gingen
nach Hause; er wollte ins Theater, und es war ein Zufall, daß ich ihn
nicht begleitete. Im Schauspielhause starb er; als eine schöne Symphonie
gespielt war, sank sein Haupt herab, und er gab den Geist auf, -- ohne
Angst, ohne Schmerzen und Krankenlager, wie er es gewünscht hatte.

Im täglichen Umgange war Thorwaldsen mild und freundlich; doch konnte
er auch verdrießlich sein; gegen mich war er es aber nie. Einige
beschuldigten ihn des Geizes, und wer ihn nur aus einzelnen Zügen
kannte, mochte vielleicht Grund dazu haben; aber man kann den Mann
nicht geizig nennen, der oft für hohen Preis so viele Arbeiten von
andern Künstlern kaufte, um diese zu unterstützen; ja sogar zuweilen
mittelmäßige Werke (was seine Gemäldesammlung zeigt) nur um den
Bedürftigen zu helfen. Dagegen liebte Thorwaldsen nicht die täglichen
Ausgaben. Eine arme Jugend hatte ihn daran gewöhnt, sich Vieles zu
versagen, ohne es zu vermissen, und später, als Alle darin wetteiferten,
ihm Aufmerksamkeit zu erweisen, gewöhnte er sich zuletzt so daran,
daß es ihm gar nicht einfiel, sie zu vergelten. Er liebte es nicht,
Bedienten Trinkgelder zu geben, und es circuliren in Bezug darauf
manche lustige Anekdoten. Er las nicht viel, ja man kann fast sagen,
gar nichts, denn es kostete ihm Anstrengung. Im täglichen Verkehre
hatte er Italienisch und Deutsch gelernt, sprach es aber mit dem
schlechtesten Accent aus. Wenn er etwas componiren wollte, so las er
ein paar Seiten in Voß's Homer oder benutzte höchstens eine Mythologie.
Bei Stampe mußte ich ihm oft aus Holberg's Comödien und meinen Werken
vorlesen. Man pflegte seine außerordentliche Bescheidenheit zu rühmen.
Da er stets als ein unerreichbarer Meister betrachtet wurde, der nicht
den geringsten Tadel verdiene, so ist es natürlich, daß er dieser
Bewunderung mit einer gewissen schüchternen Verschämtheit begegnete.
Das Genie kommt von Gott, und wenn das Werk gelungen ist, so steht der
Meister mit einer kindlichen Naivetät da, die wohl auch Bescheidenheit
genannt werden kann. Aber Thorwaldsen war so klar in seiner Kunst, daß
er sehr wohl wußte, was er sei. Gegen Canova war er streng. »Sieh«,
sagte er einmal in Rom zu mir, als wir das Atelier des großen Italieners
besuchten -- »der Riese da steht so schlecht auf seinen Füßen, daß
er umfällt, wenn ich ihn mit dem Finger berühre. -- Diese Gewänder
sind Kohlblätter! -- Da haut ein Fechter auf den andern ein, während
dieser auf der Erde liegt; ein Straßenjunge würde doch warten bis er
aufgestanden ist«. -- Einmal saß er mit einem andern tüchtigen Bildhauer
bei der Flasche. Sie hatten Beide etwas tief ins Glas geschaut. »Hör'
'mal, Thorwaldsen«! sagte der Andere nun munter, »Du bist ein großer
Künstler, ein außerordentliches Genie; aber verzeih, daß ich Dir's
sage -- in Marmor kannst Du eigentlich doch nicht hauen«. -- »»Sieh««,
antwortete Thorwaldsen, »»wenn Du mir beide Hände auf den Rücken bindest
und ich den Marmor mit meinen Zähnen nicht besser beiße, als Du ihn
hauen kannst, so sollst Du mich einen Pfuscher nennen««! -- Um dies zu
verstehen, muß man wissen, daß Thorwaldsen mit dem reichen Genie und
der großen Erfindungsgabe lieber seine Gestalten in Thon modellirte,
was dann doch das eigentliche Kunstwerk war, als eine Copie davon in
Marmor zu hauen, was eine beschwerliche und fast ängstliche Arbeit ist;
denn theils kann man unerwartet auf blaue Adern im Marmorblock stoßen,
theils kann ein einziger Fehlschlag die Statue verderben. Aber da die
Marmorstatue für die Ewigkeit ist, so muß der Künstler sich darein
finden, und das that Thorwaldsen auch, und er konnte den Marmor bis zur
höchsten Vollendung bearbeiten, obgleich er in einzelnen Werken, bei
denen die Idee die Hauptsache ist, das Rasche und Kühne dem Glatten und
Gezierten vorzog.

Von Dem, was rings um ihn vorging, wußte er nicht immer Bescheid.
Als man ihm bei seiner Ankunft die Pferde vom Wagen spannte und ihn
nach Charlottenburg zog, wußte er nichts davon, bis man es ihm später
erzählte.

Von seinem fürstlichen Begräbnisse, zu dem ich eine Cantate geschrieben
hatte, die mit Gläser's Musik in der Frauenkirche aufgeführt wurde,
spreche ich nicht. Dies ist ein Akt, der der Geschichte angehört und nie
vergessen wird. Das Volk geleitete ihn; sein König kam der Procession
in der Kirche entgegen. Dänemark trauerte, freute sich aber in seinem
Schmerz über den großen Künstler, der nie sterben konnte. Später schrieb
ich ein Gedicht: »Das letzte Lebewohl«, das König Christian mich bat,
an seiner Tafel vorzulesen, wo die Mitglieder der Akademie der Künste
versammelt waren. Alle Lakaien und Diener mußten hinausgehen. Der
Oberhofmarschall holte selbst den alten Rheinwein, mit dem, nach alter
Väter Weise, ein prächtiges Trinkhorn gefüllt wurde; und während das
Horn, nachdem zuerst der König daraus getrunken hatte, von Mund zu Mund
ging, las der Skalde das Gedicht vor.

                    *       *       *       *       *

In demselben Jahre wurde ich Ehrenmitglied der Akademie der Künste.
Ich glaube, daß dies damals ganz besonders aus Pietät für Thorwaldsen
geschah, da man wußte, daß es sein Wunsch und Wille gewesen sei.
Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften in Kopenhagen wurde ich
nie. So viel ich merken konnte, kam dies daher, weil man fürchtete, daß
ich nicht einstimmig gewählt werden möchte und glaubte, daß es mir auf
andere Weise nicht Freude bereiten würde.

[Sidenote: Reise ins Ausland.]

In diesem Jahre verkaufte ich das Verlagsrecht meiner Werke auf zehn
Jahre an den Universitätsbuchhändler =Höst=, und sah mich dadurch in
den Stand gesetzt, wieder mit meinem jüngsten Sohne =William= eine
Reise ins Ausland zu machen. Auf dieser Reise schrieb ich meinen andern
Kindern Briefe, aus welchen ich Bruchstücke mittheilen werde, um die
charakteristischen Züge zu bewahren und dem Leser den frischen Eindruck
der Reise zu verschaffen, wie er damals, ungestört und ungeschwächt
durch spätere Ereignisse, auf =mich= einwirkte.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Berlin.]

                                              Berlin, den 9. Mai 1844.

Beim herrlichsten Wetter kamen wir um zwölf Uhr des nächsten Morgens
nach unserer Abfahrt aus Kopenhagen, in Stettin an. Hier nun sahen
wir das Mirakel, denn so kann man es wohl nennen, wenn man zum ersten
Mal auf der Eisenbahn fährt. Es war mir wie Aladdin zu Muthe, als er
vom Geist des Ringes durch die Luft geführt wurde -- nur ging es viel
bequemer und nicht so gewaltig auf und ab. Freilich sah ich nicht
so viel wie Aladdin, erstens weil die Wände des Wagens mich daran
verhinderten, und zweitens, weil auch nichts zu sehen war. Berlin liegt,
wie Palmyra, in einer Wüste -- damit seine schönen Paläste und Gebäude
nicht durch die Natur verdunkelt würden. Wie möchten sie sich z. B.
neben den Felsen Thelemarkens ausnehmen? Zwischen den Sandkörnern der
Mark-Brandenburg aber sind sie wahre Riesen.

Am zweiten Tage meiner Reise saß ich bereits hier in Berlin und trank
Thee. Am folgenden Tage (den 2. Mai) gingen wir zu Steffens, wo es
von Fremden wimmelte, da -- sein Geburtstag war. Ich sagte natürlich
gleich, daß ich auch von Kopenhagen gekommen sei, um ihm zu gratuliren.
Von dort ging ich zu Tieck, den ich zwar recht wohl, aber doch tief
zusammengeknickt, und die Gräfin Finkenstein neben ihm mit einem grünen
Schirm vor den Augen fand. Er erkannte mich nicht gleich, freute sich
aber dann sehr und lud mich zu Tisch ein, wobei wir Steffens' Geburtstag
feierten. -- Am Sonntag fuhren wir auf der Eisenbahn nach Potsdam, um
dem Baron Humboldt den Brief unsers Königs zu überreichen. Humboldt
empfing mich sehr freundlich und ging gleich zu seinem Könige hinauf,
um ihm zu sagen, daß ich anwesend, und einen Augenblick darauf kam er
zurück, um mich zu ihm zu führen und mir zu sagen, daß ich zur Tafel
geladen sei. Der König empfing mich mit großer Freundlichkeit, und ich
sprach über Vieles mit ihm. -- Humboldt fuhr mit uns, wie der König es
bestimmt hatte, nach Sanssouci, und zeigte uns die Reliquien Friedrich's
des Großen. -- Nach der Tafel sprach ich mit der Königin, die sehr
liebenswürdig ist, mit dem Prinzen Wilhelm und dessen Gemahlin. Als
der König hörte, daß ich Dina mitgebracht hätte, lud er mich ein, es
Dienstag Abend vorzulesen. Am bestimmten Tage fuhr ich Vormittags nach
Potsdam. Steffens sollte beim Könige speisen. Nach der Tafel erzählte
er, daß ich auch hatte dort sein sollen, daß es aber vergessen worden
sei. Der König hatte Steffens zu meiner Vorlesung eingeladen. Dem König
und der Königin gefiel das Stück, und er äußerte oft seinen lebhaften
Beifall während des Vorlesens. Als wir gehen wollten -- es war eine
ziemlich große Gesellschaft -- rief er mit lauter Stimme: »Baron
Humboldt! Sorgen Sie als Ordenskanzler dafür, daß =der= Orden _pour le
merite_, den Thorwaldsen getragen hat, Oehlenschläger gegeben werde!
Es wird mich freuen, wenn er gerade =diesen= trägt«! Ihr könnt Euch
meine Gefühle bei dieser großen Ehrenbezeugung vorstellen -- die um so
größer durch die Worte des Königs und seinen Wunsch wurden, daß ich
=Thorwaldsen's= Orden erben solle. Ich dankte ihm mit gerührtem Herzen.
Am Abend war es zu spät nach Berlin zu kommen, Steffens und ich blieben
deshalb im Gasthof zum Einsiedler, wo wir, wie in alten Tagen -- in
demselben Zimmer zusammen schliefen, und dann am nächsten Morgen nach
Berlin fuhren. -- --

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Dresden.]

                                                 Dresden, den 27. Mai.

-- -- Wir waren oft bei Tieck; in einer großen Gesellschaft zu Ehren
des 81jährigen Bildhauer =Schadow= im Wintergarten, einem herrlichen
Gebäude, wo es aber besonders schön im Winter sein muß, wenn man von
Blumen umgeben ist; jetzt steht der Frühling selbst in all seiner
Pracht und beschämt die schönste Kunst. -- Bei dem Könige waren wir
zum dritten Male in Potsdam zu Mittag. Er bat mich freundlich, bald
wieder zu kommen. Es rührte mich innig, von dem alten, großen Humboldt
zu scheiden, der sich wie ein Vater gegen mich bewiesen, und dessen
Herz ich gewonnen habe. Die Prinzessin Wilhelm kam uns gleichfalls sehr
liebevoll entgegen, sie bat mich, Etwas in ihr Stammbuch zu schreiben
und ich schrieb nach Goethe's Gedicht im Wilhelm Meister Folgendes
hinein:

                Was hör' ich draußen vor dem Thor,
                Was in der Ferne schallen?
                Laßt den Gesang zu unserm Ohr
                Im Saale widerhallen!
                Der König sprach's; der Kanzler kam,
                In Schutz er selbst den Sänger nahm;
                Der Kanzler war ein Weiser.

                Gegrüßet seid, ihr edeln Herrn!
                Gegrüßt ihr schönen Damen!
                Welch reicher Himmel, Stern bei Stern!
                Wer kennet ihre Namen!
                Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit,
                Lies dein Gedicht! Hier ist nicht Zeit
                Sich staunend zu ergötzen.

                Laut sein Gedicht der Sänger las,
                Will Beifall gern gewinnen;
                Der König ihm zur Seite saß,
                Nah saßen die Fürstinnen.
                Der König, dem es wohl gefiel,
                Ließ ihm zu Ehren für sein Spiel
                Ein goldnes Kleinod reichen.

                Und warum sollt' ich wünschen nicht
                Den Lohn der Dichterblüthe?
                Nicht blos wer eine Lanze bricht
                Genießt des Königs Güte.
                Der Kanzler braucht nicht meinen Schmuck,
                Er hat der Herrlichkeit genug:
                Es freut ihn meine Freude.

                Gerührt leer' ich den Becher aus
                Und wünsch Euch mit Entzücken:
                Das ganze königliche Haus
                Gott mög' es hoch beglücken!
                Ergeht's Euch wohl, so denkt an mich
                Und danket Gott so warm, als ich
                Für Eure Güt' Euch danke!

Bei Tieck hörten wir »Ritter Blaubart«, »Fortunat«, »der Kaufmann von
Venedig«, »der Däumling« und Aeschylos' »Eumeniden« vorlesen. Der
Theaterdirector, Herr von Küstner, nahm eigenhändig eine Abschrift von
»Dina«; wir verließen Berlin und gelangten am Pfingstabend in Dresden
an, wo wir jetzt in Stadt Rom, der lieben Gemäldegalerie gegenüber
wohnen, und wo ich nun wieder andachtvoll vor Raphael's und Correggio's
ewigen Meisterwerken gestanden. Ich besuchte sogleich den Theaterchef,
Geheimrath von Lüttichau, bei welchem wir Shakespeare's Uebersetzer, den
Grafen Wolf Baudissin, trafen.

                                                Dresden, den 12. Juni.

Es giebt zwei Arten Briefe zu schreiben. Die eine, wenn der Brief sofort
abgehen muß -- und dann wird die Erzählung eigentlich nur das Gerippe
der Reise; die andere, wenn man sich Zeit nehmen kann, und alsdann kann
man -- um bei dem Gleichnisse zu bleiben -- dem Gerippe Muskeln, Adern,
Nerven und Haut anlegen, und -- wenn man selbst etwas Athem in seinen
geistigen Lungen hat -- auch der Nase des Reisegerippes einen lebendigen
Geist einhauchen. Da ich nun heute Vormittag Zeit habe, -- denn ich
werde nicht, wie sonst um ein Uhr, sondern um drei Uhr speisen, weil ich
von dem Prinzen Johann im Pirna'schen Garten zu Mittag eingeladen bin,
-- so will ich etwas mit Euch plaudern, meine lieben Kinder.

Es geht in der Natur, wie in der Kunst; sie wirkt am stärksten durch
die Contraste; so z. B. kann man sich nichts Verschiedenartigeres
denken, als Preußen und Sachsen. In Mark Brandenburg -- namentlich
um Berlin -- ist weiter nichts als Sand, Wasser, die Linden und der
Thiergarten -- in Sachsen die schönste Natur, die man sich denken kann.
Wir waren letzthin in Tharand, in einem anmuthigen, engen Thale, von
steilen Gebirgen umgeben, mit der üppigsten Vegetation. Dort saßen wir
an der Sonnenseite vor dem Hause und aßen zu Mittag. Was aber Häuser,
Paläste, Einrichtungen und Militair betrifft, steht Preußen weit
über Sachsen. Man muß die herrliche Haltung, den schönen Wuchs, das
stolze, kriegerische Aussehen bei den Nachkommen Friedrich's II. und
Blücher's bewundern. -- Hier in Sachsen sehen die Soldaten erbärmlich
aus! Gestern, als es regnete, und ich mit aufgespanntem Regenschirme
dahineilte, hätte ich beinahe einer kleinen Schildwache in einem grauen
Kittel, die ich fast gar nicht gesehen hatte, die Mütze vom Kopfe
gestoßen; ich griff an den Hut und bat um Vergebung.

Letzthin sahen wir den Sommernachtstraum, den Lüttichau, glaube ich, die
Artigkeit hatte, meinetwegen aufführen zu lassen. Felix Mendelsohn's
Musik ist unvergleichlich -- die Decorationen sind prachtvoll und das
Spiel im Ganzen genommen, recht gut. Es hatten sich viele Zuschauer
eingefunden; aber die Leute wissen nicht recht, was sie zu diesen
alten Späßen und Schwänken sagen sollen, und dieselben, welche die
Schauspieler in Töpfer's und Raupach's Stücken hervorrufen, schämen sich
-- mit gutem Grunde -- Shakespeare zu applaudiren.

Wir haben jetzt auch Antigone hier gesehen und das Stück hat mich
außerordentlich erfreut, mehr als der Sommernachtstraum. Das Theater war
ganz im griechischen Style eingerichtet. Auf einer großen Erhöhung stand
der Palast mit seiner Vorhalle; von hier aus führten Stufen zu einem
Platze mit dem Altar und zu diesem hin bewegte sich der Chor von einer
noch niedrigern Stelle aus. Das Licht kam von oben; eine bewegliche Wand
von unten anstatt des Vorhanges. Architektur und Trachten ausgezeichnet.
Fräulein Beyer als Antigone edel und rührend; etwas mehr Kraft hätte
man wünschen können. Es machte auf mich einen tiefen Eindruck, dieses
drittehalbtausend Jahre alte Meisterwerk zu sehen. Die Musik von
Mendelssohn ist unvergleichlich. Was der Chor singt, kann man allerdings
nicht verstehen, wenn man es nicht liest, wenn einem aber die Situation
und der Hauptgedanke bekannt ist, drückt die Musik Alles bis zur
Vollkommenheit aus.

Wir haben die Bekanntschaft eines großen Theiles der vornehmsten und
gebildetsten Damen Dresdens gemacht, die Prinzessinnen von Holstein,
die Fürstin Löwenstein, Generalin von der Decken, Gräfin Lynar, Frau
Förster, und man muß jeden Abend nach dem Theater in der Gesellschaft
erscheinen. Wir haben einen schönen Abend beim Hofrath Winkler
verbracht. Auch bei einer Gräfin Eggloffstein sind wir eingeladen
gewesen, die ungeachtet ihrer vornehmen Verhältnisse -- sie war lange
Zeit Hofdame -- sich der Malerkunst ganz hingegeben und schöne Sachen
ausgeführt hat. Sie bat mich, für ihr Album mich zeichnen zu dürfen. Den
vortrefflichen Maler Hübner und das anmuthige Fräulein Beyer haben wir
auch besucht.

Ein sehr liebenswürdiger, dienstwilliger Mann Namens Kraukling, Director
des Museum, lange Jahre Herausgeber der Morgenzeitung, ein guter Freund
von Tieck, hat mir einen Verleger für meinen Oervarodd und meine
deutsche Uebersetzung von Wessel's »Liebe ohne Strümpfe« verschafft. --
Uebermorgen früh reisen wir mit dem Dampfschiffe nach Teplitz und von
dort über Prag nach Wien.

[Sidenote: Prag.]

                                                   Wien, den 23. Juni.

-- -- Prag, diese große schöne Stadt kennt Ihr ja Alle; und wenn der
liebe Gott sie nicht kennt, so thut es doch der heilige Nepomuk.
Derselbe wird hier in seinem silbernen Sarge im Dome eifriger angebetet,
als unser Herr Gott in den meisten andern Ländern.

Wir besuchten alle mögliche Kirchen, die sich durch Schönheit,
Pracht und Größe auszeichneten, bis auf die Judenkirche, welche wie
ein Schweinestall aussah; aber es ist ein antiker, merkwürdiger
Schweinestall; er soll seine vierzehnhundert Jahre alt sein. Er müßte
eigentlich in einem Museum für Alterthümer aufgestellt werden. Der König
von Preußen ist ja mit einem guten Beispiele vorangegangen, indem er für
Brandenburg die alte norwegische Kirche gekauft hat; und Brandenburg
kann sie nöthig haben, denn die Religion drückt es nicht.

Wir waren auch in Mönchs- und Nonnenklöstern. Wir sahen eine Menge von
kostbaren Monstranzen, die von einem Riesenmönche vorgezeigt wurden,
der demjenigen in Walter Scott's Roman glich. Einige Spitzbuben
hatten vor wenigen Monaten versucht, die Mönche todtzuschlagen, um
die Kirchenjuwelen zu rauben; deshalb stand nun dieser mit seiner
körperlichen Kraft vor dem Eingange als Schutz.

Wir sahen auch Wallenstein's Palast, Graf Nostiz' schöne Gemäldegalerie,
und im Theater den Freischütz. In der Theinkirche erblickten wir auch
unsern guten alten ehrlichen Tycho de Brahe, er lehnte sich in voller
Rüstung und mit Metallschienen -- nicht allein um die Nase[1] -- an
einen braunen Leichenstein, der in die Säule festgemauert war.

  [1] Tycho Brahe hatte bekanntlich eine silberne Nase, da sie ihm in
      einem Duell verstümmelt worden war.

Auf unseren Wanderungen hörten wir die Harfenistinnen schöne böhmische
Volkslieder singen -- das heißt Melodien, denn vom Texte verstand ich
natürlicherweise kein Wort.

Weil wir von Sprachen reden, muß ich auch eine Anekdote aus Prag
erzählen, die uns in dem Prämonstratenserkloster passirte, während uns
der Guardian oder was er sonst war, umherführte. Als er hörte, daß ich
Professor sei, betrachtete er mich auch als einen Gelehrten und bat mich
inständig, ihm zu sagen, in welcher Sprache ein Buch der Bibliothek
geschrieben, über welches ihn noch Keiner hätte belehren können. Ich
stand wie auf Kohlen; denn obgleich ich, wie Holberg's Jeppe »lange
Jahre bei der Malice gestanden und meine Sprachen gelernt habe«, so war
ich doch in Zweifel, ob meine Gelehrsamkeit sich soweit erstreckte,
daß ich ihm sagen konnte, was kein Anderer wußte. Genug, das Buch
wurde hervorgeholt, und denkt Euch einmal, es war Dänisch, eine alte
Uebersetzung eines französischen Schäfergedichts. Jetzt werdet Ihr wohl
begreifen, daß ich meine ungeheure Erudition in den glänzendsten Farben
spielen ließ, so daß der Guardian über meine Gelehrsamkeit Augen und
Ohren aufsperrte.

Endlich sind wir jetzt in Wien und wohnen »Zum Erzherzog Karl«. Wir
haben unsern Minister Löwenstern besucht. Herr von Holbein hat, ohne
noch das Stück zu kennen, »Dina« hier zur Aufführung angenommen. Alles
würde jetzt hier gut und angenehm sein, wenn nicht die Hitze uns den
Genuß verdürbe; sie hindert uns aber, den größten Theil des Tages zu
benutzen. Alles, was vornehm ist, rüstet sich zur Abreise oder ist schon
abgereist. Aber Fürst Metternich ist doch noch hier und Löwenstern hat
mir versprochen, mich zu ihm zu führen. Im Burgtheater sah ich den
ersten Abend »Die beiden Klingsberge«, von Kotzebue, eines seiner besten
Stücke, ganz vorzüglich gespielt, besonders von Laroche. Ich glaube, daß
es auf die Länge -- aller Flausen ungeachtet -- mehr Freude gewähren
wird, den lustigen Kotzebue als den trockenen Scribe zu sehen. Gestern
Abend sahen wir drei Akte von Don Carlos. Laroche war als König Philipp,
-- der bestgezeichnete Charakter des Stückes, -- wieder sehr gut; Posa
-- der schon aus Schiller's Hand zu modern und subjectiv hervorgegangen
ist, -- wurde von einem Schreier verdorben. Dieses Stück hat in seinem
Sujet und in allen den linkischen »Liebesgeschichten« für mich immer
etwas Unangenehmes gehabt, wenn es auch große Schönheiten besitzt; für
die Bühne ist es von Anfang an nicht bestimmt, und es verliert durch das
Zuschneiden.

[Sidenote: Wien.]

                                                    Wien, den 1. Juli.

Jetzt bin ich acht Tage in dem deutschen Paris gewesen, und konnte
gern, was mich betrifft, weiter reisen, aber William ist solider und
wünscht eine längere Bekanntschaft mit der Herrlichkeit dieser Welt.
Der Grund, warum ich mich hier nicht angezogen fühle, ist theils, daß
das Burgtheater geschlossen wird, und dann, daß es hier so fürchterlich
heiß und so entsetzlich theuer ist, besonders das Fahren, und zu Fuße
kann ich in dieser drückenden Hitze nicht weit gehen. Die Folgen hiervon
sind, daß ich ganze Vormittage auf meinem Zimmer geblieben, nachdem ich
alle möglichen Manövers mit Oeffnen der Fenster und Thüren, Herablassen
der Rouleaux, Wasser- und Eau de Colognebesprengungen auf dem Fußboden
versucht habe -- und Bücher aus der Leihbibliothek gelesen. »Das haben
wir nun zwar Alles besser und bequemer zu Hause«. Aber Ihr müßt Euch
doch auch nicht vorstellen, daß ich -- wie der selige Professor Mynster
in seiner Jugend -- acht Tage im Bette hier in Wien gelegen habe, um
Jean Paul zu lesen. Ich bin trotz Allem viel umhergestreift. Als ein
Beispiel der hiesigen Preise will ich nur anführen, daß wir bis jetzt
für zwei Tassen Thee mit Butter und Brod fast zwei Thaler Dänisch
bezahlt haben; jetzt trinken wir Bier. Deutschland ist ein Bierland und
selbst in den Weingegenden hat das Bier dermaßen um sich gegriffen, daß
man fast keinen Wein trinkt. Das Bier ist in unsern Tagen Mode geworden,
es drückt die Begeisterung und den Geschmack der Zeit aus; es ist die
Hyppokrene des Tages.

                                                    Wien, den 4. Juli.

Ich bin zu Mittag bei dem Fürsten Metternich gewesen; der Ton bei dem
Mittagstische war munterer und ungenirter als am Abende. Die Fürstin
war sehr freundlich. Vor Tische zeigte sie mir einen Papagei aus
Neuholland, dessen Brust mit hellen rosenrothen Federn bedeckt war und
der allerlei Künste machen konnte: wie todt auf dem Tische liegen,
mit dem Schnabel an ihrer Hand hängen, schaukeln wenn sie ihn bei den
Füßen faßte. Sie ist eine sehr schöne Frau -- die vierte des Fürsten
Metternich -- und dieses Exercitium mit dem Vogel hätte ein treffliches
Genrebild abgegeben. Nach Tische spazierten wir im Garten, der Fürst
war sehr freundlich und mild, aber zu einem eigentlichen Gespräche
zwischen uns kam es nicht. Ich erzählte von Norwegen, und brachte auch
ein paar Anekdoten, die ihn ergötzten. Im Garten stießen wir auf eine
Hecke, hinter welcher sich ein Stück Land befand, wo große Haufen Erde
als Gebirge, große Steine als Felsen umherlagen, und auch ein kleiner
See mit seinem Kanale gegraben war. Hier spielten seine Kinder, und
fuhren Erde in Schubkarren, und der Gärtner half ihnen eine kleine Welt
schaffen. Es war mir ein sonderbares Gefühl, den großen Politiker,
der so viel Einfluß in Europa hat, in dieser kleinen Kinderwelt zu
betrachten, wie er dem Gärtner sehr anempfahl: »Sie müssen ihnen da
noch einen Wasserfall machen! Einen Wasserfall müssen sie durchaus noch
haben«. Er wird jetzt alt; aber er hat ein herrliches, bedeutsames
Gesicht; man sieht, daß er sehr schön gewesen. Er legte seine Hand ganz
freundlich auf meine Schulter und lächelte, wenn ich dies oder jenes
erzählte.

                                                         Den 12. Juli.

Wir sind bei dem Grafen Dietrichstein gewesen. Wir trafen die Familie
desselben allein und unter derselben den Fürsten Dietrichstein, einen
alten, freundlichen, weißhaarigen Mann. Den gelehrten Orientalisten
Baron Hammer besuchten wir auch. Ich las ihm meine »Dina« vor. Er
hatte vor Kurzem seine Frau verloren und war sehr betrübt. »Es ist der
erste frohe Tag, den unser Vater seit dem Tode der Mutter gehabt«,
sagte der Sohn. Auch den Dichter Grillparzer habe ich getroffen,
eine liebenswürdige Persönlichkeit, und bei dem Erzherzog Karl war
ich in Baden zur Tafel geladen. Er und die Prinzessin waren höchst
liebenswürdig und einfach. Ich saß neben dem Prinzen und wir sprachen
unaufhörlich während der Mahlzeit. Als er hörte, daß ich einen Sohn
bei mir hätte, sagte er: »Ach warum haben Sie ihn nicht mit hieher
gebracht«. Er wohnt in einem Feenpalaste; in einem Paradiese. -- Ein
tüchtiger Maler, Namens Ammerling hat mich gemalt; ich habe ihm nur
zweimal gesessen. In Blunck's Atelier freuten wir uns über seine geniale
Darstellung der allegorischen Bilder: die vier Menschenalter, --
vielleicht etwas zu allegorisch. Italienische und deutsche Opern haben
wir gehört, wo Madame Heinefetter aus voller Kehle schrie. Letzthin
hatten wir eines Nachmittags einen hohen Berg erstiegen; man forderte,
ich sollte die Aussicht über Wien bewundern. Ich wischte den Schweiß von
meiner Stirn und seufzte: »Ja hier ist es in der That allerliebst«. Mir
fallen bei dergleichen Veranlassungen immer die Worte des Evangeliums
ein: »Und der Teufel führte ihn auf einen hohen Berg, und wies ihm alle
Reiche der ganzen Welt in einem Augenblick.«

Heute Abend bin ich zu einer Gesellschaft eingeladen, die mir vor dem
Abschiede noch eine Ehre zu erweisen wünscht.

                                                         Den 13. Juli.

Die Ehre war allerdings so groß wie möglich. Ein großer Saal und
zwei Zimmer waren voll von Gästen. Der Schauspieler Anschütz, der
mir gegenüber saß, recitirte mit lauter Stimme fünf bis sechs schöne
Gedichte an mich und ebenso viele Male wurde meine Gesundheit
ausgebracht und von lautem Beifallsrufe begleitet. Der Dichter
Grillparzer, der neben mir saß, überreichte mir einen Lorbeerkranz,
und mein freundlicher Bewunderer -- ich kann sagen, mein wahrer Freund
-- Graf Dietrichstein, saß an meiner andern Seite. Das Bild von mir,
das Ammerling gemalt hat, war im Saale aufgestellt. Kurz, mir wurde
alle mögliche Ehre erwiesen. -- Gott segne Euch Alle, meine Freunde!
-- Morgen früh werden wir abreisen. Heute packen wir ein, machen
einige Abschiedsvisiten, und dann -- lebe wohl Wien, für diesmal und
wahrscheinlich für ewig.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Gedicht von Anschütz.]

Anschütz selbst hatte zu dem oben erwähnten Feste folgenden Trinkspruch
gedichtet:

            Ein Mann, der aufgeblüht im rauhen Norden,
            Und dort zum Götterlieblinge geworden,
            Griff jüngst zum Wanderstabe und beschloß
            Für kurze Zeit die Heimath zu vertauschen
            Mit fremden Land, um frei und fessellos
            Des Nachbarvolkes Treiben zu belauschen.
            Gedacht, und rasch gethan. Und siehe da!
            Kaum, daß er sich im Nachbarlande sah,
            Umströmt' ihn Jung und Alt, drückt ihm die Hand
            Denn wer vergäß' ihn, der ihn je gekannt!
            Bei seinem anspruchslos-bescheidnen Willen
            Kann er die innere Größe nicht verhüllen.
            Und wie die Glorie aus Allegri's Nacht
            Zur Glorie der Unsterblichkeit ihm ward,
            So strahlet um =sein= Haupt in Götterpracht
            Die Wunderlampe Aladin's ihr Licht.
            Hrolf, Krak, Correggio, Palnatoke's Fahrt,
            Stärkodder, Hakon Jarl -- wer nennt die Namen
            Die er in einen Kranz zusammenflicht,
            Und die durch ihn Unsterblichkeit bekamen!
            Und nicht genug, daß ein unsterblich Leben
            Ihm sein Genie im Vaterland gegeben,
            In fremder Zunge trug er's übers Meer
            Zu uns, zu den Beneidenswerthen her,
            Und kann's ihn wundern, daß im Flammentriebe
            Der Freundschaft, sich ein Volk ihm zugewendet,
            Dem er die gleichgetheilte Bruderliebe
            Wie seinem eigenen Vaterland gespendet?
            Ist uns nicht diese Liebe doppelt Pflicht
            Um etwas ihm den Kummer zu versüßen,
            Der jüngst ihn traf mit lastendem Gewicht?
            Er sah des Freundes Aug' im Tod sich schließen,
            Den unter Tausenden er sich erwählt,
            Weil er ihn gleich gestimmt fand, gleich beseelt,
            Und Hand in Hand mit ihm am fernen Nord
            Der Kunst eröffnet einen Friedensport.
            Denn wie das Himmelsbild der Dioskuren
            Auf offnem Meer des Schiffers Leitstern ist,
            Durch Well' und Sturm ihn tragend, also fuhren
            Die beiden an dem Himmel zweier Künste
            Als Leiter hin, von Staunenden begrüßt,
            Die auf dem Meer durch feuchte Nebeldünste
            Umsonst dem Zwillingspaare nachgestrebt.
            Der Eine ist der Heimath zugeschwebt,
            Und nur der heiße Wunsch bleibt uns zurück,
            Daß spät sie einst vereine das Geschick.
            Drum Alle, die mein Auge sieht vereint,
            Die ein Gedanke zu begeistern scheint,
            Zum Becher greift! mit durstig langen Zügen
            Leert bis zum Grunde ihn, reiht Euch mir an,
            Ein Losungswort mag jede Brust durchfliegen:
            »Ein Lebehoch dem nordisch-deutschen Mann!«

[Sidenote: Gedicht von Frankl.]

Von den übrigen bei dieser Gelegenheit gesprochenen Gedichten, möge hier
folgendes von =Ludwig Aug. Frankl= Platz finden:

               =Bei Enthüllung des Bildes von Ammerling.=

           Ein Bild entroll' ich Euch aus hohem Norden;
             Es harrt das Volk im alten Dom zu Lund --
           Lautlos ist's in den Hallen rings geworden;
             Erwartungsvolle Feier giebt sich kund.

           Ein Priesterskalde tritt jetzt zum Altare
             Dort kniet ein Mann mit bleichem Angesicht,
           Und drückt ihm einen Lorber in die Haare,
             Den =Einzler= Gunst nicht, den sein =Volk= ihm flicht.

           Und lauter Jubel schallt und freud'ges Rufen
             Und der gekrönte Dichterkönig hebt
           Sich fromm erschüttert von des Altars Stufen,
             Von seines Geistes Majestät belebt.

           Heil, wo der Dichter nicht im Leben einsam
             Ein unverstandner Fremdling, ein Komet,
           Wenn, was er fühlt, ein Blitz plötzlich gemeinsam,
             Elektrisch durch die Herzen Aller geht!

           Gern kehrt der Genius in eine Brust ein,
             Die stark empfindet, was in Vielen lebt,
           Heil, wo das Lied, das tönende Bewußtsein
             Von einem Volk, sich als Choral erhebt.

           Die =eigne= Lust, das =eigene= Zerwürfniß
             Klingt schön zu eines edlen Dichters Harf' --
           Ihr wißt, dort wird das Lied nicht zum Bedürfniß,
             Wo's nicht des =Volkes= Sinn dolmetschen darf.

           Seht hier den Mann, sein edles Haupt beglückte
             Im nordisch alten Dom der grüne Kranz.
           In diesem schönen Dichterkreise schmückte
             Symbolisch sich ein Volk mit eignem Glanz.

           Genügt es ihm, daß er =ein= Volk bezwungen?
             Als er die schöne Kraft in sich gewahrt.
           Da sang er frisch und klangvoll in zwei Zungen,
             Der =erste= Doppelzüngler =edler= Art.

           Noch glänzt sein Auge hell und jugendprächtig,
             Aladdin's Lampe hat es sanft verklärt,
           Noch regt in ihm die Schöpferkraft sich mächtig;
             =Solch= schönes Leben ist des Lebens werth.

           Wie jenes Meisters, auch entstammt dem Norden,
             Der andere von dem Dioskurenpaar
           Dem lebend schon Unsterblichkeit geworden,
             Der ein Homer in Marmor war.

           Leb wohl! Froh wirst Du in der Heimath leben
             Es trägt =Dein= Schiff =auch= eines Cäsar's Glück,
           Uns bleibt, wenn fernhin seine Segel schwanden,
             Erinn'rung und Dein edles Bild zurück.

Der Dichter Grillparzer schrieb in des dänischen Dichters Stammbuch:

              Was frag' ich viel um Nord und Süd,
              Streng abgetheilt nach Grenzen und Revieren,
              Wenn so wie Du der Norden glüht,
              Des Südens Dichter aber frieren.

Baron Hammer schrieb:

            Dich grüßten als Skalden aus Oesterreichs Halden
              Die Sänger in jubelndem Chor;
            Als Orientalen zum andertmalen
              Begrüßt Dich der Hammer des Thor.

            Da jene als Riesen des Liedes Dich priesen
              Zweizüngig im edelsten Sinn,
            Grüß' ich Dich Waräger als feurigen Träger
              Der Lampe des Aladdin.

[Sidenote: Ischl. Salzburg.]

[Sidenote: Mozart's Standbild.]

                                                München, den 27. Juli.

Die Tour nach Linz auf der Donau war sehr schön. Durch reizende Gegenden
gelangten wir nach Ischl, einem ganz modernen, aber auch sehr schönen
Badeorte, der jetzt ein Sammelplatz der vornehmen Welt ist. Fürst
Metternich war auch hier angelangt. Man sagte mir im Wirthshause, daß
sein Bediente zweimal da gewesen sei und nach mir gefragt habe. Es
regnete und ich ließ mich -- das erste und vielleicht das letzte Mal in
meinem Leben -- in einer Portechaise nach seiner Villa tragen, aber --
er war nicht zu Hause und das war recht gut; denn ich glaube, daß wir
Beide niemals in ein ordentliches Gespräch gekommen wären, da unsere
Naturen und Ansichten gar zu verschieden sind. Von hier gingen wir nach
Salzburg. Man kann aber nicht immer gutes Wetter beanspruchen, jetzt
wurde es regnerisch, und der Nebel hing an den Bergen, welches uns im
Genusse der schönen Fernsichten sehr beeinträchtigte -- doch klärte sich
der Himmel gegen Abend auf. Am nächsten Morgen in Salzburg regnete es
wieder. Wir wohnten -- wie in Wien -- im »Erzherzog Karl« am Markte.
Ich blickte aus dem Fenster und wurde eine große herrliche Broncestatue
gewahr. Denkt Euch meine Gefühle, als ich die Entdeckung machte: dieses
königliche Denkmal sei -- Mozart! Zwar wußte ich, daß man ihm ein
solches errichtet hatte, aber ich glaubte es nicht so groß und kostbar.
Also hier stand er herrlich -- von Schwanthaler -- und ich blickte in
dasselbe offne, freundliche, kräftige, sanguinisch-gefühlvolle Antlitz,
umgeben von den vollen zurückgestrichenen Haaren, das wir so viele Jahre
auf dem kleinen Kupferstiche bewunderten, den ich von unserm seligen
Vater geerbt; ich sah ihn wieder, wie er über dem alten Pianoforte
meiner seligen Schwester Sophie hing; demselben, an dem die selige Lotte
und meine -- Gott sei gedankt! -- frische und gesunde Marie, während
zehn Jahre sich übten. Von dem liebevollsten Gefühle getrieben, ergriff
ich die Feder, und vermochte es aber nur schwach in folgenden Zeilen
auszudrücken:

     Mozart! stehst Du dort ein König, schön im Bronce, groß,
     An dem Ort, wo Du geboren, wo so klein Dein Loos?
     Als Du lebtest, Wen'ge kannten Dich, der oft verkannt;
     So verwechselt stets der Haufe Glas mit Diamant!

     Heiße Thränen muß ich weinen. Ach, nach Deinem Tod
     Bauten sie Dir diese Säule, Dankbarkeit gebot;
     Sie ließ Deinen Namen steigen aus dem trüben Dunst;
     Denn Natur ist ew'ge Schwester von der ew'gen Kunst.

     Mozart! mein geliebter Bruder! Ach -- ein schwach Gedicht
     Weih' ich Dir. Mit Augen sah ich Dich im Leben nicht;
     Aber meine Ohren hörten, und mein Herz empfand! --
     Nord und Süd? Wir hatten beide doch =ein= Vaterland.

     Dank für Deine schönen Töne! Wie ein Zauber fällt
     Deiner Flöte Lieder in Aladdin's Zauberwelt.
     Melpomene hört' ich warnen in Erinnyenklang,
     Als den schönen frechen Sünder Höllenglut verschlang.

     Und die Lust des heitern Lebens, bunt und leicht und froh,
     Als zum Ideal erhoben Frankreichs Figaro,
     Hört' ich staunend -- und der Liebe zarte Tändelei,
     Als Susanna Du, Zerlina, rufest hold herbei.

     Und wo Deine Lieder tönten, stark und süß und weich,
     Wolfgang Amadeus Mozart! kannten wir Dich gleich.
     O wie oft hast Du entzücket Nordens Dichterherz!
     Und nun steh' ich hier und weine vor dem kalten Erz.

                    *       *       *       *       *

     Freut Euch Oesterreich und Salzburg! Stolz wohl könnt Ihr sein,
     Weimar trägt nicht größre Namen auf dem Leichenstein.
     Wie in Mekka, in Medina treu der Pilger steht,
     Andachtsvoll neig' ich mich dankbar vor dem Tonprophet!

Auch Heydn liegt hier begraben. Es sind hier gleichfalls viele herrliche
Denkmäler des Alterthums, unter andern eine in den Felsen gemauerte
Höhle, die dem ersten Eremiten im vierten Jahrhundert gehört hat. Der
jähe Fels erstreckt sich bis an die Häuserreihe der Stadt. Aber ich
will nicht in detaillirte Beschreibungen verfallen -- das thun Andere
viel besser als ich -- aus bereits gedruckten Büchern. Auch will ich
nicht Veranlassung nehmen, die Geschichte Becker's oder eines Andern
abzuschreiben. Ihr sollt mich in meinen Briefskizzen ganz und gar so
erblicken, wie ich alter poetischer Knabe in meinem fünfundsechzigsten
Jahre zu guter Letzt durch Deutschland und Frankreich u. s. w.
wandere. Wie ich auch immer mehr und mehr dieses hochweise Kritisiren
hasse! Nein! wie ein Kind gehe ich wiederum jetzt hier in München
und erstaune, freue mich und werde von den unsterblichen Kunstwerken
hingerissen, welche die Welt und künftige Zeiten dem Kunstenthusiasmus
eines Königs zu danken haben. Ich bin kein Kritikaster, wenn man mir
auch einen Fehler an Sachen zeigen will, die ihre großen Schönheiten
besitzen; einen solchen Fehler hinterher zu entdecken ist leicht; aber
fast unmöglich ihm da zuvorzukommen, wo so viel Großes und Herrliches
plötzlich, wie durch einen Zauberschlag entsteht. Ich lasse mich auch
nicht auf bürgerliche, wenn auch gegründete Klagen über einseitige
Richtungen ein, unter welchen das Ganze leidet. Gott weiß es, daß Keiner
seinen Nächsten mehr als ich liebt; aber ich weiß auch, daß lange
Zeiten verstrichen, in welchen das Spießbürgerthum auf Kosten der Kunst
und alles höheren Geistigen blühete; wenn jetzt vielleicht hier das
Umgekehrte der Fall ist, so thut es mir leid, aber wenn die Jetztzeit
kein Wort mehr zu uns redet, weil sie verschwunden und vergessen sein
wird, so stehen diese herrlichen Werke noch für die Ewigkeit da.

[Sidenote: Die Kunst in München.]

Wir haben die großen Maler Kaulbach und Heß in ihren Ateliers besucht,
auch in Schwanthaler's Atelier sind wir gewesen. Er selbst war nach
Italien gereist. Was soll ich sagen von diesen herrlichen steinernen,
oft marmornen Gebäuden mit ihren Säulen, Fresken und Goldzierrathen,
mit ihren Schätzen von Gemälden und Bildhauerarbeiten. Hier gäbe es
ein ganzes Jahr für jeden Tag etwas zu sehen -- und wir müssen Alles in
wenigen Tagen durchfliegen. Kaulbach und Heß sind große Meister; sie
sind Cornelius ebenbürtig. Schwanthaler steht in genialer Production
gewiß nicht weit hinter Thorwaldsen. Die Pinakothek besitzt einen
großen Reichthum vorzüglicher Gemälde; aber Verschiedenes, das man für
Werke Correggio's, Leonardo da Vinci's u. A. ausgiebt, ist schwerlich
von diesen Meistern. Ich wunderte mich, als man mir einige kindische
Schmierereien von Cimabue und Giotto zeigte; aber Dr. Ernst Förster
(Herausgeber des Cotta'schen Kunstblattes) versicherte mir später, es
sei nicht von ihnen und zeigte mir Zeichnungen, die er in Italien nach
ihnen gemacht hatte, welche ganz anders waren. Der Commissionsrath
Waagen, den wir von Berlin und Dresden kannten, erzeigte uns große
Freundschaft, begleitete uns täglich auf unsern Wanderungen, und wir
haben einen Abend bei ihm verbracht, wo ich meine Dina vorlas. Gestern
Abend waren wir bei Förster, dessen freundliche, geistreiche Frau eine
Tochter Jean Paul's ist. Es freute mich von seiner Tochter die Worte
zu hören: »Er achtete Sie nicht blos als Dichter -- er =liebte= Sie.«
Ich habe die Bekanntschaft des berühmten Philologen Thiersch gemacht;
er kam mir außerordentlich freundlich entgegen, und als ich unseren
Madvig nannte, sagte er: »Der ist unser größte Lateiner.« -- Es kitzelte
mich in die Seele hinein, dies zu hören. Unser kleines Dänemark besitzt
doch auch Leute, von denen sich jeder in seiner Richtung auszeichnet.
Letzthin kam ein alter Mann, um mich zu besuchen; blickte mich mit
seinen großen Augen an, und sagte freundlich: »Kennen Sie mich nicht
wieder?« Ich mußte verneinen; er aber erwiderte: »Und ich kannte Sie
sogleich -- Sie haben sich in den achtundzwanzig Jahren gar nicht
verändert«. Es war der Baron Hormayr, der jetzt bairischer Gesandter in
Hamburg ist. Er machte mir ein Geschenk mit seinem letzten Werke.

                                                         Den 30. Juli.

Gestern hatte man mir zu Ehren eine kleine Stunde außerhalb der Stadt
eine Gesellschaft eingeladen und ein Fest veranstaltet, das sehr schön
und ehrend war. Ich saß auf derselben Stelle, wo Thorwaldsen bei einer
ähnlichen Gelegenheit gesessen hatte. Ein Becher nach dem andern wurde
auf dänische und deutsche Bruderschaft geleert und drei Gedichte an mich
wurden recitirt.

Heute habe ich das Schloß gesehen. Es ist schön und königlich, und die
Hände herrlicher Künstler haben auch für die Ehre deutscher Dichter
Sorge getragen: Göthe's, Schiller's, Tieck's, Wieland's. In der That,
die Namen Cornelius, Kaulbach, Heß, Schnorr, Schwanthaler sind große
Namen und der macht sich selbst nur klein, der sie verkleinern will! --
Heute Abend habe ich ein Stück von Töpfer gesehen: »Karl XII. Heimkehr«,
das miserabel ging und in welchem Karl XII. von einer Person gespielt
wurde, die wie ein altes zahnloses Weib aussah. Morgen reisen wir nach
Augsburg, um von dort nach Nürnberg zu gehen.

[Sidenote: Augsburg. Nürnberg.]

                                                Paris, den 25. August.

Wir verließen einander in München, das sich immer mehr und mehr
seines Namens würdig macht, da das Mönchswesen strebt die Oberhand zu
gewinnen. Der gute König Ludwig hat so sehr viele schöne katholische
Kirchen gebaut, in welchen die großen Künstler Engel und Heilige in
übernatürlicher Größe auf goldenem Grunde gemalt haben. Da die Theater
jetzt fertig sind, wird er auch in diesen die alten Mysterien aufführen
lassen, und deshalb mystificirt er das Volk; ich kann es sonst nicht
begreifen; daß es persönliche Bigotterie sein sollte, glaube ich nicht,
und politisch ist es auch nicht.

Wir zogen also nach Augsburg, wo wir einen Tag verweilten, von dort
alsdann nach Nürnberg, das ich noch nicht auf irgend einer meiner
Reisen gesehen hatte. Ich sehnte mich nach dieser mittelalterlichen
Stadt, ich gedachte daselbst einige Tage zu verweilen, wie früher in
ihrer Schwesterstadt, Florenz, in Italien. Dort hatte ich nur mit
Dante, Giotto, Brunelleschi, Benvenuto, Michel Angelo gelebt, hier
wollte ich es nur mit Albrecht Dürer, Willibald Pirkheimer, Hans
Sachs. Aber -- der Mensch denkt, Gott lenkt. In Florenz stahl mir der
Wirth einige Louisd'or; hier bekam ich einen unerwarteten Besuch von
meinem alten, langweiligen Verwandten, den ich aber der Verwandtschaft
wegen nicht die Thüre weisen konnte -- mein guter, ehrwürdiger Herr
Podagra. Ich war des Nachts im feuchten Wetter gereist und deshalb nahm
Herr Podagra Veranlassung, mich mit seinem Besuche zu beehren, der
eben so lange dauerte, als Gott brauchte um die Welt zu erschaffen,
nämlich sechs volle Tage, während welcher ich im Wirthshause sitzen
und mich langweilen mußte. Glücklicherweise war in Nürnberg doch eine
Leihbibliothek. Ich las wiederum O'Meara's Buch über Napoleon, der auf
Helena saß, von einem ärgeren Podagra heimgesucht, als das meinige war.
-- Nach sechstägigem Schiffbruche auf dieser Sandklippe wurde mein
Schiff wieder flott, und ich nahm wieder den Wanderstab zur Hand. Ob
nun aber das Podagra oder etwas Anderes mich grämlich gemacht hat, --
genug, Nürnberg amüsirte mich lange nicht so sehr als das Spielzeug,
das ich in meiner Kindheit von dort erhalten hatte. Zwar waren dort
viele schöne alterthümliche Gebäude -- der herrliche Brunnen auf dem
Markte, eine große Menge Bilder aus der alten deutschen Schule; wir
fuhren auch nach der Mäusefalle, wo Hans Sachs starb; aber -- das
kleinliche Philisterthum unserer Zeit, und besonders der Mangel an einer
schönen Natur der Umgegend, machte mir den Aufenthalt bis auf einige
herrliche Augenblicke unangenehm. Ich sehnte mich außerordentlich,
wenigstens in einen schönen Garten hinaus. Unser Lohndiener versicherte
uns, daß wir auf der Eisenbahn schnell einen herrlichen Ort erreichen
würden -- Fürth. Wir befolgten denn auch seinen Rath und kamen --
wie soll ichs aber beschreiben? -- an einen Ort, wo man unter einigen
wenigen niederträchtigen Bäumen kaum einen Schatten von Schatten finde
konnte; aber Bier gab es in Fülle. Ich war nahe daran, aus der Haut
zu fahren, als ich, während William mit dem Lohndiener umherlief um
die Unmerkwürdigkeiten des Ortes zu besehen, allein auf einem Stuhle
dasaß mit meinem Seidel vor mir auf einem andern Stuhle (weil der Tisch
über alle Beschreibung von Bier pichte) und meine Verzweiflung in Bier
ertrank.

[Sidenote: Frankfurt.]

-- -- Frankfurt gehört nicht allein dem Mittelalter, sondern auch der
jetzigen Zeit und da ich in der jetzigen Zeit lebe, so lebte ich auch
etwas auf, als wir hier ankamen. Ich sah das noch schöne Haus, wo
Goethe's Eltern gewohnt, und wo es ihm vom Anfange an so gut gegangen
war. Nimmer konnte er sagen, daß er sein Brod mit Thränen aß und deshalb
kannte er wohl auch nicht ganz »die himmlischen Mächte«, sondern
gelangte nicht weiter als bis zu Jupiter, und bildete zuletzt sich
selbst ein, er sei ein Jupiter. Aber mit kindlich treuem Gefühl für den
großen Dichter betrat ich die Schwelle des Hauses und faßte den Griff
der Thüre, den seine junge, kecke Hand so oft erfaßt und dachte: »wäre
er immer doch ein frankfurter Doktor geblieben, statt eine weimar'sche
Excellenz, so wäre er excellenter gewesen.« Aber Gott segne ihn für all
das Schöne, das er geschaffen und die Freude, die er mir und vielen
Andern gewährt hat. Ich sah den alten Rathhaussaal u. s. w. und mein
Genuß ward erhöhet, wenn ich dachte: auch diese Dinge haben Goethe's
schöne junge Augen erblickt. Hier bekam er die ersten Ideen zu seinem
Werther, Götz, Faust. Ich liebe ihn mehr, als ich oft selbst weiß: »O
Neigung sage, wie hast du so tief im Herzen dich versteckt? wer hat
dich, die verborgen schlief, geweckt? Ja Liebe, du wohl unsterblich
bist!« -- Aber ich hätte auch verdient, daß er mich geliebt hätte --
und es schmerzt mich bitter, jedes Mal, wenn ich diese Liebe vermisse.
Jetzt wäre es doch vorbei gewesen! Und wo ich tiefe Sympathie finde, da
finde ich auch Liebe in seinen Werken. -- In der Bildergalerie fanden
wir schöne Gemälde von Lessing, der seinem Namen Ehre macht. Auf dem
Kirchhofe sahen wir Thorwaldsen's Basrelief in der Bethmann'schen Gruft.
-- Jetzt ging es also wieder nach Köln auf dem Rheine. Ja, gewiß ist er
ein herrlicher schöner Strom und die Ruinen üben eine großartige Wirkung
aus. Aber ich vermag nicht mehr die jugendliche Trauer über den Verlust
jener Zeit zu theilen, ich kann nicht mit Friedrich Schlegel ausrufen:

                Du freundlich ernste, starke Woge,
                Vaterland am lieben Rheine,
                Sieh' die Thränen muß ich weinen
                Weil das Alles nun verloren.
                Die Burgen, so die Ritter sich erkoren,
                Traurig aus dem Wasser ragen,
                Wo in schönen Vorzeitstagen
                Hohe Helden muthig lebten,
                Voll von Ruhm und Ehre strebten u. s. w.

[Sidenote: Der Rhein.]

Die meisten dieser Burgen waren Raubschlösser. Sie sind niemals
schöner gewesen, als gerade jetzt. Die Raupe ist aus der Seidenlarve
herausgetreten und jetzt kann das poetische Gefühl sich ein schönes
Kleid daraus spinnen. -- Das Dampfschiff gleitet mit großer
Schnelligkeit dahin, besonders, wenn es mit dem Strome geht. Es ist
doch eine herrliche Erfindung um von einem Orte zum andern zu gelangen.
Allerdings Veranlassung zu Reiseabenteuern giebt sie nicht. Früher, wenn
Reisende sich auf einem Schiffe oder einem Postwagen begegneten, war es
fast, als wenn Robinsone sich auf einer Insel trafen; jetzt ist es, als
wenn Fremde in einer Restauration, bei einem Billard, oder auf einer
Promenade zusammentreffen. Aber -- Der, welcher fremde Bekanntschaften
sucht, findet sie dessenungeachtet; -- und jetzt ist man auch nicht
=gezwungen=, Bekanntschaften zu machen, sondern man kann, wenn man will,
=allein= reisen, selbst mitten in dem großen Getümmel, etwas worauf ich
für meinen Theil viel Werth lege.

[Sidenote: Köln. Paris.]

Und so gelangten wir in Köln an. -- Welch ein wunderbares Werk ist doch
der Dom! Ein echtes Bild der menschlichen Thätigkeit; das Höchste,
das Herrlichste im Verein mit dem Unvollendeten, die schönste Kunst
halbfertig. Dieser Chor, den der =Ketzer= Friedrich Wilhelm restauriren,
wieder vergolden und malen ließ, ist über alle Beschreibung. Das
Wunderbare hier ist nicht das Große, das Kühne; denn das finden wir auch
an indischen und egyptischen Gebäuden, und in der römischen Baukunst
ging die griechische Schönheit zum Heroisch-Riesenhaften über. Nein,
es ist die echte -- wie soll ich sie nennen -- Humanität, die herab
von diesen Säulen und Gewölben lächelt; in dieser Hoheit ist ein süßer
himmlischer Friede, eine Sicherheit verborgen, wie in der Seele, wenn
sie sich unschuldig und gut fühlt. Nicht die Schwärmerei oder geistige
Trunkenheit des Mittelalters haben sie aufgeführt; diese Verhältnisse
sind in einer hohen, rein menschlichen Seele entstanden. In dieser
religiösen Erhebung ist Sittsamkeit und Tugend. Es ist sonderbar; aber
es ist doch wahr! Deshalb ist auch all das Große hier so anmuthig;
später, als der Chor fertig war, trieben die Mönche ihr Gaukelspiel.
Es ergreift Einem ein sonderbares Gefühl, wenn man in der heiligen
Dreikönigsgruft vor Gold, Silber und köstlichen Edelsteinen steht, wo
Alles echt ist, nur nicht die heiligen drei Könige. Aber auf den alten
Notenpulten liegen die ältesten Notenhefte, Pergamentfolianten. Sie
rührten mich mehr, denn die heiligen drei Könige. -- --

[Sidenote: Paris.]

Ueber Lüttich und Brüssel ging es nun nach Paris, aber sonderbar genug,
nicht auf Eisenbahnen, sondern auf einer Diligence Tag und Nacht, und
nun befanden wir uns denn in dieser merkwürdigen, großen Stadt, wo ich
einige Jahre meiner schönsten Jugend verlebt und einige meiner besten
Werke geschrieben habe. Wir stiegen im Hotel de Valois ab und begaben
uns gleich des Abends in die große Oper, wo wir _Robert le diable_ sahen
und gute Sänger hörten. Am nächsten Tage aber hatte das abscheuliche
Podagra sich wieder eingefunden, wahrscheinlich aus derselben Ursache
wie letzthin, weil ich des Nachts im feuchten Wetter gereist war. Um es
etwas besser zu bekommen, wechselten wir gleich das Logis und wohnen
jetzt in Rue Richelieu Nro. 3. Hier bin ich nun wieder seit vier Tagen
auf den Grund gerathen und zwar dem Theater français gegenüber. Nur
zwanzig Schritte vom Eingange muß ich sitzen und sehen, wie die Leute
sich auf der andern Seite der Straße in das Schauspielhaus drängen, weil
die Rachel spielt. Aber heute befinde ich mich doch besser; die Sonne
scheint, das Wetter scheint gut zu werden und es wird dann wohl auch
bald mit mir gut werden, vielleicht heute noch.

                                                       Den 8. October.

Gestern beendete ich »Das Gespenst auf Herluf'sholm«. Und als das
Manuscript fertig war, nahm ich es, wie gewöhnlich in die Hand und hielt
es in die Höhe, indem ich bei mir selbst sagte: »Da ist wieder eine
Arbeit fertig,« Aber was geschah! Ich fing wie ein Kind zu weinen an und
war betrübt, weil es jetzt fertig war und mich verlassen sollte. Ihr
werdet sehen, daß es sehr national ist. Die Liebe zum Vaterlande und zu
meinen Kindern ist die Ydun, die mich begeistert hat. Jean Paul sagt
irgendwo, daß, wenn er einen Roman geschrieben, er oft so von der Heldin
desselben eingenommen worden, daß es ihn zuletzt schmerzte, Abschied
von ihr zu nehmen. Etwas Aehnliches habe ich oft gefühlt, und dieses
Gefühl wird um so inniger im fremden Lande. Das Heimweh, das meine
Jugend begleitete, fühle ich noch. Wenn dieses Gefühl, das der Grundton
meiner =Seele= ist, immer die Oberhand gewänne, würde ich in eine
krankhafte, schwache Sentimentalität verfallen; aber -- da mein =Geist=
kühn, munter und thätig ist, während meine Seele treu ihrer alten Liebe
bleibt -- so =lebe= ich auch noch immer fort, nehme an allem Schönen,
Großen und Interessanten, das mir begegnet, Theil. Selbst an einem
fröhlichen Mahl in guter Gesellschaft kann ich so vollständig Theil
nehmen, wie ein sanguinischer Prälat -- und Keiner würde mir ansehen,
daß ich vielleicht am Morgen desselben Tages mit Abälard geweint, oder
mit Dante die Augenbrauen melancholisch zusammengezogen. Kurz, es geht
mir wie dem berühmten französischen Schauspieler Chenard, während
der Revolutionszeit im Jakobinerklub. Gewiß, der Dichter muß diese
Flexibilität mit dem Schauspieler theilen; sein Vortheil ist nur der,
daß sie viel größer und mit mehr Selbstständigkeit verknüpft ist. Das
heißt nicht Einseitigkeit, sondern Vielseitigkeit. Diese Vielseitigkeit
verbietet ihm es ausschließlich mit irgend einer einzelnen Partei
der Zeit zu halten, aber er hält es mit dem Guten bei ihnen Allen in
Ewigkeit.

[Sidenote: Bild von Paris.]

[Sidenote: Charakter der Franzosen.]

Aber, Ihr wollt ein Bild von Paris, so wie es vor meiner Seele steht?
Hm -- soll es vielleicht so sein wie Goethe's Schilderung des römischen
Carnevals? Das ist unmöglich! Weshalb? Weil Goethe's Schilderung
Original war, und ich, wenn ich ihm nachahmen wollte, nur eine Copie
liefern würde. Doch halt -- jetzt geht mir ein Licht auf. -- Paris
hat sehr hoch hervorragende Schornsteine und Brandmauern; welche
in der Entfernung den Häusern ihre Schönheit rauben. Die unterste
Etage ist ein fortlaufender, ungeheuer großer, schöner, kostbarer
Galanterieladen. Dieser Galanterieladen ist größer als Kopenhagen und
besteht nicht allein aus Galanteriewaaren, aus Juwelen, Porzellan,
Shawls, Stoffen, sondern auch aus Stiefeln, Würsten, Schinken, ja
selbst aus Brennholz und Steinkohlen; denn Alles ist hier galant und
nett bis zu einem gewissen Grade, insoweit man von der Straße und dem
Laden aus es zu sehen vermag. Die schönste Eleganz ist mit Sicherheit
und Annehmlichkeit verbunden. Deshalb die hohen Schornsteine, damit
die Kamine nicht rauchen und die Häuser nicht abbrennen. Paris ist
und bleibt der Mittelpunkt europäischer Cultur und -- Humanität. Ja,
es unterliegt keinem Zweifel, daß hier die größte =gesellschaftliche=
Humanität in Europa zu Hause ist. Guizot (zu dem ich eingeladen
gewesen und der mir große Artigkeit und Freundlichkeit erwies) hat
ein Buch geschrieben »_Cours d'histoire moderne_.« In einem Abschnitte
desselben _histoire de la civilisation en France_, vergleicht er die
Engländer, Deutschen und Franzosen. Die Engländer lobt er des Reellen,
die Deutschen des Ideellen, die Franzosen aber einer Vereinigung
beider wegen, wodurch sie der englischen Plumpheit und der deutschen
Spitzfindigkeit entgehen. Hierin hat er ohne Zweifel Recht; die
Engländer sind tiefer, die Deutschen höher, als die Franzosen -- aber
wenn eine harmonische Verbindung der Kräfte (welcher die einseitige
Virtuosität zum Opfer gebracht werden muß) das am meisten Menschliche
ist -- denn wir können nicht Alles besitzen -- so herrscht auch die
Humanität nirgends mehr, als unter dem französischen Volke. Das alte
Gerede von der Leichtfertigkeit und Unzuverlässigkeit der Franzosen ist
aus der Luft gegriffen. Die größte Tüchtigkeit und Ehrlichkeit findet
sich bei Vielen, bei sehr Vielen. Es ist keine kalte Höflichkeit,
die den Franzosen zur Artigkeit bewegt, es ist _bon sens_, es ist
feines, edles Menschengefühl. Die Franzosen machen einander nicht
=sofort= große Aufopferungen, aber =wer= thut das? Wo ist die deutsche,
englische, nordische Tugend, die das thut? Dem ehrlichen Finder wird
ein raisonables Douceur versprochen! Die Franzosen besitzen zwar ein
selbstbehagliches -- wenn man will -- eitles Gefühl ihrer Vorzüge
-- aber sie sind gutmüthig und wirklich =bescheiden=; das ist mehr,
als man von den Norddeutschen sagen kann, bei welchen Einbildung
und Neid nicht selten vorkommen. Was den Franzosen besonders noch
fehlt, ist die Kenntniß mehrerer Sprachen. Dies =erkennen= sie aber
an. Sprachunterricht im Deutschen und Englischen verbreitet sich bei
den Kindern, und man findet oft ältere Leute -- ich habe mehrere
getroffen, -- die gut Deutsch sprechen. In einigen Abenden bin ich
bei einem General Baron Pellatier eingeladen, dessen eine Tochter den
größten Theil von Jean Paul's Hesperus übersetzt hat. Man spricht
so viel von französischen Thorheiten in politischer Richtung, man
urtheilt aber nach den Oppositionsparteien der Zeitungen. Wo finden
sich solche Thorheiten nicht? Es giebt auch hier eine große Masse
billiger, vernünftiger Leute, und was nun die französischen politischen
Thorheiten betrifft, die geschehen sind, so wollen wir darüber nicht
die Nase zu sehr rümpfen! Mit seinem Blute hat Frankreich politische
Experimente für ganz Europa gemacht. -- Europa hat =Früchte= davon
geerntet, und es würde unedel sein, den Nutzen, den man gehabt hat, mit
Verachtung zu vergelten. Selbst die gräßliche Schlächterwuth während
der Schreckenszeit der Revolution wird als ein Wahrzeichen dastehen,
und die Zukunft vor dergleichen Auftritten bewahren und retten. Die
Humanität herrscht hier; alle die alten aristokratischen Knaben-
und Bubenstreiche liegen wie zerknitterte Papierblumen in dem alten
Galanterieladen Faubourg St. Germain, und nur dort vielleicht noch
in einem gewissen Zirkel, wenn man allein ist, wird die alte Menuett
getanzt. -- Aber selbst der französische Adel im Allgemeinen ist gar
nicht so aristokratisch. Ich habe Marquis' und Grafen gehört, wie sie
untereinander mit diesen alten Formen Spott getrieben. Es ist jetzt
in Paris ein allgemeiner Grundsatz, daß in der guten Gesellschaft nur
Geist und Talent als hervorragende Eigenschaften zur Geltung gelangen
dürfen. Und welche Freiheit hier! Man lebt, wie es Einem beliebt.
Klatscherei und Kleinstädterei findet man hier nicht. Alle Pedanterie
verschwindet. Ueber Tische spricht man offen, warm und ernst -- auch
munter und fröhlich -- und spaßt und spottet nicht immer (der Grundton
der gesellschaftlichen Conversation in Kopenhagen) weil man sich genirt,
sein Inneres herauszukehren und die Vertraulichkeit fürchtet, entweder
weil man einander nicht traut, oder weil man aller Uneinigkeit entgehen
will.

Ihr glaubt wohl, daß ich mich jetzt so in die Franzosen vergafft,
daß ich in ihnen nur Götter erblicke. O nein! die Mängel springen
ebensosehr in die Augen. So findet man, ungeachtet all der anmuthigen,
geschmackvollen Eleganz, die das Leben schmückt, es angenehmer und
gemächlich macht, einen Mangel an höherer Kunst. In der Baukunst und
Malerei stehen die Deutschen weit über den Franzosen. Wenn man von den
Denkmälern Salzburgs, Münchens, ja selbst Lüttichs kommt -- ärgert
man sich in Paris an irgend einer Straßenecke eine plumpe steinerne
Theaterdecoration mit der häßlichen Wand eines Hauses als Hintergrund
zu finden, und dort Molière -- ziemlich plump gemacht -- über einem
=Springbrunnen= sitzend! Wäre es doch immer noch Lafontaine, so wäre es
wenigstens ein Calembourg gewesen. Aber von =neueren= Sachen hat Paris
auch nicht viel in diesem Genre aufzuweisen, und das ältere leidet
zu oft an dem Mangel, den eine sklavische Nachahmung der Griechen
verursacht; so z. B. die Madeleinekirche. Pantheon ist ein großes, edles
Gebäude; hier ruhen Voltaire und Rousseau; vor achtunddreißig Jahren sah
ich ihre hölzernen Sarkophage (sie sollten Stein werden -- aber sie sind
noch nicht versteinert). In der Kuppel befindet sich ein sonderbares
Frescobild von Gros, in welchem viel Schönes mit viel Bizarrem vereinigt
ist. Die alten Frankenkönige und Königinnen sind gut, aber Ludwig
XVIII. überreicht die Charte geschniegelt und frisirt. Das möchte
noch sein, wenn nicht Ludwig XVI. gleichfalls frisirt und geputzt,
und gekrönten Hauptes in den Wolken säße, in der Hand einen Palmzweig
haltend und singend, wie ein Engel. Cuvier's plump gemachte Statue
fand ich im Museum des botanischen Gartens unter lauter ausgestopften
und unvernünftigen Bestien. Von den hiesigen Malern ist Horace Vernet
ohne Zweifel Derjenige, der sich den großen deutschen Malern am meisten
nähert. In der Galerie des Luxembourg sah ich ein Bild von ihm: Raphael
mit seinen Jüngern und Michel Angelo, das vorzüglich ist.

[Sidenote: Besuch bei Louis Philipp.]

                                           Paris, den 8. Februar 1845.

-- -- Da ich weder die Gewohnheit habe, mich selber hervorzudrängen,
noch mich zurückzuziehen, wo es Gelegenheit giebt, ausgezeichnete
Menschen kennen zu lernen, so hatte ich fast viertehalb Monate in
Paris verbracht, ohne den vielgerühmten König Louis Philipp zu sehen,
oder zu sprechen, der nach seinem Besuche in England sich einige Zeit
in Eu aufhielt und später nach Saint-Cloud kam. Eines Tages trat unser
Minister Herr von Kofs bei mir ein und erzählte, daß Seine Majestät
den Wunsch geäußert hätte, mich zu sehen, daß er deshalb mich und
William nach Saint-Cloud führen wollte. Herr von Kofs machte uns darauf
aufmerksam, daß es eine Auszeichnung sei, sofort zu dem Abendzirkel
des Königs zugezogen zu werden. Wir fuhren also am nächsten Abend um
acht Uhr nach Saint-Cloud und gelangten auf einer schönen, geheitzten
Treppe durch prächtige Zimmer in das Allerheiligste. Hier saß die edle
alte Königin mit schneeweißen Haaren an einem großen Tische und legte
ganz still für sich mit zwei Spiel Karten Cabala. Die Schwester des
Königs, Madame Adelaide, legte auch Cabala mit wenigeren Karten, und
die Herzogin von Nemours, sowie die Prinzessin von Joinville, waren
mit Handarbeiten beschäftigt. Wir wurden der Königin vorgestellt, die
sich sogleich nach dem Befinden unseres Königspaares erkundigte, und
sich mit vieler Liebe dessen Aufenthaltes in Paris erinnerte. Darauf
stellte uns Herr von Kofs Madame Adelaide vor. Kurz darauf kam ein etwas
bejahrter, rascher, starker Mann mit weißem Barte und Haaren, die zu
ergrauen begannen, munter und schnell herein. Er war ganz bürgerlich
gekleidet, die Uhrkette in ein Knopfloch der Weste eingehängt. Sein
Gesicht war frisch und gesund, freundlich und lebhaft. Er grüßte uns
als seien wir alte Bekannte gewesen, und leitete sogleich ein Gespräch
über Dänemark und Norwegen und seinen dortigen Aufenthalt ein. Er sei
in Kopenhagen unter dem Namen »Möller« gewesen, habe auf dem großen
Markte gewohnt, Vahl und Suhm besucht, und sei überhaupt überall
herumgewesen. Als ich die Bemerkung machte: »Majestät finden gewiß
nicht, wie so viele Franzosen, die es nicht kennen, daß Dänemark ein
schlechtes Land ist,« sagte er: »Es ist ein schönes Land, besonders
Fünen; es ist die schönste Insel, die man sich denken kann.« Er lobte
gleichfalls Seeland und Holstein; er erzählte, daß er ein Creditiv auf
das Haus de Conink gehabt habe -- dasselbe sei nicht groß gewesen. Als
er mit einem Schiffer von Kopenhagen abreisen wollte, und keinen Paß
hatte, bemerkte ihm dieser: »Sie sind gewiß ein junger Mensch, der dumme
Streiche gemacht hat.« In dieser Weise sprach er eine ganze Stunde
freundlich mit uns. Des schönen Norwegens und seines Aufenthalts bei
den braven kräftigen Leuten erinnerte er sich gleichfalls mit großem
Interesse. Als er sich zurückzog, bat er uns, den nächsten Abend im
Theater zu erscheinen. Wir verbeugten uns dankend, erschienen auch
am nächsten Abend in der prächtigen Versammlung. In Saint-Cloud ist
es bei dergleichen Vorstellungen so eingerichtet, daß die königliche
Gesellschaft sich von den Gemächern in die erste Etage begiebt; das
Uebrige ist dem Publikum eingeräumt. Aufgeführt wurde: »Schwank über
Schwank«, ein Stück, das in meiner Jugend bei uns oft gespielt wurde.
Der König liebt das Alte. Ein anderes, kleineres Stück, das gespielt
wurde, war nicht viel werth. Der König, der mir auch hier sehr
freundlich entgegentrat, erzählte mir, daß dieses Stück von dem Sohne
eines seiner alten Schulkameraden geschrieben sei. Er ließ sich noch
ferner mit mir in ein Gespräch ein, und als England und dessen große
Macht im Laufe desselben genannt wurde, und ich England das moderne
Karthago nannte, sagte er scherzend: »Aber wir wollen doch nicht sagen,
wie jener Römer: _delenda est_; ich halte auf den Frieden.« Da ich
eine friedliche Haut bin, so konnte ich mich nicht enthalten zu sagen:
»Gott segne Ew. Majestät dafür«. Kurz darauf wurde der Hof nach Paris
verlegt und es dauerte nicht lange, so wurde ich zur königlichen Tafel
zu einem großen Diner eingeladen. Ich hatte vorher die Bekanntschaft
der alten Marquise Dolomieu, Hofdame der Königin gemacht. Sie war die
einzige, die ich kannte; sie nahm sich meiner sehr freundlich an und
als wir zur Tafel gehen sollten, ergriff sie meinen Arm und machte
sich selbst zu meiner Tischnachbarin. Es war eine außerordentlich
reiche Tafel; der Tisch strahlte von Gold u. s. w. Wir saßen in dem
großen Speisesaale, wo auch Napoleon gesessen hatte. Die Tafelmusik war
schön und es rührte mich, als zuerst »_O Richard, o mon roi! l'univers
d'abandonne_« gespielt wurde -- nach der Mahlzeit stand ich in einem
Winkel im großen Saale, woselbst der Kaffee servirt wurde. Der König
arbeitete sich durch die Menge zu mir heran, faßte mich bei der Hand und
führte mich aus meinem Winkel ein gutes Stück nach der Mitte des Saales,
wo er mich einem hohen, schönen Manne vorstellte und davon ging. Der
große Mann erzählte mir auf Französisch, daß er alle meine deutschen
Arbeiten kenne, und bat mich, ihn zu besuchen. Ich glaubte, es sei eine
fürstliche Person von hier und sagte: »Ich würde die Ehre haben«. Ich
war der Ansicht, daß er einige Straßen weiter wohne. Er verabschiedete
sich freundlich von mir. Später sah ich, daß ein Hofmann ihn mit großer
Ehrerbietung anredete. Aber noch ging mir kein Licht auf. Erst zwei
Abende später, als ich in der _Opéra comique_ in den Zwischenakten im
Moniteur las, daß der König und die Königin von Belgien wieder abgereist
waren, rief ich aus: »Hättest Du Dir nicht denken können, daß es ein
König sein mußte, dem der König Dich vorstellte!« Und ich hatte mit
ihm gesprochen wie mit einer Privatperson; -- _Vous_ gesagt und nicht
einmal _Monseigneur_. Aber jetzt muß ich doch über Belgien nach Hause
zurückkehren, um ihn zu besuchen.

Bei dem Herzoge von Nemours waren wir kurz darauf zum Konzert
eingeladen. Er ist sehr freundlich und artig, ein schöner blonder,
junger Mann, doch sieht er nicht so zutraulich aus, wie der Vater, wie
Joinville und Aumale. Man sagt, daß er schüchtern und verlegen ist; er
steht gewöhnlich mit gekreuzten Armen; seine Gemahlin ist eine Schönheit.

[Sidenote: Besuch bei Ludwig Philipp.]

Weil nun der König mir so viele Freundlichkeit erwiesen, hielt ich es
auch für meine Pflicht, mich, wie es Sitte ist, in den ersten Tagen
des Jahres aufs Schloß zu begeben und dort meinen Neujahrswunsch
darzubringen. Gaimard kam und holte mich und William ab; er war in
Uniform, William gleichfalls; aber ich hatte keine und Gaimard sagte:
»Ich könnte schon in meinem schwarzen Frack erscheinen«. Aber was
geschah? In dem Vorsaale wurde ich von einem Kammer- oder Hoffourir
sehr artig angehalten, indem derselbe mich fragte, ob ich Deputirter
sei? Als ich verneinte, zuckte er die Achseln und bedauerte, daß ich
alsdann nicht vorgelassen werden könnte, da Alle in Uniform sein müßten.
»Ich habe keine«, antwortete ich, und wollte bereits wieder umkehren.
Gaimard, der ein gutmüthiger Kauz ist, begann den Lakaien auf der Treppe
zu erzählen, daß ich ein großer Dichter, _le Corneille de Danemarc_
sei. »_Je'n suis sur_«, antwortete einer der Lakaien, aber sie hätten
doch keine Ordre, den dänischen Corneille einzulassen. Gaimard wollte
durchaus erst mit einem Adjutanten reden; da dieser aber ebenfalls
Nichts ausrichten konnte, entschlüpfte ich Gaimard und begab mich nach
Hause. William begleitete mich, obgleich er hätte bleiben können, weil
er in Galla war. Aber ich warf mich selbst in die äußerste Finsterniß,
woselbst -- wenn auch nicht Heulen, doch Zähneklappern war, denn es war
kalt. Indessen hatte Gaimard die Hoffnung noch nicht aufgegeben; er
sprach wiederholt mit einem Adjutanten, der es dem König berichtete, und
dieser befahl sogleich, daß man mich einlassen sollte. Aber fort war ich.

Einige Tage später war wieder ein Hofball in Uniform, zu welchem
wir eingeladen wurden. Obgleich nun der König mir erlaubt hatte, in
schwarzem Fracke, wie ein Deputirter zu erscheinen, so wollte ich mich
doch ein wenig putzen -- denn ich hatte gehört, man könne sich ein
_habit de goût_ machen -- da ich aber keinen Gout an Dem fand, was
der Schneider forderte, um meinen neuen schwarzen Frack zu verderben,
so miethete ich einen dreieckigen Hut, decorirte denselben mit der
Danebrogs-Kokarde, miethete mir gleichfalls einen Hofdegen, und in
diesem Anzuge begab ich mich aufs Schloß. Der Hoffourir wollte mir auf
der Treppe nachsetzen, fragte aber doch erst William, der hinter mir
in Scharlach ging: »Ist das der dänische Poet?« und als er bejahte,
zog er sich mit den Worten zurück: »Er darf hinein«. So stolzirte ich
also in dem ungeheuren Gewimmel von Uniformen umher, und wäre für einen
Deputirten gehalten worden, wenn nicht meine fremden Orten, die ich, um
mir doch ein Relief zu geben, angelegt hatte, den Scharfsinn der Pariser
in Verlegenheit gesetzt hätten; sie betrachteten mich verwundert und
wußten nicht, welchem der fünf Sinne angehörend sie mich betrachten
sollten, ob dem Gesicht, Geruch, Gehör, Gefühl oder Geschmack. Daß es
der Geschmack sein sollte, begriffen sie, trotz meines _habit de goût_
wohl nicht. -- Ich habe zu erzählen vergessen, daß ich es für meine
Dichterpflicht hielt, dem König Ludwig Philipp, der mir so viele Achtung
und Freundlichkeit erwiesen hatte, dieselbe nach Kräften ein wenig zu
vergelten, d. h. ihm einige Verse zu widmen, worin ich ohne Schmeichelei
und auch ohne Kriecherei sein Verhältniß zu meinem Vaterlande und zu mir
poetisch aussprach. Ich schrieb also ein solches kleines Gedicht ohne
Ueber- und Unterschrift, und nahm dasselbe mit mir, als ich zur Tafel
beim Könige war. Während des Gesprächs mit ihm -- wir standen allein in
einer Nische -- sagte ich: »Majestät, ich habe ein kleines Gedicht an
Sie geschrieben«. -- »Haben Sie es bei sich?« »Ja, ich habe es in der
Tasche«. -- »Geben Sie es mir gleich; ich werde es in meinen Hut legen,
so wird es Keiner gewahr werden«. Ich gab ihm die Verse. Sie waren in
deutscher Sprache und lauten:

           Vor Frankreichs König soll ich stehen,
           Er will den Dänendichter sehen,
           Den Pilger, seinem Schlosse nah;
           Sein Geist lebt nicht in engen Schranken,
           Er ist der erste Fürst der Franken,
           Der Dänemark und Norweg sah.

           Sonst fragte man nach Norden wenig,
           Er ist der erste Frankenkönig,
           Der unsre ferne Sprache kennt.
           Noch denkt er oft in heitern Stunden,
           Wie dort er Ruh und Trost gefunden,
           Als düster war sein Firmament.

           In Norweg, wo er oft gesessen
           In Hütten, wird er nicht vergessen;
           Ludwig Philipp! Man nennt Dich gern;
           Und zeiget aus dem stillen Thale
           Nach Deines Ruhmes breitem Strahle,
           Du funkelst jetzt als Abendstern!

           Kennst Deutschland, Deutschland kennt Dich wieder,
           Du hörtest seine besten Lieder,
           Wo Tell gelebt und Winkelried,
           So wagt sich auch getrost der Däne,
           Und reicht dem Herrscher an der Seine
           In deutscher Zung' ein kleines Lied.

           Der Skald des Winters, Sohn von Brage,
           Wünscht Ludwig -- schöne Wintertage!
           Denn schön ist auch des Winters Fest:
           Trägt Frieden in dem weißen Schilde!
           Die Sonne scheint und macht ihn milde,
           Und tödtet jede Seuch' und Pest!

Einige Tage darauf hatte ich bei der Herzogin von Orleans, die ich bei
den Hoffesten nicht gesehen hatte, eine Privataudienz. Sie kam mir
sehr freundlich entgegen, redete mich gleich Deutsch an, sprach sehr
anerkennend von meiner Dichterwirksamkeit und als ich fragte, ob Ihre
Königliche Hoheit einige meiner Arbeiten kenne, sagte sie: »Ja, Alles
was Deutsch geschrieben ist -- die dänische Sprache verstehe ich leider
nicht. Ich bin gerade jetzt bei einer Erzählung von Ihnen, welche ich
mit großem Vergnügen lese, und ich erzähle sie meinem Sohne unter dem
Lesen wieder«. Als sie nicht den sonderbaren, fremden Namen aussprechen
konnte, fragte ich, ob es Oervarodd sei. »Ja, ja Oervarodd«, antwortete
sie freundlich lächelnd. -- Der kleine Graf von Paris wird, wie recht
und billig ist, als künftiger König von Frankreich während seiner ersten
Kinderjahre ganz Französisch erzogen. Die Mutter spricht nur Französisch
mit ihm und jetzt übersetzt sie ihm den Oervarodd. Sie ist eine
außerordentlich reizende, geistreiche Dame, und besitzt den edelsten
Charakter. Als sie hörte, daß ich eine kleine dänische Tragödie hier
geschrieben, und dieselbe bereits ins Deutsche übersetzt hätte, bat sie
mich, ihr das Werk, wenn es gedruckt sei, zu senden. Sie erzählte mir,
daß der König ihr mein kleines Gedicht an ihn gezeigt und daß es sie
Alle sehr erfreut habe.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Brüder Rothschild.]

Bei dem Diner beim Könige von Frankreich war ein kleiner Mann mit großen
klugen Augen und einem Sterne auf der Brust zugegen. Er starrte mich
mitunter an. Als der König mit mir gesprochen hatte, kam dieser Mann
auf mich zu und fragte, ob ich ihn nicht besuchen wolle. Ich dankte
verbindlichst und fragte, mit wem ich die Ehre zu sprechen hätte.
»=Rothschild=«, sagte er. Welcher Zauber liegt nicht in diesem Namen!
Als Klopstock seine Ode »die Gräber Rothschild's« schrieb, dachte er
gewiß nicht, daß dieser Mann in der Weise in der Geschichte strahlen
sollte.

Als ich mich jetzt durch den Namen gewissermaßen in
landsmannschaftlichen Beziehungen zu dem berühmten Hause fühlte, so nahm
ich das Anerbieten an, und besuchte James Rothschild einige Tage später
auf seinem Comptoir. Dort saß er vor dem einen, und sein um zwanzig
Jahre älterer Bruder Salomon vor dem andern Pulte. Der Bruder hatte
kaum zwei Worte mit mir gesprochen, so lud er mich auf zwei Tage später
zu Mittag ein. James sandte einen Hausfreund, einen Advocaten Joël, zu
seiner Frau, um zu erfragen, wenn es ihr genehm sei. Und es wurde dann
sofort gleichfalls entschieden, daß ich andere zwei Tage später bei
James sein sollte. Joël ist ein Schöngeist; ein Wiener, der bei den für
mich in Wien arrangirten Festlichkeiten zugegen war. Salomon ist ein
gutmüthiger Sonderling. Vor der Mahlzeit saßen wir und plauderten. »Ja«,
sagte er auf Deutsch -- bei ihm wurde heute nur Deutsch gesprochen,
ungeachtet vierzehn Personen zugegen waren -- »es ist gut genug, reich
zu sein, es hat seine Annehmlichkeiten, seine großen Annehmlichkeiten,
aber, glauben Sie mir, auch seine großen Lasten. Wir hätten ja, was
uns selbst betrifft, nicht nöthig, die Geschäfte fortzuführen; da aber
das Wohl so vieler Menschen davon abhängt, so fühlen wir, daß es eine
moralische Pflicht ist. Ich arbeite viel und mein Bruder James reibt
sich ganz auf; er arbeitet täglich von 8 bis 5 Uhr im Büreau.« Als wir
später von den Merkwürdigkeiten von Paris sprachen, sagte er: »Ich bin
jetzt hier seit 1811 gewesen und habe noch gar keine Merkwürdigkeiten
gesehen. Ich bin noch nie in Versailles gewesen«. Dagegen besitzt er
selbst solche Feenpaläste in Paris, Frankfurt und Wien. Als wir gespeist
hatten und die Uhr halb 9 geworden war, frug er bei dem Kaffee: »Was
machen Sie jetzt, wenn Sie nach Hause kommen?« -- »»Ich lese etwas und
trinke später eine Tasse Thee««. -- »Das thue ich nicht,« antwortete
Salomon, »ich gehe zu Bett. Ich gehe jeden Abend um 8-1/2 Uhr zu
Bette und stehe um 4 Uhr auf«. -- Seine Frau ist eine freundliche
bejahrte Dame mit einem treuherzigen Gesichte. Man sagt von ihnen
Allen, daß sie sehr wohlthätig sind. Bei James trafen wir Humboldt,
der nach Paris gekommen ist. Hier wurde aber Französisch gesprochen.
Eine Schriftstellerin, Madame Gerardin, war auch hier. Victor Hugo
war eingeladen, hatte sich aber entschuldigt, weil er mit einer Rede
viel zu thun hätte, die er in der französischen Akademie halten müsse.
James' Frau ist eine anmuthige junge Dame von außerordentlicher Bildung
und vielem Geschmacke und Liebe zur Poesie. Ich bin später bei ihr
gewesen und habe ihr meine neue Tragödie vorgelesen. Einige Tage nach
diesen Mittagsgesellschaften waren wir zum Ball bei Salomon. Es war
ein ganz außergewöhnlich prachtvoller Ball. Die schönsten Zimmer mit
andern kleinen Nebenzimmern verbunden, wie Corridors mit offenen
Bogen. Ein großer Saal mit einer Tafel, prächtig erhellt von großen
goldenen Armleuchtern, voll von Confituren und eingemachten Früchten
zur beliebigen Auswahl der Gäste. Neben diesem Saale, gleichfalls unter
Bogengängen, ein großer Conditorladen, in welchem mehrere Bediente
standen und den Gästen alle Arten Eis, Limonade, Kuchen u. s. w.
reichten. Aber dieses Alles war nur ein Vorspiel zu dem brillanten
Souper, das die Gäste erwartete, das wir aber weder zu sehen, noch zu
kosten bekamen, weil wir um ein Uhr nach Hause fuhren, vollkommen mit
Dem zufrieden gestellt, was wir genossen hatten.

[Sidenote: Villemain.]

Gleich im Anfang unseres hiesigen Aufenthaltes führte uns Gaimard
bei Arago und Villemain ein. Mit dem Ersteren hatte ich keinen
weiteren Berührungspunkt. Wäre ich ein Komet gewesen, so hätte er mich
ausgemessen und meine Wege kennen gelernt; jetzt war er so höflich
einige Complimente an mich zu verschwenden und hiermit war meine Bahn
zu ihm berechnet. Aber Villemain war ein Schöngeist und mit ihm hatte
ich eine lange Unterredung, in welcher er sich sehr schön über fremde,
besonders über englische Literatur aussprach. Es wollte mir eben nicht
munden, daß er ein so großer Bewunderer Milton's sei; aber ungeachtet
ich in seinen Aeußerungen viel Unrichtiges fand, waren sie doch ganz
vernünftig. Er war sehr freundlich und sagte, er wolle mich bald in
Gesellschaft mit andern Schöngeistern von Paris bei sich einladen. Es
wurde übrigens nichts aus dieser Einladung. Einige Monate verstrichen;
ich sprach ihn während dessen im Theater in der königlichen Loge, wir
grüßten uns: »_Ah, voila notre grand poëte chez le roi!_« sagte er
freundlich, aber ließ sich nicht weiter mit mir ein. Kurz darauf erfuhr
ich, daß er wahnsinnig geworden, der Arme! Man sagte, der Ministerposten
habe ihn zu sehr angestrengt, er sei dazu nicht geschaffen, sondern
hätte ein Gelehrter bleiben sollen. Er war früher, als ich, Professor
der schönen Wissenschaften. Ich würde ebenfalls nicht zum Minister
taugen; aber ich glaube auch, daß ich nie so verrückt werden könnte, es
sein zu wollen.

[Sidenote: Thierry. De Vigny.]

Einen andern, ausgezeichneten, aber gleichfalls unglücklichen Gelehrten
habe ich hier besucht: den berühmten Thierry, den Verfasser der
Geschichte der Normannen. Thierry's Werk scheint mir nicht allein
das beste geschichtliche Werk Frankreichs, sondern überhaupt des
jetzigen Europas zu sein. Es verbindet mit geschichtlicher Genauigkeit
und Quellenstudium die Wahrheit des Geistes, die Wärme des Herzens
und die zu einem guten historischen Werke nothwendige poetische
Einbildungskraft, Alles wiederum mit der kindlichen Naivetät verknüpft,
die wir bei Herodot und Snorro bewundern. Welchen Gegensatz bilden
hierzu nicht die trockenen, wenn auch gelehrten Werke Thiers' und
Dahlmann's, in welchen der Grundton eine kalte Polemik ist. Thierry ist
noch kein alter Mann, kaum fünfzig Jahre, wohlhabend, allgemein geehrt
und geliebt, aber -- er ist blind und epileptisch. An dem Abende, den
ich bei ihm verbrachte, wurde er auf einem kleinen Stuhle in die Stube
zu uns hereingefahren. Er drückte freundlich meine Hand und sprach
ersichtlich gern mit mir über unsere alte Geschichte, während wir Thee
und eine Art Kuchen genossen, die ihm ein guter Freund aus Mailand
gesandt hatte.

Einen Dichter von Bedeutung, der mir hier freundlich entgegengekommen
ist, muß ich nennen, es ist Graf Alfred de Vigny. Ich habe den größten
Theil seiner Werke gelesen. Er schenkte mir ein Exemplar seiner Dramen
und schrieb darein: _Hommage de sympathie et de haute éstime de la part
de l'auteur?_

[Sidenote: Victor Hugo.]

-- -- Um jetzt wieder auf den großen Sieger, Victor -- oder wie er der
größern Deutlichkeit wegen auch genannt wird -- Victor Hugo, Vicomte
-- zu kommen, so hatte ich, wie Ihr aus früheren Briefen wißt, zweimal
versucht, sein Herz oder wenigstens sein Logis zu stürmen. Aber hier
sitzt er eben so gut gegen Besuche gesichert, wie Reinecke Fuchs in
seiner Burg Malepartus und läßt sich verleugnen, wenn es nicht gerade
Sonntag Abend ist, an welchem er allen Lusthabenden Audienz giebt und
sie zur Cour vorläßt. Außer diesen Festtagen ist es unmöglich, sich
Eingang zu verschaffen, ungeachtet ein Schneider der einzige ist, der
seine Festung vertheidigt. Dieser Schneider ist zugleich Thürhüter,
und nimmt, auf seinem Tische hockend, mit großer Behendigkeit die
Visitenkarten entgegen, ohne sich in seiner Arbeit stören zu lassen. Da
er gar keine Notiz von mir nahm, so dachte ich »was ist es auch der Mühe
werth, Victor Hugo mit Gewalt zu nehmen? Das wäre eine Sünde, er will am
Liebsten ungestört sein, lassen wir ihn; Paris ist groß genug für uns
Beide!«

So standen die Sachen, als es der Zufall wollte, daß ein anderer Poet,
Deschamps, ganz untergeordneten Ranges, aber ein sehr liebenswürdiger
freundlicher Mann, der Deutsch versteht und Romanzen von Goethe und
Schiller übersetzt hat, -- auch meine Muse kennt und liebt, -- uns zu
einer Soirée einlud. Hier waren viele Menschen. Deschamps kam auf mich
zu und fragte mich, ob ich Victor Hugo's Bekanntschaft machen wollte?
Ich glaubte, er meinte, daß wir ihn gemeinschaftlich besuchen sollten,
und antwortete ganz trocken: »Nein!« Später kam er noch einmal, ich
sagte noch einmal »Nein«, und fügte hinzu, »ich bin zweimal vergebens
dort gewesen«. Später erfuhr ich, daß Victor Hugo in der Gesellschaft
zugegen sei. Aber ungeachtet ich mich weder kostbar mache, oder streng
auf die Form sehe, wo ich =mehr= als bloße Form wähne, so fand ich
es hier doch unpassend, mich Victor Hugo vorstellen zu lassen, da
ich zweimal bei ihm gewesen war und nur seinen Schneider zu sprechen
bekommen hatte. Indessen betrachtete ich doch aus der Ferne den großen
Mann, wie er dort zwischen einigen ältern Damen saß, die ihm die Cour
machten. Schön ist er nicht, häßlich auch nicht, in einem blühenden
Lebensalter, frisch, fett, stark und gesund. Er sah gar nicht
hochmüthig aus, eher etwas verlegen, wie Derjenige, dessen übermäßige
Prätensionen mehr der Eitelkeit als dem Stolze entspringen. Endlich,
als der Thee servirt wurde, und ich mich in dem andern Zimmer bei den
Damen befand, sah ich Victor und Deschamps die Köpfe leise redend
zusammenstecken und das Resultat hiervon war, daß Deschamps Victor Hugo
zu mir führte und ihn mir vorstellte. Er sprach einige artige Worte,
unter andern, daß die Franzosen »_tort_« hätten, keine fremde Literatur
zu kennen. Ich war ein wenig ungehalten, und antwortete: »Ja, das habt
Ihr allerdings! Es wäre so dumm nicht, wenn Ihr Euch ein wenig um Eure
Nachbarn bekümmertet«. Darauf wechselten wir mehrere artige Redensarten;
zu einem ordentlichen Gespräche kam es aber nicht, und wir trennten uns,
nachdem er mich wieder gebeten hatte, ihn zu besuchen.

Bei dem Herzoge von Nemours traf ich ihn wieder und da ich nun das erste
Mal mich expectorirt und ihm ein wenig imponirt hatte, trat ich ihm
freundlich entgegen und versprach, ihn zu besuchen, aber weder hier noch
später auf einem Balle beim König kam es zu einer längern Unterhaltung
zwischen uns.

Jetzt beschloß ich also ihn zu besuchen. Er wohnt weit entfernt, an dem
Bastillenplatze, ich fuhr in einem Fiaker dahin; sein Audienzzimmer
ist groß; die Familie saß im Dämmerlichte und ein einladendes
Steinkohlenfeuer flackerte im Kamine. Hier, eh noch andere Gäste kamen,
sprachen wir denn endlich von Diesem und Jenem. Hier ist der englische
Schauspieler Macready mit seiner Truppe angekommen, um Shakespeare'sche
Stücke aufzuführen. Ich hatte ihn als Hamlet gesehen. Victor Hugo
lobte ihn. Ich entgegnete freundlich: »Ich bitte um Verzeihung; aber
ich kann nicht Ihrer Ansicht sein. Hamlet muß ein liebenswürdiger,
junger Mann sein, voller Schwärmerei, Gefühl, Humanität -- er muß das
Herz einnehmen, muß natürlich sein u. s. w. Macready ist alt, häßlich,
affectirt, convulsivisch«. -- »_Vous avez raison_«, sagte Victor Hugo,
ohne ferner seine Ansicht zu vertheidigen. Nun langten mehrere Gäste
an, und damit war die Audienz zu Ende.

Es ist sonderbar mit diesen Franzosen; sie wissen gar nichts von uns
Fremden, aber sie =wünschen= auch nichts von uns zu wissen; -- sie
fragen nur, wie wir in Paris uns »amüsiren«. Victor Hugo hat eine schöne
Frau; zwei hübsche Söhne, und eine allerliebste Tochter. Er ließ sich
nun in Conversation mit seinen Damen ein, und bekümmerte sich nicht
mehr um mich, und ich gesellte mich zu einem Herrn Ehrenbaum, einem
deutschen Doctor. Ich betrachtete das Zimmer, welches das Ansehen einer
großen Rumpelkammer hatte, in dem eine Menge alte Möbel zusammengetragen
waren, unter andern auch ein Thronhimmel aus den Zeiten Ludwig XIII.
Ich hielt mich nicht lange auf, aber Victor war doch so höflich,
mich bis zur Thüre zu geleiten. Ich hatte weder Nasses noch Trocknes
genossen; doch jetzt bekam ich Nasses genug, denn der Regen goß in
Strömen herab. Ich kannte die Straße nicht und verirrte mich. Mitten
auf dem Bastillenplatze blieb ich endlich vor einem hohen, ungeheuern,
schwarzen Gegenstande stehen. Es war der große Elephant, den Napoleon
hier aufstellen ließ, der mir durch seine Gegenwart sagte, daß ich
mich verirrt hatte, und gerade nach der entgegengesetzten Richtung
gehen sollte. Hier fand ich aber endlich, wie eine gebadete Maus, einen
elenden Fiaker, mit dem ich nach Hause fuhr. -- Das war mir Alles
ganz recht; was wollte ich dort? Ich habe viele von Victor Hugo's
Werken wieder gelesen, obgleich ich bereits die Mehrzahl schon kannte.
»Lucretia Borgia«, »Marion de Lorme«, »_Le roi s'amusé_«, »Marie Tudor«,
»Ruiz Blas«, und ich befinde mich jetzt wieder mitten in seinem »_Notre
Dame de Paris_«. Ich kann das Urtheil, das ich bereits früher über ihn
ausgesprochen, nur wiederholen. Er ist ein Mann von Geist, von Feuer
und Phantasie, und zweifelsohne derjenige der französischen Dichter,
der das größte Talent besitzt. Aber er ist in einem hohen Grade bizarr
und convulsivisch und alle seine Helden und Heldinnen sind tragische
Carrikaturen. Die unglückliche Ansicht, das Moralische und Tugendhafte
in der Poesie als etwas Bornirtes, Unpoetisches, ja fast Einfältiges
und Dummes zu betrachten -- hat sich auch seiner bemächtigt. Weil so
viele Stümper und Heuchler früher diese Motive zu flauen Affectationen
=mißbrauchten= -- ist er und Consorten (denn diese Tendenz ist ja auch
in germanischen und skandinavischen Ländern Mode) darauf gefallen, das
Laster fast zu vergöttern. Er schildert das Laster ohne Abscheu und
Verachtung, mit glänzenden Farben, und durch die Art und Weise, wie es
dargestellt wird, spendet er ihm Achtung und Bewunderung, während das
Gute und Edle bei Seite geschoben und wie etwas Veraltetes, das nicht
mehr der Zeit angehört, fast verachtet wird! -- Leider, wenn es so
fortgeht, so werden wir bald -- wieder Barbaren werden können. Barbaren?
Nein, dazu fehlt uns die kräftige Naivetät und die entschuldigende
Unwissenheit. -- Wieder wie die Thiere? Nein, dazu sind wir leider zu
klug, zu erfahren und kenntnißreich. -- Aber spitzfindige Bestien und
gebildete, feine Cannibalen, das =könnten= wir werden! Doch -- es hat
keine Noth! Auch unser Zeitalter besitzt =eine große Masse= Menschen
mit gesundem Sinn und Herzen, welche diese genialen Knabenstreiche
verachten. In Victor Hugo's Dramen und Romanen findet man kaum einen
Menschen mit gesundem Sinn und von honettem Charakter. Die Composition
seiner Bühnenstücke ist sehr schwach und unnatürlich. Wenn Einer etwas
erfahren soll, das er eigentlich nicht erfahren dürfte, so legt er
sich auf der Stelle hin und =stellt= sich als schliefe er. Je nach dem
Bedürfniß des Stückes springen die Personen aus Schränken, Wänden,
Mauern u. s. w. hervor. Da es unmöglich ist, mit einer Tragödie
irgend eine Wirkung zu bezwecken, wenn man das Herz nicht rührt, so
wird solches denn auch durch diese oder jene edle Eigenschaft bei den
lasterhaften Personen hervorgebracht. Aber wie -- z. B. -- kann man
Mitleid mit einer Lukrezia Borgia fühlen, weil diese Furie, dieser
tragische Ausbund in ihren eigenen Sohn verliebt ist, und die Schuld
seines Todes trägt. Und so ist es überall. Zuletzt wird dem Laster
immer etwas Erhabenes und Edles beigegeben, das unser Mitleid erwecken
soll. Weder Aeschylos, Sophokles, Shakespeare oder Schiller haben so
gedacht. Selbst bei dem katholischen Calderon überholte seine gute Natur
die schiefe Bildung -- und, aller Vorurtheile, und alles Aberglaubens
ungeachtet, schimmert das echt Humane bei ihm herrlich durch. Goethe
neigte sich der Entschuldigung und der Idealisirung der Wollust in
einigen seiner Werke zu. Eine gefallene Tugend -- wo der =Geist= noch
tugendhaft ist! -- =kann= auch entschuldigt werden. Gretchen, Klärchen,
die Bayadere sind schön und herrlich. Christus selbst entschuldigt
die büßende Magdalena. Das ist aber etwas ganz Anderes, als Victor
Hugo's Dirnen. Seine Dialoge sind übrigens geistreich und der Zwang des
Reimes verhindert ihn nicht an einer natürlichen Diction. Es finden
sich mehrere gute Scenen in seinen Werken, so z. B. König Ludwig, der
Richelieu bis auf den Tod haßt und ihm doch blindlings gehorcht -- wie
der Vogel, der in den Rachen der zischenden Klapperschlange hinabfliegt.
Victor Hugo ist =interessant=. Man langweilt sich nicht mit ihm. Aber
-- wenn man ihn gelesen, so hat man einen =bittern= Nachgeschmack, denn
wodurch erweckt er besonders das Interesse? Durch das Grausenhafte!
Seine Stücke sind meistentheils Hinrichtungsscenen. Man folgt ihm auf
den Richtplatz. Er malt uns Alles aus: den Scharfrichter, das Beil, den
Block, die Angst des Sünders, das Blut, das Grausen der Zuschauer; aber
man schämt sich fast nach der Lectüre, bei einer solchen Hinrichtung
zugegen gewesen zu sein, und wie Tiberius und Nero eine geistige Wollust
in der Nervenerschütterung der Schrecken und in der Grausamkeit gefunden
zu haben. Noch habe ich Victor Hugo's lyrische Gedichte zu lesen.
Diese sollen edler, besser sein; die allgemeine Meinung hier ist, daß
er eigentlich ein lyrischer Dichter ist. Es wird mich erfreuen, von
ihm etwas Schönes zu lesen. =Die Schönheit= ist doch der Stoff aller
Kunst; Tugend und Wahrheit wird als etwas veraltetes verworfen. Ist
die Schönheit gleichfalls veraltet? -- Dann wäre es dem Loke geglückt,
Ydun mit den Aepfeln wieder in Jothunheim in Ketten zu schmieden,
und so könnte ja die ganze Natur veralten und ins Grab steigen. Das
genialste Werk Victor Hugo's ist doch ohne Zweifel, der ungeheuren
Mißgestalten und Auswüchse ungeachtet, sein Notre Dame de Paris. Es ist
kein Kunstwerk; es ist ein unordentliches Magazin von Studien, welche
mehr denn zur Hälfte das Buch füllen, und die gemacht sind, während er
dasselbe schrieb. Die Ideen über das Romantische, über die alte Baukunst
des Mittelalters hat er, aus unzusammenhängenden Mittheilungen und
Traditionen, doch aus Deutschland geholt und in seiner Weise zugestutzt.
Seine Abhandlung über die Architektur ist bis auf wenig Einfälle eine
übertriebene Phantasterei. Wenn man weiß, was in dieser Richtung
geschehen ist, seitdem Goethe seine kleine Abhandlung über Straßburg
schrieb, und was später Wackenroder, Tieck, die Schlegel, Künstler und
Kunstkenner wie der Architekt Moller, die Gebrüder Boisserée, wie in
München die ausübenden Künstler geleistet haben, so wird Victor Hugo's
Gerede davon kindisch und unwissend. Höchst sonderbar ist auch die
Herzlosigkeit, die sich überall in dem Werke zeigt, der totale Mangel an
religiösem Gefühl, wenn er z. B. die alte herrliche Kirche Notre Dame
betrachtet -- die ihm doch zu dem Ganzen begeistert hat, und diese edle,
würdige Gedenktafel der Kunst nicht allein mit seinem abscheulichen,
einäugigen, buckligen, rothhaarigen, tauben, boshaften Quasimodo
vergleicht, sondern diese Bestie, als den Genius der Kirche hinstellt
und sagt: »_A tel point que, pour ceux, qui savent que Quasimodo a
existé, Notre Dame est aujourd'hui déserte, inanimée, morte. On sent,
qui'l y a quelque chose de disparu. Ce corps immense est vide, c'est un
squelette; l'=esprit= la quitté, on en voit la place, et voila tout.
C'est comme un crane, ou il y a encore des trous pour les yeux; mais
plus de regard._«

Eine solche Art des Fühlens und des Denkens findet man überall im
Buche. Aber das Buch ist interessant, weil es gute Scenen, einige
gute Charaktere besitzt, und weil es ein Bild des pariser Lebens der
damaligen Zeit giebt. Seine Leser in dieser Weise zu unterhalten, indem
er nämlich seinen Roman zu einer Zeitschilderung macht, in welcher das
individuell Historische hervortritt, hatte Victor Hugo von Walter Scott
gelernt. Aber wie weit schöner und besser malt nicht dieser! Bei Walter
Scott tritt immer das Schöne, das Edle als die Hauptsache hervor. Victor
Hugo schildert den Crapule; in seinen Dramen, in =aristokratischer=
Weise, den =vornehmen= Crapule, der nur die Wollust und die
großsprechende dumme Courage kennt, um unbedingt, Alles aufopfernd,
seinem einzigen Abgotte, seinem Dalai-Lama, seinem Vitzli-Putzli --
dem _Point d'honneur_ zu huldigen. Hier in Notre Dame wimmelt es von
=Pöbel=, von europäischen Cannibalen. Aber das historische Colorit
und einige gute Erfindungen machen es amüsant zu lesen, so ist z. B.
die Scene mit dem zerbrochenen Kruge vorzüglich. Die schönste aller
Schilderungen Victor Hugo's findet sich gleichfalls in diesem Buche:
»Esmeralda«, die einzige eigentlich anmuthige und unschuldige Schöpfung,
die seiner Phantasie entsprungen. Sie giebt Veranlassung zu vielen
schönen, echt poetischen Scenen. Wie diese seine anmuthige Schöpfung in
menschlicher Weise entstanden ist und in dem wildesten Crapule leben
und gedeihen kann, ist eine andere Frage. Wie sie schuh-, strumpf- und
handschuhlos noch immer eine fast soignirte Schönheit bleiben kann --
da sie doch keine Fee ist -- darüber die Natur zu fragen, würde wenig
nutzen; denn dieselbe leiht den Erfindungen Victor Hugo's nur flüchtige
Züge. Wir könnten ebenso leicht fragen, wie dieser elende, bucklige
Quasimodo so ungeheure Kräfte besitzen kann. Aber -- Esmeralda ist
voller Anmuth -- und hatte Victor Hugo auch nur sie allein geschildert,
so war er schon dadurch Dichter. Einzelne Scenen mit ihr sind sogar
meisterhaft, z. B., wo Phöbus sie vom Thurme zu den vornehmen Damen
ruft; auch ihr Tod ist schön.

Aber, du lieber Gott, ich bin ja in eine lange Abhandlung gerathen,
die den Briefton ganz verläßt! Jedoch -- derselbe berührt etwas, allen
denkenden und fühlenden Menschen unserer Zeit sehr Wichtiges: Das -- in
höherer Bedeutung -- Sittliche, das in der engsten Bezeichnung zum Guten
und Frommen steht.

Ich erinnere mich noch bei dieser Gelegenheit einer Aeußerung des Königs
Louis Philipp gegen mich, die Ihr nicht ohne Interesse lesen werdet. Er
klagte gleichfalls, indem er von dem Zeitgeiste sprach über _les moeurs
et les théâtres_, und zuckte dabei mit den Achseln. Ich machte die
Bemerkung, daß es gewiß schlimm und gefährlich sei, die Laster und die
Ausschweifungen nur von einer brillanten Seite zu schildern. »Ich werde
Ihnen eine Anekdote erzählen«, sagte der König, »die sich kürzlich hier
ereignet hat. Ein junger Mann hatte eine Tante, die ihn sehr liebte.
In einem schwachen Augenblicke vertraute sie ihm an, daß er in ihrem
Testamente zum Universalerben eingesetzt sei. Kurz darauf stirbt die
alte Tante; man findet, daß sie vergiftet ist, stellt eine Untersuchung
an, und entdeckt, daß der junge Mann seine Wohlthäterin vergiftet
hat. Er wird gefänglich eingezogen, zeigt aber -- als die Thatsache
hinlänglich erwiesen ist -- nicht die geringste Trauer oder irgend
eine Art von Gewissensbissen. In einem süßen menschenfreundlichen Tone
betheuert er, die That vollbracht zu haben, um seiner Tante gefällig zu
sein, weil sie alt und schwächlich, von den Krankheiten ihres Alters
zu leiden hatte, und -- weil sie doch so wie so baldigst hätte sterben
müssen. Er hatte das Gift an einem Lamme versucht, das er gleichfalls
sehr lieb hatte; dasselbe sei, wie später die Tante, ohne Schmerzen
gestorben, und sie sei ihm also, aufrichtig gesprochen, noch obendrein
verpflichtet, weil er ihr einen angenehmen, ruhigen und schmerzlosen
Tod verschafft habe! Wie gefällt Ihnen das?« fragte der alte König,
nachdem er die Geschichte beendet hatte, und blickte mir dabei mit
wahrem Menschengefühl ins Auge.

Ich nenne ihn alt, er ist auch alt; doch, weit entfernt schwach zu sein,
ist er ein kräftiger Mann. Als ich ihm mit einer gewissen Eitelkeit
erzählte, daß ich fünfundsechzig Jahre alt sei, rief er mit fröhlichem
Stolze: »Aber ich bin einundsiebenzig.«

[Sidenote: Spontini.]

Eines Abends war ich in Gesellschaft bei dem reichen Instrumentenmacher
=Erard=, woselbst sich, wie Jemand sehr witzig sagte, dreitausend
Freunde versammelt hatten. Die Einladung zu diesem Balle hatten wir
=Spontini=, dem Schwager Erard's, zu verdanken. Er ist ein Mann von
wahren Verdiensten. »Die Vestalin« ist ein Meisterstück, und »Ferdinand
Cortez« ist ausgezeichnete Musik. Er soll in seinem Vaterlande viel
Gutes geübt haben, weshalb der Papst ihm den Grafentitel verlieh. Er
war in Berlin Musikdirector und wollte -- laut seines Contractes --
nicht dem Theaterchef Graf Redern weichen. Hier verlief er sich durch
die Behauptung, der König selbst vermöge nicht, sein ihm gegebenes Wort
zurückzunehmen, wenn auch derselbe den Willen dazu habe. Spontini's
Feinde verstanden diese Aeußerung in ein _crimen laesae majestatis_ zu
verdrehen. Es wurde eine Commission niedergesetzt, man sprach von neun
Monat Gefängniß in Spandau. Darauf wurde die Sache vom König selbst
niedergeschlagen. Spontini erhielt seinen Abschied und bekam seinen
ganzen, bedeutenden Gehalt als lebenslängliche Pension; jetzt lebt er
auf einem großen Fuße in Paris.

[Sidenote: Madame Constant.]

Ich habe bereits in früheren Briefen meiner treuen Freundin, =Madame
Constant=, der Wittwe Benjamin's, gebornen Comtesse Hardenberg,
Erwähnung gethan. Sie ist eine freundliche, gastfreie, alte Frau, die
noch einen muntern Geist besitzt, aber in einer sonderbaren Weise ganz
ihr Gedächtniß -- vergessen hat! Doch kehrt dasselbe mitunter zurück.
Aber -- sonderbar genug! -- ich wurde empfangen und wie ein alter
Freund in die Familie aufgenommen; jedoch einmal während eines Gesprächs
mit mir hatte sie ganz vergessen, daß wir einander vor achtunddreißig
Jahren gekannt hatten, trotzdem dies gerade der Grund des liebevollen
Empfanges war. Einst frug sie mich -- obwohl, wie es der liebe Gott
weiß, mein Französisch, bei weitem nicht klassisch ist, ob ich auch
Deutsch spräche. Wir hatten schon sehr oft Deutsch mit einander geredet.
Sie ist noch aus der alten, höflichen Schule, sogar dermaßen, daß sie
ihre Katze Mademoiselle und ihren Bedienten Monsieur nennt. »_Merci
Monsieur_« sagt sie oft, wenn ihr derselbe einen Teller reicht. Doch
dies Letztere könnte man vielleicht eher der neueren Gleichheit, als der
alten Höflichkeit zuschreiben. Eine komische Anekdote gab hier in der
Gesellschaft Veranlassung zu vielem Lachen. Die gute, alte Frau läßt
ihren Gästen nicht allein einen guten Rothwein, sondern gewöhnlich auch
ein Glas Champagner einschenken. Nun war ihr der Champagner ausgegangen,
und sie schrieb deshalb an ihren Commissionair. Sie hatte schreiben
wollen: _Faites-moi un envoi, comme le dernier_. Aber, da sie sehr
_distrait_ ist, schrieb sie: »_Faites-moi un enfant, comme le dernier_«.
Dieser naive Wunsch einer Frau ihres Alters konnte nicht anders als das
Zwergfell Derjenigen erschüttern, die den Brief gelesen hatten.

[Sidenote: Gräfin Bourke.]

Gestern (den 17) waren wir zu einem Fest bei der =Gräfin Bourke=. Vor
einiger Zeit hatte ich bei ihr zu Mittag gespeist; doch die gestrige
Einladung galt keiner Mahlzeit wo man ißt, sondern »wo man selbst
gegessen wird«, wie Hamlet sagt -- denn es war eine Einladung ihres
Verwandten und Erben, des jungen Grafen Bourke, sie zur letzten
Ruhestätte zu geleiten. Sie war eine alte einundachtzigjährige Frau. Als
wir in das Trauerhaus traten, verletzte uns der Mangel an Feierlichkeit.
Es waren keine Trauergardinen, keine Trauermäntel zu erblicken und das
Gefolge trat, in seinem gewöhnlichen, täglichen Anzuge auf die Straße,
fast wie zu einem Judenbegräbniß, heran, Einige in blauen, Andere mit
grauen Beinkleidern -- Alle aber mit schwarzen Handschuhen angethan.
Außen am Hause waren einige schwarze Teppiche mit silbernen Fransen
aufgehängt, der Sarg stand im Thorwege, der in eine schwarze Trauerhalle
verwandelt war. In dieser Weise begleiteten wir zu Fuße die selige
Gräfin. Aber die schöne Magdalenenkirche war in der Nähe; =hier= fanden
wir die Feierlichkeiten. Die Kirche war mit schwarzen Teppichen, mit dem
Wappen der Verstorbenen geziert, und inmitten derselben, von unzähligen
Wachskerzen umstellt, wurde der Sarg unter einen prächtigen Katafalk
gestellt, der hoch in das Gewölbe hinaufragte. Schöne, alte Seelenmessen
und Hymnen erklangen aus den kräftigen Baßstimmen der Mönche mit den
Discanten der Knaben; es war dies keine moderne Kirchen-Theater-Musik.
Hätten nur nicht die Pfaffen den Eindruck durch =ihre= Manövers
verdorben. Bald verbeugten sie sich vor unserm lieben Herrgott nach
rechts, nach links, bald schritten sie dorthin, bald dahin; dann mußten
die Knaben mit Kerzen die Stufen bald hinab, bald hinan steigen. Mir
kam es vor, als suchten sie den Herrgott und -- als sei er nicht zu
Hause und sie müßten warten, bis er käme. Endlich trug man den Sarg
aus der Kirche auf den Leichenwagen, nachdem erst das ganze Gefolge
ihn mit einem Weihwedel besprengt hatte. Es ist dies ein schönes Bild
der persönlichen Theilnahme. Diese schuldet jeder Mensch dem andern an
der hohen Pforte der Ewigkeit, und als solche bedienten William und
ich, obgleich Protestanten, uns gleichfalls des Weihwassers. Des echten
Weihwassers erblickte ich in der ganzen großen Versammlung nur zwei
Tropfen, in den Augen des jungen Bourke, als der Sarg hinausgetragen
wurde. Die Verewigte war ihm eine gute Tante gewesen: Grafentitel,
Reichthum -- Alles hatte er ihr zu verdanken.

[Sidenote: Brüssel.]

                                         Kopenhagen, den 20. Mai 1845.

-- -- In einem meiner frühern Briefe habe ich erzählt, daß König Louis
Philipp mich, als ich einmal bei ihm zur Tafel war, bei der Hand faßte
und zu einem Manne führte, der sehr freundlich mit mir sprach, meine
Schriften in der deutschen Ausgabe gelesen hatte, und mich bat, ihn
zu besuchen. Ich kannte ihn nicht, aber später fand ich heraus, daß
es der König von Belgien sein müsse. Die Reise ging also jetzt wieder
über Brüssel. Ich war etwas unruhig über diese Einladung, weil ich es
immer hinausgeschoben hatte, mich näher zu erkundigen, und jetzt, da
es zum Treffen kam, nicht genau wußte, ob es auch wirklich der König
sei, der mich eingeladen hatte. Ich studirte vorher Kupferstiche und
Büsten -- mitunter fand ich Aehnlichkeit mit dem hohen, großen Manne,
der mich eingeladen hatte, mitunter nicht. =Coopmans=, unser _Chargé
d'affaires_, kratzte sich auch hinterm Ohre, und sagte: es sei so
nicht die Gewohnheit des Königs. Ich antwortete: dann erzeigen Sie mir
die Güte, den König zu fragen, ob er es erlaubt, daß ich ihm meine
Aufwartung mache, indem ich durch das Land reise. Dies fand =Coopmans=
in der Ordnung; ich wurde zur Audienz angesagt. Es war ganz richtig. Der
König sprach lange und freundlich mit mir. Einige Tage darauf wurde ich
zur Tafel geladen, wo ich die Königin, die Tochter Louis Philipp's, sah
-- eine sehr gutmüthige, freundliche Dame -- und am Tage darauf reiste
ich ab[2].

  [2] Kurz nach der Rückkehr von dieser Reise wurde Oehlenschläger zum
      Offizier des Leopold-Ordens ernannt.

[Sidenote: Hamburg.]

Jetzt bekam ich gleichfalls Lust, wenigstens ein Stück von Holland zu
sehen, umsomehr, weil es weder mehr Mühe noch mehr Geld erforderte.
Wir reisten über die alte Stadt Antwerpen nach Amsterdam, einer
interessanten Stadt, die fast aus lauter Kanalstraßen und Alleen
besteht. Ich war auch hier genöthigt, einige Tage zu bleiben, um das
Dampfschiff, das nach Hamburg ging, zu erwarten. Die holländische
Sprache gefiel mir; sie klang mir wie Englisch, ohne französische
Beimischung. Endlich kam das Dampfschiff an, wir gingen an Bord
und erreichten bald und glücklich Hamburg, das ich gar nicht
wiedererkannte; wir stiegen in Streit's Hotel am Jungfernstieg ab. Ich
besuchte den Theater-Director =Cornet=, der uns gleich Freibillets gab,
aber bedauerte, daß wir uns diesen Abend mit seiner kleinen Loge auf der
Bühne selbst begnügen müßten. Sämmtliche Billets des ungeheuern Theaters
waren schon vergriffen, Jenny Lind sang die Norma. Dort saß ich nun
und sah die liebliche nordische Jungfrau nach allen den französischen
Talenten -- aber sie hat auch Talent und ein gutes Spiel unterstützt
ihre ausgezeichnete Stimme. Es schien mir, als sei =Freia= von Walhalla
herabgestiegen, um einmal die südlichen Musen zu vertreiben. Als der
erste Act aus war, hätte das ganze hamburgische Publikum mich beinahe an
ihrer Hand zu sehen bekommen, denn ich lief auf sie zu, und ergriff ihre
Hand in demselben Augenblick, als der Regisseur: »von der Bühne« rief,
denn sie sollte nach deutscher Sitte hervorgerufen werden. Sie wußte
gar nicht, was es für ein Mann sei, der sie so vertraulich anredete und
ihr in nordischer Sprache dankte; als sie mich aber erkannte, freute
sie sich, und gedachte des Abends, den sie vor einigen Jahren bei mir
verbracht hatte.

Die Schauspieler wollten durchaus Correggio vor mir spielen, und somit
geboten mir Höflichkeit und Dankbarkeit, einige Tage länger als bestimmt
war zu verweilen. =Baison= spielte die Titelrolle gut aber ein wenig
zu sentimental. Bei dem Conferenzrath =Donner= auf Neumühl war ich zu
Mittag eingeladen; er hat dort eine herrliche Villa an der Elbe mit
Arbeiten von Thorwaldsen und Nissen geschmückt. Etatsrath =Nagel=, der
in frühern Tagen Amanuensis bei =Brandis= war, gab uns ein prächtiges
Frühstück und fuhr uns nach Blankenese. Weil ich von Brandis rede, muß
ich eine Anekdote erzählen. Als er in den letzten Athemzügen lag, sagte
er: »Der dumme Apotheker N. N. sagte immer die meisten Menschen stürben
gegen Mitternacht; und nun kriegt der verfluchte Kerl auch Recht, was
mich betrifft, denn ich werde auch ungefähr zwischen 11 und 12 sterben.«

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Skandinavisches Studentenfest.]

[Sidenote: Ein sonderbarer Traum.]

                                        Fasanenhof, den 5. Juli. 1845.

      Meine liebe Maria!

-- -- Bei der großen Zusammenkunft der Studenten der drei nordischen
Reiche, hatte mir das Comité vier Gäste, drei Schweden und einen
Norweger, zugetheilt. Sie wohnten in der Stadt in meinen Zimmern; des
Mittags kamen sie zu mir heraus und aßen mit mir zusammen, an den
Tagen nämlich, an welchen keine öffentlichen Feste veranstaltet waren.
Die Norweger und Schweden sind sehr beliebt, nicht allein bei den
Studenten, sondern bei allen Einwohnern Kopenhagens. Eine so ungeheure
Menschenmasse, wie die, welche sie vom Hafen aus nach der Universität
begleitete, ist vielleicht noch nie in Kopenhagen gesehen worden. Viele
Damen warfen Blumen auf die lieben norwegischen und schwedischen Gäste
von den Fenstern herab. Ich bin überzeugt, daß die jungen Männer, von
Achtung und Liebe für die Dänen erfüllt in ihre Heimath zurückgekehrt
sind. Sie kamen auch im Zuge zu mir. Ich begrüßte sie in der großen
Allee vor dem Fasanenhofe. Sie führten zwei Musikchöre mit sich, eins
aus Upsala, eins aus Lund. Ein Docent =Petterson= aus Upsala hielt
eine hübsche Rede an mich, und die Studenten sangen ein schönes Lied.
Ich bezeigte ihnen meinen Dank, meine Freude darüber, daß der Funke
nordischer Bruderliebe, den ich vielleicht durch meine Gedichte zu
entzünden beigetragen, jetzt als eine Flamme in jeder nordischen Brust
glühe. Ich sprach meine Freude darüber aus, daß mir so viele Ehre von
einer so großen Versammlung in demselben Garten erzeigt werde, wo ich
als Kind so lange Zeit einsam in meinen Träumereien umhergegangen
sei. Ich bat sie, sie möchten, wenn sie einst wieder mit ihren Söhnen
hierherkämen, und der Dichter-Greis nicht mehr sei, denselben sagen:
»Hier schlug ein ehrliches, treues Herz für den brüderlichen Norden;
in diesem sommerlichen Schatten besuchte ihn Ydun und lehrte ihn
die Lieder, die noch leben, und durch welche er uns noch frisch und
jugendkräftig grüßt.« -- --

Was soll ich Dir jetzt noch erzählen, was Du nicht bereits schon
weißt? Ich wüßte nichts. Doch ja -- ich habe diese Nacht einen
wirklich kuriosen Traum gehabt, den will ich Dir, und zwar ohne alle
dichterische Ausschmückung erzählen: »Es träumte mir, ich hatte ein
schönes Miniaturbild für ein Taschenbuch gemalt. Alle Menschen sagten,
wenn ich das herausgäbe, würde das Buch ganz vorzüglich gehen. Aber
dann begegnete mir Winckler (ich war ihm gestern im wachen Zustande im
Südfelde begegnet), er bat mich um das Bild -- ich gab es ihm, und mußte
später viel von meinen Freunden leiden, weil ich mich von einem solchen
Schatze getrennt hatte. Aber dann setzte ich mich wieder ruhig hin und
=malte= eine Daguerreotype so künstlich, daß, wenn man sie von einer
Seite sah, war sie Maria mit dem Christuskinde, von der andern Seite
stellte sie Christus am Kreuze dar. Dies fand man, sei noch besser,
und versicherte mir, daß, wenn ich damit nach Paris ginge, würde ich
mein Glück machen und großes Vermögen erwerben. Dies wollte ich denn
auch; als ich aber erfuhr, daß =Raphael= zufällig in Kopenhagen sei,
wollte ich ihm das Bild erst zeigen. Ich besuchte ihn und wunderte
mich darüber, daß er einem vornehmen Manne hier ganz ähnlich sah. So
sieht Raphael aus? dachte ich. Mit diesen Augen, diesem Blick hat er
soviel Schönes und Herrliches gesehen und durchschaut! Ich zeigte
Raphael meine Daguerreotype. Er wurde ganz roth im Gesicht und sagte:
»»Etwas so Schönes habe ich noch nie hervorgebracht. Hätte ich es doch
gemacht! Wenn das doch =meine= Arbeit wäre! Wollen Sie sie mir nicht
schenken, ich könnte es dann für =meine= Arbeit ausgeben.«« -- Ich war
so geschmeichelt und so entzückt, als Raphael den Wunsch äußerte, mein
Bild geschaffen zu haben, daß ich rief: »Ja herzlich gern«! und ihm das
Bild gab, indem ich doch zugleich über seine moderne Frisur sann, und
darüber, daß er ein so kurzes Hinterhaar hatte. Nun hatte ich auch
diese Arbeit verschenkt, und mich selbst einer großen Einnahme beraubt,
aber es war an Raphael. Ich trat später auf den Marktplatz hinaus, wo
ich Raphael's Frau sah, auf einem Fleischerwagen sitzend, mit einer
alten Kapuze auf dem Kopf; man sah deutlich, daß sie in ihrer Jugend
schön gewesen, sie glich Frau S. Sie hielt das Bild in der Hand und
fuhr damit auf dem vollgeladenen Fleischerwagen nach Paris; die großen
Fleischstücke im Wagen zeigten sich noch meinem wehmüthig nachblickenden
Auge, nachdem das Bild verschwunden war.«

War das nicht ein kurioser Traum? Ich glaube die Veranlassung desselben
ist das Gefühl, das mich in dieser Zeit beherrscht, wo ich vier
Theaterstücke drucken lasse, ohne sie auf die Bühne bringen zu können.

Heute Morgen, ehe ich noch frühstückte, ging ich in den Garten, und
schnitt Georginen und grüne Rosenblätter für Deine zwei Portraits. Das
Bild von Gärtner hängt hier in meinem Arbeitszimmer, das andere in dem
großen Gartenzimmer, Vaters Büste, welche auf dem Ofen steht, gegenüber.
Ich steckte die Blumen über die Rahmen der lieben Bilder. Doch das muß
ich Dir sagen, dieser Gruß galt nicht allein Deinem Geburtstage, er ist
Dir den ganzen Sommer hindurch gebracht worden. Die Georginen halten
sich länger frisch als die Rosen; sie tragen den Namen Deiner seligen
Mutter, und wenn ich die Bilder mit ihnen schmücke, däucht es mir, als
sei sie, ein seliger Engel, dabei und spräche den Segen des Himmels über
ihr Kind. Ich sage dann oft wie Walborg: »Ich grüß' Dich, meine Liebe!
Guten Morgen«!

Aber höre jetzt -- ich sitze nicht allein hier -- eine große schöne
Person, mit Blumen angethan, steht im Winkel am Schreibtische, dort wo
mein alter Lehnstuhl stand. Diese Person ist -- ein neuer Lehnstuhl, der
gerade ganz akurat vorgestern hier eintraf, so pünktlich, daß er (oder
sie) an diesem Tage in meiner kleinen Stube paradiren und Deine eigene
Person vorstellen konnte. Das ist fast mehr Sinn und Herz, als man
von einem Lehnstuhl zu erwarten berechtigt ist. Aber beste Maria! was
hast Du auch nicht auf seine Erziehung gewendet! Ein wenig streng bist
Du gewesen, denn für jede schöne Blume, die er mir bringt, hast Du ihm
unzählige Nadelstiche versetzt. Doch -- diese Nadelstiche schmerzten ihn
nicht, und mir thaten sie wohl; es sind keine Herzstiche, das versichere
ich Dir. Das einzige Schlimme an diesem Lehnstuhle ist, daß ich es nicht
über mein Herz gewinnen kann, darin zu sitzen; vom Anlehnen will ich
nun gar nicht reden. William hat mir vorgeschlagen, den Stuhl mit einem
Netze zu überziehen; darin hat er Recht. In einem Netze will ich Deine
Liebe fangen, damit sie nicht davonflattere.

[Sidenote: Literarische Wirksamkeit.]

-- -- Ich habe in der letzten Zelt einige Romanzen geschrieben:
»Tannhäuser im Venusberge«, »Götz von Berlichingen und der Schmied«,
»Die zwei Räuber.« -- Ich denke zum Winter eine kleine Sammlung Poesien
drucken zu lassen. Meine Schauspiele sind jetzt unter der Presse. »Das
Gespenst auf Herlufsholm« ist schon beendet und »Garrick« wird es bald.
Dem Theater etwas einsenden, thue ich kaum wieder. Ich habe es satt,
mich dem Mäkeln und Kritteln zu unterziehen. »Sucht euch einen andern
Knecht«! sagt Göthe im Vorspiel zu Faust. Ich habe jetzt diese Karten
der weltlichen Eitelkeit so lange gespielt, habe so oft die Vorhand
und Zwischenhand gehabt, und bin mit guten Karten in der Hand beet
geworden; kann ich nicht in der Hinterhand sein -- und meiner Sache
gewiß -- so =passe= ich. Die Welt will immer etwas Neues, und daß
Adam Oehlenschläger Schauspiele und Verse schreiben kann, ist ja was
Altes und Abgedroschenes. Indessen besucht mich meine Muse doch noch
immer, hat mich ganz lieb, und findet mich auch nicht zu alt für ein
Liebesabenteuer mit ihr.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Dina in Wien.]

                                    Kopenhagen, den 13. December 1845.

Ueber »Dina's« Schicksal in Wien hat =Castelli= mir die Hiobspost
gesandt, daß die Schauspieler gegen sie kabalisirten; aber vor einigen
Tagen erhielt ich eine ganz entgegengesetzte Nachricht vom Director
=Holbein= selbst. »Von einer Kabale -- schreibt er -- ist nicht nur
keine Spur vorhanden, sondern vielmehr das Gegentheil. Mit Sorgfalt und
Theilnahme für Gedicht und Dichter wird die Aufführung vorbereitet,
und bald wird nichts dem schönen Kinde in den Weg treten.« Da aber der
religiöse Schluß, die Scene mit dem Mönch, in dem katholischen Wien
nicht geduldet werden kann, so bat =Holbein= mich, eine »Schlußrede«
für Dina, ehe sie zum Tode geht, zu schreiben. Eine solche habe ich
gedichtet und schreibe sie hier ab:

              Die Stunde ruft, die Glocke schlägt.
              Die flücht'gen Gaukelbilder schwinden;
              Das arme Herz ist tief bewegt --
              Zum letztenmal -- bald wird es Ruhe finden.

              Und hab' ich auch viel Sorg' und Spott --
              Nicht ohne eigne Schuld -- erlitten --
              Doch dank' ich für mein kurzes Leben Gott;
              Der harte Kampf ist ausgestritten.

              Was klag ich, daß die Freude wich,
              Daß eitle Hoffnung schnell verschwunden?
              Weit schöner ist die Ros' als ich,
              Und lebt nur ein'ge Morgenstunden.

              Der Greis -- oft ohne Lebensglück --
              Ermattet sank, nach wiederholten Streben.
              Gesund und jung geb' ich Natur zurück,
              Die schöne Blüthe, die sie mir gegeben.

              Und dieses warme, volle Herz, --
              Im Tode wird es Glück erwerben --
              Es schwingt sich freudig himmelwärts --
              Ich weiß es, meine Seele kann nicht sterben.

                    *       *       *       *       *

                                                  Den 4. Februar 1846.

Dina ist nun aufgeführt, aber das Stück machte kein Glück. Ich verstehe
es nicht, den guten Leuten einen echten Wienertrank zu brauen. -- Ein
wiener Recensent, Namens Andreas Schuhmacher, hat es seinen Landsleuten
ganz gut gesagt. Er schreibt:

»Von den zahlreichen Meisterwerken Oehlenschläger's war es der einzige
»Correggio« den Wien von der Bühne herab genießbar fand, und in
diesem Werke selbst war es das Künstlerleben, die bühnliche Einheit
und Faßlichkeit, und die entschiedene Hinneigung zum sentimentalen
Raisonnement, was es allgemeiner zugänglich machte, als die übrigen
Dramen Oehlenschläger's sammt und sonders. Auf diesem Boden war Kotzebue
den größten Dichtern überlegen, die sich ja glücklich preisen durften,
wenn sie mit dieser prosaischesten aller Seelen den Theaterlorbeer
theilen konnten. Soviel nur, um darzuthun, daß die eben vom Publikum
ziemlich einstimmig abgelehnte Dina nicht schlechter zu sein braucht,
als andere von ganz Deutschland bewunderte, von ganz Dänemark gefeierte
Dichtungen dieses Meisters. »Hakon Jarl«, »Hagbarth und Signe«, »Axel
und Walborg« würden das gleiche Schicksal mit der Dina theilen, wenn es
Jemandem einfiele, sie mit =unsern= Schauspielern vor =unserm= Publikum
zu geben. Mag die Dina zergliedern, wer will; ein Dichter schrieb sie,
das beweist jedes Blatt! u. s. w.«

Meine kleine Tragödie »Das Land gefunden und verschwunden« hat mir
die Theater-Direction selbst aufzuführen angeboten. Es ist kein
Knall-Effectstück; für das Historische und Nationale hat man -- aller
skandinavischen Vereine ungeachtet -- nicht viel Sinn. Ich erwarte keine
große Wirkung, aber das Stück wird gelesen und mit Achtung selbst von
den Stimmgebenden besprochen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Amleth.]

                                                   Den 19. April 1846.

Jetzt bin ich schon lange wieder flott. Ihr wißt, ich war diesen Winter
eine Zeitlang auf dem Podagra-Riff auf den Grund gerathen. Es wäre nun
sehr langweilig gewesen, wenn ich nicht ein Amüsement gefunden, daß auch
Andere, wie ich wünsche, amüsiren wird. Ich habe noch einmal ein Herz
gefaßt und eine heroisch-nordische Tragödie in 5 Akten geschrieben,
um eine leere Stelle an der Wand meiner dramatisch-historischen
Bildergalerie auszufüllen. Werde nicht bange, wenn Du das Blatt wendest
und liesest: »Amleth.« Es ist bei weitem nicht meine Absicht gewesen,
mit dem unsterblichen Shakespeare zu wetteifern; unsere Trauerspiele
unterscheiden sich nicht nur darin, daß er (wie =von= Tyboe sein von)
sein H voran, und ich (wie Stygot=ius=) das meinige hinterher setze --
sondern die Stücke sind in Composition und Characteren =ganz und gar=
verschieden, welches Ihr erfahren werdet, wenn Ihr nach Frederiksberg
kommt und ich es Euch vorlese. Ich habe bereits die Freude, daß mehrere
competente Richter meinen Amleth gutgeheißen haben.

                                                    Den 30. Aug. 1846.

Hier sitze ich nun wieder zu Hause auf Frederiksberg mit allen meinen
lieben Erinnerungen und sage, wie die verwittwete Königin einst zu mir
sagte: »Ich lebe in den Erinnerungen.« Habe Dank, meine geliebte Maria,
für all Deine Liebe! Noch gehe ich nur kleine Touren, die ersten längern
werden den Bäumen im Garten und im Südfelde gelten, wo ich Deinen
geliebten Namen finde. Küsse die süßen Knaben, meinen Harald, meinen
Adam und meinen kleinen Wollert vom Großvater, und sage ihnen: ich käme
bald! Ach Gott, die längste Zeit wird bald verstrichen sein.

Comique (wie Harald richtig sagt), oder Commäk (wie Adam sich freier
ausspricht), liegt mir zu Füßen. »_Parole d'honneur_, ick hob'
keen andern«! sagt der Jude in Heiberg's »König Salomon« von seinem
Schlafrock. Ein kleiner rother junger Hund, den mir v. d. =Maase=
geschenkt hat, geht im Hofe umher und heult. Er soll Robin (Roy) heißen.
Die Dienstboten nennen ihn Ruben und glauben, er sei nach einem Juden
getauft. Leb wohl! Man scherzt oft mit einem schweren Herzen!

                                            Erster Weihnachtstag 1846.

Um zuerst von einem nur geistigen Kinde zu reden -- so wirst Du gelesen
haben, daß Amleth Glück gemacht hat. Das Stück wurde an meinem 67.
Geburtstag aufgeführt, und wenn auch an diesem Tage eine gewisse Pietät
für den Vater auf das Kind überging, so erntete doch das Stück vielen
Beifall und hat jedesmal ein volles Haus gegeben.

Am ersten Abend nach Aufführung des Stücks, als ich nach Hause gekommen
war, brachte mir ein Lakai folgenden Brief vom Könige, der im Theater
gewesen war.

»Herr Etatsrath Oehlenschläger! Sie haben mir durch Ihren Amleth einen
großen Genuß bereitet. Ihr immer junger Dichter-Geist hat sich kräftig
entfaltet und uns Alle begeistert; die Schönheit und Sinnigkeit des
Gedichts haben uns zur Bewunderung hingerissen. Ich sehne mich nicht
allein in meinem Namen, sondern auch im Auftrage der Königin Ihnen
mündlich auszusprechen, was die dänische Dichtkunst Ihnen, dieses großen
Vorbildes halber, schuldig ist, und wie sehr ich Sie, mein lieber
Oehlenschläger, den Dichter, hochachte, der ich Ihnen heute viele frohe
Lebensjahre wünsche.

      Kopenhagen, 14. Nov. 1846.

                                                  Ihr wohlwollender
                                                     =Christian= R.«

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Vorlesungen.]

                                                 Den 15. Februar 1847.

In diesem Jahre halte ich vor einem großen Auditorium Vorlesungen über
meine eigenen Tragödien. Den ersten Abend entdeckte ich dort etwas,
was ich in den 37 Jahren, wo ich an der Universität gelesen habe, noch
nie wahrgenommen: nämlich eine Dame! Später kam noch eine. Am nächsten
Abend waren deren fünf zugegen, dann zwölf, vierzehn. Ich erhielt nun
einen sehr hübschen anonymen Brief, worin man mir sagte, daß mehre Damen
mich zu hören wünschten, aber daß sie, obgleich man ihnen allerdings
gesagt, daß meine Vorlesungen von Damen besucht würden, doch nicht recht
wüßten, ob sie erscheinen dürften. Ich wußte nicht, was ich antworten
sollte, denn hätte ich öffentlich gesagt: Kommen Sie nur! so wäre eine
große Menge herbeigeströmt, zum Theil aus Neugierde. Ich schwieg also
und dachte: Wenn sie wissen, daß bereits Damen da sind, so können sie
ja ohne weitere Einladung kommen. Indessen wählte ich mir doch einen
größeren Hörsaal, und hier stehe ich nun und lese vor einer bunten Reihe
von Damen und Herren, die den Saal füllen.

                    *       *       *       *       *

                                                   Den 18. April 1847.

Meine Vorlesungen habe ich für diesen Winter geschlossen. Den letzten
Tag fand ich in meinem Zimmer einen schönen Blumenkranz und ein schönes
Gedicht von einer meiner (anonymen) Zuhörerinnen; ich nehme an von einer
der anmuthigsten. Ich kenne keine von Ihnen, denn auf dem Katheder
brauche ich keine Brille, und ohne solche vermag ich nicht weit zu sehen.

In dieser Zeit habe ich Amleth ins Deutsche übersetzt, was keine
leichte Arbeit war, wenn man die Trimeter dem Genius der fremden
Sprache entsprechend, mit Klang und Kraft wiedergeben wollte. Dahl in
Christiania verlegt meine neuen deutschen dramatischen Gedichte, nämlich
»Dina«, »Garrick in Frankreich«, »Das Land gefunden und verschwunden«
und »Amleth.«

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Kiartan und Gudrun.]

                                      Frederiksberg, den 3. Juli 1847.

-- -- Weil wir von Tragödien reden, so darf ich nicht zu erzählen
vergessen, daß meine neue Tragödie »Kiartan und Gudrun« fix und fertig
ist, und den Beifall der Kenner und Freunde gefunden hat. Es ist eine
Liebes-Tragödie, aber von den frühern dieser Art darin verschieden, daß
das Unglück nicht von Außen, sondern von Innen kommt.

Frau Heiberg wird eine vorzügliche Gudrun, einen heroischen, koketten,
dämonischen Character spielen.

Das Sujet ist sehr frei behandelt, ganz nach eigener Erfindung. Es ist
in Trimetern wie »Amleth« und »Das Land gefunden und verschwunden«
geschrieben, und es spielt sowohl auf Island wie in Norwegen.

Bei Bing lasse ich von einigen alten Uebersetzungen: »Reinecke Fuchs«,
»Götz von Berlichingen« und Shakespeare's »Sommernachtstraum« neue
Auflagen besorgen. Reinecke Fuchs wird ganz umgearbeitet werden,
denn es sind 40 Jahre her, daß ich ihn zuletzt Dänisch schrieb. Den
»Sommernachtstraum« dagegen vermag ich nicht zu verbessern.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Reise in Schweden.]

                                         Stockholm, den 13. Juli 1847.

Den Tag nach unserer Ankunft hier besuchten wir das Museum. Der alte
Herr v. =Röck=, dessen Bekanntschaft ich vor 30 Jahren bei Frau v.
=Arnstein= in Wien gemacht hatte, führte uns umher. Man gewinnt ihn
lieb; er hat Sinn und Geschmack und große Liebe für das, was er
vorzeigt; er ist auch nicht ohne einen gewissen naiven Humor. Die
herrlichen Arbeiten von =Sergel= imponirten mir. Er war doch auch
ein echter Bildhauer, größer als =Wiedewelt= und ging =Canova= und
=Thorwaldsen= voraus. =Fogelberg's= kolossale nordischen Götterbilder
haben zwar etwas Plumpes an sich, aber das Genie spricht aus ihnen.

Gestern (Sonntag) waren wir des Vormittags in der Ridder-Holms-Kirche,
wo ich mit Ehrfurcht vor Gustav Adolph's Granit-Sarkophag stand und mit
bewundernder Erinnerung und Neugierde das Loch im Hute Karl's XII. sah,
und seine großen Stiefeln und die großen Schlüssel eroberter Festungen
betrachtete.

Mittags waren wir zur Tafel bei Sr. Majestät. Nach der Mahlzeit
überreichte ich ihm meine zwei neuen Tragödien nebst einem Gedichte,
welches ich am Vormittage geschrieben hatte. Er dankte mir herzlich,
drückte wiederholt meine Hand und er, sowie die Königin und die Prinzen,
die höchst liebenswürdig sind, unterhielten sich eine Stunde lang mit
mir.

Montag besuchten wir am Vormittage die Antiquitätensammlung, und
am Mittage fuhren wir mit =Beskow=, der uns abholte, nach dem
Thiergarten, wo Staatsminister =Due= uns eingeladen hatte. Unter anderm
wurde Falerner Wein servirt, und hier nahm =Due= eine hübsche und
schmeichelnde Veranlassung, mir ein Hoch im Weine des Horaz zu bringen.
Den ganzen Nachmittag unterhielt ich mich mit Due, der ein charmanter
Mann ohne allen Dünkel ist; er erzählte von der Reise, die er kürzlich
mit seiner Frau und Tochter nach Afrika, nach Algier gemacht, wo sie
sich köstlich amüsirt hatten.

                    *       *       *       *       *

                                         Stockholm, den 26. Juli 1847.

Ich habe wenig Zeit, Dir zu schreiben, will aber doch in der größten
Eile Dir das Wichtigste, was sich mit uns ereignet hat, erzählen.
Beim Könige war ich noch einmal zum Abschied. Er war sehr gnädig,
führte mich in seinen Zimmern umher, zeigte mir seine Gemälde, sein
Schlafzimmer u. s. w. Sonntag gingen wir auf dem Dampfschiffe mit
=Beskow= nach Gripsholm. Montag mit dem Dampfschiff nach Upsala. Ein
Gutsbesitzer Troil hatte die dänische Flagge aufgezogen und salutirte
(auf der Rückreise kam er selbst an Bord und begrüßte mich). Ueber das
mir zu Ehren veranstaltete Fest in Upsala kannst Du in den Zeitungen
lesen. Am nächsten Tage reisten wir von Upsala nach Danemora, wo Baron
=Tamm= uns empfing, und uns die Gruben zeigte. Ein Bergmann, der aus
der Grube heraufgewunden wurde, kam mit der Axt auf der Schulter und
überreichte mir ein Gedicht, und während ich dasselbe las, feuerte man
zwanzig Kanonenschüsse unten in der Grube ab; es dröhnte als wollte die
Erde auseinanderspringen. Auf der Reise von Danemora waren wir auf Odins
Hügel bei dem alten Upsala, traten auch in denselben, sahen eine Urne
mit Asche und leerten einen Becher mit Meth.

                    *       *       *       *       *

                                     Frederiksberg, den 16. Aug. 1847.

Die guten Schweden erwiesen mir, ebenso wie die guten Norweger, viele
Ehre und Liebe bei meinem Aufenthalt in Schweden.

In den drei Wochen, die wir in Stockholm verbrachten, waren wir fast
jeden Tag zu einem festlichen Diner. In der ersten großen Gesellschaft,
die mir zu Ehren im Thiergarten veranstaltet wurde, saß ich zwischen
dem alten =Björnstjerna= und dem Oberstatthalter Baron =Sprengtporten=.
Als ein vortreffliches Lied von =Beskow= gesungen war, zeigte der alte
Björnstjerna mit dem Finger auf eine der für mich ehrenvollsten Stellen
und tippte eifrig darauf, und die Thränen standen ihm in den Augen,
während er mich mit einem liebevollen Blick anlächelte. Ich erzähle
dies, um der Herzlichkeit und Liebe Erwähnung zu thun, die stets mit
der Ehre, die man mir erzeigte, verknüpft waren, und die mir theurer als
diese Ehre selbst sind.

Es würde Dir viel Spaß gemacht haben, wenn Du bei dem Feste des
Kunstvereins im botanischen Garten zugegen gewesen wärest; dort kamen
die stockholmer Damen _en masse_ mit Blumen, die sie mir zuwarfen,
während ich wohl sechs-, siebenmal die Runde unter ihnen machen mußte;
es war ein wirkliches Gewimmel, sie füllten den ganzen Garten. -- --

Glaube nicht, meine liebe Maria, daß ich ein so eitler Mensch bin,
dies höher anzuschlagen, als sich gebührt. Die große Menge läßt sich
zu gewissen Zeiten von Denjenigen animiren, die das Wort führen und
den Ton angeben. Ich erinnere mich sehr gut aus der Zeit, wo man mich
verfolgte, wie eine große Menge junger Herren mich geringschätzte,
ja fast verachtete, als sei ich schon verblüht; sie waren dazu von
meinen Feinden und Neidern verleitet, welche kurze Zelt die Macht
erhalten hatten, oder wenigstens das Wort führten. Dergleichen muß man
für das nehmen, was es eben ist. Aber ein Gefühl, das nicht ganz ohne
Realität war, glaube ich allerdings, theilten Alle. Alle glaubten,
ich sei einer der ersten gewesen, der zu dem guten Verständniß
zwischen beiden Nachbarländern beigetragen. Alle sagten sie mir das.
Als wir zur Tafel beim Könige waren, und ich ihm nach der Mahlzeit
das Gedicht überreichte, wovon ich bereits erzählt habe, machte es
einen ersichtlichen Eindruck auf die ganze Königsfamilie, und die
Königin sagte mit Thränen in den Augen zu William: »Ihrem Vater und
=Tegnér= haben wir vor Allen für das gute Einverständniß zu danken.«
Als William meine Tuchnadel, die ein wenig entzwei gegangen war, zu
einem Goldarbeiter trug, betheuerte ihm derselbe gerührt, daß er keinen
Pfennig dafür nehme. Als ich der Tochter unserer Wirthin die Miethe
zahlte, wollte sie mir durchaus weinend die Hand für all die Freude
küssen, die ihr meine Gedichte bereitet hatten.

Im Thiergarten speisten wir einmal in =Byström's= Villa. Ein schönes
Haus hat er sich dort ganz im italienischen Style erbaut und mit einem
großen Theil seiner Arbeiten in der Hoffnung geschmückt, daß König Karl
Johann, der ihn sehr ehrte und königlich bezahlte, es kaufen sollte.
Unglücklicherweise starb der König 14 Tage zu früh, sonst wäre es
geschehen. Aber Byström ist so reich, daß es ihn doch nicht ruinirt.

Meine Reise von Stockholm und Upsala nach Danemora will ich Dir nicht
nochmals erzählen -- wie Holberg's »Geert Westphaler« die seinige
von Hadersleben nach Kiel -- die Zeitungen haben auch schon darüber
berichtet. Nur das muß ich noch hinzufügen, daß das Dampfschiff,
welches uns trug, mit Kanonen salutirte und daß von mehreren der Orte,
an denen wir vorübersegelten, gleichfalls mit Kanonen salutirt und
mit weißen, wehenden Tüchern gegrüßt wurde. In Upsala selbst hatten
wir -- wie billig -- auch einen Besuch von =Aukathor=. Er schlug dem
Verfasser von »Thors Drapa« zu Ehren einige Fenster mit großem Hagel
bei Böttiger ein, wo ich zu Mittag aß. Später, beim Feste, beleuchtete
er durch seine Blitze die Gesichter der Redner und schlug die Pauken,
daß es eine Lust war. Daß er ebenfalls in seinem freundlichen Eifer
einige hundert Scheiben des Orangeriehauses zerschlug, muß man ihm
zu Gute halten, es war Alles im gerechten Eifer, seinen Dichter zu
ehren. Im Upsal-Hügel traf ich ihn nicht an, ich leerte aber zu Ehren
seines Gedächtnisses einen Becher Meth. Auf der Rückreise besuchten wir
=Skogkloster=, ein schönes, altes Schloß, bewohnt vom Grafen =Brahe=,
einem Bruder des Brahe, der König Karl Johann's Augapfel war und aus
Trauer um Diesen starb. Auch hier wurde bei unserer Ankunft mit Kanonen
salutirt, die Gräfin und ihre Kinder standen am Ufer und bewillkommten
uns. Der Graf war nicht zu Hause, kam aber gegen Mittag an; es war
sein Geburtstag. Wir besahen das Schloß, das eine Menge historischer
Merkwürdigkeiten besitzt; besonders hat =Gustav Wrangel= es mit vielem
Raub aus dem dreißigjährigen Kriege bereichert. Doch hat er einen
frommen Sinn und Gottesfurcht mit seinem Raube verknüpft, denn die
Kanzel und die Altartafel in der Kirche hat er den Deutschen abgenommen.
Aber Napoleon's Generale waren nicht besser und lebten doch in einer
humaneren Zeit.

»Man kann des Guten auch zu viel genießen,« und die Wahrheit dieses
Spruches fühlte ich, als ich ungefähr einen ganzen Monat so viel
Ehre und Wohlleben genossen hatte. Deshalb nahmen wir auch Abschied.
Einen alten Bekannten besuchten wir: Herr v. =Brinckmann=, der früher
schwedischer Minister in Berlin gewesen ist. Er lebt jetzt wie ein
Student, inmitten seiner großen Büchersammlung, die er schon der
Universität Upsala vermacht hat. Wir (Beskow, dessen Frau, William
und ich) hatten versprochen, zum Thee zu kommen. Der Theetopf und die
Tassen, einige Teller mit Früchten und Kuchen standen schon da, als wir
ankamen, auf einem Tische ohne Tischtuch. Er selbst war in einen alten
Rock gekleidet, aber die schönen Augen waren voll Feuer, und er redete
mich als einen alten Freund auf Deutsch an (vor 40 Jahren hatten wir
einander in Berlin gesehen). Er fragte uns lustig: »Ists nicht dumm, daß
man bald sterben soll, weil man 83 Jahre alt ist?«

                    *       *       *       *       *

                                               Kopenhagen, Sept. 1847.

Madame =Schröder-Devrient= ist jetzt hier und macht uns durch die
Ueberreste einer ausgezeichneten Größe staunen. Ich besitze doch sonst
ein wenig Phantasie, aber es kostet mir viel, mir das Alte jung, das
Abgeblühte schön, das Sündhafte unschuldig, ein Frauenzimmer als Mann
und Deutsch als Dänisch vorzustellen (unsere Sänger sangen nämlich
dänisch, die Schröder-Devrient deutsch). Doch in der Norma erstaunte
ich im zweiten und dritten Akt über ihr vorzügliches Spiel. Sie ist den
Jüngeren ein gutes Vorbild.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Literarische Neuigkeiten.]

                                        Kopenhagen, den 13. Jan. 1848.

Kiartan und Gudrun ist noch nicht vom Stapel gelaufen. Es waren
verschiedene andere Sachen, die Anciennetät hatten, wie z. B.
»Zauberei.« Dieses Stück soll von einem sehr tüchtigen juristischen
Beamten geschrieben sein. Der Zauber ist deshalb vom juridischen
Standpunkte, mit langwierigen Untersuchungen, Proceß und Richterspruch
geschrieben, aber der poetische Zauber fehlt. Deshalb wohl wurde am
ersten Abend geflötet. Später wurde das Stück ebenso übertrieben in den
Zeitungen gelobt, und jetzt geht es seinen ruhigen Gang; das Gezänk hat
dem Verleger eine nochmalige Auflage verschafft.

Von literarischen Neuigkeiten haben wir mehre erhalten. Das Beste ist
ohne Zweifel =Bournonville's= »Mein Theater-Leben.« Dieses Buch ist
wirklich ein geniales Product, und vieles darin ist höchst interessant.
Seine Schilderungen anderer Künstler, als: Frydendahl, Ryge, Talma,
Demoiselle Mars, Friedr. Lemaitre u. s. w. sind ganz vorzüglich. Die
Art und Weise, wie er seine Kunst bespricht, macht Vergnügen und ist
belehrend. Die kleinen Poesien, die er als Anhang gegeben hat, sind
gleichfalls hübsch.

=Velhaven= ist diesen Winter hier. Er ist ein Mann von vielem Geist
und Feuer, er disputirt mit Talent und Beredtheit, -- seine Poesien,
elegische Betrachtungen des norwegischen Stilllebens sind oft anmuthig,
aber zu monoton und zu wenig original.

Ich habe in dieser Zelt aufs Neue meinen Amleth ins Deutsche übertragen.
Erst hatte ich ihn wie die dänische Tragödie in Trimetern geschrieben,
ich bemerkte aber, daß er dadurch etwas Steifes und Gezwungenes erhalten
und schrieb ihn jetzt in fünffüßigen Jamben um. Das ist so zu sagen zu
meinem Privatvergnügen. Die Deutschen kümmern sich für den Augenblick
nicht um unsere Literatur. Ich konnte in Deutschland (viel habe ich
allerdings auch nicht darum sollicitirt) keinen Verleger finden;
Dahl in Christiania verlegt die letzte Sammlung meiner ins Deutsche
übersetzten Werke, wofür er natürlich nur ein geringes Honorar zahlen
kann. Aber es amüsirt mich, und wenn auch kein einziger Deutscher lesen
würde, was ich schreibe. Es wird schon eine bessere Zeit kommen. Auch
Kiartan und Gudrun übersetze ich jetzt. Ein wenig Schriftstellerei muß
ich als Morgenbeschäftigung treiben; immer lesen kann ich doch nicht.
Zum Frühjahr, wenn wieder etwas belebende Wärme in die Luft kommt, und
ich nach Frederiksberg ziehe, nehme ich wieder meine Lebens-Erinnerungen
vor.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Tod Christian's VIII.]

                                                  Den 22. Januar 1848.

Die Trauer, die das Land und mich durch den Tod des Königs getroffen,
kennst Du bereits. Ich will nicht von dem Uebrigen reden, aber er war in
46 Jahren einer meiner aufmerksamsten und theilnehmendsten Zuhörer!

    »Er gab mir Garten und Haus, Neigung, Muße, Vertrauen,
    Niemand brauch' ich zu danken als ihm, und Manches bedurft' ich,
    Der ich mich auf den Erwerb, schlecht als ein Dichter verstand.«

An seinem letzten Geburtstage war ich der Einzige, dem er seine
königliche Gunst bezeigte[3]. An seinem letzten gesunden Lebenstag
traf es sich so schön, daß ich ihn besuchte und ihm ein frohes Neujahr
wünschte.

  [3] Der Dichter wurde zum Conferenzrath ernannt.

Er war nicht makellos -- selbst die Sonne hat ihre Flecken -- aber nach
seinem Tode wird man ihm schon Recht widerfahren lassen. Friede sei mit
ihm!

             »O freundliches Grab! Wie so friedlich bist du,
             Dein schweigendes Dunkel birgt heilige Ruh'.«

Vor drei Nächten hatte er die letzte schlaflose Nacht. Jetzt schläft er
mit Hrolf Krake -- und Alfred -- und Hakon Adelstan!

                    *       *       *       *       *

                                                  Den 24. Januar 1848.

Das Oberhofmarschallamt hat mir antragen lassen, die Trauer-Cantate zu
schreiben -- ich =habe= sie bereits geschrieben. Sie geht vom Herzen und
ich hoffe auch, sie wird zum Herzen gehen. Kapellmeister =Gläser= wird
sie in Musik setzen.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: »Schleswig-Holsteinische« Unruhen.]

                                                    Den 27. März 1848.

Hier im Lande traf uns der Tod Christian's VIII. und wir fühlen
jetzt fast Alle, was wir an ihm verloren haben, wenn auch das
Vaterland in froher Hoffnung auf Frederik VII. blickt. Wie es mit
»Schleswig-Holstein« werden wird, davon hat noch kein Mensch eine
Ahnung, so verwickelt und unglücklich sind die Zustände. Durch die
französischen Ereignisse werden sie wohl noch verwickelter werden. Daß
in Frankreich in kurzer Zeit Unruhen ausbrechen würden, dazu waren
die Zeichen bereits vor zwei Jahren da, als ich Paris besuchte. Alle
bewunderten das Genie Ludwig Philipps; man räumte ihm auch persönliche
Liebenswürdigkeit ein -- man fand es natürlich, daß er mich für sich
einnahm, aber man haßte fast überall seine Politik. Durch die totale
Verwirrung und Ausleerung der Finanzen, durch die Bestechungen, die
geduldet wurden, durch den ungesetzlichen Gebrauch der Macht erhielten
ja die Franzosen das Recht Aufruhr zu machen. Ich hatte gerade den
achten Band von =Lamartine's= »Girondisten« beendigt, als die Revolution
ausbrach. Ich hatte ihn aus diesem vorzüglichen Werke kennen lernen,
und es freute mich zu erfahren, daß er und der herrliche =Arago= (ein
eiserner Character) sich unter den Anführern befand. Aber ich hätte
doch lieber gewünscht, daß sie, unter größerer Beschränkung als bisher,
den kleinen Grafen von Paris zum Präsidenten ihrer Republik gewählt und
ihm den Königstitel gelassen hätten. Ich fürchte, die große europäische
Republik wird sich nicht halten können. Ueberhaupt hat die Königsmacht
in vielen Richtungen etwas Schönes und Gutes, was bedeutende Männer
und Talente lieben müssen. Die republikanische Gleichheit geht leicht
zu weit, sodaß es zuletzt keinen Unterschied zwischen Verdienst und
Nichtverdienste giebt, weil der Neid einen zu großen Spielraum erhält.
Lamartine's Manifest hat auch seine schwachen Seiten, welche die
englischen Blätter mit Recht hervorgehoben haben. Hier in Kopenhagen
lächeln gewisse hohe Beamte über die französische Zusage den »Arbeitern
Arbeit zu verschaffen,« was sie für eine Unmöglichkeit halten; mir
scheint es aber, daß wenn die Menschen arbeiten =können= und arbeiten
=wollen=, und ohne Arbeit nicht =leben= können und dessenungeachtet
keine Arbeit =erhalten= können, so haben die staatlichen Einrichtungen
sie zu legitimen Räubern und Aufrührern gemacht.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Pariser Revolution.]

Wir haben hier zwei Theater-Neuigkeiten: Hertz's »Ninon« und »Ein
Sonntag auf Amak.« »Ninon« behagte mir nicht, und ich glaube, es geht
Vielen wie mir. Das Stück hat viele schöne Denksprüche und lyrische
Stellen, aber Ninon ist ein deutscher metaphysischer Professor, anstatt
eine liebenswürdige Französin. Die Liebe des Sohnes ist fatal. Als
er entdeckt, daß es seine Mutter ist, die er liebt, schießt er sich
eine Kugel durch den Kopf! Wie viel Gelegenheit wäre hier nicht,
die Läuterung und den Uebergang der erotischen Liebe zur kindlichen
Liebe zu zeigen. Daß das Gegentheil =geschichtlich= ist, giebt keine
Entschuldigung ab. Es geschieht soviel Dummes in der Welt, das
darzustellen unter der Würde der Poesie ist. »Der Sonntag auf Amak«
ist ein hübsches kleines Stück mit schönen herzergreifenden Melodien
-- original und national. Frau =Heiberg= ist ein unvergleichliches
Amak-Mädchen. Das Ganze ist übrigens eine niedliche Bagatelle -- und
mit Frau Heiberg steht und fällt das Stück. Hertz hat später einen
»Federigo«, ein Singspiel geschrieben; Musik von Rung. Es ist wieder
eine Art Don Juan oder Robert der Teufel. Hier ist auch ein Teufel, er
besitzt aber den einzigen Fehler, den ein Teufel nicht besitzen darf: er
ist =langweilig=.

Aber in diesen Tagen sind freilich Alle so auf die Antwort aus Holstein
gespannt, daß wir für nichts Anderes Sinn haben. Ich hoffe, die guten
Leute werden in sich gehen und billige, vortheilhafte edle Bedingungen
annehmen -- sonst geht es schief.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Literatur.]

                                      Frederiksberg, den 28. Mai 1848.

Verzeihe mir, daß ich die Beantwortung Deines Briefes einige Tage
aufgeschoben habe! Was in vielen Jahren der Grund war, daß ich meinen
Freunden keine Briefe schrieb, und dadurch manch' schönes Verhältniß
schwächte und abkühlte, welches ich später tief vermißte -- macht
mich in dieser Richtung auch nachlässig gegen meine Kinder. Aber ich
kann Dich damit trösten (wenn das ein Trost ist), daß dieser Grund
bald aufhören wird, und daß ich in meinen letzten Jahren ein besserer
Briefschreiber werde. Wenn ich nämlich nicht mehr dichte, und einige
Vormittagsstunden mit diesem Schreiben zubringe, werde ich mehr Luft zum
Briefschreiben bekommen. Nun weiß ich zwar, daß Du gegen diesen Grund
protestiren wirst, und ich verschwöre es auch nicht, zu dichten, aber
ich glaube doch nicht, daß es viel mehr geben wird. Dies ist nun gar
nicht, weil ich meine dichterische Kraft abnehmen spüre, dieselbe ist
ebenso frisch und kräftig, wie sie immer gewesen, aber weil ich fühle,
daß »ein Mensch nur ein Mensch ist,« und daß selbst der beste Dichter
nicht mehr ist. Aus meinem eignen Wesen, meiner eigenen Individualität
vermag ich nicht herauszugehen; ich kann zwar das verschiedenste
Objective mit derselben verbinden, und das habe ich auch gethan, aber
das Verschiedenartigste muß doch mit demselben Auge gesehen, mit
demselben Herzen gefühlt, mit demselben Talente dargestellt und mit
demselben Verstande aufgefaßt werden.

[Sidenote: Lebens-Erinnerungen.]

Und wenn man nun fast in einem halben Jahrhundert sich mit Werken
beschäftigt hat, die den Fähigkeiten eines solchen Menschen entsprungen
sind, so langweilt ein solcher Mensch zuletzt, und man bittet ihn, in
einer höflichen Weise, zu schweigen, und er bittet sich selbst darum;
denn er würde sich über fernere Variationen, wenn auch nicht über
dasselbe Thema, so doch von demselben Geiste aufgefaßt -- und wären
sie noch so verschieden -- langweilen. Es verschafft ihm dann mehr
Vergnügen, Andere zu lesen, und es wird mich recht freuen, auf meine
alten Tage zu lesen und zu studiren.

Aber ein Werk fehlt doch noch, und das soll auch, so Gott will,
vollendet werden; ich meine den Schlüssel zum Ganzen, eine echt
objective Darstellung der eigenen Subjectivität des Verfassers: Sein
Leben und seine Ansichten. -- --

Gestern vollendete ich die deutsche Uebersetzung von Kiartan und Gudrun.
Ungeachtet meines jetzigen =politischen= Hasses gegen die Deutschen,
verspüre ich doch Lust, diese Tragödie der deutschen Ausgabe meiner
Werke einzureihen. Es wird schon die Zeit kommen, wo diese und mehrere
meiner Werke in Deutschland mehr Anerkennung finden werden.

                    *       *       *       *       *

                                              Soröe, den 7. Aug. 1848.

-- -- Unter andern habe ich auch deshalb die Beantwortung Deines Briefes
aufgeschoben, weil ich mich mit einem neuen, ziemlich großen Gedichte
beschäftigt habe, das jetzt vollendet ist. Es ist weder mehr noch
weniger als eine _Ars poëtica_, ein Gedicht über die Dichtkunst, worin
ich Alles ausgesprochen, was ich über die Dichtkunst während der fast 40
Jahre gedacht habe, in denen ich Lehrer an der Universität gewesen bin.
Aber es wird erst einmal zum Neujahr gedruckt werden, wenn wir Frieden
erhalten und die Aufmerksamkeit sich wieder auf solche Dinge richten
wird. Wie es gehen wird, wissen wir für den Augenblick Alle nicht.
Die Dänen brennen zwar vor Begierde, sich an dem deutschen Uebermuthe
zu rächen, aber das kleine Dänemark kann nicht mit ganz Deutschland
kämpfen. Doch frischen Muth! Wir wollen das Beste hoffen! Nichts hasse
ich nächst Zagen so sehr als Klagen. Gott wird schon helfen!

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Dichtkunst. Regnar Lodbrok.]

                                    Frederiksberg, den 30. Sept. 1848.

Um die Grillen zu verjagen, und weil es so lange mit dem Zustandekommen
des Waffenstillstandes währt, schreibe ich unterdessen ein Heldengedicht
»=Regnar Lodbrok=« in zwölf Gesängen, von welchen zehn und ein halber
fast beendet sind. Von frühern Werken hat es am meisten Aehnlichkeit mit
»Helge« d. h. in Form und im Ton: denn die Charactere, die Handlung und
die Ereignisse sind sehr verschieden.

Ja, du lieber Gott, was soll ich machen? -- In Regnar Lodbrok tröstete
es mich, inmitten dieser Zeit politischer Kleinlichkeit, Thorheit und
Kannegießerei mich in eine kräftige, barbarische Zeit zu vertiefen, wo
es doch Männer gab, die da wußten, was sie wollten, und es verachteten,
durch affectirtes Geschwätz besser zu erscheinen als sie waren. -- --
Daß ich begreiflicherweise, um ein altes Gleichniß zu gebrauchen, diese
rohe Wallnuß des Heidenthums in den Zucker der Humanität eingemacht und
dazu die Kochkunst der Poesie benutzt habe, versteht sich von selbst.
Daß diese Nuß weder zu bitter, noch zu wässerig, noch zu süße schmecken
möge, ist mein eifrigster Wunsch, und wenn ich der nicht geringen Zahl
von gebildeten Zuhörern, welche sie schon kennen, trauen darf, so habe
ich das rechte Maaß getroffen.

[Sidenote: Mozart's Don Juan.]

-- -- Gestern Abend saß ich wieder einmal im Theater und hörte
Mozart's herrlichen Don Juan, den ich nie zu oft hören kann. Von allen
Kunstwerken, hätte ich beinahe gesagt, ist mir Don Juan das liebste,
und überhaupt Mozart's Musik im Figaro und in der Zauberflöte. Man
vermißt nichts. Da ist gar nichts auszusetzen. Es ist nicht wie ein
Menschenwerk, sondern, wenn ich so sagen darf, ein Naturproduct in
der Kunst, wie von Gott selbst geschaffen. Von allen großen Männern,
die Deutschland aufzuweisen hat, muß es am stolzesten auf seinen
Mozart sein, denn in allen andern Richtungen besitzen auch andere
Nationen Männer, die mit den seinigen zu vergleichen sind; aber einen
Mozart besitzen sie nicht. Rossini ist ein großes Genie, das ihm in
Melodien-Reichthum und lieblicher Kraft nicht nachsteht -- aber wie weit
erhebt sich nicht Mozart über ihn in Höhe, in Tiefe, in Wahrheit, in
Gefühl und Anmuth!

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Hauch. Paludan-Müller.]

                                      Kopenhagen, den 21. Januar 1849.

Wir sind um diese Weihnachtszeit mit mehren neuen Dichterwerken
beschenkt worden. =Hauch= hat sich tief in das Altnordische einstudirt
und einen »=Thorwald Widförle=« geschrieben. Das Werk hat einige sehr
schöne Partien, aber es fehlt ihm im Ganzen die Selbsterfindung; der
alte Ton ist mitunter etwas affectirt und das Ganze hat in meinen Augen
mehr von einem geistreichen Studium, als von einer originalen Dichtung.
=Paludan-Müller= hat ein sehr merkwürdiges Gedicht: =Adam Homo=
geschrieben. Es ist eine große gereimte Alltagsgeschichte, gespickt mit
subtilen philosophischen Reflexionen in sehr fließenden Versen. Es hat
mir Freude gemacht, dieses Buch zu lesen, es hat viele amüsante, gut
gezeichnete Genrebilder aufzuweisen. Eine Situation, wo die verlassene
Geliebte am Todeslager des Helden, ihm unbekannt, als Krankenwärterin
dient, ist schön und rührend. Aber der Geschmack hat viel einzuwenden;
diese Reim-Chronik ist gar zu weitläufig, prolix (wie Göthe sagte). Der
Held ist ein Alltagsmensch, sogar etwas schlingelhaft, und steht doch
als Repräsentant der Menschheit da. Die philosophischen Abhandlungen,
denen Paludan-Müller verfallen ist, brüsten sich zu sehr und sprechen,
wenn auch oft die Wahrheit, nichts weiter aus, als was früher kürzer und
viel klarer gesagt worden. Ein Heft Gedichte der Heldin, das man nach
ihrem Tode findet, verwischte ganz das holde Bild von ihr, und enthält
weiter nichts als Paludan-Müllersche Subtilitäten. Dessenungeachtet
verdient das Buch in vielen Stücken Beifall und Lob.

Du hast wohl =Kiartan und Gudrun= gelesen; das Stück wurde gut gespielt
und machte viel Glück. Auch =Regnar Lodbrok= und die =Dichtkunst= haben
gefallen. Man wundert sich, daß ich noch in meinen alten Jahren etwas
schreiben kann, das Saft und Kraft besitzt. Aber jetzt müssen wir auch
bald aufhören, nicht weil die innere Kraft fehlt, sondern weil der Stoff
erschöpft ist; ich finde keine Sujets mehr in meiner Geistesrichtung.
Schilderungen der Gegenwart kann ich nicht liefern, ich kenne sie nicht;
und wer kennt sie recht? Kaum der liebe Gott kennt sie, und sie selbst
kennt sich gar nicht.

Einen täglichen Umgangs-Freund, den ich verloren habe, vermisse ich doch
gerade nicht sehr, ich meine Dr. =Christiani=. Denn obgleich Christiani
witzig, fröhlich und ein vorzüglicher Gesellschafter ist, selbst große
poetische Bildung besitzt und Göthe und Heine auswendig kann, auch
mich persönlich liebt, so ist er doch weder recht dänisch, noch recht
deutsch; Begeisterung fehlt ihm, er ist vielmehr blasirt, lebt immer in
der Reflexion und muß Alles, was er sich aneignen will, in Hegel'sche
Philosophie übersetzen -- und die Rolle, die er hier spielte, wollte mir
nicht munden. Er trug den Mantel zu sehr auf beiden Schultern, spielte
mit zwei Schildern. Niemand kann zwei Herren dienen. Die Folge seiner
subtilen Politik wurde die, daß weder Dänen noch Deutsche ihn mochten.
Das Persönlichfreundliche und Talentvolle schätze ich noch bei ihm nach
Verdienst.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Politische Verhältnisse.]

                                        Kopenhagen, den 24. März 1849.

Ich würde früher geschrieben haben, wenn ich nicht den Ausbruch des
Krieges oder den Friedensschluß hätte abwarten wollen. Jetzt ist es
doch zu einem achttägigen Waffenstillstand gekommen, der Einigen nicht
behagt; die meisten Vernünftigen glauben doch, daß er gute Folgen haben
wird, und daß er wenigstens die theuern Menschenleben während der
Friedensunterhandlungen schont.

Ueber das politische Wesen ist es noch nicht möglich, ein Urtheil zu
fällen. Auf dem Reichstage geht es schläfrig und langsam. Ich bin noch
nie dagewesen. Gebe Gott, sie kämen so weit, das Wahlrecht ein wenig
zu beschränken, sonst werden wir in den Schlamm hinabgezogen; doch
ist noch Hoffnung vorhanden, denn der Kern des Reichstags besteht aus
vernünftigen, tüchtigen Leuten.

Meine Tragödie =Königin Margarethe= ist wieder sehr gut gespielt worden.
Mad. =Nielsen= und Herr =Nielsen= waren vorzüglich. Mad. =Winslöv=
glücklich, und Mad. =Holst= spielte ihre Ingeborg anmuthig und rührend,
wenn sie auch seit der Zeit, wo das Stück zuletzt aufgeführt wurde (14
Jahre) sehr gut eine Tochter hätte haben können, die mit Rücksicht auf
das Alter für die Rolle besser gepaßt hätte.

Vor einigen Tagen war ein Deutscher, Dr. =Leo=, bei mir, Redacteur des
Nordischen Telegraphen. Er erzählte mir, daß die dänische Literatur
durchaus nicht in Deutschland verschmäht sei, daß es im Gegentheil
scheine, als hätten die letzten kriegerischen Begebenheiten Vielen die
Augen geöffnet.

=Frederike Bremer= ist hier diesen Winter; sie ist eine gute fromme
Seele.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Lebens-Erinnerungen.]

                                    Frederiksberg, den 17. Juli. 1849.

-- -- Ich sitze jetzt wieder hier und schreibe an meinen
»Lebens-Erinnerungen«, die ich schon im Sommer 1838 begann, als wir auf
dem Frederiksberger Schlosse in den Zimmern wohnten, die jetzt =Hauch=
bewohnt. Es verstrichen seitdem viele Jahre, und mein »Leben« blieb
liegen (d. h. die Beschreibung) -- jetzt habe ich es wieder vorgenommen.
Denn wenn ich ganz zu schreiben aufhörte, so würde ich unfehlbar darüber
hinsterben, wenn ich auch noch so lange lebte. Wenn ich nun auch die
letzte Hälfte nur fragmentarisch behandeln werde, so giebt es doch
Vieles, das ich etwas genauer erzählen und beschreiben möchte. Ich
bin bis an die Baggesen'sche Periode und die zweite Reise ins Ausland
gelangt.

                    *       *       *       *       *


                              =Schlußwort=.

Die Ausführung der oben ausgesprochenen Absicht, die letzte Hand an
seine Lebens-Erinnerungen zu legen, sollte, wie die Leser bereits
wissen, dem Dichter nicht vergönnt sein. Es bleibt nur übrig, seiner
letzten Tage mit wenigen Worten zu gedenken.

                    *       *       *       *       *

[Sidenote: Letzte Tage Oehlenschlägers.]

Am 14. Nov. 1849 vollendete Oehlenschläger sein 70. Jahr. Um diesen Tag
zu feiern, hatten die edelsten und hervorragendsten Männer seines Volkes
ein großes allgemeines Fest in den Räumen der königlichen Schützen-Gilde
zu Kopenhagen veranstaltet. Dichter und Künstler, Gelehrte und schlichte
Bürger empfingen ihn hier, wo ihm ein erhabener, geschmückter Platz
zwischen den Büsten von =Holberg= und =Ewald= bereitet war; Reden und
festliche Gesänge, die von Herzen kamen und zu Herzen gingen, liehen
den Gefühlen der Nation das Wort, und auch Schweden und Norwegen waren
bei diesem Feste durch den schwedisch-norwegischen Minister-Resident
in Kopenhagen vertreten, der ein Hoch auf den »Dichter-Fürst des
Nordens« ausbrachte, während die Frauen, die stillen Pflegerinnen
nationaler Tugenden, durch =Grundtvig's= Hand und Mund dem Dichter einen
Lorbeerkranz überreichten.

Nach dem ersten allgemeinen Hoch auf den Jubilar, das mit einer
Begeisterung aufgenommen, die den Gefühlen der Versammlung und den
unverwelklichen Verdiensten des Dichters entsprach, erhob sich derselbe,
und in einem längern Gedichte, so jugendfrisch und voll männlicher
Kraft, wie die Sprache seiner Muße immer war, brachte er seinen
tiefgefühltesten Dank dar.

In einer der Strophen dieses Gedichtes heißt es:

          Ihr ehrt mich hoch! -- Obgleich das End' nicht fern,
          Ist doch der Greis noch nicht erschöpft gesunken.
          Ich trink' mit Euch, und leer' den Becher gern,
          Denn nicht mein Todesfest wird hier getrunken.
          Noch hab' ich nicht die Lebenskraft verloren.
          Nur wen'ge Häuser fern bin ich geboren;
          Doch eine schöne Baum-Allee von dort,
          Führt, will es Gott, zum letzten Ruheort.

Kaum ahnte es damals Jemand, daß zwei Monate später das Trauerlied
über den Sarg des Dichters dort ertönen sollte, wo seine Wiege
einst gestanden, in der Nähe jener Hallen, wo den noch kräftigen,
lebensfrischen Greis kürzlich die Jubeltöne und die Huldigung dreier
Brüder-Völker umrauschten. Zwar hatte er in jenem Gedicht auf den
naheliegenden Friedhof gedeutet, aber er tröstete sich und Andere damit,
daß eine »schöne Baum-Allee«, dorthin führte. Prangte auch diese, als
man seinen Sarg durch dieselbe trug, noch nicht mit blühenden Bäumen
und grünem Laube, so bildeten, wie ein Dichter in seinen Nachrufe sagt,
dänische Männer und Frauen, trauernd um den Hingang ihres liebsten und
größten Dichters, eine noch schönere Allee dahin.

Seines gesunden, blühenden Aussehens ungeachtet hatte er seit längerer
Zeit einen beschwerlichen, schwankenden Gang gehabt. Er litt an
Steifheit und Mangel an Kraft in den Knien, ein Uebelstand, der sich
doch immer nach den fast jährlichen kleinen Anfällen von Podagra
verringerte, welche nur in den letztern Jahren seltener kamen. Dies
hinderte ihn, der Bewegung zu genießen, deren seine starke corpulente
Constitution bedurfte, und er, der früher Sommer und Winter, in gutem
und schlechtem Wetter, bei Sonnenschein und bei Regen, täglich nach
Frederiksberg spazierte, begnügte sich jetzt, eine Viertelstunde in den
Bogengängen des Christiansburger Schlosses sich zu ergehen, oder gar
mitunter, wenn ihm das Wetter zu schlecht war, mit einer bestimmten
Anzahl Gänge durch seine Zimmer. Auch seinen frühern allabendlichen
Besuch im Schauspielhause stellte er manchmal in den letzten Jahren
ein, und zog dann vor, eine Partie L'hombre zu spielen. Sonderbar
genug, fand er, der bis zu seinem vierzigsten Jahre immer Unwillen gegen
Kartenspiel hegte, nun ein großes Vergnügen am L'hombrespiel, und wenn
er den Tag über gedichtet und gelesen hatte, suchte er des Abends seine
angenehmste Erholung am Spieltische mit einigen guten Freunden, oft nur
mit seinen Kindern. Ungeachtet dieser zunehmenden Gemächlichkeit, die
seinem übrigen Naturell so wenig glich, mitunter seine nächste Umgebung
ängstigte, vermochte man doch keine bedenkliche Wirkung derselben zu
spüren. Zwar zeigte er sich im Sommer 1849, wenn er des Vormittags in
seinem Lehnstuhle, ein Buch in der Hand, saß, zum leichten Schlummer
geneigt, aber wenn man zu ihm eintrat, war er immer wieder lebhaft wie
sonst, und zum Scherz wie Ernst aufgelegt; er las wie früher laut vor,
und sein Antlitz trug immer das Gepräge der Gesundheit und Kraft. Erst
in den letzten Tagen des Novembers fühlte er Unwohlsein, Uebelkeit und
Mattigkeit, und die gelbe Gesichtsfarbe ließ die Vermuthung zu, daß die
Gelbsucht ihn zum dritten Male in seinem Leben angreifen würde. Nach
ungefähr drei Wochen verschwand die gelbe Farbe, die Kräfte kehrten
zurück und ihm wurde so wohl, daß er am 21. Dec. A. S. =Oersted's=
Geburtstag in dem Freundeskreise zu feiern vermochte, den der Bruder
H. C. Oersted an diesem Tage zu versammeln pflegte. Am 23. Dec. wohnte
er zum letzten Male einem Familienfeste bei, und am Weihnachtsabend
hatte er die Familie um sich in seiner Wohnung versammelt. Aber am
folgenden Tage zeigten sich wieder Symptome, gleichsam wie von Gelbsucht
und sein Zustand wurde wieder der frühere. Er hielt sich doch längere
Zeit aufrecht, bis er von Mangel an Appetit und Verdauung ermattete.
Dies mußte sowohl ihn selbst wie seine Umgebung beunruhigen, und
er sprach öfterer die Ueberzeugung aus, daß er die Krankheit nicht
überstände. Am 4. Januar 1850 schrieb er an seine Tochter, um dieser
und ihren Angehörigen ein fröhliches Neujahr zu wünschen, und sie
über seine Krankheit zu beruhigen. Aber nur wenige Zeilen vermochte
er zu schreiben, die Vollendung des Briefes überließ er seiner
Schwiegertochter.

An den Tagen, wo er sich besser fühlte, ließ er sich von seinen Kindern
und seiner Schwiegertochter ganze Capitel aus Göthe's »Wilhelm Meister«
vorlesen, und dieselbe Begeisterung und Liebe, die er sein ganzes Leben
hindurch für den großen Dichter gefühlt hatte, sprach er noch auf dem
Krankenlager wenige Tage vor seinem Tode aus. Selbst las er mitunter
in einem dänischen Volksbuche: »Malling's große und gute Thaten«, das
namentlich kurze Biographien dänischer und norwegischer verdienter
Männer und Frauen enthält. -- In den letzten acht Tagen nahm die
Krankheit einen gefährlichern Character an, und da alle Mittel ohne
Wirkung blieben, mußte man auf das Schlimmste vorbereitet sein. Am 19.
Januar erwachte wieder eine schwache Hoffnung, aber die Symptome, die
sich am Sonntag Morgen den 20. zeigten, verkündigten, daß es nicht
Gelbsucht, sondern ein Geschwür in der Leber selbst sei, an welchem er
litt. Als die Aerzte (sein alter College, Conferenzrath O. Bang, und
sein Hausarzt, Dr. Hansen) des Vormittags in einem Nebenzimmer über
seine Krankheit conferirten, fragte er seinen ältesten Sohn, was wohl
die Aerzte über sein Befinden äußerten, und als dieser ihm antwortete:
»Du darfst nichts fürchten!« unterbrach er ihn gleich und sagte mit
Wärme: »Lieber Sohn, glaubst Du, ich fürchte den Tod; nein, nicht im
entferntesten!« Nach einem kurzen Augenblick fügte er hinzu: »Was ist
das Ganze -- ein Hauch nur -- und dann ist es vorüber!« -- Als Bang am
Nachmittage desselben Tages sich entfernen wollte, rief er ihn zurück,
blickte ihm freundlich ins Auge, drückte seine Hand und sagte: »Habe
Dank für gute Kameradschaft!« -- Um 8 Uhr des Abends fühlte er schon die
Hand des Todes und verlangte ein Kissen, das ihm seine Tochter Maria
gestickt hatte, unter sein Kopfkissen gelegt. Dann und wann schlummerte
er. Wenn er erwachte blickte er oft nach der Uhr, die neben seinem Bette
hing, und fragte mehre Male, ob die Uhr bald zehn sei. Zwischen neun
und zehn Uhr rief er seinen ältesten Sohn zu sich und sagte ihm: »Du
sollst das Manuscript meiner Lebens-Erinnerungen vollenden. Zu meiner
Trauer-Feier im Theater will ich, daß mein =Sokrates= aufgeführt werden
soll, aber die Scene in den Propyläen muß ausgelassen werden. Und jetzt
lies mir die Stelle aus der Scene im 5. Akt zwischen Sokrates und Kebes
vor, wo Sokrates vom Tode spricht, sie ist so =unaussprechlich schön=!«
Diese letzten Worte sprach er mit einem innigen, warmen Gefühl. Die
Replik lautet:

           Wie kann der milde Tod Dich so betrüben?
           Er kann ja doch von Zweien Eins nur sein,
           Entweder =Etwas=, Kebes, oder =Nichts=!
           Raubt' er nur das Bewußtsein, das Gefühl,
           Wär' er ein Schlaf, worin der Schlafende
           Selbst nicht vom kleinsten Traum geängstigt würde,
           Dann wär' er schon unschätzbarer Gewinn.
           Denn sicher, glaub' ich, wollte Jedermann,
           Mit solcher ruh'gen Nacht die Nächte, Tage
           Vergleichen, die er hier im ird'schen Leben
           In Pein und Kummer zugebracht:
           Dann wählt er lieber jene sel'ge Ruh'.
           Doch wenn der Tod nicht das Bewußtsein tödtet,
           Ist er Verwandlung, eine Seelenwanderung
           Und Reise nach dem bessern Ort, wo wir
           Die lieben Theuern alle wiederfinden; --
           Denk', welche Freude das dann werden muß,
           Mit Göttern dort zu leben und zu reden,
           Mit Hesiod, mit Orpheus, mit Homer
           Und allen Großen, die vor uns gewesen!

[Sidenote: Tod Oehlenschlägers.]

Er hörte diesen Worten mit der größten Bewegtheit zu und blickte
dabei mit einem seligen Lächeln vor sich hin. Als die Replik aus war,
unterbrach er selbst das Vorlesen und nahm Abschied von seinen Söhnen,
seiner Schwiegertochter und ihrer Schwester, die mit den Dienern seines
Hauses um sein Lager standen, bis er seinen letzten Seufzer aushauchte.
Nach einem kurzen und leichten Todeskampf, unter welchem seine Blicke
abwechselnd auf der Uhr und auf seinen Kindern ruhten, verschied er mit
dem Schlage elf, ruhig, ohne Schmerzen und bis zum letzten Augenblicke
im Besitz seiner vollen Geisteskraft.


                    *       *       *       *       *




                          =Inhalts-Uebersicht.=

                             =Erster Band.=


Oehlenschläger's Vorältern 4-9. Sein Vater 9. Geburt 11. Erste
Kindheits-Erinnerungen 12-46. Schulgang in Kopenhagen 47-88. Er soll
Kaufmann werden, entscheidet sich aber für den gelehrten Stand 89-90.
Erste Liebe 92. Neigung für das Theater 93-99. Theater-Verhältnisse in
Dänemark 99-109. Bekanntschaften 109-115. Vorbereitungen zu dem _Examen
artium_ 115. Eintritt in das Schauspielerleben 116-146. Bekanntschaft
mit den Gebrüdern Oersted 146-149. Abschied vom Schauspielerleben,
Wiederanfang der Studien 150-152. Er lernt Schiller's und Göthe's Werke
kennen 153-160. Tod seiner Mutter 160-162. Rahbek's Haus, Verlobung
mit Christiane Heger 162-166. Beantwortung einer Preisfrage 167-168.
Baggesen's Abreise 169-172. Die Schlacht am 2. April 1801 172-176.
Briefwechsel mit Baggesen 176-179. Militairische Uebungen 179-184.
Privattheater 184-186. Bekanntschaft mit den Gebrüdern Mynster und
Bentzon, geselliges Leben, Pram, Weyse, Arndt, Frau Koren. Bull 186-204.
Erstes Zusammentreffen mit Steffens 204-213. Polemik mit Baggesen,
Rahbek und seine Frau 222-227. Literarische Wirksamkeit 228-233. Caspar
Bartholin 233-237. Zusammenleben mit Steffens 237-245. Ein Symposion
245-248. Bekanntschaft mit Schimmelmanns und Bruns 249-252. Er erhält
ein Reise-Stipendium 253.


                             =Zweiter Band.=

Erste Reise in Deutschland: Briefe in die Heimath und aus derselben.
5-9. Halle, Reichardts 9-11. Erstes Zusammentreffen mit Göthe
12-13. Briefe 13-20. Lafontaine 20. Schleiermacher 22. Deutsche
schriftstellerische Versuche 24. Hakon Jarl 25-41. Berlin 43. Fichte
44-49. Himmel 50. Weimar 54. Wieland, Herder, Frau Schiller, Göthe, die
weimar'sche Fürstenfamilie 54-62. Jena, Frommann, Göthe, Hegel 63-66.
Gedicht an Charlotte Schiller 66-72. Dresden 73. Bröndsted, Koës, Münter
73-78. Die Bildergalerie 79-84. Sächsische Schweiz 87-89. Weimar,
Schlacht bei Jena 92-100. Gotha, Frankfurt a. M. 101-102. Paris 103-113.
Ueber die Tragödie 113-125. Die französischen Dramatiker 127-130.
Malte-Brun 130-134. Die Schlegel 134-136. Umgang in Paris 137-140. Das
Bombardement Kopenhagens 140-144. Baggesen 145-160. Straßburg 163-164.
Stuttgart 165. Die Schweiz 167-171. Aufenthalt in Coppet 172-184.
Savoyen 185-188. Mailand 189-196. Parma 196. Bologna 198. Florenz 200.
Rom 207. Thorwaldsen 208-210. Frederike Brun 210-211. Lebensgefahr 213.
Grotta Ferrata 215-218. Albano 218. Abschied von Rom 222. Pisa, Livorno,
Florenz, Mailand, Simplon 223-228. Heidelberg, Weimar, Göthe 228-234.


                             =Dritter Band.=

Heimkehr 5. Professur 6-8. Gesellige Kreise 9-18. Dramatische
Wirksamkeit 18-30. Trauung 31. Schimmelmann 33-36. Tragödien 36-39.
Brandis 39-43. Neue Umgangskreise 44-46. Theater 46-51. Rückblick auf
die erste Dichterperiode 52-77. Baggesen's Angriffe 77-81. Napoleon's
Fall 82-88. Gräfin Mynster 89-90. Königskrönung 91-94. Der Dichter
frühere Geltung 94-98. Theater-Verhältnisse 100-104. Zweite Reise ins
Ausland 104. Auszug aus den Reisebriefen: Hamburg 106-111. Celle,
Hannover, Göttingen, Kassel, Marburg, Frankfurt 111-119. Paris 121.
Frau von Staël-Holstein 123-127. Das Theater 127-129. Die Pariserinnen
129-130. Passy 131-133. Jardin des plantes 135-136. Versailles 137-138.
St. Denis 139-140. Die stille Woche 141-143. Das Museum 143-145. Das
Ballet 146. Abreise von Paris 153. Stuttgart 158. Wien 167. Das Theater
169. Laxenburg 171. Kloster Neuburg 180. Ein Magnetiseur 185-188.
Dresden 189-196. Die Haide 197-199. Berlin 199. Lübeck 212. Heimkehr 213.


                             =Vierter Band.=

Neue Dichterwerke 8-20. Heiberg 21-23. Bekanntschaften 24-28.
Verhältnisse als Professor 28-32. Musikalische Zustände 32-42.
Dichtungen 42-48. Baggesen's Tod 48-50. Tod des Vaters Oehlenschläger's.
50-54. Deutsche Werke 55-56. Rahbek's und seiner Frau Tod 56-60.
Erster Besuch in Schweben 61-66. Zweite Fahrt nach Schweden 67.
Dichterkrönung in Lund 69-72. Der Bischof Mynster 73-76. Schwedische
Bekanntschaften 77-80. Christian VII. 80-83. Sölling 83-85. Dritte
Reise nach Deutschland: Leipzig 86. Dresden 86-90. Berlin 91-93.
Reise nach Norwegen 95-110. Tod seiner Tochter Charlotte 101-103.
Besuch beim Prinzen Christian in Odensee 103-105. Reise mit ihm nach
Augustenburg 105-107. Der poetische Geschmack und die Kritik 109-116.
Frederike Brun 116-122. Tod Friedrich's VI. 124-125. Zusammenleben mit
Thorwaldsen 126-128. Tod seiner Frau 128-130. Tod Bröndsted's 132-133.
Zweiter Besuch in Norwegen 135-143. Thorwaldsen's Tod 144-150. Vierte
Reise in Deutschland: Berlin 151-154. Dresden 155-157. Prag 157-158.
Wien 159-166. Salzburg 166-168. München 168-170. Nürnberg 170-172.
Frankfurt 172. Der Rhein 173. Paris 175. Die Franzosen 176-179. Besuch
bei Louis Philipp 180-186. Die Brüder Rothschild 186-187. Literarische
Notabilitäten 188-198. Brüssel 200. Hamburg 201. Oehlenschläger's letzte
Jahre, Auszüge aus seinen Briefen an seine Verwandten 203-212. Besuch
in Schweden 212-218. Tod Christian's VIII. 219. Letzte literarische
Wirksamkeit 222-228. Schlußwort. Fest zu Oehlenschlägers 70jährigen
Geburtstage 229. Sein Tod 230-234.

                    *       *       *       *       *




                              Namenregister

der in Oehlenschläger's Lebens-Erinnerungen ausführlicher besprochenen
Personen, Städte und literarischen Werke des Verfassers. Letztere sind
mit * bezeichnet.


                                   A.

  Abildgaard. I. 248.

  Adamberger, Madm. III. 169.

  Adelaide, von Frankreich. IV. 180.

  *Aladdin. I. 232; II. 57, 66, 105; IV. 124.

  Albano. II. 218.

  Alberti, Fräulein. II. 81.
  ----, Geheimrath. II. 43; III. 199.

  Alpen, die. II. 186.

  Altona. III. 109.

  *Aly und Gulhundy. III. 31.

  Amalia, Herzogin von Weimar. II. 61.

  *Amleth. IV. 209.

  Ammerling, Maler. IV. 161.

  Amsterdam. IV. 201.

  Andersen, H. C. IV. 113.

  Anschütz. IV. 161.

  Arago. IV. 188, 221.

  Arnim, v. II. 19, 42; III. 202.
  ----, Frau v. III. 202.

  Arndt, Alterthumsforscher. I. 199; II. 138, 225.
  ----, E. M. III. 99.

  Apenninen, die. II. 199.

  Augarten. III. 178.

  Augsburg. IV. 170.

  Augustenburg, Herzog von, (Vater.) III. 8. (Sohn.) IV. 105.

  Aumale, Herzog von. IV. 182.

  *Axel und Walborg. II. 124; III. 18, 20, 22, 169.


                                   B.

  *Bagge, Lars. I. 175.

  Baggesen. I. 123, 169, 176, 213, 215; II. 145; III. 46, 77; IV. 6, 48.

  Baiern, Kurfürstin Wittwe von. III. 164.

  Baison, Schauspieler. IV. 202.

  *Baldur der Gute. II. 122.

  Balle, Bischof. I. 41; III. 46.

  Bartholin, Caspar. I. 233.

  Baudissin, Graf. II. 43; III. 9.

  Bech, Schauspieler. I. 109.
  ----, Eline. I. 109, 114.

  Becher, Madame, Schauspielerin. III. 108.

  Beethoven. III. 170.

  Bentzon. I. 186.

  Berg, Tanzlehrer. I. 118.

  Bergau, Madame. I. 15.

  Bergen. IV. 141.

  Beyer, Fräulein, Schauspielerin. IV. 156.

  Berlin. II. 42; III. 199; IV. 151.

  Bern. II. 171.

  Berner, Oberlandesinspector. I. 35.

  Bernstorff, Graf von. I. 140.
  ----, Graf von, Minister in Berlin. IV. 91.

  Bertouch, Baron. III. 104.

  Berzelius. IV. 80.

  Beskow, Bernh. von. IV. 78, 213.

  Bissen. IV. 147.

  Björnstjerna. IV. 214.

  Bologna. II. 198.

  Bolsena, Lago di. II. 203.

  Börne. IV. 111.

  Bombelles, Graf von. IV. 122.

  Bonstetten. II. 173.

  Bonzanigo, Holzschneider. II. 189.

  Böttiger. IV. 90.
  ----, Dichter. IV. 216.

  Bourke, Gräfin von. IV. 199.

  Bournonville. IV. 124, 218.

  Boye, Joh. IV. 23.

  Brahe, Graf. IV. 216.

  Brandis. III. 39; IV. 202.

  Brenöe, Fräulein, Schauspielerin. IV. 11.

  Brentano. II. 19, 202.

  Breuß. II. 168; III. 171.

  Brinckmann, Herr von. IV. 217.

  Brockhaus, Familie. IV. 85.

  Bröndsted. II. 75, 85, 89, 102, 106, 225; IV. 115, 129, 133.

  Brun, Constantin. I. 251; IV. 117.
  ----, Frederike. I. 251; II. 210, 218; III. 16; IV. 76, 116.
  ----, Ida, Gräfin Bombelles. IV. 121.

  Bruun, Nordahl. I. 105; IV. 98.

  Brühl, Graf. III. 201, 208.

  Brüssel. IV. 201.

  Bülow, von, Minister. II. 74.

  Bull, Ole. IV. 135.

  Burgstorph, Baron. IV. 89.

  Busch, Maler. I. 110.

  Byström. IV. 215.


                                   C.

  Callisen. III. 34.

  Calmette, Oberceremonienmeister. III. 15.

  Campe, Buchhändler. IV. 115.

  *Canarienvogel, der. III. 38.

  Caroline, Kronprinzessin. IV. 54.

  Caroline Amalie, Königin. IV. 39.

  Castelli. IV. 207.

  Carus, Dr. IV. 86.

  Cederström, Generallieutenant. IV. 70.

  Celle. III. 112.

  Chalons. II. 103.

  Chenard, Schauspieler. II. 128.

  Christie. I. 130; IV. 141.

  Christian der Siebente, König. IV. 80.

  Christian der Achte, König. III. 15; IV. 39, 103, 105, 107, 126, 129,
    137, 210, 219.

  Christiani, Dr. IV. 226.

  Christiania. IV. 96.

  Christiansburg. I. 83.

  Cilano. II. 190.

  St.-Cloud. III. 134; IV. 178.

  Cöln. IV. 174.

  Colbjörnsen, Christian. III. 15.

  Coliseum. II. 211.

  Collet, Staatsrath. IV. 137.

  Confidati, Gesanglehrer. II. 221.

  Constant, Benjamin. II. 136, 173.
  ----, Madame. IV. 198.

  Coopmans, Chargé d'affaires. IV. 201.

  Coppet. II. 172.

  Comet, Theaterdirector. IV. 202.

  *Correggio. II. 178, 218; III. 18.

  Cornelius. IV. 70.

  Cotta, Herr von. II. 164, 166; III. 158.

  Cramer, Prokanzler. IV. 116.

  Crysander, Dr. IV. 68.

  Culpin, Arzt. I. 11.


                                   D.

  Dahl, Buchhändler. IV. 99, 219.

  Dahlén, Tanzlehrer. I. 118.

  Dannecker. III. 161.

  Decken, Frau von. IV. 156.

  St.-Denis. III. 139.

  Depping. II. 107.

  Deschamps, Dichter. IV. 189.

  Devrient. III. 201.

  Dickmann, Lehrer. I. 55, 66.

  *Dichtkunst, die. IV. 224.

  Dietrichstein, Graf. IV. 161.

  *Dina. IV. 128, 134, 152, 207.

  Donner, Conferenzrath. IV. 202.

  Dresden. II. 73; III. 189; IV. 155.

  Dreyer, Minister. II. 107.

  *Drillingsbrüder, die, von Damask. IV. 44.

  Due, Staatsminister. IV. 213.


                                   E.

  Eggloffstein, Gräfin. IV. 156.

  *Ehrlich währt am Längsten. III. 38.

  Eliviou, Sänger. II. 127.

  Ems, Fechtmeister. I. 118.

  Engeström, Professor. IV. 63.

  *Erik und Abel. IV. 10, 12.

  *Erik und Roller. I. 194.

  Ewald. I. 99.


                                   F.

  Falk. II. 100.

  *Faruk. III. 23.

  Fasanenhof. IV. 132.

  Feldborg, Andersen. III. 98.

  Feretti, Gesanglehrer. I. 119.

  Fichte. II. 44.

  *Fischer, der. III. 81; IV. 85.

  Fleury, Schauspieler. III. 127.

  Flood. III. 116.

  Florenz. II. 200, 225.

  *Flucht, die, aus dem Kloster. IV. 43.

  Foersom, Schauspieler. I. 120, 138; III. 20.

  Fogelberg. IV. 213.

  Förster, Dr. L. IV. 169.
  ----, Frau. III. 75; IV. 156.

  Fouqué. III. 203.

  Frankfurt a. M. II. 102; III. 118; IV. 172.

  Frankl, Ludw. Aug. IV. 164.

  *Freia's Altar. I. 230; III. 100.

  Freund, Bildhauer. IV. 147, 176.

  Friedrich der Sechste. I. 14; III. 6, 90, 94; IV. 124, 152.

  Friedrich Wilhelm der Vierte. König von Preußen. IV. 152.

  Friedrichsberg. I. 20, 23, 25, 32. 90; IV. 123, 129.

  Fröhlich, Kapellmeister. IV. 126.

  Frommann, Familie. II. 63.

  Fryxell. IV. 78.


                                   G.

  Gaimard. IV. 163.

  Gaudentius, Prälat. III. 180.

  Gautier, Madame. II. 139.

  Geijer. IV. 78.

  Giebichenstein. II. 10.

  Gosch, Packhausverwalter. I. 51.

  Gotha. II. 101.

  Göthe. I. 154; II. 12, 55, 62, 90, 231; III. 59; IV. 172.

  *Götter des Nordens. IV. 9.

  Göttingen. III. 113.

  Grillparzer. IV. 165.

  Grimm, Gebrüder. III. 113.

  Grotta Ferrata. II. 215.

  Grundtvig. III. 26.

  Gullander, Professor. IV. 63.


                                   H.

  *Hagbarth und Signe. II. 125; III. 81.

  *Hakon Jarl. II. 23, 30; III. 18.

  Halberstadt. II. 9.

  Halle. II. 6.

  Haller, Frau von. II. 171.

  Hamburg. III. 106; IV. 201.

  Hammer-Purgstall. III. 176.

  Händel-Schütz, Madame. III. 51.

  Hannover. III. 112.

  *St.-Hansspiel. I. 212.

  Hansteen, Professor. IV. 97.

  *Harald Hildetand. III. 31.

  Harmes, Frau von. II. 168.

  Hauch, Oberhofmarschall. I. 116, 182; III. 91.
  ----, Carsten. IV. 54, 112, 225.

  Heeren. III. 113.

  Hegel. II. 64.

  Heger, Carl, Schwager Oehlenschlägers. I. 166; II. 32.

  Heger, Christiane, O.'s Frau. (siehe Oehlenschläger.)
  ----, Hans, Schwiegervater O.'s. I. 165; IV. 9.
  ----, Peter, Schwager O.'s. I. 134.
  ----, Stephen, Schwager O.'s. I. 136; III. 19.
  ----, Marie, geb. Smith, Schauspielerin. III. 19.

  Hegermann-Lindenkrone, Generalin. IV. 9.

  Heiberg, J. L. IV. 21, 41, 111.
  ----, P. A. II. 102.

  Heidelberg. II. 228.

  Heine. IV. 111.

  Heinefetter. IV. 161.

  *Helge. III. 82.

  Helwig, Schauspieler. III. 193.

  Herder. II. 55.

  Herholdt, Etatsrath. IV. 31.

  Hersleb, Professor. IV. 97.

  Hertz, Henrik. IV. 112, 221.
  ----, Jens Michael. IV. 46.

  Heß. IV. 168.

  Heydn. IV. 167.

  Himmel. II. 50.

  *Hirtenknabe, der kleine. IV. 8, 12.

  Hitzig, Julius. III. 205.

  Hitzing. III. 178.

  Hoffmann, E. T. A. III. 200.

  Holbein, Director. IV. 207.

  *Holberg. IV. 14, 18.

  Hormayr, Baron. III. 188.

  Horn, Graf Frederik Classon. IV. 78.

  Höft, Buchhändler. IV. 151.

  *Hrolf Krake. IV. 45.

  Huber, Frau. III. 160.

  Hübner, Carl. IV. 156.

  *Hugo von Rheinberg. III. 38.

  Hugo, Victor. IV. 189.

  Humboldt, Alexander von. II. 52; IV. 152.
  ----, Wilhelm von. IV. 90.
  ----, Frau von. II. 218.


                                   I.

  Iffland. I. 95.

  Ingemann. III. 82.

  *Inseln, die, im Südmeer. IV. 18.


                                   J.

  Jahn, Onkel. IV. 142.

  Jardin des plantes. III. 135.

  Jena. II. 62, 93.

  Jerichau, Bildhauer. IV. 147.

  *Jesus in der Natur. I. 232.

  Joinville, Prinz von. IV. 182.

  Juliane Marie, Königin. I. 87.

  Jürgensen. König von Island. I. 57.


                                   K.

  Kalmeier, Maler. IV. 95.

  *Karl der Große. IV. 44.

  Karl Johann, König von Schweden. IV. 61.

  Kassel. III. 113.

  Kaulbach. IV. 168.

  Kestner. II. 215.

  *Kiartan u. Gudrun. IV. 212, 223.

  Kiel. II. 6.

  Kiellander, Frau. IV. 69.

  Kierlen. III. 200.

  Kind, Fr. III. 192.

  Kleinmünchen. III. 165.

  Klopstock. IV. 116.

  Knoop, Kaufmann. II. 168.

  Knudsen, Schauspieler. I. 102, 137.

  Kundtzon, Familie. II. 137.

  Konow, Wollert, Schwiegersohn Oehlenschläger's. IV. 128.

  Koës. II. 75, 85, 89, 102, 106, 225.

  Körner, Familie. II. 95; III. 189, 205.

  Koren, Frau. I. 201.

  Koreff, Dr. II. 105.

  Koß, Herr von. IV. 180.

  Kotzebue. I. 190.

  Kraukling, Director. IV. 157.

  Krogklev. IV. 99.

  Kruse, Lauritz. I. 138.

  Kügelgen, Maler. II. 84.

  Kuhlau. III. 48; IV. 36.

  Kuntzen, Componist. I. 124.


                                   L.

  Laasbye, Controleur. I. 72.

  Lafontaine. I. 96; II. 20.

  Lage Maggiore. II. 227.

  Lamartine. IV. 220.

  *Langelandsreise, die. I. 231.

  Lauchstädt. II. 11.

  Laxenburg. III. 171.

  Lempert, Schauspieler. II. 165.

  Leopold, König der Belgier. IV. 182, 201.

  Lessing. I. 103.

  Lind, Jenny. IV. 202.

  Lindfors, Professor. IV. 64.

  Ling, Dichter. IV. 166.

  Livorno. II. 224.

  *Longobarden, die. IV. 45.

  Louis Philipp. IV. 178, 184, 197.

  Louise, Königin von Preußen. II. 42.

  Louvre. III. 143.

  Lövenskjold, Statthalter in Norwegen. IV. 137.
  ----, Sohn. IV. 137.

  *Ludlams Höhle. III. 23, 49.

  Lübeck. III. 212.

  Lund. IV. 69.

  Lüttichau, Intendant. IV. 155.

  Lützen. II. 73.

  Lynar, Gräfin. IV. 156.


                                   M.

  Macready. IV. 191.

  Mailand. II. 189, 226.

  Malling, Geheimrath. IV. 35.

  Malmöe. IV. 62, 67.

  Malte-Brun. II. 130.

  Malzburg, Frau von. III. 114.

  Marburg. III. 117.

  *Margarethe, Königin. IV. 93, 227.

  Marino. II. 217.

  Mars, Demoiselle. II. 127.

  Max, Buchhändler. IV. 55, 115.

  Meißen. II. 73.

  Mendelssohn, Felix. IV. 155.

  Metternich, Fürst. III. 168; IV. 160.

  Metz. III. 120.

  Möller, Madame. I. 143.

  Möller, Jens. IV. 31.

  Moltke, Friedrich. III. 11.
  ----, Geheimrath. III. 12.

  Montefiascone. II. 203.

  Moscheles. IV. 35.

  Mozart. I. 121; IV. 167, 225.

  Müller, Johannes von. II. 53.
  ----, Maler und Dichter. II. 216.
  ----, Paludan. IV. 114.
  ----, Peter Erasmus. IV. 31, 101.

  München. IV. 168.

  Münter, Bischof. II. 75; IV. 73.

  Münter, Dr., Deutscher Prediger. IV. 116.

  Muhr, Magnetiseur. III. 209.

  Mynster, O. H. I. 186, 197; II. 16; IV. 7.
  ----, J. P. I. 186, 197; II. 15; IV. 31.
  ----, Gräfin, geb. Ompteda. III. 14, 89.


                                   N.

  Nagel, Staatsrath. IV. 202.

  Napoleon. III. 83.

  Naumburg. II. 53.

  Nemours, Herzog von. IV. 182.

  Neubourg, Kloster. III. 180.

  Niebelungenlied. II. 60.

  Nielsen, Schauspieler. IV. 11.

  Novalis. I. 210; III. 53.

  Nürnberg. IV. 170.

  Nysöe. IV. 126, 147.


                                   O.

  Oehlenschläger, Familie. Voreltern. I. 1. Großeltern. I. 7. Der Vater.
    I. 9, 109; II. 17; IV. 50. Die Mutter. I. 18, 21, 161. Schwester,
    Sophie. I. 12, 227; II. 39, 89; IV. 6. Frau, Christiane, geb.
    Heger. I. 162; II. 8; III. 5; IV. 128. Sohn, Johannes Wolfgang.
    III. 44; IV. 233. Sohn, William Conrad. III. 44; IV. 151. Tochter
    Charlotte. III. 34; IV. 93, 102.

  Oersted, A. S. I. 147, 184, 201.

  Oersted, H. C. I. 147, 184; II. 150, 152.

  *Oervarodd. IV. 185.

  Olsen, Fräulein, später Madame Rosing. I. 126.
  ----, Etatsrath. III. 45, 125.

  Orleans, Herzogin von. IV. 185.

  Oskar, König von Schweden. IV. 62, 100, 125.

  Overskou, Dichter. IV. 112.


                                   P.

  Paër. II. 77.

  *Palnatoke. III. 18.

  Paludan-Müller. IV. 226.

  Paris. II. 103, 163; III. 121; IV. 175.
  ----, Graf von. IV. 185.

  Parma. II. 196.

  Passy. III. 132.

  Paul, Jean. I. 189; III. 72; IV. 169.

  Pavels, Bischof. I. 219.

  Perthes, Buchhändler. III. 108.

  Peter, Wirth in Zürich. II. 168.

  Petersberg. II. 22.

  Petersen, Hofgärtner. I. 28.

  Petterson, Docent. IV. 203.

  Pfister, Ludwig, O.'s Schwiegersohn. IV. 94.

  Pisa. II. 224.

  Pistor, Geheimrath. II. 43; III. 199.

  Pius der Siebente. II. 212.

  Platen, Graf von. IV. 110.

  Prag. IV. 157.

  Pram, Dichter. I. 195.

  Primo, Olinto del Borgo di. III. 117.

  *Prometheus. IV. 93.


                                   R.

  Raczynski, Graf von. IV. 91.

  Rahbek, Knud Lyne. I. 113, 128, 140, 163, 222; III. 17, 50, 102;
    IV. 10, 14, 25.
  ----, Kamma. I. 226, 163; II. 36; IV. 57.

  Rainer, Erzherzog. III. 180.

  Ramlöse. IV. 61.

  *Räuberburg, die. III. 48.

  Raumer, Karl von. II. 10.

  *Regnar, Lodbrok. IV. 224.

  Reichardt, Familie. II. 10, 42. Frau R. III. 210. Louise. III. 109.
    Hanna. I. 243.

  Reimer, Buchhändler. II. 43; III. 199, 208.

  Reinhart, Maler. IV. 120.

  *Reise, die, nach Norwegen. IV. 96.

  Renner, Madame, Schauspielerin. III. 112.

  Rennenkampf, Baron. II. 217.

  Retzer. Baron. III. 180.

  Reventlow, Graf von. II. 8.
  ----, Graf Christian. III. 13.

  Rhein, der. IV. 173.

  Riedel, Schloßhauptmann. III. 171.

  Ries, Kammerherr. IV. 80.

  Riemer, Dr. II. 59, 62, 232.

  Riepenhausen, Gebrüder. II. 208, 219, 221; IV. 119.

  Rigi. II. 170.

  *Robinson in England. IV. 14.

  Röck, Herr von. IV. 212.

  Rodde-Schlosser, Frau. III. 113.

  Römer, Dr. III. 168.

  Rom. II. 207.

  Ronziglione. II. 204.

  Rose, Schauspieler. III. 181.

  Rosenkilde, Schauspieler. IV. 15, 143.

  Rosenstand-Goiske. I. 112.

  Rosing, Schauspieler. I. 102, 125; III. 19; IV. 7.

  Rossi, Maler. II. 192.

  Rossini. IV. 32.

  Rothschild, Familie. IV. 186.

  Rousseau. II. 136.

  Rückert. III. 159; IV. 111.

  Rumohr, Freiherr v. II. 86; IV. 89.

  Ryge, Schauspieler. III. 46.


                                   S.

  Saabye, Schauspieler. I. 136.
  ----, Peter, Kaufmann. II. 226.

  Sabran, Graf von. II. 173.

  Sächsische Schweiz. II. 88.

  Sagen, Lyder. IV. 141.

  Saltza, Graf von. IV. 71.

  Samsöe, Dichter. I. 34, 105.

  Sander, Dichter. I. 107, 150; III. 24.

  Sanssouci. IV. 152.

  Savern. III. 157.

  Savoyen. II. 104.

  Saxtorph, Lehrer. I. 60.

  Schaffhausen. II. 167.

  Schall, Concertmeister. IV. 37, 120.

  Schelling. III. 161.

  Schjelderup, Professor. III. 43; IV. 96.

  Schiller, Fr. I. 153, 195; II. 26, 119, 123; III. 63; IV. 117.

  Schiller, Frau von. II. 55, 62, 66, 72.

  Schimmelmann, Familie. I. 249; II. 8; III. 9, 33.

  Schinckel. III. 207.

  Schirmer, Madame, Schauspielerin. III. 21.

  Schjött, Canal-Inspector. I. 27.

  *Schlaftrunk, der. I. 229; III. 100.

  Schlegel, A. W. II. 135, 173.
  ----, Friedr. II. 134; III. 118.

  Schleiermacher. II. 10, 22, 42; III. 211.

  Schlosser. II. 215.

  Schmidt, Prediger. I. 27.
  ----, Schloßverwalter. I. 10.

  Schnorr. IV. 170.

  Schock, Herr von. II. 43.

  Schoulz, Fräulein von, Sängerin. IV. 69.

  Schröder-Devrient, IV. 217.

  Schrödersee, Kammerherr. IV. 25.

  Schumacher, Andr. IV. 208.

  Schulz, Capellmeister. I. 101; IV. 35.

  Schwanthaler. IV. 169.

  Schwarz, Schauspieler. I. 125.

  Schweigaard, Prof. IV. 137.

  Scott, Walter. IV. 19.

  Sergel. IV. 213.

  Sibbern, Prof. III. 103.
  ----, Staatsrath. IV. 138.

  Siboni, Singmeister. IV. 32, 121.

  Siena. II. 202.

  *Sigrid mit dem Schleier. III. 31.

  Simplon. II. 227.

  *Siofna. I. 199.

  Sismondi, Simondi de. II. 173.

  Smidt, Marie, Schauspielerin. I. 93, 106.

  Sölling, Commandeur. IV. 83.

  Sörensen, Bischof. IV. 89.

  Sohnleitner. III. 168.

  *Sokrates. IV. 102, 108.

  Solger, Prof. III. 210.

  Sophienholm. I. 256.

  Spalding, Prof. II. 43.

  Spieß. I. 96.

  Spontini. II. 126. IV. 198.

  Sprengtporten. IV. 214.

  Staël-Holstein, Frau von. II. 136, 172; III. 123.

  *Stärkodder. III. 34, 36.

  Stampe, Familie. IV. 126.

  Steffens, Heinrich. I. 204, 237; II. 12, 23; III. 56; IV. 126, 151.
  ----, Klärchen. IV. 128.

  Stettin. IV. 151.

  Stieglitz, Charlotte. IV. 92.

  Stockholm. IV. 212.

  Stollberg, Chr. II. 228; III. 31.
  ----, Friedr. III. 31.
  ----, Kätchen. III. 31.

  Storm, Ed. I. 47, 52, 71, 76.

  Straßburg. II. 163.

  Struensee, Graf. IV. 116.

  Stuttgart. II. 164.

  Südfeld, das. I. 19, 28.

  Suhm, Peter. I. 140.

  Svendsen, Lehrer. I. 58.

  Sverdrup, Prof. IV. 96, 137.


                                   T.

  Talma. II. 111, 125.

  Tegnér. IV. 70, 125.

  Thaarup. I. 101, 123; IV. 11.

  Tharand. II. 88.

  Thestrup, Prof. IV. 64.

  Thierry. IV. 189

  Thors Reise nach Jothunheim. I. 230.

  Thorwaldsen. II. 208; IV. 123, 126, 144.

  Tieck. I. 210; II. 86; III. 58, 206, 207, 211; IV. 86, 152.

  Tivoli. II. 213.

  Tode, Dichter. I. 176.

  *Tordenskjold. IV. 10, 93.

  Treschow, Staatsrath. IV. 96.

  Tschöppholz. III. 184.

  Turin. II. 188.


                                   U.

  Uhland. II. 167; III. 160.

  Unzelmann, Schauspieler. III. 201.


                                   V.

  *Vaulundurs Saga. I. 230.

  Velhaven. IV. 218.

  Vellnagel, Hofrath. II. 165.

  Versailles. III. 137.

  Viany, Alfred de. IV. 189.

  Villemain. IV, 188.

  Vincenz, Schauspieler. II. 165.

  Vogler, Abt. I. 108.

  Voigt, Baron. II. 173.

  Voß, der Vater. II. 228.
  ----, Joh. Heinr. II. 59.

  Vulpius, Fräulein. II. 98.


                                   W.

  Wallich, Theatermaler. II. 191.

  Waltersdorff, Generalmajor, Theaterintendant. I. 136.

  Waltersdorff, Minister. III. 123.

  *Wäringer, die, in Constantinopel. IV, 44.

  Weber, Carl Maria von. II. 166; III. 189.

  Wegener, Peter, Pseudonym. III. 78.

  Weimar. II. 54, 92, 230.

  Weimar'sche Fürstenfamilie. II. 61.

  Welcker. III. 113.

  Werner, Zacharias. II. 86, 177.

  Wessel, Dichter. I. 100.

  Weyse, Componist. I. 198; III. 48; IV. 35.

  Wieland. II. 54; III. 195.

  Wien. III. 167; IV. 158.

  Wieselgren, Adjunct. IV. 63.

  Wilhelm, Prinzessin von Preußen. IV. 153.

  Winckler, Berndt. I. 34.

  Winkler, Hofrath. IV. 156.

  Winther, Chr., Dichter. IV. 114.

  Wocher, Capitain. III. 184.

  Wolf, Philolog. II. 24.

  Wolf, Schauspielerpaar. II. 59.
  ----, Wilhelmine. II. 23.

  Wolffhardt, Prof. III. 209.

  Wollzogen, Frau von. II. 62.

  Wulff, Peter Fred. III. 45; IV. 132.


                                   Z.

  Zeschwitz, Herr von. II. 87.

  Zetliz. I. 104.

  Zeuthen, Familie. IV. 23, 27.

  Zink, Gesanglehrer. I. 119.

  Zschokke, Frau von. III. 199.

  Zürich. II. 168.

                    *       *       *       *       *

                  Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

                    *       *       *       *       *




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Band (of 4), by Adam Oehlenschläger

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in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
the applicable state law.  The invalidity or unenforceability of any
provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation information page at www.gutenberg.org


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at 809
North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887.  Email
contact links and up to date contact information can be found at the
Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]

Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit:  www.gutenberg.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For forty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.